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Alfred Lange Nicht-Schulspezifische Faktoren und ... - of Alfred Lange

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<strong>Alfred</strong> <strong>Lange</strong><br />

<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> der<br />

Pflicht zur Lehrtherapie: Eine kritische<br />

Auseinandersetzung. Psychologische<br />

R<strong>und</strong>schau, 1994, 45 (3), 148-156<br />

* Unser Dank geht an Herrn J. Hänggi, Direktor des Zentrums für Agogik in Basel, für die<br />

Uebersetzung <strong>und</strong> Kommentare.<br />

** Pr<strong>of</strong>.Dr. <strong>Alfred</strong> <strong>Lange</strong> (1941) lehrt an der Fakultät für Klinische Psychologie der<br />

Universität Amsterdam, Roetersstraat 15, 1015 WB Amsterdam/Niederlande


Zusammenfassung<br />

<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

In diesem Artikel werden die gebräuchlichen Zielsetzungen der verpflichtenden<br />

Lehrtherapie unter die Lupe genommen. Die Frage ist, ob diese wünschenswert <strong>und</strong> auch<br />

erreichbar sind. Anhand der Literatur über die therapeutische Allianz, 'expectancy' <strong>und</strong><br />

nicht-spezifische <strong>Faktoren</strong> wird diese Frage ablehnend beantwortet. Am Schluss werden<br />

einige Empfehlungen für ein Ausbildungsmodell abgegeben, deren Nachdruck auf<br />

Therapeutenqualitäten liegt, die nicht unbedingt in spezifischen Therapieschulen gelehrt<br />

werden.<br />

Abstract<br />

This article looks into the possible goals for compulsory personal treatment during the<br />

training <strong>of</strong> psychotherapists. The question is whether these goals are desirable and possible<br />

to achieve. Reviewing the literature leads to a negative answer. Finally, some propositions<br />

are made in support <strong>of</strong> leads to a negative answer. Finally, some propositions are made in<br />

support <strong>of</strong> a training-model which emphasizes enhancing positive non-specific factors.<br />

2


Einführung<br />

<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

In den zurückliegenden Jahrzehnten ist in vielen europäischen<br />

Psychotherapie-Ausbildungen die Lehrtherapie ein verpflichtender Bestandteil geworden.<br />

In diesem Zusammenhang gab es Diskussionen über die Frage, welchen Beitrag die<br />

Lehrtherapie für die Qualität der Psychotherapie leistet (Schutz, 1984; Chabot, 1988;<br />

Dijkhuis, 1988; Van Dyck, 1989; Everts, 1990; van Winkel, 1991). Diese Frage wollen wir<br />

hier behandeln.<br />

Regelmässig kommen wir mit Patienten in Kontakt, deren Situation durch frühere<br />

Therapien nicht verbessert worden ist. Dies ist schade, aber unvermeidlich. <strong>Nicht</strong> allen<br />

kann zu ihrer Zufriedenheit geholfen werden, <strong>und</strong> hinzu kommt, dass Patienten <strong>und</strong><br />

Therapeuten manchmal nicht gut zueinander passen. Schlimmer ist, wenn sich der Zustand<br />

eines Patienten durch eine Behandlung verschlimmert <strong>und</strong> dass hin <strong>und</strong> wieder der<br />

Therapeut dafür verantwortlich gemacht werden kann. Dies ist beispielsweise dann der Fall,<br />

wenn der Therapeut an einer rigiden Behandlung von Störungen <strong>und</strong> Schwierigkeiten<br />

festhält <strong>und</strong> sich nicht dem Stil <strong>und</strong> den Bedürfnissen des Patienten anpasst. In solchen<br />

Fällen wird dem Patienten wenig Unterstützung geboten, <strong>und</strong> <strong>of</strong>t fehlt es an Höflichkeit<br />

<strong>und</strong> Respekt. Methorst <strong>und</strong> Diekstra (1987) berichten darüber in ihrer Untersuchung von<br />

Partnern psychiatrischer Patienten. Man kann sich fragen, ob die Absolvierung einer<br />

Lehrtherapie dazu beiträgt, dass solche Behandlungsfehler vermieden werden. Es gibt<br />

wenig Anhaltspunkte, dass dies der Fall ist.<br />

Vor einigen Jahren wurde viel über sexuellen Missbrauch von Patientinnen durch<br />

ihre Psychotherapeuten gesprochen. Aus einer Untersuchung von Aghassy <strong>und</strong> Noot<br />

(1987; 1990) konnte man entnehmen, dass in der Häufigkeit solcher Affären kein<br />

Unterschied bestand zwischen Therapeuten, die eine Lehrtherapie absolviert hatten, <strong>und</strong><br />

solchen ohne Lehrtherapie . Obwohl einige Zahlen dieser Untersuchung später<br />

angezweifelt wurden, scheint es doch ziemlich klar zu sein, dass eine Lehrtherapie keinen<br />

Beitrag zur Verhinderung solch elementarer Fehler leistet.<br />

In diesem Artikel besprechen wir die Zielsetzungen der Lehrtherapie, wie sie in der<br />

