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Die Erkundung <strong>de</strong>s<br />
Orklands<br />
DSA-News-Abenteuer 6<br />
>>Teil III :Der Orkenhort
DAS SCHWARZE AUGE und AVENTURIEN sind eingetragene Warenzeichen <strong>de</strong>r<br />
Firma Fantasy Productions. Copyright (c) 1997. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Dieses Dokument enthält nicht-offizielle Informationen zum Rollenspiel Das<br />
Schwarze Auge und zur Welt Aventurien. Diese Informationen können im Wi<strong>de</strong>rspruch<br />
zu offiziell publizierten Texten stehen; bei Fragen zu dieser Website wen<strong>de</strong>n<br />
Sie sich bitte an Webmaster@<strong>Armatrutz</strong>.<strong>de</strong>.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich bei diesem Dokument um ein Log aus <strong>de</strong>r Newsgroup z-netz.freizeit.rollenspiele.dsa<br />
zu <strong>de</strong>n DSA-Basis-Abenteuern 15-17 „Im Spinnenwald“, „Der Purpurturm<br />
“ und „Der Orkenhort“. Das Log wur<strong>de</strong> an einigen Stellen behutsam verän<strong>de</strong>rt,<br />
um <strong>de</strong>n Lesefluss zu verbessern und Fehler zu korrigieren.<br />
2
Teil III – Der Orkenhort<br />
Weiter gen Nor<strong>de</strong>n......................................................389<br />
Ein neuer Weg..........................................................389<br />
Der Schwarm............................................................391<br />
Der Händler..............................................................393<br />
Nahema.....................................................................398<br />
Eine Nacht im Sumpf..............................................408<br />
Ohort............................................................................414<br />
Die springen<strong>de</strong>n Eichen............................................427<br />
Ent<strong>de</strong>ckungen.............................................................432<br />
Die Bibliothek..........................................................432<br />
Der Sü<strong>de</strong>n von Ohort..............................................442<br />
An <strong>de</strong>r Burg...............................................................444<br />
Der Nor<strong>de</strong>n von Ohort............................................444<br />
Wie<strong>de</strong>r vereint..........................................................448<br />
Die Nacht in <strong>de</strong>r Burg.............................................448<br />
Die Geheimnisse Ohorts...........................................451<br />
Gewagtes Spiel.........................................................451<br />
Der Krankenbesuch von Rovena und Isinha.......456<br />
Der zweite Stadtrundgang......................................461<br />
Kar Krinak................................................................464<br />
Nahemas Kontor.........................................................471<br />
Schatz im Berg?...........................................................477<br />
Der Eingang..............................................................477<br />
Der Flur.....................................................................479<br />
Inhalt<br />
3<br />
Der Empfangsraum.................................................482<br />
Die Schleuse.............................................................484<br />
Der Altarraum..........................................................484<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Gepfählten......................................486<br />
Der Gang...................................................................491<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Mondgesichter................................493<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Automaten......................................502<br />
Der brennen<strong>de</strong> Schacht und die eisernen Füchse<br />
....................................................................................506<br />
Ein neuer Weg im Berg..............................................511<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Gehenkten......................................511<br />
Das Spiegelzimmer..................................................513<br />
Der Raum <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Männer...........................516<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Säure................................................516<br />
Der Raum <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Männer – Teil 2.............518<br />
Der falsche Schatz....................................................521<br />
Zwei Rutschen..........................................................526<br />
Auf Leben und Tod.....................................................529<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Automaten – 2. Anlauf..................529<br />
Der Orkenhort.............................................................539<br />
6 Würfelbecher.........................................................539<br />
Am Ziel......................................................................541<br />
Auf zu neuen Abenteuern..........................................551<br />
Nach Enqui...............................................................553<br />
Enqui.........................................................................561
Personen<br />
Der Erzähler / Meister Michael Dahms, Christian Böttger, Frank<br />
Willberger, Miguel Estevez Milan<br />
Die Hel<strong>de</strong>n (iooa)<br />
Elgar Arres 'Isinha' -<br />
Isna-Inti Hapa<br />
„Moha“-Magier Christian Böttger, Ludwig Hartmann<br />
Rovena von Blautann Wei<strong>de</strong>ner Hexe Birgit Bucher<br />
Edric Svellttaler Hirte Andreas Bruns, Miguel Estevez Milan<br />
Ingalf Wedmannsson Thorwaler Frank Willberger, Ludwig Hartmann, Miguel<br />
Estevez Milan<br />
Melachath ibn Shemirhija Aranischer Krieger Martin Deppe, Miguel Estevez Milan<br />
Hesan<strong>de</strong>r Dracomir Hesin<strong>de</strong>-Geweihter Julian "Bolzbold" Eichert, Miguel Estevez Milan<br />
Grisbart, Sohn <strong>de</strong>s Gerwolf Zwerg Martin Deppe<br />
Die Meisterpersonen<br />
Phileasson Foggwulf Thorwaler Steuermann<br />
Garhelt Hetfrau <strong>de</strong>r Thorwaler<br />
Joku Ihr Diener<br />
Azl Azzl Häuptling <strong>de</strong>r Echsenmenschen<br />
Tili Tiki Seine Tochter<br />
Neunfinger Riese<br />
Junivera Rondrageweihte<br />
Obu Oberhäuptling <strong>de</strong>r Grolme<br />
Eno Unterhäuptling <strong>de</strong>r Grolme<br />
Theires Zeel Händler im Orkland<br />
Nahema Magierin<br />
Frajo Krinak Der Statter <strong>de</strong>r Stadt Freiheit/Ohort<br />
Ro<strong>de</strong>ks und Krinaks Die bei<strong>de</strong>n Sippen <strong>de</strong>r Holberker<br />
Kar Krinak Gegenspieler <strong>de</strong>s Statters<br />
Phex Der Gott <strong>de</strong>r Diebe und Händler<br />
5
Teil III – Der Orkenhort<br />
Ein neuer Weg<br />
Der<br />
Weg ist vorgezeichnet. Ein schmaler Pfad,<br />
<strong>de</strong>r wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr begangen<br />
wur<strong>de</strong>, führt <strong>de</strong>n Nordhang <strong>de</strong>s Lindwurmrückens<br />
hinab. Nach einem leichten Bogen ist das<br />
Vorland auch zu übersehen.<br />
Direkt voraus ist die Ebene mit Wald be<strong>de</strong>ckt. Nur<br />
weiter im Westen ist Grasland zu sehen. Das Waldgebiet<br />
ist an ein paar Stellen von Sumpf unterbrochen.<br />
Auch ein paar Felsklippen sind zu sehen.<br />
In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Waldgebietes ist eine größerer Bereich<br />
gero<strong>de</strong>t und in Fel<strong>de</strong>r aufgeteilt. Mittendrin liegt eine<br />
von einer Mauer umgebene Stadt.<br />
'Eine befestigte Siedlung?' Isinha ist überrascht. Offenbar<br />
ist die Gegend hier doch nicht ganz ungefährlich.<br />
'Ob das gegen Orküberfälle helfen soll?' - "Tja,<br />
ich schätze, das wird die beste Gelegenheit sein, unsere<br />
dürftigen Vorräte aufzustocken und vielleicht sogar<br />
die Nacht in einem richtigen Bett zu verbringen." sagt<br />
Isinha beim Anblick <strong>de</strong>r Stadt und lenkt seine Schritte<br />
in Richtung <strong>de</strong>s Tors.<br />
"Das wohl! Das wohl!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler zustimmend.<br />
"Nur ich glaube nicht, dass wir das heute<br />
noch schaffen wer<strong>de</strong>n. Erstmal müssen wir ja <strong>de</strong>n<br />
Berg hinunter."<br />
Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Aber egal, die<br />
Stadt kommt nicht näher, wenn wir hier stehen und<br />
re<strong>de</strong>n. Also weiter!"<br />
"Vollkommen richtig." bestätigt <strong>de</strong>r Magier und folgt<br />
<strong>de</strong>m Thorwaler auf <strong>de</strong>m Fuße. Beim Näherkommen<br />
betrachtet er die Bauweise <strong>de</strong>r Häuser, um gegebenenfalls<br />
auf <strong>de</strong>ren Erbauer und Bewohner schließen zu<br />
können.<br />
Für solche eine <strong>de</strong>taillierte Betrachtung ist die Stadt<br />
viel zu weit weg. Von hier aus ist nicht einmal zu erkennen,<br />
ob die Stadt bewohnt ist.<br />
Auch wird sich <strong>de</strong>r bauliche Zustand <strong>de</strong>r Stadt wohl<br />
erst beim Näherkommen offenbaren.<br />
Mit ähnlichen Überlegungen ist wohl auch Ingalf beschäftigt,<br />
als er Edric fragt: "Du kennst doch die Orks,<br />
können die solche Städte bauen?" - 'Nicht, dass wir<br />
<strong>de</strong>n Grolmen entkommen, um <strong>de</strong>n Orks in die Arme<br />
zu laufen. Bei Swafnir, das wollen wir doch sicherlich<br />
nicht!'<br />
"Keine Ahnung", kommt es nur von Edric, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Stadt wenig Beachtung schenkt und die Begeisterung<br />
für seine Freun<strong>de</strong> nicht teilt. Die Befestigungen spre-<br />
Weiter gen Nor<strong>de</strong>n<br />
389<br />
chen eine <strong>de</strong>utliche Sprache. Und auch die Grolme<br />
hatte starke Befestigungen.<br />
"Ich war noch nie in einer orkischen Siedlung", fügt er<br />
noch hinzu, da er das Gefühl hat, etwas schroff zu seinem<br />
Freund war.<br />
"Scha<strong>de</strong>, ich dachte, Du kennst die Orks …" antwortet<br />
Ingalf. "Na, dann lassen wir uns überraschen, das<br />
wohl!"<br />
"Was ist das wohl für eine Stadt, hier mitten im Gebiet<br />
<strong>de</strong>r Orks und Grolme?" fragt Rovena erstaunt und<br />
gleichzeitig auch misstrauisch, während sie sich wie<strong>de</strong>r<br />
in Bewegung setzt. "Ingalf, weißt du, wo wir hier<br />
in etwa sind? Wo ist <strong>de</strong>r Fluss, <strong>de</strong>r Bodir? Du hast unseren<br />
Weg doch aufgezeichnet."<br />
"Wir sollten wachsam sein hier in dieser Gegend",<br />
meint Hesan<strong>de</strong>r. "Die Grolme haben sich letztlich ja<br />
auch nicht als wirklich freundlich erwiesen."<br />
"Aye!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler. "Die Pause bei <strong>de</strong>n<br />
Grolmen habe ich genutzt, um unseren Weg weiter zu<br />
zeichnen, das wohl!<br />
Jetzt sind wir aber ziemlich weit vom Fluss weg. Von<br />
Neunfinger aus, ging es eigentlich immer weiter nach<br />
Nordost bis Ost, also müsste <strong>de</strong>r Bodir da nach links<br />
hinter <strong>de</strong>m Grasland liegen, das wohl!<br />
Und da <strong>de</strong>r Bodir ebenfalls nach Nordosten fließt,<br />
wer<strong>de</strong>n wir wenn wir im Nor<strong>de</strong>n hinter <strong>de</strong>m Hügelzug<br />
wohl wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Bodir stoßen. Aber zuerst<br />
sollten wir zu <strong>de</strong>r Stadt, o<strong>de</strong>r?"<br />
Rovena nickt. "Auf je<strong>de</strong>n Fall, wir brauchen Proviant<br />
und Decken, die Nächte sind kühl. Und Kochgeschirr,<br />
Wasserschläuche …" Sie runzelt die Stirn. "Hoffentlich<br />
können wir uns dort in <strong>de</strong>r Stadt damit ausrüsten.<br />
Habt ihr genügend Geld dabei? Meine Barschaften<br />
sind nicht sehr üppig …"<br />
"Ein wenig habe ich noch." antwortet <strong>de</strong>r Aranier.<br />
'Hättet ihr auf mich gehört, hätten wir jetzt alles, was<br />
wir brauchen.' Der Ausdruck auf Edrics Gesicht spiegelt<br />
<strong>de</strong>utlich wi<strong>de</strong>r, was er <strong>de</strong>nkt.<br />
'Geld?! Man wird uns sicher geben, was notwendig<br />
ist.' <strong>de</strong>nkt sich <strong>de</strong>r Magier. 'So o<strong>de</strong>r so.'<br />
"Einen Wasserschlauch habe ich." merkt er an und<br />
weist auf <strong>de</strong>n an seiner Seite hängen<strong>de</strong>n - mittlerweile<br />
nicht mehr ganz vollen - Le<strong>de</strong>rbeutel. "Und kochen<br />
kann auch keiner von uns wirklich. Also warum sollten<br />
wir uns damit aufhalten?" meint er mit einem<br />
leicht spöttischen Unterton und Blick in Richtung Ingalf.
Für diese Bemerkung erntet <strong>de</strong>r Magier einen bösen<br />
Blick von Edric. Der junge Jäger versteht sich ganz gut<br />
darauf, aus seiner Jagdbeute ein schmackhaftes Essen<br />
zu bereiten. Bisher hatte er sich jedoch mehr auf die<br />
Jagd konzentriert, und die Zubereitung an<strong>de</strong>ren überlassen.<br />
Aber er hat Recht: Ingalf kann es nicht.<br />
"Och, 'n bisschen Honig, ein wenig Pfeffer und Gewürze<br />
und ein paar Fische, dann mach ich das schon",<br />
antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Blick nicht bemerkt<br />
hat und das Desaster am Spinnenteich schon lange<br />
verdrängt hat.<br />
"Also wirklich, Ingalf! Fisch mit Honig?!" Isinha<br />
schnauft tief durch. "Da kann ja noch mehr schiefgehen,<br />
als mit <strong>de</strong>m Wurzelbrei neulich." ruft er <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Ingalfs Kochkünste ins Gedächtnis.<br />
"Ach was! 'N guter Stockfisch mit Honig und Pfeffer!<br />
Lecker, das wohl!" meint Ingalf ganz in <strong>de</strong>n Tiefen <strong>de</strong>r<br />
thorwalschen Küche versunken.<br />
"Ich glaube eher, Thorwaler sind nicht groß und stark,<br />
weil sie das Zeug essen, son<strong>de</strong>rn damit sie's überleben,<br />
wenn sie es essen!" scherzt <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Is' doch egal wie, Hauptsache wir sind groß und<br />
stark, das wohl!" antwortet Ingalf lachend.<br />
Der Gesichtsausdruck <strong>de</strong>s Kriegers passt nicht in die<br />
sich breit machen<strong>de</strong> lockere Stimmung seiner Begleiter.<br />
Schon <strong>de</strong>n ganzen Weg zum Wald ist er in Gedanken<br />
vertieft. "Sagt, Ihr Blumen <strong>de</strong>s Nor<strong>de</strong>ns, ich komme<br />
nicht von hier o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Nähe, aber wenn bei<br />
uns im Sü<strong>de</strong>n, weit ab von <strong>de</strong>n leuchten<strong>de</strong>n Städten,<br />
von <strong>de</strong>n Düften <strong>de</strong>r Heimat, mitten in <strong>de</strong>r Wüste eine<br />
befestigte, unbekannte Stadt steht, neigen wir dazu,<br />
damit erst einmal etwas vorsichtiger umzugehen. Eine<br />
einsame Stadt umgeben von <strong>de</strong>r absoluten Unwirtlichkeit<br />
und von zahlenmäßig weit überlegenen Gegnern<br />
lädt mich nicht dazu ein, sie einfach so zu betreten."<br />
"In <strong>de</strong>r Wüste ist es auch einfacher eine Oase zu umgehen,<br />
das wohl!" meint Ingalf mit <strong>de</strong>r Erinnerung an<br />
Edrics und seine Reise durch die Khom. "Aber warum<br />
sollen wir jetzt schon die Stadt umgehen? Bei Swafnir,<br />
<strong>de</strong>r Weg ist noch weit und wenn wir am Waldrand<br />
sind, können wir immer noch <strong>de</strong>n Kurs än<strong>de</strong>rn!"<br />
Ein Schmunzeln spielt um die Lippen <strong>de</strong>s Araniers.<br />
"Ich sagte nicht, wir sollen sie umgehen, ich sagte, wir<br />
sollten vorsichtig sein."<br />
"Aye, das wohl, das wohl!" stimmt ihm <strong>de</strong>r Thorwaler<br />
nickend zu.<br />
"Wer ist hier eine 'Blume <strong>de</strong>s Nor<strong>de</strong>ns'? Meine Heimat<br />
liegt noch weiter südlich, als die Eure." knurrt Isinha<br />
leise.<br />
"Verzeiht, Effendi, <strong>de</strong>r die Macht hat, die Luft zum<br />
Leuchten zu bringen. Es war nicht gegen Euch gemünzt,<br />
aber da wir im Nor<strong>de</strong>n sind, richtete sich die<br />
390<br />
Frage von mir an die etwas Ortskundigeren, auch<br />
wenn hier direkt wohl niemand ortskundig ist."<br />
'Nicht die Luft leuchtet, Unwissen<strong>de</strong>r.' - "Sicher, sonst<br />
müssten wir das Orkland wohl kaum erkun<strong>de</strong>n." Isinha<br />
runzelt kurz die Stirn und folgt, zusammen mit<br />
seinen Gefährten, dann weiter <strong>de</strong>m Weg.<br />
Nach einer halben Stun<strong>de</strong> sind die Hel<strong>de</strong>n am Waldrand<br />
angekommen. Die Bäume erheben sich vor ihnen.<br />
Die Bäume und etwas Gestrüpp dazwischen sind<br />
fast das einzige, was sie sehen. Glücklicherweise setzt<br />
sich <strong>de</strong>r alte Pfad in <strong>de</strong>n Wald hinein fort.<br />
Da es keinen an<strong>de</strong>ren Weg gibt, geht Ingalf ohne anzuhalten<br />
weiter.<br />
Der alte Pfad erweist sich als gut begehbar. Nach einer<br />
Stun<strong>de</strong> trifft er auf einen Weg, <strong>de</strong>r von Osten kommt<br />
und hier nach Nor<strong>de</strong>n abbiegt. Spuren von Karrenrä<strong>de</strong>rn<br />
und Pfer<strong>de</strong>hufen sind zu sehen.<br />
"Offenbar herrscht hier reger Verkehr." stellt Isinha<br />
fest. "Und wer Han<strong>de</strong>l treibt, wird für unsere Belange<br />
ein offenes Ohr haben. Lasst uns <strong>de</strong>m Weg zur Stadt<br />
folgen." schlägt er vor.<br />
"Und vielleicht auch'n Platz auffer Kutsche!" meint<br />
Ingalf und <strong>de</strong>utet auf die Wagenspuren. "Besser<br />
schlecht gefahren als gut gelaufen, hat <strong>de</strong>r Ohm immer<br />
gesagt."<br />
"Wollen wir nicht erst warten und beobachten, wer<br />
diese Stadt bewohnt, bevor wir einfach so dorthin<br />
marschieren?" gibt die Hexe vorsichtig zu be<strong>de</strong>nken.<br />
"Ja, ich <strong>de</strong>nke, dass das besser wäre."<br />
"Wir sollten uns nicht unnötig verrückt machen.<br />
Wenn diese Gegend nicht von <strong>de</strong>n Göttern verlassen<br />
ist, sollten wir in <strong>de</strong>r Stadt in <strong>de</strong>r Tat Hilfe bekommen.<br />
Falls dort keine Menschen, Zwerge o<strong>de</strong>r Elfen<br />
wohnen, können wir aus sicherer Entfernung immer<br />
noch überlegen, was zu tun ist."<br />
Rovena zuckt mit <strong>de</strong>n Achseln und folgt ihren Gefährten.<br />
"Lieber bin ich vorsichtig, wie man es mich<br />
gelehrt hat", murmelt sie leise vor sich hin. "Man kann<br />
nie wissen, mit wem man es zu tun bekommt … vor<br />
allem nicht hier in <strong>de</strong>r Wildnis …" Aufmerksam<br />
schaut sie um sich und achtet auf je<strong>de</strong>s Geräusch, das<br />
die Annäherung <strong>de</strong>r Stadtbewohner o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r sie beliefern<strong>de</strong>n<br />
Händler ankündigen könnte, um gewarnt zu<br />
sein, bevor sie selbst gesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
"Nun, von hier aus können wir allenfalls sehen, wer<br />
hier vorbeikommt. Ob <strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r diejenige dann aber<br />
auch in dieser Siedlung lebt, ist eine daraus nicht zu<br />
beantworten<strong>de</strong> Frage. Schau, die Grolme waren uns<br />
vielleicht nicht ganz so freundlich gesonnen. Mit <strong>de</strong>n<br />
Orks davor hatten wir aber keine Probleme, auch<br />
nicht mit Neunfinger o<strong>de</strong>r Junivera. Macht nach meiner<br />
Rechnung 3 zu 1. Und aus <strong>de</strong>r verbleiben<strong>de</strong>n<br />
schlechten Erfahrung haben wir uns auch losgesagt.<br />
Wir sollten nicht in Paranoia verfallen."
"Also weiter, wenn wir durch die Bäume die Stadt sehen<br />
können, dann können wir doch immer noch<br />
schauen, das wohl!" stimmt ihm Ingalf zu.<br />
"Der Riese war uns zuerst feindlich gesonnen und hat<br />
uns gefangen genommen, wie die Grolme auch", wirft<br />
Rovena ein. "So sieht das Verhältnis dann nicht mehr<br />
ganz so gut aus, wir hatten mit ihm und <strong>de</strong>n Orks nur<br />
das Glück, Garhelts Gabe bei uns zu haben. Lasst uns<br />
bitte vorsichtig sein", meint sie eindringlich. "Wenn<br />
wir einen <strong>de</strong>r hier anscheinend verkehren<strong>de</strong>n Karren<br />
sich nähern hören, wäre es mir lieb, wir wür<strong>de</strong>n uns<br />
zu erst einmal versteckt halten, bis wir wissen, wer<br />
sich hier in dieser unbekannten Gegend angesie<strong>de</strong>lt<br />
hat."<br />
Auch Edric ist dafür, vorsichtig zu sein, doch mischt er<br />
sich nicht in das Gespräch ein. Offenbar hat noch keiner<br />
realisiert, dass Neunfingers Daumen bei <strong>de</strong>n<br />
Maultieren geblieben ist, und ihnen somit keinen<br />
Nutzen mehr bringt.<br />
Vor einer Begegnung mit Orks fürchtet er sich hingegen<br />
nicht. Er kennt ihre Sprache und zum Teil ihre<br />
Bräuche und Sitten.<br />
Der Schwarm<br />
Die Gruppe folgt <strong>de</strong>m nun etwas breiteren Pfad Richtung<br />
Nor<strong>de</strong>n.<br />
Edric achtet auf die Spuren, um zu erfahren, wer und<br />
was alles diesen Weg nimmt.<br />
Plötzlich ist vor ihnen ein tiefes Surren zu hören.<br />
"Psst! Hört ihr?" flüstert <strong>de</strong>r Magier und lauscht.<br />
'Klingt das wie das Geräusch <strong>de</strong>s , eines Schwarms Hornissen?' fragt sich Isinha<br />
und erinnert sich mit Schrecken an so eine Begegnung<br />
in seiner Kindheit. Damals, im Dschungel, sind sie<br />
nur knapp davon gekommen. Denn bereits ein o<strong>de</strong>r<br />
zwei Stiche dieser Insekten hätten fast sicher <strong>de</strong>n Tod<br />
be<strong>de</strong>utet. 'Aber hier im Nor<strong>de</strong>n gibt es diese Tiere sicher<br />
nicht.' beruhigt er sich selbst.<br />
"Was ist das?" haucht Rovena mehr als dass sie spricht,<br />
während sie instinktiv eines ihrer Haare um eine Finger<br />
wickelt und verknotet. Flach atmend horcht sie<br />
angestrengt nach <strong>de</strong>m Surren, um herauszubekommen,<br />
ob sich das Geräusch auf sie zu bewegt.<br />
Auch Edric blickt auf, und versucht das Geräusch zu<br />
<strong>de</strong>uten. Er ist breit, sich je<strong>de</strong>rzeit abseits <strong>de</strong>s Weges zu<br />
verstecken.<br />
Ingalf nimmt seine Orknase vom Gürtel und macht<br />
sich bereit einen vermeintlichen Gegner entsprechend<br />
zu empfangen.<br />
Melachath zieht seinen Rabenschnabel, duckt sich ein<br />
wenig, und schiebt sich zurück in Richtung <strong>de</strong>r Bäume.<br />
391<br />
Was da ankommt, ist wirklich beeindruckend. Ein<br />
Schwarm Insekten kommt auf die Hel<strong>de</strong>n zugeflogen.<br />
Sie sehen wie Libellen aus: Schlanker, grün schillern<strong>de</strong>r<br />
Leib und vier transparente Flügel. Nur sind die<br />
Flügel orangefarben und <strong>de</strong>r Körper ist taubengroß.<br />
Es müssen mehrere Dutzend sein, die da auf die Hel<strong>de</strong>n<br />
zufliegen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r nimmt seinen Stab und begibt sich in eine<br />
Verteidigungshaltung, gleichzeitig sucht er Deckung<br />
zwischen <strong>de</strong>n Bäumen. "Bei Tsa, welch Gezücht ist<br />
dies?", ruft er erstaunt aus.<br />
"Runter von <strong>de</strong>m Pfad, weicht ihnen aus! Ingalf, pass'<br />
auf Kawi auf!" Rovena ruft diese Warnung ihren Gefährten<br />
zu und versucht selber, seitlich <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s hinter<br />
<strong>de</strong>n Baumstämmen im Gebüsch Deckung und<br />
Schutz zu fin<strong>de</strong>n. Sie weiß, dass Libellen einer räuberischen<br />
Lebensweise nachgehen, und so große Insekten<br />
können bestimmt or<strong>de</strong>ntlich zubeißen.<br />
Ohne zu zögern folgt Isinha <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Hexe. Das sind zwar keine Hornissen, aber ob <strong>de</strong>rart<br />
große Libellen nun besser o<strong>de</strong>r schlechter sind, lässt<br />
sich im Moment kaum entschei<strong>de</strong>n.<br />
Edric kennt solche übergroßen Tiere schon von <strong>de</strong>m<br />
Weltenbaum, auf <strong>de</strong>m er viele Mon<strong>de</strong> festsaß. Und ein<br />
ganzer Schwarm solcher Tiere ist sicher nicht friedlich<br />
- ein Unterschied zu <strong>de</strong>n neugierigen Riesen-Fliegen.<br />
So sucht er rasch Deckung abseits <strong>de</strong>s Weges. Am Besten<br />
dort, wo die großen Libellen nicht so einfach hinkommen<br />
- schließlich sind sie Jäger in Feuchtgebieten<br />
ohne großen Bewuchs.<br />
'Hm, wenn wir uns verteilen, bieten wir ihnen viele<br />
Ziele.' überlegt er. 'Aber es sind so viele, da macht das<br />
wohl kaum einen Unterschied.' - "Bleibt eng zusammen!<br />
Schützt euch Rücken an Rücken" ruft <strong>de</strong>r Magier<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zu. "Wenn ich uns verteidigen muss,<br />
wird <strong>de</strong>r Zauber nur auf einem sehr engen Kreis,<br />
höchstens drei bis vier Schritt im Durchmesser, wirken!"<br />
fügt er noch hinzu. Gleichzeitig versucht er, sich<br />
<strong>de</strong>n ins Gedächtnis zu<br />
rufen.<br />
Sie<strong>de</strong>nd heiß fällt ihm ein: Das Wirken <strong>de</strong>s Zaubers<br />
braucht Zeit. Die Feuerlibellen wer<strong>de</strong>n bestimmt da<br />
sein, bevor er soweit ist.<br />
Ohne lange zu überlegen, tut <strong>de</strong>r Aranier, wie ihm geheißen<br />
und stellt sich in die Nähe <strong>de</strong>s Magiers. Es erscheint<br />
ihm logisch, dass Magie mehr ausrichten<br />
kann, sind die Ziele für normale Waffen doch eher<br />
klein.<br />
Ingalf folgt <strong>de</strong>n Aufrufen Rovenas und Isinhas und<br />
zieht sich mit Kawi von <strong>de</strong>r Straße zurück. Anschließend<br />
sucht <strong>de</strong>r Edric, um mit ihm eine Kampfgruppe<br />
zu bil<strong>de</strong>n. Die Orknase vor sich, <strong>de</strong>n Hirten hinter<br />
sich und Kawi zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n, was kann da<br />
schon passieren.
'Bei <strong>de</strong>n Ahnen!' flucht er lautlos, als ihn die Erkenntnis<br />
durchströmt. "Ich brauche mehr als ein paar Herzschläge<br />
für <strong>de</strong>n Zauber!" ruft er <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zu. "Entwe<strong>de</strong>r<br />
ihr könnt sie solange hinhalten, o<strong>de</strong>r wir brauchen<br />
ganz schnell eine neue I<strong>de</strong>e!"<br />
"So meine Ahnen mich sehen wollen, wird es heute<br />
sein, ein schöner Tag zum Sterben!" Grimmig presst<br />
<strong>de</strong>r Krieger die Worte hervor, während er sich vor <strong>de</strong>n<br />
Magier stellt, <strong>de</strong>n Rabenschnabel vor sich in <strong>de</strong>r Luft<br />
wirbelnd.<br />
"Es mag vielleicht ein schöner Tag zum Sterben sein,<br />
aber nicht für uns, das wohl!" antwortet Ingalf grimmig<br />
und lässt die Orknase durch die Luft pfeifen.<br />
Schräg grinst <strong>de</strong>r Aranier zu ihm herüber. "Habe ich<br />
uns gesagt, Nordmann?"<br />
"Nein, das hast Du nicht, das wohl!" antwortet Ingalf<br />
grinsend.<br />
"Bleibt in Deckung, hier wird nicht so einfach gestorben!<br />
Ich kann uns vielleicht etwas Zeit verschaffen!"<br />
Während sie das ausruft, sucht Rovena fieberhaft um<br />
sich im Gebüsch nach einem kräftigen Holzknüppel.<br />
Als die bei<strong>de</strong>n Kämpfer damit beginnen, einen Klingenwirbel<br />
vor sich aufzubauen, beginnt Isinha mit<br />
<strong>de</strong>n Zaubervorbereitungen. Schließlich hat er keine<br />
bessere I<strong>de</strong>e, und je eher er damit anfängt, um so eher<br />
können sie Erfolg haben.<br />
Er breitet die Arme seitlich aus und intoniert: "Caldofrigo<br />
Drachenblut …", um die Umgebungstemperatur<br />
empfindlich herabzusetzen.<br />
"Ihr zaubert, wir halten sie hin", antwortet Hesan<strong>de</strong>r<br />
knapp und stellt sich <strong>de</strong>monstrativ schräg vor Elgar, so<br />
dass er ihn einerseits beschützen, an<strong>de</strong>rerseits aber<br />
<strong>de</strong>ssen Sicht nicht behin<strong>de</strong>rn kann.<br />
Dies dringt nur nebelhaft in Isinhas Bewusstsein. Er<br />
ist auf die Ausführung und das Gelingen <strong>de</strong>s Zaubers<br />
konzentriert. Freie Sicht auf ein Ziel benötigt er nicht,<br />
da sich <strong>de</strong>r Zauber um die Gruppe herum als kugelförmiger<br />
Bereich manifestieren soll und wird; hoffentlich<br />
rechtzeitig.<br />
Während Rovena noch sucht und Isinha bei seinem<br />
Zauber ist, sind die Feuerlibellen heran. Es sind wirklich<br />
riesige Insekten. Aus <strong>de</strong>r Nähe sehen auch ihre<br />
Freßwerkzeuge eindrucksvoll aus. Sie umschwirren<br />
die Gruppe - in <strong>de</strong>r Nähe ist das Surren ihrer Flügel<br />
ohrenbetäubend – und fliegen dann weiter.<br />
Edric atmet vernehmbar aus. Erst jetzt wird ihm bewusst,<br />
dass er die Luft angehalten hat, seit sie im Versteck<br />
waren.<br />
"Wir gehören nicht zu ihrer bevorzugten Beute." murmelt<br />
er erleichtert.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s hohen Lärmpegels schafft es Isinha<br />
nicht, sich so weit auf <strong>de</strong>n Zauber zu konzentrieren,<br />
wie es nötig wäre - dafür ist die Matrix einfach zu<br />
392<br />
kompliziert und er beherrscht <strong>de</strong>n Spruch bei weitem<br />
nicht so gut, um mit Erfahrung dieses Manko ausgleichen<br />
zu können.<br />
Mit Verwun<strong>de</strong>rung blickt er <strong>de</strong>m Schwarm hinter her:<br />
"Was war das <strong>de</strong>nn?" fragt er schließlich, als die Libellen<br />
verschwun<strong>de</strong>n sind.<br />
"Libellen", antwortet Rovena lakonisch, bricht ihre Suche<br />
ab und schaut <strong>de</strong>m Schwarm misstrauisch nach.<br />
"Das weiß ich auch." erwi<strong>de</strong>rt Isinha ge<strong>de</strong>hnt. "Aber<br />
das habe ich auch nicht gemeint."<br />
"Warum fragst Du dann?" kommt es von Ingalf.<br />
Melachath lässt seine Waffe sinken und grinst breit<br />
über das Gesicht, dann klopft er <strong>de</strong>m Thorwaler auf<br />
die Schulter: "Sie haben vor unserer Macht kapituliert."<br />
"Hmm, das wohl, das wohl!" meint Ingalf grinsend<br />
und steckt die Orknase wie<strong>de</strong>r weg. "Waren schon komische<br />
Viecher, bei Swafnir!"<br />
"Wir waren ihnen vielleicht zu groß, o<strong>de</strong>r sie waren<br />
satt …" Sie schaut in die Richtung, aus <strong>de</strong>r die Insekten<br />
kamen. "Sie kamen von <strong>de</strong>r Stadt her, ob sie dort<br />
schon Scha<strong>de</strong>n angerichtet haben?" fragt sie sich leise.<br />
"Sie sahen ziemlich räuberisch aus …"<br />
"Aber ist doch eigentlich egal. Wollen wir weiter o<strong>de</strong>r<br />
nich'?"<br />
"Zurück gehen wollen wir sicher nicht. Hierbleiben ist<br />
keine auch Option." antwortet Isinha, <strong>de</strong>r auf Ingalfs -<br />
seiner Meinung nach - unqualifizierten Einwurf zu<br />
seiner Frage über das Verhalten <strong>de</strong>s Schwarms nichts<br />
erwi<strong>de</strong>rt.<br />
Statt <strong>de</strong>ssen bewegt er sich wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Wald heraus<br />
auf <strong>de</strong>n Weg, <strong>de</strong>m in Richtung Stadt er weiter zu<br />
folgen ge<strong>de</strong>nkt.<br />
"Wohl <strong>de</strong>nen, <strong>de</strong>nen die Götter wohlgesonnen sind",<br />
lobt Hesan<strong>de</strong>r die aus seiner Wahrnehmung her göttliche<br />
Fügung. "Doch lasst uns in <strong>de</strong>r Tat nachsehen, ob<br />
sich diese Libellen bereits an<strong>de</strong>rweitig satt gefressen<br />
haben - bei Tsa!"<br />
Ein wenig später meint er zu Elgar: "Hieltet Ihr diese<br />
Libellen für göttergefällige Wesen? Ich bin mir nicht<br />
sicher, ob es sich da nicht um dämonisches Gezücht<br />
o<strong>de</strong>r gar Chimären gehan<strong>de</strong>lt hat."<br />
"Interessanter Gedanke." murmelt <strong>de</strong>r Magier. Schon<br />
<strong>de</strong>nkt er über Hesan<strong>de</strong>rs Einwand nach. Schließlich<br />
meint er aber: "Ich bin kein Fachmann für dämonische<br />
Wesenheiten o<strong>de</strong>r mutative Verschmelzungen,<br />
aber von Dämonen, die in einem Schwarm auftreten<br />
und dann 'harmlos' an einem vorüber ziehen?!" Er<br />
schüttelt <strong>de</strong>n Kopf. "Das kann ich mir kaum vorstellen.<br />
Es sei <strong>de</strong>nn, …" er unter bricht sich kurz, "dieses<br />
Getier hätte einen beson<strong>de</strong>ren 'Auftrag', <strong>de</strong>r mit uns<br />
glücklicher Weise nichts zu tun hat. Ich habe gelesen,<br />
dass ein Beschwörer bei einem gewissen Erfolg belie-
ige Befehle erteilen kann. Wenn ich mich recht entsinne,<br />
gab es da eine entsprechen<strong>de</strong> Stelle in Almanach<br />
<strong>de</strong>r Herbeirufung sphärischer Entitäten, Band 3;<br />
vielleicht war es auch Band 2."<br />
In diesem Moment kommt etwas in Sicht, was die völlige<br />
Aufmerksamkeit Reisen<strong>de</strong>n auf sich zieht.<br />
Der Händler<br />
Auf <strong>de</strong>m Pfad liegt voraus ein umgestürzter Eselkarren.<br />
Die Fracht (Töpfe, Holzbestecke, Näpfe und<br />
Schüsseln) ist weithin verstreut. Ein Mann in bunter<br />
Tracht ist damit beschäftigt, ein abgesprungenes Rad<br />
zurück auf die Achse <strong>de</strong>s zweirädrigen Karrens zu<br />
schieben.<br />
"Was ist?" fragt <strong>de</strong>r Magier, als er bemerkt, dass Hesan<strong>de</strong>r<br />
seinen Ausführungen gar nicht zugehört hat.<br />
Er selbst hatte <strong>de</strong>m Weg gar keine Beachtung mehr<br />
geschenkt, als <strong>de</strong>r Geweihte dieses interessante Thema<br />
angeschnitten hatte.<br />
Als er nun <strong>de</strong>n Wagen erblickt, sagt er: "Ich <strong>de</strong>nke, das<br />
dürfte die Antwort sein. Wenn sie die Wagenladung<br />
gefressen haben, sind sie bestimmt satt."<br />
"Dann ist <strong>de</strong>r Wagen leer und wir haben eine Mitfahrgelegenheit!"<br />
meint Ingalf und ruft <strong>de</strong>m Mann zu:<br />
"Hallo, Freund, brauchst Du Hilfe?"<br />
Um aber auf Nummer sicher zu gehen, nimmt er die<br />
Orknase in die Hand und beobachtet auch die Umgebung<br />
<strong>de</strong>s Wagens.<br />
Ein Esel steht am Rand <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s halb im Unterholz<br />
und ist anscheinend dabei, etwas Essbares zu suchen.<br />
Der Kopf <strong>de</strong>s Mannes ruckt hoch: "Euch schicken die<br />
Götter! Dieses von Ingerimms Hämmern getroffenes<br />
Grautier fing wegen <strong>de</strong>r Feuerlibellen auf einmal an<br />
zu bocken. Möge Efferd ihm in bei<strong>de</strong> Ohren pinkeln<br />
und Rondras Zorn ihm in <strong>de</strong>n Hintern fahren! Bei<br />
<strong>de</strong>n zwei Eichen von Ohort! Ich kriege das phexverfluchte<br />
Rad nicht wie<strong>de</strong>r drauf!"<br />
"Na, na. Ein fluchen<strong>de</strong>r Thorwaler ist eigentlich genug."<br />
versucht Isinha <strong>de</strong>n Mann zu mäßigen.<br />
Edric sieht sich um, da aber nichts in <strong>de</strong>r Umgebung<br />
auf eine Gefahr hin<strong>de</strong>utet, stößt er Ingalf an: "Wir<br />
sollten ihm helfen."<br />
"Aye!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler. "Das sollten wir." Er<br />
ruft <strong>de</strong>m Mann zu: "Na klar helfen wir Dir, das wohl!<br />
Dafür musst Du uns aber ein Stück mitnehmen …"<br />
Die blumige Sprache <strong>de</strong>s Händlers gefällt ihm gut.<br />
"Kommt, wir fassen mit an!"<br />
Während die an<strong>de</strong>ren helfen, sichert <strong>de</strong>r Aranier die<br />
Umgebung.<br />
"Sagt, Freund, wo bei Hesin<strong>de</strong> sind wir hier eigentlich<br />
genau? Was ist das dort für eine befestigte Stadt?" versucht<br />
er, aus <strong>de</strong>m Wagenlenker eine nützliche Infor-<br />
393<br />
mation herauszuquetschen, während die Gefährten<br />
das Rad <strong>de</strong>s Wagens richten helfen.<br />
Der Wagenlenker ist mit Ingalf und Edric so sehr mit<br />
<strong>de</strong>m Richten seines Wagens beschäftigt, dass er Isinhas<br />
Frage gar nicht zu hören scheint.<br />
Rovena ist ihren Gefährten zu <strong>de</strong>m Karren gefolgt<br />
und hört aufmerksam <strong>de</strong>m fluchen<strong>de</strong>n Mann zu.<br />
"Feuerlibellen waren das also", murmelt sie vor sich<br />
hin, während sie anfängt, die verstreute Ladung einzusammeln<br />
und auf einen Haufen zusammen zu tragen.<br />
Mit weiteren Fragen an <strong>de</strong>n Mann wartet sie aber,<br />
bis dieser auf Elgars Fragen geantwortet hat.<br />
Ingalf setzt Seesack und Orknase ab, tritt an <strong>de</strong>n Wagen<br />
und wartet das die Gefährten mit anheben.<br />
Edric packt kräftig mit an.<br />
Mit gemeinsamen Kräften ist das Rad schnell wie<strong>de</strong>r<br />
am Wagen befestigt.<br />
Nach<strong>de</strong>m das Rad wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Achse ist, geht Edric<br />
zu <strong>de</strong>m Maultier, welchem er sich vorsichtig nähert.<br />
Beruhigend spricht er auf das Tier ein.<br />
Wehmütig streichelt er es an <strong>de</strong>r Flanke und am Kopf,<br />
bevor er es wie<strong>de</strong>r zum Wagen bringt.<br />
Anschließend wischt <strong>de</strong>r Mann sich seine Hän<strong>de</strong> an<br />
einem Leintuch ab. "Bei <strong>de</strong>n zwei springen <strong>de</strong>n Eichen!<br />
Wo kommt ihr <strong>de</strong>nn her?" fragt er während<strong>de</strong>ssen.<br />
"Vor dort." Isinha macht mit <strong>de</strong>m Daumen eine abfällige<br />
Bewegung <strong>de</strong>n Weg hinauf, <strong>de</strong>n sie gekommen<br />
sind.<br />
"Aha", ist die vorsichtige Reaktion <strong>de</strong>s Reisen<strong>de</strong>n.<br />
"Aber sagt, was habt Ihr <strong>de</strong>nn immer mit <strong>de</strong>n<br />
Eichen?" fragt er, während er sich verwun<strong>de</strong>rt umsieht<br />
und sucht, ob hier Eichen im Wald stehen. Aufgefallen<br />
sind ihm noch keine. "Und warum springen diese<br />
Bäume?"<br />
"Ach, das ist ein Spruch, <strong>de</strong>n ich bei <strong>de</strong>n Holberkern<br />
aufgeschnappt habe.", antwortet <strong>de</strong>r bunt Geklei<strong>de</strong>te<br />
mit wegwerfen<strong>de</strong>r Handbewegung.<br />
"Wollt ihr auch nach Ohort? Selten, dass man hier im<br />
Orkland Reisen<strong>de</strong> trifft."<br />
"Wer o<strong>de</strong>r was sind 'Holberker' und ist dieser Ort dort<br />
hinten dieses 'Ohort'?" setzt <strong>de</strong>r Magier nach.<br />
"Bevor wir Dir mit <strong>de</strong>m Aufla<strong>de</strong>n helfen, könntest Du<br />
uns doch mal 'n kleinen Schluck spendieren, o<strong>de</strong>r?"<br />
fragt Ingalf <strong>de</strong>n Händler. "Heben macht durstig, das<br />
wohl!"<br />
"Na, na", antwortet <strong>de</strong>r bunt Geklei<strong>de</strong>te, "jetzt seid ihr<br />
aber erst einmal dran mit erzählen. Und wir können ja<br />
schon mal <strong>de</strong>n Kram wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Karren la<strong>de</strong>n."<br />
'Mann oh Mann!' Der Magier verdreht die Augen. Er<br />
hatte schon zu einer - sehr kurzen - Zusammenfassung<br />
ihrer Herkunft ansetzen wollen. 'Das kann ich
mir jetzt auch sparen. Und die Antwort auf meine Fragen<br />
gibt's dann wohl auch nicht mehr.' So bleibt er<br />
stehen, verschränkt die Arme vor <strong>de</strong>r Brust und wartet<br />
einfach ab. Nur mit Mühe verkneift er sich ein 'Aufla<strong>de</strong>n?<br />
Ich? Nicht doch!'<br />
"Eine Schluck Wasser habe ich, jawohl, wartet mal."<br />
Der Mann fängt an in <strong>de</strong>m Haufen mit seinen Sachen<br />
zu suchen.<br />
"Das ist nett, dass Du jetzt an Deinen Esel <strong>de</strong>nkst,<br />
aber ich wollte was zu trinken, das wohl!" antwortet<br />
Ingalf und schüttelt <strong>de</strong>n Kopf.<br />
"Ach Du meinst Schnaps!" Der bunt Geklei<strong>de</strong>te lacht.<br />
"Ich habe festgestellt, dass man im Orkland als Händler<br />
besser ohne unterwegs ist. Dann bleiben die Kun<strong>de</strong>n<br />
friedlicher."<br />
Schließlich flüstert er Rovena zu: "Hoffentlich saufen<br />
die bei<strong>de</strong>n sich nicht die Köppe zu, sonst müssen wir<br />
nachher doch laufen. Ich kann nämlich keinen Wagen<br />
lenken! O<strong>de</strong>r kannst Du es?"<br />
"Vom Wasser wird er sich schon keinen Rausch holen",<br />
antwortet die Hexe mit einem schwachen Grinsen<br />
und meint kopfschüttelnd: "Nein, ich habe nicht gelernt,<br />
einen Karren zu lenken, wir hatten nie einen.<br />
Und außer<strong>de</strong>m glaube ich eh nicht, dass wir alle auf<br />
<strong>de</strong>m Karren mitfahren können." Sie wird nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Du hast also auch noch nie von Holberkern gehört?<br />
Ob das ein beson<strong>de</strong>rer Orkstamm ist? Mich<br />
wun<strong>de</strong>rt es, dass es hier in <strong>de</strong>r Wildnis eine befestigte<br />
Stadt gibt …"<br />
"Hm. Wenn man die teilweise verwaschene Sprache<br />
<strong>de</strong>r Nordlän<strong>de</strong>r und temporal bedingte linguistische<br />
Verän<strong>de</strong>rungen in Betracht zieht, könnte 'Holberker'<br />
eine Ableitung für 'Halborken' sein." überlegt <strong>de</strong>r Magier<br />
laut. "Ich kann mir zwar nicht vorstellen - und<br />
will es auch gar nicht - was zu einer Mensch-Ork-Rassenvermischung<br />
führen könnte, aber auszuschließen<br />
ist das wohl nicht."<br />
"So, aber jetzt erzählt erst einmal, was euch hierher<br />
geführt hat."<br />
"Die Wahrheit wirst Du nicht hören wollen, wolltest<br />
Du ja eben auch nicht." meint Isinha prophetisch.<br />
"Versuchs zumin<strong>de</strong>st!" for<strong>de</strong>rt ihn <strong>de</strong>r Händler freundlich<br />
auf.<br />
Isinha seufzt und <strong>de</strong>utet erneut mit <strong>de</strong>m Daumen<br />
nach hinten: "Dieser Weg und unsere Beine haben uns<br />
hergeführt; En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschichte." meint er kurz angebun<strong>de</strong>n.<br />
"Gut Leute, wenn ihr so geheimnisvoll tut, dann soll<br />
es mir recht sein. Denkt daran, auch Geschichten sind<br />
Waren."<br />
"Das mag sein - Taten aber auch!" meint Ingalf.<br />
"Kannst Du uns 'n Stück mitnehmen? Dann erzählen<br />
394<br />
wir Dir mehr, das wohl! Laufen macht nicht gesprächig."<br />
"Ich laufe doch auch." Erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Händler. In <strong>de</strong>r<br />
Tat ist auf <strong>de</strong>m zweirädrigen Karren nicht einmal<br />
Platz für einen Kutscher.<br />
"Na, dann laufen wir halt gemeinsam, das wohl!"<br />
meint Ingalf und stellt seinen Seesack auf <strong>de</strong>n Wagen.<br />
"Und nun, Freund, erzähle uns was es hier so zu wissen<br />
gibt, und dann erzählen wir Dir was wir wissen<br />
wollen, das wohl!"<br />
Bei diesen Worten muss Isinha sich ein Grinsen verkneifen.<br />
'Ob <strong>de</strong>r Händler merkt, was Ingalf da gera<strong>de</strong><br />
vorgeschlagen hat?'<br />
Der Händler hat seinen Karren mittlerweile wie<strong>de</strong>r<br />
voll gepackt und macht sich daran, <strong>de</strong>n Esel wie<strong>de</strong>r<br />
anzuschirren.<br />
Edric ist ihm dabei schweigend behilflich.<br />
"Mag sein, dass <strong>de</strong>m so ist, Meister Händler. Nur Ihr<br />
habt bis jetzt noch keine Ware als Gegenwert angeboten.<br />
Han<strong>de</strong>ln ist nach <strong>de</strong>r Definition bei Tradirios ein<br />
Geschäft in Form eines 'do ut <strong>de</strong>s' Verhältnisses.<br />
Also?" macht er mit hoch gezogenen Augenbrauen.<br />
"Ach so, dann habe ich mir eure Fragen nach Ohort<br />
und <strong>de</strong>n Holberkern wohl nur eingebil<strong>de</strong>t", entgegnet<br />
<strong>de</strong>r Händler gleichmütig, während er <strong>de</strong>n Esel anschirrt.<br />
"Nein, das habt Ihr nicht. Jedoch habt Ihr auch nicht<br />
verlauten lassen, ob Ihr die Antworten auf diese Fragen<br />
kennt und daher einen Gegenwert, um in Euren<br />
Floskeln zu sprechen, anzubieten habt. Wie steht es<br />
doch weiter bei Tradirios: 'Füttere kein totes Pferd.'" Er<br />
macht eine kurze Pause.<br />
"Dein Geschäft läuft nicht gut, o<strong>de</strong>r?" fragt Ingalf und<br />
betrachtet <strong>de</strong>n Händler skeptisch.<br />
"Keine Sorge", lacht <strong>de</strong>r Händler. "Sie laufen gut genug,<br />
dass ich seit 15 Götterläufen das Orkland bereise."<br />
"Also wenn ich mich nicht irre", sagt Hesan<strong>de</strong>r zum<br />
Händler wie zu Elgar, "dann sind Holberker eine Mischung<br />
aus Elfen und Orks, nicht wahr? Ich habe irgendwann<br />
einmal gehört o<strong>de</strong>r gelesen, dass es sogar in<br />
Riva im Nor<strong>de</strong>n ein eigenes Viertel ihrer Art geben<br />
soll."<br />
'Elfen und Orks?' <strong>de</strong>nkt Ingalf. 'Das is' ja 'ne komische<br />
Mischung,das wohl!'<br />
'Das ist ja noch schlimmer!' durchfährt es <strong>de</strong>n Magier,<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Geweihten mit einem leicht angeekelten Gesichtsausdruck<br />
ansieht. "Nun, wenn sie in einer Stadt<br />
wie Riva tatsächlich gedul<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, sind sie zumin<strong>de</strong>st<br />
potentiell zivilisiert." fasst Isinha <strong>de</strong>n einzigen<br />
Lichtblick kurz und bündig zusammen.<br />
"Zivilisiert ja", stimmt Hesan<strong>de</strong>r zu. "Aber sie fristen<br />
wohl ein eher trauriges Dasein, weil sie we<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n
Elfen noch bei <strong>de</strong>n Orks Unterstützung fin<strong>de</strong>n. Was<br />
mich vielmehr anwi<strong>de</strong>rt, ist <strong>de</strong>r Umstand, wie es wohl<br />
zu einer solchen Verbindung gekommen ist."<br />
"Und genau dieses Bild will ich gera<strong>de</strong> nicht in meinen<br />
Kopf lassen; belassen wir es dabei!" antwortet Isinha.<br />
Rovena läuft ein Schauer <strong>de</strong>n Rücken hinunter. "Sie<br />
sind doch immer Todfein<strong>de</strong> gewesen, die Elfen und<br />
die Schwarzpelze, noch nie habe ich davon gehört,<br />
dass Elfen sich, wie mit Menschen, auch mit <strong>de</strong>n Orken<br />
vermischen können …" murmelt sie entsetzt vor<br />
sich hin.<br />
"Da habt Ihr Recht und wir wollen es uns auch nicht<br />
weiter ausmalen. Falls es in Ohort welche gibt, wer<strong>de</strong>n<br />
wir sie kennen lernen. Offenbar scheinen sie sich ja<br />
vermehren zu können, sonst wür<strong>de</strong>n sie wohl kaum<br />
eine eigene Stadt bewohnen. Auf alle Fälle wer<strong>de</strong> ich<br />
eine Menge zu berichten und aufzuzeichnen haben."<br />
"Außer<strong>de</strong>m dürfte unsere Lebensgeschichte von 6<br />
Leuten etwas mehr Wert besitzen, als die einfachen Ja/<br />
Nein Antworten auf zwei Fragen." fährt Isinha mit<br />
<strong>de</strong>m Gespräch fort.<br />
Der Händler seufzt: "Das da hinten ist Ohort, das ist<br />
mein Ziel. Ich kenne die Holberker ziemlich gut und<br />
kann einiges über sie erzählen. Das wer<strong>de</strong> ich auch<br />
tun, wenn ihr mir eure Geschichte erzählt. Wenn ihr<br />
das nicht tun wollt, ist das eure Sache. Und ihr wer<strong>de</strong>t<br />
euch entschei<strong>de</strong>n müssen, ob ihr die Holberker unvorbereitet<br />
kennen lernen wollt."<br />
"Tja, wie gesagt, wir kommen von dort hinten." beginnt<br />
<strong>de</strong>r Magier zu erzählen. "Davor haben wir uns<br />
in dunklen Gängen unter <strong>de</strong>m Lindwurmrücken hindurch<br />
auf diese Seite geschlagen. War eine ziemliche<br />
Plackerei." Den Teil mit <strong>de</strong>n zurück gelassenen Maultieren<br />
lässt er wegen Edric wohlweislich aus.<br />
"Eigentlich kommen wir aus Thorwal. Die Hetfrau<br />
hat uns ausgesandt." berichtet Isinha weiter. Da <strong>de</strong>r<br />
Fuhrmann wohl etwas "einfacher gestrickt" zu sein<br />
scheint, folgen die Abenteuer <strong>de</strong>r Gruppe mit <strong>de</strong>m<br />
Drachen, <strong>de</strong>n Echsenmenschen, <strong>de</strong>n Spinnen und<br />
schließlich <strong>de</strong>m 'Furcht einflößen<strong>de</strong>n' Riesen Neunfinger.<br />
Die Grolme sowie die eigentliche Suche lässt er<br />
zunächst weg.<br />
An einigen Stellen wird Ingalf das ganze ergänzen.<br />
Die Echsenmenschen wer<strong>de</strong>n gefährlicher, die Spinnen<br />
größer, <strong>de</strong>r Riese furchteinflößen<strong>de</strong>r. Aber sonst<br />
wird nichts hinzugefügt.<br />
Der Händler ist gehörig beeindruckt, als die Hel<strong>de</strong>n<br />
ihre Geschichte beim Voranschreiten erzählen. "Ihr<br />
habt es also geschafft!" meint er schließlich, als die<br />
Geschichte zu En<strong>de</strong> ist. "Ihr habt das Orkland von<br />
Sü<strong>de</strong>n her durchquert. Die Götter haben über euch<br />
gewacht!"<br />
395<br />
Nach ein paar Schritten hält er an: "Aber wie habt ihr<br />
es geschafft, an <strong>de</strong>n Grolmen vorbei zu kommen? Die<br />
lästigen Kerle beherrschen doch <strong>de</strong>n einzigen begehbaren<br />
Sattel über <strong>de</strong>s Lindwurmrückens."<br />
'Lästige Kerle ist wohl mil<strong>de</strong> ausgedrückt', <strong>de</strong>nkt sich<br />
Rovena, die schweigend neben <strong>de</strong>m Karren her läuft<br />
und die Umgebung sorgfältig im Auge behält. Den<br />
Feuerlibellenschwarm hat sie noch nicht vergessen.<br />
"Wie Ihr schon sagtet, mein Sohn", meint<br />
Hesan<strong>de</strong>r,"die Götter haben über uns gewacht. Die<br />
Antwort auf Eure Frage ist ganz leicht: Die Grolme<br />
beherrschen eben nicht vollständig <strong>de</strong>n einzig begehbaren<br />
Weg - sonst wären wir nicht hier."<br />
Hesan<strong>de</strong>r hofft so, durch diese ausweichen<strong>de</strong> und<br />
<strong>de</strong>nnoch final klingen<strong>de</strong> Antwort weitere Fragen nach<br />
<strong>de</strong>n Grolmen und ggf. <strong>de</strong>m Purpurturm zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
"Genau!" stimmt ihm Ingalf zu. "Und jetzt bist Du<br />
dran uns über Ohort und die Holberker aufzuklären,<br />
das wohl!"<br />
"Ja, ja!" Der Händler lacht. "Ein paar Geheimnisse<br />
muss man auch für sich behalten dürfen, insbeson<strong>de</strong>re,<br />
wie man mit <strong>de</strong>n Grolmen zurecht kommt. Meint<br />
ihr, man könnte sie zum Han<strong>de</strong>ltreiben überre<strong>de</strong>n?"<br />
"Tradirios sagt: 'Fin<strong>de</strong> etwas, das ein an<strong>de</strong>rer braucht<br />
und haben will und er wird mit dir han<strong>de</strong>ln.' Also<br />
warum nicht?" antwortet <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Denen kannste alles verkaufen, das wohl!" fügt Ingalf<br />
nickend hinzu. 'Du musst nur schnell genug wie<strong>de</strong>r<br />
wegkommen …'<br />
"Nun erzählt aber, was es mit <strong>de</strong>n Holberkern auf sich<br />
hat." drängt Isinha <strong>de</strong>n Händler.<br />
Gespannt wartet <strong>de</strong>r Thorwaler auf die Ausführungen<br />
<strong>de</strong>s Händlers.<br />
"Nun, die Holberker sind für Orks schon ein seltsames<br />
Völkchen. Sie sind spitzohrig und halten sich für<br />
etwas Besseres. Und sie sind in <strong>de</strong>r Tat etwas klüger<br />
als gewöhnliche Orks - und weniger streitbar. Das ist<br />
nett", erklärt <strong>de</strong>r Händler. "Übrigens habe ich noch gar<br />
nicht vorgestellt: Theires Zeel ist mein Name. Und<br />
wie heißt ihr?"<br />
"Hesan<strong>de</strong>r, Diener <strong>de</strong>r Hesin<strong>de</strong>, mein Sohn", antwortet<br />
Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Ja, das stimmt … soweit wir wissen." ergänzt Isinha<br />
mit einem Grinsen.<br />
"Ingalf, Diener <strong>de</strong>r Hetfrau, mein Freund", ahmt <strong>de</strong>r<br />
Thorwaler Hesan<strong>de</strong>r nach.<br />
Auch <strong>de</strong>r Krieger wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>m Händler zu: "Melachath<br />
ibn Shemirhija aus <strong>de</strong>m viel zu fernen und<br />
sonnigen Aranien."<br />
"Sehr erfreut", entgegnet Theires höflich.
