Perspektiven_2016
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Die deutschsprachigen Namibier und die Politik<br />
Gerhard Tötemeyer<br />
Die „Deutschsüdwester“ und die Politik<br />
Von der Kolonialzeit bis zum Zweiten Weltkrieg<br />
Deutsche, die sich<br />
während der deutschen<br />
Kolonialzeit in Deutsch-Südwestafrika<br />
ansiedelten oder zeitweilig als Schutztruppler<br />
im Lande verweilten, waren deutsche Staatsbürger.<br />
Die am stärksten vertretenen Berufsgruppen<br />
waren Farmer, Geschäftsleute, Handwerker,<br />
Beamte, Schutztruppler und Polizisten. Letztere<br />
standen unter der Obrigkeit der Kolonialverwaltung<br />
in Berlin, die im damaligen Südwestafrika<br />
durch Gouverneure vertreten war. Zusammen<br />
bildeten sie keine homogene Gruppe, schon in<br />
der Kolonialzeit bestanden Standesunterschiede.<br />
Am Ende des Ersten Weltkrieges, und damit<br />
auch am Ende der deutschen Kolonialherrschaft,<br />
wohnten um die 12.000 Deutsche im Land.<br />
Inzwischen hatten sich auch viele Buren, wie die<br />
Afrikaans sprechenden Weißen genannt wurden,<br />
in Namibia angesiedelt. Sie kamen aus der südafrikanischen<br />
Union und vertraten weitgehend<br />
den ärmeren Teil der Burenbevölkerung, was<br />
dazu beitrug, dass die „deutschen Südwester“<br />
die Buren und ihre Kultur als minderwertig ansahen.<br />
Sie nannten sie abfällig „Schlappohren”<br />
und fühlten sich gesellschaftlich und wirtschaftlich<br />
ihnen überlegen. Diese Haltung bestimmte<br />
jahrzehntelang das Verhältnis zwischen diesen<br />
beiden Bevölkerungsgruppen, bis nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg aus politischen, aber auch<br />
menschlichen Gründen ein Umdenken begann.<br />
16<br />
Seit über 130 Jahren sind Deutschsprachige in dem südwestafrikanischen<br />
Land Namibia ansässig, zunächst als deutsche Staatsbürger<br />
unter der deutschen Kolonialmacht, dann als naturalisierte Südafrikaner.<br />
Während der beiden Weltkriege zum großen Teil interniert, deportiert,<br />
enteignet oder wieder ausgebürgert, lebten sie danach unter<br />
dem System der Apartheid. Als „Weiße“ und erneut mit südafrikanischer<br />
Staatsbürgerschaft erhielten sie wieder volle politische Rechte und<br />
auch Vorrechte, bis sie 1990 zu mit allen Einwohnern gleichberechtigten<br />
Staatsbürgern Namibias wurden. Professor Gerhard Tötemeyer<br />
beschreibt den politischen Weg der Deutschsprachigen in Namibia von<br />
ihren Anfängen bis zur Unabhängigkeit.<br />
Bei vielen Deutschen in Südwestafrika dauerte<br />
es lange, bis vor allem die so genannten Kaisertreuen<br />
den verlorenen Ersten Weltkrieg und den<br />
Sturz des Kaisers verarbeitet hatten. Das ehemalige<br />
deutsche Kaiserreich wurde vor allem in<br />
der älteren Generation trotz seiner Niederlage<br />
am Ende des Ersten Weltkriegs weiterhin idealisiert.<br />
Ende der Kolonialzeit<br />
Nach dem Ende der deutschen Kolonialzeit im<br />
Jahr 1915 wurde Südwestafrika auf der Grundlage<br />
des Versailler Vertrags ein von der Südafrikanischen<br />
Union verwaltetes Mandatsgebiet. Dies<br />
führte dazu, dass sich viele Südwesterdeutsche<br />
in einem politischen Schwebezustand befanden.<br />
Sollte man sich mit der neuen Heimat Südwestafrika<br />
identifizieren oder sollte Deutschland die<br />
Heimat und das politische Zuhause bleiben?<br />
Die Besetzung des ehemaligen Deutsch-Südwestafrikas<br />
durch südafrikanische Truppen nach<br />
Deutschlands Niederlage verkraftete man nicht<br />
leicht. Man sah Südafrika als Besatzungsmacht,<br />
und die südafrikanische Mandatsregierung in<br />
Südwest, nunmehr nicht mehr Deutsch-Südwest,<br />
wurde als erzwungen empfunden.<br />
Die sich in Deutschland anbahnende Demokratisierung<br />
nach dem Ersten Weltkrieg war für viele<br />
Südwesterdeutsche politisch fremd. Mit der re-