Literatur formuliert <strong>und</strong> wie sie realisiert worden sind. Schliesslich präsentieren wir ein<br />

Ausbildungsmodell, bei welchem die Zielsetzungen mehr zu ihrem Recht kommen.<br />

Die Zielsetzungen der Lehrtherapie<br />

Unter Lehrtherapie versteht man die "Aufarbeitung eigener Probleme, die für ein gutes<br />

Verständnis der Klienten <strong>und</strong> für das Besprechen <strong>und</strong> Analysieren ihrer Probleme<br />

hindernd sein könnten" (Dijkhuis, 1988). In Aufstellung I sehen wir die Ziele der<br />

3


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

Lehrtherapie, so wie sie durch Norcross, Strausser-Kirtland <strong>und</strong> Missar(1988)<br />

zusammengefasst wurden.<br />

Box 1 Zielsetzungen der Lehrtherapie gemäss Norcross et.al. (1988)<br />

- Sie dient dazu, den Therapeuten weniger neurotisch zu machen.<br />

- Sie muss zu mehr Einsicht <strong>und</strong> Verständnis führen.<br />

- Sie muss die Spannungen des angehenden Therapeuten vermindern.<br />

- Sie muss dem Therapeuten Vertrauen in den Nutzen der Therapie geben.<br />

- Sie ermöglicht die Erfahrung, wie es ist, Patient zu sein.<br />

- Man beobachtet klinische Methoden.<br />

Gegen diese schönen Zielsetzungen kann man natürlich wenig einwenden. Die Praxis sieht<br />

jedoch anders aus. Van Dyck (1989), Everts (1990) <strong>und</strong> <strong>Lange</strong> (1984) haben schon<br />

erwähnt, dass es nicht dasselbe ist, ob man sich wegen wirklicher Probleme bei einem<br />

Therapeuten anmeldet oder ob man bei einem Kollegen am eigenen persönlichen<br />

Wachstum "arbeitet". Weil der Lehrpatiënt im Algemeinen keine grosse Leidensdruck<br />

erfährt kann der Therapeut an ihm auch nicht die klinische Methoden demonstrieren, die<br />

bei 'echten' Patiënten notwendig sind. Der Lehrpatient beobachtet also<br />

Therapeutenverhalten dass nicht repräsentativ ist für das, was normalerweise im<br />

Sprechzimmer geschieht. Auch gibt es keine stichhaltigen Belege dafür, dass die<br />

Lehrtherapie zu mehr Vertrauen in die Psychotherapie geführt hat. Ebensowenig ist<br />

bewiesen, dass angehende Therapeuten nach einer Lehrtherapie weniger neurotische<br />

Symptome oder Schwierigkeiten im Leben hatten. Wenn das wirklich so wäre, warum<br />

wurde es dann noch nie bewiesen? Das sollte doch leicht sein. Ein einfaches "Vor-<strong>und</strong>nach-Design"<br />

mit einigen wenigen validierten Instrumenten als abhängige Variablen hätten<br />

genügt, um zu überzeugen.<br />

Aber auch die anderen Zielsetzungen scheinen schöner zu sein als sie wirklich sind.<br />

Es ist nicht klar, was unter "hindernd'" verstanden werden muss <strong>und</strong> welche Art<br />

"Verständnis" die Lehrtherapie dem angehenden Therapeuten beibringt. In der Praxis hängt<br />

das immer davon ab, was der Aspirant-Therapeut 'einbringt' <strong>und</strong> auf welches "Material" der<br />

Lehrtherapeut eingeht. Es ist leicht denkbar, dass gute Qualitäten eines Aspirant-<br />

Therapeuten durch bestimmte Lehrtherapeuten gerade negativ beurteilt werden; auch das<br />

Umgekehrte ist möglich.<br />

Wie am Anfang dieses Artikels festgestellt wurde, ist es in manchen Lehrtherapien<br />

<strong>of</strong>fensichtlich nie ein wichtiger Aspekt gewesen, dass der Aspirant-Therapeut nur wenig<br />

Respekt <strong>und</strong> Höflichkeit gegenüber Patienten aufbringt. Vielleicht ist dies in der<br />

Lehrtherapie auch nie deutlich geworden. Vielleicht waren Respekt <strong>und</strong> Höflichkeit auch<br />

nie die stärksten Seiten des Lehrtherapeuten selbst. Therapeuten, die keine Bedenken<br />

4


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

hatten, sich ihren Patientinnen sexuell zu nähern, haben vermutlich auch nie das Bedürfnis<br />

gehabt, diese Neigung in der Lehrtherapie zur Diskussion zu stellen.<br />

Dadurch, dass nicht deutlich wird, welches die hindernden Blockaden sind, mit denen<br />

ein Aspirant-Psychotherapeut aufräumen muss, können Lehrtherapie-Sitzungen leicht zu<br />

einem Suchen nach Problemen ausarten, die sich vor allem für den Fortgang der<br />