"Man nennt mich Rovena", stellt sich nun auch die<br />
Hexe vor, die <strong>de</strong>n Ausführungen <strong>de</strong>s Händlers über<br />
dieses seltsame Volk <strong>de</strong>r Holberker aufmerksam zugehört<br />
hat. Und gleich fragt sie <strong>de</strong>n Mann weiter nach<br />
<strong>de</strong>n Bewohner <strong>de</strong>r Stadt aus. "Was sind diese Holberker<br />
<strong>de</strong>nn nun? Ihr nennt sie Orks, doch was ist mit<br />
<strong>de</strong>n spitzen Ohren?" Neugierig schaut sie Theires an.<br />
"Ich bin Edric", schließt sich <strong>de</strong>r junge Hirte <strong>de</strong>n Worten<br />
Rovenas schlicht an. Auch er hat <strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s<br />
Händlers aufmerksam zugehört.<br />
"Wenn ihr sie seht, wer<strong>de</strong>t ihr es verstehen", erklärt<br />
Theires. "Sie sehen aus wie Orks, haben aber spitze<br />
Ohren. Ach ja, und sie sprechen kein Orkisch, son<strong>de</strong>rn<br />
recht gut verständliches Garethi. Sie sind wohl<br />
irgendwann mal zugewan<strong>de</strong>rt. Ohort haben sie ganz<br />
bestimmt nicht erbaut, <strong>de</strong>nn sie wissen gar nicht, wie<br />
man so eine Stadt erhält. Die meisten Häuser sind,<br />
wie auch die alte Stadtmauer, zu Ruinen zerfallen."<br />
"Das stützt die These, dass sie eine Mischung aus Elfen<br />
und Orks sein müssen", schiebt Hesan<strong>de</strong>r ein.<br />
"Da sie aber hier im Orkland leben, ist zu vermuten,<br />
dass ihr orkisches Erbe entwe<strong>de</strong>r überwiegt o<strong>de</strong>r erheblich<br />
dominanter ist. Aber sollte sich das Erbe<br />
gleichmäßig verteilen und die Holberker mehr aussehen<br />
wie Orks, dann haben sie vielleicht an<strong>de</strong>re Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>r Elfen geerbt. Stellt euch lieber nicht vor,<br />
was ein Dorf voller wild gewor<strong>de</strong>ner Halborks, die mit<br />
Hesin<strong>de</strong>s und Firuns Gaben gesegnet sind, alles anstellen<br />
können." gibt <strong>de</strong>r Magier seine Be<strong>de</strong>nken<br />
kund.<br />
"Da gebe ich Euch Recht, doch wur<strong>de</strong>, wenn ich richtig<br />
gelesen habe, bei <strong>de</strong>n Orkfeldzügen keine Holberker<br />
an ihrer Seite gesehen - wohl aber Schamanen.<br />
Und nach <strong>de</strong>n Ausführungen <strong>de</strong>s Händlers scheinen<br />
sie wohl von Hesin<strong>de</strong> etwas großzügiger bedacht wor<strong>de</strong>n<br />
zu sein, was ihren Geist angeht. Ich bin schon<br />
sehr gespannt auf diese Holberker."<br />
Der Händler schaut Hesan<strong>de</strong>r mit einem Blick an, <strong>de</strong>r<br />
Respekt über sein Wissen ausdrücken mag, sagt aber<br />
für <strong>de</strong>n Moment nichts weiter.<br />
Dann fällt ihm noch etwas ein: "Ach, etwas gibt es<br />
noch zu erzählen. Die Holberker sind in zwei Sippen<br />
aufgeteilt, die Ro<strong>de</strong>ks und die Krinaks. Ihr wisst ja,<br />
wie das mit Sippen ist."<br />
"Nein, Reisen<strong>de</strong>r im Wind, wissen wir nicht, erzählt<br />
uns davon." Auffor<strong>de</strong>rnd sieht <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>n Händler<br />
an.<br />
"Hm, ja. Bei<strong>de</strong> sind sich sicher nicht grün. Es gibt Familienfeh<strong>de</strong>n<br />
und alle sind bis auf <strong>de</strong>n Tod verfein<strong>de</strong>t."<br />
nickt Isinha vermutend. "Aber sagt, mit welcher<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Sippen habt Ihr <strong>de</strong>nn bessere Erfahrungen<br />
gemacht - wenn man überhaupt von guten Erfahrungen<br />
sprechen kann?"<br />
396<br />
"Es ist genau so, wie <strong>de</strong>r Magus es beschreibt." Isinha<br />
ist mit seiner Antwort <strong>de</strong>m Händler zuvor gekommen.<br />
"Das wür<strong>de</strong> zumin<strong>de</strong>st auch erklären, wieso sie die<br />
Stadt nicht erhalten können o<strong>de</strong>r wollen. Und <strong>de</strong>nnoch<br />
scheinen sie in einer Art Schicksalsgemeinschaft<br />
aufeinan<strong>de</strong>r angewiesen zu sein, da sie sonst nirgendwo<br />
gedul<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n außer in Riva."<br />
"Wie auch immer sollten wir <strong>de</strong>m Vorbild <strong>de</strong>s guten<br />
Mannes hier folgen, und uns nicht in ihren Streit hineinziehen<br />
lassen", meint Rovena, die mit gemischten<br />
Gefühlen <strong>de</strong>r Begegnung mit dieser Stadt und ihren<br />
Bewohnern entgegen blickt.<br />
"Ich weiß gar nicht, wer im einzelnen zu welcher Sippe<br />
gehört. Ich lasse mich einfach nicht in einen Streit<br />
hineinziehen. Zur Zeit haben, glaube ich, die Krinaks<br />
die Oberhand."<br />
"Sprechen sie <strong>de</strong>nn orkisch, o<strong>de</strong>r haben sie eine eigene<br />
Sprache?" will Edric neugierig wissen.<br />
"Wie ich eben schon sagte", beginnt <strong>de</strong>r Händler, wird<br />
dann aber von Isinha unterbrochen.<br />
"Wie <strong>de</strong>r Händler eben so treffend bemerkte, sprechen<br />
sie gera<strong>de</strong> kein Orkisch, son<strong>de</strong>rn Garethi." belehrt <strong>de</strong>r<br />
Magier <strong>de</strong>n Hirten.<br />
'Jetzt hat <strong>de</strong>r Junge wie<strong>de</strong>r Interesse an unserem Auftrag<br />
und dann - poff - <strong>de</strong>r Herr Magier kann nicht einmal<br />
still sein, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf und hört weiter<br />
<strong>de</strong>n Erläuterungen <strong>de</strong>s Händlers zu.<br />
Isinha schreitet jetzt stumm neben <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren her.<br />
Offenbar grübelt er wie<strong>de</strong>r und wälzt ein Problem.<br />
Nach kurzer Zeit blickt er sich aufmerksam um, mustert<br />
<strong>de</strong>n Wald. 'Wenn die Holberker schon einen<br />
Spruch auf die Eichen haben, gibt es die entwe<strong>de</strong>r<br />
hier in Massen, o<strong>de</strong>r dort, wo sie ursprünglich herkommen.<br />
Vielleicht hilft uns das weiter … Welche<br />
Bäume wachsen <strong>de</strong>nn hier überhaupt?' fragt er sich.<br />
Der Pfad führt durch einen Mischwald. Laub- und<br />
Na<strong>de</strong>lbäume wachsen hier, aber Eichen sind nicht<br />
darunter.<br />
"Ich kenne zwar die garethischen Namen dieser Bäume<br />
alle nicht, aber es sind sicher keine Eichen darunter."<br />
wun<strong>de</strong>rt sich Isinha, <strong>de</strong>r offenbar die Sprache<br />
wie<strong>de</strong>rgefun<strong>de</strong>n hat. "Also sind diese Eichen wohl Teil<br />
<strong>de</strong>r Heimat <strong>de</strong>r Holberker. Woher könnten sie kommen,<br />
aus <strong>de</strong>m Steineichenwald?" fragt <strong>de</strong>r Mager mit<br />
Blick auf Hesan<strong>de</strong>r und Rovena, die das Gespräch<br />
eben so verfolgt haben wie er.<br />
"Könnte schon sein, dort fin<strong>de</strong>t man wohl die größten<br />
Bestän<strong>de</strong> dieses stolzen Baumes", meint die Hexe achselzuckend.<br />
"Wisst Ihr <strong>de</strong>nn, wo diese Halborks herkommen,<br />
Herr Zeel? Und könnt Ihr uns sagen, wer<br />
dann dies Stadt Ohort gebaut hat, wenn nicht diese<br />
Volk?"
"Halborks?" Der Händler runzelt die Stirn. "Ich glaube<br />
nicht, dass die Holberker diese Bezeichnung mögen<br />
wer<strong>de</strong>n. Wer diese Stadt gebaut hat, weiß ich lei<strong>de</strong>r<br />
nicht." Theires Zeel hebt entschuldigend die<br />
Schultern.<br />
"Kann <strong>de</strong>n einer von euch überhaupt orkisch?" will<br />
Theires Zeel wissen.<br />
Edric nickt.<br />
Dazu sieht Rovena kein Veranlassung, sich zu äußern<br />
und betrachtet lieber unbeteiligt die Umgebung. Edric<br />
wird sich schon mel<strong>de</strong>n …<br />
"Wie glaubt Ihr, sollten wir ohne orkische Sprachkenntnis<br />
bis hierher gelangt sein? Und außer<strong>de</strong>m:<br />
wozu ist das wichtig, wenn die Holberker es nicht<br />
sprechen?" stellt <strong>de</strong>r Magier eine Gegenfrage.<br />
"Ist ja auch nicht so wichtig", brummelt <strong>de</strong>r Händler<br />
nur.<br />
"Aber wenn sie Garethi sprechen wer<strong>de</strong>n wir uns auch<br />
so verstehen." meint er. "Wenn Ohort nur aus Ruinen<br />
besteht, was hält sie <strong>de</strong>nn dort?" fragt er weiter.<br />
"In Ruinen zu leben ist immer noch besser als unter<br />
freiem Himmel. Ist doch klar", belehrt <strong>de</strong>r Händler<br />
"Sie sind ziemlich sesshaft. Deswegen überrascht es<br />
mich auch, dass es auch eine Holberker-Kolonie in<br />
Riva geben soll. Wart ihr schon einmal da?"<br />
"Nein", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r, "<strong>de</strong>nn ich habe davon nur<br />
in meinem Heimattempel gehört. Sollte ich je die Gelegenheit<br />
haben, nach Riva zu kommen, wür<strong>de</strong> ich<br />
aber sicherlich selbst einmal nachschauen."<br />
"Also wie<strong>de</strong>r nur eine Information vom Hörensagen."<br />
stellt Isinha fest.<br />
"Und am En<strong>de</strong> wür<strong>de</strong> sich sicher herausstellen, dass<br />
die Holberker, die von hier aus aufbrechen, um ihre<br />
Brü<strong>de</strong>r und Schwestern <strong>de</strong>r Siedlung in Riva zu treffen,<br />
diese Siedlung erst noch grün<strong>de</strong>n müssen, um<br />
dort jeman<strong>de</strong>n von ihresgleichen anzutreffen. Nur<br />
weil Ihr daran glaubt, dass Euch eine wahre Geschichte<br />
erzählt wor<strong>de</strong>n ist, ist sie noch lange nicht wahr."<br />
Die Stimme <strong>de</strong>s Magiers hat wie<strong>de</strong>r einen dozieren<strong>de</strong>n<br />
Ton angenommen. "Denn 'Wisse, nicht glaube!'<br />
hat Meister Atheisos stets gelehrt, nicht nur in arkanen<br />
Dingen."<br />
"Nun, wenn jemand wie Ihr so wenig Respekt vor <strong>de</strong>n<br />
Dienern <strong>de</strong>r Zwölfe hat und ihre Worte anzweifelt,<br />
dann hat Euch Hesin<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Gabe und gleichzeitig<br />
mit Blindheit geschlagen.<br />
Offenbar kennt Ihr nur sehr wenig aus <strong>de</strong>r Hesin<strong>de</strong>kirche.<br />
Wir kennen <strong>de</strong>n Unterschied zwischen Hörensagen<br />
und Wissen besser als je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re. Daher beruft<br />
sich die Hesin<strong>de</strong>kirche in <strong>de</strong>r Regel auch nur auf<br />
gesichertes Wissen. Wo das nicht <strong>de</strong>r Fall ist, wird es<br />
verifiziert - o<strong>de</strong>r eben falsifiziert.<br />
397<br />
Und wenn ein Prälat <strong>de</strong>r Hesin<strong>de</strong>kirche in einem Vortrag<br />
über die weniger bekannten Rassen und Völker<br />
Aventuriens doziert, dann wohl kaum, weil er sich auf<br />
Hörensagen beruft.<br />
Ich nehme nicht an, dass ich Euch einen Auszug aus<br />
<strong>de</strong>n Seelischen Abhandlungen vom alten Froydrik Siegemond<br />
zu zitieren brauche. Dort fin<strong>de</strong>t sich ein interessanter<br />
Passus zum Thema Arroganz und Blindheit<br />
<strong>de</strong>r A<strong>de</strong>pti Artium Arcanarum."<br />
"Langsam, langsam." beschwichtigt <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n<br />
Geweihten. "Ihr habt nur gesagt, dass Ihr davon 'in<br />
Eurem Heimattempel' gehört hättet. Ihr habt nicht<br />
gesagt, von wem. Woher soll ich wissen, ob nicht irgend<br />
ein wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Tropf die Beichte bei Euch abgelegt<br />
o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Geschichten seiner Reisen Almosen<br />
von <strong>de</strong>n Novizen erbitten wollte?"<br />
"Wie überaus umsichtig, die Hesin<strong>de</strong>kirche und ihre<br />
Diener als so naiv zu bezeichnen. Vielleicht fallen<br />
Euch ja noch mehr Grün<strong>de</strong> ein, wieso man Dienern<br />
<strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n Mutter keinen Glauben schenken<br />
sollte."<br />
"Außer<strong>de</strong>m halte ich Eure Einschätzung von 'weniger<br />
bekannt' in Bezug auf die Holberker für stark untertrieben.<br />
Mir sind schon mehr Schriften unter die Augen<br />
gekommen, als <strong>de</strong>n meisten gebil<strong>de</strong>ten Bewohnern<br />
je<strong>de</strong>r durchschnittlichen Stadt Deres zusammen<br />
genommen, ich bin mit Thorwalern gefahren, die<br />
auch in <strong>de</strong>n nördlichen Gewässer gewesen sind und in<br />
Riva vor Anker lagen, aber nirgends habe ich von Holberkern<br />
etwas gesehen o<strong>de</strong>r gehört, bis unser Meister<br />
Händler davon angefangen hat.<br />
Und selbst Ihr gebt zu, noch nicht in Riva gewesen zu<br />
sein. Folglich habt Ihr <strong>de</strong>ren Anwesenheit dort noch<br />
nicht verifiziert o<strong>de</strong>r falsifiziert. Bis es soweit ist, wer<strong>de</strong>n<br />
wir gemeinschaftlich davon ausgehen, dass vor<br />
uns die einzige wahrhaft bekannte Holberkersiedlung<br />
liegt. Punkt."<br />
"Aus wissenschaftlicher Sicht völlig unnötig - es sei<br />
<strong>de</strong>nn, Ihr wür<strong>de</strong>t auch alles magische Wissen selbst<br />
verifizieren wollen. Traut Ihr nicht auch Euren magischen<br />
Büchern, <strong>de</strong>n dortigen Formeln? Und wäre es<br />
nicht eine Verschwendung von Zeit und Menschen,<br />
wenn je<strong>de</strong>r erst das, was er von an<strong>de</strong>ren gehört hat,<br />
selbst durch seine eigene Wahrnehmung verifiziert<br />
hat?" schaut Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n A<strong>de</strong>ptus kritisch an.<br />
Der Magier erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Blick <strong>de</strong>s Geweihten, <strong>de</strong>r<br />
meint, eine Spur sehr alten Schmerzes darin zu erkennen,<br />
wenn auch nur für einen Augenblick.<br />
"Niemand ist unfehlbar. Und das magische Wissen<br />
aus <strong>de</strong>n Büchern verifiziert sich sogleich dann, wenn<br />
man <strong>de</strong>n erlernten Zauber ohne weiteres mit <strong>de</strong>m gewünschten<br />
und erwarteten Effekt anwen<strong>de</strong>n kann."<br />
"Ihr seid voller Misstrauen - das spüre ich - und das<br />
nicht nur durch Eure Worte."
"Ja, das bin ich." erwi<strong>de</strong>rt Isinha tonlos. "Und wenn<br />
Ihr wüsstet …" seine Stimme ist wie das Rascheln <strong>de</strong>r<br />
Blätter im Wind, nur ein Hauch und kaum zu verstehen.<br />
'Schon wie<strong>de</strong>r, diese Dummschwätzer!' Ingalf verdreht<br />
die Augen und wen<strong>de</strong>t sich an <strong>de</strong>n Händler: "Sag,<br />
Freund, hast Du auch Knebel und Fesseln auf Deinem<br />
Wagen? Ich wür<strong>de</strong> Dir sie gerne abkaufen, das<br />
wohl!"<br />
Theires zuckt entschuldigend die Achseln: "Die<br />
Nachfrage danach ist hier im Orkland quasi nicht vorhan<strong>de</strong>n.<br />
So was machen die sich alle selbst."<br />
"Scha<strong>de</strong>!" meint Ingalf knapp und versucht beim Gehen<br />
ein wenig mit Kawi Stöckchen-Holen zu spielen.<br />
"Und woran ist hier Bedarf?" fragt Edric, <strong>de</strong>r die Waren<br />
ja nicht mit zusammengesucht hat. "Mit was han<strong>de</strong>ln<br />
die Holberker?"<br />
"Ooch, dies und das, was sich gera<strong>de</strong> so ergibt." Der<br />
Händler will offensichtlich nicht ins Detail gehen.<br />
Der Wald ist mittlerweile lichter gewor<strong>de</strong>n. Rechts<br />
und links <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s liegen vermehrt Feuchtstellen,<br />
und dann geht es in einen Sumpfgürtel.<br />
Auch hier wachsen Bäume, aber sie stehen weiter auseinan<strong>de</strong>r<br />
auf hohen Stelzwurzeln. Der Bo<strong>de</strong>n zwischen<br />
<strong>de</strong>n Baumwurzeln ist morastig schwarz und an<br />
vielen Stellen von langen, fingerdicken Schlangenwurzeln<br />
durchzogen. Diese Wurzeln sind blaugrün<br />
und von Schleim be<strong>de</strong>ckt.<br />
Interessiert mustert Edric die Bäume und Wurzeln.<br />
"So etwas habe ich noch nicht gesehen. Was ist das?"<br />
fragt er Theires Zeel.<br />
Theires zeigt auf <strong>de</strong>n Kadaver eines Rehs, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n<br />
Schlingwurzeln überwachsen ist. "Die Holberker behaupten,<br />
die Pflanzen seien völlig harmlos - sie nennen<br />
sie Grüne Schleimschlangen - ich gehe diesen<br />
Wurzeln aber lieber aus <strong>de</strong>m Weg."<br />
"Besser ist das wohl." Edric hat kein Interesse daran<br />
<strong>de</strong>n Pflanzen näher zu kommen.<br />
Der Weg verläuft auf einem schmalen Damm, <strong>de</strong>r sich<br />
etwa einen halben Schritt aus <strong>de</strong>m Sumpf erhebt.<br />
Als <strong>de</strong>r Weg auf <strong>de</strong>m Damm mün<strong>de</strong>t, hört Ingalf auf<br />
mit Kawi zu spielen: "Nee, mein Kleiner, Du bleibst<br />
jetzt hier, nich' dass Du mir in <strong>de</strong>n Sumpf läufst!"<br />
Misstrauisch prüft Rovena je<strong>de</strong>n ihrer Schritte auf<br />
<strong>de</strong>m Damm mit ihrem Stab, bevor sie vorsichtig einen<br />
Fuß vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren setzt, um <strong>de</strong>m Händler und seinem<br />
Karre zu folgen. "Nicht gera<strong>de</strong> sehr einla<strong>de</strong>nd,<br />
diese Gegend hier …" murmelt sie vor sich hin und<br />
achtet vor allem auch auf Bewegungen in ihrer Umgebung.<br />
Die Feuerlibellen haben hier vielleicht ihren Lebensraum,<br />
und wenn diese nun angreifen, können sie<br />
nirgendwohin ausweichen …<br />
398<br />
"Sind die Holberker wirklich friedlicher als Orks?"<br />
fragt er <strong>de</strong>n Händler weiter. "Ich hatte öfter mit welchen<br />
im Svellttal Kontakt." erklärt er weiter, ohne auf<br />
seine Han<strong>de</strong>lsbeziehungen einzugehen.<br />
"Interessant." Theires streicht sich über das Kinn. "Ja,<br />
sie sind <strong>de</strong>utlich friedlicher."<br />
"Was ist interessant?" fragt Edric naiv. "Und warum<br />
sprechen sie kein Orkisch?" fragt er weiter.<br />
"Interessant ist das mit <strong>de</strong>m Svellttal. Vielleicht sollte<br />
ich da auch mal hinziehen. Warum sie kein Orkisch<br />
sprechen, weiß ich nicht", sinniert <strong>de</strong>r Händler beim<br />
Voranschreiten.<br />
"Mich zieht dorthin nichts mehr zurück." antwortet<br />
ihm Edric. Keine Trauer klingt in seiner Stimme mit.<br />
"Wie leben <strong>de</strong>nn die Holberker so?" erkundigt er sich<br />
weiter.<br />
Nahema<br />
Zu einer Antwort kommt <strong>de</strong>r Händler nicht mehr. In<br />
<strong>de</strong>r Ferne ist ist ein von drei Pfer<strong>de</strong>n gezogener Wagen<br />
zu sehen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n von Nor<strong>de</strong>n entgegenkommt.<br />
'Hmm, ob das wohl gut geht?' fragt sich Ingalf als er<br />
<strong>de</strong>n schmalen Steg betrachtet. 'Naja, vielleicht gibt's ja<br />
irgendwo 'ne breitere Stelle, das wohl!'<br />
Von <strong>de</strong>m sich nähern<strong>de</strong>n Hufgetrappel aufmerksam<br />
gemacht, besieht sich Isinha schnell die <strong>de</strong>rzeitige<br />
Umgebung <strong>de</strong>s Händlerkarrens und spricht Theires<br />
an: "Meister Händler, wir sollten wohl diesem Wagen<br />
dort ausweichen, wenn wir können. Ein von drei Gäulen<br />
gezogenes Gefährt wird - mit Verlaub - kaum für<br />
einen Eselkarren Platz machen. Und wir sollten es<br />
schnell tun." drängt er zur Eile, da <strong>de</strong>r Wagen bereits<br />
während seiner Worte erneut näher gekommen ist.<br />
"Huch!" entfährt es <strong>de</strong>m Händler, als er <strong>de</strong>s Wagens<br />
gewahr wird. "Das wird eng."<br />
"Das wohl! Das wohl!" stimmt Ingalf <strong>de</strong>m Händler<br />
zu. 'Aber nicht für uns Fußgänger' fügt er noch in Gedanken<br />
hinzu.<br />
Die herankommen<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong> laufen in gemächlichem<br />
Trab, und weitere Einzelheiten wer<strong>de</strong>n beim herankommen<br />
sichtbar: Die Tier sind nebeneinan<strong>de</strong>r angeschirrt.<br />
"Eine Troika!" ruft Theires aus. In <strong>de</strong>n schwarzen<br />
Mähnen sind bunte Bän<strong>de</strong>r geflochten. Auf <strong>de</strong>m<br />
Bock <strong>de</strong>r kleinen Reisekutsche sitzt eine in eine bunte<br />
Decke gehüllte Gestalt, die eine lange Peitsche in <strong>de</strong>r<br />
rechten und die Zügel in <strong>de</strong>r linken Hand hält.<br />
'Da sollten wir eingreifen!' entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Magier und<br />
eilt mit raschen Schritten <strong>de</strong>r Kutsche entgegen, um<br />
einen gewissen Vorsprung vor <strong>de</strong>m Karren zu haben.<br />
Isinha schwenkt seinen Stab auffällig vor sich und ruft<br />
<strong>de</strong>m Wagen entgegen: "Ho! Haltet ein! Gleich ist
Platz für Euch!" um das an<strong>de</strong>re Gefährt abbremsen zu<br />
lassen.<br />
Allerdings ist er bedacht darauf, sich an <strong>de</strong>n Rand <strong>de</strong>s<br />
Damms in Sicherheit zu bringen, sollte <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
nicht anhalten. Dabei passt er auf, nicht in <strong>de</strong>n Morast<br />
zu treten, son<strong>de</strong>rn auf trockenem Bo<strong>de</strong>n zu bleiben.<br />
'Für einen einzelnen Fußgänger sollte <strong>de</strong>r Platz gera<strong>de</strong><br />
reichen.'<br />
Da <strong>de</strong>r Kutscher die Decke auch über <strong>de</strong>n Kopf geworfen<br />
hat und sein Gesicht nicht im Schatten liegt,<br />
kann man nicht erkennen, ob es ein Mann o<strong>de</strong>r eine<br />
Frau ist. Auch seine Stimme könnte gleichwohl eine<br />
helle Männer- o<strong>de</strong>r eine tiefe Frauenstimme sein. Der<br />
Frem<strong>de</strong> ruft: "Aus <strong>de</strong>m Weg! Ihr habt drei Sekun<strong>de</strong>n<br />
Zeit!"<br />
Die Pfer<strong>de</strong> jetzt so nah, dass klar ist: Sie haben gera<strong>de</strong><br />
Platz zu dritt nebeneinan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Damm. Ausweichen<br />
be<strong>de</strong>utet in <strong>de</strong>n Schlamm <strong>de</strong>s Sumpfes springen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r hat nicht vor, sich <strong>de</strong>r Troika in <strong>de</strong>n Weg zu<br />
stellen. Wenn möglich, wird er nicht direkt in <strong>de</strong>n<br />
Sumpf springen son<strong>de</strong>rn einen Erdhügel o<strong>de</strong>r ähnliches<br />
suchen, auf <strong>de</strong>n er springen kann, um sich zum<br />
einen nicht schmutzig zu machen und zum an<strong>de</strong>ren<br />
nicht überfahren zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Möglicherweise gibt es ja auch noch einen Ast eines<br />
Baumes, <strong>de</strong>r in Richtung <strong>de</strong>s Dammes ragt. Diesen<br />
wür<strong>de</strong> er dann ergreifen und sich beiseite hangeln.<br />
"Hey! Hey! Immer ruhig Blut, dann klappt das hier,<br />
das wohl!" versucht Ingalf <strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>n zu beruhigen.<br />
'Mannomann, sind die hier alle höflich!'<br />
Und in <strong>de</strong>n Schlamm <strong>de</strong>s Sumpfes zu springen könnte<br />
be<strong>de</strong>uten, in ein Sumpfloch zu geraten, das einen in<br />
bo<strong>de</strong>nlose Tiefe zieht. Nein, ohne <strong>de</strong>n Grund zu<br />
überprüfen, dürfen sie nicht von <strong>de</strong>m Damm abweichen!<br />
Rovena eilt Elgar hinterher, baut sich neben ihm<br />
auf und reißt wie er die Arme hoch, so dass ihr Umhang<br />
wild zu flattern beginnt. Sie fuchtelt mit ihrem<br />
Stab umher und schreit <strong>de</strong>r Kutsche entgegen: "Haltet<br />
ein, im Namen <strong>de</strong>r Göttin, zügelt die Pfer<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r sie<br />
wer<strong>de</strong>n Euch durchgehen!" Ob ihre Warnung, o<strong>de</strong>r<br />
eher Drohung, Gehör fin<strong>de</strong>t wird sich gleich zeigen.<br />
Sie ist bereit, in die Zügel <strong>de</strong>s auf ihrer Seite gemächlich<br />
auf sie zu traben<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>s zu greifen, um sich<br />
im Notfall daran festzuklammern.<br />
Auch Edric hat nicht die Absicht, kopflos in <strong>de</strong>n<br />
Sumpf zu springen. Schon gar nicht, weil er es von<br />
<strong>de</strong>m Kutscher eine Unverfrorenheit fin<strong>de</strong>t, mit <strong>de</strong>n<br />
Tieren <strong>de</strong>rart über <strong>de</strong>n schmalen Damm zu jagen. So<br />
stellt er sich hinter Rovena und Isinha und fuchtelt<br />
ebenfalls mit <strong>de</strong>n Armen und <strong>de</strong>n Kutscher zum halten<br />
zu bewegen.<br />
Ein kurzer Seitenblick auf seine bei<strong>de</strong>n Gefährten offenbart<br />
Isinha ihren Plan. Sie wollen die Pfer<strong>de</strong> scheu<br />
machen und <strong>de</strong>n Kutscher zum Anhalten zwingen.<br />
399<br />
Auch sein eigener Mantel bauscht sich hinter ihm,<br />
aber er hat erhebliche Zweifel daran, dass dieser Plan<br />
funktioniert.<br />
Ein besserer Plan will ihm aber auch nicht einfallen.<br />
Sicherheitshalber wirft er einen Blick auf <strong>de</strong>n Sumpf<br />
direkt neben <strong>de</strong>m Damm an dieser Stelle; ob man<br />
dorthin ausweichen kann, ohne sich gleich kopfüber<br />
hineinstürzen zu müssen.<br />
'Der Kerl spinnt doch.' ist das Einzige, was <strong>de</strong>m Aranier<br />
einfällt. Da er eh sehr weit hinten steht, versucht<br />
er, vom Damm herunter zu kommen, um sich neben<br />
die Strecke zu stellen und um, sollte die Kutsche vorbeikommen,<br />
aufzuspringen und <strong>de</strong>n Fahrer zur Rechenschaft<br />
zu ziehen.<br />
Soweit die Planung, das folgen<strong>de</strong> trifft die Hel<strong>de</strong>ngruppe<br />
völlig unvorbereitet. Paralü Paralein hören Isinha,<br />
Edric und Rovena noch, dann schwin<strong>de</strong>n ihnen<br />
die Sinne.<br />
'Was heißt <strong>de</strong>nn das?' fragt sich Edric noch.<br />
Mit einem <strong>de</strong>utlichen "Brrr!" bringt die Gestalt in <strong>de</strong>r<br />
Decke die Pfer<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>n drei Erstarrten zum Stehen.<br />
Mitten in <strong>de</strong>r Bewegung verharrt <strong>de</strong>r Magier, <strong>de</strong>n Stab<br />
erhoben, <strong>de</strong>n Mund noch geöffnet, um erneut <strong>de</strong>n<br />
Pfer<strong>de</strong>n etwas entgegen zu rufen. Doch viel zu spät<br />
erst merkt er, dass dort <strong>de</strong>r Zauber gewirkt wird. Nicht<br />
nur gegen ihn, nein, son<strong>de</strong>rn auch gegen die bei<strong>de</strong>n<br />
Gefährten an seiner Seite.<br />
Der einzige Gegenzauber, <strong>de</strong>r ihm einfällt, ist ein<br />
, aber <strong>de</strong>n kann er sich im<br />
Angesicht <strong>de</strong>r Erstarrung allenfalls noch durch <strong>de</strong>n<br />
Kopf gehen lassen. 'Wenigstens sind wir nicht überfahren<br />
wor<strong>de</strong>n und stecken nicht im Sumpf fest.' versucht<br />
er, das Positive seiner <strong>de</strong>rzeitigen Lage zu sehen.<br />
Vor Schreck zu erstarren bleibt <strong>de</strong>r Hexe erspart, als<br />
sie <strong>de</strong>n Zauberspruch hört, <strong>de</strong>nn dieser tut sein Übriges,<br />
dass sie schlagartig nichts mehr fühlen noch hören<br />
kann und zu keiner Bewegung in <strong>de</strong>r Lage ist.<br />
Förmlich zu Stein erstarrt bekommt sie zu ihrer Erleichterung<br />
noch mit, wie die Pfer<strong>de</strong> zum Stehen<br />
kommen. Was wäre wohl geschehen, hätte die Troika<br />
sie in diesem Zustand in <strong>de</strong>n Sumpf gestoßen! Angst<br />
erfüllt und einzig <strong>de</strong>s Sehens noch mächtig beobachtet<br />
sie die in die Decke gehüllte Person. 'Macht <strong>de</strong>n Zustand<br />
wie<strong>de</strong>r rückgängig!' fleht sie stumm und weiß<br />
doch, dass sie nicht gehört wer<strong>de</strong>n kann, während ihr<br />
die modrigen Gerüche <strong>de</strong>s Sumpfes unangenehm in<br />
die Nase ziehen.<br />
Melachath zieht sich zurück, versucht aus <strong>de</strong>m direkten<br />
Blickwinkel <strong>de</strong>r mächtigen Magierin zu verschwin<strong>de</strong>n.<br />
Ingalf erkennt, dass die Gestalt jetzt ihn mustert.<br />
Bannbaladin, Dein Freund Ich bin ist zu vernehmen.<br />
Ingalf überlegt einen Moment, und dann ist es ihm<br />
klar: In <strong>de</strong>m Wagen sitzt seine beste Freundin, die er
lange nicht mehr gesehen hat. Ein wenig peinlich ist<br />
nur, dass er ihren Namen vergessen hat.<br />
Er starrt die Frau an - <strong>de</strong>n um ein Frau scheint es sich<br />
nach seinen Gedanken wohl zu han<strong>de</strong>ln - und meint<br />
dann verlegen: "Mensch … ähm … schön Dich hier<br />
zu treffen, das wohl! Aber was willste <strong>de</strong>nn in dieser<br />
Gegend?"<br />
Die mächtige Magierin, <strong>de</strong>nn eine solche muss es sein,<br />
wirf ihre Decke von <strong>de</strong>n Schultern und steigt vom<br />
Bock. Die Frau ist schwarzhaarig mit ausdrucksvollen,<br />
aparten Zügen. Um ihre Mundwinkel spielt ein spöttisches<br />
Lächeln. Sie schaut Ingalf freundlich an und<br />
bittet ihn dann: "Esel und Karren müssen in <strong>de</strong>n<br />
Sumpf. Kümmerst Du Dich darum? Alles weitere<br />
kommt anschließend."<br />
"Aye!" meint <strong>de</strong>r Thorwaler. "Ich hab' ja gleich gedacht,<br />
dass <strong>de</strong>r Platz nicht reicht, das wohl!"<br />
'Bei Hesin<strong>de</strong>', <strong>de</strong>nkt sich Hesan<strong>de</strong>r. 'Diese Zauberin<br />
muss wahrhaft mächtig sein'. Insgeheim ist er ein wenig<br />
scha<strong>de</strong>nfroh, dass Ingalf die 'Ehre' hat mit anzupacken.<br />
Er geht zu <strong>de</strong>m Wagen <strong>de</strong>s Händler und verkün<strong>de</strong>t<br />
fröhlich lächelnd: "Haste gehört? Du sollst ma' eben<br />
Platz machen …" Dann beginnt er <strong>de</strong>n Esel <strong>de</strong>n<br />
Damm hinab und in <strong>de</strong>n Sumpf zu führen.<br />
Theires Zeel steht mit Angst erfüllten Augen da und<br />
lässt Ingalf gewähren.<br />
Dafür, dass er nur steht, wird er noch von Ingalf angefahren:<br />
"Bei allen Seeschlangen, soll ich Deinen<br />
schweren Karren etwa alleine in diesen stinken<strong>de</strong>n<br />
Sumpf schieben? Fass' ma' mit an, aber flott, das<br />
wohl!"<br />
Der Händler ist so fahrig, dass <strong>de</strong>r Karren umfällt und<br />
die ganze Ladung im Schlamm lan<strong>de</strong>t.<br />
"Na, das hast du ja richtig gut gemacht!" schimpft Ingalf.<br />
Der Händler schüttelt nur verzweifelt seinen Kopf<br />
und setzt sich an <strong>de</strong>n Straßenrand. Die Magierin beachtet<br />
ihn überhaupt nicht.<br />
"Verzeiht, Magistra", spricht Hesan<strong>de</strong>r sie mit gebühren<strong>de</strong>m<br />
Respekt an, "Hesan<strong>de</strong>r, Diener <strong>de</strong>r Mutter <strong>de</strong>r<br />
Weisheit. Nach<strong>de</strong>m ich nun die Ehre hatte, einer Demonstration<br />
Eurer Künste beizuwohnen, wollt Ihr mir<br />
nicht Euren Namen verraten?"<br />
"Dazu kommen wir noch, stell' erstmal die drei Versteinerten<br />
hier auf!" Die Magierin beschreibt mit <strong>de</strong>r<br />
Hand einen Bogen.<br />
'Auch Du stehst nicht über <strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n Mutter,<br />
<strong>de</strong>ren Tochter Mada <strong>de</strong>n Menschen die Magie brachte<br />
und dafür nun bis ans En<strong>de</strong> aller Zeitalter Phexens<br />
Reich erleuchtet', <strong>de</strong>nkt sich Hesan<strong>de</strong>r.<br />
400<br />
Aus <strong>de</strong>r Deckung heraus steckt <strong>de</strong>r Aranier seinen Rabenschnabel<br />
wie<strong>de</strong>r weg und zieht seinen Bogen, legt<br />
an, zielt und versucht, die Magierin zu treffen.<br />
"Und Du, Aranier, packst mit an!" spricht sie Melachath<br />
genau in diesem Moment an. Die Blicke <strong>de</strong>r<br />
bei<strong>de</strong>n treffen sich. Sie schüttelt leicht <strong>de</strong>n Kopf.<br />
Wortlos lässt <strong>de</strong>r Aranier die Waffe sinken und steckt<br />
<strong>de</strong>n Pfeil in <strong>de</strong>n Köcher zurück. Den Bogen legt er um<br />
die Schulter und geht dann zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, um <strong>de</strong>m<br />
Thorwaler zu helfen.<br />
Als Ingalf, Hesan<strong>de</strong>r und Melachath fertig sind, for<strong>de</strong>rt<br />
die Magierin sie auf, sich im Halbkreis neben die<br />
Versteinerten zu stellen. Danach stellt sie sich in <strong>de</strong>n<br />
Mittelpunkt <strong>de</strong>s Kreises. Sie verschränkt die Arme vor<br />
<strong>de</strong>r Brust und spricht die Hel<strong>de</strong>n an:<br />
"So, jetzt habt ihr also Nahema kennen gelernt. Wenn<br />
ich jetzt aus <strong>de</strong>r Nähe betrachte, tut es mir fast leid,<br />
dass ich so rauh mit euch umgesprungen bin - ihr seid<br />
ja alle noch halbe Kin<strong>de</strong>r. Trotz<strong>de</strong>m … ihr habt soeben<br />
gelernt, dass es im Leben manchmal klüger ist,<br />
sich still zu fügen, als einen Streit vom Zaun zu brechen<br />
… Eine wertvolle Lektion!<br />
Und nun heraus mit <strong>de</strong>r Sprache: Was führt euch in<br />
diesen hesin<strong>de</strong>verlassenen Landstrich?"<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut die Magierin mit großen Augen an.<br />
'Nahema! Leibhaftig! Wieviele Geschichten und Mythen<br />
erzählt man sich über sie und da läuft man ihr in<br />
dieser Wildnis über <strong>de</strong>n Weg.'<br />
Er sammelt sich wie<strong>de</strong>r und antwortet dann: "Mit Verlaub,<br />
ganz so hesin<strong>de</strong>verlassen scheint er angesichts<br />
Euch und meiner Wenigkeit nicht zu sein. Wir befin<strong>de</strong>n<br />
uns auf einer hesin<strong>de</strong>gefälligen Reise, Magistra."<br />
"Selbstbewusstsein hast Du ja. Eine gute Basis für<br />
einen Diener <strong>de</strong>r Götter. Jetzt ist Deine Klugheit gefragt."<br />
An alle gewandt fragt sie: "Was für eine hesin<strong>de</strong>gefällige<br />
Reise? Details bitte!"<br />
Hesan<strong>de</strong>r lächelt mit einem Hauch Verlegenheit.<br />
"Nun, wir erkun<strong>de</strong>n das Orkland …", mit diesen Worten<br />
möchte er es <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren überlassen zu entschei<strong>de</strong>n,<br />
wieviel sie preisgeben.<br />
"Und mit <strong>de</strong>r Klugheit ist es bei <strong>de</strong>m Schwätzer nich'<br />
weit, das wohl!" antwortet Ingalf. "Und seine Hesin<strong>de</strong><br />
spielt, Swafnir sei Dank, keine so große Rolle. Wir<br />
sind im Auftrag <strong>de</strong>r Hetfrau unterwegs einen Weg<br />
durch das Orkland zu erkun<strong>de</strong>n, das wohl! Und …<br />
Nahema … was treibt Dich hierher?"<br />
"Ist doch klar, mein neugieriger Freund!" Nahema lächelt<br />
mil<strong>de</strong>. "Ich gehe meine eigenen Wege, die nur<br />
die Götter und mich etwas angehen. Aber erzähle, was<br />
haben eure Erkundungen ergeben? Hinter welche<br />
Geheimnisse seid ihr schon gekommen, und welche<br />
wollt ihr noch auf<strong>de</strong>cken. Vielleicht kann ich euch<br />
dann vielleicht ja sogar helfen."