Lehrtherapie selbst eignen. Das ist, was Haley meinte, als er gegen Ausbildungen wetterte,<br />

in denen angehende Psychotherapeuten durchleuchtet werden hinsichtlich ihrer eigenen<br />

Schwierigkeiten (De Haan & Hoogduin, 1981). Er stellte sogar fest, dass, "je mehr<br />

Therapien jemand gehabt hat, desto schwieriger ist es, ihn zu lehren, selbst Therapien zu<br />

geben. Sie sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht mehr in der Lage sind zu<br />

sehen, mit was für Patienten sie es zu tun haben".<br />

Diese Meinung wird durch eine Untersuchung auf diesem Gebiet unterstützt.<br />

Garfield <strong>und</strong> Bergin (1971) fanden beispielsweise, dass die von ihnen untersuchten<br />

Therapeuten in Ausbildung mit einer Lehrtherapie schlechtere Resultate erzielten als jene<br />

ohne Lehrtherapie. Ihre Erklärung dazu gleicht jener von Haley: Sie sind zu sehr mit sich<br />

selbst beschäftigt.<br />

In einer ausführlichen Übersicht zu Therapeuten-Variablen kommen Parl<strong>of</strong>f, Waskow<br />

<strong>und</strong> Wolfe (1978) zur vorsichtigen Schlussfolgerung: "The contribution <strong>of</strong> personal<br />

psychotherapy to the enhancement <strong>of</strong> the therapist's usefulness remains <strong>und</strong>emonstrated" (S.<br />

273). Zwölf Jahre später ist nichts positiveres über die Lehrtherapie bekannt. In einer<br />

Uebersicht von Everts (1990) zeigt sich, dass - wenn schon ein Unterschied zwischen<br />

Psychotherapeuten mit oder ohne Lehrtherapie besteht - die Therapeuten ohne Lehrtherapie<br />

besser arbeiten.<br />

Wie die hier zitierten Autoren müssen auch wir mit den Interpretationen der<br />

Untersuchungen vorsichtig sein. Die meisten sind noch etwas mangelhaft aufgebaut.<br />

Hinzu kommt, dass sie vor allem in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurden (wo man<br />

übrigens nicht so unklug gewesen ist, die Lehrtherapie als Pflicht einzuführen), <strong>und</strong> es ist<br />

nicht sicher, ob die Folgerungen auch für die europäische Situation gelten. In Holland ist<br />

z.B. nur die Untersuchung von Schutz (1981) publiziert worden, bei der sich herausstellte,<br />

dass Therapeuten mit einer Lehrtherapie genau so viele "drop-outs" hatten wie die<br />

Therapeuten ohne Lehrtherapie.<br />

Die Behauptung, dass Lehrtherapie schädlich ist, kann nicht als bewiesen gelten.<br />

Aber es darf zumindest bezweifelt werden, dass eine Pflicht-Lehrtherapie die Qualität der<br />

Psychotherapie erhöht <strong>und</strong> ob die Energie, die dazu verwendet wird, nicht besser genutzt<br />

werden könnte.<br />

5


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

Lehrtherapie, "therapeutische Allianz", "Expectancy" <strong>und</strong> nicht-spezifische<br />

<strong>Faktoren</strong><br />

Es wird inzwischen deutlich sein, dass es wenig Gründe gibt, viel Positives von einer<br />

verpflichtenden Lehrtherapie als Teil der Ausbildung zum Psychotherapeuten zu erwarten.<br />

Trotzdem ist es sinnvoll, über persönliche Qualitäten, die man von Psychotherapeuten<br />

erwarten kann, nachzudenken <strong>und</strong> zu versuchen, darauf hinzuarbeiten, dass auf diese<br />

Qualitäten vermehrt Rücksicht genommen wird. In dieser Hinsicht ist wenig geforscht<br />

worden, <strong>und</strong> die bestehenden Resultate sind recht widersprüchlich. Am<br />

vielversprechendsten sind die Untersuchungen, die auf die therapeutische Allianz auf die<br />

Folgen von positiven oder negativen Erwartungen bezüglich der Behandlung <strong>und</strong> auf die<br />

Gemeinsamkeiten der verschiedenen Therapieformen Bezug nehmen: die "common<br />

factors" bzw. die <strong>Faktoren</strong>, die nicht-spezifisch sind für eine bestimmte Schule.<br />

Für die Frage, inwieweit eine gute therapeutische Beziehung für das Zustandekommen<br />

eines therapeutischen Effektes notwendig ist, besteht schon seit Jahren Interesse (Sweet,<br />

1984). Verschiedene psychotherapeutische Strömungen haben zur Theoriebildung auf<br />

diesem Gebiet beigetragen. In der psychoanalytischen Theorie wird zwischen der<br />

Uebertragungsbeziehung <strong>und</strong> anderen Aspekten der therapeutischen Beziehung<br />

differenziert. In der Uebertragungsbeziehung werden Kontakte des Klienten mit wichtigen<br />

anderen Personen neu erlebt <strong>und</strong> analysiert. Für die gegenseitige Beurteilung von Klienten<br />