"Was wir bisher gefun<strong>de</strong>n haben, ist <strong>de</strong>n Weg von<br />
Thorwal bis hier" - Ingalf <strong>de</strong>utet nach unten - "und<br />
was wir noch auf<strong>de</strong>cken wollen, ist <strong>de</strong>n Weg von hier,<br />
das wohl!"<br />
"Das ist alles?" fragt Nahema nach. "Ihr habt nichts<br />
und nieman<strong>de</strong>n Interessantes getroffen erlebt." Ingalf<br />
spürt. Hier ist die Gelegenheit, seiner Freundin Nahema<br />
alles über das bisherige Abenteuer zu erzählen.<br />
Auf die wie<strong>de</strong>rholte Frage Nahemas hin, beginnt <strong>de</strong>r<br />
Thorwaler zu erzählen. Und da Nahema Ingalf gefragt<br />
hat, erzählt Ingalf und das macht er so, wie es ein<br />
Thorwaler macht: Ausführlich, ausgeschmückt und<br />
sehr, sehr blumig und wortreich. Bei dieser Erzählung<br />
kommen nicht nur die normalen Erlebnisse in <strong>de</strong>n<br />
Vortrag, son<strong>de</strong>rn auch die Erlebnisse mit Tili-Tiki und<br />
<strong>de</strong>m Elch.<br />
So ist es auch nicht verwun<strong>de</strong>rlich, dass es mehrere<br />
Stun<strong>de</strong>n dauert bis Ingalf sagt: "Und dann sind wir<br />
hier angekommen, das wohl!"<br />
Nahema lacht mehrfach zwischendurch auf. Ihr bereitet<br />
die Erzählung offensichtlich Vergnügen. Beson<strong>de</strong>rs<br />
aufmerksam hört sie <strong>de</strong>r Geschichte von Junivera,<br />
<strong>de</strong>m Purpurturm und <strong>de</strong>n Plänen zu, die sich alle um<br />
<strong>de</strong>n Orkenhort drehen.<br />
Für Edric vergehen Ewigkeiten. Er spürt seinen Körper<br />
nicht mehr, kann keines seiner Glie<strong>de</strong>r mehr bewegen,<br />
kann we<strong>de</strong>r hören noch riechen. Er hat jegliches<br />
Gefühl für seinen Körper verloren. Seltsamerweise<br />
kann er noch sehen und <strong>de</strong>nken … So ist er froh,<br />
zu sehen, dass die Kutsche vor ihnen auf <strong>de</strong>m Damm<br />
anhält. Später verän<strong>de</strong>rt sich sein Blickfeld, offensichtlich<br />
wird er bewegt, selbst ist er nicht in <strong>de</strong>r Lage,<br />
auch nur einen Muskel anzuspannen.<br />
Am Ran<strong>de</strong> seines Blickfel<strong>de</strong>s sieht er seine Gefährten,<br />
offensichtlich stehen alle im Halbkreis um <strong>de</strong>n frem<strong>de</strong>n<br />
Kutscher herum, welcher ab und zu lacht.<br />
Dann spürt er eine Verän<strong>de</strong>rung. So schnell wie er erstarrte<br />
kehrt das Bewusstsein seines Körpers zurück.<br />
Geräusche dringen wie<strong>de</strong>r an sein Ohr, klingen<br />
fremdartig nach <strong>de</strong>r langen Zeit <strong>de</strong>r absoluten Stille.<br />
"So, das ist ja eine schönen Geschichte. Und ihr seid<br />
auch fast schon am En<strong>de</strong> eurer Reise angekommen.<br />
Jetzt geht es nur noch nach Ohort und dann sicher auf<br />
die Suche nach <strong>de</strong>m Orkenhort. Fällt euch was auf?"<br />
Den letzten Satz konnten auch die Versteinerten hören,<br />
<strong>de</strong>n die Versteinerung löst sich auf.<br />
Verwirrt blickt er sich um, senkt langsam seine Hän<strong>de</strong><br />
und betastet seine Gliedmaßen. "Was ist passiert?"<br />
fragt er, als er <strong>de</strong>n Karren und die Waren <strong>de</strong>s Händlers<br />
im Schlamm sieht. "Was war das? Von welcher Geschichte<br />
sprecht ihr?" fragt er.<br />
"Dein thorwalscher Freund hat mir eure Geschichte<br />
erzählt, nach<strong>de</strong>m er Platz auf <strong>de</strong>m Damm gemacht<br />
401<br />
hat. Und Du hast vorher mit einem Versteinerungszauber<br />
Bekanntschaft gemacht", erklärt die Magierin.<br />
"Oh -" mehr kann Edric dazu nicht sagen. 'Warum hat<br />
Ingalf das wohl getan?' fragt er sich. 'Ob sie ihn mit einem<br />
Bann belegt hat?'<br />
Er schaut kurz Ingalf fragend an, bevor er sich wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Magierin zuwen<strong>de</strong>t. Irgen<strong>de</strong>twas sollte ihnen auffallen,<br />
erinnert er sich. Doch was? Doch bevor er Fragen<br />
kann, stellt Ingalf seine Fragen. Edric hat das vage<br />
Gefühl, Ingalf wür<strong>de</strong> die Magierin kennen.<br />
Mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Versteinerung entkrampfen sich Isinhas<br />
Finger und sein bislang erhobener Stab fällt zu<br />
Bo<strong>de</strong>n. Er schließt für einen kurzen Moment die Augen,<br />
als er versucht, das Gleichgewicht zu behalten<br />
und nicht vornüber zu fallen. Schließlich ist er von<br />
Melachath und Hesan<strong>de</strong>r an eine an<strong>de</strong>re Position getragen<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
Das in Arme und Beine zurückkehren<strong>de</strong> Gefühl wird<br />
stärker und <strong>de</strong>r langsam in Schwung kommen<strong>de</strong><br />
Kreislauf schickt Wellen eines Kribbelns, wie ein Haufen<br />
krabbeln<strong>de</strong>r Ameisen, durch seinen Körper. Nur<br />
mit größter Selbstbeherrschung gelingt es ihm, nicht<br />
aufgrund <strong>de</strong>ssen einfach zusammenzubrechen.<br />
Rovena verspürt die Rückkehr ihrer Beweglichkeit am<br />
Kribbeln in ihrem Körper, und die beängstigen<strong>de</strong> Stille<br />
weicht <strong>de</strong>m Klang <strong>de</strong>r Stimmen <strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n Frau<br />
und ihrer Gefährten. Haltsuchend hält sie sich kurz<br />
an Melachath fest, um sich dann, ihre Gleichgewicht<br />
wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>nd, auf ihren Stab zu stützen. Mit zusammen<br />
gepressten Lippen mustert sie diese <strong>de</strong>r Zauberkräfte<br />
mächtigen Frau. Was meint sie? Woher weiß sie<br />
von <strong>de</strong>m Orkenhort? Was hat sie mit ihnen angestellt?<br />
Diese Fragen, die ihr durch <strong>de</strong>n Kopf gehen, hat schon<br />
Edric gestellt und eine Antwort erhalten. Nun schaut<br />
sie <strong>de</strong>r Frau starr in die Augen und stellt die Frage, auf<br />
die sie noch keine Antwort hat: "Wer seid Ihr? Und<br />
warum wolltet Ihr uns in <strong>de</strong>n Sumpf zwingen?" Während<br />
sie fragt, setzt sie ihren Hexenblick ein.<br />
"Nahema, sagte ich doch schon. Ach ja, Versteinerte<br />
können ja nicht hören." Die Magierin, <strong>de</strong>nn eine Hexe<br />
ist sie nicht, bleibt freundlich.<br />
Rovena verzieht kaum merklich <strong>de</strong>n Mund, als sie<br />
feststellt, was an <strong>de</strong>m Gere<strong>de</strong> über Nahema, <strong>de</strong>m<br />
grauen Räblein, dran ist. Nun weiß sie also, dass diese<br />
legendäre Zauberin tatsächlich keine Hexe ist, was<br />
man ihr wegen vielerlei Anzeichen mancherorts nachsagt.<br />
Zu weiteren Fragen kommt sie nicht, <strong>de</strong>nn sogleich<br />
nehmen ihre Gefährten die Auffor<strong>de</strong>rung an,<br />
die Magierin mit weiteren Fragen zu bombardieren.<br />
Aufmerksam hört sie sich die Hinweise an, die Nahema<br />
zum Orkenhort von sich.<br />
'Offenbar hat Ingalf eine seiner berühmten Geschichten<br />
erzählt.' geht es <strong>de</strong>m Magier durch <strong>de</strong>n Kopf, während<br />
er seinen Stab wie<strong>de</strong>r aufhebt, sich schwer darauf
stützt und Nahema betrachtet. "Das war gar nicht nett<br />
und überaus unnötig." presst er zwischen <strong>de</strong>n Zähnen<br />
hervor. "Und ja, es fällt mir etwas auf: Wir haben gewonnen,<br />
da Ihr angehalten habt!"<br />
"Wirklich. Halbe Kin<strong>de</strong>r." meint Nahema nur lächelnd.<br />
"Aber er hat Recht, Du hast angehalten, das wohl!"<br />
fügt auch Ingalf hinzu.<br />
"Eben", ist alles, was Nahema dazu sagt.<br />
"Und Theires Zeels Eselkarren war im Weg. Habt ihr<br />
sonst noch Fragen?"<br />
"Jau, das wohl!" meint Ingalf. "Wieso meinst Du, dass<br />
unser Ziel nicht mehr weit ist? Und woher kennst Du<br />
<strong>de</strong>n Orkenhort? Weißt Du was, was uns helfen kann?<br />
Und was ist mit Ohort? Kennst Du die Holberker?<br />
Kannst Du uns helfen? Und was machst Du eigentlich<br />
hier?"<br />
"So ist es brav, mein Thorwaler! Wer fragt, kriegt vielleicht<br />
Antwort, nicht auf je<strong>de</strong> Frage, aber auf die eine<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re." Nahema macht <strong>de</strong>utet eine Handbewegung<br />
an, als ob sie Ingalf über <strong>de</strong>n Kopf streichen will,<br />
lässt es aber.<br />
"Ja, ich habe auch noch eine Frage." antwortet <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Und nebenbei, Nahema, Alter ist keine eigene<br />
Leistung, son<strong>de</strong>rn höchstens das Unvermögen an<strong>de</strong>rer,<br />
ihm ein vorzeitiges En<strong>de</strong> zu setzen, und im Übrigen<br />
<strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>r Götter." merkt er an.<br />
"Nun zu meiner Frage: Weshalb interessiert Euch, was<br />
wir 'unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r' hier wollen? Nennt mich<br />
begriffsstutzig. Aber Ihr wisst trotz all Eurer Macht<br />
und grenzenlosen Weisheit nicht, was ein paar 'Kin<strong>de</strong>r'<br />
so treiben?" Bei <strong>de</strong>n letzten Worten mischt sich<br />
ein leicht verächtlicher Ton in seine Stimme. Seine<br />
Abneigung gegen Autorität kommt wohl wie<strong>de</strong>r<br />
durch.<br />
Nahema schmunzelt nur über <strong>de</strong>n Ausbruch.<br />
"Wer sich als angeblich <strong>de</strong>rart überlegener Geist so<br />
geistlos und herablassend verhält, verdient keinen Respekt."<br />
Seine Worte wer<strong>de</strong>n weicher: "Ich übe Nachsicht<br />
mit Euch, <strong>de</strong>nn wenn Ihr trotz Eures angeblich<br />
so hohen Alters und Weisheit, von <strong>de</strong>r ich gehört und<br />
gelesen habe, noch immer so 'kindisch' reagiert, ist es<br />
vermutlich gar nicht Eure Schuld. Euch ist einfach<br />
nicht mehr von <strong>de</strong>n Göttern gewährt wor<strong>de</strong>n und<br />
Eure Grenzen sind erreicht. Ich wer<strong>de</strong> für Euch beten<br />
lassen." meint er mit einem Seitenblick zu Hesan<strong>de</strong>r.<br />
'Für Euch wird reichen, was er macht.'<br />
"So junge 'Kin<strong>de</strong>r' wie wir haben wenigstens Potential,<br />
etwas aus uns zu machen. Ihr habt augenscheinlich<br />
Euren Zenit überschritten. Zu scha<strong>de</strong>." Isinha setzt<br />
ein Lächeln auf und sich selbst auf <strong>de</strong>n umgestürzten<br />
Wagen <strong>de</strong>s Händlers.<br />
402<br />
Der Händler sitzt immer noch am Straßenrand. "Oh<br />
Junge!" meint er leise.<br />
Nahema schaut Isinha mit <strong>de</strong>m mil<strong>de</strong>n Lächeln nach,<br />
dass er eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re schon einmal auf <strong>de</strong>m Gesicht<br />
<strong>de</strong>r lieben Oma gesehen hat, wenn das Enkelkind<br />
eine Trotzphase hat.<br />
"Ach, die arme Junivera, aber sie hat sich …" Nahema<br />
bricht ab.<br />
"Was hat Junivera sich?" Die Hexe horcht auf.<br />
"Warum unterbrecht Ihr Eure Re<strong>de</strong>?" fragt Rovena<br />
höflich nach, <strong>de</strong>nn Junivera kam ihr doch sehr rätselhaft<br />
vor, zumal diese Frau nicht viel Aufschlussreiches<br />
von sich erzählt hat. Und wenn Nahema mehr über<br />
sie zu erzählen weiß …<br />
"Junivera hat ihr eigenes Päckchen zu tragen. Belassen<br />
wir es dabei." Nahema scheint über Junivera nicht<br />
mehr erzählen zu wollen.<br />
"Woher kommt Ihr, Ihr seht aus, wie eine Blume <strong>de</strong>s<br />
Sü<strong>de</strong>ns?" Fragend schaut <strong>de</strong>r Aranier in die tulamidisch<br />
wirken<strong>de</strong>n Züge <strong>de</strong>r Magierin.<br />
Auf diese Frage antwortet Nahema mit einem Hochziehen<br />
<strong>de</strong>r linken Augenbraue. Dann lächelt sie.<br />
"Ohort, die Holberker und <strong>de</strong>r Orkenhort sind das<br />
einzig Interessante zwischen unserem Standort hier<br />
und Enqui. Und <strong>de</strong>r Orkenhort existiert in <strong>de</strong>r Nähe<br />
von Ohort. Früher hieß die Stadt Freiheit, lang, lang<br />
ist's her. Ihr müsst euch entschei<strong>de</strong>n, ob ihr <strong>de</strong>n<br />
Schatz suchen wollt."<br />
"Wenn die drei Sachen das einzig Interessante sind,<br />
dann gibt es doch mehr darüber zu wissen, das wohl!"<br />
meint Ingalf. "Und da wir die Karte für <strong>de</strong>n Schatz<br />
haben, wer<strong>de</strong>n wir ihn - für die Hetfrau und Thorwal<br />
-" '… und vielleicht auch ein bisschen für uns …' "-<br />
auch suchen, das wohl!"<br />
"Das ist ein Wort! Dann habe ich ein paar Hinweise<br />
für euch." Nahema zählt auf: "Erstens: Der Schatz ist<br />
nicht in <strong>de</strong>r Stadt selbst versteckt, aber es könnte sich<br />
für euch als sehr nützlich erweisen, die Stadt aufzusuchen.<br />
Zweitens: Der schlauste, ehrgeizigste und gewissenloseste<br />
Bewohner Ohorts kann euch <strong>de</strong>n Weg<br />
zum Schatzversteck weisen. Drittens: Selbstverständlich<br />
setzt je<strong>de</strong>r sein Leben aufs Spiel, <strong>de</strong>r in das<br />
Schatzversteck eindringt."<br />
"Das ist nichts Neues." meint Isinha gelangweilt. "Das<br />
tun wir, seit wir zu dieser Reise aufgebrochen sind, nahezu<br />
je<strong>de</strong>n Tag. Erzählt uns etwas Neues, wenn Ihr<br />
uns wirklich helfen wollt. Zum Beispiel, welcher Art<br />
die Gefahr für unser Leben sein wird, wie wir sie umgehen<br />
o<strong>de</strong>r vermei<strong>de</strong>n. Aber kommt jetzt nicht mit <strong>de</strong>r<br />
nahe liegen<strong>de</strong>n Antwort: 'Geht nicht und sucht nicht<br />
<strong>de</strong>n Schatz.'!"<br />
Nahema schaut Isinha nur schmunzelnd an, wie er da<br />
in seiner Schmollecke vor sich hin grummelt.
"Genau!" stimmt ihm Ingalf zu. "Wir wollen schließlich<br />
heil wie<strong>de</strong>r nach Hause kommen. Aber noch was<br />
zur zweiten Frage: Du wohnst nicht in Ohort?"<br />
"Nein", entgegnet Nahema. "Ich schaue nur ab und<br />
zu vorbei."<br />
'Dabei hätte die Beschreibung doch schon passen können,<br />
das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut Nahema an und fragt: "Ich danke<br />
Euch für die Hinweise. Möge Hesin<strong>de</strong> uns die Weisheit<br />
geben, diese rechtzeitig zu erkennen und zu han<strong>de</strong>ln."<br />
Er zögert. "Doch sagt, Magistra, nach<strong>de</strong>m Ihr uns eine<br />
Demonstration Eurer Macht gegeben habt, wieso<br />
bergt Ihr dann nicht selbst die Schätze <strong>de</strong>s sagenhaften<br />
Orkenhorts?"<br />
"Weil es gefährlich ist. Das habt Ihr doch gera<strong>de</strong> gehört.<br />
Wahrscheinlich wird auch sie uns gleich sagen,<br />
wir sollen ihr eine 'Kleinigkeit' mitbringen, wenn wir<br />
ohnehin <strong>de</strong>n Schatz suchen." antwortet Isinha ungefragt.<br />
Auch diese Bemerkung Isinhas wird ignoriert.<br />
"Bei Swafnir, sie wäre nicht die Erste, das wohl, das<br />
wohl!" meint Ingalf zustimmend.<br />
Nahema macht eine wegwerfen<strong>de</strong> Handbewegung.<br />
"Ach, <strong>de</strong>r Orkenhort besteht nur aus gewaltigen<br />
Reichtümern und ein paar unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n magischen<br />
Gegenstän<strong>de</strong>n. Unter diesen Dingen ist nichts, was<br />
was mich so sehr interessiert, dass ich dafür mein Leben<br />
riskieren wür<strong>de</strong>."<br />
"Nein, Eures nicht. Aber unseres!?" erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier<br />
schnippisch. Den anfänglichen Respekt gegenüber<br />
<strong>de</strong>r legendären Magistra hat er beiseite geschoben<br />
und befleißigt sich nur noch <strong>de</strong>r allgemeinen Höflichkeit.<br />
Nahema lacht auf. "Es ist allein eure Entscheidung."<br />
"Ich beanspruche keine weltlichen Werte außer <strong>de</strong>m<br />
hesin<strong>de</strong>gefälligen Wissen, was dort vielleicht zu bergen<br />
ist."<br />
Dann schaut er in Richtung Elgar und Ingalf: "Wollen<br />
wir doch einmal sehen, ob Euer sogenannter Hel<strong>de</strong>nmut<br />
gegenüber einer mächtigen Zauberin auch für<br />
<strong>de</strong>n legendären Orkenhort reicht." In Hesan<strong>de</strong>rs Augen<br />
ist ein gewisses Leuchten, ein gewisses Feuer zu<br />
erkennen und er schaut die bei<strong>de</strong>n 'Großmäuler' herausfor<strong>de</strong>rnd<br />
an.<br />
"Sehen wir mal, das wohl!" meint Ingalf. "Am besten<br />
um Deinen Anteil weltlicher Werte! Bei Swafnir, das<br />
wäre doch ein Spaß!"<br />
"Nun, eigentlich hat er gar keinen Anteil an <strong>de</strong>n 'weltlichen<br />
Werten', wenn es ihn nicht danach verlangt."<br />
stellt Isinha richtig. "Den kann er also gar nicht einsetzen."<br />
mit hoch gezogenen Augenbrauen sieht er Ingalf<br />
an.<br />
403<br />
"Ach, Papperlapapp!" antwortet Ingalf. "Wenn wir <strong>de</strong>n<br />
Schatz haben, machen wir sechs gleiche Haufen und<br />
ich krieg dann zwei, das wohl!"<br />
"Darüber sprechen wir später." meint <strong>de</strong>r Magier diplomatisch.<br />
"Warum?" fragt Ingalf. "Wir haben doch Zeit …"<br />
Hesan<strong>de</strong>r kann ein leichtes triumphieren<strong>de</strong>s Grinsen<br />
nicht verbergen und hebt leicht eine Augenbraue,<br />
während er dabei die Magierin bestätigend anschaut.<br />
Dann wen<strong>de</strong>t er sich wie<strong>de</strong>r Ingalf und Elgar zu:<br />
"Nicht, dass ich am En<strong>de</strong> zu meinem 'nicht beanspruchten<br />
Anteil' dann noch die bei<strong>de</strong>n von Euch<br />
dazu bekomme …"<br />
"Nur über meine Leiche, das wohl!" unkt Ingalf.<br />
"Ja, genau das dürfte das Problem sein." meint Isinha<br />
nach<strong>de</strong>nklich, geht aber nicht weiter auf Hesan<strong>de</strong>r<br />
und diese Anteil-Frage ein. Für sich selbst hat er noch<br />
gar nicht entschie<strong>de</strong>n, ob er überhaupt sein Leben für<br />
läppischen Tand in Gefahr bringen will. Für die "magischen<br />
Kleinigkeiten" hingegen - das ist eine ganz<br />
an<strong>de</strong>re Frage.<br />
"Och", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r mit trockenem Humor, "das<br />
dürfte nicht das Problem sein. Diese Arbeit könnten<br />
uns die dortigen Orks, o<strong>de</strong>r gar die Untoten und sonstigen<br />
Schatzräuber abnehmen. Wir müssen sie dann<br />
nur noch davon überzeugen, nichts von <strong>de</strong>n Schätzen<br />
mitzunehmen und uns in Ruhe zu lassen. Aber …",<br />
mit einem <strong>de</strong>utlichen Blick zu Elgar, "Ihr macht das<br />
schon. Denn wer <strong>de</strong>r großen Nahema rhetorisch Paroli<br />
bieten kann … <strong>de</strong>r lässt sich doch davon nicht aufhalten."<br />
"Ich muss euch nun verlassen", sagt Nahema unvermittelt.<br />
"Wenn ihr also bitte Platz machen wür<strong>de</strong>t."<br />
"Und wie möchte die Blume <strong>de</strong>s Sü<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>n armen<br />
Händler, <strong>de</strong>r Ihr nun wirklich gar nichts getan hat, für<br />
seinen Verlust entschädigen?"<br />
"Was für einen Verlust?" Nahema ist für einen Moment<br />
verblüfft. Sie zeigt zu Theires Zeel, <strong>de</strong>r immer<br />
noch am Wegesrand sitzt. Der Esel und Wagen sind<br />
ungefähr zwei Spann in <strong>de</strong>n Sumpf eingesunken.<br />
"Schönheit Fasarer Nächte, Gewinnerin je<strong>de</strong>s Rahja<br />
gefälligen Wettbewerbs, meint Ihr nicht, dass es nur<br />
eines Fingerschnippens Eurerseits nötig wäre, um <strong>de</strong>n<br />
Karren hinter <strong>de</strong>n Euren wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Pfad zu stellen?"<br />
Das Lächeln <strong>de</strong>s Araniers wirkt echt.<br />
Nahema nickt lächelnd.<br />
"Hey, das war alles?" fragt Ingalf empört. "Wir erzählen<br />
Dir unsere Geschichte und dann nicht ein paar<br />
mehr Tipps o<strong>de</strong>r Hilfe?"<br />
"Ihr habt Tipps von mir bekommen. Wenn ihr nicht<br />
zuhören könnt, ist das euer Problem." Nahema hat<br />
wie<strong>de</strong>r ihr Schmunzeln aufgesetzt.
"Und Hilfe?" Sie überlegt einen Moment. "Nun gut,<br />
ihr habt Potential. Kommt mal alle bis auf Armeslänge<br />
zu mir!"<br />
Ingalf tritt an seine Freundin heran.<br />
Da Ingalf und die Frem<strong>de</strong> sich zu kennen scheinen,<br />
folgt Edric <strong>de</strong>ssen Beispiel und tritt an die Magierin<br />
heran.<br />
Unsicher schaut Rovena zu ihren Gefährten. Sie traut<br />
dieser Magierin nicht so recht, daher zögert sie noch,<br />
ihrer Auffor<strong>de</strong>rung sofort nachzukommen. Die Ängste,<br />
die sie durch die Versteinerung ausgestan<strong>de</strong>n hat,<br />
sind zu frisch und ihr Misstrauen zu groß.<br />
Isinha erhebt sich von seinem Platz, tritt von hinten<br />
an Rovena heran und legt ihr sanft einen Arm um die<br />
Schulter. "Was haben wir zu verlieren?" fragt er leise<br />
und fährt sogleich fort: "Nichts. Wenn sie uns ernsthaft<br />
hätte etwas antun wollen, wer hätte sie hin<strong>de</strong>rn<br />
können? - Wir je<strong>de</strong>nfalls nicht. Lass uns sehen, wie sie<br />
uns helfen will." Mit sanftem Druck schiebt <strong>de</strong>r Magier<br />
Rovena bis auf die gefor<strong>de</strong>rte Weite an Nahema<br />
heran und stellt sich dann neben sie.<br />
"Du hast gut re<strong>de</strong>n …", antwortet Rovena leise, lässt<br />
es aber <strong>de</strong>nnoch, wenn auch leicht wi<strong>de</strong>rstrebend, zu,<br />
dass Elgar sie umfasst und nach vorne schiebt. Den<br />
Beutel mit ihrer kleinen Eule schiebt sie vorsichtshalber<br />
in <strong>de</strong>n Schutz ihres Körpers hinter <strong>de</strong>n Rücken.<br />
Hesan<strong>de</strong>r tritt an die Magierin heran. Er ist sich sicher,<br />
dass sie einem Diener <strong>de</strong>r Hesin<strong>de</strong> nichts Böses<br />
antun wird.<br />
Melachath tritt auf Schrittlänge auf sie zu, hebt stolz<br />
<strong>de</strong>n Kopf und nickt Ihr zu: "Tut, was Ihr glaubt tun zu<br />
müssen!"<br />
"So, jetzt fassen wir uns an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, so dass wir<br />
einen Kreis bil<strong>de</strong>n", gibt Nahema Anweisung.<br />
Nach<strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Kreis gebil<strong>de</strong>t hat, schließt Nahema<br />
die Augen und spricht laut und <strong>de</strong>utlich: "Salan<strong>de</strong>r<br />
Mutan<strong>de</strong>rer, sei ein an<strong>de</strong>rer!"<br />
Etwas verwirrt schaut Ingalf erst Nahema und dann<br />
die Gefährten an.<br />
'Offenbar eine Verwandlungsmagie, die auf uns alle<br />
gleichermaßen wirken soll.' überlegt Isinha und<br />
schaut sich seine Gefährten an, ob die Verän<strong>de</strong>rung<br />
schon erkennbar ist.<br />
Keiner <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>n sieht bei einem an<strong>de</strong>ren eine sichtbare<br />
Verän<strong>de</strong>rung, aber je<strong>de</strong>r fühlt sich gut, saugut sogar,<br />
so gesund und lebendig wie noch nie.<br />
"Ihr solltet merken, dass ihr euch noch nie in eurem<br />
Leben so gut gefühlt habt. So lebt <strong>de</strong>n wohl!" Die Magierin<br />
steigt wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Kutschbock.<br />
Rovena atmet hörbar auf. Als sie <strong>de</strong>n ihr unbekannten<br />
Zauberspruch vernommen hat, ist ihr erneut <strong>de</strong>r<br />
Schrecken durch die Glie<strong>de</strong>r gefahren und mit geschlossenen<br />
Augen hat sie Schicksalsergeben ausge-<br />
404<br />
harrt, was da kommen mag. Um so erleichterter<br />
schaut sie die mächtige Zauberin nun an und neigt<br />
mit einem Lächeln dankend <strong>de</strong>n Kopf. Ja, sie fühlt<br />
sich sehr gut. "Lebt wohl, Frau Nahema, und vielen<br />
Dank für Eure Hilfe", ruft sie <strong>de</strong>r Magierin zu.<br />
Als Nahema wie<strong>de</strong>r seltsame Worte spricht, befürchtet<br />
Edric schon Schlimmes. Doch, was er fühlt ist nahezu<br />
das Gegenteil <strong>de</strong>ssen, was er bei<strong>de</strong>r Versteinerung gefühlt<br />
hat: Er fühlt sich gut, kräftiger und belebter als<br />
jemals zuvor. Sicher wür<strong>de</strong> er jetzt sogar Ingalf im<br />
Armdrücken besiegen!<br />
Ingalf winkt Nahema hinterher: "Is' echt Klasse, die<br />
Nahema, das wohl!"<br />
Dann überlegt er: 'Wo kenne ich die nur her, verdammt,<br />
das muss ja echt lange her sein …'<br />
Und dann durchfährt es ihn urplötzlich: Er kennt sie<br />
gar nicht.<br />
Sie gibt ihren Pfer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Peitsche ein Zeichen<br />
und schon ziehen sie an. Um nicht unter die Hufe zu<br />
kommen, müssen die Hel<strong>de</strong>n beiseite springen - in<br />
<strong>de</strong>n Sumpf.<br />
Behän<strong>de</strong> springt Hesan<strong>de</strong>r beiseite, so dass die Magierin<br />
mit ihrem Gespann weiterfahren kann.<br />
Mit einem teils erschrockenen, teils entrüsteten Ausruf<br />
springt die Hexe zur Seite in <strong>de</strong>n Sumpf, als die Troika<br />
auf sie zu kommt. Glücklich lan<strong>de</strong>t sie ohne zu<br />
straucheln auf <strong>de</strong>m morastigen Untergrund und sinkt<br />
bis zu <strong>de</strong>n Knien ein. Zornig blickt sie <strong>de</strong>r Zauberin<br />
nach und versucht, ihre Füße samt <strong>de</strong>r Stiefel wie<strong>de</strong>r<br />
aus <strong>de</strong>m Morast zu ziehen. Ihre Kleidung ziert nun<br />
ein schmutziger Saum.<br />
Überrascht muss Edric <strong>de</strong>r Kutsche und <strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n<br />
ausweichen: So springt er vom Damm in <strong>de</strong>n Sumpf,<br />
wo er sofort bis zu <strong>de</strong>n Knien versinkt. Fast hätte er<br />
bei <strong>de</strong>m Sprung noch das Gleichgewicht verloren …<br />
Reflexartig springt Isinha zur Seite und lan<strong>de</strong>t mit bei<strong>de</strong>n<br />
Beinen sicher neben Rovena. Doch während er<br />
links sehr schnell auf einigermaßen festen Bo<strong>de</strong>n<br />
trifft, sackt sein rechter Fuß komplett durch und er<br />
versinkt bis zur Hüfte im schlammigen Wasser <strong>de</strong>s<br />
Sumpfes. Da er seinen Stab noch in <strong>de</strong>r linken Hand<br />
hält kann, er sich auch nicht abstützen und verliert<br />
das Gleichgewicht. Mit ru<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Armen sieht es für<br />
einen halben Herzschlag so aus, als könne er sich<br />
doch noch abfangen … aber dann greift die Schwerkraft<br />
unerbittlich zu und kurz darauf schlagen die<br />
Fluten über <strong>de</strong>m Magier zusammen. Doch dann fin<strong>de</strong>t<br />
er Halt und prustend durchbricht er kurz darauf<br />
die Oberfläche und zieht sich auf <strong>de</strong>n Damm.<br />
"Bei <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rhöllen!" entfährt es ihm, als er wie<strong>de</strong>r<br />
sicheren und trockenen Bo<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Füßen hat.<br />
Ingalf schafft <strong>de</strong>n Sprung in <strong>de</strong>n Sumpf ohne Probleme<br />
und lan<strong>de</strong>t auf einem recht sicheren Pflanzenpolster.<br />
Kawi, <strong>de</strong>r seinem Herrchen gefolgt ist, hat lei<strong>de</strong>r
nicht so viel Glück. Mit einem weiten Satz springt <strong>de</strong>r<br />
Welpe mitten in eine trügerische Wasserlache und<br />
taucht nach kurzer Zeit schnaubend und prustend<br />
wie<strong>de</strong>r auf. Aber er schafft es mit Ingalfs Hilfe sich<br />
wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Damm zu retten, wo er sich dann erstmal<br />
kräftig <strong>de</strong>n feuchten Matsch aus <strong>de</strong>m Fell schüttelt.<br />
Und so sieht Ingalf dann fast genauso aus wie Isinha.<br />
Während Edric wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Damm erklimmt, möglichst<br />
ohne einen Stiefel zu verlieren, fragt er Ingalf:<br />
"Sag mal, kanntest Du die Frau?"<br />
"Ich war mir die ganze Zeit über sicher, dass ich sie irgendwo<br />
schon mal gesehen habe, das wohl!" meint er<br />
während er <strong>de</strong>n Dreck von seinen Sachen klopft.<br />
"Aber ich muss mich wohl getäuscht haben. So behan<strong>de</strong>lt<br />
man doch keine Freun<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Ihr Thorwaler habt doch rauhe Sitten. Da hätte es<br />
mich nicht gewun<strong>de</strong>rt." meint Edric.<br />
"Wenn Du meinst …", meint Ingalf schulterzuckend,<br />
schaut dann erst sich und dann <strong>de</strong>n Magier an und<br />
fängt breit an zu grinsen.<br />
Nach<strong>de</strong>m dieser seinen ersten Schrecken überwun<strong>de</strong>n<br />
hat, sieht er an sich herab: Alles ist schmutzig, mit<br />
Schlamm - <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Sonne schnell trocknet, aber<br />
hässliche Flecken hinterlassen wird - besu<strong>de</strong>lt und<br />
nicht beson<strong>de</strong>rs wohlriechend. Rasch entledigt er sich<br />
seiner Kleidung - ohne auf Rovena und die an<strong>de</strong>ren<br />
Rücksicht zu nehmen - und reibt sich mit <strong>de</strong>m zwar<br />
nassen, aber nicht ganz so dreckigen Hemd trocken<br />
und einigermaßen sauber.<br />
Anschließend breitet er seine gesamte Kleidung vor<br />
sich aus, befeuchtet seine Hän<strong>de</strong> leicht mit Speichel<br />
und fährt langsam über seine Sachen. Dabei spricht<br />
er: "Ohne Seife, Bürste, Bad. Reinigung durch Zaubertat."<br />
Nach kurzer Zeit erhebt er sich wie<strong>de</strong>r und<br />
zieht die nun blitzsauberen Sachen wie<strong>de</strong>r an.<br />
"Nicht schlecht, das wohl!" meint Ingalf anerkennend<br />
und klopft grinsend weiter <strong>de</strong>n Schlamm ab.<br />
"So, ich bin wie<strong>de</strong>r zum Abmarsch bereit. Wie sieht es<br />
mit euch aus?" fragt er in die Run<strong>de</strong> und grinst anschließend<br />
Ingalf breit an.<br />
Hesan<strong>de</strong>r verfolgt das Spektakel ungerührt. Er lässt<br />
<strong>de</strong>n Schlamm trocknen und bürstet ihn dann aus. Das<br />
Gröbste klopft er wortlos ab und hofft, in Ohort seine<br />
Kleidung reinigen zu können.<br />
Auch Rovena hat es samt ihrer Stiefel zurück auf <strong>de</strong>n<br />
Damm geschafft und beobachtet Elgar erstaunt in seinem<br />
Tun. Erst die Robe, nun die Reinigung … "Du<br />
kennst erstaunliche Zauber", ´stellt sie anerkennend<br />
fest, und mit einem Wink in Richtung <strong>de</strong>s Händlers<br />
und seines im Sumpf stecken<strong>de</strong>n Karrens meint sie<br />
noch: "Kennst du auch noch einen, mit <strong>de</strong>m du diesem<br />
armen Mann helfen kannst?"<br />
405<br />
"Wenn nich', dann müssen wir halt alle anfassen, das<br />
wohl!" meint Ingalf lakonisch.<br />
"Helfen? Wobei? Den Karren aus <strong>de</strong>m Dreck ziehen<br />
kann man mit vielen verschie<strong>de</strong>nen Zaubern, je nach<br />
Situation. In diesem Fall hilft wohl eher Muskel- als<br />
Astralkraft." antwortet <strong>de</strong>r Magier.<br />
Rovena schaut <strong>de</strong>n Magier mit einem vielsagen<strong>de</strong>n<br />
Blick an. "Na dann, fass' mit an", meint sie leicht sarkastisch<br />
und begibt sich wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Morast, um Edric<br />
beim einsammeln <strong>de</strong>r verstreuten Waren zu helfen.<br />
Das Reinigen ihres Rockes und <strong>de</strong>s Umhangs spart sie<br />
sich.<br />
"Äh, nein. Ich weise euch ein, damit ihr <strong>de</strong>n Damm<br />
nicht verfehlt." Isinha bleibt auf <strong>de</strong>m Damm stehen<br />
und ergreift, sobald es trockenen Bo<strong>de</strong>n erreicht hat,<br />
die Zügel <strong>de</strong>s Esels und führt diesen ein Stück weiter.<br />
Und so geschieht es dann auch. Es bereitet weniger<br />
Mühe als erwartet, <strong>de</strong>n Karren samt Esel wie<strong>de</strong>r auf<br />
<strong>de</strong>n Damm zu schaffen.<br />
Edric ist froh, als Karren und Maultier wie<strong>de</strong>r sicher<br />
auf <strong>de</strong>m Damm stehen. Jetzt müssen nur noch die<br />
verstreuten Waren wie<strong>de</strong>r eingesammelt wer<strong>de</strong>n. Er<br />
macht sich auch gleich daran, da Stiefel und Hose ohnehin<br />
schon mit Schlamm besu<strong>de</strong>lt sind.<br />
Ingalf hat tatkräftig mitgeholfen und ist jetzt zum<br />
zweiten Mal dabei sich <strong>de</strong>n Dreck abzuklopfen.<br />
Nach<strong>de</strong>m auch die Waren wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Wagen<br />
sind, fragt er <strong>de</strong>n Händler: "Gibt es in Ohort einen<br />
Brunnen, an <strong>de</strong>m wir die Kleidung auswaschen können?<br />
O<strong>de</strong>r eine Wasserstelle?" Während<strong>de</strong>ssen wischt<br />
er <strong>de</strong>n Schlamm von seinen teuren und inzwischen<br />
nicht mehr ganz so neuen Stiefeln.<br />
"Ja, natürlich", erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Theires Zeel, "aber heute<br />
schaffen wir es nicht mehr bis Ohort. Schaut mal es ist<br />
noch höchstens eine Stun<strong>de</strong> bis Sonnenuntergang."<br />
"Schaffen wir es wenigstens aus <strong>de</strong>m Sumpf heraus, so<br />
dass wir etwas abseits lagern können? Ich möchte ungern<br />
<strong>de</strong>s Nächtens eine ähnliche Begegnung haben."<br />
fragt Isinha <strong>de</strong>n Händler.<br />
"Ja, das ist zu schaffen." Theires Zeel kratzt sich am<br />
Kinn. "Direkt am Nordrand <strong>de</strong>s Sumpfes, wo das Gelän<strong>de</strong><br />
wie<strong>de</strong>r ansteigt, gibt es einen netten Platz an einem<br />
kleinen Bachlauf."<br />
"Den nehmen wir, also los! Wir begleiten Euch bis dahin<br />
und übernachten dort gemeinsam." schlägt Isinha<br />
<strong>de</strong>m Händler vor.<br />
"Ihr habt dann aber sicher einen Eimer o<strong>de</strong>r eine<br />
Schüssel und etwas Wasser, damit wir unsere Kleidung<br />
reinigen können, for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r junge Hirte.<br />
"Und vielleicht ein paar Decken o<strong>de</strong>r Schlafsäcke für<br />
die Nacht?" fügt Ingalf hinzu.
"Wasser gibt's am Bach, und dann braucht ihr auch<br />
keine Schüsseln o<strong>de</strong>r Eimer." Der Händler lächelt listig.<br />
"Decken könnt ihr gern bei mir kaufen."<br />
"Ja, für einen obligatorischen Kreuzer kaufen wir."<br />
nickt <strong>de</strong>r Magier. Das Lächeln <strong>de</strong>s Händlers erwi<strong>de</strong>rt<br />
er nicht, son<strong>de</strong>rn sieht ihn mit seinen roten Augen<br />
starr an.<br />
"Wie bitte?" Theires Zeel wirft die Hän<strong>de</strong> hoch und<br />
fängt dann auf seinem Karren zu kramen an. Er zieht<br />
er eine Woll<strong>de</strong>cke mit feinem farbigen Muster hervor,<br />
so ähnlich wie sie auch Nahema hatte. "Schaut her!<br />
Für so eine nivesische Woll<strong>de</strong>cke sind doch 4 Silbertaler<br />
wirklich nicht zuviel. Und ich hätte für je<strong>de</strong>n eine."<br />
"Nein, da hast Du Recht, 4 Silber sind dafür nicht zu<br />
viel. Aber weil Du es bist, nehmen wir nur 3 Silber pro<br />
Decke und verrechnen <strong>de</strong>n Rest mit unserer Hilfe.<br />
Wir hätten dann also gern die 6 Decken und 18 Silbertaler<br />
von Dir. Wir sind ja nicht gierig." antwortet Isinha<br />
ruhig.<br />
"Ein schlechter Scherz!" erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Händler, "aber<br />
ich bin bereit, weil ihr es seid, auf <strong>de</strong>n Preis von 3 Silbertalern<br />
pro Stück herunterzugehen."<br />
"Das war kein Scherz." erwi<strong>de</strong>rt Isinha mit to<strong>de</strong>rnster<br />
Miene. "Außer<strong>de</strong>m habe ich eine Decke. Vielen<br />
Dank." Der erste Lichtblick seit <strong>de</strong>m Verlust <strong>de</strong>s nahezu<br />
unersetzbaren Eigentums, das er bei <strong>de</strong>n Grolmen<br />
zurücklassen musste - sein Buch über die Magie <strong>de</strong>s<br />
Stabs. Warum hatte er es nur auf diese Maultiere gepackt,<br />
phexverdammt! Dafür hat er <strong>de</strong>n Wasserschlauch<br />
und die Decke behalten. Nicht viel, aber in<br />
<strong>de</strong>r Wildnis gut brauchbar.<br />
"Sag, ist Dir unsere Hilfe beim Wechseln <strong>de</strong>s Ra<strong>de</strong>s,<br />
beim Herausziehen <strong>de</strong>s Karrens aus <strong>de</strong>m Sumpf, das<br />
bergen Deiner Waren und das erneuten Aufla<strong>de</strong>n dieser<br />
nicht ein paar Decken für die Nacht wert?" fragt<br />
Edric.<br />
Der Händler macht eine entschuldigen<strong>de</strong> Geste: "Tut<br />
mir leid, ich muss auch von irgend etwas leben. Und<br />
das ist nun mal <strong>de</strong>r Verkauf meiner Waren."<br />
"Ich möchte Dir nicht zu nahe treten, doch wovon<br />
hättest Du leben wollen, wäre Karren weiterhin im<br />
Sumpf? Und das schlammige Wasser ist Deinen Waren<br />
auf Dauer sicherlich nicht zuträglich. Außer<strong>de</strong>m<br />
haben Deine Decken Schlammflecken und stinken erbärmlich."<br />
kontert <strong>de</strong>r Hirte.<br />
"Das stimmt nicht!" Theires Zeel ist entrüstet. "Schau<br />
her!" Und tatsächlich sind die Decken sauber. Sie gehören<br />
nicht zu <strong>de</strong>n Dingen, die in <strong>de</strong>n Sumpf gefallen<br />
sind.<br />
'Noch nicht, mein Freund, noch nicht!' <strong>de</strong>nkt Ingalf.<br />
"Zeig' mal her", Edric klingt erstaunt und greift nach<br />
<strong>de</strong>r Decke. Er hat Schlamm an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n.<br />
406<br />
"Finger weg!" Theires Zeel schafft es tatsächlich, die<br />
Decke sauber zu halten.<br />
"Natürlich sind wir bereit einen angemessenen Obolus<br />
für die Decken zu zahlen, Effendi, sobald Ihr Eure<br />
Schul<strong>de</strong>n bei uns für die Hilfe beglichen habt."<br />
'Gute I<strong>de</strong>e. Wir könnten auch vergessen, dass wir<br />
Dich hier getroffen und nur ein herrenloses Gespann<br />
mit Gütern im Schlamm steckend gefun<strong>de</strong>n haben.'<br />
überlegt <strong>de</strong>r Magier, während er die Entwicklung betrachtet.<br />
Kalte, im Moment noch unterdrückte Wut, keimt in<br />
<strong>de</strong>m Aranier auf.<br />
"Schul<strong>de</strong>n? Man hilft sich doch gegenseitig. Und beim<br />
Essen heute Abend wer<strong>de</strong>t ihr meine Gäste sein. Aber<br />
Dinge, mit <strong>de</strong>nen ich han<strong>de</strong>le verschenken, das geht<br />
wirklich nicht." Der Händler ist fast ein wenig entrüstet.<br />
"Wir wollen Deine Decken nicht kaufen, son<strong>de</strong>rn sie<br />
uns nur für heute Nacht leihen, das wohl!" meint Ingalf<br />
etwas unwirsch.<br />
Hesan<strong>de</strong>r hat sich diese Diskussion eine Weile lang<br />
angeschaut und ergreift nun das Wort.<br />
Ingalfs Hinweis auf das Ausleihen begegnet er mit<br />
<strong>de</strong>n Worten: "Nun, das wäre neben <strong>de</strong>m Son<strong>de</strong>rpreis<br />
für die Decken sicherlich auch ein phex- und traviagefälliges<br />
Angebot. Schließlich wollen wir Dir, Händler,<br />
nichts wegnehmen."<br />
Ingalf schaut <strong>de</strong>n Geweihten skeptisch an. 'Das klappt<br />
nich'!'<br />
"Nun, werter Händler, wie halten wir es <strong>de</strong>n mit Phex<br />
und Phexens Gunst?" Er schaut ihn herausfor<strong>de</strong>rnd<br />
an. "Ihr kennt doch das Sprichwort 'Hilf Dir selbst,<br />
dann hilft Dir Phex'. Was haltet Ihr davon, wenn Ihr<br />
uns diese Decken zu einem Son<strong>de</strong>rpreis überlasst? Damit<br />
wüsche die eine Hand die an<strong>de</strong>re."<br />
Dann schaut Hesan<strong>de</strong>r zur Gruppe und meint: "Nun,<br />
wir wollen doch <strong>de</strong>n Mann nicht über <strong>de</strong>n Tisch ziehen,<br />
o<strong>de</strong>r? Das wäre gegen das Gebot Phexens und<br />
<strong>de</strong>r Travia, welches <strong>de</strong>r Händler uns gewähren möchte."<br />
Dann schaut er mit einem vielsagen<strong>de</strong>n Blick Ingalf<br />
und Melachath an.<br />
"Ingalf, Melachath, ich hoffe, Ihr kommt nicht auf die<br />
I<strong>de</strong>e, Eure Hilfe sozusagen wie<strong>de</strong>r zurückzunehmen<br />
und <strong>de</strong>n Karren wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Sumpf zu schieben.<br />
Das wäre in <strong>de</strong>r Tat nicht sehr phex- und traviagefällig."<br />
Ein Augenzwinkern verrät <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n, wie diese<br />
Aussage gemeint ist.<br />
"Natürlich nicht, ich hoffe nur für unseren edlen<br />
Spen<strong>de</strong>r und Begleiter, dass ich nicht versehentlich<br />
ausrutsche und dabei gegen <strong>de</strong>n Esel stolpere." Keine<br />
Miene verzieht <strong>de</strong>r Aranier bei diesen Worten.
"Zum Glück passieren Kriegern solche Missgeschicke<br />
nicht." Der Händler scheint fest damit zu rechnen,<br />
dass ihm von <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n keine Gefahr droht.<br />
'Aha. Unser kleiner Liebsonnenschein hat auch eine<br />
Schattenseite. Interessant.' merkt sich Isinha, <strong>de</strong>r wohl<br />
verstan<strong>de</strong>n hat, welche unterschwellige Drohung <strong>de</strong>r<br />
Geweihte soeben ausgesprochen hat. 'Aber da wäre<br />
wohl unser Edric vor.' fällt ihm ein. Der junge - und<br />
noch ein wenig naive - Hirte wür<strong>de</strong> sicher nicht zulassen,<br />
dass auch nur ansatzweise <strong>de</strong>r Esel in <strong>de</strong>n Sumpf<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n soll. Eher wür<strong>de</strong> er sich - mal wie<strong>de</strong>r -<br />
von <strong>de</strong>r Gruppe trennen wollen und <strong>de</strong>m Händler<br />
helfen. Eigentlich eine noble Geste, aber gedankt wür<strong>de</strong><br />
es ihm nicht wer<strong>de</strong>n.<br />
"Ja, das wäre nicht nett von uns, das wohl!" murmelt<br />
Ingalf. Er streichelt die Schnei<strong>de</strong> seiner Orknase und<br />
fragt <strong>de</strong>n Händler mit einem nie<strong>de</strong>rhöllischen Grinsen:<br />
"Du bist so alleine hier in <strong>de</strong>r Gegend unterwegs,<br />
hast Du eigentlich keine Angst davor ausgeraubt zu<br />
wer<strong>de</strong>n?"<br />
"Aber nein, Ingalf", korrigiert ihn Hesan<strong>de</strong>r beschwichtigend,<br />
"wir dürfen <strong>de</strong>n Händler nicht ausrauben.<br />
Das wäre gegen Phexens Gebot."<br />
"Nö, eigentlich nicht." antwortet Theires Zeel auf Ingalfs<br />
Frage, er hat anscheinend Nerven wie Drahtseile.<br />
Dann greift er in eine seiner Taschen.<br />
"Wenn Du meinst, Du hättest in uns aber gute Aufpasser,<br />
das wohl!" meint Ingalf überzeugend.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut ohnehin in Richtung <strong>de</strong>s Händlers<br />
und bekommt die Reaktion <strong>de</strong>s Händlers mit. Ein<br />
Griff in eine <strong>de</strong>r Taschen ist für ihn nichts gefährliches.<br />
Dennoch wun<strong>de</strong>rt er sich über die Selbstsicherheit<br />
<strong>de</strong>s Händlers. 'Entwe<strong>de</strong>r glaubt er, dass ihm in<br />
Anwesenheit von Kriegern, Magiern und eines Geweihten<br />
nichts passieren kann, o<strong>de</strong>r aber er hat noch<br />
einen Trumpf im Ärmel. An<strong>de</strong>rerseits appelliert er indirekt<br />
in <strong>de</strong>r Tat an unsere Pflichten und unsere Ehre.'<br />
'An<strong>de</strong>rerseits kann ich nicht zulassen, dass die min<strong>de</strong>ren<br />
Geister, die ich rief, zu Elementarherren wer<strong>de</strong>n.'<br />
"Wer re<strong>de</strong>t <strong>de</strong>nn davon, dass wir ihn ausrauben wollen?"<br />
fragt Ingalf mit gespielter Empörung. "Aber er<br />
ist allein mit einen vollen Karren voller Waren und er<br />
ist Händler. Also biete ich ihm einen Han<strong>de</strong>l an: Wir<br />
passen auf ihn auf und er leiht uns Decken, das wohl!"<br />
"Das geht lei<strong>de</strong>r nicht", entschuldigt sich <strong>de</strong>r Händler,<br />
"dann kann ich sie nicht mehr verkaufen. Und außer<strong>de</strong>m<br />
braucht ihr ja wohl nicht nur heute Nacht eine<br />
Decke. Sieh mal her!" Theires Zeel greift die Ecke <strong>de</strong>r<br />
Decke und reibt darauf mit <strong>de</strong>n Fingern. "Beste Qualität.<br />
Hält gut warm."<br />
Dann schaltet Isinha sich wie<strong>de</strong>r in das Gespräch ein:<br />
"Und wir wollen doch auch nicht, dass Du das ganze<br />
Zeug zurück in <strong>de</strong>n Sumpf wer<strong>de</strong>n musst, um es zu<br />
löschen, o<strong>de</strong>r?!" so ganz nebenbei hat er <strong>de</strong>n Stab in<br />
407<br />
eine Fackel verwan<strong>de</strong>lt, sieht ihn prüfend an und verwan<strong>de</strong>lt<br />
ihn zurück. "Also Meister, was ist jetzt?" fragt<br />
er <strong>de</strong>n Händler.<br />
"Du bist also wirklich ein Magus", erwi<strong>de</strong>rt Theires<br />
Zeel erleichtert. "Magier berauben keine Händler."<br />
"Richtig. Berauben wer<strong>de</strong> ich Dich nicht. Entwe<strong>de</strong>r<br />
bringe ich Dich dazu, mir zu geben, was ich will.<br />
O<strong>de</strong>r ich halte meine Freun<strong>de</strong> bei ihrem Vorhaben nur<br />
nicht auf. Schließlich gibt es immer etwas dabei zu<br />
lernen. Außer<strong>de</strong>m sollte ich meine anatomischen<br />
Kenntnisse etwas auffrischen. Vielleicht bist Du dafür<br />
ja <strong>de</strong>r Richtige." antwortet <strong>de</strong>r Magier im Plau<strong>de</strong>rton.<br />
"Bitte langsam, edler Begleiter und Retter vieler Leben."<br />
wen<strong>de</strong>t sich Melachath an <strong>de</strong>n Magus.<br />
Mit <strong>de</strong>utlich kühlerem Unterton wen<strong>de</strong>t er sich <strong>de</strong>m<br />
Händler zu: "Ein wenig mehr Entgegenkommen und<br />
Dankbarkeit für unsere selbstlose Hilfe, und im Nachhinein<br />
muss ich sogar sagen, für <strong>de</strong>n Einsatz unseres<br />
Lebens für Dich, Deinen Esel, Deinen Karren und<br />
Deine Ware, hätte ich schon erwartet. Ein altes aranisches<br />
Sprichwort sagt, 'Je<strong>de</strong> Karawane kreuzt sich<br />
zweimal', bete zu Phex, dass <strong>de</strong>m mit uns nicht so<br />
sei."<br />
"Und wie viele Silbertaler bietet ihr für eine Decke?"<br />
Theires ist offensichtlich darauf eingestellt zu feilschen.<br />
Offensichtlich ist die Diskussion für <strong>de</strong>n Aranier been<strong>de</strong>t,<br />
da er sich <strong>de</strong>monstrativ abwen<strong>de</strong>t, ohne zu antworten.<br />
"Dann mache ich lieber mit Orks und Holberkern Geschäfte",<br />
meint Edric. Eine Nach ohne Decke zu<br />
schlafen macht ihm nichts aus. "Ich freue mich schon<br />
auf das Aben<strong>de</strong>ssen."<br />
"Ich <strong>de</strong>nke, Du hast Recht, edler Tierbändiger, sei so<br />
freundlich und hilf mir dann bei <strong>de</strong>n Geschäften in<br />
<strong>de</strong>r Stadt."<br />
"Das wer<strong>de</strong> ich tun.", antwortet Edric, obwohl keine<br />
sprachlichen Barrieren zu befürchten stehen.<br />
Mit einem bedauern<strong>de</strong>n Gesichtsausdruck betrachtet<br />
Rovena die Decken, die <strong>de</strong>r Händler ihnen zeigt. Ihr<br />
Geldbeutel ist nicht sehr gut gefüllt und auch nur drei<br />
Silbertaler sind für sie viel Geld. Sie schaut <strong>de</strong>n Händler<br />
bittend an und versucht es auch noch einmal, auch<br />
wenn ihr das Feilschen nicht son<strong>de</strong>rlich liegt. "Guter<br />
Mann, könnt Ihr nicht noch ein wenig von Eurem<br />
Preis nachlassen? Ihr müsst doch zugeben, dass wir<br />
Euch nun schon zweimal tatkräftig behilflich waren,<br />
sowohl Euren Wagen als auch Eure Waren, die Ihr<br />
noch verkaufen könnt, in Sicherheit zu bringen, ohne<br />
im min<strong>de</strong>sten daran gedacht zu haben, uns daran bereichern<br />
zu wollen. Wenn wir die Nacht unter freiem<br />
Himmel verbringen, brauche ich eine Decke und diese<br />
hier gefallen mir ganz gut. Wenn ich Euch zwei Sil-
ertaler für die eine hier gebe, meint Ihr, Ihr könnt damit<br />
leben?"<br />
"Abgemacht!" kommt es vom Händler. Rovena kann<br />
sich eine Decke aussuchen. Und sie weiß auch, dass<br />
sie nicht zuviel bezahlt hat.<br />
"Gut", meint die Hexe und stimmt <strong>de</strong>m Geschäft mit<br />
einem Kopfnicken zu. Sorgfältig überprüft sie die von<br />
ihr ausgesuchte Woll<strong>de</strong>cke und zählt die verlangten<br />
zwei Silbertaler aus ihrem nicht sehr viele Münzen<br />
enthaltenen Geldbeutel ab. Was soll sie mit <strong>de</strong>m Geld<br />
hier in <strong>de</strong>r Wildnis, es wird sie nicht warm halten können,<br />
und eine warme Decke scheint ihr Gold wert zu<br />
sein.<br />
'Na, damit sind die Preise verdorben und fest!' <strong>de</strong>nkt<br />
Ingalf. Er kramt in seiner Börse und reicht <strong>de</strong>m<br />
Händler ebenfalls 2 Silbertaler: "Ich will heute Nacht<br />
nicht frieren, hier hast Du das Geld, mein Freund, das<br />
wohl!"<br />
Freundlich lächelnd nimmt Theires Zeel das Geld<br />
entgegen und überreicht Ingalf seine Decke. "Möge sie<br />
Dir gute Dienste leisten!"<br />
"Und möge Dir Deine Geschäftstüchtigkeit nur<br />
Freun<strong>de</strong> bringen, das wohl!" antwortet Ingalf und legt<br />
die Decke zu seinem Seesack auf <strong>de</strong>n Wagen.<br />
Der Händler schaut ein wenig verblüfft.<br />
Ingalf beachtet <strong>de</strong>n Blick <strong>de</strong>s Händlers nicht weiter.<br />
Während sie dann weitergehen, fragt er ihn neugierig:<br />
"Sag, was hast 'n du inner Tasche?"<br />
"Das kann ich euch später nach <strong>de</strong>m Essen zeigen,<br />
wenn ihr mögt. Das wird euch gefallen." Theires Zeel<br />
tut ein wenig geheimnisvoll.<br />
"Aye, wenn Du willst …"<br />
"Wenn die Herrschaften jetzt ihre Geschäfte bitte been<strong>de</strong>n<br />
wollen, das wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> La<strong>de</strong>nlokal sollte sich<br />
schleunigst aus <strong>de</strong>m Sumpf in Richtung Rastplatz<br />
aufmachen. Die Praiosscheibe sinkt bereits <strong>de</strong>m Horizont<br />
entgegen und ich habe keine Lust, im Dunkeln<br />
durch <strong>de</strong>n Sumpf zu stapfen!" Mit weit ausholen<strong>de</strong>n<br />
Schritten macht sich Isinha damit in Richtung Nor<strong>de</strong>n<br />
auf <strong>de</strong>m Damm auf und hält nach <strong>de</strong>m erwähnten<br />
Rastplatz Ausschau.<br />
'Warum kaufen sie <strong>de</strong>m Händler die Decken nicht<br />
dort erst ab? Jetzt müssen sie noch getragen wer<strong>de</strong>n<br />
… Na ja, ihre Sache!'<br />
Ingalf trottet neben <strong>de</strong>m Wagen her.<br />
Mit einem Lächeln auf <strong>de</strong>n Lippen verstaut auch Rovena<br />
ihre neue Decke zusammen mit <strong>de</strong>m Tuchbeutel,<br />
in <strong>de</strong>m sie ihre Heilkräuter und Salben aufbewahrt,<br />
bei Ingalfs Sachen auf <strong>de</strong>m Karren <strong>de</strong>s Händlers<br />
und eilt, um einige Last erleichtert, nun leichtfüßiger<br />
<strong>de</strong>m Magier hinterher.<br />
408<br />
Eine Nacht im Sumpf<br />
Nach einer knappen Stun<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r Rand <strong>de</strong>s Sumpfes<br />
erreicht und damit auch <strong>de</strong>r Rastplatz. Außer <strong>de</strong>m<br />
kleinen Bach gibt es auch eine alte Feuerstelle.<br />
"Dann wollen wir mal!" Der Händler fängt an, <strong>de</strong>n<br />
Esel abzuschirren.<br />
Dort angekommen kauft dann auch Hesan<strong>de</strong>r für 2<br />
Silbertaler eine Decke. Dann sucht er sich abseits ein<br />
ruhiges Fleckchen und versinkt ins Gebet.<br />
"He, nicht gleich ausruhen!" ruft ihm <strong>de</strong>r Magier zu.<br />
"Ihr könnt ruhig mit anfassen und das Lager richten."<br />
for<strong>de</strong>rt Isinha <strong>de</strong>n Geweihten weiter auf, während er<br />
Holz und Gräser o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>res Brennmaterial für ein<br />
Feuer zusammenträgt und es kurzerhand mit <strong>de</strong>m zur<br />
Fackel verwan<strong>de</strong>lten Stab entzün<strong>de</strong>t.<br />
"Erledigt Ihr Eure Pflichten, ich erledige meine. O<strong>de</strong>r<br />
soll ich Euch aus meinem Gebet an Hesin<strong>de</strong> und die<br />
Übrigen <strong>de</strong>r Zwölfe ausschließe? Ihr macht Feuer, ich<br />
sorge für unser Seelenheil." Mit diesen Worten verfällt<br />
Hesan<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r ins Gebet.<br />
"Wenn ich meine Pflicht erledigen wür<strong>de</strong>, dann …"<br />
brummelt <strong>de</strong>r Magier kaum hörbar. Der Rest geht in<br />
<strong>de</strong>m Knacken von Holz unter.<br />
Wesentlich lauter erwi<strong>de</strong>rt er aber: "Ob Ihr nun dafür<br />
betet o<strong>de</strong>r mich ausschließt, Hesin<strong>de</strong> wird über mich<br />
wachen - o<strong>de</strong>r eben auch nicht. Außer<strong>de</strong>m hoffe ich,<br />
dass Euch beten satt macht. Wir brauchen dagegen<br />
noch echte Nahrung." - 'Aber eher lan<strong>de</strong>n die Reste<br />
bei Kawi und dann im Sumpf, als dass dieser Pfaffe<br />
etwas abbekommt!'<br />
"Lass <strong>de</strong>n Weisen unter uns beten, es wird unser Scha<strong>de</strong>n<br />
nicht sein. Ich helfe gerne."<br />
Der Aranier sammelt trockenes, nicht grünes Holz<br />
und schaut, ob er einige Steine fin<strong>de</strong>t, um die Feuerstelle<br />
einzurahmen.<br />
Die Feuerstelle ist schon mit Steinen eingefasst, so<br />
dass Melachath aufs Steinesuchen verzichten kann.<br />
"Du könntest auch für unser körperliches Heil sorgen<br />
und was zu Essen besorgen, Hesan<strong>de</strong>r, das wohl!"<br />
meint Ingalf und hilft <strong>de</strong>m Händler, wenn dieser es<br />
zulässt.<br />
Der lässt Ingalf gern mit zupacken. Anschließend<br />
wird das Essen bereitet - Graupen mit ein wenig<br />
Speck.<br />
Da hier Edrics Hilfe überflüssig ist, geht er erst einmal<br />
zum Bach. Dort zieht er sich die Stiefel aus, und<br />
wäscht die getrockneten Reste von Dreck und<br />
Schlamm ab. Dann folgt die Reinigung <strong>de</strong>r Hosenbeine,<br />
wozu er die Hose auszieht und mit <strong>de</strong>n Füßen im<br />
kühlen Wasser steht.<br />
Nach<strong>de</strong>m die Waschreste <strong>de</strong>r Gefährten <strong>de</strong>n Bach herabgeflossen<br />
sind, befüllt Isinha seinen Wasserschlauch<br />
frisch.
Ins Lager zurückgekehrt, lässt er sich am Feuer nie<strong>de</strong>r,<br />
sieht kurz bei <strong>de</strong>n Vorbereitungen <strong>de</strong>r Mahlzeit zu<br />
und holt dann aus <strong>de</strong>m Rucksack Papier und Tinte<br />
hervor, um endlich die Erlebnisse <strong>de</strong>r letzten Tage in<br />
einem ausführlichen Bericht nie<strong>de</strong>rzuschreiben.<br />
Schließlich ist er als wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r A<strong>de</strong>pt in <strong>de</strong>r Pflicht,<br />
seine Aka<strong>de</strong>mie in Mirham ausführlich über seine Erlebnisse<br />
auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n zu halten. Allerdings<br />
dürfte es ziemlich schwierig wer<strong>de</strong>n, die Blauen Reiter<br />
hier anzutreffen und ihnen die Sendung anzuvertrauen.<br />
Vielleicht kann <strong>de</strong>r Händler helfen o<strong>de</strong>r es gibt in<br />
Ohort die Möglichkeit, einen Boten zu fin<strong>de</strong>n.<br />
An das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Berichts fügt er noch ein Postscriptum<br />
ein: "Über das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Expedition sowie <strong>de</strong>rzeit<br />
vertrauliche Informationen wer<strong>de</strong> ich einen weiteren<br />
Bericht - in <strong>de</strong>r dafür üblichen Form - fertigen. Erwartet<br />
das Unerwartete. Lang lebe die Bru<strong>de</strong>rschaft.<br />
D.O."<br />
Als Isinha mit <strong>de</strong>m Schreiben beginnt, fällt Ingalf ein,<br />
dass er die Orklandkarte auch wie<strong>de</strong>r aktualisieren<br />
müsste. Also holt er Pergament und Tusche aus <strong>de</strong>m<br />
Seesack und beginnt die Ereignisse <strong>de</strong>s heutigen Tages<br />
in <strong>de</strong>r Karte zu vermerken.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Aranier sich und sein Kleidung am<br />
Bach gereinigt hat, setzt er sich zu Ingalf und schaut<br />
ihm beim Zeichnen zu. Ab und an kommentiert er etwas.<br />
Zuerst hört Ingalf skeptisch <strong>de</strong>n Kommentaren Melachaths<br />
zu, aber dann merkt er, dass <strong>de</strong>r Aranier ein<br />
gutes Auges hat und korrigiert die Zeichnung entsprechend.<br />
Rovena hat sich, nach<strong>de</strong>m sie ihre Decke abgelegt hat,<br />
angeboten, an <strong>de</strong>r Zubereitung <strong>de</strong>s Essens zu beteiligen.<br />
Ein großes Problem plagt sie nun, <strong>de</strong>nn Surnia,<br />
die kleine Schä<strong>de</strong>leule, macht sich so langsam mit ihrem<br />
gesun<strong>de</strong>n Appetit bemerkbar. Doch woher soll sie<br />
nun rohes Fleisch bekommen? Der Händler scheint<br />
nichts dabei zu haben. Zu dumm nur, dass die Kleine<br />
noch nicht selber jagen gehen kann …<br />
Nach<strong>de</strong>m Edric seine Sachen gereinigt hat, kehrt er<br />
an die Feuerstelle zurück. "Kann ich Euch helfen?"<br />
fragt er, seine Hosenbeine sind noch nass vom Waschen.<br />
Rovena schaut aus ihren Gedanken zu Edric hoch.<br />
Stehen ihre Sorgen ihr ins Gesicht geschrieben, dass<br />
Edric sie bemerkt hat, o<strong>de</strong>r meint er <strong>de</strong>n Händler,<br />
<strong>de</strong>m er seine Hilfe anbietet?<br />
Der Händler scheint von Edrics Angebot nichts mitbekommen<br />
zu haben.<br />
"Kann ich mich nützlich machen?" wie<strong>de</strong>rholt Edric<br />
sein Angebot, als Rovena ihn fragend anschaut.<br />
Die junge Frau nickt. "Surnia braucht ebenfalls etwas<br />
zu fressen und gekochter Speck ist nichts für sie.<br />
Meinst du, hier ließe sich etwas in Rattengröße erja-<br />
409<br />
gen? Das sollte für sie reichen. Ein Kaninchen wäre<br />
wohl noch besser, dann hätte auch Kawi etwas zu beißen."<br />
Ihr Blick fällt auf <strong>de</strong>n jungen Hund <strong>de</strong>s Thorwalers.<br />
Edric nickt zustimmend. Er wird wohl auf die Jagd<br />
gehen müssen … "Ich wer<strong>de</strong> mich einmal umsehen<br />
und bin bald zurück." antwortet er freundlich und<br />
entfernt sich vom Lager.<br />
"Ich danke Dir sehr, Edric, und wünsche dir viel Erfolg<br />
dabei!" Erleichtert schaut Rovena <strong>de</strong>m Hirten<br />
nach und widmet sich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Arbeit im Lager. Inständig<br />
hofft sie dabei, dass <strong>de</strong>m jungen Mann das<br />
Jagdglück beschert sein wird.<br />
Aufmerksam beobachtet er dabei die Umgebung, immer<br />
auf <strong>de</strong>r Suche nach Beute und bedacht darauf,<br />
dass er keinen Holberker umrennt. Als Jagdwaffe<br />
muss er sich auf seine Schleu<strong>de</strong>r verlassen. Seinen<br />
Stab hat er im Lager zurückgelassen, <strong>de</strong>r wür<strong>de</strong> ihn<br />
nur behin<strong>de</strong>rn.<br />
Als Hesan<strong>de</strong>r fertig mit beten ist, macht er seine Kleidung<br />
sauber und schaut in die Run<strong>de</strong>. "So, bedarf jemand<br />
noch meiner Hilfe o<strong>de</strong>r meines geistlichen Beistands?"<br />
"Oh, wenn Ihr so fragt … Ihr könntet beginnen, <strong>de</strong>n<br />
Sumpf entlang <strong>de</strong>s Damms zurück trockenzulegen,<br />
damit <strong>de</strong>m guten Händler nicht noch einmal solch ein<br />
'Missgeschick' wie vorhin wi<strong>de</strong>rfährt, wenn womöglich<br />
niemand bei ihm ist." antwortet Isinha bissig.<br />
"Das ist nicht fair von Dir!" meint Ingalf grinsend zu<br />
<strong>de</strong>m Magier. "Er hat schließlich nicht mal 'n Spaten,<br />
das wohl!"<br />
"Nach <strong>de</strong>r wohl rein rhetorisch gemeinten Frage unseres<br />
werten Herrn Seelenbeistands erhielt er eine ebenso<br />
'rhetorische' Antwort. Und fair? Ich?" Ein glucksen<strong>de</strong>s<br />
Kichern ist vom Magier zu hören.<br />
"Wie könnt ihr Hesin<strong>de</strong> reinen Herzens verehren,<br />
wenn Ihr ihre Diener verspottet", antwortet Hesan<strong>de</strong>r<br />
in ungerührtem Ton. "Mir scheint, Ihr habt sowohl<br />
mit Autoritäten als auch mit <strong>de</strong>n Dienern <strong>de</strong>r Zwölfe<br />
ein Problem. Wisset, Elgar, dass nicht Spott, Arroganz,<br />
Hochmut, Selbstgerechtigkeit und das letzte Wort <strong>de</strong>r<br />
Tugend letzte Weisheit sind son<strong>de</strong>rn Demut, Beschei<strong>de</strong>nheit,<br />
innere Ruhe und Ausgeglichenheit." Er<br />
schaut Elgar immer noch ungerührt in die Augen.<br />
"Ferner scheint mir, dass angesichts Eurer mitunter respektlosen<br />
und impertinenten Art um Euer Seelenheil<br />
Willen das Aufsuchen eines geistlichen Beistands<br />
dringend angeraten ist."<br />
Er schaut ihn eindringlich an. "In Euch sehe ich Ruhelosigkeit,<br />
eine gepeinigte Seele und <strong>de</strong>n verzweifelten<br />
Versuch dies durch das, was Ihr nach Außen tragt,<br />
zu verbergen."<br />
Er schaut ihn allmählich mit einem Ausdruck von<br />
Mil<strong>de</strong> und Mitleid an: "Ich kann Euch für Eure Worte
nicht einmal zürnen, <strong>de</strong>nn es ist Eure gequälte Seele,<br />
die Euch so han<strong>de</strong>ln und sprechen lässt. Ich wer<strong>de</strong> für<br />
Euer Seelenheil beten, auf dass Hesin<strong>de</strong> Euch die<br />
Einsicht und <strong>de</strong>n rechten Weg wie<strong>de</strong>r weisen möge.<br />
Auf dass Ihr eines Tages wie<strong>de</strong>r inneren Frie<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n<br />
mögt."<br />
Ingalfs Grinsen wird immer breiter. "Na, jetzt haste<br />
Dein Fett weg, das wohl!" meint er zum Magier.<br />
Dann wen<strong>de</strong>t er sich ab und spricht zur Gruppe: "Ich<br />
wer<strong>de</strong> heute Abend eine kleine Andacht vorbereiten,<br />
um für unser aller Seelenheil zu beten. Sofern Ihr <strong>de</strong>n<br />
Zwölfen huldigt, seid Ihr aufgerufen daran teilzunehmen."<br />
Mit <strong>de</strong>m Rücken zu <strong>de</strong>m Geweihten am Feuer sitzend<br />
rollt Rovena mit <strong>de</strong>n Augen und stößt innerlich ein<br />
Stöhnen aus. Mag er seinen Göttern huldigen, aber<br />
von ihr braucht er nicht zu erwarten, dass sie sich daran<br />
beteiligt. Versonnen starrt sie in die Flammen, die<br />
am Kessel mit <strong>de</strong>m Graupeneintopf lecken.<br />
Da Ingalf mit seinen Aufzeichnungen anscheinend<br />
fertig ist, wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Aranier Hesan<strong>de</strong>r zu: "Gerne<br />
wer<strong>de</strong> ich mich beteiligen, Wissen<strong>de</strong>r."<br />
"Hmm, bei Swafnir, Kawi hat noch nix gefressen, ich<br />
glaube, ich muss mal mit ihm los Futter suchen!"<br />
meint Ingalf nach Hesan<strong>de</strong>rs Ankündigung und geht<br />
mit <strong>de</strong>m Welpen ein wenig spazieren. Er kann diese<br />
Litanei <strong>de</strong>r Zwölf nicht mehr hören, dankt aber während<br />
<strong>de</strong>s Spaziergangs Swafnir, dass er sein Opfer angenommen<br />
hat und sie unbescha<strong>de</strong>t aus <strong>de</strong>m Purpurturm<br />
hat entkommen lassen.<br />
"Passt aber auf, dass ihr bei<strong>de</strong> Edric das Wild nicht<br />
verscheucht!" ruft Rovena <strong>de</strong>m Thorwaler hinterher.<br />
"Wenn er Glück hat, gibt es bestimmt auch etwas für<br />
Kawi." Mit einem Schmunzeln auf <strong>de</strong>n Lippen sieht<br />
sie <strong>de</strong>n jungen Hund davon springen.<br />
Isinha sieht <strong>de</strong>m Thorwaler hinterher. 'Er hat eine<br />
gute Ausre<strong>de</strong>, nicht hier bleiben zu müssen. An<strong>de</strong>rerseits<br />
hat Hesan<strong>de</strong>r in gewisser Weise sogar Recht.' gesteht<br />
<strong>de</strong>r Magier sich selbst stumm ein. Ja, er hat eine<br />
gepeinigte Seele. Aber seine Pein kann we<strong>de</strong>r Hesin<strong>de</strong><br />
noch sonst einer <strong>de</strong>r Zwölf - und schon gar kein Seelenhirte<br />
- lin<strong>de</strong>rn. Das kann er nur selbst.<br />
An Hesan<strong>de</strong>r gewandt antwortet er auf die Ankündigung:<br />
"Mich interessiert, wer behauptet hat, ich wür<strong>de</strong><br />
Hesin<strong>de</strong> verehren? Mag sie auch die Göttin <strong>de</strong>r Weisheit<br />
sein - ich habe <strong>de</strong>n rechten Respekt vor ihr. Aber<br />
verehren tue ich sie nicht. - 'Nicht mehr, nach allem,<br />
was passiert ist. War es <strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>r Götter, habe ich<br />
nichts mehr mit ihnen zu schaffen. War er es nicht,<br />
haben sie gleichwohl nichts unternommen auf jegliches<br />
Flehen. Also verdienen sie auch <strong>de</strong>shalb keine<br />
Verehrung mehr. Wenn Du willst das etwas richtig getan<br />
wird, tue es selbst!'<br />
410<br />
Rovena schaut auf und betrachtet <strong>de</strong>n Magier mit einem<br />
Seitenblick. Kann man ihm seine Reaktion ver<strong>de</strong>nken,<br />
bei all <strong>de</strong>m, was man ihm an Leid zugefügt<br />
wur<strong>de</strong>?<br />
"Lassen wir die Wortklauberei. Respekt vor Hesin<strong>de</strong><br />
sollte mit einem gewissen Respekt vor ihren Dienern<br />
und <strong>de</strong>ren Pflichten einhergehen. Möglicherweise hat<br />
man Euch das auf <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie nicht gelehrt. Aber<br />
auch hier zürne ich Euch nicht", entgegnet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Die Mutter <strong>de</strong>r Weisheit lehrt, dass man An<strong>de</strong>rs<strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n<br />
mit Respekt und Nachsicht begegnen soll, solange<br />
sie nicht wi<strong>de</strong>r die Zwölfe freveln. Drum will<br />
auch ich Nachsicht mit Euch üben und Eure ständigen<br />
Spitzen, Sticheleien und weiteren Respektlosigkeiten<br />
vergessen."<br />
Dann meint er mit aller Überzeugung: "Eine gepeinigte<br />
Seele bedarf <strong>de</strong>r Heilung und <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns. Bei<strong>de</strong>s<br />
fin<strong>de</strong>t Ihr im Schoße <strong>de</strong>r Zwölfe. Und was auch<br />
immer Euch verbittert hat, so steht Euch ein Diener<br />
Hesin<strong>de</strong>s mit offenem Ohr zur Seite. Doch lasst nicht<br />
zu, dass Eure Verbitterung sich in Missachtung und<br />
Hass verwan<strong>de</strong>lt."<br />
Das Winken, das Hesan<strong>de</strong>r als Antwort erhält, wür<strong>de</strong><br />
wohl je<strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ein lästiges Insekt verscheuchen<br />
will. "Kommt mir nicht so. Ich habe nicht<br />
mit <strong>de</strong>n Göttern gebrochen. Vielleicht haben sie mich<br />
vergessen, vielleicht haben wir auch ein stummes Abkommen,<br />
dass wir uns gegenseitig nicht mehr behelligen.<br />
So ist es und so wird es immer sein, bis es an<strong>de</strong>rs<br />
wird." meint <strong>de</strong>r Magier dann philosophisch.<br />
"Und bis es soweit sein wird, dient Eurer Göttin, wie<br />
Ihr es für richtig haltet. Aber haltet mich aus Eurem<br />
Tun heraus, dann halte ich mich auch aus Eurem heraus."<br />
Im letzten Satz schwingt ein stummes 'Sonst …!'<br />
mit, das für die Anwesen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich spürbar ist. Hesan<strong>de</strong>r<br />
hat ob seiner Erfahrung das <strong>de</strong>utliche Gefühl,<br />
dass da mehr dahinter steckt. Viel mehr.<br />
"Sonst wollt Ihr es Nahema gleichtun und mich Eure<br />
Macht spüren lassen", kontert Hesan<strong>de</strong>r gelassen.<br />
"Möge Euch Hesin<strong>de</strong> mit Erkenntnis segnen und Eurer<br />
Seele eines Tages Frie<strong>de</strong>n geben."<br />
"Nein, ganz und gar nicht. Ich habe nichts zu verschenken,<br />
und schon gar nichts zu verschwen<strong>de</strong>n."<br />
entgegnet <strong>de</strong>r Magier, für das Gespräch damit ersichtlich<br />
been<strong>de</strong>t ist.<br />
Nach diesen Worten setzt sich Hesan<strong>de</strong>r etwas abseits<br />
auf einen umgestürzten Baumstamm und setzt seine<br />
Aufzeichnungen fort.<br />
'Allwissen<strong>de</strong> Mutter, ich zweifle nicht an Deinem Willen.<br />
Doch ich zweifle daran, ob ich die Prüfung bestehen<br />
kann, die Du mir auferlegt hast, in<strong>de</strong>m Du mich<br />
mit einer solchen Gruppe von Abenteurern mitten in<br />
eine Einö<strong>de</strong> geschickt hast, in <strong>de</strong>r ich Dir nicht mal<br />
im gebotenen Maße dienen kann.
Ein Magier, <strong>de</strong>r glaubt, Du und Deine elf Geschwister<br />
hättet ihn vergessen o<strong>de</strong>r Ihr hättet ein Abkommen<br />
mit ihm - wie blasphemisch und vermessen.<br />
Ein Thorwaler, <strong>de</strong>n Du mit nicht son<strong>de</strong>rlich viel Verstand<br />
gesegnet hast und <strong>de</strong>n man trotz<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>m,<br />
was er sagt und tut verstehen soll.<br />
Eine Tochter Satuarias, furchtsam und misstrauisch,<br />
fast unnahbar.<br />
Ein Hirtenjunge, unerfahren und verbissen.<br />
Einen Krieger aus <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n - <strong>de</strong>r Einzige bei klarem<br />
Verstand - nicht verbittert o<strong>de</strong>r verängstigt. Der<br />
Einzige <strong>de</strong>r es weiß einen Deiner Diener mit <strong>de</strong>m gebotenen<br />
Respekt zu begegnen.<br />
Du lehrst, wir sollen unseren Nächsten verstehen, ihm<br />
mit Wohlwollen, offenem Herzen begegnen. Doch<br />
was, wenn ihre Herzen nicht offen sind? Wenn sie Dir<br />
das Gefühl geben, Du seiest nicht einer unter ihnen<br />
son<strong>de</strong>rn ein Son<strong>de</strong>rling?<br />
Ich wünschte mir, ich wäre wie<strong>de</strong>r in meinem Heimattempel<br />
o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nahe einem Deiner vielen<br />
an<strong>de</strong>ren Tempel o<strong>de</strong>r Schreine.<br />
Abseits <strong>de</strong>r Zivilisation vergessen selbst scheinbar zivilisierte<br />
schnell ihre Manieren.<br />
Gib mir die Kraft, sie zu verstehen und ihnen nicht zu<br />
zürnen ob ihrer Unwissenheit. Denn Du bist und<br />
Deine elf Geschwister sind.'<br />
Er gibt einen akkuraten Bericht über die bisherige Reise<br />
von <strong>de</strong>n Ufern <strong>de</strong>s Bodir bis hin zum Tal <strong>de</strong>r Grolme,<br />
vom Purpurturm bis zum Sumpf und zum jetzigen<br />
Lager. Der gesamte Bericht ist, wie es sich für<br />
einen Gelehrten gehört, auf Bosparano verfasst.<br />
Als Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n sich nähern<strong>de</strong>n Melachath bemerkt,<br />
und dieser wohl einen Blick in das Schlangenbuch<br />
werfen will, hält Hesan<strong>de</strong>r inne: "Was kann ich für<br />
Euch tun, Melachath?"<br />
"Du wirkst so zweifelnd, was ist?"<br />
"Nun", antwortet Hesan<strong>de</strong>r nach<strong>de</strong>nklich, "es ist eine<br />
harte Prüfung mit Gefährten zu reisen, die Dich aufgrund<br />
<strong>de</strong>ssen, was Du bist, mei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Dir unterschwellig<br />
feindselig gegenüberstehen. Hesin<strong>de</strong> lehrt<br />
uns, das Unbekannte zu ergrün<strong>de</strong>n, Frem<strong>de</strong>s in seiner<br />
Eigenart zu respektieren. Man lehrte mich, mit offenen<br />
Augen durch die Welt zu gehen und stets einen<br />
Grund, eine Ursache hinter <strong>de</strong>n Dingen, wie sie sind,<br />
zu sehen. Wenn sich die Ursachen aber nicht erschließen<br />
und Dich - bildlich gesprochen - die frem<strong>de</strong><br />
Hand schlägt, die Du selbst nicht schlagen sollst,<br />
dann vermag ich <strong>de</strong>n Sinn dahinter nicht zu ent<strong>de</strong>cken."<br />
"Weiser <strong>de</strong>r Göttin, die <strong>de</strong>r Aufklärung frönt, ist es<br />
nicht die beste Art Ihr zu dienen, in <strong>de</strong>m Du dieses<br />
Land erkun<strong>de</strong>st und schriftlich festhältst? Ist es nicht<br />
das, was die Allwissen<strong>de</strong> erfreut? Und zeichnet Ingalf<br />
411<br />
nicht eine Karte? Gibt er damit nicht die Möglichkeit<br />
künftig diese Region zu zivilisieren? Du solltest nicht<br />
so sehr zweifeln, so wie Rahja weiß, wann sie mir Ekstase<br />
schenkt, so wie Rondra weiß, wann ich mit <strong>de</strong>r<br />
Waffe meine Freun<strong>de</strong> zu verteidigen habe, so weiß<br />
Hesin<strong>de</strong>, warum Du in diesem Moment hier bist."<br />
"Ich gebe Dir da teilweise Recht, Krieger", erwi<strong>de</strong>rt<br />
Hesan<strong>de</strong>r in sichtlich besserer Stimmung. Je<strong>de</strong>r hat<br />
seine Aufgabe. Doch dient es unserer Aufgabe, wenn<br />
man aufgrund seiner eigenen Aufgabe gemie<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
mit Ablehnung bedacht wird?"<br />
"Vielleicht ist das genau Ihre Prüfung an Euch, e<strong>de</strong>lmütiger<br />
Erhabener. Sie segnete Dich mit Ihrer Kraft,<br />
nun schaut sie, ob Du unter widrigsten Umstän<strong>de</strong>n an<br />
Ihr festhältst. Und …" Kurz pausiert <strong>de</strong>r Aranier,<br />
"eventuell solltest Du nicht versuchen, je<strong>de</strong>n zu<br />
missionieren o<strong>de</strong>r ihnen Deine Meinung aufzudrängen.<br />
Hesin<strong>de</strong> weiß, warum sie Dir diese Gefährten<br />
mitgegeben hat, sie machen Ihre Sachen bisher sehr<br />
gut, alle haben in dieser Gruppe Ihre Aufgabe." Bei<br />
<strong>de</strong>n letzten Sätzen lächelt <strong>de</strong>r Krieger mil<strong>de</strong>.<br />
"Melachath, ich habe gar nicht vor je<strong>de</strong>n zu missionieren.<br />
Ich kann auch keinen Ansatz meinerseits dafür<br />
erkennen. Re<strong>de</strong>n wir offen: Man fein<strong>de</strong>t ich direkt<br />
o<strong>de</strong>r indirekt an, man spottet über mich, man achtet<br />
we<strong>de</strong>r Hesin<strong>de</strong> noch mich. Habe ich dies durch meine<br />
Taten verursacht? Ich glaube nein. Ich wer<strong>de</strong> danach<br />
betrachtet, was ich bin - ein Diener Hesin<strong>de</strong>s - und<br />
nicht wer ich bin.<br />
Sollte dies die Prüfung sein, so ist es im Moment eine<br />
harte Prüfung. Ich bin nicht gewohnt gemie<strong>de</strong>n zu<br />
wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Außenseiter zu sein. Das war im Tempel<br />
an<strong>de</strong>rs und auch in <strong>de</strong>n Orten, die ich auf meiner Reise<br />
nach Thorwal durchreist habe."<br />
"Spotten Rovena o<strong>de</strong>r Edric? Nein, nur <strong>de</strong>r etwas<br />
praktisch veranlagte Ingalf, <strong>de</strong>r mit, wie wür<strong>de</strong> er es<br />
nennen, Göttergedöns, nicht viel am Hut hat, und ein<br />
an seinem Schicksal tief zerrütteter Magier, Ihr solltet<br />
das Alles nicht so ernst nehmen."<br />
"Wahre Worte, wahre Worte", stimmt Hesan<strong>de</strong>r zu.<br />
"Hesin<strong>de</strong> möge uns <strong>de</strong>n Weg weisen und uns Erleuchtung<br />
schenken."<br />
"Was macht das Essen, das Ihr uns versprochen habt?"<br />
fragt Isinha <strong>de</strong>n Händler inzwischen, nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n<br />
Schatten <strong>de</strong>r Vergangenheit zurückgedrängt hat.<br />
Auch Rovena schaut nun zu <strong>de</strong>m Händler hinüber.<br />
Ihr Magen knurrt leise, ihre letzte Mahlzeit ist nun<br />
schon eine Weile her und <strong>de</strong>r Eintopf duftet verlockend.<br />
"Ein bisschen dauert es noch", erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r. "Vielleicht<br />
bringt ja euer Freund noch etwas zum Braten mit."<br />
"Mmmh" macht Isinha ein unbestimmtes Geräusch.<br />
Um die restliche Zeit bis zum Essen zu nutzen, setzt<br />
sich <strong>de</strong>r Magier nun bequem hin und in Ermangelung
eines guten - o<strong>de</strong>r auch eines schlechten - Buches<br />
schließt er die Augen und ruft sich <strong>de</strong>n Ignifaxius ins<br />
Gedächtnis. Während er die Matrix <strong>de</strong>s Spruchs -<br />
ohne astralen Einsatz - zu rekonstruieren versucht,<br />
starrt er unter nur halb geöffneten Li<strong>de</strong>rn in die Flammen<br />
<strong>de</strong>s Lagerfeuers. Der Zauber ist von ihm bisher<br />
nur wenig verwen<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n, zuletzt bei <strong>de</strong>r "Verteidigung"<br />
gegen die Krähen am Purpurturm. Aber im<br />
Rahmen wenig friedlicher Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
dürfte er von unschätzbarem Wert sein.<br />
Die Zeit vergeht, und Edric ist immer noch weg.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Magier sich eingehend mit <strong>de</strong>r Formel<br />
befasst hat und das Essen mittlerweile <strong>de</strong>m Geruch<br />
nach fertig sein dürfte, schaut er sich um. Als er Edric<br />
nirgends ent<strong>de</strong>ckt und auch Ingalf noch nicht zurück<br />
ist, fragt Isinha in die Run<strong>de</strong>: "Wie lange ist unser junger<br />
Freund schon weg? Ihm ist doch hoffentlich nichts<br />
zugestoßen." Langsam macht er sich Sorgen. Gut, <strong>de</strong>r<br />
Junge kann auf sich selbst aufpassen. Aber in einem<br />
Sumpf - da kann man nie wissen!<br />
So erhebt er sich und bittet Rovena: "Achte auf meinen<br />
Rucksack. Ich wer<strong>de</strong> sehen, wo Edric und Ingalf<br />
geblieben sind."<br />
"Das wer<strong>de</strong> ich", antwortet Rovena und nimmt <strong>de</strong>n<br />
Rucksack, um ihn zu ihren Sachen an ihr Lager zu<br />
stellen. "Sei vorsichtig und bleibe, auch wenn du die<br />
bei<strong>de</strong>n nicht fin<strong>de</strong>n solltest, nicht zu lange fort. Es<br />
wird bald dunkel sein." Sie holt Surnia aus <strong>de</strong>m Tragebeutel<br />
und krault die kleine Eule, die hungrig <strong>de</strong>n<br />
Schnabel aufsperrt und Bettelgeräusche von sich gibt.<br />
Nach<strong>de</strong>nklich schaut sie <strong>de</strong>m Magier nach.<br />
"Ich habe doch das Licht immer dabei." erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r<br />
Magier mit einem leichten Lächeln und lässt <strong>de</strong>n Stab<br />
kurzzeitig zur Fackel wer<strong>de</strong>n. "Außer<strong>de</strong>m habe ich<br />
Hunger, also was soll ich dann so lange im Sumpf?"<br />
fragt er mit einem schiefen Grinsen. Dann dreht er<br />
sich um und folgt <strong>de</strong>r Richtung, in <strong>de</strong>r Edric das Lager<br />
verlassen hat.<br />
Nur mit seinem Stab in <strong>de</strong>r Hand, das Gepäck zurücklassend,<br />
begibt sich Isinha auf die Suche nach <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Gefährten und Kawi.<br />
"Warte, ich begleite Dich, nicht dass wie<strong>de</strong>r einer von<br />
uns alleine verschwin<strong>de</strong>t."<br />
"Ja, es ist viel besser, wenn wir zusammen verschwin<strong>de</strong>n."<br />
erwi<strong>de</strong>rt Isinha. "Besser, Du bleibst hier und<br />
achtest auf unsere Gefährten. Ich kann auf mich selbst<br />
aufpassen. Die bei<strong>de</strong>n jedoch …" Ein Seitenblick auf<br />
Rovena und <strong>de</strong>n in sich versunkenen Hesan<strong>de</strong>r macht<br />
seine Gedanken <strong>de</strong>utlich.<br />
"Sei vorsichtig und komm bald zurück, … Freund."<br />
Kurz darauf kommt Edric zurück ins Lager. Mit stolzer<br />
Miene trägt er zwei Orklandkarnickel bei sich. Er<br />
hatte sich an <strong>de</strong>r Sumpfgrenze entlang einen Weg ge-<br />
412<br />
sucht, bis er in <strong>de</strong>n angrenzen<strong>de</strong>n Wiesen die Karnickel<br />
mit <strong>de</strong>r Schleu<strong>de</strong>r erlegen konnte.<br />
"Das reicht nicht nur für Surnia und Kawi", meint er,<br />
als er Rovena eines <strong>de</strong>r Orklandkarnickel über gibt.<br />
Dann macht er sich daran, das zweite Karnickel zu<br />
häuten und auszunehmen.<br />
Mit einem strahlen<strong>de</strong>n Gesicht nimmt Rovena das<br />
Kaninchen entgegen, Surnia auf ihrer Schulter fängt<br />
aufgeregt an, mit <strong>de</strong>n kleinen Flügeln zu schlagen.<br />
"Hab vielen Dank, Edric. Du bist ein guter Jäger!" lobt<br />
sie <strong>de</strong>n Hirten und hat Mühe, das Eulenjunge auf ihrer<br />
Schulter ruhig zu halten.<br />
"Wo ist Ingalf?" fragt er, das er sowohl seinen Freund<br />
als auch <strong>de</strong>n kleinen Hund nicht im Lager sieht.<br />
"Der ist vor einer Weile mit Kawi losgegangen, um<br />
sich ebenfalls nach was zu futtern für <strong>de</strong>n Hund umzusehen",<br />
erwi<strong>de</strong>rt die Hexe, die ebenfalls damit begonnen<br />
hat, das Kaninchen auszunehmen und zu<br />
häuten. Immer wie<strong>de</strong>r steckt sie dabei <strong>de</strong>r jungen<br />
Schä<strong>de</strong>leule einen Brocken rohen Fleisches in <strong>de</strong>n<br />
Schnabel.<br />
Auch Theires Zeel ist offensichtlich erfreut über Edrics<br />
Jag<strong>de</strong>rfolg.<br />
Und Edric freut sich, dass sich die andren freuen. Für<br />
einen Moment kann er die Trauer um die Maultiere<br />
vergessen.<br />
"Und Isinha ist auch los gezogen, um Dich zu suchen.<br />
Ich hoffe ja, dass die bei<strong>de</strong>n bald zurück kommen."<br />
Sobald <strong>de</strong>r Magier das Lager hinter sich gelassen hat,<br />
betrachtet er nicht nur aufmerksam <strong>de</strong>n vor ihm liegen<strong>de</strong>n<br />
Weg, son<strong>de</strong>rn sieht sich auch nach <strong>de</strong>m jungen<br />
Hirten und Ingalf samt Kawi um. 'Wo stecken die<br />
bloß?' fragt er sich, während er voranschreitet. Dabei<br />
versucht er, möglichst leise zu sein, um nicht das mögliche<br />
Jagdglück <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n zu gefähr<strong>de</strong>n.<br />
Nach einiger Zeit <strong>de</strong>s Suchens fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Magier Kawi<br />
und Ingalf. Sie frönen bei<strong>de</strong> einer ihrer gemeinsamen<br />
Lieblingsbeschäftigung: Sie schlafen. Ingalf hat sich<br />
einen <strong>de</strong>r wenigen Bäume <strong>de</strong>r Gegend ausgesucht<br />
und sich an <strong>de</strong>ssen Stamm nie<strong>de</strong>rgelassen. Kawi liegt<br />
neben <strong>de</strong>m Thorwaler, <strong>de</strong>n Kopf auf Ingalfs Oberschenkel.<br />
Als <strong>de</strong>r Welpe <strong>de</strong>n Magier kommen hört, hebt er kurz<br />
<strong>de</strong>n Kopf, lässt ihn aber dann wie<strong>de</strong>r mit einem Gähnen<br />
auf Ingalfs Bein sinken. Ingalf schläft ruhig und<br />
fest.<br />
Isinha stellt sich neben die bei<strong>de</strong>n, stemmt die freie<br />
Hand in die Hüfte und wartet kurz, ob entwe<strong>de</strong>r Ingalf<br />
erwacht, o<strong>de</strong>r Kawi sich noch einmal rührt. Als<br />
nicht geschieht, zuckt er nur mit <strong>de</strong>n Schultern und<br />
lässt sich ebenfalls mit <strong>de</strong>m Rücken an <strong>de</strong>n Baum gelehnt<br />
neben <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n nie<strong>de</strong>r und krault Kawi abwesend<br />
hinter <strong>de</strong>n Ohren.