<strong>und</strong> Therapeuten wird der Begriff der "therapeutischen Allianz" verwendet (Greenson &<br />

Wexler, 1978). Eine gute therapeutische Allianz wird als Bedingung für das Erreichen<br />

eines positiven Resultatet betrachtet (Horowitz & Marmar, 1985). Diese Betrachtungsweise<br />

wird durch empirische Untersuchungen unterstützt (Horvath & Luborsky, 1993; de Ruiter<br />

& Cohen, 1987). Die Erstgenannten gehen von einem sozialpsychologischen "Sozialen<br />

Einfluss-Modell" aus. Ein Therapeut, den die Klienten als geeignet <strong>und</strong> vertrauensvoll<br />

erachten, kann mehr Einfluss ausüben als ein Therapeut, der diesen Eindruck nicht<br />

erweckt.<br />

In diesem Lichte gesehen scheint es heute merkwürdig, dass sich die Untersuchungen<br />

von psychodynamischen Forschern anfänglich vorwiegend auf Klienten <strong>und</strong> ihre Beiträge<br />

zur therapeutischen Beziehung beschränkten. Es schien, als ob der wichtigste Faktor war,<br />

inwieweit der Klient imstande ist, im täglichen Leben bedeutungsvolle Kontakte einzugehen<br />

(Moras & Strupp, 1982; Marziali, 1984). Erst später wurde durch psychodynamischorientierte<br />

Forscher auch untersucht, welche Rolle der Therapeut spielt, wenn es darum<br />

geht, Kontakt mit "schwierigen" Klienten zu knüpfen. Aufgr<strong>und</strong> einer seiner berühmten<br />

"Vanderbilt-Studien" folgert Strupp (1993), dass eine gute therapeutische Beziehung zwar<br />

mit einer erhöhten Chance auf ein positives Resultat einhergeht, dass dies jedoch nur für<br />

6


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

Klienten gilt, die nicht als "schwierig" eingestuft werden. Wenn es um negative,<br />

widerspenstige <strong>und</strong> feindselige Klienten geht, dann scheinen sowohl erfahrene wie weniger<br />

erfahrene psychoanalytische Therapeuten wenig zu erreichen. Es kommt dann anscheinend<br />

keine positive Allianz zustande.<br />

Aufgr<strong>und</strong> einer Reihe von Untersuchungen zeigt Binder (1993) auf, dass das<br />

Kreieren <strong>und</strong> Erhalten einer guten therapeutischen Allianz mehr von einem Therapeuten<br />

verlangt als positive persönliche Charakteristiken wie "Wärme" <strong>und</strong> "Empathie". Es sind<br />

auch technische Qualitäten nötig, um einer Bedrohung der Allianz entgegentreten zu<br />

können. "Interpersonale Fähigkeiten" <strong>und</strong> "technische Fähigkeiten" sind gemäss dieser<br />

Forschern nicht voneinander zu trennen (Butler & Strupp, 1986; Henry & Strupp, im<br />

Druck, Safran et.al., 1990, alle zitiert in Binder, 1993).<br />

Innerhalb der Verhaltenstherapie wurde anfänglich der Bedeutung einer therapeutischen<br />

Beziehung nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sie richtete sich eher auf die spezifischen<br />

Techniken. Erst in den 80iger Jahren kam die Forschung auch innerhalb der<br />

Verhaltenstherapie in Gang (Bennun, Hahlweg, Schindler & Langlotz, 1986; Schaap,<br />

Bennun, Schindler & Hoogduin, 1993; Bennun & Schindler, 1988). In manchen<br />

Untersuchungen wurde ein positiver Zusammenhang zwischen der Art der therapeutischen<br />

Beziehung in den ersten Sitzungen <strong>und</strong> dem Endresultat aufgezeigt (Hoogduin, de Haan,<br />

Schaap & Severeijn, 1988; Margraf & Brennemann, 1992). In anderen Untersuchungen<br />

wurden solche Zusammenhänge jedoch nicht gef<strong>und</strong>en (de Beurs, 1993).<br />

Als wichtige Therapeutenvariable wird hin <strong>und</strong> wieder auch der Begriff der<br />

"Erwartung" ("expectancy") genannt. Es gibt klassische sozialpsychologische Experimente,<br />

die zeigen, dass Therapeuten, die positive Voraus-Informationen über Klienten bekommen<br />

haben, danach über Klienten positive Diagnosen stellen (<strong>Lange</strong>r & Abelson, 1974;<br />

Temerlin, 1968). Diese Experimente gingen jedoch nie weiter als bis zur Wahrnehmung<br />

des Klienten durch den Therapeuten. In einer Reihe bemerkenswerter Experimente zeigten<br />

<strong>Lange</strong> <strong>und</strong> seine Mitarbeiter, dass die Erwartung über den Klienten auch die<br />

Verhaltenstendenzen beeinflusst (<strong>Lange</strong>, de Beurs, Hanewald & Koppelaar, 1991).<br />