Mit einem Blick auf <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r Praiosscheibe entschei<strong>de</strong>t<br />
er sich aber kurz darauf, <strong>de</strong>n Thorwaler zu<br />
wecken. Schließlich hat er Edric noch nicht gefun<strong>de</strong>n.<br />
Den Hund weiter streichelnd, stuppst Isinha mit <strong>de</strong>m<br />
Ellenbogen leicht in Ingalfs Seite und sagt: "Aufwachen,<br />
das Essen müsste fertig sein!"<br />
"Hmmm …", Ingalf schlägt verschlafen die Augen auf<br />
und schaut <strong>de</strong>n Magier an, "… ach, Du, hätte ich mir<br />
ja fast <strong>de</strong>nken können, das wohl! Da träumt man davon,<br />
dass einem … ach, egal!"<br />
Er schaut nach <strong>de</strong>m Stand <strong>de</strong>r Sonne. "Upps, ja dann<br />
wollen wir mal zurück zum Lager. Hoffentlich ist Hesan<strong>de</strong>r<br />
schon fertig!" fügt er grinsend hinzu.<br />
"Nach <strong>de</strong>m letzten Stand wollte er die Andacht nach<br />
<strong>de</strong>m Essen halten - wohl um sicherzugehen, dass wir<br />
dann auch alle da sind." Seine Stimme drückt wenig<br />
Begeisterung für das Ansinnen <strong>de</strong>s Geweihten aus.<br />
"Bei Swafnir! Der alte Seelenfänger …" murmelt Ingalf<br />
nur.<br />
"Komm, Kawi, wir wollen zurück. Hat Edric was zu<br />
essen gefun<strong>de</strong>n?" fragt er Isinha während sie sich auf<br />
<strong>de</strong>n Rückweg zum Lager machen.<br />
"Das weiß ich nicht. Eigentlich bin ich aufgebrochen,<br />
um ihn - und euch bei<strong>de</strong> - zu suchen." Isinha bleibt<br />
stehen und sieht Ingalf in die Augen. "Er war ziemlich<br />
lange weg und da haben wir uns Sorgen gemacht.<br />
Hoffentlich ist er zurück, wenn wir im Lager ankommen."<br />
"Na, dann lass uns gucken und wenn es nicht da ist,<br />
dann soll Kawi ihn suchen, das wohl!" er beugt sich<br />
zu <strong>de</strong>m Hund hinunter. "Nicht wahr mein Kleiner, du<br />
fin<strong>de</strong>st Edric schon!"<br />
Mit einem Nicken signalisiert <strong>de</strong>r Magier seine Zustimmung<br />
und folgt <strong>de</strong>m Thorwaler nach<strong>de</strong>nklich zurück<br />
ins Lager.<br />
413<br />
Dort angekommen stellen die bei<strong>de</strong>n erfreut fest, dass<br />
Edric nach erfolgreicher Jagd bereits zurückgekehrt ist<br />
und die Beute schon verarbeitet wird.<br />
Ingalf geht zu seinem Freund und schlägt ihm leicht<br />
auf <strong>de</strong>n Rücken: "Na, Großer, Du hast ja richtig Beute<br />
gemacht, das wohl! Das wird Kawi freuen."<br />
"Das hättest Du auch gekonnt …" meint Edric mit einem<br />
leicht verlegenen Grinsen.<br />
Der Welpe ist <strong>de</strong>rweil zu Rovena gelaufen, die ja die<br />
Eule mit rohem Fleisch füttert. Er setzt sich neben die<br />
Hexe, legt <strong>de</strong>n Kopf leicht schief und schaut sie bittend<br />
an.<br />
Mit einem Lächeln begrüßt sie <strong>de</strong>n jungen Hund und<br />
streicht ihm freundlich über <strong>de</strong>n Kopf. "Da seid ihr ja<br />
wie<strong>de</strong>r!" Sie schaut auf und nickt Ingalf und Isinha erleichtert<br />
zu, bevor sie sich wie<strong>de</strong>r Kawi zuwen<strong>de</strong>t.<br />
"Du sollst auch was haben, so ein großes Karnickel<br />
reicht für euch bei<strong>de</strong>", verspricht sie ihm und löst für<br />
<strong>de</strong>n Anfang einen Vor<strong>de</strong>r- und einen Hinterlauf, <strong>de</strong>n<br />
sie <strong>de</strong>m Welpen hinreicht. Dann macht sie sich weiter<br />
an die Arbeit, das Tier zu zerlegen und legt für <strong>de</strong>n<br />
Welpen die Eingewei<strong>de</strong> zurecht. Immer wie<strong>de</strong>r reicht<br />
sie dabei auch <strong>de</strong>r kleinen Eule ein Stückchen Fleisch<br />
hin, das diese gierig schnappt und hinunter schlingt.<br />
Mit einem beruhigten Gesichtsausdruck beobachtet<br />
<strong>de</strong>r Magier kurz die Mahlzeit <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Jungtiere,<br />
ehe sich sein eigener Magen mit recht lauten Geräuschen<br />
in Erinnerung ruft.<br />
An <strong>de</strong>n Händler gewandt fragt er daher: "Nun, ist das<br />
Essen jetzt fertig? Das Karnickel sollte eine or<strong>de</strong>ntliche<br />
Fleischeinlage für Euren Eintopf abgeben."<br />
Isinha lässt sich sodann neben Rovena nie<strong>de</strong>r und<br />
lehnt sich dann gegen seinen Rucksack, während er<br />
darauf wartet, dass er etwas von <strong>de</strong>m mittlerweile<br />
einen - für einen hungrigen Magen - angenehmen<br />
Duft verströmen<strong>de</strong>n Mahl erhält.
A<br />
bend und Nacht verlaufen ruhig, so dass alle,<br />
die sich in eine Decke einwickeln können am<br />
nächsten Morgen gestärkt aufwachen. Es wird aber<br />
doch in <strong>de</strong>r Nacht recht kühl. Wer keine Decke sein<br />
eigen nennt, wacht ziemlich zerschlagen und mit einem<br />
rauhen Hals auf.<br />
Die Decke, die Isinha statt seines wertvollen Buches<br />
mit in <strong>de</strong>n Purpurturm genommen hatte, leistet ihm<br />
in <strong>de</strong>r Nacht gute Dienste. Sein wetterfester Reisemantel<br />
tut sein Übriges für eine ruhige Nacht.<br />
Als Elgar sich zu regen beginnt, erwacht auch Rovena.<br />
Sofort tastet sie nach Surnia, die jedoch mit <strong>de</strong>m Kopf<br />
unterm Flügel an ihrer Seite hockt und nun ein leises<br />
Fiepen von sich gibt. Langsam schlägt die Hexe die<br />
Augen auf und schält sich aus <strong>de</strong>r warmen Nivesen-<br />
Decke, in die sie sich samt ihres Umhangs und <strong>de</strong>r<br />
Bekleidung zum Schlafen eingewickelt hatte. Verschlafen<br />
reibt sie sich <strong>de</strong>n Schlaf aus <strong>de</strong>n Augen und<br />
schaut sie nach ihren Gefährten und <strong>de</strong>m Händler<br />
um.<br />
In diesem Moment hört sie <strong>de</strong>n Aranier leise und heiser<br />
in einer Ihr unbekannten Sprache fluchen, während<br />
seine Knochen und Gelenke beim Strecken vernehmlich<br />
knacken.<br />
Von <strong>de</strong>m Gefluche wacht Ingalf auf, <strong>de</strong>r unter seiner<br />
Decke - in die auch noch Kawi gekrochen war, weil es<br />
<strong>de</strong>m Welpen zu kalt war - warm und gut geschlafen<br />
hat. Er streckt sich, gähnt ein- zweimal und setzt sich<br />
auf: "Moin!"<br />
"Guten Morgen", antwortet Rovena lächelnd und<br />
blickt zu <strong>de</strong>m Krieger hinüber. "Du solltest Dir bald<br />
einen heißes Getränk bereiten, Melachath. Deine<br />
Stimme klingt sehr heiser." Von ihren Heilkräutern<br />
könnte sie <strong>de</strong>m Aranier <strong>de</strong>n Satuarienbusch als Tee<br />
zur Stärkung anbieten, doch zuerst schaut sie sich<br />
nach <strong>de</strong>m Händler um. Vielleicht führt dieser auch<br />
wohltuen<strong>de</strong> Kräuter für einen Frühstückstee mit sich.<br />
Edric hat in <strong>de</strong>r Nacht nicht gut geschlafen. Es war<br />
kälter als er gedacht hatte. Das Kratzen in seinem<br />
Hals <strong>de</strong>utet darauf hin, dass die Tage, in <strong>de</strong>nen er je<strong>de</strong><br />
Nacht unter freiem Himmel geschlafen hat, lange vorbei<br />
sind … So blickt er sich erst einmal um, sein Blick<br />
sucht die Maultiere - die bittere Erinnerung, sie zurückgelassen<br />
zu haben kommt wie<strong>de</strong>r.<br />
Etwas missmutig steht Edric auf, sieht nach <strong>de</strong>m Feuer,<br />
und schürt dieses wie<strong>de</strong>r, damit es bald einen heißen<br />
Tee zum aufwärmen geben kann.<br />
Hesan<strong>de</strong>r gesellt sich zu <strong>de</strong>m Hirten und spricht ihn<br />
an. "Nun, mein Sohn, wie geht es Dir?"<br />
Ohort<br />
414<br />
Edric blickt nur kurz auf. "Die Nacht war kälter als erwartet,<br />
daher habe ich nicht richtig geschlafen. Und<br />
ich vermisse die Tiere", antwortet er.<br />
"Dann wärm' Dich am Feuer, trink etwas Heißes. Ich<br />
kann Dir für <strong>de</strong>n Tag meine Decke leihen", bietet ihm<br />
Hesan<strong>de</strong>r an.<br />
'Klar, damit Du sie nicht tragen musst, das wohl!' will<br />
Ingalf sagen, aber er besinnt sich eines Besseren und<br />
hält <strong>de</strong>n Mund.<br />
"Danke, aber das ist nicht nötig. Der Tag wird warm<br />
wer<strong>de</strong>n." meint Edric und <strong>de</strong>utet auf die Wolken.<br />
Er mustert <strong>de</strong>n Hirten eine Weile. "Der Verlust<br />
schmerzt Dich sicher", meint Hesan<strong>de</strong>r dann. "Vielleicht<br />
ist es Dir ein kleiner Trost, dass die Maultiere sicherlich<br />
noch leben und nicht für immer verloren<br />
sind."<br />
Edric schaut <strong>de</strong>n Geweihten aus großen Augen an.<br />
Das sind eigentlich immer seine Gedanken und seine<br />
Hoffnung. Nur dass darin nicht 'vielleicht' und 'sicherlich'<br />
vorkommen. Schließlich wur<strong>de</strong> ihm versprochen,<br />
die Tier nachzuholen!<br />
Schließlich nickt er nur.<br />
Diesem Wortwechsel folgt <strong>de</strong>r Magier stumm und<br />
setzt sich ebenfalls ans Feuer. 'Fehlt nur noch, dass er<br />
ihm verspricht, dass die Decke seinen Körper und <strong>de</strong>r<br />
Glaube seinen Geist wärmen wür<strong>de</strong>, pah!' Allerdings<br />
verliert er an diesem Morgen kein Wort.<br />
Nach einem kleinen Frühstück - <strong>de</strong>r heiße Kräutertee,<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Händler macht, tut <strong>de</strong>m Hals gut - geht es<br />
weiter. Schon nach einer halben Stun<strong>de</strong> zweigt ein<br />
Pfad nach rechts ab. "Hier geht es nach Ohort", erläutert<br />
Theires Zeel. "Gera<strong>de</strong>aus kommt ihr nach Enqui."<br />
"Was ist Enqui", fragt Edric, <strong>de</strong>m zwar <strong>de</strong>r Tee gut getan<br />
hat, aber <strong>de</strong>r sich von <strong>de</strong>r Nacht noch nicht erholt<br />
hat.<br />
Der Händler setzt zur Antwort an, aber Ingalf kommt<br />
ihm zuvor.<br />
"Bei Swafnir! Hast Du bei <strong>de</strong>r Hetfrau <strong>de</strong>n geschlafen?"<br />
meint Ingalf und schaut seinen Freund entgeistert<br />
an. "Enqui ist unser Ziel. Bis dorthin sollten wir<br />
das Orkland erkun<strong>de</strong>n. Das heißt doch nur noch<br />
Ohort und wir sich schon fertig, das wohl!"<br />
Theires Zeel nickt bestätigend.<br />
"Oh", Edric wirkt etwas geistesabwesend. "Du hast<br />
Recht."<br />
"Wir machen es wie im Spinnenbau - immer nach<br />
rechts, das wohl!" meint Ingalf und biegt mit <strong>de</strong>m<br />
Händler in Richtung Ohort.
"Und nicht nur <strong>de</strong>shalb", meint Rovena, die sich<br />
selbstverständlich <strong>de</strong>m Thorwaler in Richtung Ohort<br />
anschließt. "Denk an Nahemas Worte."<br />
"Jau, und an <strong>de</strong>n Schatz, das wohl!" stimmt ihr Ingalf<br />
zu.<br />
Nach einer Stun<strong>de</strong> en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Wald. Voraus erstreckt<br />
sich Wei<strong>de</strong>n- und Ackerland, und mittendrin liegt eine<br />
von Mauern umschlossene Stadt. Der Weg führt direkt<br />
auf die Stadt zu.<br />
Isinha überschattet seine Augen mit <strong>de</strong>r rechten Hand<br />
und brummt etwas, das durchaus "Nette Gegend!"<br />
hätte heißen können. Ganz sicher sind sich die Gefährten<br />
aber nicht. Überhaupt ist er während <strong>de</strong>s Marsches<br />
ziemlich ruhig, um nicht zu sagen schweigsam<br />
gewesen.<br />
"Schön viel Straßen, da fällt die Auswahl schwer, das<br />
wohl!" meint Ingalf als er <strong>de</strong>n weiteren Weg sieht.<br />
Auf <strong>de</strong>n Fel<strong>de</strong>rn sind "Leute" beim Arbeiten. Als sie<br />
die ankommen<strong>de</strong> Gruppe bemerken, kommen sie<br />
neugierig näher. Und so bekommen die Reisen<strong>de</strong>n die<br />
ersten Holberker zu Gesicht.<br />
Edric schaut interessiert zu <strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>n hinüber. Gemeinsamkeiten<br />
mit <strong>de</strong>n Orks sind unverkennbar.<br />
Je nach Geschmack kann man die Holberker als als<br />
abgrundtief hässliche Elfen o<strong>de</strong>r hübsche Orks beschreiben.<br />
Sie sind an allen sichtbaren Körperteilen<br />
(also auch im Gesicht) schwarz behaart, aber ihren<br />
Zügen fehlt die animalische Wildheit <strong>de</strong>r Orks. Tierfelle<br />
o<strong>de</strong>r lange, grob gestrickte Umhänge, sie durch<br />
breite Gürtel zusammengehalten wer<strong>de</strong>n, sind die<br />
Kleidung. Viele tragen Kurzschwerter o<strong>de</strong>r ähnliches<br />
an ihrer Seite o<strong>de</strong>r Spieße in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n.<br />
Doch, obwohl sie Orks ähnlich sehen, sind es keine.<br />
Sie verhalten sich gänzlich an<strong>de</strong>rs als die Orks, welche<br />
Edric kennt. Zwar hat er noch nie Kontakt mit seinem<br />
ganzen Stamm gehabt … Diese Holberker scheinen<br />
friedlich zu sein. Und sesshaft. Edric zweifelt aber<br />
nicht daran, dass <strong>de</strong>r orkische Teil in ihnen mit <strong>de</strong>n<br />
Waffen gut umgehen kann.<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r unter haarigen, grobschlächtigen Menschen<br />
aufgewachsen ist, beobachtet die Holberker neugierig<br />
aber gelassen. Seiner Meinung nach sind es nicht die<br />
hübschesten Lebewesen, die er in seinem Leben zu<br />
Gesicht bekommen hat, aber auch nicht die hässlichsten.<br />
Abwartend betrachtet <strong>de</strong>r Aranier die Holberker, versucht<br />
an Ihren Bewegungen zu erkennen, wie gewandt<br />
und fingerfertig sie sind, also, wie kampffähig.<br />
Die Holberker bewegen sich so, als ob sie gewohnt<br />
sind, die Waffen bei sich zu haben. Und sie sind muskulös.<br />
415<br />
"Du sagtest, sie sprechen kein Orkisch", spricht Edric<br />
<strong>de</strong>n Händler an. "Warum nicht? Weil sie es nicht können<br />
o<strong>de</strong>r nicht wollen?" will er wissen.<br />
"Ich glaube, sie wollen nicht. Sie halten sich wohl für<br />
etwas besseres", entgegnet Theires Zeel.<br />
Die Holberker schauen die Neuankömmlinge neugierig<br />
an. Keine Aggressivität ist zu spüren. Der Händler<br />
winkt <strong>de</strong>n Holberkern zu: "Da bin ich wie<strong>de</strong>r!" Als<br />
Antwort gibt es unverständliches Gemurmel.<br />
Hesan<strong>de</strong>r betrachtet die Holberker aufmerksam. Als<br />
er sieht, dass sie nicht feindselig sind, geht er nach <strong>de</strong>r<br />
Begrüßung durch <strong>de</strong>n Händler auf sie zu und begrüßt<br />
sie mit: "Die Zwölfe zum Gruße!"<br />
"… zum Gruße!" vernimmt Hesan<strong>de</strong>r die vorsichtige<br />
Antwort.<br />
Zurückhaltend betrachtet Rovena die Mischlinge dieser<br />
so unterschiedlichen Rassen und bemüht sich, aus<br />
<strong>de</strong>m Gemurmel etwas verständliches herauszuhören,<br />
<strong>de</strong>nn Begeisterung scheint daraus nicht hervorzugehen.<br />
Wie<strong>de</strong>r fragt sie sich, wie es wohl möglich war,<br />
dass Elfen und Schwarzpelze gemeinsame Nachkommen<br />
haben können.<br />
"… wur<strong>de</strong> ja auch Zeit …" ist ein Satzfetzen, <strong>de</strong>n Rovena<br />
versteht. Die Holberker gehen wie<strong>de</strong>r zurück an<br />
ihre Arbeit.<br />
Auf seinen Stab gestützt beobachtet Isinha die Szenerie,<br />
ohne sich an <strong>de</strong>n Gesprächen zu beteiligen o<strong>de</strong>r<br />
die Holberker zu grüßen.<br />
Ingalf stellt sich zu <strong>de</strong>m Magier und raunt ihm zu:<br />
"Na, was hältste von <strong>de</strong>nen? Auf je<strong>de</strong>n Fall haben sie<br />
'n guten Geschmack - sie mögen <strong>de</strong>n Geweihten nich',<br />
das wohl!"<br />
"Mhm." brummt <strong>de</strong>r Magier leise zurück. "Offenbar<br />
haben sie mehr von ihren elfischen Verwandten geerbt,<br />
als nur die Ohren." spielt er auf <strong>de</strong>n Unglauben<br />
<strong>de</strong>r Elfen an. "Je<strong>de</strong>nfalls macht sie das nicht unsympathisch.<br />
Für uns." fügt er schließlich nach einer kurzen<br />
Pause noch hinzu.<br />
Ingalf grinst und wartet das weitere Geschehen ab.<br />
Ohne Zwischenfall erreichen die Hel<strong>de</strong>n das offen<br />
stehen<strong>de</strong> Stadttor. Rechts und links davon sind zwei<br />
mächtige Tortürme und weitere Mauern, die sicher<br />
einmal die Stadt schützten. Jetzt stehen sie aber einfach<br />
nur da. Die Turmdächer sind eingestürzt, und<br />
auch mit <strong>de</strong>r Mauer sieht es nicht viel besser aus. Das<br />
Tor ist unbewacht.<br />
"Seltsam, dass die Bewohner einer Stadt selbige offenbar<br />
so verfallen lassen", kommentiert Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Anblick.<br />
"Vielleicht gefällt ihnen die Mauer nich' mehr", meint<br />
Ingalf, "o<strong>de</strong>r die Maurer gestorben, das wohl!"
"So, meine Freun<strong>de</strong>, unsere Wege trennen sich jetzt.<br />
Ich will zum Statter, allein", kommt es unvermittelt<br />
von Theires Zeel.<br />
"Und wohin, ist Euer Rat, wen<strong>de</strong>n wir uns am<br />
Besten?" fragt Rovena <strong>de</strong>n Händler, während sie beim<br />
Betreten <strong>de</strong>r Stadt befrem<strong>de</strong>t die maro<strong>de</strong>n Bauten betrachtet.<br />
'Wer hat diese Wehrmauern wohl gebaut und<br />
warum verkommen sie so?' fragt auch sie sich, wie <strong>de</strong>r<br />
Geweihte, im Stillen.<br />
"Hm." Theires Zeel kratzt sich am Kopf. "Das hängt<br />
davon ab, was ihr hier vorhabt. Wenn ihr plant, länger<br />
hier zu bleiben, solltet ihr <strong>de</strong>m Statter einen Höflichkeitsbesuch<br />
abstatten."<br />
"Wer o<strong>de</strong>r was ist dieser Statter?" fragt Ingalf <strong>de</strong>n<br />
Händler.<br />
"Der Scheff vons Janze." Theires Zeel räuspert sich.<br />
"Das Stadtoberhaupt. Mit ihm han<strong>de</strong>le ich."<br />
"Und wo wer<strong>de</strong>n wir ihn fin<strong>de</strong>n?" fragt Edric, da <strong>de</strong>r<br />
Händler ja <strong>de</strong>utlich gesagt hat, er will dort alleine hin.<br />
"Immer gera<strong>de</strong>aus. Die Burg ist nicht zu verfehlen."<br />
Theires Zeel macht sich zum Weiterfahren bereit.<br />
"Die Burg …" fragt <strong>de</strong>r junge Hirte irritiert nach.<br />
"Wo kommst Du <strong>de</strong>nn her Junge? Eine Stadt bei einer<br />
Burg zu bauen, ist noch wirklich das Normalste, was<br />
es gibt." Der Händler zieht achselzuckend los.<br />
Direkt hinter <strong>de</strong>r Stadtmauer stehen baufällige Hütten.<br />
Sie sind offensichtlich bewohnt. Dann kommen<br />
dicht an dicht stehen<strong>de</strong> zweistöckige Häuser, die auch<br />
alle schon lange bessere Tage gesehen haben. Eine alte<br />
gepflasterte Straße führt Richtung Stadtmitte.<br />
Ingalf schaut sich die Gassen an. 'Sind wohl doch alle<br />
Maurer gestorben …'<br />
Melachath kratzt sich unvermittelt am Kinn und wen<strong>de</strong>t<br />
sich <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zu. "Mir kommt das Ganze hier<br />
sehr merkwürdig vor, fast wie die schwarze Seite aus<br />
'Tausend und Einem Dschinn'."<br />
Mit unsicherem Gefühl betrachtet Edric die Baulichkeiten.<br />
"Was veranlasst die Holberker, hier zu wohnen",<br />
fragt er leise, <strong>de</strong>nn in dieser Stadt fühlt er sich<br />
unwohl.<br />
"Wahrscheinlich das, was <strong>de</strong>r Händler uns gestern erzählt<br />
hat." mischt sich Isinha seit geraumer Zeit das<br />
erste Mal wie<strong>de</strong>r zum Thema ein. "Wenn Du keins<br />
hast, ist Dir je<strong>de</strong>s Dach über <strong>de</strong>m Kopf recht. Ich nehme<br />
an, die Holberker haben diese Stadt nicht erbaut,<br />
son<strong>de</strong>rn sind in die verlassenen Hütten und Häuser<br />
nur eingezogen, als <strong>de</strong>ren Erbauer sie bereits seit längerem<br />
verlassen hatten. Anzunehmen ist weiter, dass<br />
sie selbst das Handwerk <strong>de</strong>s Mauerns nicht erlernt haben<br />
und höchstens Zimmerer haben. Diese können<br />
aber steinerne Häuser kaum lange ausbessern und erhalten.<br />
Also verfällt alles weiter." fasst <strong>de</strong>r Magier seine<br />
bisherigen Beobachtungen zusammen.<br />
416<br />
"Da bisher noch niemand von uns, <strong>de</strong>r nicht göttlicher<br />
Eingebung <strong>de</strong>r Hesin<strong>de</strong> unterliegt, von <strong>de</strong>n Holberkern<br />
gehört hat, obwohl wir aus so vielen Teilen Deres<br />
stammen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass<br />
wir hier auf die erste - und wohl bislang auch einzige<br />
-", er schickt einen vernichten<strong>de</strong>n Seitenblick zu Hesan<strong>de</strong>r,<br />
"Siedlung dieser Holberker gestoßen sind."<br />
"So wird es wohl sein", murmelt Rovena vor sich hin,<br />
während sie ihre Sachen, <strong>de</strong>n Tuchbeutel mit ihren<br />
Kräutern und die Woll<strong>de</strong>cke, vom Karren <strong>de</strong>s Händlers<br />
herunter holt.<br />
"Die erste und möglicherweise einzige Siedlung - korrekt.<br />
Aber wir sind beileibe nicht die Ersten, die sie zu<br />
Gesicht bekommen haben - quod erat <strong>de</strong>monstrandum<br />
- vi<strong>de</strong> mercatorem!" antwortet Hesan<strong>de</strong>r trocken.<br />
"Sogar <strong>de</strong>m Händler dürfte es neu sein, für die Hetfrau<br />
in Thorwal zu arbeiten." erwi<strong>de</strong>rt Isinha ungerührt.<br />
"Alle an<strong>de</strong>ren, die aus <strong>de</strong>r Zivilisation kamen<br />
und dahin zurück gekehrt sind, haben gera<strong>de</strong> nicht<br />
davon berichtet. Einen Beweis habt Ihr damit nicht<br />
geführt. Und mit weisen Sprüchen wird <strong>de</strong>r auch<br />
nicht geführt wer<strong>de</strong>n können." fügt er schließlich hinzu.<br />
Hesan<strong>de</strong>r ignoriert <strong>de</strong>n Magus.<br />
Rovena meint dann, zurück bei ihren Gefährten: "Ich<br />
<strong>de</strong>nke auch, dass sie sich vor <strong>de</strong>n Elfen und <strong>de</strong>n Orksippen<br />
zurückgezogen haben, bei <strong>de</strong>nen sie wahrscheinlich<br />
nicht erwünscht sind, und hier in die Abgeschie<strong>de</strong>nheit<br />
auf eine Siedlung gestoßen sind, die sie<br />
sich als ihre Heimat ausgewählt haben. Doch wer mag<br />
diese Stadt erbaut haben, von <strong>de</strong>r man bisher nichts<br />
wusste? ." Auch dies ist eine Frage, auf die sie noch<br />
keine Antwort weiß. "Vielleicht können wir das ja bei<br />
diesem Stadtoberhaupt erfahren. Wie heißt er <strong>de</strong>nn?"<br />
fragt sie Theires noch, bevor sich dieser davon machen<br />
kann.<br />
Der Händler <strong>de</strong>nkt kurz nach: "Frajo Krinak, glaube<br />
ich. Ich re<strong>de</strong> ihn immer mit 'Statter' an. Das gefällt<br />
ihm."<br />
"Dann sollten wir das auch tun", antwortet die Hexe<br />
und nickt Theires freundlich zu.<br />
"Und wenn das so weiter verfällt, dann wer<strong>de</strong>n wir<br />
wohl auch die letzten sein, das wohl!" meint Ingalf<br />
und schaut sich die verfallenen Hütten und Häuser<br />
im Vorbeigehen genauer an. Denn nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Händler gesagt hat, wo <strong>de</strong>r Statter zu fin<strong>de</strong>n ist, hat er<br />
sich in diese Richtung aufgemacht.<br />
Und damit folgt er Theires Zeel. Der legt allerdings<br />
ein eiliges Tempo vor.<br />
Die Häuser sehen wirklich so aus, als ob an ihnen<br />
schon lange nichts mehr gemacht wur<strong>de</strong>. Bei <strong>de</strong>n<br />
Hütten ist die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re notdürftige Reparatur<br />
zu sehen.
Einige Holberker-Kin<strong>de</strong>r sind die ersten Einheimischen,<br />
die direkt auf die Gruppe zulaufen. "Süßes! Süßes!"<br />
rufen sie.<br />
Spontan durchzuckt Isinha ein "lustiger" Gedanke:<br />
'Was wohl passiert, wenn ich auf Hesan<strong>de</strong>r zeige und:<br />
rufe?' Da die Gruppe aber we<strong>de</strong>r<br />
Naschwerk mit sich führt, noch er davon ausgeht, dass<br />
hier mit <strong>de</strong>n üblichen Zahlungsmitteln etwas Derartiges<br />
käuflich zu erwerben sein wird, sagt er nichts und<br />
geht auch nicht auf die fellbewachsenen Bälger ein.<br />
"Mönsch Kinners! Da seit ihr bei uns an die falschen<br />
geraten, das wohl!" meint Ingalf als die Kin<strong>de</strong>r auf sie<br />
zugelaufen kommen. Er kniet sich hin und streichelt<br />
<strong>de</strong>n Holberkerkin<strong>de</strong>rn über <strong>de</strong>n Kopf. "Nee, ihr Lütten,<br />
ihr solltet mal hinter <strong>de</strong>m Mann mit <strong>de</strong>m Karren<br />
herlaufen, <strong>de</strong>r hat was Süßes, das wohl!"<br />
"Jaaa!" Mit Jubelgeschrei rennen die Kin<strong>de</strong>r hinter<br />
<strong>de</strong>m Händler her.<br />
Ingalf grinst über alle Backen und schaut <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn<br />
hinterher. "So, die wären wir los, das wohl!"<br />
Edric schaut <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn schmunzelnd hinterher,<br />
dann fragt er: "Was mein ihr, wo könnten wir <strong>de</strong>n<br />
schlausten, ehrgeizigsten und gewissenlosesten Bewohner<br />
<strong>de</strong>r Stadt fin<strong>de</strong>n? Kann damit <strong>de</strong>r Statter gemeint<br />
sein?"<br />
"Wäre das nicht zu einfach?" fragt Ingalf seinen<br />
Freund. "Aber die Knirpse kriegen von unserem<br />
Freund Theires eh nix geschenkt, dann können wir<br />
mit ein wenig Süßigkeiten uns ein paar gute Freun<strong>de</strong><br />
machen, das wohl! Und die Lütten kennen alles und<br />
je<strong>de</strong>n, bei Swafnir!"<br />
Beim langsamen Vorangehen fällt nach und nach allen<br />
auf, dass auf fast je<strong>de</strong>m Haus ein Zeichen mir roter<br />
Farbe gemalt ist - eine stilisierte Ratte.<br />
Edric stutzt und versucht Genaueres zu erkennen,<br />
Unterschie<strong>de</strong> zu fin<strong>de</strong>n: Sind die markierten Häuser<br />
bewohnt die an<strong>de</strong>ren nicht? Vielleicht be<strong>de</strong>utet das<br />
Rattensymbol aber auch auf die Zugehörigkeit zu einer<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Sippen hin …<br />
Ob alle Häuser bewohnt sind, ist im Vorbeigehen<br />
nicht zu sehen, aber es scheinen sowohl unmarkierte<br />
als auch markierte Häuser bewohnt zu sein.<br />
Hesan<strong>de</strong>r versucht im Vorbeigehen eine Systematik in<br />
<strong>de</strong>n Markierungen zu erkennen. Sind nur die Häuser<br />
auf einer Straßenseite o<strong>de</strong>r einem "Viertel" markiert?<br />
Gibt es Zusammenhänge zwischen Bauzustand und<br />
Markierung?<br />
Da Hesan<strong>de</strong>r nichts weiter auffällt, geht er auf einen<br />
ihm entgegenkommen<strong>de</strong>n Holberker zu und fragt ihn<br />
mit <strong>de</strong>n Worten: "Sagt, wie kommt es, dass einige<br />
Häuser Eurer Stadt mit diesem Symbol" - Hesan<strong>de</strong>r<br />
zeigt mit <strong>de</strong>m Finger darauf - "markiert sind und an<strong>de</strong>re<br />
nicht?"<br />
417<br />
Der Holberker zuckt erschreckt zurück, als da auf einmal<br />
<strong>de</strong>r grüngeklei<strong>de</strong>te Mensch forschen Schrittes auf<br />
ihn zu kommt, dreht sich um und verschwin<strong>de</strong>t um<br />
die nächste Ecke.<br />
'Die mögen ihn wirklich nich'!' Ingalf kann kaum das<br />
Grinsen unterdrücken.<br />
"Hmm, wie heißen die bei<strong>de</strong>n Clans?" fragt Ingalf bei<br />
<strong>de</strong>n Gefährten nach. "Hatte das irgendwas mit Ratten<br />
zu tun?"<br />
"Die bei<strong>de</strong>n Sippen hießen Ro<strong>de</strong>k und Krinak." erinnert<br />
sich Isinha. "Es könnte sich dabei um eine Art<br />
'Wappentier' han<strong>de</strong>ln." stellt er seine Vermutung in<br />
<strong>de</strong>n Raum.<br />
Rovena nickt bestätigend. "Richtig, und das mit <strong>de</strong>m<br />
Wappentier könnte möglich sein. Das Stadtoberhaupt,<br />
<strong>de</strong>r Statter ist je<strong>de</strong>nfalls ein gewisser Frajo Krinak, aus<br />
<strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n Sippe." Sie schaut Edric an, <strong>de</strong>r behauptet,<br />
Orkisch zu verstehen. "Be<strong>de</strong>utet Krinak etwa<br />
Ratte?" fragt sie <strong>de</strong>n Hirten.<br />
"We<strong>de</strong>r Krinak und Ro<strong>de</strong>k sind Worte die ich aus <strong>de</strong>m<br />
orkischen kenne", erwi<strong>de</strong>rt Edric.<br />
"Wenn die Krinaks die führen<strong>de</strong> Sippe is', wür<strong>de</strong>st Du<br />
Dir dann 'ne Ratte als Wappentier aussuchen?" fragt<br />
Ingalf skeptisch die Hexe. "Die Ratte wür<strong>de</strong> ich für die<br />
Verlierer nehmen, das wohl!"<br />
"Du vielleicht, aber ich bezweifele, dass wir bei diesen<br />
Holberkern von unseren Vorstellungen ausgehen können",<br />
antwortet ihm Rovena nach<strong>de</strong>nklich. "Schließlich<br />
stammen sie von an<strong>de</strong>ren Kulturen ab, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Ja. Möglicherweise sind Ratten hier eine Delikatesse<br />
und sie dienen als Zeichen <strong>de</strong>s Wohlstands: 'Bei uns<br />
kommt täglich Ratte auf <strong>de</strong>n Tisch.' An<strong>de</strong>rerseits kann<br />
eine rote Ratte auch heißen: 'Tritt nicht ein, wir haben<br />
die Duglumspest im Haus!' Wie <strong>de</strong>m auch sei, wir<br />
wer<strong>de</strong>n es schon herausfin<strong>de</strong>n." antwortet <strong>de</strong>r Magier<br />
auf Rovenas Frage.<br />
Sie hält Ausschau nach weiteren Bewohnern dieser<br />
seltsamen Ansiedlung.<br />
Ja, da sind einige. Die Stadt ist offensichtlich gut bevölkert.<br />
Als sich Rovena umschaut, sieht sie in ihrem<br />
Blickfeld mehr als zwei Dutzend Holberker je<strong>de</strong>n Alters<br />
und bei<strong>de</strong>rlei Geschlechtes.<br />
Alle Sinne <strong>de</strong>s Araniers spannen sich, während er<br />
geht, dreht er sich in alle Richtungen und versucht,<br />
möglichst viel wahrzunehmen.<br />
Ihm fällt nichts weiter auf.<br />
Ingalf schaut sich wie die Gefährten nach <strong>de</strong>n Holberkern<br />
um, wenn er unter ihnen ein paar <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
wie<strong>de</strong>rerkennt, geht er auf diese zu.<br />
Die Kin<strong>de</strong>r sind wohl alle <strong>de</strong>m Händler hinterher,<br />
und <strong>de</strong>r ist bereits außer Sicht.<br />
Hesan<strong>de</strong>r wird bei Gelegenheit einen neuen Versuch<br />
starten, einen Holberker zu fragen. Diesmal wird er
nicht forschen Schrittes auf einen Holberker zugehen,<br />
son<strong>de</strong>rn einen ausspähen, <strong>de</strong>r von sich aus Interesse<br />
an <strong>de</strong>r Reisegruppe zeigt.<br />
Die Gruppe wird von überall her beäugt, aus Türöffnungen,<br />
Fensterhöhlen o<strong>de</strong>r einfach von <strong>de</strong>r Straße.<br />
Gewarnt durch die Schreckhaftigkeit <strong>de</strong>r Bewohner<br />
dieser Stadt, die sich bei Hesan<strong>de</strong>rs Versuch, in Kontakt<br />
mit ihnen zu treten, gezeigt hat, schaut sich Rovena<br />
die sie beobachten<strong>de</strong>n Holberker genau an und<br />
sucht sich eine kleine Gruppe Frauen aus, die sie neugierig<br />
anstarren. Mit einem Lächeln auf <strong>de</strong>n Lippen<br />
und bedächtig geht sie auf diese zu, das Sonnenlicht<br />
lässt die silbernen Strähnen in ihren blauschwarzen<br />
Haaren bei je<strong>de</strong>m ihrer Schritte aufblitzen. In einiger<br />
Entfernung zu ihnen hält sie auf ihren Stab gestützt<br />
an und neigt <strong>de</strong>n Kopf zum Gruß.<br />
Einen Moment hält sie inne und wartet ab, wie die<br />
Frauen reagieren, bevor sie diese höflich anspricht.<br />
"Ich grüße euch, Frauen dieser Ansiedlung. Wir kommen<br />
von weit her und suchen ein Quartier für die<br />
Nacht sowie eine Mahlzeit, um unseren Hunger zu<br />
stillen. Fin<strong>de</strong>n wir bei euch Aufnahme?"<br />
Einen Moment hat es <strong>de</strong>n Anschein, dass die Frauen<br />
erschreckt das Weite suchen wollen, aber dann besinnt<br />
sich eine Holberkerin. "Am besten fragst Du <strong>de</strong>n Statter."<br />
Sie überlegt noch einen Moment. "Ja, am besten<br />
geht ihr zum Statter", bestätigt sie sich dann. Die an<strong>de</strong>ren<br />
Frauen nicken.<br />
Wie<strong>de</strong>r neigt Rovena höflich <strong>de</strong>n Kopf. Die Schreckhaftigkeit<br />
dieser Geschöpfe ist wirklich auffällig. "Ich<br />
danke dir für diese Auskunft", antwortet sie ruhig und<br />
freundlich. "Fin<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>n Statter in einem dieser<br />
Häuser mit diesem roten Symbol <strong>de</strong>r Ratte?" fragt sie<br />
möglichst unbedarft weiter.<br />
Die Erwähnung <strong>de</strong>s Rattensymbols hat zur Folge,<br />
dass alle Frauen sich mit Zeige- und kleinem Finger<br />
an die Stirn fassen. "Böses Zeichen", erklärt die Frau.<br />
"Es ist auch an <strong>de</strong>r Burg." Sie macht die Geste noch<br />
einmal.<br />
Da er keine bekannten Kin<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>cken kann, wen<strong>de</strong>t<br />
sich Ingalf nun Rovena und <strong>de</strong>n Holberkerfrauen<br />
zu.<br />
"An <strong>de</strong>r Burg habt ihr auch die Ratten? Und sie sind<br />
ein böses Zeichen?" fragt er neugierig. "Gibt es <strong>de</strong>nn<br />
auch ein gutes Zeichen? Und wer will <strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Statter<br />
Böses? Und was heißt eigentlich böses Zeichen?"<br />
Die Frauen reagieren auf Ingalf ein wenig zurückhaltend.<br />
Es ist nicht klar, ob sie antworten wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn<br />
bevor es dazu die Möglichkeit gibt, kommen drei<br />
männliche Holberker an. Einer knurrt: "He, Frem<strong>de</strong>r,<br />
lass' unsere Frauen in Ruhe!"<br />
"Kein Problem, das wohl!" er hebt beschwichtigend<br />
die Hän<strong>de</strong>. "Ich hatte nur ein paar Fragen, aber Freun-<br />
418<br />
<strong>de</strong>, die könnt ihr mir doch sicherlich auch beantworten."<br />
Er setzt sein freundlichstes Lächeln auf und wie<strong>de</strong>rholt<br />
die Fragen gegenüber <strong>de</strong>n drei Männern.<br />
Die drei legen ihre Hän<strong>de</strong> an ihre Waffen. "Sag mal,<br />
hast Du Bohnen in <strong>de</strong>n Ohren?" Weitere Holberker<br />
nähern sich <strong>de</strong>r Szene.<br />
"Lasst die Waffen ruhen", for<strong>de</strong>rt Rovena die drohen<strong>de</strong>n,<br />
gar nicht mehr schreckhaft wirken<strong>de</strong>n Holberker<br />
beschwichtigend auf und tritt vor ihre Gefährten. Aufmerksam<br />
mustert sie die drei Gestalten und überlegt<br />
dabei, ob es sich bei diesen wohl um Angehörige <strong>de</strong>r<br />
dominieren<strong>de</strong>n Sippe han<strong>de</strong>ln könnte.<br />
Die drei sind bewaffnet, und die Näherkommen<strong>de</strong>n<br />
sind auch bewaffnet.<br />
Isinha ist während<strong>de</strong>ssen von seinen Gefährten unbemerkt<br />
direkt hinter Rovena getreten und überragt sie<br />
um einiges. "Nur die Ruhe. Niemand will euch o<strong>de</strong>r<br />
euren Frauen Böses!" beschwichtigt er die drei. Sein<br />
weißes Haar umwallt seinen Kopf wie eine Rauchwolke,<br />
<strong>de</strong>r Mantel und die Robe bauschen leicht im Wind.<br />
Die Holberker treten einen Schritt zurück. Respektvoll<br />
schauen sie Isinha an.<br />
"Ich habe mir erlaubt, sie zu fragen, ob wir hier in dieser<br />
Stadt eine Unterkunft fin<strong>de</strong>n können. Niemand<br />
will ihnen zu nahe treten. Wir suchen <strong>de</strong>n Statter, um<br />
seine Erlaubnis zu erbeten, hier einkehren zu können,<br />
und haben von <strong>de</strong>m Zeichen <strong>de</strong>r Ratte gehört, welches<br />
auch an <strong>de</strong>r Burg sein soll. Könnt ihr uns, während<br />
ihr uns dorthin begleitet, erklären, was es damit auf<br />
sich hat?" fragt sie freundlich mit einem aufgesetzten<br />
Lächeln.<br />
Jetzt machen auch die männlichen Holberker das son<strong>de</strong>rbare<br />
Zeichen.<br />
Sie fragt sich, was das wohl für ein Abwehrzeichen ist,<br />
mit <strong>de</strong>m sich die Frauen anscheinend vor <strong>de</strong>m bösen<br />
Symbol <strong>de</strong>r Ratte schützen wollten. Zu gerne hätte sie<br />
die Zeit, die Frauen noch danach zu fragen.<br />
Da Rovena einlenkt, hält sich Ingalf erstmal zurück.<br />
Es steht ja noch nicht im Interesse <strong>de</strong>r Gefährten mit<br />
<strong>de</strong>n Holberkern Streit anzufangen.<br />
"Zum Statter geht's da lang!" Einer <strong>de</strong>r Holberker<br />
zeigt die Richtung zur Stadtmitte. "Und die Ratte<br />
zeigt, wo Krankheit ist."<br />
'Also doch!' <strong>de</strong>nkt sich <strong>de</strong>r Magier seinen Teil.<br />
"Eine Krankheit?" Die Hexe horcht auf, schaut dabei<br />
aber in die Richtung, die ihr von <strong>de</strong>m Holberker gewiesen<br />
wird.<br />
Da liegt die Hauptstraße in Richtung Stadtmitte. In<br />
einiger Entfernung gabelt sie sich.<br />
"Unter welchen Beschwer<strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>n die Erkrankten?<br />
Und hilft dieses Zeichen <strong>de</strong>nn gegen eine Anste-
ckung?" fragt sie besorgt nach, nach<strong>de</strong>m sie sich <strong>de</strong>m<br />
Sprecher wie<strong>de</strong>r zugewandt hat.<br />
"Woran lei<strong>de</strong>n die Kranken?" fragt Hesan<strong>de</strong>r. "Vielleicht<br />
ist es möglich ihnen zu helfen."<br />
Rovena hat die gleiche Frage gestellt, und ihr wird<br />
geantwortet.<br />
Der Angesprochene <strong>de</strong>nkt einen Moment nach: "Sie<br />
sind mü<strong>de</strong>, matt, können nur noch liegen. Schwindlig<br />
und ängstlich. Niemand weiß, wie das Zeichen da<br />
hinkommt."<br />
'Klingt nach 'nem starken Kater, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf.<br />
'Vielleicht verkauft irgendjemand - außer Theires<br />
- doch Alkohol …'<br />
Der Magier ringt sich zu einem leichten Lächeln<br />
durch: "Danke. Wir …" er macht ein Zeichen zu <strong>de</strong>m<br />
Geweihten hin, "wer<strong>de</strong>n sehen, ob wir helfen können.<br />
Wenn Ihr das wollt." fügt er noch hinzu. Er will we<strong>de</strong>r<br />
sich noch die Hilfe <strong>de</strong>r Gefährten aufdrängen. Die<br />
Entscheidung liegt bei <strong>de</strong>n Holberkern. "Aber das sollten<br />
wir wohl mit <strong>de</strong>m Statter besprechen. Führt uns<br />
bitte zu ihm und kündigt unser Erscheinen an." for<strong>de</strong>rt<br />
er <strong>de</strong>n ihm am nächsten stehen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r männlichen<br />
Holberker auf.<br />
'Na, dann zeig mal, wie viel Weisheit Hesin<strong>de</strong> Dir beschert<br />
hat!' <strong>de</strong>nkt er an Hesan<strong>de</strong>rs Beteiligung für die<br />
Ergründung <strong>de</strong>r Krankheit.<br />
Der Holberker steht einen Moment unschlüssig da,<br />
dann entschei<strong>de</strong>t er sich: "Gut, kommt mit."<br />
Edric ist erleichtert, dass sich die Situation wie<strong>de</strong>r entspannt<br />
hat und Handgemenge daraus gewor<strong>de</strong>n ist.<br />
Während er <strong>de</strong>r Gruppe folgt, schaut er sich die Gebäu<strong>de</strong><br />
an.<br />
Die Gruppe wird die Straße entlang geführt. Alle Gebäu<strong>de</strong><br />
hier sind in einem stark verfallenen Zustand.<br />
Teilweise sind die Ruinen fast bis auf die Grundmauern<br />
eingestürzt, teilweise sind nur die Dächer eingebrochen,<br />
und die Erdgeschosse wer<strong>de</strong>n noch von <strong>de</strong>n<br />
Holberkern genutzt. An einer Straßenecke steht ein<br />
etwas größeres Gebäu<strong>de</strong>. Geruch und Geräusche lassen<br />
nur einen Schluss zu: Hier wird Vieh gehalten.<br />
Über <strong>de</strong>r großen Eingangstür sind die Worte: Wir lernen<br />
für Daimon eingemeißelt.<br />
419<br />
"Wer o<strong>de</strong>r was ist 'Daimon'?" fragt Isinha <strong>de</strong>n Anführer<br />
<strong>de</strong>r Gruppe.<br />
"Hä?" ist die Reaktion <strong>de</strong>s Anführers. Er bleibt stehen<br />
und schaut Isinha verständnislos an.<br />
"Na dort." auch Isinha bleibt stehen und weist mit<br />
<strong>de</strong>m Finger auf die Inschrift. "Da steht: 'Wir lernen für<br />
Daimon'."<br />
"Ach, die Unebenheiten be<strong>de</strong>uten etwas?" Die Holberker<br />
sind weiterhin verwirrt. Da grinst <strong>de</strong>r Sprecher<br />
plötzlich breit: "Du willst uns hochnehmen, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Nein." Isinha wirkt leicht konsterniert.<br />
Rovena schaut erst <strong>de</strong>n Holberker, dann Elgar an. "Er<br />
kann nicht lesen, Isinha. Die Inschrift stammt bestimmt<br />
aus einer Zeit, bevor diese Leute <strong>de</strong>n Ort hier<br />
bezogen haben. Dies könnte eine Schule gewesen<br />
sein. Nur, wer war dieser Daimon?"<br />
"Was steht da?" fragt Edric, als er die Schriftzeichen<br />
sieht.<br />
"Da steht wir lernen für Daimon", erklärt ihm Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Ich bin mir noch nicht vollständig im Klaren darüber,<br />
was das konkret heißen mag."<br />
Edric ist froh, dass die Schriftzeichen vorgelesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Dass die Holberker nicht lesen können, erstaunt<br />
ihn jedoch. Klar, auch er kann es nicht, doch wer sollte<br />
dann die Inschrift dort in Garethi hinterlassen haben?<br />
Das ist doch Garethi? Zumin<strong>de</strong>st die einzelnen<br />
Zeichen kommen ihm bekannt vor. Orks waren es sicher<br />
nicht, die haben eine eigene Sprache. Genauso<br />
wie die Elfen, von <strong>de</strong>n die Holberker ja auch abstammen<br />
… Also ist dies entwe<strong>de</strong>r eine alte mittelreichische<br />
Siedlung, o<strong>de</strong>r die Holberker verfügten einmal<br />
über höheres Wissen.<br />
Sie wen<strong>de</strong>t sich an <strong>de</strong>n Holberker. "Als ihr hierher<br />
kamt, wer lebte in dieser Stadt?" fragt sie <strong>de</strong>n Mann.<br />
Die kraus gezogene Stirn <strong>de</strong>s Holberkers <strong>de</strong>utet darauf<br />
hin, dass er nicht gewöhnt ist, lange nachzu<strong>de</strong>nken.<br />
Dann erhellt sich seine Miene. "Schon immer."<br />
'Die Häuser verfallen, die können nicht mehr lesen<br />
…' <strong>de</strong>nkt Ingalf, 'Mann, sind die hier alle verblö<strong>de</strong>t?!'<br />
Er geht zu Edric und flüstert ihm seine Vermutung ins<br />
Ohr.