Erfahrene Psychotherapeuten bekamen Videoaufnahmen der ersten zwei Gespräche mit<br />

einer Familie zu sehen, in welcher der älteste Sohn wegen Verhaltensproblemen angemeldet<br />

worden war. Alle Gruppen bekamen (wie das in der Praxis üblich ist), einige Voraus-<br />

Informationen. In einer experimentellen Vorgabe waren die Informationen über den Sohn<br />

negativ, in anderen Vorgaben diejenigen über die Eltern <strong>und</strong> in der dritten Vorgabe war die<br />

Information neutral. Die Videobilder wurden in bestimmten Momenten gestoppt. In diesem<br />

Augenblick konnten die Testpersonen ein Urteil über die Situation <strong>und</strong> jeden einzelnen<br />

Klienten abgeben. Weiter schrieben sie auf, was sie in diesem Moment als Therapeut tun<br />

würden. Durch unabhängige Beobachter wurden diese Beurteilungen <strong>und</strong> die<br />

7


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

"Verhaltenstendenzen", die gegenüber jedem Betr<strong>of</strong>fenen vorhanden war, ausgewertet. Aus<br />

der Untersuchung kam überdeutlich zum Vorschein, dass die (unrichtige) Voraus-<br />

Information grossen Einfluss auf das Urteil über die Klienten wie auch über die Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie man sich ihnen gegenüber verhielt, hatte.<br />

Besonders interessante Ergebnisse über die Auswirkung der Erwartungshaltung<br />

gegenüber einer (medizinischen) Behandlung beschreiben Roberts, Kewman, Mercier <strong>und</strong><br />

Hovell (1993). Sie verglichen die Wirkung von pharmakologischen <strong>und</strong> chirurgischen<br />

Eingriffen, bei denen der Arzt wie der Patient in jenem Moment (noch) positive<br />

Erwartungen hatte, mit den Folgen derselben Behandlung, wenn sie im Rahmen einer<br />

vergleichenden Untersuchung (also mit dem nötigen Zweifel über das Resultat) ausgeführt<br />

worden waren. Es zeigte sich, dass bei hochgespannten Erwartungen die Resultate einer<br />

Behandlung viel positiver ausfielen als vergleichsweise jene, die bislang in<br />

Forschungsergebnissen aufgezeigt worden war, wo zum vorneherein Zweifel am Nutzen<br />

derselben Behandlung bestanden hatte.<br />

Wenn wir die Resultate all dieser Untersuchungen betrachten, können wir mit<br />

Binder (1993) <strong>und</strong> mit Strupp (1993) feststellen, dass es wichtig ist, Psychotherapeuten<br />

gerade bezüglich der sogenannten nicht-spezifischen <strong>Faktoren</strong> (common factors) zu<br />

trainieren, damit Raum geschaffen wird für positive Erwartungen <strong>und</strong> für das Schaffen von<br />

positiven Erwartungen beim Klienten. Aufgr<strong>und</strong> einer Literaturuntersuchung folgert Binder<br />

(1993), dass es keine empirischen Daten gibt für die Annahme, die Lehrtherapie könne<br />

dabei eine bedeutende Rolle spielen. Von grösserer Bedeutung scheint es ihm zu sein,<br />

Therapeuten in der Kombination von interpersonalen <strong>und</strong> technischen Fähigkeiten direkt zu<br />

trainieren.<br />

Es gibt nicht viele direkte Untersuchungen über die Wichtigkeit von nicht-spezifischen<br />

<strong>Faktoren</strong> für die Psychotherapie. Zur Ausnahme gehören Llewelyn <strong>und</strong> Hume (1979), die<br />

in einer retrospektiven Untersuchung von 1979 bei 49 Patienten aufzeigen, dass allgemeine<br />

Elemente wie "Gelegenheit, sich zu äussern", "Beruhigung'"<strong>und</strong> "sich akzeptiert fühlen" als<br />

viel wichtiger erlebt wurden als die spezifischen Behandlungs-Aspekte einer bestimmten<br />

Schule. Dies galt sowohl in Bezug auf verhaltenstherapeutische wie auch auf<br />

psychodynamische Elemente. Mit anderen Worten, gute analytische Therapeuten haben<br />

eine nicht geringe Aehnlichkeit mit guten Verhaltens- oder Familientherapeuten.<br />

Relevant ist auch die Untersuchung von Williams <strong>und</strong> Chambless (1990). Bei<br />

Agoraphobikern fanden sie bedeutende Verbindungen zwischen Therapeutenvariablen wie<br />

Wärme, Respekt, Interesse, Empathie <strong>und</strong> Ermutigung (gemessen mit der 'Therapist Rating<br />

Scale') <strong>und</strong> dem Behandlungsresultat.<br />

8


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

Sich in anderen versetzen können Rogers (1961); Norcross et al. (1988); Minuchin & Fishman (1981)<br />

Wärme, Empathie Rogers, (1961); Williams & Chambless (1990);Truax &<br />

Carkhuff(1967) Truax & Mitchell (1971)<br />

Interessiertheit Feifel & Eells (1963); Murphy et al. (1984)<br />

Respect erweisen Llewelyn & Hume (1979); Norcross et al. (1988)<br />

Autorität überwiegt Chabot (1988); Frank (1979)<br />

Bescheiden <strong>Lange</strong> (1985)<br />

<strong>Nicht</strong> defensiv, nicht beschuldigend Truax & Carkhuff (1967); Barton & Alexander (1981);<strong>Lange</strong> (1985)<br />

Ehrlich, nicht ausbeutend Strupp (1976)<br />

Beruhigend Strupp (1976); Llewelyn & Hume (1979); Bond & Brugman (1989)<br />

H<strong>of</strong>fnung gebend Frank (1973)Chabot (1988); Llewellyn &Hume (1979); Murphy et al.<br />

(1984); Rabkin(1977)<br />

Rat geben Schaffer & Dreyer (1982); Murphy et al. (1984); Gimbrère (1990)<br />

Geneigt Komplimente zu machen Barton & Alexander (1981); <strong>Lange</strong> (1985)<br />

Informationen übertragen können,strukturieren Barton & Alexander (1981)<br />

Neugierig machend, reizen/anregen Omer & London (1989)<br />

Ueberraschend Omer & London (1989)<br />

Einsatz ausstrahlend Bond & Brugman (1989)<br />

Humoristisch Frank (1979); Van Dyck (1980); Barton &Alexander (1981)<br />

Kreativität Omer & London (1989)<br />

Positive paralinguistische Eigenschaften Morris & Suckerman (1974), Barton & Alexander (1981)<br />

Figur 2 In der Literatur genannte positive Eigenschaften des Therapeuten:<br />

Wenn wir eine Aufstellung darüber machen, welche allgemeine Eigenschaften in der<br />

Literatur genannt werden, kommen wir auf die in der Figur 2 genannten Qualitäten. Auch<br />

für diese Eigenschaften kann nicht nachgewiesen werden, dass die Wirkung der<br />

Behandlung dadurch stark zunimmt. Mitchell, Bozarth <strong>und</strong> Krauft (1977) kommen sogar<br />

zu einer Neubewertung der aus dem Jahre 1971 stammenden Folgerungen von Truax <strong>und</strong><br />

Mitchell (1971), dass Eigenschaften wie "Wärme" <strong>und</strong> "Empathie" notwendige<br />

Voraussetzungen sind für eine erfolgreiche Behandlung. Die Beziehung ist manchmal<br />

komplexer. Bei einigen Patientengruppen, z.B. bei Patienten mit Schizophrenie, scheint sich<br />

schon zuviel "Wärme" negativ auszuwirken.<br />

Wenn wir die ganzen Untersuchungen auf diesem Gebiet betrachten, dann können<br />

wir trotzdem folgern, dass die meisten der in der Figur 2 genannten Merkmale die Chance<br />

auf eine positive Beziehung zwischen Patient <strong>und</strong> Therapeut <strong>und</strong> die Möglichkeiten für eine<br />

9


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

positive Beeinflussung des Patienten vergrössern, sicher, wenn der Therapeut seine<br />

Möglichkeiten sorgfältig abwägt.<br />

<strong>Nicht</strong> jeder Psychotherapeut wird auf allen Punkten "zu Hause sein." Und gewisse<br />

Eigenschaften kann man sich auch nicht lernenderweise aneignen. Jemand, der nicht viel<br />

Gefühl für Humor hat, lernt das auch nicht in einem Training oder in einer Lehrtherapie;<br />

aber das ist nicht so schlimm. Aber jemand, der nicht wirklich an den Problemen von -<br />

vielleicht manchmal lästigen - Menschen interessiert ist, hat keine grosse Chance, ein guter<br />

Therapeut zu werden. In dieser Hinsicht können wir uns mit Rogers (1961) einverstanden<br />

erklären.<br />

Ueber Intelligenz hört man kaum etwas. Ist sie etwa nicht hilfreich? Sollte durch<br />

Intelligenz nicht wirklich etwas hinzugefügt werden? Ist ein dummer Therapeut ebensogut<br />

wie ein intelligenter, angenommen, die übrigen Qualifikationen sind gleich? Wahrscheinlich<br />

nicht. Während einem Psychotherapieprozess steht man immer vor Entscheidungen <strong>und</strong><br />

Fragen, beispielsweise: Soll ich feedback geben oder nicht? Soll ich einen Rat geben oder<br />

nicht? Was für einen Kommentar soll ich geben <strong>und</strong> in welchem Moment? Welche Art Rat<br />

soll ich geben <strong>und</strong> wann? Wie kann ich die Motivation des Patienten erhöhen? Etc.<br />

Gemäss einer Untersuchung von Bond & Brugman (1989) betrachtete mehr als die<br />

Hälfte der befragten Ex-Patienten die Art <strong>und</strong> das Timing des Kommentars bezüglich ihres<br />

Verhaltens als entscheidend für das Ergebnis der Behandlung. Nebst Kenntnis der<br />