"Schon immer?" wie<strong>de</strong>rholt Rovena die Worte verwun<strong>de</strong>rt.<br />
"Habt ihr dann diese Stadt erbaut?" will sie<br />
neugierig wissen.<br />
"Weiß ich nicht", antwortet <strong>de</strong>r Holberker. "Vielleicht<br />
weiß das <strong>de</strong>r Statter."<br />
"Gut. Wir wer<strong>de</strong>n ihn fragen." mischt sich Isinha wie<strong>de</strong>r<br />
ein, <strong>de</strong>r kurz über die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Inschrift ins<br />
Grübeln geraten und seine Umgebung - mal wie<strong>de</strong>r -<br />
vergessen zu haben schien. 'Wenn es hier Hinweise<br />
gegeben haben mag, dürften die mittlerweile alle verschwun<strong>de</strong>n<br />
sein. Wenn sich schon erwachsene Holberker<br />
nicht mehr daran erinnern, dass es mal an<strong>de</strong>rs<br />
gewesen ist, dürfte diese Zeit schon lange vorbei sein.'<br />
"Kommt, führt uns weiter." for<strong>de</strong>rt er zum Gehen auf.<br />
Es entwickelt sich eine kleine Prozession, die die Hel<strong>de</strong>n<br />
zur Stadtmitte begleitet. Hier steht, umfasst von<br />
einer Mauer in Form eines Oktogons, die Burg. Es<br />
gibt nur einen Eingang im Westen, <strong>de</strong>r von zwei sehr<br />
muskulösen Holberkern versperrt wird, die Hellebar<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n tragen.<br />
Edric ist ein wenig unwohl inmitten dieser Prozession<br />
… wie immer, wenn viele Menschen auf einem Fleck<br />
sind. Vor <strong>de</strong>r Burg hält er Ausschau nach <strong>de</strong>m Wagen<br />
<strong>de</strong>s Händlers.<br />
Der Wagen <strong>de</strong>s Händlers ist nicht zu sehen, <strong>de</strong>r Eingang<br />
ist aber breit genug, <strong>de</strong>n Wagen durchzulassen.<br />
Wie selbstverständlich macht Isinha eine Bewegung<br />
mit <strong>de</strong>r freien rechten Hand und <strong>de</strong>utet an, die Wachen<br />
mögen beiseite treten. "Mel<strong>de</strong>t <strong>de</strong>m Statter unsere<br />
Ankunft. Wir sind die Gesandten <strong>de</strong>r Hetfrau<br />
Garhelt zu Thorwal." stellt er sich und die Gefährten<br />
in angemessen erhabenem Tonfall vor.<br />
420<br />
"Kennst Du eine Hetfrau Garhelt zu Thorwal?" fragt<br />
einer <strong>de</strong>r Wachleute <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. "Nö, und weißt Du<br />
was Gesandte sind?" antwortet <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re.<br />
Daraufhin fragt <strong>de</strong>r erste Wachmann die Gruppe:<br />
"Was sind Gesandte?"<br />
"Oh, Erhabener <strong>de</strong>r Steppe. Gesandte wer<strong>de</strong>n von einem<br />
Herrscher zum an<strong>de</strong>ren gesandt, geschickt, um<br />
von einan<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> zu tun."<br />
Eigentlich war Isinha drauf und dran, <strong>de</strong>m Holberker<br />
zu antworten, dass er die Gesandten vor sich sähe und<br />
<strong>de</strong>mgemäß doch klar erkennen könne, was sie seien.<br />
Die Erklärung von Melachath scheint ihm bei näherer<br />
Betrachtung für die bei<strong>de</strong>n Hohlköp… äh Holberker<br />
besser geeignet zu sein. Daher ergänzt er: "Richtig.<br />
Wir sind hier, um von Eurem Statter Kun<strong>de</strong> zu seiner<br />
-" er macht mit <strong>de</strong>m Daumen ein Zeichen zu Ingalf<br />
hin - "Herrscherin zu bringen. Und so bringen wir<br />
auch <strong>de</strong>m Statter Kun<strong>de</strong>. Also lasst uns durch und<br />
mel<strong>de</strong>t endlich unsere Ankunft. Euer Statter hat bereits<br />
auf uns gewartet - er weiß es nur noch nicht!"<br />
"Genau!" stimmt ihm Ingalf zu. "Wir kommen von<br />
meinem Statter und wollen zu eurem Statter, das<br />
wohl! Is' doch ganz einfach, o<strong>de</strong>r?"<br />
Bislang haben die Holberker nur verständnislos zugehört,<br />
aber Ingalfs Erklärung leuchtet ihnen anscheinend<br />
ein. "Aha!" antwortet <strong>de</strong>r erste. "Alles klar." Um<br />
dann hinzuzufügen: "Warum?"<br />
"Weil man das so macht, das wohl!" antwortet Ingalf<br />
lakonisch. Dann fragt er mit gespielter Enttäuschung<br />
nach: "Das hast Du nicht gewusst?"<br />
'Bis die bei<strong>de</strong>n das begriffen haben, liegt <strong>de</strong>r erste<br />
Schnee …' stöhnt <strong>de</strong>r Magier innerlich auf, als er bemerkt,<br />
dass die bei<strong>de</strong>n offensichtlich nur wegen ihrer
Muskeln hier stehen, die alles an<strong>de</strong>re verdrängt zu haben<br />
scheinen.<br />
Das verwirrt die Holberker offensichtlich, aber Melachaths<br />
Erklärung rettet Ingalf.<br />
"Erhabener <strong>de</strong>r Steppe, wir wollen mit ihm re<strong>de</strong>n",<br />
antwortet Melachath und hofft, dass das einfach genug<br />
gesprochen war.<br />
"Worüber?" kommt wie<strong>de</strong>r eine Frage.<br />
Kopfschüttelnd steht Rovena hinter ihren Gefährten<br />
und wun<strong>de</strong>rt sich doch sehr über die anscheinend<br />
mangeln<strong>de</strong> Auffassungsgabe dieser Holberker. Bis auf<br />
die spitzen Ohren scheinen sie wenig mit <strong>de</strong>n Elfen<br />
gemein zu haben, sie erinnern in ihrem Wesen doch<br />
sehr an die Schwarzpelze, ist ihr Eindruck, und leicht<br />
ungeduldig wartet sie darauf, dass die bei<strong>de</strong>n Wachen<br />
sie endlich zum sogenannten Statter vorlassen.<br />
"Na, über alles, was es so gibt, das wohl!" meint Ingalf.<br />
"Und wenn wir nix mehr wissen, dann hören wir halt<br />
auf mit re<strong>de</strong>n. Aber hier draußen re<strong>de</strong>t sich so<br />
schlecht. Lasst uns doch irgendwo hinsetzen …"<br />
Edric schüttelt nur <strong>de</strong>n Kopf. Sind Holberker so begriffsstutzig<br />
o<strong>de</strong>r … "Olorghi but", flüstert er so leise<br />
dass es nur seine unmittelbaren Nachbarn hören können.<br />
Für einen Ork hätten diese Worte fast eine Beleidigung<br />
dargestellt. Aufmerksam verfolgt er das Gespräch<br />
weiter.<br />
"Bitte", setzt schon die erste Wache an und weist auf<br />
<strong>de</strong>n Erdbo<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>m Eingang, aber dann unterbricht<br />
Isinha.<br />
"Ja, am Besten direkt beim Statter." fügt Isinha hinzu.<br />
"Wir wollen auch mit ihm han<strong>de</strong>ln, wie Theires Zeel.<br />
Nur han<strong>de</strong>ln wir mit Nachrichten und nicht mit Töpfen."<br />
'Was sind <strong>de</strong>nn Nachrichten?' ahnt Ingalf schon die<br />
Antwort <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Holberker voraus.<br />
"Han<strong>de</strong>ln?" Die Wachen schauen einan<strong>de</strong>r an. "Dazu<br />
hat <strong>de</strong>r Statter wohl keine große Lust. Eben hat er<br />
schon <strong>de</strong>n Norbar<strong>de</strong>n weggeschickt", erklärt dann einer.<br />
"Ja, und wisst ihr auch, wieso?" Die Frage ist natürlich<br />
rein rhetorisch gemeint und damit die bei<strong>de</strong>n nicht<br />
auf die I<strong>de</strong>e kommen, sie zu beantworten, fährt Isinha<br />
schnell fort: "Weil er Töpfe und keine Nachrichten dabei<br />
hatte. Deshalb."<br />
Er schüttelt mü<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Kopf: "Führt uns zum Statter<br />
o<strong>de</strong>r holt ihn her. Das ist uns gleich." weist er die bei<strong>de</strong>n<br />
an.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Holberker schauen einan<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r an,<br />
dann zuckt <strong>de</strong>r erste die Achseln, dreht sich um, pfeift<br />
schrill auf <strong>de</strong>n Fingern und ruft: "Knarz, hier sind<br />
noch mehr Händler. Sie han<strong>de</strong>ln mit Nachrichten.<br />
Frag mal <strong>de</strong>n Statter, ob er sie sehen will." "Jau, mach'<br />
ich", kommt von irgend woher drinnen die Antwort.<br />
421<br />
Der erste dreht sich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n sechs Ankömmlingen<br />
zu. "Jetzt müsst ihr warten", erklärt er.<br />
'Na das ist ja was Neues …', <strong>de</strong>nkt Ingalf.<br />
"Danke, da wären wie nie im Leben von selbst darauf<br />
gekommen!" erwi<strong>de</strong>rt Isinha sarkastisch, obwohl er<br />
sich sicher ist, dass die bei<strong>de</strong>n Sarkasmus ohnehin<br />
nicht kennen …<br />
"Bitteschön!" ist die prompte Antwort.<br />
Innerlich stöhnt Rovena auf, dann geht sie mit einem<br />
aufgesetzt freundlichen Lächeln auf die Wachen zu.<br />
"Und wo sollen wir warten? Sicher gibt es hier in <strong>de</strong>n<br />
Burg einen Saal, in <strong>de</strong>m sich die Gäste bis zum Empfang<br />
aufhalten können. Du kannst uns dorthin führen<br />
und gleich etwas zu Trinken bringen lassen, wir haben<br />
eine anstrengen<strong>de</strong> Reise hinter uns." Sie tritt forsch<br />
auf die bei<strong>de</strong>n Holberker zu, zieht auffor<strong>de</strong>rnd<br />
freundlich die Augenbrauen hoch und erwartet, dass<br />
ihr Auftritt diese bei<strong>de</strong>n überrumpeln könnte und sie<br />
eingelassen wer<strong>de</strong>n.<br />
'Wutsch!' gehen die Hellebar<strong>de</strong>n herunter. "Warten!"<br />
ertönt es wie aus einem Mun<strong>de</strong>.<br />
Vorwurfsvoll verzieht die Hexe <strong>de</strong>n Mund. "Na na,<br />
haltet eure Spieße ruhig, o<strong>de</strong>r wollt ihr etwa eine<br />
Freundin <strong>de</strong>r Herrin Nahema so ungebührlich behan<strong>de</strong>ln<br />
und sie damit verärgern?" ta<strong>de</strong>lt Rovena die bei<strong>de</strong>n<br />
mit gespielter Verwun<strong>de</strong>rung, ohne auch nur<br />
einen Schritt zurückzuweichen. Selbstbewusst funkeln<br />
ihre smaragdgrünen Augen die bei<strong>de</strong>n Holberker<br />
an. Der Name <strong>de</strong>r großen Magierin wird bestimmt<br />
auch hier bekannt sein, stellt sie sich vor, schließlich<br />
kam die Zauberin ja gera<strong>de</strong> aus dieser Stadt.<br />
"Nahema? Habt ihr sie gesehen, ist sie hier?" Die bei<strong>de</strong>n<br />
Holberker machen große Augen.<br />
'Natürlich ist sie hier, ihr Flachpfeifen, sie steht doch<br />
vor euch …' Ingalf kann sich ob soviel Dummheit<br />
kaum noch zurückhalten.<br />
"Ja, natürlich haben wir sie gesehen", behauptet Rovena.<br />
"Und sie selber gab uns die Empfehlung, dieser<br />
Stadt unbedingt einen Besuch abzustatten. Also wartet<br />
nicht lange, son<strong>de</strong>rn lasst uns endlich ein, ich wer<strong>de</strong><br />
langsam ungeduldig." Spielerisch tanzen ihre Finger<br />
auf <strong>de</strong>m Stab, auf <strong>de</strong>n sie sich locker gestützt hat.<br />
In <strong>de</strong>m Moment kommt von drinnen ein Ruf: "Sollen<br />
kommen!"<br />
Sofort geben die bei<strong>de</strong>n Holberker <strong>de</strong>n Weg frei. "Immer<br />
gera<strong>de</strong>aus", meint <strong>de</strong>r erste nur.<br />
"Na sicher doch." antwortet Isinha und <strong>de</strong>utet an,<br />
einen imaginären Hut zu ziehen, währen er an <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n vorbei geht. 'Dann mal los.' sagt er zu sich<br />
selbst.<br />
"Warum nicht gleich so", meint die Hexe nur, nickt ihren<br />
Gefährten auffor<strong>de</strong>rnd zu und geht zwischen <strong>de</strong>n<br />
Wachen hindurch in die Burg.
Neugierig schaut sie sich um.<br />
In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Mauerachtecks steht ein dreistöckiges<br />
Gebäu<strong>de</strong> mit einem Bergfried dahinter. Es ist in einem<br />
etwas besseren Zustand als <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Stadt.<br />
Ein paar flachere Gebäu<strong>de</strong> (vielleicht ehemalige Gesin<strong>de</strong>häuser<br />
o.ä.) gibt es auch. Einige bewaffnete Holberker<br />
sind zu sehen, die die Gruppe mit mäßigem<br />
Interesse betrachten. An einer Tür zum dreistöckigen<br />
Gebäu<strong>de</strong> steht ein Holberker und winkt: "Hierher!"<br />
"Dann mal los. Auf diesen Statter bin ich gespannt",<br />
meint sie leise zu Elgar, während sie <strong>de</strong>r Anweisung<br />
<strong>de</strong>s Holberkers folgt und auf die Tür zu geht.<br />
"Hmm. Hauptsache, er hat mehr Grips, als die bei<strong>de</strong>n<br />
Wachen zusammen." flüstert ihr <strong>de</strong>r Magier zu, damit<br />
nur die Hexe diese Bemerkung hört.<br />
"Ich weiß nicht, ob das so gut für uns wäre", erwi<strong>de</strong>rt<br />
Rovena flüsternd. "Eine Bauernschläue und Selbstgefälligkeit<br />
kann für uns gefährlich sein. Wenn wir nicht<br />
in <strong>de</strong>r Not wären, uns eine neue Ausrüstung beschaffen<br />
zu müssen, hätte ich es vorgezogen, diese Stadt zu<br />
umgehen. In diesen Wesen scheint doch mehr die Art<br />
<strong>de</strong>r Orks als die <strong>de</strong>r Elfen vorherrschend zu sein."<br />
"Da weiß ich aber auch nicht, ob das besser o<strong>de</strong>r<br />
schlechter ist. Vor geraumer Zeit las ich in einem<br />
Traktat - von einem mir unbekannten Verfasser, <strong>de</strong>r<br />
wohl im Exil auf Maraskan residiert - je<strong>de</strong>nfalls las ich<br />
da, dass es besser sei, einen wil<strong>de</strong>n und starken Feind<br />
zu haben, <strong>de</strong>ssen Stärken, aber auch Schwächen, man<br />
kenne, als einen vermeintlich schwachen Feind zu haben,<br />
<strong>de</strong>n man aber nicht o<strong>de</strong>r falsch einschätzte und<br />
<strong>de</strong>ssen eigentliche Stärke erst offenbar wür<strong>de</strong>, wenn es<br />
zu spät sei. So ist es wohl auch hier. Die Holberker<br />
scheinen mehr von <strong>de</strong>r sprichwörtlichen Art <strong>de</strong>r Elfen<br />
zu haben, als ihr Äußeres und ihr Gehabe vermuten<br />
lässt. Wir müssen wahrlich auf <strong>de</strong>r Hut sein!"<br />
Rovena nickt zustimmend. Wie Recht dieser unbekannte<br />
Verfasser doch hat, gilt ähnliches doch auch für<br />
sie und ihresgleichen. Sie schmunzelt innerlich, während<br />
sie weiter neben Elgar einhergeht.<br />
Hesan<strong>de</strong>r wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>m Magier zu und spricht leise:<br />
"Im Moment sehe ich hier keinen Feind. Obwohl<br />
es zweifelhaft scheint, dass eine Mischung aus Orks<br />
und Elfen die Zwölfe anbeten."<br />
"Auch wenn mit scheint, dass jetzt nicht <strong>de</strong>r richtige<br />
Zeitpunkt für eine kontroverse Debatte ist: Je<strong>de</strong>r kann<br />
ein Feind sein o<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n. Nichts ist wie es scheint.<br />
So zumin<strong>de</strong>st das Motto eines gewissen illusionären<br />
Magiezweigs. Aber was ist schon die Realität? Wir<br />
sollten später darüber disputieren." flüstert er zurück.<br />
"Komm, Kawi, es geht weiter!" ruft Ingalf <strong>de</strong>m Welpen<br />
zu und folgt <strong>de</strong>n Gefährten in die Burg.<br />
Der Holberker, <strong>de</strong>r die Gruppe am Eingang empfängt,<br />
trägt ebenfalls eine Hellebar<strong>de</strong>. "Kommt mit,<br />
422<br />
<strong>de</strong>r Statter wartet nicht gern!" Mit einer Handbewegung<br />
wer<strong>de</strong>n die Hel<strong>de</strong>n ins Burggebäu<strong>de</strong> gebeten.<br />
'Klasse, wir dürfen warten o<strong>de</strong>r was?' Ingalf schüttelt<br />
still <strong>de</strong>n Kopf.<br />
Edric folgt und schaut sich weiterhin um. Wenn alle<br />
Holberker so sind, ist es kein Wun<strong>de</strong>r, dass die Orks<br />
Abstand von ihnen nehmen. Orks sind wild, stark,<br />
kämpferisch und intelligent.<br />
Er hält die Augen offen, nach Stallungen und Tieren,<br />
versucht zu erkennen, wie diese behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />
Hier im Burgbereich scheint es keine Tiere zu geben.<br />
Aber draußen in <strong>de</strong>r Stadt gab es einige, immer mit<br />
Dreck und Gestank verbun<strong>de</strong>n.<br />
Durch mehrere Räume und über einige Treppen wer<strong>de</strong>n<br />
die Hel<strong>de</strong>n in einen Saal gebracht, in <strong>de</strong>m ein<br />
massiger Holberker auf sie wartet.<br />
Wie die Räume und Treppen wirkt auch <strong>de</strong>r Saal so,<br />
als ob er früher mal repräsentativen Zwecken gedient<br />
und e<strong>de</strong>l eingerichtet war. Verblichene Wandbehänge<br />
hängen noch an einigen Stellen, auch ein paar angeschlagene<br />
Möbelstücke fin<strong>de</strong>n sich noch. An eine paar<br />
Stellen ist Dreck zusammen gefegt wor<strong>de</strong>n - immerhin.<br />
Der Holberker kommt auf die Hel<strong>de</strong>n zu. "Willkommen<br />
in Ohort!" begrüßt er sie überraschen freundlich.<br />
"Ich bin Frajo Krinak, <strong>de</strong>r Statter. Wer seid ihr, und<br />
was wollt ihr hier?"<br />
Melachath verbeugt sich tief. "Ich bin Melachath ibn<br />
Shemirhija aus <strong>de</strong>m fernen Aranien." Dann guckt er<br />
auffor<strong>de</strong>rnd die an<strong>de</strong>ren an.<br />
Dicht an Elgars Seite neigt die Hexe <strong>de</strong>n Kopf. "Rovena<br />
von Blautann, aus Wei<strong>de</strong>n. Ich grüße Euch, Statter<br />
Krinak", stellt sie sich vor. Neugierig betrachtet sie das<br />
Oberhaupt dieser seltsamen Ansiedlung.<br />
Ob <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Hexe dreht Isinha an<strong>de</strong>utungsweise<br />
<strong>de</strong>n Kopf in ihre Richtung und zieht die linke Augenbraue<br />
hoch. Dann blickt er <strong>de</strong>n Statter an und stellt<br />
sich vor: "Elgar Arres, Suchen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Wissens und<br />
wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r A<strong>de</strong>pt, ewig Lernen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r magischen<br />
Künste." Auch er mustert <strong>de</strong>n Holberker aufmerksam.<br />
Dieser Holberker macht fast einen quadratischen Eindruck,<br />
so muskulös ist er. Auf einem Tisch an <strong>de</strong>r Seite<br />
liegt ein Schwert, ohne Rostflecken und ohne<br />
Scharten. 'Wo <strong>de</strong>r zuschlägt, wächst kein Gras mehr',<br />
geht ihr durch <strong>de</strong>n Kopf.<br />
"Klingt gut", kommentiert <strong>de</strong>r Statter.<br />
'Offenbar herrscht hier, wer die an<strong>de</strong>ren beherrschen<br />
kann und bleibt an <strong>de</strong>r Spitze, bis ihn ein Herausfor<strong>de</strong>rer<br />
zur Strecke bringt.' überlegt Isinha. 'Vielleicht ist<br />
das eine Option, wenn wir hier an<strong>de</strong>rs nicht weiter<br />
kommen sollten.' Zwar hat er nicht vor, <strong>de</strong>n Statter im<br />
Schwertkampf zu besiegen. Aber wer sagt <strong>de</strong>nn, dass<br />
ein Duell immer mit gleichen Waffen auszutragen ist.
Manchmal sind Willen und Wissen die mächtigsten<br />
Verbün<strong>de</strong>ten.<br />
Eine Verbeugung an<strong>de</strong>utend sagt <strong>de</strong>r Draconiter: "Hesan<strong>de</strong>r,<br />
Diener <strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n Göttin."<br />
Mit Respekt vor <strong>de</strong>r kräftigen Gestalt beugt Edric das<br />
Knie vor <strong>de</strong>m Herrscher. "Edric aus <strong>de</strong>m Svellttal,<br />
Statter Krinak" stellt er sich vor.<br />
"Moin! Ich bin Ingalf, das ist Kawi und wer bist Du?"<br />
fragt Ingalf.<br />
"Hä?" Der Holberker wirkt überrascht.<br />
Da <strong>de</strong>r Statter nicht pfiffiger scheint als seine Kollegen,<br />
wie<strong>de</strong>rholt Ingalf die Frage noch einmal langsam:<br />
"Wir haben uns jetzt vorgestellt und nun wollen wir<br />
wissen wer Du bist?"<br />
"Und Du hast nicht zugehört," kommt die trockene<br />
Antwort.<br />
'Hat er sich tatsächlich schon vorgestellt?' fragt sich<br />
Ingalf. Dann erinnert es sich. 'Natürlich, <strong>de</strong>r Statter<br />
heißt ja Frajo, das wohl! Ach Was soll's …'<br />
An alle gewandt fragt <strong>de</strong>r Statter: "Mögt ihr etwas essen,<br />
trinken?"<br />
"Ja, in <strong>de</strong>r Reihenfolge, das wohl!" antwortet Ingalf,<br />
um seinen Fehler zu überspielen.<br />
"Habt Dank für das Travia gefällige Angebot, gerne<br />
nehme ich an."<br />
"Dann setzt euch!" Der Statter weist auf das an<strong>de</strong>re<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s großen Tisches, an <strong>de</strong>m bestimmt 12 Personen<br />
Platz haben. Dort steht ein großer Krug, daneben<br />
mehrere Trinkbecher, alle einfach getöpfert. In einer<br />
Holzschale liegt Brot, daneben Obst und Käse. Um<br />
<strong>de</strong>n Tisch stehen verschie<strong>de</strong>ne Stühle, wie zusammengesucht.<br />
"Und bedient euch!"<br />
Ohne abzuwarten geht <strong>de</strong>r Statter zum Kopfen<strong>de</strong>,<br />
setzt sich und greift zu.<br />
Ingalf geht zum Tisch, gießt sich einen Becher voll<br />
und probiert vorsichtig.<br />
Dunkles Bier! Sogar recht brauchbar.<br />
'Theires verkauft kein Alkohol, weil die das hier selber<br />
brauen und nicht zu schlecht, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf<br />
und nimmt sich noch einen Humpen.<br />
Dann sucht er sich einen Stuhl und setzt sich. In Ermangelung<br />
eines Messer bricht er sich ein wenig vom<br />
Brot und Käse ab und beginnt zu Essen.<br />
Auch <strong>de</strong>r Geweihte setzt sich, nickt <strong>de</strong>m Holberker<br />
dankend zu, und greift zu Käse, Brot und Bier.<br />
Edric gießt sich einen Becher voll, bedient sich bei<br />
Brot und Käse und setzt sich neben Ingalf. 'Gastfreundlicher<br />
als Orks', bemerkt er, isst aber noch nicht.<br />
Rovena zögert, <strong>de</strong>r Einladung nachzukommen und<br />
betrachtet <strong>de</strong>n Holberker argwöhnisch. Haben <strong>de</strong>nn<br />
ihre Gefährten vergessen, was bei <strong>de</strong>n Grolmen die<br />
Folge <strong>de</strong>r Einladung zum Essen war? Sie geht auf <strong>de</strong>n<br />
423<br />
Tisch zu, doch bevor sie sich setzt, fragt sie <strong>de</strong>n Statter<br />
höflich und ein wenig schüchtern: "Wir danken Euch<br />
sehr für Eure großzügige Gastfreundschaft, doch erlaubt<br />
mir eine Frage. Ist mit unsere Annahme dieser<br />
auch eine Gegenleistung verbun<strong>de</strong>n? Und wenn,<br />
dann hätte ich lieber gleich gewusst, was Ihr dafür von<br />
uns erwartet." Ihr Lächeln wirkt ein wenig gezwungen,<br />
als sie Krinak ins Gesicht schaut. Sie weiß, dass<br />
sie sprichwörtlich mit <strong>de</strong>r Tür ins Haus fällt und wartet<br />
gespannt, vielleicht sogar ein wenig ängstlich, auf<br />
die Reaktion <strong>de</strong>s Holberkers.<br />
'Stimmt. Eigentlich hat sie ja Recht, aber wir Aranier<br />
pflegen es ja auch, mit Frem<strong>de</strong>n erst einmal Tee zu<br />
trinken, damit die Beziehung etwas gelockert wird.<br />
Vielleicht ist das hier nicht an<strong>de</strong>rs' huschen die Gedanken<br />
durch Melachaths Kopf. Er vermei<strong>de</strong>t einen<br />
kritischen Blick zu Rovena o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Statter, spannt<br />
aber seinen Körper an, um einzugreifen, falls etwas<br />
passiert.<br />
Das Gesicht <strong>de</strong>s Holberkers verzieht sich sorgenvoll.<br />
Dann räuspert er sich - mehrfach. Wenn seine Haut<br />
nicht so dunkel wäre, könnte man fast vermuten, dass<br />
er rot wird.<br />
"Ähm, nein, keine Gegenleistung. Wir Holberker halten<br />
die Gastfreundschaft hoch." Kommt es dann stockend<br />
hervor. "Vielleicht könnt ihr uns aber helfen.<br />
Ihr Menschen seht manchmal Dinge, die wir Holberker<br />
nicht sehen."<br />
Überrascht schaut Rovena <strong>de</strong>n Holberker an. Wie kultiviert<br />
er sich benehmen kann … nach ihren bisherigen<br />
Begegnungen mit diesem Volk hat sie das nicht<br />
erwartet. Sie nimmt sich einen Stuhl und setzt sich<br />
nun ebenfalls an <strong>de</strong>n Tisch.<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Zwischenzeit <strong>de</strong>n dritten Krug Bier<br />
nie<strong>de</strong>rgemacht hat, flüstert Edric zu: "Ich glaube, alle<br />
an<strong>de</strong>ren sehen etwas, was wir nicht sehen. Und zwar<br />
das große Schild über unseren Köpfen auf <strong>de</strong>m steht:<br />
'Hier sind ein paar Leute, die allen Sch… für euch<br />
machen!' Das wohl!"<br />
"Das ist wohl so", pflichtet er ihm bei. Auch Edric beginnt<br />
langsam zu essen.<br />
"Schlagt das Rebus-Ei ruhig auf!" for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier<br />
<strong>de</strong>n Statter auf. "Ihr bewirtet uns, wollt aber keine Gegenleistung.<br />
Dafür aber sollten wir helfen. Was ist das,<br />
wenn nicht eine Gegenleistung?" fragt Isinha spitz.<br />
Seine Erfahrungen bei <strong>de</strong>n Grolmen - von <strong>de</strong>m Armbrustbolzen<br />
in seiner Brust an angefangen - waren<br />
nicht son<strong>de</strong>rlich för<strong>de</strong>rlich für <strong>de</strong>rartige Abkommen.<br />
"Aber gut. Ihr könnt wahrscheinlich nichts dafür. Also<br />
sprecht frei heraus und dann wer<strong>de</strong>n wir sehen, ob wir<br />
euch helfen können." Der in <strong>de</strong>r Wortbetonung liegen<strong>de</strong><br />
Wortwitz fällt <strong>de</strong>m Magier entwe<strong>de</strong>r gar nicht<br />
auf o<strong>de</strong>r er übergeht ihn geflissentlich.
Der Statter ist offensichtlich beschämt, aber er fängt<br />
sich. "Habt ihr das Zeichen <strong>de</strong>r Ratte schon gesehen",<br />
fängt er an.<br />
"Ja. Es heißt, dass sich dahinter eine Krankheit verbergen<br />
wür<strong>de</strong>." antwortet <strong>de</strong>r Magier, plötzlich wesentlich<br />
interessierter.<br />
"Wir haben es gesehen", stimmt auch Hesan<strong>de</strong>r zu.<br />
"Auch wir haben uns schon gefragt, was dahinter stecken<br />
könnte. Mit Hesin<strong>de</strong>s und Peraines Segen wird<br />
es uns vielleicht möglich sein, mehr herauszufin<strong>de</strong>n."<br />
"Man sagte uns auch, dass diese Krankheit mü<strong>de</strong>,<br />
matt, schwin<strong>de</strong>lig und ängstlich macht, und niemand<br />
sagen kann, wie dieses Zeichen <strong>de</strong>r roten Ratte an die<br />
Häuser <strong>de</strong>r Kranken kommt", führt Rovena ihre bisherigen<br />
Erkenntnisse weiter auf. "Auch an <strong>de</strong>r Burg<br />
soll sich das Zeichen befin<strong>de</strong>n. Habt Ihr einen Krankheitsfall<br />
hier im Haus?" fragt sie dann.<br />
"Hier drinnen ist das Zeichen noch nicht aufgetaucht,<br />
aber draußen an <strong>de</strong>r Mauer. Und hier drinnen ist eine<br />
Magd so schwach gewor<strong>de</strong>n, dass sie nicht mehr aufstehen<br />
kann. Angst ist in <strong>de</strong>r Stadt." Der Statter verzieht<br />
sorgenvoll die Stirn.<br />
"Wenn die Krankheit mit <strong>de</strong>n Zeichen kommt, warum<br />
entfernt ihr sie nicht?" fragt Edric.<br />
"Ähm, Edric." beginnt <strong>de</strong>r Magier vorsichtig. "Ich<br />
glaube nicht, dass eine <strong>de</strong>rartige Kausalität zwischen<br />
<strong>de</strong>n Zeichen und <strong>de</strong>r Krankheit besteht. Allenfalls vorstellbar<br />
wäre, dass die Zeichen wie<strong>de</strong>r verschwin<strong>de</strong>n,<br />
wenn die Krankheit überstan<strong>de</strong>n ist."<br />
"Wie kann man die Krankheit entfernen?" ist auch <strong>de</strong>r<br />
Statter erstaunt. "Ach, Du meinst die Zeichen. Wir haben<br />
es versucht. Nach ein paar Nächten ist es wie<strong>de</strong>r<br />
da."<br />
"Ich habe Euch so verstan<strong>de</strong>n, dass erst die Zeichen<br />
auftauchen und dann die Krankheit kommt", vergewissert<br />
sich Edric. Er kann <strong>de</strong>n Statter natürlich auch<br />
missverstan<strong>de</strong>n haben. Aber da angeblich niemand die<br />
Zeichen malt, irgendwo her müssen sie schließlich<br />
kommen.<br />
"Ja." Der Statter <strong>de</strong>nkt nach. "Ich glaube, erst kommt<br />
die Krankheit, dann das Zeichen. Da bin ich aber<br />
nicht sicher."<br />
'Also habe ich falsch verstan<strong>de</strong>n. Erst die Krankheit,<br />
dann das Zeichen.' korrigiert sich Edric in Gedanken.<br />
"Aber woher kommt das Zeichen?" fragt er weiter.<br />
"Das weiß ja keiner. Vielleicht kriegt ihr ja was raus."<br />
Der Statter hegt wohl wirklich große Hoffnung.<br />
"Was macht die Krankheit eigentlich?" fragt Ingalf.<br />
"Woran kann man die Kranken erkennen - ohne an<br />
das Haus zu sehen?"<br />
"Schlapp, mü<strong>de</strong>, ängstlich sind die Kranken. Und oft<br />
haben sie einen heißen Kopf. Wir hatten schon Tote.<br />
Theires Zeel ist gleich wie<strong>de</strong>r abgereist. Er wollte<br />
424<br />
nicht helfen. Könnt ihr es vielleicht?" Der Statter<br />
schaut die Hel<strong>de</strong>n hoffnungsvoll an.<br />
"Was habt ihr mit <strong>de</strong>n Opfern getan? Sie verbrannt?"<br />
hakt <strong>de</strong>r Magier nach, ohne zunächst auf die Bitte <strong>de</strong>s<br />
Statters einzugehen.<br />
"Wir beerdigen unsere Toten", entgegnet <strong>de</strong>r Statter<br />
wür<strong>de</strong>voll.<br />
"Wisst Ihr <strong>de</strong>nn, wie sich die Krankheit verbreitet?<br />
Wird sie von einem zum an<strong>de</strong>ren übertragen o<strong>de</strong>r<br />
trifft es die Erkranken<strong>de</strong>n wahllos?" mischt sich Rovena<br />
wie<strong>de</strong>r ein.<br />
Der Statter schaut verständnislos kratzt sich dann am<br />
Kopf. "Vom einen auf <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren übertragen? Was ist<br />
das?"<br />
"Ihr pflegt doch eure Kranken, o<strong>de</strong>r? Erkranken diese<br />
Leute dann auch, wer<strong>de</strong>n mü<strong>de</strong> und können nicht<br />
mehr aufstehen?" versucht sie sich verständlicher zu<br />
machen.<br />
"Da habe ich keine Ahnung." Der Statter schüttelt nur<br />
<strong>de</strong>n Kopf.<br />
"Habt Ihr schon einige Eurer Leute nachts heimlich<br />
auf Wache ausgeschickt, dass sie sehen konnten, ob jemand<br />
diese Zeichen an die Häuser gemalt o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig<br />
angebracht hat?" fragt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"In <strong>de</strong>r Nacht schlafen wir", entgegnet <strong>de</strong>r Statter wür<strong>de</strong>voll.<br />
"Fassen wir zusammen: Es weiß niemand, wer o<strong>de</strong>r<br />
was die Krankheit verbreitet, es weiß niemand, wie<br />
sich die Krankheit verbreitet und es weiß niemand,<br />
was es genau mit <strong>de</strong>n Zeichen auf sich hat.<br />
Daraus ergibt sich: Herausfin<strong>de</strong>n, ob die Krankheit<br />
übertragbar d.h. ansteckend ist; herausfin<strong>de</strong>n, wer<br />
o<strong>de</strong>r was die Zeichen an die Häuser macht; herausfin<strong>de</strong>n,<br />
was sich <strong>de</strong>s Nachts tut, wenn ihre Bewohner<br />
schlafen. Ferner: Untersuchen <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>s Wassers."<br />
Dann wen<strong>de</strong>t sich Hesan<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Statter zu:<br />
"Sagt, habt Ihr an Eurem Vieh o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m, was Ihr<br />
anbaut, etwas ungewöhnliches beobachtet?"<br />
Der Statter richtet sich auf und erklärt stolz: "Dieses<br />
Jahr ge<strong>de</strong>iht das Vieh beson<strong>de</strong>rs gut! Und das Korn<br />
wächst auch wie<strong>de</strong>r besser, seit<strong>de</strong>m wir alle drei Jahre<br />
auf einem Feld nichts anbauen."<br />
"Nun, das nennt sich bei uns Dreifel<strong>de</strong>rwirtschaft",<br />
bestätigt Hesan<strong>de</strong>r. "Gibt es sonst etwas ungewöhnliches,<br />
das Ihr beobachtet habt?" hakt er nach.<br />
"Nichts weiter." Der Statter zuckt die Achseln. "Und?"<br />
fragt er dann. "Könnt ihr uns helfen?"<br />
"Nun, wenn wir Dir helfen", bringt Ingalf wie<strong>de</strong>r das<br />
eigentliche Thema hervor, "was haben wir dann davon?"
"Ihr wolltet doch han<strong>de</strong>ln, mit Nachrichten", entgegnet<br />
<strong>de</strong>r Statter listig. "Was braucht ihr <strong>de</strong>nn?"<br />
"Wieso wir?" entgegnet <strong>de</strong>r Magier weiter. "Falls, nicht<br />
wenn, wir euch helfen, habt ihr schon zwei Punkte<br />
auf eurer Seite und wir noch keinen. Unterbreitet uns<br />
ein gutes Angebot, in <strong>de</strong>m wenigstens eine gute Ausrüstung<br />
für unsere weitere Reise enthalten sein sollte.<br />
Dazu noch ein o<strong>de</strong>r zwei Maultiere und wir können<br />
weiter re<strong>de</strong>n." fügt er mit einem Seitenblick zu Edric<br />
hinzu. "Dann hast Du bald eine kleine Her<strong>de</strong> zusammen."<br />
muntert Isinha <strong>de</strong>n Hirten leise flüsternd auf.<br />
Edric schaut <strong>de</strong>n Magier fragen an. 'Wie meinst Du<br />
das?' kann er in <strong>de</strong>ssen Augen lesen.<br />
Isinha zieht kurz bei<strong>de</strong> Augenbrauen hoch und zuckt<br />
dann mit <strong>de</strong>n Schultern. 'Dann eben nicht.' Dieser<br />
junge Hirte scheint doch wesentlich komplizierter -<br />
o<strong>de</strong>r sehr viel einfacher - gestrickt zu sein, als es <strong>de</strong>n<br />
Anschein hat.<br />
"Wir brauchen ja noch nicht mal alles, was wir auf <strong>de</strong>n<br />
Maultieren gelassen haben. Hauptsache, es sind Decken<br />
und vielleicht ein, zwei Töpfe dabei. Kannst ja<br />
auch einmal nach Tabak und Tee fragen. Und vielleicht<br />
etwas, worin man die bei<strong>de</strong>n Sachen genießen<br />
kann", raunt Melachath Isinha zu, <strong>de</strong>r sich ja offensichtlich<br />
als ein Sprecher <strong>de</strong>r Gruppe ansieht. 'Immerhin<br />
re<strong>de</strong>t er mehr als alle an<strong>de</strong>ren zusammen. Einschließlich<br />
unserem Draconiter'.<br />
Der Statter ist verwun<strong>de</strong>rt. "Ich dachte, ihr wollt mich<br />
Nachrichten han<strong>de</strong>ln."<br />
"Was hast Du <strong>de</strong>nn?" stellt Ingalf die Gegenfrage an<br />
<strong>de</strong>n Statter.<br />
"Ich kann euch sagen, was 'Ohort' be<strong>de</strong>utet?"<br />
"Das wäre ein Anfang. Mich wür<strong>de</strong> auch interessieren,<br />
was es mit diesem Sprichwort auf sich hat, das Theires<br />
angeblich von euch haben will: 'Bei <strong>de</strong>n Eichen' o<strong>de</strong>r<br />
so ähnlich." antwortet Isinha.<br />
"Das kann ich euch sagen, natürlich." Der Statter<br />
lehnt sich zurück.<br />
"Wir wer<strong>de</strong>n Euer Angebot nach <strong>de</strong>m Essen in Erwägung<br />
ziehen." schlägt Isinha an alle gewandt vor.<br />
"Aber jetzt essen wir und während <strong>de</strong>ssen erzählt uns<br />
doch etwas über Ohort und das Sprichwort." for<strong>de</strong>rt er<br />
<strong>de</strong>n Statter auf. "Seht dies als Anzahlung auf unsere<br />
Hilfe."<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r sich während <strong>de</strong>r letzten Minuten sehr um<br />
die Reduzierung <strong>de</strong>r Essenvorräte auf <strong>de</strong>m Tisch bemüht<br />
hat, fragt <strong>de</strong>n Statter: "Da mein Freund vom Essen<br />
spricht, hast Du nur Brot, Obst und Käse? O<strong>de</strong>r<br />
auch ein Stück Fleisch für <strong>de</strong>n Kleinen da?" Er <strong>de</strong>utet<br />
auf Kawi.<br />
Auch wenn sich Surnia noch nicht wie<strong>de</strong>r gemel<strong>de</strong>t<br />
hat, horcht auch Rovena auf. Wenn sie hier bleiben<br />
und helfen sollten, wäre es schon gut, an frisches<br />
425<br />
Fleisch zu kommen. 'Ob die Holberker vielleicht kein<br />
Fleisch essen?' fragt sie sich.<br />
Der Statter dreht sich nur um und ruft: "Suri, Fleisch<br />
her!" Kurz danach bringt eine Holberkerin eine Platte<br />
mit kaltem Braten.<br />
"Danke! Geht doch!" Ingalf nimmt ein paar schöne<br />
saftige Stücke von <strong>de</strong>m Braten und gibt sie Kawi zu<br />
fressen - nach<strong>de</strong>m er selbstverständlich vorgekostet hat.<br />
Dann reicht er die Platte an Rovena weiter.<br />
Die Hexe nimmt sich dankend ein Stück Braten, um<br />
es selber zu essen. "Für Surnia ist das aber nichts",<br />
stellt sie dabei klar. "Sie braucht rohes Fleisch, das<br />
weißt du doch."<br />
"Aber lecker is' <strong>de</strong>r Braten trotz<strong>de</strong>m, das wohl!" antwortet<br />
Ingalf immer noch kauend.<br />
Der Statter hat das gehört. "Sag das doch gleich",<br />
brummelt er. Er ruft wie<strong>de</strong>r: "Suri, bring noch ein<br />
paar Fleischabfälle, für die Tiere."<br />
Kurze Zeit später kommt die Holberkerin mit einer<br />
Schüssel, in <strong>de</strong>r sich Fleischfetzen, Knochen und Innereien<br />
befin<strong>de</strong>n und stellt sie auf <strong>de</strong>n Tisch.<br />
"Danke, Suri. Meine Surnia wird sich darüber sehr<br />
freuen", dankt Rovena <strong>de</strong>r Holberkerin freundlich. Erfreut<br />
betrachtet sie die Leckereien für ihre Schä<strong>de</strong>leule<br />
und wartet gar nicht erst die Dämmerung ab, um sie<br />
ihr anzubieten. Zärtlich befreit sie Surnia aus <strong>de</strong>m<br />
Tragebeutel, lässt <strong>de</strong>n leise protestieren<strong>de</strong>n Jungvogel<br />
auf ihrer Schulter Platz nehmen und reicht, nach<strong>de</strong>m<br />
die Eule erkannt hat, dass es für sie Futter gibt und<br />
gierig <strong>de</strong>n Schnabel aufreißt, einen Brocken Fleisch<br />
nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren zu ihr hinauf. Zufrie<strong>de</strong>n isst auch<br />
Rovena weiter und krault ihren Schützling immer<br />
wie<strong>de</strong>r liebevoll am Halsgefie<strong>de</strong>r. Die Reste <strong>de</strong>r<br />
Fleischfetzen lässt sie sich einwickeln, um sie für <strong>de</strong>n<br />
Abend dabei zu haben.<br />
"Tja", <strong>de</strong>r Statter kratzt sich wie<strong>de</strong>r am Kopf. "Was soll<br />
man da erzählen. Wir wohnen hier schon ganz lange,<br />
vielleicht auch schon immer. Die Häuser sind ganz<br />
praktisch. Man wird bei Regen nicht so leicht nass.<br />
Und die Eichen tun uns nichts. Sie stehen immer nur<br />
da. Nur wenn jemand zu dicht kommt und in die<br />
Höhle will, dann springen sie."<br />
'Da bin ich ja gespannt!' <strong>de</strong>nkt Ingalf. 'Dann kommen<br />
wir ja schneller zu <strong>de</strong>m Schatz als wir erwartet haben,<br />
das wohl!'<br />
"Was tun sie? Springen? Wie das <strong>de</strong>nn, sind sie nicht<br />
verwurzelt in <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>?" Rovena schaut <strong>de</strong>n Holberker<br />
überrascht an. "Noch nie habe ich von springen<strong>de</strong>n<br />
Eichen gehört. Wo stehen diese seltsamen Bäume<br />
<strong>de</strong>nn?" Sie muss an <strong>de</strong>n Plan <strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>n Ingalf bei<br />
sich trägt. Der Eingang zum Orkenhort ist mit zwei<br />
Bäumen markiert …
"Moment!" ruft Isinha aufgeregt. "Sie springen?! Was<br />
heißt das? Und was für eine Höhle meint Ihr, was befin<strong>de</strong>t<br />
sich darin?" Er wirkt ziemlich aufgekratzt.<br />
Ein sehr breites Grinsen zieht sich über das Gesicht<br />
<strong>de</strong>s Statters bei Rovenas uns Isinhas Reaktion.<br />
"Und? Helft ihr uns?" ist seine Gegenfrage. Er lehnt<br />
sich mit verschränkten Armen zurück.<br />
"Wie? Was?" Isinha blinzelt wie Surnia im hellen<br />
Licht. "Hatte ich nicht gera<strong>de</strong> gesagt, dass Ihr uns diese<br />
Information als Anzahlung auf unsere Hilfe beim<br />
Essen mitteilen solltet? Wie bitte - wenn nicht als Zusage<br />
<strong>de</strong>r Hilfe - ist dieser Satz zu verstehen?" fragt <strong>de</strong>r<br />
Magier leicht pikiert.<br />
"Öhöm", stammelt <strong>de</strong>r Statter. "Ja, klar." Er fängt sich<br />
wie<strong>de</strong>r. "Dann sind wir uns ja einig. Nach <strong>de</strong>m Essen<br />
zeige ich euch die Eichen."<br />
"Also ich wäre fertig." meint <strong>de</strong>r Magier nur, während<br />
er schnell zwei Äpfel, ein großes Stück Käse und einen<br />
halben Laib Brot in seine Tasche stopft. "Meinetwegen<br />
lasst uns gehen, gleich! - Äh, um so eher können wir<br />
uns um die Kranken kümmern." fügt er rasch hinzu.<br />
426<br />
"Schön, wenn Du fertig bist!" meint Ingalf. "Aber<br />
Kawi und die Eulen wollen auch noch fressen, das<br />
wohl! Also setzt Dich wie<strong>de</strong>r hin."<br />
"Hat sich Surnia schon vermehrt?" kommt die verblüffte<br />
Frage <strong>de</strong>s Magiers, <strong>de</strong>r seinen Blick auf Rovena<br />
heftet, ihr dabei die Fleischplatte abnimmt, sich selbst<br />
auch noch ein Stück nimmt und sie dann an Edric<br />
weiter gibt.<br />
"Klar! So wie Du morgens manchmal aus <strong>de</strong>r Wäsche<br />
guckst …" antwortet Ingalf grinsend.<br />
Rovena gluckst erheitert vor sich hin und wirft Elgar<br />
verstohlen einen Blick zu, während sie sich von ihm<br />
die Platte abnehmen lässt.<br />
Edric nimmt die Platte entgegen und bedient sich, bevor<br />
er selbige an Hesan<strong>de</strong>r weitergibt.<br />
'Springen<strong>de</strong> Eichen … das glaube ich erst, wenn ich<br />
sie sehe', <strong>de</strong>nkt er bei sich und überlegt ob <strong>de</strong>r Statter<br />
wohl einen Witz gemacht haben könnte.<br />
Hesan<strong>de</strong>r bedient sich mit <strong>de</strong>n Worten "möge Travia<br />
Euch für Eure Gastfreundschaft segnen" und reicht<br />
die Platte an Melachath weiter.