Psychopathologie <strong>und</strong> der dazu passenden Therapietechniken scheinen Intelligenz <strong>und</strong><br />

Kreativität wie auch eine subtile Fähigkeit des Einfühlens bestimmt kein Handicap für<br />

einen Psychotherapeuten zu sein.<br />

Ein alternatives Ausbildungsmodell<br />

Von den Eigenschaften, von denen wir annehmen dürfen, sie seien wichtig, um den Erfolg<br />

von Therapien zu erhöhen, scheint die absolvierte Lehrtherapie nicht relevant. Unter den in<br />

der Figur 2 genannten Eigenschaften sind jedoch einige, auf die entschieden Einfluss<br />

ausgeübt werden kann. Eine entschprechende Beeinflussung mag zwar in herkömmlichen<br />

Lehrtherapiesitzungen nicht gelingen, wohl aber vielleicht in Trainings, bei denen diese<br />

positiven zwischenmenschlichen Fähigkeiten der (künftigen) Therapeuten gezielt stimuliert<br />

werden. Dieser Gedanke schliesst an die oben genannte Bef<strong>und</strong>e von Forschern wie Strupp<br />

<strong>und</strong> Binder an, dass integrierte Trainings von spezfischen <strong>und</strong> interpersonale Fähigkeiten<br />

erfolgverspreichend scheinen, vor allem, wenn es um "schwierige" Patienten geht (<strong>Lange</strong>,<br />

1985; Henry, Strupp, Butler, Schacht & Binder, 1993). Nondirektive Therapeuten wie<br />

Carkhuff <strong>und</strong> seine Mitarbeiter nahmen (schon vor Jahrzehnten) in ihren Ausbildungen<br />

Trainings auf, die sie für zwischenmenschliche Fähigkeiten als förderlich erachteten. Zwar<br />

waren die Resultate gemäss Parl<strong>of</strong>f et. al. (1978) nicht glänzend, aber das kann an der<br />

10


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

Wahl der zu lehrenden "Fähigkeiten" (Echtheit <strong>und</strong> Wärme) gelegen haben. Barton <strong>und</strong><br />

Alexander (1981) beschreiben positive Erfahrungen mit dem Trainieren von "relationship<br />

skills" für "functional family therapy". Hier geht es bereits um konkretere, also besser zu<br />

erlernende Fertigkeiten.<br />

Wichtiger als solche Trainings, Kurse oder Seminare ist die Supervision, in der<br />

Lücken in den zwischenmenschlichen Qualitäten der künftigen Therapeuten zum Vorschein<br />

kommen können <strong>und</strong> in der man lernt, diese Qualitäten weiter zu entwickeln. Wir kommen<br />

dann zu einem idealtypischen Modell, wie es in Abbildung 3 aufgeführt ist.<br />

Besinnung auf notwendige<br />

Qualitäten<br />

Uebereinstimmung<br />

Unterricht über Kenntnisse<br />

in Kursen<br />

Unterricht über spezielle<br />

Fähigkeiten, in Kursen<br />

Training von notwendigen<br />

nicht-Therapieschul-spezifischen<br />

Qualitäten in der Supervison<br />

Figur 3 Ausbildungs-Schema<br />

Bei einem Defizit an Qualitäten<br />

Extra<br />

Supervision<br />

(Lehr)<br />

Therapie<br />

Stoppen<br />

mit<br />

Ausbildung<br />

1. Innerhalb jeder Therapieströmung muss man sich auf die Qualitäten besinnen, die man<br />

für Psychotherapeuten wichtig findet. Dabei kann man an die früher genannten, nichtspezifischen<br />

<strong>Faktoren</strong> denken, die zur Folge haben, dass eine Therapie - abgesehen von der<br />

inhaltlichen Seite - mehr Chancen für das Gelingen hat. Es geht um Qualitäten, die den<br />

Therapeuten befähigen Patienten zu motivieren <strong>und</strong> den 'impact' von Interventionen zu<br />

erhöhen.<br />

2. In den Therapiekursen muss - nebst Kenntnis über Psychopathologie <strong>und</strong> spezifische<br />

Therapietechniken - diesen nicht-spezifischen <strong>Faktoren</strong> Aufmerksamkeit geschenkt<br />

11


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

werden. Dies kann mittels Literaturstudium <strong>und</strong> durch Uebungen im Rollenspiel<br />

geschehen.<br />

3. Während der Supervisions-Zusammenkünften wird in Kombination mit der<br />

Besprechung des technischen Inhaltes der Behandlung abgeklärt, inwieweit der<br />

Supervisand diese Qualitäten gezeigt hat:<br />

- Hatte er Respekt walten lassen?<br />

- Ist er höflich gewesen?<br />

- Hat er keine Möglichkeiten vorbeigehen lassen, Komplimente<br />

zu geben?<br />

- Hat er die Möglichkeiten genutzt, H<strong>of</strong>fnung zu wecken?<br />

- Hat er das Selbstwertgefühl des Klienten nicht verletzt?<br />

- Ist er nicht zu defensiv gewesen?<br />

- Hat er den Patienten mitdenken lassen?<br />

- Hat er genügend Interesse gezeigt?<br />

- Hat er danach getrachtet, die Motiviertheit des Patienten zu<br />

erhöhen?<br />

In solchen Supervisionen ist es nützlich, nicht nur von mündlichen oder schriftlichen<br />

Rapporten auszugehen, sondern auch Audio- oder Videobänder zu gebrauchen, so dass ein<br />

detaillierter Kommentar des Supervisors möglich ist.<br />

4. S<strong>of</strong>ern bei Supervisanden regelmässig ernsthafte Lücken in den oben erwähnten<br />

Fähigkeiten festgestellt werden, liegt es in erster Linie am Supervisor, zu versuchen, das<br />

Auftreten des Supervisanden zu beeinflussen. Das kann durch Feedback geschehen, durch<br />

Rollenspiele, durch Vormachen (eventuell mit eigenen Bändern), Literatur, Hausaufgaben<br />

usf.<br />

5. Trotzdem kann es geschehen, dass der Supervisand im Verlaufe des<br />

Supervisionsprozesses nicht über die minimal notwendigen Qualitäten zu verfügen scheint.<br />

Dies kann verschiedene Ursachen haben. Es ist möglich, dass er mehr Training als üblich<br />

benötigt, um sich eine Anzahl der oben genannten Qualitäten zu eigen zu machen. Die<br />

Supervision muss dann verlängert werden.<br />

Es ist auch möglich, dass Lücken vorhanden sind, die mit einer 'Therapie' gefüllt<br />

werden können. Wenn sich z.B. zeigt, dass ein Supervisand bei bestimmten Problemen<br />

nicht imstande ist, die richtigen Fragen zu stellen, oder dass er nicht fähig ist, bestimmte<br />

Themen einzubringen weil er selbst Aengste auf diesem Gebiet hat, dann sollte etwas<br />

unternommen werden. Er könnte dann eine auf dieses Problem gerichtete "Lehr"-Therapie<br />

absolvieren. Norcross et. al. (1988) sprechen in diesem Zusammenhang von einem<br />

12


<strong>Nicht</strong>-<strong>Schulspezifische</strong> <strong>Faktoren</strong> <strong>und</strong> die Pflicht zur Lehrtherapie<br />

"personal treatment", das vorzugsweise durch den Supervisor ausgeführt werden sollte;<br />

aber dies wäre nicht unbedingt nötig.<br />

Schwieriger wird es, wenn dem Supervisanden wichtige Basiseigenschaften fehlen.<br />

Ist er beispielsweise ausgesprochen dumm, kann keinen Respekt für seine Patienten<br />

aufbringen, oder nimmt er stets eine Verteidigungsposition ein, so haben weder<br />

Lehrtherapie noch weiteres Training einen Sinn. Es sollte dann möglich sein die<br />

Anerkennung der Supervision zu verweigern. In einem solchen Fall muss der Supervisand<br />

das Recht auf ein Schiedsgericht haben. Das könnte beinhalten, dass eine Kommission von<br />

respektierten <strong>und</strong> erfahrenen Psychotherapeuten derselben Orientierung eines oder mehrere<br />

Gespräche mit dem Supervisor oder dem Supervisanden führen, aufgr<strong>und</strong> dieser dann<br />

entschieden wird, ob der Supervisand weiterfahren kann oder ob er den Rat bekommt, einen<br />

anderen Beruf zu wählen.<br />

Schlussfolgerung<br />

Mit dem hier propagierten Modell wird versucht, die Ausbildungsst<strong>und</strong>en für<br />

Therapeutinnen <strong>und</strong> Therapeuten effektiver zu gestalten. Anstatt der allgemeinen festen<br />

Verpflichtung zu einer Lehrtherapie wird ein Training für nicht-therapieschulspezifische<br />

<strong>Faktoren</strong> konzipiert, das je nach Bedarf absolviert werden kann.<br />

Es wurde schon darauf hingewiesen, dass dieses Modell nicht leicht zu verwirklichen<br />

ist. Dies ist nur möglich, wenn eine Einigung darüber besteht, welches die notwendigen<br />

Qualitäten sein müssen, die geprüft werden sollen, <strong>und</strong> wenn die Supervisoren selbst auch<br />

bezüglich dieser Qualitäten ausgewählt werden. Doch ist das Modell schon heute teilweise<br />

brauchbar (siehe z.B. <strong>Lange</strong>, 1994; Van Winkel, 1991). Letzterer berichtet von positiven<br />

Resultaten einer Kombination von "Gegenseitigen Verhaltensmodifikationen" (GVM) <strong>und</strong><br />

"Lehrtherapien", wobei teilweise die hier beschriebenen Zielsetzungen verwirklicht zu<br />

werden scheinen. Wenn die Lehrtherapie auf eine solche Weise "operationalisiert" wird, ist<br />

dagegen nichts einzuwenden.<br />

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