Nordöstlich<br />
von Ohort, am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Holberker-<br />
Fel<strong>de</strong>r, ragt ein Felsklippenmassiv aus <strong>de</strong>m<br />
Wald. Dorthin führt <strong>de</strong>r Statter, begleitet von 2 Holberker-Wachen,<br />
die Hel<strong>de</strong>n.<br />
Die kahlen Sandsteinfelsen ragen bestimmt 50 Schritt<br />
hoch auf, sechs einzelne Felstürme erheben sich auf<br />
einer gemeinsamen Basis, die an ihrem Fuß etwas 2<br />
Meilen durchmisst. An einer Stelle auf <strong>de</strong>r Südseite<br />
stehen zwei hohe Eichen unmittelbar vor <strong>de</strong>r Felswand.<br />
Ihre Stämme stehen etwa sechs Schritt voneinan<strong>de</strong>r<br />
entfernt - zwischen ihnen ist ein ovaler Höhleneingang<br />
zu erkennen.<br />
"Bitteschön!" Der Statter bleibt in einer Entfernung<br />
von 20 Schritt vor <strong>de</strong>n Eichen stehen. "Die springen<strong>de</strong>n<br />
Eichen von Ohort."<br />
"Hmm, die Bäume vor <strong>de</strong>r Höhle, wie auf <strong>de</strong>m Plan,<br />
das wohl!" raunt Ingalf <strong>de</strong>n Gefährten zu. "Und dann<br />
müsste rechts irgendwo 'ne Öffnung sein …"<br />
Er schaut nach rechts, ob er dort <strong>de</strong>n Felskegel fin<strong>de</strong>t,<br />
<strong>de</strong>r auch in <strong>de</strong>r Karte eingezeichnet war.<br />
Nach rechts zieht sich das Felsklippenmassiv noch<br />
viele hun<strong>de</strong>rt Schritt hin. Nach links geht es nur noch<br />
ungefähr 50 Schritt.<br />
Suchend folgt Rovena Ingalfs Blick, kann aber nichts<br />
außer <strong>de</strong>n sechs Felstürmen auf <strong>de</strong>m Sandsteinfelsen<br />
erkennen. Leise raunt sie ihm zu: "Dem Plan nach<br />
müssen wir hier hinein."<br />
"Nach <strong>de</strong>m Plan gibt es noch eine Öffnung in <strong>de</strong>n Felsen<br />
…" antwortet Ingalf ebenso leise.<br />
Und laut meint sie angesichts <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n hohen Bäume:<br />
"Und diese Eichen können tatsächlich springen?<br />
Wie soll das <strong>de</strong>nn gehen?" Neugierig schaut sie Krinak<br />
an.<br />
"Genau! Die stehen doch ziemlich still, das wohl!"<br />
fügt Ingalf hinzu.<br />
"Wenn Du näher ran gehst, wirst Du es sehen", erklärt<br />
<strong>de</strong>r Statter. "Aber geh' langsam."<br />
"Und was befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Höhle hinter <strong>de</strong>m Eingang,<br />
vor <strong>de</strong>m die Eichen stehen?" fragt Edric <strong>de</strong>n<br />
Statter. Vielleicht bekommt er noch weitere Informationen.<br />
"Das weiß niemand." Der Statter wiegt <strong>de</strong>n Kopf.<br />
"Und wenn es da etwas zu essen gibt, ist es bestimmt<br />
schon verdorben."<br />
'Ha! Gold verdirbt nicht', <strong>de</strong>nkt Ingalf, 'höchstens <strong>de</strong>n<br />
Charakter, das wohl!'<br />
"Dann lasst uns diese Theorie mal prüfen." gibt <strong>de</strong>r<br />
Magier zurück und stiefelt mutig auf die Öffnung<br />
zwischen <strong>de</strong>n Baumstämmen zu.<br />
Die springen<strong>de</strong>n Eichen<br />
427<br />
Für Edric sehen die großen Eichen wie ganz normale<br />
Eichen aus. "Warum nennt Ihr sie 'Springen<strong>de</strong> Eichen'?<br />
fragt er das Oberhaupt <strong>de</strong>r Holberker.<br />
Elgar hat sich <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Eichen auf 10 Schritt genähert,<br />
da zucken die Baumgiganten zusammen wie aus<br />
<strong>de</strong>m Schlaf geschreckte Torwachen. Es sieht fast so<br />
aus, als ob sie ein paar Finger in die Luft springen.<br />
"Sieh' selbst!" Der Statter zeigt auf Elgar, <strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>n<br />
Eichen nähert.<br />
Gebannt starrt Edric auf das Schauspiel, wie die Bäume<br />
zum Leben erwachen, wie <strong>de</strong>r Zugang zu Höhle<br />
versperrt und die Äste in einer drohen<strong>de</strong>n Gebär<strong>de</strong> gehoben<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
"Wenn ich das jeman<strong>de</strong>m erzähle …", beginnt er, verstummt<br />
dann aber wie<strong>de</strong>r. 'Wie weit will Isinha sich<br />
noch vorwagen?'<br />
"Bei <strong>de</strong>n Göttern", ruft Hesan<strong>de</strong>r aus. "Das wird eine<br />
Aufgabe, diese bei<strong>de</strong>n Eichen dazu zu bewegen, uns<br />
Platz zu machen."<br />
"Das ist ja fast wie bei <strong>de</strong>m vermale<strong>de</strong>iten Schloss, das<br />
wohl!" entfährt es Ingalf. Es muss an dieses seltsame<br />
Abenteuer mit <strong>de</strong>n Müllerkin<strong>de</strong>rn (na ja, als sie Seline<br />
gefun<strong>de</strong>n habe, sah man schon, dass sie fast kein Kind<br />
mehr ist) und seinen Kumpels <strong>de</strong>nken. 'Wie mag es<br />
<strong>de</strong>n dreien jetzt wohl gehen?' fragt er sich. 'Scha<strong>de</strong>, die<br />
hätten doch anner Schatzhöhle auch ihren Spaß - aber<br />
vielleicht liegen sie jetzt auch weichen Kissen in irgend<br />
'nem schönen Palast, während ich hier durch die<br />
Wildnis toben … Wer weiß?'<br />
Isinha bleibt wie angewurzelt stehen, als <strong>de</strong>r Eindruck<br />
<strong>de</strong>r 'springen<strong>de</strong>n Bäume' entsteht. Vorsichtig nähert er<br />
sich weitere 2 Schritt und beobachtet die Reaktion <strong>de</strong>r<br />
Eichen.<br />
Die Äste <strong>de</strong>r Eichen bewegen sich! Je ein starker, gegabelter<br />
Ast senkt sich und versperrt <strong>de</strong>n Eingang. Je<br />
zwei an<strong>de</strong>re wer<strong>de</strong>n gehoben. Sie scheinen zum Zuschlagen<br />
bereit. Isinha ist sich nicht ganz sicher, ob er<br />
schon in Reichweite ist.<br />
Zur Sicherheit bleibt er stehen und hält seinen Stab<br />
abwehrbereit vor sich. Dann kommt ihm eine I<strong>de</strong>e.<br />
Um nicht doch noch von einem <strong>de</strong>r Äste getroffen zu<br />
wer<strong>de</strong>n, geht er einen Schritt zurück und murmelt<br />
, während er intensiv die bei<strong>de</strong>n Bäume<br />
betrachtet. Er runzelt die Stirn und kann sich zunächst<br />
nicht richtig konzentrieren. Aber dann gelingt<br />
es.<br />
Oh ja, da weht ein Hauch von Zauberei! Ein kräftiger<br />
sogar. Die bei<strong>de</strong>n Eichen sind durch und durch magisch.
Aufmerksam studiert Isinha die rot schimmern<strong>de</strong>n<br />
Kraftlinien, die die Bäume umgeben und reibt sich<br />
das - noch immer - bartlose Kinn. Dann dreht er sich<br />
um und kehrt zu <strong>de</strong>n Gefährten zurück.<br />
Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkt während <strong>de</strong>ssen einen Moment lang<br />
nach. Dann fragt er <strong>de</strong>n Statter: "Sagt, Statter, habt Ihr<br />
einmal probiert, <strong>de</strong>n Eichen mit Feuer bzw. Fackeln<br />
o<strong>de</strong>r ähnlichem zu begegnen?"<br />
Der Statter macht einen Schritt zurück, legt seine<br />
Hand ans Schwert. Seine Soldaten tun es ihm gleich.<br />
"Ihr wollte Feuer gegen diese leben<strong>de</strong>n Bäume benutzen?"<br />
Der Statter scheint ehrlich entsetzt.<br />
"Nun, das ist keinesfalls mein Wunsch", beruhigt ihn<br />
Hesan<strong>de</strong>r. "Verzeiht, ich bin mitunter etwas vorschnell<br />
im Überlegen", fügt er hinzu.<br />
"Hrmpf", ist die Reaktion <strong>de</strong>s Statters. Langsam<br />
nimmt er die Hand vom Schwert.<br />
'Wenn wir die Bäume umhacken, dann sollten wir es<br />
machen, wenn die Holberker nich' dabei sind, das<br />
wohl!' geht es Ingalf durch <strong>de</strong>n Kopf als er die Reaktion<br />
<strong>de</strong>s Statters bemerkt.<br />
"Die Bäume sind magisch beeinflusst o<strong>de</strong>r von magischem<br />
Wesen." verkün<strong>de</strong>t er. "Ich bezweifle allerdings,<br />
dass sie leben, so wie man sich das gemein hin vorstellt.<br />
Hesan<strong>de</strong>r geht zu Elgar und meint auf Bosparano:<br />
<br />
Isinha lacht, als hätte Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n besten Witz <strong>de</strong>s<br />
Tages erzählt und erwi<strong>de</strong>rt dann, ebenfalls auf Bosparano<br />
mit etwas weniger ausgefeilter Sprachweise: <br />
Nickend schlägt er Hesan<strong>de</strong>r noch einem leicht auf<br />
die Schulter und wen<strong>de</strong>t sich an alle an<strong>de</strong>ren: "Tja,<br />
<strong>de</strong>r Statter hat wohl Recht. Die Bäume bewachen <strong>de</strong>n<br />
Eingang."<br />
"Und wir bewachen die Bäume!" Der Statter richtet<br />
sich stolz auf.<br />
"Schön, sehr schön, das macht ihr wirklich gut, das<br />
wohl!" meint Ingalf, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Zwischenzeit ja mitbekommen<br />
hat, dass das Gespür für Ironie bei <strong>de</strong>n Holberkern<br />
zum Glück nicht ausgeprägt ist.<br />
'Gut, also bewachen die Holberker die Bäume bewachen<br />
Höhle, kurz, die Holberker bewachen die Höhle.'<br />
zieht <strong>de</strong>r Magier im Stillen eine Bilanz.<br />
428<br />
"Und weshalb bewacht ihr die Bäume?" fragt Isinha<br />
nach.<br />
"Weil wir es immer getan haben. Wir wohnen doch<br />
hier. Ihr fragt aber blöd." Der Statter wird ungehalten.<br />
"Entschuldigt!" erwi<strong>de</strong>rt Isinha sarkastisch. 'Immer<br />
wie<strong>de</strong>r das gleiche Argument: haben wir schon immer<br />
so gemacht, ts ts ts!' Er schüttelt über diese Haltung<br />
nur <strong>de</strong>n Kopf.<br />
"Bitte." Der Statter ist bemüht, die Höflichkeit zu<br />
wahren.<br />
"Es gibt keine blö<strong>de</strong>n Fragen, son<strong>de</strong>rn nur blö<strong>de</strong> Antworten!"<br />
antwortet Ingalf - fast schon reflexartig. Er<br />
scheint diesen Satz in seinem Leben schon oft gehört<br />
zu haben.<br />
"Sag mal, verarschst Du mich?" Der Statter wird ungehaltener.<br />
"Seh' ich so aus?" kommt es knapp von <strong>de</strong>m Thorwaler<br />
zurück.<br />
"Ruhig Blut, ihr bei<strong>de</strong>!" kommt es herrisch vom Magier.<br />
"Sonst verwan<strong>de</strong>le ich euch bei<strong>de</strong> in zwei Schweine<br />
und dann könnt ihr euch gemeinsam im Dreck<br />
wälzen und die Sache austragen. Wir - äh - und ihr<br />
habt an<strong>de</strong>re Probleme." bringt Isinha die Diskussion<br />
wie<strong>de</strong>r auf das Wesentliche zurück.<br />
Die Holberker, nicht nur <strong>de</strong>r Statter, zucken zurück.<br />
Isinha war sehr überzeugend.<br />
Der Magier bricht die Spannung mit einem Lächeln.<br />
Ingalf zuckt nur mit <strong>de</strong>r Schulter. "Und wenn schon!"<br />
Ein aufmerksamer Beobachter wird die sich än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />
Körperhaltung <strong>de</strong>r Holberker als "Ach, das war also<br />
nur eine leere Drohung <strong>de</strong>s Magiers." interpretieren.<br />
"Ihr glaubt mir nicht?" fragt Isinha mit einem bissigen<br />
Unterton. "Nun, die Bemerkung unseres werten<br />
Freun<strong>de</strong>s hier ist darauf ausgelegt, dass sich für ihn<br />
nichts än<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>. Euer Statter hat vorhin schließlich<br />
seine Tischmanieren beobachten dürfen!" -<br />
'Mann, Ingalf, halt bloß die Klappe!'<br />
Dröhnen<strong>de</strong>s Lachen ist die Antwort <strong>de</strong>r Holberker.<br />
Ingalf funkelt <strong>de</strong>n Magier zornig an, sagt aber nichts.<br />
'Auch als Schwein wür<strong>de</strong> ich diesen komischen Statter<br />
an die Wand drücken, das wohl!'<br />
"Weist uns doch bitte eines <strong>de</strong>r Häuser zu, damit wir<br />
mit unseren Untersuchungen und Nachforschungen<br />
beginnen können. Dies scheint mir dringlich." fährt er<br />
an <strong>de</strong>n Statter gerichtet fort.<br />
"Hm", <strong>de</strong>r Statter schaut sich zu seinen Soldaten um.<br />
"Ich weiß gar nicht, ob wir ein leeres Haus haben."<br />
Auch die Soldaten zucken die Achseln. "Ihr könnt<br />
euch gern umschaue. Wenn ihr ein leeres Haus fin<strong>de</strong>t,<br />
könnt ihr einziehen." dann fällt ihm etwas ein. "In <strong>de</strong>r<br />
Burg gibt es noch ein paar Zimmer, wo niemand<br />
wohnt. Könnt ihr haben, wenn ihr wollt."
"Wir kommen gern darauf zurück. Aber zunächst wer<strong>de</strong>n<br />
wir uns nach einem Haus in <strong>de</strong>r Stadt umsehen,<br />
nicht wahr?"<br />
"Warum nicht in die Burg - die sah am stabilsten aus,<br />
das wohl!" raunt Ingalf <strong>de</strong>m Magier zu. 'Und da gibt<br />
es sicherlich auch was zu ent<strong>de</strong>cken …'<br />
"Vielleicht sollten wir uns aber vorerst an<strong>de</strong>ren Aufgaben<br />
widmen." schlägt er vor.<br />
"Genau, die Krankheit und das Rattenzeichen",<br />
stimmt <strong>de</strong>r Statter zu.<br />
Rovena hat die bei<strong>de</strong>n Eichen fasziniert beobachtet,<br />
als sie auf Elgars Annäherung begonnen haben, sich<br />
zu bewegen. Was für ein mächtiger Zauber mag dahinter<br />
stecken? Fast sah es aus, als ob diese Bäume<br />
durch einen Zauber wie <strong>de</strong>m Hexenholz in Bewegung<br />
versetzt wur<strong>de</strong>n! Elgars Feststellung, dass Magie diese<br />
Bäume durchdringt, scheint dazu zu passen.<br />
Bedauernd wird ihr bewusst, dass sie es erst gar nicht<br />
versuchen braucht, einen solchen starken Zauber<br />
durch ihren zu brechen,<br />
dazu ist sie einfach noch zu schwach und unerfahren.<br />
Es muss einen an<strong>de</strong>ren Weg geben, an <strong>de</strong>n Bäumen<br />
vorbeizukommen. Wie<strong>de</strong>r muss sie an Nahemas Worte<br />
<strong>de</strong>nken. Haben sie <strong>de</strong>nn schon <strong>de</strong>n schlauesten,<br />
ehrgeizigsten und gewissenlosesten Bewohner Ohorts<br />
kennen gelernt? Sie kann sich an nieman<strong>de</strong>n erinnern,<br />
auf <strong>de</strong>n diese Beschreibung passen wür<strong>de</strong>. Ja, es<br />
ist auf je<strong>de</strong>n Fall nun wichtig, mehr über die Stadt<br />
und ihre Bewohner zu erfahren und das können sie<br />
nur, wenn sie die Aufgabe angehen, mehr über diese<br />
seltsame Krankheit in Erfahrung zu bringen. Was<br />
mag dahinter stecken, woher kommt diese Rattenzeichen?<br />
Auffor<strong>de</strong>rnd schaut sie <strong>de</strong>n Statter an. "Ja, führt uns<br />
zu <strong>de</strong>n Kranken."<br />
"Zu allen?" Der Statter ist verblüfft. "In je<strong>de</strong>m Haus<br />
mit einem Rattenzeichen gibt es einen Kranken. Ihr<br />
könnt sie alle besuchen."<br />
"Beginnen wir doch mit <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r schon am längsten<br />
an <strong>de</strong>r Krankheit lei<strong>de</strong>t. Tote hattet ihr noch nicht zu<br />
beklagen?" fragt die Hexe geduldig nach.<br />
"Doch, ein paar Alte und kleine Kin<strong>de</strong>r sind schon gestorben,<br />
nur mehr als früher. Und woher soll ich wissen,<br />
wer schon am längsten krank ist?" Der Statter<br />
<strong>de</strong>nkt einen Moment nach. "Ist das bei euch so, dass<br />
man zum Statter geht, wenn man krank wird?"<br />
"Nein, man lässt natürlich einen Heilkundigen kommen",<br />
antwortet Rovena. "So jeman<strong>de</strong>n habt ihr doch,<br />
o<strong>de</strong>r? Und gleichzeitig erfahren auch die Dorfschulzen<br />
davon. Ich wollte zu<strong>de</strong>m wissen, ob diese Krankheit<br />
zum To<strong>de</strong> führt."<br />
"Nein, einen Heilkundigen haben wir nicht. Die Götter<br />
geben und die Götter nehmen. Aber vielleicht haben<br />
euch ja die Götter geschickt." Die Stimme <strong>de</strong>s<br />
429<br />
Statters schwankt zwischen Fatalismus und Hoffnung.<br />
'Na ja, dicht 'dran.' <strong>de</strong>nkt sich Isinha. 'Nahema ist<br />
zwar keine Göttin, aber auf Dere wohl am ehesten<br />
auch nur annähernd so mächtig.'<br />
"Von welchen Göttern re<strong>de</strong>t Ihr?" will Rovena<br />
wissen."Und wo verehrt ihr sie?"<br />
Die Miene <strong>de</strong>s Statters versteinert: "Das geht euch<br />
nichts an!"<br />
Edric erschreckt bei dieser heftige und unerwarteten<br />
Reaktion. 'Was sind das für Götter, die sich verstecken<br />
müssen', fragt er sich. In seine Gedanken drängen sich<br />
wie<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r fanatischen Mönche in <strong>de</strong>r Wüste<br />
und ihrer dunklen Machenschaften.<br />
'O<strong>de</strong>r verehren sie gar keine Götter?' kommt ihm mit<br />
Erschrecken in <strong>de</strong>n Sinn. Glücklich sieht er bei <strong>de</strong>m<br />
Gedanken nicht aus.<br />
Die heftige Reaktion lässt Rovena aufhorchen und sie<br />
wirft Hesan<strong>de</strong>r schnell einen Seitenblick zu, bevor sie<br />
weiter spricht. "Ich <strong>de</strong>nke doch, woher sollen wir <strong>de</strong>nn<br />
sonst wissen, ob es tatsächlich die Götter waren, die<br />
uns hierher geschickt haben sollen? O<strong>de</strong>r zürnt euch<br />
vielleicht einer von ihnen und hat diese Krankheit unter<br />
euch gebracht? Davon sollte Ihr uns schon berichten,<br />
wenn wir Euch helfen sollen."<br />
"Das war nicht abgemacht!" Der Statter verschränkt<br />
die Arme.<br />
'Na Klasse! Gera<strong>de</strong> hatte sich <strong>de</strong>r Typ wie<strong>de</strong>r beruhigt<br />
und jetzt fängt - ausgerechnet - die Hexe 'ne Diskussion<br />
über Götter an. Bei Swafnir, was soll das nur?' Ingalf<br />
schüttelt verständnislos <strong>de</strong>n Kopf.<br />
"Nein. Aber abgemacht ist auch nicht, dass wir erfolgreich<br />
sein wer<strong>de</strong>n." konstatiert Isinha. "Je mehr ihr uns<br />
helft, zu verstehen, was vorgeht, um so eher können<br />
wir euch helfen, das Problem zu lösen."<br />
"Und wir sprechen mit Außenstehen<strong>de</strong>n nicht über<br />
unseren Glauben. Wenn ihr uns jetzt nicht helfen<br />
wollt, dann geht. Und macht das mit euren Göttern<br />
aus!" Die Stimme <strong>de</strong>s Statters klingt wie Granit.<br />
"Ganz gewiss nicht", beschwichtigt ihn Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Doch vielleicht mögt Ihr beizeiten etwas über unseren<br />
Glauben hören. Möglicherweise gibt es ja Gemeinsamkeiten",<br />
versucht <strong>de</strong>r Geweihte die Wogen zu<br />
glätten.<br />
"Nein, möchten wir nicht." Der Statter ist unnachgiebig.<br />
"Wo drückt <strong>de</strong>n jetzt wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schuh?" stöhnt <strong>de</strong>r<br />
Magier. "Kein Mensch will etwas von euren Göttern<br />
und/o<strong>de</strong>r eurem Glauben wissen." Mit einem Blick<br />
auf Rovena und Hesan<strong>de</strong>r, die mal wie<strong>de</strong>r diese religiöse<br />
Diskussion vom Zaun gebrochen haben, fügt er<br />
hinzu: "Alte Gewohnheiten legt man eben nicht
schnell ab. Belassen wir es bei: Ihr glaubt, aber wir<br />
wissen nicht, woran. In Ordnung?"<br />
Der Statter nickt: "In Ordnung."<br />
"Doch vielleicht sollten wir uns jetzt Euren Kranken<br />
widmen, um herauszufin<strong>de</strong>n, was mit ihnen ist", fügt<br />
er noch hinzu.<br />
"Gut, dann lasst uns zurück nach Ohort gehen." Der<br />
Statter sagt's und geht los.<br />
Rovena schaut <strong>de</strong>m Holberker misstrauisch nach. Da<br />
ist doch etwas, was ihnen verschwiegen wird. Aber so<br />
wird sie es nicht heraus bekommen. Vielleicht sind die<br />
Betroffenen, die an dieser Krankheit lei<strong>de</strong>n, williger<br />
zu re<strong>de</strong>n. Sie schaut ihre Gefährten an und setzt sich<br />
in Bewegung, um <strong>de</strong>m Statter zurück in die Stadt zu<br />
folgen.<br />
Als Ingalf Rovena blickt bemerkt, tippt er sich an die<br />
Stirn und folgt schulterzuckend <strong>de</strong>m Statter.<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg zurück nach Ohort spricht Ingalf <strong>de</strong>n<br />
Magier an: "Was meinste, sollen wir nicht besser beim<br />
Statter inner Burg übernachten? Erstens sieht die<br />
noch ganz gut aus, zweitens isses wohl eins <strong>de</strong>r ältesten<br />
Gebäu<strong>de</strong> und da gibt es bestimmt was zu fin<strong>de</strong>n,<br />
das wohl!"<br />
"Hm, gar keine schlechte I<strong>de</strong>e." antwortet <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Wie immer gibt's dort sicher die drei großen B's …" -<br />
als Ingalf ihn verstört anblickt, fährt Isinha grinsend<br />
fort - "na Bibliothek, Bierkeller und Burgfräulein natürlich!<br />
Für je<strong>de</strong>n was dabei."<br />
"Das wohl! Das wohl!" grinst Ingalf zurück.<br />
"Und an <strong>de</strong>r Reihenfolge arbeiten wir nach, dann sind<br />
alle drei gut, bei Swafnir!"<br />
"Sicher, für Dich wäre Bier wohl <strong>de</strong>r Favorit. Aber mit<br />
<strong>de</strong>m Burgfräulein wäre ich bei unseren Gastgebern<br />
vorsichtig. Denk an Tili Tiki!" erinnert ihn Isinha<br />
grinsend.<br />
"Nö, alles drei sind meine Favoriten, das wohl! Erst<br />
das Burgfräulein und dann mit ihr und ein paar Krügen<br />
Bier in die Bibliothek zurückziehen, das wohl!"<br />
feixt Ingalf breit grinsend zurück.<br />
"Dann lass dir noch etwas für mich einfallen", meint<br />
Rovena trocken und schmunzelt.<br />
"Wie, kannst Du etwa nicht lesen?" kommt die überrascht<br />
klingen<strong>de</strong> Gegenfrage. "Und ein Bier wirst Du<br />
Dir doch sicher schmecken lassen können. Ach ja, außer<strong>de</strong>m<br />
war das ein Männer-Gespräch, sonst hätte ich<br />
gesagt, dass auch für je<strong>de</strong> etwas dabei wäre." meint er<br />
mit einem Augenzwinkern. Offenbar ist ihm völlig<br />
entgangen, dass Rovena sein kurzes Gespräch mit Ingalf<br />
mitangehört haben könnte.<br />
"Männergespräche, Papperlapapp", antwortet Rovena<br />
verschmitzt. "Lesen kann ich, das weiß du, doch lerne<br />
ich lieber aus <strong>de</strong>r Erfahrung und Anwendung als aus<br />
<strong>de</strong>r Theorie. Und mit Bier o<strong>de</strong>r Wein bin ich eher vor-<br />
430<br />
sichtig und bevorzuge eine an<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>s Rausches."<br />
Versonnen blickt sie vor sich hin und seufzt sehnsüchtig.<br />
Beim nächsten Fest hat sie bestimmt einiges zu erzählen,<br />
und bald ist es auch so weit, die Vertrautenbindung<br />
zu Surnia einzugehen.<br />
"Also ich verzichte gerne auf Burgfräulein und Bier",<br />
meint Hesan<strong>de</strong>r, "und besichtige direkt die Bibliothek<br />
- sofern vorhan<strong>de</strong>n."<br />
Mit einem Nicken gibt er <strong>de</strong>m Thorwaler zu verstehen,<br />
dass <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Statter darauf ansprechen soll. "Außer<strong>de</strong>m<br />
brauchen wir uns dann um die Verpflegung<br />
keine Sorgen machen." ergänzt er.<br />
"Und die Gefahr ist vielleicht auch nicht so groß, dass<br />
uns das Dach über'm Kopf zusammenfällt", stimmt<br />
sie <strong>de</strong>n Überlegungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n zu.<br />
Ingalf geht nach vorne zum Statter: "Hey, Meister!<br />
Wir haben uns das überlegt. Wir wollen inner Burg<br />
schlafen, das wohl! Ist doch am Besten!"<br />
"Is gut." Der Statter schaut zufrie<strong>de</strong>n. "Es gibt da<br />
einen großen Raum. Da könnt ihr alle schlafen." -<br />
"Ein bisschen Platz schaffen müsst ihr schon."<br />
"Wie meinste das? Platz schaffen?" fragt Ingalf neugierig<br />
nach. "Du hattest doch gesagt, dass da Platz ist,<br />
das wohl!"<br />
"Nun ja, in <strong>de</strong>n Raum wird halt immer wie<strong>de</strong>r was<br />
rein gestellt, was nicht gebraucht wird. Aber ihr könnt<br />
<strong>de</strong>n Kram aus <strong>de</strong>m Fenster wer<strong>de</strong>n." Der Statter sieht<br />
das Problem ganz pragmatisch.<br />
'O<strong>de</strong>r einstecken, wenn wir's brauchen können?!'<br />
überlegt <strong>de</strong>r Magier, nicht weniger pragmatisch, als<br />
eher praktisch.<br />
Dann wen<strong>de</strong>t Hesan<strong>de</strong>r sich an <strong>de</strong>n Statter: "Sagt, gibt<br />
es in <strong>de</strong>r Burg einen Raum mit Büchern?"<br />
"Was sind <strong>de</strong>n 'Bücher'?" kommt die Gegenfrage <strong>de</strong>s<br />
Statters.<br />
"So etwas hier", antwortet Hesan<strong>de</strong>r und zeigt <strong>de</strong>m<br />
Statter sein Schlangenbuch, jedoch nicht ohne darauf<br />
zu achten, dass es ihm nicht aus <strong>de</strong>r Hand gerissen<br />
wird o<strong>de</strong>r eine ungestüme Reaktion <strong>de</strong>s Statters es beschädigen<br />
wür<strong>de</strong>.<br />
"Ach so, das meinst Du, Feuerhilfe." Dem Statter<br />
dämmert anscheinend etwas. "In eurem Schlafraum<br />
gab es viel davon, hat mein Großvater erzählt. Jetzt<br />
gibt es nur noch wenig."<br />
Als Isinha diese Antwort <strong>de</strong>s Statters nach <strong>de</strong>n Büchern<br />
hört, bekommt er anscheinend einen Schwächeanfall,<br />
so sehr zittern seine Knie. 'Feuerhilfe'? Die<br />
sind wohl wahnsinnig?!' Nur mit Mühe bewahrt er<br />
Ruhe.<br />
"Nun, dann habt Ihr nichts dagegen, wenn ich mir die<br />
Feuerhilfe etwas betrachte", meint Hesan<strong>de</strong>r. Dann<br />
besinnt er sich <strong>de</strong>s eher schlichten Gemüts <strong>de</strong>s Statters
"Natürlich nur bevor ich sie dann als Feuerhilfe verwen<strong>de</strong>",<br />
fügt er hinzu.<br />
"Gern, gern." Bücher scheinen <strong>de</strong>m Statter nicht im<br />
entferntesten wichtig zu sein.<br />
"Wir sollten uns ein paar seiner 'Feuerhilfen' auf Dauer<br />
'ausleihen'!" wispert <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>m Geweihten zu.<br />
"Wozu willst Du Dich mit alten Büchern abschleppen?<br />
Ich hab' Feuerstein und Stahl, das wohl!" meint<br />
Ingalf ebenso leise.<br />
"Sagen wir einfach, <strong>de</strong>r Wert von Büchern geht über<br />
ihren Flammpunkt hinaus und hängt mit ihrer eigentlichen<br />
Bestimmung zusammen." erwi<strong>de</strong>rt Isinha<br />
mit einer hoch gezogenen linken Augenbraue <strong>de</strong>m<br />
Thorwaler.<br />
"Ach so, Du willst sie lesen … aber das können wir<br />
doch hier und brauchen sie dann nicht mitnehmen,<br />
das wohl!" entgegnet Ingalf.<br />
"Mir scheint, wir haben heute Abend noch etwas zu<br />
tun", kommentiert Hesan<strong>de</strong>r die Antwort <strong>de</strong>s Statters<br />
leise in Richtung Elgar.<br />
Edric folgt <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren und fragt sich, warum in einer<br />
Burg Dinge aufbewahrt wer<strong>de</strong>n, die dann aus <strong>de</strong>m<br />
Fenster geworfen wer<strong>de</strong>n können.<br />
'Vielleicht ist das auch ein Sprichwort o<strong>de</strong>r eine beson<strong>de</strong>re<br />
Re<strong>de</strong>wendung' überlegt er und beschließt abzuwarten,<br />
bis er <strong>de</strong>n Raum in Augenschein nehmen<br />
kann.<br />
Der Raum, <strong>de</strong>n die Hel<strong>de</strong>n zugewiesen bekommen,<br />
liegt auf <strong>de</strong>r gleichen Etage wie <strong>de</strong>r Saal, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Statter sie begrüßt hat, von diesem durch einen langen<br />
Korridor getrennt. Der Raum ist 12 Schritt lang und<br />
sechs Schritt breit.<br />
Was immer <strong>de</strong>r Raum früher mal war, jetzt ist er vor<br />
allem eine Rumpelkammer für Möbel - schadhafte<br />
Möbel, versteht sich. Mit wenig Rücken sollte es aber<br />
möglich sein, sich 6 Schlafplätze zu schaffen. Ganz so<br />
voll wie befürchtet steht <strong>de</strong>r Raum doch nicht.<br />
"Heusäcke wer<strong>de</strong>n gebracht. Braucht ihr noch Decken?"<br />
Der Statter schickt sich an, <strong>de</strong>n Raum zu verlassen.<br />
"Decken und Heusäcke wären gut. Und vielleicht<br />
auch etwas Licht, das wohl!" antwortet Ingalf. "Und<br />
wann sollen wir zum Aben<strong>de</strong>ssen erscheinen?"<br />
"Kriegt ihr alles." Der Statter ist sichtlich zufrie<strong>de</strong>n.<br />
"Wenn ihr Hunger habt, kommt ihr einfach in <strong>de</strong>n<br />
Saal und ruft. Zu essen gibt es immer was."<br />
"Das ist gut, das wohl!" antwortet Ingalf erfreut. "Damit<br />
wird für uns die Suche nach <strong>de</strong>r Krankheit viel<br />
leichter!"<br />
Als Edric dies hört, muss er grinsen. Diese Holberker<br />
sind schon ein seltsames Völkchen …<br />
431<br />
Sobald die Gruppe in <strong>de</strong>r "Bibliothek" alleine ist, sagt<br />
Hesan<strong>de</strong>r zu Elgar: "Dann lasst uns doch einmal<br />
schauen, was es hier noch an Lesens- und Wissenswertem<br />
gibt."<br />
Lediglich das Leuchten in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Magiers, das<br />
je<strong>de</strong> Fackel überstrahlen wür<strong>de</strong> und ein rasches Nicken<br />
zeigen <strong>de</strong>ssen Zustimmung. Und dann ist er<br />
schon am Räumen, aber nicht um Platz zum Schlafen<br />
zu schaffen, son<strong>de</strong>rn um an die Bücher zu kommen<br />
…<br />
Ingalf unterstützt <strong>de</strong>n Magier bei <strong>de</strong>r Suche, aber<br />
nicht nur nach Büchern. Wer weiß, was noch alles zu<br />
fin<strong>de</strong>n gibt …<br />
Auch Rovena sieht sich neugierig in <strong>de</strong>m Raum um<br />
und sucht sich schon mal einen Platz für ihr Lager<br />
nahe eines Fensters aus, wo sie ihre Sachen ablegt.<br />
Dann macht auch sie sich auf die Suche nach Interessantem,<br />
seien es Bücher o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Dinge. Vor allem<br />
die Möbel schaut sie sich näher an. Sie kann sich<br />
nicht vorstellen, dass die Holberker diese hergestellt<br />
haben sollen.<br />
Auch Edric schaut sich bei <strong>de</strong>n abgestellten Dingen<br />
um. Kaputte Möbel interessieren ihn zwar ebenso wenig<br />
wie Bücher, da er nicht lesen kann, aber vielleicht<br />
fin<strong>de</strong>t er ja ein Buch mit Zeichnungen o<strong>de</strong>r gar etwas<br />
an<strong>de</strong>res Interessantes unter <strong>de</strong>m verstaubtem Kram.<br />
"Was haltet Ihr davon, wenn wir uns aufteilen", fragt<br />
Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Magier. "Sollte ich Bücher mit magischem<br />
Wissen fin<strong>de</strong>n, lege ich sie dort auf einen Stapel.<br />
Solltet Ihr hingegen Bücher mit historischem o<strong>de</strong>r<br />
kulturellem Wissen fin<strong>de</strong>n, legt Ihr sie dorthin. So bekommt<br />
je<strong>de</strong>r das, wonach er sucht", schlägt er weiterhin<br />
vor.<br />
Isinha hält kurz inne. "Ja, tut das. Nur ist <strong>de</strong>r Inhalt<br />
magischen Wissens oft für Nichtmagier wenig offensichtlich.<br />
Der Titel verrät meist zu wenig genug. Ich<br />
wer<strong>de</strong> ohnehin alles selbst durchsehen. Aber Euch interessieren<strong>de</strong><br />
Werke lege ich natürlich heraus."<br />
Dann wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n Büchern zu und<br />
sieht alle Werke aufmerksam an. Beson<strong>de</strong>rs vorsichtig<br />
geht er mit <strong>de</strong>n alten o<strong>de</strong>r alt aussehen<strong>de</strong>n Titeln um,<br />
nicht dass noch ein wertvolles Buch zu Staub zerfällt.<br />
Unter<strong>de</strong>ssen untersucht <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>n Raum nach<br />
möglichen Ein- und Ausgängen wie Türen und Fenstern<br />
und wie die zu sichern sind.<br />
Der Raum hat zwei Türen zum Gang hin und drei<br />
Fenster, <strong>de</strong>ren Butzenscheiben größtenteils noch heil<br />
sind. Die Motten haben <strong>de</strong>n größten Teil <strong>de</strong>r Vorhänge<br />
aufgefressen.<br />
Der Krieger schaut schweigend nach, ob alles fest verschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Die Fenster sind mittels Haken verschlossen und lassen<br />
sich leicht öffnen. Die Türen haben zwar Klinke<br />
und Schlüsselloch, aber keine Schlüssel.
Die Bibliothek<br />
Die<br />
Hel<strong>de</strong>n nehmen ihren Raum genauer unter<br />
die Lupe. Und ja, <strong>de</strong>r Raum muss früher eine<br />
Bibliothek o<strong>de</strong>r auch ein Kontor gewesen sein, <strong>de</strong>nn<br />
an <strong>de</strong>n meisten Wän<strong>de</strong>n stehen Regale. Lei<strong>de</strong>r sind sie<br />
durchgehend leer.<br />
Auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n verstreut fin<strong>de</strong>n sich noch viele Einbän<strong>de</strong>,<br />
aus <strong>de</strong>nen aber die Seiten herausgerissen sind.<br />
Magische Literatur ist nicht darunter. Und es fehlen<br />
auch theologische Werke. Dafür fin<strong>de</strong>n sich Buchumschläge<br />
zu allen möglichen praktischen Themen. Ein<br />
mehrbändiges Werk "De re metallica" fin<strong>de</strong>t sich genauso<br />
wie ein schmaler Einband "Über die Kuh". Aber<br />
aller Inhalt sind weg.<br />
Beim Anblick <strong>de</strong>r Reste kommen Isinha fast die Tränen.<br />
Mit einem Kloß im Hals schluckt er seinen Ärger<br />
darüber und macht sich Luft: "Diese Holberker verstehen<br />
sich darauf, Bücher auszulesen, was?!"<br />
Es gibt je<strong>de</strong> Menge Belletristik, aber keiner <strong>de</strong>r Autoren<br />
ist <strong>de</strong>n Suchen<strong>de</strong>n bekannt.<br />
Die Möbel in diesem Raum scheinen aus allen Ecken<br />
<strong>de</strong>s Schlosses zu stammen: Ehemals edle Essstühle<br />
mit gedrechselten Beinen, ausnahmslos alle unbenutzbar,<br />
fin<strong>de</strong>n sich neben einfachen zerbrochenen<br />
Bänken und dreibeinigen Hockern mit halbem Sitzbrett.<br />
Bei ein paar großen Ohrensesseln an <strong>de</strong>n Fenstern<br />
stechen Sprungfe<strong>de</strong>rn durch <strong>de</strong>n total abgewetzten<br />
Bezug.<br />
'Scha<strong>de</strong>! Da hätte man echt gut drauf sitzen können,<br />
das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf während seine Gefährten sich<br />
<strong>de</strong>n Bücherresten widmen.<br />
Im hinteren Bereich <strong>de</strong>s Raumes steht ein riesiger<br />
Schreibtisch, <strong>de</strong>r noch eine recht gut erhaltenen Eindruck<br />
macht. Er besteht aus dicken Holzbrettern. In<br />
einer leichten Vertiefung in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Schreibfläche<br />
kleben noch einige Le<strong>de</strong>rreste. Die Schubfächer<br />
rechts und links sind leer geräumt, aber da ist ja noch<br />
eine Schubla<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Mitte, und die ist verschlossen.<br />
Nur ein kleines Schlüsselloch in <strong>de</strong>r Mitte ist sichtbar.<br />
"Seht doch mal", entfährt es Hesan<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung.<br />
"Ist jemand von Euch dazu in <strong>de</strong>r Lage, das<br />
Schloss zu öffnen ohne <strong>de</strong>n Tisch zu zerstören?" fragt<br />
Hesan<strong>de</strong>r die Gruppe.<br />
Der Schreibtisch weckt das Interesse <strong>de</strong>s Magiers und<br />
er besieht sich erst die leeren Fächer und dann das abgeschlossene<br />
Schubfach genauer.<br />
Falls es keine an<strong>de</strong>re Möglichkeit gibt: "Ich glaube<br />
kaum, dass hier jemand was dagegen hat, dieses Fach<br />
fachmännisch zu öffnen, o<strong>de</strong>r? Ingalf, wür<strong>de</strong>n Du und<br />
<strong>de</strong>in Hackebeil hier mal tatkräftig einschreiten?" bittet<br />
Isinha <strong>de</strong>n Thorwaler.<br />
Ent<strong>de</strong>ckungen<br />
432<br />
"Moment", fährt Hesan<strong>de</strong>r dazwischen. "Vielleicht<br />
gibt es jeman<strong>de</strong>n unter uns, <strong>de</strong>r filigranere, subtilere<br />
Fähigkeiten anwen<strong>de</strong>n kann. Was auch immer in <strong>de</strong>m<br />
Fach ist, sollte doch wohl heil bleiben, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Du willst immer alles mit Gewalt lösen, o<strong>de</strong>r?" fragt<br />
Ingalf mit ernster Miene <strong>de</strong>n Magier. Als dieser ihn erstaunt<br />
ansieht, grinst er nur. Dann nimmt er seinen<br />
Schneidzahn und versucht das Blatt in <strong>de</strong>n Spalt zwischen<br />
Tischplatte und Schubla<strong>de</strong> zu drücken.<br />
Als ihm das gelungen ist, schlägt er kräftig auf das<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schaftes seines Schneidzahn und hofft<br />
durch <strong>de</strong>n Hebel die Schubla<strong>de</strong> zu öffnen.<br />
Der Schreibtisch ist offensichtlich stabil gebaut. Statt<br />
die Schubla<strong>de</strong> aufzuhebeln, gräbt sich Schnei<strong>de</strong> ins<br />
Holz.<br />
"Sachte", mahnt Hesan<strong>de</strong>r. "Vielleicht sollten wir etwas<br />
an<strong>de</strong>res versuchen."<br />
"Tja, <strong>de</strong>r Tisch is' kein rohes Ei, das wohl!" meint Ingalf<br />
nach <strong>de</strong>m ersten vorsichtigem Anhebeln. "Nu,<br />
richtig mit Schwung o<strong>de</strong>r Hesan<strong>de</strong>r puhlen lassen?"<br />
fragt er <strong>de</strong>n Magier.<br />
"Dann eben mit Schwung", seufzt Hesan<strong>de</strong>r, "ich bin<br />
kein Phexenjünger."<br />
"Na gut." seufzt Isinha und streicht vorsichtig mit <strong>de</strong>n<br />
Fingerspitzen über das Schloss und die Frontplatte.<br />
'Es gibt ja <strong>de</strong>n , aber <strong>de</strong>r ist schon netter.' überlegt er angestrengt.<br />
Kurz entschlossen legt er die Hand direkt über das<br />
Schloss und murmelt leise "!"<br />
und während <strong>de</strong>r Bereich um das Schloss weich und<br />
formbar wird, dreht er die Hand vorsichtig hinein.<br />
So holt er <strong>de</strong>n gesamten Mechanismus samt Riegel<br />
heraus und öffnet anschließend die Schubla<strong>de</strong>.<br />
"Ja, das is' man auch nich' übel, das wohl!" meint Ingalf<br />
bewun<strong>de</strong>rnd.<br />
Aufmerksam beobachtet Rovena, die sich ihren Gefährten<br />
zugesellt hat, Elgar bei <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>s<br />
Zaubers. "So also hast du auch das Metall in <strong>de</strong>m<br />
Turm geschmolzen", murmelt sie leise vor sich hin,<br />
während sie zuschaut, wie er das Schloss entfernt.<br />
In <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong> liegt ein in Le<strong>de</strong>r gebun<strong>de</strong>nes Buch,<br />
daneben ein eingetrocknetes Tintenfass und eine<br />
Schreibfe<strong>de</strong>r. Der Einband trägt die zweizeilige Beschriftung<br />
"Die Stadt Freiheit", "Das<br />
Stadtherrenbuch".<br />
"Hm. Interessant." murmelt Isinha und nimmt das<br />
Buch vorsichtig aus <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong>, legt es auf <strong>de</strong>n<br />
Tisch und schlägt die erste Seite auf.<br />
Die gleichmäßige Handschrift eines offensichtlich in<br />
höchstem Maße Schreibkundigen ist <strong>de</strong>r erste Ein-
druck. Und dann wird Isinha vom Text gefangen genommen.<br />
"Was steht <strong>de</strong>nn da?" fragt Edric neugierig, <strong>de</strong>r sich<br />
dazu gesellt hat, da die alten, verschlissenen Möbel<br />
wenig Reiz auf ihn ausüben.<br />
"Alles über die Geschichte <strong>de</strong>r Stadt und die Holberker,<br />
das wohl! Aber lass es uns doch erst mal zu En<strong>de</strong><br />
lesen …" antwortet Ingalf, <strong>de</strong>r sich bemüht die immer<br />
schlechter wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schrift zu entziffern.<br />
Ingalf schaut <strong>de</strong>m Magier über die Schulter und liest<br />
mit.<br />
"… erster Diener <strong>de</strong>s Daimon …" liest Isinha leise die<br />
Unterschrift.<br />
"Mir scheint, sie verehren einen Götzen namens Daimon",<br />
kommentiert Hesan<strong>de</strong>r, wobei er das Wort "Dämon"<br />
sehr leise ausspricht.<br />
"Es wür<strong>de</strong> mich doch sehr interessieren, was es damit<br />
auf sich hat, jedoch wird wohl <strong>de</strong>r Statter nichts darüber<br />
berichten wollen. Lesen wir weiter."<br />
"Ich bin zwar kein Experte auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Dämonologie,<br />
eher im Gegenteil, aber ich fürchte, unser<br />
Stadtgrün<strong>de</strong>r und Verwandter <strong>de</strong>s jetzigen Statters hat<br />
wohl einen Pakt mit einer nie<strong>de</strong>rhöllischen Wesenheit<br />
geschlossen." informiert <strong>de</strong>r Magier die an<strong>de</strong>ren.<br />
Hesan<strong>de</strong>r erbleicht bei <strong>de</strong>r Vorstellung - nein, das hatte<br />
er sich so nicht vorgestellt!<br />
433<br />
"Ein Pakt mit einer Wesenheit <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rhöllen?! Sie<br />
beten eine Dämon an?" fragt Hesan<strong>de</strong>r eher rhetorisch.<br />
"Dämonen?" fragt Edric nervös. "Was steht <strong>de</strong>nn da<br />
genau? Lies doch mal einer vor", for<strong>de</strong>rt er seine Gefährten<br />
auf.<br />
"Das ist unglaublich. Doch welcher Gegenspieler mag<br />
es sein? Tsas?" fragt Hesan<strong>de</strong>r leise <strong>de</strong>n Magier. "Lesen<br />
wir weiter."<br />
Elgar blättert um.<br />
"So, und hier steht jetzt, dass auch ein Ro<strong>de</strong>k 'zweiter<br />
Diener Daimons' gewesen sei. Die Stellung <strong>de</strong>s Statters<br />
hängt von Alters her davon ab, welche Sippe mehr<br />
Mitglie<strong>de</strong>r hat, so dass wohl die Krinaks im Moment<br />
wirklich in <strong>de</strong>r Überzahl sein dürften." Mit einem Seitenblick<br />
auf Hesan<strong>de</strong>r fügt Isinha hinzu: "Ich hoffe,<br />
dass hier kein Erzdämon o<strong>de</strong>r ähnlich Garstiges Verehrung<br />
entgegen gebracht wird, son<strong>de</strong>rn dass 'nur'<br />
eine an<strong>de</strong>re Wesenheit Mittelpunkt <strong>de</strong>s Kults ist. Hier<br />
in <strong>de</strong>r Burg soll irgendwo ein Altar sein. Vielleicht<br />
sollten wir <strong>de</strong>n suchen. Außer<strong>de</strong>m ergibt sich die<br />
Möglichkeit, dass die Krankheit nicht ein Fluch <strong>de</strong>r<br />
Götter ist. Ich habe gelesen, dass <strong>de</strong>r Pakt mit einem<br />
Dämon erhebliche 'Nebenwirkungen' auf <strong>de</strong>n Paktierer<br />
hat. Vielleicht hat sich die 'Krankheit' im Laufe <strong>de</strong>r<br />
Zeit entwickelt als Folge <strong>de</strong>s Pakts und wird nun an<br />
die Kin<strong>de</strong>r und Kin<strong>de</strong>skin<strong>de</strong>r weiter gegeben. In diesem<br />
Fall ist sie wohl kaum heilbar." seufzt <strong>de</strong>r Magier.
"Nun, wür<strong>de</strong>n die Götter die Kin<strong>de</strong>r, Kin<strong>de</strong>skin<strong>de</strong>r<br />
und <strong>de</strong>ren Nachfahren für eine Verfehlung <strong>de</strong>r Ahnen<br />
bestrafen?" fragt Hesan<strong>de</strong>r kritisch.<br />
Ingalf liest mir, dann fällt ihm etwas ein: "An <strong>de</strong>r<br />
Schule stand doch auch 'Daimon', o<strong>de</strong>r? Und da<br />
wusste doch keiner was mit anzufangen, das wohl! Ich<br />
glaube nicht, dass das ein Dämon is'!"<br />
"Den Altar sollten wir wohl suchen, aber so, dass man<br />
uns nicht ent<strong>de</strong>ckt", fügt er hinzu.<br />
Dann überlegt er eine Weile. "Elgar, was haltet Ihr von<br />
<strong>de</strong>r These, dass wenn die Holberker nicht auf natürlichem<br />
Wege geschaffen wur<strong>de</strong>n, dies eine Strafe <strong>de</strong>sjenigen<br />
ist, <strong>de</strong>n sie anbeten?"<br />
"Der Statter wusste vorhin doch mit 'Daimon' nichts<br />
anzufangen. Eure These, die wohl voraussetzt, dass<br />
die Holberker diese Wesenheit noch immer anbeten,<br />
ist also unvollständig. O<strong>de</strong>r falsch." fügt <strong>de</strong>r Magier<br />
nach<strong>de</strong>nklich hinzu.<br />
"Mir scheint", interpretiert Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r<br />
nächsten Buchseite, "dass die Kin<strong>de</strong>r dieser Sippe offenbar<br />
noch keine Holberker waren. Wieso sollte eine<br />
schwarze Behaarung sonst Erwähnung fin<strong>de</strong>n?"<br />
Dann wie<strong>de</strong>r an Elgar gerichtet: "Bislang stand doch<br />
nirgendwo geschrieben, welcher Rasse diese Ahnen<br />
<strong>de</strong>r Holberker angehörten, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Nein, aber es erklärt meiner Meinung nach auch<br />
höchstens <strong>de</strong>n orkischen Teil ihrer Ahnen, nicht <strong>de</strong>n<br />
elfischen. Es sei <strong>de</strong>nn, ursprünglich wären die Krinaks<br />
und Ro<strong>de</strong>ks elfischer o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st halbelfischer Ab-<br />
434<br />
stammung gewesen. Sind Halbelfen nicht unfruchtbar?"<br />
fragt er die Gefährten.<br />
Ingalf zuckt mit <strong>de</strong>n Schultern. "Keine Ahnung …"<br />
Auch Rovena schüttelt <strong>de</strong>n Kopf. "Ich weiß es auch<br />
nicht sicher, aber ich habe noch nie davon gehört, dass<br />
Halbelfen unfruchtbar wären."<br />
Nach<strong>de</strong>nklich starrt sie auf die dritte Seite <strong>de</strong>s Stadtherrenbuches.<br />
"Sie glaubten also, dieser Daimon hätte<br />
ihre Len<strong>de</strong>n verflucht und so für etwas bestraft. Und<br />
dann hat etwas diesen Fluch gebrochen, ein behaartes<br />
Kind wur<strong>de</strong> geboren. Ich nehme schon an, dass <strong>de</strong>ssen<br />
Vater ein Ork gewesen sein muss an<strong>de</strong>re damals hier<br />
leben<strong>de</strong> Völker wer<strong>de</strong>n ja nicht beschrieben. Und das<br />
dürfte ihnen Gott, diesen Daimon, erzürnt haben.<br />
Blätterst du bitte weiter, Isinha?" bitte sie <strong>de</strong>n Magier.<br />
"Vielleicht steht auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten etwas darüber,<br />
wann diese Krankheit hier das erste Mal auftrat,<br />
ob schon früher o<strong>de</strong>r erst in letzter Zeit."<br />
Der Bitte kommt <strong>de</strong>r Magier natürlich nach und studiert<br />
nach <strong>de</strong>m Umblättern die nächste Seite.<br />
"Offenbar stimmt das und die Orks sind tatsächlich<br />
für die 'Überwindung' <strong>de</strong>r Unfruchtbarkeit verantwortlich.<br />
Was tut man nicht alles, um das Aussterben<br />
<strong>de</strong>r eigenen Sippe zu verhin<strong>de</strong>rn." grübelt er. "Aber<br />
<strong>de</strong>swegen gleich eine 'neue' Sippe mit Orkblut zu<br />
grün<strong>de</strong>n, ich weiß nicht."<br />
Da Edrics Bitte völlig ignoriert wird und ihm das Anstarren<br />
<strong>de</strong>r feinen Handschrift schnell langweilig wird<br />
- so ganz ohne Bil<strong>de</strong>r - und die Schubla<strong>de</strong> nichts In-
teressantes mehr preisgibt, wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r junge Jäger<br />
von seinen diskutieren<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n ab.<br />
'Vielleicht kann ich mich mit jeman<strong>de</strong>n über Tierhaltung<br />
unterhalten', hofft er bei sich.<br />
Und so begibt sich Edric allein in die große Halle. Die<br />
an<strong>de</strong>ren sind so sehr in ihre Gespräche vertieft, dass<br />
sie ihn nicht vermissen wer<strong>de</strong>n. Und vielleicht hat er<br />
ja so die Möglichkeit, etwas herauszufin<strong>de</strong>n.<br />
Im Gang steht eine Holberkerwache. "Wohin soll's gehen?"<br />
fragt <strong>de</strong>r Holberker.<br />
"In die Halle", antwortet Edric, da er im Moment kein<br />
besseres Ziel weiß. Er wun<strong>de</strong>rt sich, dass im Gang<br />
eine Wache steht, vermutet aber, dass diese nicht zum<br />
Schutz <strong>de</strong>r Gruppe abgestellt ist.<br />
"Der Statter hat gesagt, alle gehen o<strong>de</strong>r keiner", entgegnet<br />
<strong>de</strong>r Holberker.<br />
'Das war zu erwarten', <strong>de</strong>nkt sich <strong>de</strong>r Jäger. "Er sagte<br />
aber auch, wenn man Hunger hat, soll man in die<br />
Halle kommen." entgegnet Edric freundlich.<br />
"Und ich habe jetzt Hunger!" fügt er bestimmend hinzu.<br />
"Dann kommt alle in die Halle." Der Holberker lässt<br />
sich auf keine Diskussion ein.<br />
Dies alles bleibt von <strong>de</strong>n Gefährten zunächst unbemerkt.<br />
"Nun ja, wir wissen, dass es ungewollte Kin<strong>de</strong>r zwischen<br />
Orks und Menschen gibt, ebenso gibt es welche<br />
zwischen Elfen und Menschen. Zwischen Orks und<br />
Elfen o<strong>de</strong>r Halbelfen, das halte ich doch für merkwürdig",<br />
zweifelt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Überlegt doch einmal! Wie kann diese Frau damals<br />
schwanger gewor<strong>de</strong>n sein? Entwe<strong>de</strong>r sie zeugten bewusst<br />
einen Bastard, um die Sippe zu erhalten und<br />
nahmen in Kauf frem<strong>de</strong>s Blut in die Rasse mit einzubringen<br />
o<strong>de</strong>r aber es muss eine weitere, an<strong>de</strong>re Kraft<br />
im Spiel gewesen sein. Eine Art "magica reproductiva"<br />
vielleicht", spricht Hesan<strong>de</strong>r in Richtung Elgars.<br />
"Auf alle Fälle erklärt das, wieso hier keine Orks und<br />
keine Elfen/Halbelfen mehr leben - sie haben sich alle<br />
vermischt - und scheinen fruchtbar zu sein."<br />
435<br />
"Sehen wir doch mal, was hier weiter steht." meint <strong>de</strong>r<br />
Magier, blättert um und liest die nächste Seite <strong>de</strong>s Buches.<br />
"Seht mal, wie eigenartig." stellt Isinha bereits<br />
nach kurzem Überfliegen fest. "Hier wird Nahema als<br />
'Händlerin' erwähnt. Offenbar sind doch magische<br />
Kräfte bei <strong>de</strong>r Erschaffung <strong>de</strong>r Holberker beteiligt gewesen,<br />
wenn Nahema ihre Hän<strong>de</strong> im Spiel hat!"<br />
"Deshalb kannte sie sich auch so gut mit <strong>de</strong>r Stadt<br />
aus!" meint Ingalf. "Sie hat also kräftig mitgemischt,<br />
das wohl! Ob sie in <strong>de</strong>r Zeit hier in Ohort gewohnt<br />
hat?"<br />
Als er die Seite zu En<strong>de</strong> gelesen hat, stellt <strong>de</strong>r Magier<br />
fest: "Dieser Ro<strong>de</strong>k hatte ein paar Schwierigkeiten mit<br />
<strong>de</strong>m Schreiben. Es sieht so aus, als habe er es geschrieben,<br />
wie er das gesprochene Wort gehört hat. Offenbar<br />
hat <strong>de</strong>r Bildungsgrad mit 'Wie<strong>de</strong>reinsetzen' <strong>de</strong>r<br />
Fruchtbarkeit abgenommen."<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist sichtlich ergriffen ob <strong>de</strong>s Wissens, das in<br />
diesem Buch enthalten ist. "Elgar, überlegt doch mal,<br />
wie alt Nahema sein müsste, wenn sie damals schon<br />
als Händlerin erwähnt wird."<br />
Dann rekapituliert er: "Fassen wir zusammen:<br />
Primo: Der Intellekt <strong>de</strong>r Mischrasse scheint mit fortschreiten<strong>de</strong>r<br />
Zeit abzunehmen, o<strong>de</strong>r aber sie haben<br />
keine geeigneten Lehrmeister.<br />
Secundo: Die Rivalität zwischen Ro<strong>de</strong>ks und Krinaks<br />
ist uralt und wur<strong>de</strong> über einen langen Zeitraum sozusagen<br />
gerecht ausgetragen.
Tertio: Mit zunehmen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>generatio scheinen auch<br />
die Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Stadtherrschaft<br />
gottloser zu wer<strong>de</strong>n, was man an dieser Krankheit erkennt.<br />
Quarto: Die Krankheit ist sozusagen hausgemacht,<br />
um eine zahlenmäßige Überlegenheit <strong>de</strong>r jeweils an<strong>de</strong>ren<br />
Sippe zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Quinto: Es muss irgen<strong>de</strong>ine Quelle dieser Krankheit<br />
geben, und es wür<strong>de</strong> mich nicht wun<strong>de</strong>rn, wenn diese<br />
mit <strong>de</strong>m Altar und <strong>de</strong>r Götze, die hier angebetet wird,<br />
zu tun hat."<br />
"Mag ja sein, aber lasst uns das Buch doch erstmal zu<br />
En<strong>de</strong> lesen, das wohl!" meint Ingalf neugierig. Er ist<br />
mehr am Fortgang <strong>de</strong>r Geschichte als an <strong>de</strong>n Theorien<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n interessiert.<br />
436<br />
Nach<strong>de</strong>m Isinha einen Blick auf seine bei<strong>de</strong>n mitlesen<strong>de</strong>n<br />
Gefährten geworfen hat, blättert er weiter und<br />
liest die folgen<strong>de</strong>n Seiten in rascher Folge durch.<br />
"Es stimmt, sie wer<strong>de</strong>n dümmer im Laufe <strong>de</strong>r Zeit."<br />
meint er nach <strong>de</strong>m Lesen <strong>de</strong>r letzten Seite. "Die Ein-
träge wer<strong>de</strong>n seltener, kürzer und … mehr falsch geschriebene<br />
Worte sind enthalten. Die bei<strong>de</strong>n letzten<br />
Einträge kann man kaum noch entziffern."<br />
Er überlegt. "Eure Vermutungen scheinen zuzutreffen,<br />
Hesan<strong>de</strong>r. Aber wir sollten eine Möglichkeit nicht<br />
außer Acht lassen: Was, wenn Nahema unsterblich<br />
o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nahe daran ist? Könnte die Erschaffung<br />
<strong>de</strong>r Rasse <strong>de</strong>r Holberker dann nicht auch eine<br />
Art Zeitvertreib sein. Da sie ja angeblich regelmäßig<br />
hier vorbei kommt, könnte sie sich doch an <strong>de</strong>r - negativen<br />
- Entwicklung <strong>de</strong>r Bewohner hier ergötzen, wie<br />
Kin<strong>de</strong>r an einem Huhn, das sie mit einem Strick am<br />
Bein die Straße entlang führen."<br />
"Mein Wissen über Nahema ist doch recht begrenzt,<br />
jedoch lässt Eure durchaus plausibel erscheinen<strong>de</strong><br />
Theorie meinen Respekt vor Ihr <strong>de</strong>utlich schwin<strong>de</strong>n",<br />
sagt Hesan<strong>de</strong>r mit leicht verächtlichem Ton.<br />
"Sagt, Elgar, wäre das nicht unter magietheoretischen<br />
Aspekten sogar eine Form von Chimärologie, die hier<br />
vorliegt? Immerhin dürften sich Elfen o<strong>de</strong>r Halbelfen<br />
und Orks eher weniger aus freiem Willen vermischt<br />
und vermehrt haben."<br />
"Nahema ist keine Hexe!" murmelt Rovena empört,<br />
als sie <strong>de</strong>n Eintrag von Maku Ro<strong>de</strong>k auf <strong>de</strong>r fünften<br />
Seite liest. "Was hat sie nur getan, beim Namenlosen!<br />
Und diese Krankheit! Da steckt wohl auch Magie dahinter,<br />
die mit <strong>de</strong>r roten Ratte zusammen hängt und<br />
von <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks eingeführt wur<strong>de</strong>, um die an<strong>de</strong>re Sippe<br />
klein zu halten. Den Krinaks scheint <strong>de</strong>r Zauber<br />
nicht bekannt zu sein, wenn hier im Haus auch ein<br />
Krankheitsfall vorkommt. Ob er wirklich mit <strong>de</strong>r Kultstätte<br />
hier in <strong>de</strong>r Burg zusammenhängt? O<strong>de</strong>r steckt<br />
auch Nahema dahinter?" Die Hexe spricht leise vor<br />
sich hin und hört <strong>de</strong>n Überlegungen ihrer Gefährten<br />
aufmerksam zu.<br />
Nach<strong>de</strong>m das Buch <strong>de</strong>s Statthalters nun gelesen ist,<br />
sieht Isinha seine bei<strong>de</strong>n "gelehrten" Gefährten Rovena<br />
und Hesan<strong>de</strong>r prüfend an, ehe er auf die Anmerkungen<br />
bei<strong>de</strong>r erwi<strong>de</strong>rt: "Möglich, möglich. Aber ich<br />
halte das nicht für Chimärologie, son<strong>de</strong>rn wahrscheinlicher<br />
spielte wohl ein Illusionszauber bei o<strong>de</strong>r<br />
vor <strong>de</strong>r Verbindung von Ork und Elf? eine gewisse<br />
Rolle." vermutet <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Und auch ich halte Nahema nicht für eine Hexe.<br />
Aber eine klassische Gil<strong>de</strong>nmagierin ist sie wohl auch<br />
nicht. Ich habe mal gelesen, dass es vereinzelt Wesen -<br />
auch Menschen und Elfen - geben soll, die ihre Zauber<br />
durch bloße Vorstellung <strong>de</strong>s gewünschten Ergebnisses<br />
wirken. Also praktische Anwendung <strong>de</strong>s reinen<br />
Geistes ausüben und von <strong>de</strong>n Gil<strong>de</strong>n als 'Freizauberer'<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Ohne Bindung an die Grenzen<br />
von bekannten Zaubern sind sie überaus mächtig. Ich<br />
könnte mir sehr gut vorstellen, dass auch Nahema<br />
dazu gehört."<br />
437<br />
Nach kurzer Denkpause fügt er hinzu: "Wie die Ratten<br />
an die Häuser kommen, dürfte nun klar sein - sie<br />
wer<strong>de</strong>n aufgemalt. Zuerst sollten wir klären, ob tatsächlich<br />
nur eine Sippe betroffen ist. Außer<strong>de</strong>m sollten<br />
wir diesen Altar suchen. Ich schlage vor, wir teilen<br />
uns auf und kürzen somit die jeweilige Investigation<br />
ab."<br />
Auch wenn Ingalf nicht direkt angesprochen wird,<br />
fügt er <strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s Magiers noch hinzu: "Und wir<br />
sollten Nahemas Wohnung fin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn wenn sie<br />
hinter allem steckt, gibt es dort sicher auch Spuren,<br />
das wohl!"<br />
"Woher willst du wissen, dass sie hier eine Unterkunft<br />
hat?" fragt Rovena erstaunt. "Die Wachen wussten<br />
doch noch nicht einmal, dass sie hier in <strong>de</strong>r Nähe war<br />
…"<br />
"Ich weiß es nicht, aber wenn sie sooft hier war, wird<br />
sie doch wohl irgendwo gelebt haben, o<strong>de</strong>r?"<br />
"So wie wir vielleicht?" fragt Rovena zurück.<br />
"Nicht nur das. Wenn sie als Händlerin hierher<br />
kommt, wird sie wie Theires Zeel wohl auch nur ab<br />
und an vorbei schauen." ergänzt Isinha. "Und ihre<br />
Wohnung wäre hier sicher das am besten erhaltene<br />
Haus. Vorausgesetzt, sie hat keine Illusion geschaffen,<br />
um neugierige Blicke <strong>de</strong>r Holberker zu vermei<strong>de</strong>n."<br />
"Den Altar wür<strong>de</strong> ich gerne suchen, das ließe sich innerhalb<br />
einer Nacht erledigen - wer kommt mit?"<br />
"Selbstre<strong>de</strong>nd!" nickt Isinha zur Bestätigung.<br />
"Ich wer<strong>de</strong> dann die Kranken allein aufsuchen?" fragt<br />
Rovena darauf, da sich Hesan<strong>de</strong>r und Elgar anscheinend<br />
nicht mehr dafür interessieren, seit sie von <strong>de</strong>m<br />
Götzenkultplatz erfahren haben. Brennend interessiert<br />
sie vielmehr, welche dunkle Magie diese Zauberin<br />
angewandt und verkauft hat, um <strong>de</strong>n ursprünglichen<br />
Grün<strong>de</strong>r dieser Stadt, die wohl Elfen gewesen<br />
sein müssen, wie<strong>de</strong>r zu Nachwuchs zu verhelfen. Dieser<br />
Daimon, <strong>de</strong>n sie verehren, hat damit wohl nichts<br />
zu tun gehabt.<br />
'Das selbst re<strong>de</strong>n könnt ihr bei<strong>de</strong>n auch am Besten, das<br />
wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf und wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>n restlichen<br />
Gefährten zu: "Also, wer kommt noch mit, sich nach<br />
<strong>de</strong>n Kranken und <strong>de</strong>ren Sippe umsehen? Das können<br />
wir auch am Tag machen, dann können wir uns heute<br />
Nacht ausschlafen, das wohl, während die bei<strong>de</strong>n<br />
Herren <strong>de</strong>n Altar suchen!"<br />
"Am besten erhalten ist wohl die Burg", bemerkt die<br />
Hexe kurz und wartet auf Edrics und Melachaths<br />
Entscheidung, wem sie folgen wollen.<br />
"Auch wenn ich nicht alles verstehe, was Ihr sagt, edle<br />
Begleiter meines Weges, wer<strong>de</strong> ich Euch ob Eures<br />
Schutzes begleiten. Nicht, dass ich an Euch und Euren<br />
Fähigkeiten zweifle, aber auf eine treffsichere Waffe<br />
an Eurer Seite wer<strong>de</strong>t Ihr bestimmt nicht verzichten<br />
wollen."
Dann wen<strong>de</strong>t Isinha sich an Hesan<strong>de</strong>r: "Lasst uns<br />
gleich aufbrechen und <strong>de</strong>n Altar suchen." Er schultert<br />
seinen Rucksack wie<strong>de</strong>r und wartet darauf, dass <strong>de</strong>r<br />
Geweihte mit ihm geht.<br />
Dann meint Rovena, nach<strong>de</strong>m sich Melachath <strong>de</strong>m<br />
Magier und <strong>de</strong>m Geweihten angeschlossen hat und<br />
Edric eigene Wege geht, zu Ingalf: "Sieht so aus, als ob<br />
wir bei<strong>de</strong> uns allein um die Kranken kümmern dürfen.<br />
Begleitest du mich?" Sie wirft <strong>de</strong>m Thorwaler augenzwinkernd<br />
ein Lächeln zu. "Wir brauchen ja nur<br />
nach <strong>de</strong>m Rattenbild an <strong>de</strong>n Häusern Ausschau halten,<br />
dann wissen wir, wo wir die Erkrankten fin<strong>de</strong>n."<br />
"Aye, die Quasselstrippen sollen man ihren Tempel<br />
suchen, das wohl!" antwortet Ingalf. "Wir gehen an die<br />
frische Luft und Kawi kommt auch mit."<br />
"Nun gut." versetzt Isinha. "Dann geht Melachath mit<br />
uns. Vielleicht kann er auch gewisse sprachliche Mali<br />
ausgleichen." meint er mit einem Seitenblick auf <strong>de</strong>n<br />
Geweihten.<br />
Er ruft <strong>de</strong>r Welpen herbei und nur mit <strong>de</strong>r Orknase in<br />
<strong>de</strong>r Hand und <strong>de</strong>m Schneidzahn im Gürtel geht er<br />
neben Rovena auf <strong>de</strong>n Gang, wo Edric gera<strong>de</strong> versucht<br />
an <strong>de</strong>r Wache vorbeizukommen.<br />
Wortlos schließt <strong>de</strong>r Magier sich <strong>de</strong>n gehen<strong>de</strong>n Gefährten<br />
an. Auf <strong>de</strong>m Gang sieht er die Holberkerwache<br />
schräg von <strong>de</strong>r Seite an: "Probleme?" fragt er mit<br />
einem Blick, <strong>de</strong>n seine Gefährten schon ein paar Mal<br />
bei ihm gesehen haben: gerunzelte Stirn, über <strong>de</strong>r<br />
Nase zusammengezogene farblose Augenbrauen und<br />
ein feuriges Lo<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r roten Augen wirken überaus<br />
streng.<br />
Als die an<strong>de</strong>ren auch kommen, hellt sich die Miene<br />
<strong>de</strong>s Holberkers auf.<br />
Edric ist schon ein wenig froh, sich nicht mehr alleine<br />
mit diesem einfältigen Holberker abgeben zu müssen.<br />
Das wenige an Klugheit, welches diese Kreaturen an<br />
<strong>de</strong>n Tag legen ist schon recht anstrengend. Die einfachen<br />
Orks, mit <strong>de</strong>nen er ein wenig Han<strong>de</strong>l getrieben<br />
hat, waren ihm <strong>de</strong>utlich lieber.<br />
"Dann können wir ja los." meint die Wache.<br />
"Naja, nicht so schnell!" sagt Ingalf. "Er hat Hunger,<br />
ich nicht - im Gegenteil - ist wür<strong>de</strong> mich gerne erleichtern,<br />
das wohl! Und dazu geht ihr doch nicht in<br />
die Halle, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Erleichtern?" Der Holberker schaut verständnislos.<br />
'Die sind ja blö<strong>de</strong>r als 'ne Salzarele!' Ingalf schüttelt<br />
<strong>de</strong>n Kopf. "Na, wohin gehst Du, wenn Dir vom vielen<br />
Essen und Trinken <strong>de</strong>r Bauch drückt?"<br />
"Wohin ich dann gehe? Auf Wache natürlich! Gibt<br />
sonst Ärger."<br />
"Oh, bei Swafnir und allen Klabautermännern", Ingalf<br />
platzt fast <strong>de</strong>r Kragen bei soviel Dummheit, "wo geht<br />
ihr scheißen, verdammt und zugenäht?"<br />
438<br />
Der Holberker verdreht die Augen. "Ach, sag' das doch<br />
gleich. Da musste rausgehen, einmal nach hinten.<br />
Und dann riechst'es schon."<br />
"Aye! Dann gehe ich mal …", meint Ingalf, "… o<strong>de</strong>r<br />
müssen wir da auch alle zusammen hin?"<br />
"Davon gehe ich nicht aus." beantwortet Isinha die<br />
wohl rhetorisch gemeinte Frage.<br />
Ingalf geht in die ange<strong>de</strong>utete Richtung und schaut<br />
sich um, ob es dort eine Möglichkeit gibt die Burg unbemerkt<br />
zu verlassen.<br />
'Dann müssen wir wirklich heute Nacht <strong>de</strong>n Altar suchen<br />
und das Zimmer im Schutze <strong>de</strong>r <br />
verlassen.' überlegt <strong>de</strong>r Magier, wie er diese Bewachung<br />
umgehen wird.<br />
Rovena schaut <strong>de</strong>m Thorwaler hinterher. "Und was<br />
nun? Wir können doch nicht alle zusammen bei <strong>de</strong>n<br />
Erkrankten einfallen, das macht doch keinen Sinn!"<br />
entrüstet sie sich über das Ansinnen <strong>de</strong>s Statters, sie<br />
alle nur gemeinsam gehen zu lassen.<br />
"Mir scheint, <strong>de</strong>r Statter will verhin<strong>de</strong>rn, dass wir uns<br />
an<strong>de</strong>rweitig umsehen. Es wür<strong>de</strong> mich nicht wun<strong>de</strong>rn,<br />
wenn er die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Wache abgestellt hat, um<br />
uns im Auge zu behalten", flüstert Hesan<strong>de</strong>r ihr zu.<br />
"Wahrscheinlich will er uns auch nur alle zusammen<br />
entwe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Zimmer o<strong>de</strong>r außerhalb davon haben."<br />
wispert <strong>de</strong>r Magier seine Gedanken <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
zu. "Ihr glaubt gar nicht, wie dunkel die <br />
nachts sein kann." grinst er in Anspielung auf<br />
seinen eher mäßigen Erfolg vor <strong>de</strong>n Tunneln <strong>de</strong>r<br />
Grolme.<br />
"Hauptsache wir sehen dann noch etwas", mahnt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Die Hexe grinst und schaut Elgar vertrauensvoll an.<br />
"Du wird schon dafür sorgen, nicht wahr?"<br />
"Nein, wer<strong>de</strong> ich nicht." stellt Isinha fest und erläutert:<br />
"Nur <strong>de</strong>r Ausführen<strong>de</strong> sieht etwas, für alle an<strong>de</strong>ren<br />
herrscht eben Dunkelheit." Er zuckt mit <strong>de</strong>n Schultern.<br />
"So ist das eben."<br />
Rovenas Gesichtsausdruck drückt nicht gera<strong>de</strong> Begeisterung<br />
aus. Blind in <strong>de</strong>r Gegend herumzustolpern gefällt<br />
ihr gar nicht und ihr eigener Zauber wird ihr<br />
wohl auch keine Hilfe sein. Sie müssen sich dann<br />
ganz auf <strong>de</strong>n Magier verlassen und aneinan<strong>de</strong>r festhalten,<br />
wenn sie ihm folgen.<br />
"Es ist doch nur für einen begrenzten Raum. Die Wache<br />
wird nachts glauben, die Fackel sei erloschen, wir<br />
verlassen <strong>de</strong>n Raum und wer<strong>de</strong>n dabei nicht beobachtet.<br />
Im Vorbeigehen löschen wir dann die weiteren Fackeln,<br />
so dass es auch nach Verlassen <strong>de</strong>r dunklen<br />
Zone finster bleibt. Kopf hoch, wir schaffen das<br />
schon." muntert Isinha Rovena auf.<br />
Dann wird ihre Miene nach<strong>de</strong>nklich, als sie auf die<br />
Vermutung <strong>de</strong>s Magiers antwortet: "Ja, er will uns an-
scheinend wie eine Her<strong>de</strong> zusammen halten. Aber<br />
warum? Genauso gut könnte er je<strong>de</strong>r Gruppe Wachen<br />
an die Seite stellen. Er hat etwas zu verbergen, da bin<br />
ich mir sicher."<br />
Der Gang führt Ingalf zum übelst stinken<strong>de</strong>n Abort<br />
und entspricht einer Umrundung <strong>de</strong>r Burg. Dadurch<br />
kann Ingalf einen Überblick über <strong>de</strong>n Innenhof gewinnen.<br />
Die Burgmauer weist keine weitere Öffnung<br />
aus. Dabei ist aber zu be<strong>de</strong>nken, dass einige Hofgebäu<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>n Blick auf die Mauer versperren.<br />
Ingalf versucht - ohne sich zu bekleckern - einen<br />
Überblick über <strong>de</strong>n Innenhof und die Mauer zu verschaffen.<br />
Fin<strong>de</strong>t er nichts Interessantes, so kehrt er zu<br />
<strong>de</strong>n Gefährten zurück.<br />
Die Holberkerinnen und Holberker, die hier beschäftigt<br />
sind, schauen Ingalf neugierig nach. Da er sich<br />
aber nur auf <strong>de</strong>m Burghof bewegt, kommen sie ihm<br />
nicht in die Quere. Nach einigem hin und her ist klar,<br />
dass es nur <strong>de</strong>n einen Haupteingang zum Burggelän<strong>de</strong><br />
gibt.<br />
Ingalf berichtet leise nach seiner Rückkehr, dass man<br />
zwar in <strong>de</strong>n Burghof gelangt, aber von da nicht weiterkommt.<br />
"Alles is' hier maro<strong>de</strong>, nur die blö<strong>de</strong> Burgmauer<br />
sieht stabil aus, das wohl!"<br />
"Somit wäre dies geklärt. Zur Frage, wer <strong>de</strong>r Gerissenste,<br />
Verschlagenste ist, habe ich mir überlegt, ob<br />
das nicht <strong>de</strong>rjenige ist, <strong>de</strong>r die Symbole an die Häuser<br />
macht o<strong>de</strong>r aber <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>n die Holberker anbeten."<br />
"Könnte er <strong>de</strong>r 'Verschlagenste' und 'Gerissenste' <strong>de</strong>r<br />
Bewohner von Ohort sein?" stellt <strong>de</strong>r Magier die Frage,<br />
die ihn schon eine ganze Weile beschäftigt.<br />
"Wer? Der Statter?" fragt Edric erstaunt. Sicherlich ist<br />
<strong>de</strong>r Statter verschlagener und gerissener als seiner Untertanen,<br />
aber reicht das, einen solchen Titel zu beanspruchen?<br />
"Ja, <strong>de</strong>r Statter. Ich gebe ja zu, dass er nicht <strong>de</strong>r Hellste<br />
ist, aber die hier" er macht mit <strong>de</strong>m Daumen eine<br />
Geste zu <strong>de</strong>m Wächter im Gang, "sind regelrecht<br />
weich in <strong>de</strong>r Birne. Und wenn ich mir unsere Annahme,<br />
Nahema soll ein Haus o<strong>de</strong>r eine Wohnung in <strong>de</strong>r<br />
Stadt hier haben, durch<strong>de</strong>nke, wür<strong>de</strong> ich sie für diese<br />
Titel nominieren!" legt Isinha überzeugt dar.<br />
"Dem hat sie wi<strong>de</strong>rsprochen!" erinnert Ingalf <strong>de</strong>n Magier.<br />
"Wir müssen wohl noch <strong>de</strong>n richtigen fin<strong>de</strong>n, das<br />
wohl!"<br />
"Und das können wir nur, wenn wir auch die an<strong>de</strong>ren<br />
Sippenangehörigen aufsuchen, Krinaks wie Ro<strong>de</strong>ks.<br />
Letztere sind es ja, die mit irgen<strong>de</strong>iner Art von Zauber<br />
die verfein<strong>de</strong>te Sippe <strong>de</strong>r Krinaks krank machen und<br />
auszurotten versuchen", vermutet die Hexe. "Ich glaube<br />
sogar, dass wir <strong>de</strong>n schlauesten, ehrgeizigsten und<br />
gewissenlosesten Bewohner Ohorts eher unter <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks<br />
fin<strong>de</strong>n, die wie<strong>de</strong>r die Stadtherren wer<strong>de</strong>n wol-<br />
439<br />
len. Es könnte sogar sein, dass Nahema sich hier<br />
heimlich mit einem <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>ks getroffen und wie<strong>de</strong>r<br />
einen Han<strong>de</strong>l getrieben hat, von <strong>de</strong>m die Krinaks noch<br />
nichts wissen." Sie runzelt nach<strong>de</strong>nklich die Stirn.<br />
"Ich bin gespannt, was wir so fin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n."<br />
"Ich auch", murmelt die Hexe vor sich hin und schaut<br />
in die Rund. "Gehen wir dann in die Stadt und schauen<br />
uns bei <strong>de</strong>n Kranken um?" fragt sie ungeduldig.<br />
"Gut, dann haben wir also folgen<strong>de</strong> Aufteilung: Rovena<br />
und Ingalf befassen sich mit <strong>de</strong>n Kranken in <strong>de</strong>r<br />
Stadt, Edric geht essen und Melachath, Hesan<strong>de</strong>r und<br />
ich 'verlaufen' uns hier in <strong>de</strong>r Burg auf <strong>de</strong>r Suche nach<br />
<strong>de</strong>m Altar." stellt Isinha fest. "Dann los." meint er und<br />
be<strong>de</strong>utet <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Gefährten, an <strong>de</strong>r nächsten Möglichkeit<br />
abzubiegen und sich von <strong>de</strong>r Gruppe abzusetzen.<br />
Hier geht das Absetzen nicht, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Gang vom<br />
Raum <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>n geht schnurgera<strong>de</strong> zum Statter-<br />
Saal.<br />
"Ich geh' auch erst mit Essen!" mault Ingalf schließlich<br />
geht die Sonne schon unter. Und danach nehmen<br />
wird Edric mit inne Stadt, das wohl!"<br />
"Die letzte Mahlzeit ist man gera<strong>de</strong> ein paar Stun<strong>de</strong>n<br />
her." antwortet <strong>de</strong>r Magier darauf hin. "Und da wir<br />
hier bei Bedarf wohl immer etwas bekommen wer<strong>de</strong>n,<br />
müssen wir auch nicht auf 'Vorrat' essen." - 'Gut, ich<br />
hatte meine Portion auch mitgenommen und unterwegs<br />
erst etwas später gegessen. Trotz<strong>de</strong>m!' <strong>de</strong>nkt Isinha.<br />
'FF - verfressenes Volk!'<br />
"Bis Du sicher, dass wir immer was bekommen?!"<br />
fragt Ingalf skeptisch.<br />
"Schon. Solange ihr nicht so oft geht. Ich wür<strong>de</strong> sagen,<br />
mehr als drei Mahlzeiten am Tag nehmen sie selbst<br />
nicht zu sich, also sollte die Gastfreundschaft auch<br />
nicht entsprechend überspannt wer<strong>de</strong>n." antwortet Isinha<br />
zuversichtlich.<br />
Rovena rollt mit einem leisen Stöhnen die Augen. "Ich<br />
bin jetzt wirklich noch nicht hungrig", meint sie, doch<br />
Surnia in ihrem Tragebeutel fiept leise, da die kleine<br />
Schä<strong>de</strong>leule spürt, dass so langsam die Dämmerung<br />
hereinbricht. "Meinst du wirklich, dass wir bei Dunkelheit<br />
in die Stadt gehen sollten?" fragt sie nun Ingalf<br />
gleichfalls skeptisch.<br />
"Wir wer<strong>de</strong>n uns wohl kaum unbemerkt und in zwei<br />
Gruppen getrennt bewegen können, wenn uns die<br />
Wachen <strong>de</strong>s Statters im Auge behalten", antwortet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Uns bleibt vermutlich gar nichts an<strong>de</strong>res übrig als<br />
heimlich zu agieren. Bei Tag sollten wir uns dann aber<br />
zusammen bei <strong>de</strong>n Kranken blicken lassen, damit <strong>de</strong>r<br />
Statter sieht, dass wir Wort halten."
"Dann also jetzt etwas essen und anschließend schlafen<br />
gehen." Die Hexe zuckt ergeben mit <strong>de</strong>n Schultern.<br />
"Von mir aus."<br />
"Schönheit <strong>de</strong>r Nacht, ich <strong>de</strong>nke wir sollten <strong>de</strong>n<br />
Schleier, <strong>de</strong>n die Finsternis uns bietet, nutzen, um<br />
schnell ans Ziel zu gelangen. In <strong>de</strong>r Nacht sind alle<br />
Schatten doppelt und wir alle grau.<br />
"Ich bin immer schwarz, auch wenn ich tagsüber weiß<br />
aussehe." trägt Isinha sein Scherflein zu Melachaths<br />
Orakelspruch bei.<br />
'Ich bin immer hungrig, auch wenn ich tagsüber gegessen<br />
habe, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf.<br />
Rovena lächelt bei <strong>de</strong>n schönen Worten <strong>de</strong>s Araniers<br />
und nickt. Den Schleier <strong>de</strong>r Nacht nutzen, ja, das<br />
muss sie noch besser lernen, auch wenn sie keine<br />
Schöne <strong>de</strong>r Nacht ist. Leise raunt sie ihm verschwörerisch<br />
zu: "Doch bis alles ruhig ist in <strong>de</strong>r Burg können<br />
auch wir uns ein paar Stun<strong>de</strong>n Erholung gönnen,<br />
o<strong>de</strong>r?"<br />
"Aber einer von uns sollte im Wechsel immer wach<br />
bleiben, sonst rinnt <strong>de</strong>r Sand durch das Stun<strong>de</strong>nglas<br />
wie in <strong>de</strong>r Wüste Khom beim Sturm, und die Schatten<br />
weichen <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>r Praiosscheibe."<br />
'Hoffentlich ist das nicht ansteckend! Erst Hesan<strong>de</strong>r<br />
und jetzt auch noch Melachath.' <strong>de</strong>nkt sich <strong>de</strong>r Magier.<br />
'Diese Phrasendrescher! Moment, manchmal bin<br />
ich ja auch nicht viel besser.' korrigiert er sich in Gedanken.<br />
Sein leichtes Lächeln kommt daher für die<br />
Gefährten etwas unpassend und vor allem kaum<br />
nachvollziehbar zustan<strong>de</strong>.<br />
"Geh'n wir jetzt essen o<strong>de</strong>r nich'?" fragt <strong>de</strong>r Thorwaler<br />
mitten in die schönsten Gedanken <strong>de</strong>s Magiers.<br />
"Ja, lass uns gehen," antwortet ihm Edric. Es war klar,<br />
dass Ingalf das fragen wür<strong>de</strong>.<br />
In Anbetracht fehlen<strong>de</strong>r Möglichkeiten und <strong>de</strong>m "unwi<strong>de</strong>rstehlichen<br />
Charme" <strong>de</strong>s Thorwalers seufzt Isinha<br />
ergeben und meint: "Meinetwegen. Schlagen wir<br />
uns also wie<strong>de</strong>r die Bäuche voll."<br />
Und so folgt er <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>n Gang entlang zum<br />
Saal <strong>de</strong>s Statters, um - wie<strong>de</strong>r einmal am heutigen Tag<br />
- etwas zu essen.<br />
Der Gang zu <strong>de</strong>n Springen<strong>de</strong>n Eichen und zurück<br />
hat doch länger gedauert als gedacht. es hat sich genügend<br />
Appetit für ein Aben<strong>de</strong>ssen angesammelt.<br />
Ingalf ist froh mit seiner Entscheidung und langt auch<br />
entsprechend zu. Da diesmal auch an Fleisch gedacht<br />
wur<strong>de</strong>, füttert er auch <strong>de</strong>n Welpen. Kawi frisst die<br />
Stücke, die ihm Ingalf hingeworfen hat, bis er satt ist,<br />
dann rollt er sich zu <strong>de</strong>n Füßen seines Herrchens zusammen<br />
und ist kurz darauf eingeschlafen.<br />
Als alle fertig sind, kommt <strong>de</strong>r Statter. "Wollt ihr noch<br />
in die Stadt?" fragt er.<br />
440<br />
"Klar, und 'richtig einen drauf machen'!" gibt <strong>de</strong>r Magier<br />
mit etwas ironischem Unterton zurück. "Immer<br />
auf <strong>de</strong>r Suche nach einem intelligenten Gesprächspartner<br />
- und das wer<strong>de</strong>n wir hier auch bleiben." fügt<br />
er leise hinzu.<br />
"Richtig einen drauf machen?" kommt es fragend vom<br />
Statter zurück. Den zweiten Satz hat er anscheinend<br />
nicht gehört.<br />
"Äh, ja, eine Re<strong>de</strong>wendung aus meiner Heimat. Sie<br />
verliert in <strong>de</strong>r Übersetzung erheblich." erklärt <strong>de</strong>r Magier<br />
vorsorglich.<br />
"Wenn Du uns lässt?" stellt Ingalf <strong>de</strong>m Statter die Gegenfrage.<br />
Unwillkürlich hält Edric bei dieser Gegenfrage die<br />
Luft an. 'Ob <strong>de</strong>r Statter merkt, worauf Ingalf hinaus<br />
will?' fragt er sich und wartet die weitere Reaktion ab.<br />
Rovena schaut auf und blickt neugierig <strong>de</strong>n Statter an.<br />
Sie selber hat nicht sehr viel gegessen, aber dafür gesorgt,<br />
dass Surnia, die sich auf ihrer Schulter nie<strong>de</strong>rgelassen<br />
hat, reichlich mit frischen Fleischbrocken gesättigt<br />
wur<strong>de</strong>. Nun gibt die kleine Schä<strong>de</strong>leule wohlige<br />
Geräusche von sich und lässt sich von <strong>de</strong>r Hexe<br />
genüsslich kraulen.<br />
"Natürlich", erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Statter. Nach einem kurzen<br />
Moment ergänzt er: "Ach, wegen <strong>de</strong>r Wachen. Wir<br />
Holberker haben es nicht gern, wenn Leute in unseren<br />
Wohnhäusern umherlaufen. Wenn ihr gehen<br />
wollt, könnt ihr das gern. Wenn ihr wie<strong>de</strong>rkommt,<br />
wer<strong>de</strong>t ihr zu eurem Raum gebracht."<br />
"Das macht die Sache in <strong>de</strong>r Burg etwas schwieriger,<br />
aber ich gehe davon aus, Ihr versteht Euch auf die<br />
Dunkelheit", raunt Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Magier auf Bosparano<br />
zu.<br />
antwortet Isinha in <strong>de</strong>r gleichen<br />
Sprache. bezieht er sich<br />
indirekt auf seine Fertigkeiten im waffenlosen Kampf.<br />
"Vertraut mir." Sein Grinsen ist geeignet, einem einen<br />
kalten Schauer über <strong>de</strong>n Rücken zu jagen. Ein "Albino-Kin<strong>de</strong>rschreck"<br />
zu sein hat offensichtlich nicht nur<br />
Nach-, son<strong>de</strong>rn auch Vorteile.<br />
"Wollen wir dann, bevor es noch dunkler wird?" fragt<br />
Rovena ihre Gefährten und schiebt ihren Stuhl zurück.<br />
Rovena schätzt, dass es noch zwei Stun<strong>de</strong>n hell sein<br />
wird. da kann man noch einiges erkun<strong>de</strong>n.<br />
Mit Surnia auf <strong>de</strong>r Schulter und <strong>de</strong>m Stab in <strong>de</strong>r<br />
Hand steht sie auf, und betrachtet <strong>de</strong>n Magier mit gemischten<br />
Gefühlen. Manchmal macht er ihr Angst,<br />
wenn er solche Mienen aufsetzt und sie nicht weiß,<br />
was in <strong>de</strong>n Abgrün<strong>de</strong>n seiner Seele vorgeht.<br />
Schlagartig setzt Isinha ein liebenswürdiges Lächeln<br />
gegenüber Rovena auf. "Gern, Teuerste." erwi<strong>de</strong>rt er
und erhebt sie ebenfalls. Ihr Gesichtsausdruck verrät<br />
ihm, dass ihr irgend etwas Unbehagen zu bereiten<br />
scheint, so dass er sein Lächeln noch ein wenig gewinnen<strong>de</strong>r<br />
erscheinen lässt. "Aber Dir doch nicht, o<strong>de</strong>r?"<br />
fragt er leise und vorsichtig. "Ich bin doch völlig harmlos,<br />
nicht wahr?" Das Lächeln wird zu einem schiefen<br />
Grinsen.<br />
Mit einem durchdringen<strong>de</strong>n Blick ihrer smaragdgrünen<br />
Augen schaut sie ihn an. "Wenn du es sagst, Isinha<br />
…", antwortet Rovena leise und been<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Satz<br />
nicht. '… und ich dir glauben könnte, dann wäre mir<br />
wohler', <strong>de</strong>nkt sie bei sich. "Doch behauptest du oft<br />
genug, etwas zu sein, was mich beunruhigt", fährt sie<br />
leise fort und mustert seine Gesichtszüge.<br />
"Und was sollte das sein?" fragt er zurück. "Ich bin,<br />
was ich bin. Ich bin nicht, was gesagt wird, das ich sei.<br />
Auch wenn ich es selbst sagen wür<strong>de</strong>, än<strong>de</strong>rte dies<br />
nichts an bestehen<strong>de</strong>n Tatsachen." meint Isinha<br />
weich. "Und solange Du mir keinen Fluch anhext,<br />
hast Du überhaupt nichts zu befürchten." fügt er sehr<br />
leise und nicht ernst gemeint mit einem leichten Ellenbogenstoß<br />
hinzu.<br />
"Lass es nie so weit kommen, dass ich einen Fluch auf<br />
dich sprechen muss", erwi<strong>de</strong>rt Rovena leise, ihre Miene<br />
ist ernst. "Ich weiß nur, was du an<strong>de</strong>ren gegenüber<br />
über dich erzählst, und ich erlebe, zu was du in <strong>de</strong>r<br />
Lage bist." Sie stockt, schaut ihm in seine rotfunkeln<strong>de</strong>n<br />
Augen "Lass die Finsternis dich nicht in Versuchung<br />
führen und Macht über dich erlangen." Ihre<br />
letzten Worte haucht sie mehr als das sie spricht, nahe<br />
an seinem Ohr. Eine sorgenvolle Warnung schwingt<br />
darin mit, und sie verspürt das Bedürfnis, <strong>de</strong>n leichten<br />
Stups dieses seltsamen Mannes mit einer zärtlichen<br />
Berührung zu beantworten, seine Hand zu nehmen<br />
und in seine Zukunft zu blicken.<br />
"Keine Sorge." lacht Isinha leise. "Wahre Macht ist<br />
eine Illusion. Und diese Erkenntnis ist <strong>de</strong>r beste<br />
Schutz, nicht nach ihr zu streben. Und was die Finsternis<br />
angeht, weiß ich nicht, wovon Du sprichst." fügt<br />
er noch leiser hinzu. "Außer<strong>de</strong>m ist dies auch kaum<br />
<strong>de</strong>r richtige Ort für eine solche Diskussion."<br />
Rovena schaut ihn prüfend an. Dann nickt sie stumm<br />
und lächelt zögernd. Elgar hat Recht, jetzt darüber zu<br />
re<strong>de</strong>n, was ihre Mutter ihr über manche Magier erzählt<br />
hat, ist nicht die richtige Zeit.<br />
"Aber vergiss nicht, was Du sagen wolltest." gemahnt<br />
sie Isinha. "Die rechte Gelegenheit wird sich bestimmt<br />
bald bieten."<br />
Wie<strong>de</strong>r nickt sie, senkt <strong>de</strong>n Blick und wen<strong>de</strong>t sich von<br />
ihm ab.<br />
Der Magier registriert Rovenas unterschwellig wahrnehmbare<br />
Distanz und interpretiert sie als Unsicherheit,<br />
<strong>de</strong>ren Grund er nicht zu erfassen vermag. 'Was<br />
hat sie nur und weshalb kommt sie immer nur auf sol-<br />
441<br />
che I<strong>de</strong>en? Welche Sorge mit <strong>de</strong>r Finsternis quält sie?<br />
Hält sich mich etwa für einen Paktierer o<strong>de</strong>r Borbaradianer?'<br />
Mit von diesen Überlegungen gefurchter Stirn<br />
folgt auch Isinha <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren nach draußen. Ganz in<br />
Gedanken hat er keinen Blick mehr für <strong>de</strong>n zurück<br />
bleiben<strong>de</strong>n Statter o<strong>de</strong>r die Holberkerwache, die sie sicherlich<br />
nach draußen begleitet.<br />
Auch Edric erhebt sich. Er ist neugierig, was sie in <strong>de</strong>r<br />
Stadt noch alles erwartet.<br />
"Aye!" Ingalf erhebt sich ebenfalls. Zum Statter gewen<strong>de</strong>t<br />
meint er: "Pass mir gut auf meinen Kawi auf,<br />
das wohl! Der will nur spielen!"<br />
"Lass ihn doch einfach im Burghof, da kann er nicht<br />
verloren gehen", schlägt <strong>de</strong>r Statter statt<strong>de</strong>ssen vor.<br />
"Er schläft doch gera<strong>de</strong>, Du kannst ihn ja dann rauslassen!"<br />
antwortet Ingalf.<br />
"Gut, gut." Der Statter winkt ab.<br />
"Dann bis nachher!" meint Ingalf und geht hinaus.<br />
"Los, lasst uns die Restsonne nutzen …"<br />
Draußen schlägt er <strong>de</strong>n Gefährten vor: "Da die Burg<br />
in <strong>de</strong>r Mitte liegt, sollten wir vielleicht in immer größer<br />
wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kreisen die ganze Stadt erkun<strong>de</strong>n?<br />
Und da wo es dunkel wird, machen wir Morgen weiter,<br />
das wohl!"<br />
Rovena nickt zustimmend. Aufmerksam schaut sie<br />
sich um und wird sich von <strong>de</strong>m Thorwaler führen lassen.<br />
"Dann wird <strong>de</strong>r Weg aber ganz schön lang." meint Isinha.<br />
"Ich bin zwar kein Mathematicus, aber ich halte<br />
eine sternförmige Suche für besser, zumal wir uns sowieso<br />
in zwei Gruppen bewegen wollten." schlägt er<br />
vor.<br />
"Aber wenn Du im Stern was durchsuchst, so hast du<br />
Lücken", antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler. "Wenn wir 'n Stück<br />
See durchsucht haben, dann entwe<strong>de</strong>r durch Kreuzen<br />
o<strong>de</strong>r durch Kreisen, das wohl!"<br />
"Da dachte ich, wäre tauchen besser." grinst <strong>de</strong>r Magier<br />
<strong>de</strong>n Thorwaler an. "Außer<strong>de</strong>m, wonach suchen<br />
wir <strong>de</strong>nn? Etwas, das versteckt ist und sich vor uns<br />
verbergen will?"<br />
"Ich dachte, wir wollen herausfin<strong>de</strong>n wie viele Kranke<br />
es gibt und wo sie wohnen, o<strong>de</strong>r nich'?" fragt er zurück.<br />
"Und auch Nahemas Haus - falls es das gibt -<br />
fin<strong>de</strong>n, das wohl!"<br />
"Schon. Aber die wer<strong>de</strong>n nicht weglaufen. Je<strong>de</strong>nfalls<br />
nicht sehr schnell." meint <strong>de</strong>r Magier mit Bezug auf<br />
die Kranken. Schließlich sollen sie ja matt und kraftlos<br />
wer<strong>de</strong>n durch die Krankheit.<br />
Er wartet noch auf die Meinung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren.<br />
Edric zuckt nur mit <strong>de</strong>n Schultern. Ihm ist es egal<br />
nach welchem Plan die Stadt erkun<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n soll.
"Wichtig ist doch nur, etwas herauszufin<strong>de</strong>n", äußert<br />
er sich dazu.<br />
"Jetzt re<strong>de</strong>t nicht so lange, lasst uns gehen", meint die<br />
Hexe kopfschüttelnd. "Da wir doch sowieso nicht wissen,<br />
was wir vorfin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sollte wir uns aufteilen<br />
und gleichzeitig <strong>de</strong>n Nordteil und <strong>de</strong>n Südteil <strong>de</strong>r<br />
Stadt untersuchen. So fin<strong>de</strong>n wir schneller etwas über<br />
die Bewohner und die Erkrankung heraus, solange es<br />
noch hell ist. Wie die jeweilige Gruppe vorgeht, ist<br />
ihre Entscheidung."<br />
"Aye! Wir drei nach Nor<strong>de</strong>n, die an<strong>de</strong>ren nach Sü<strong>de</strong>n,<br />
das wohl!"<br />
Die letzte Erwartung <strong>de</strong>s Magiers erfüllt sich nicht. In<br />
<strong>de</strong>n Straßen <strong>de</strong>r Stadt, wer<strong>de</strong>n die Hel<strong>de</strong>n zwar immer<br />
wie<strong>de</strong>r misstrauisch von Holberkern beäugt, aber<br />
eine Begleitwache bekommen sie nicht.<br />
Der Sü<strong>de</strong>n von Ohort<br />
Wortlos folgt <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren aus <strong>de</strong>r Burg<br />
und wen<strong>de</strong>t sich dann Sü<strong>de</strong>n.<br />
Der Krieger nickt <strong>de</strong>m Geweihten auffor<strong>de</strong>rnd zu und<br />
folgt <strong>de</strong>m Magier.<br />
"Gut", meint Hesan<strong>de</strong>r knapp und schließt sich an.<br />
Nur die Hälfte <strong>de</strong>r noch relativ gut erhaltenen Bürgerhäuser<br />
direkt gegenüber <strong>de</strong>r Burgmauer sind mit Rattensymbolen<br />
versehen. Das än<strong>de</strong>rt sich, als die kleine<br />
Gruppe in die große Straße Richtung Sü<strong>de</strong>n tritt<br />
[K14].<br />
Je<strong>de</strong>s einzelne Haus auf <strong>de</strong>r linken Seite trägt das Rattensymbol.<br />
Rechts ist es genauso.<br />
Isinha folgt <strong>de</strong>r Hauptstraße, bis diese sich gabelt<br />
[P14]. Dann sieht er - zunächst unschlüssig - sich die<br />
jeweils am Straßenrand befindlichen Häuser an.<br />
Die Mauern auf <strong>de</strong>r rechten Seite tragen das Rattensymbol.<br />
Durch einen alten Eingang, hier war früher<br />
mal ein Gittertor, sieht man auf etwas, das früher wohl<br />
mal eine Villa war. Die Häuser auf <strong>de</strong>r linken Straßenseite<br />
tragen keine Symbole.<br />
Dann sieht er seine bei<strong>de</strong>n Begleiter an und nickt in<br />
Richtung Südwesten. "Hier entlang?" und ohne auf<br />
eine Antwort zu warten, biegt er in diese Richtung ab,<br />
folgt <strong>de</strong>r Straße bis zur nächsten Kreuzung [Q12/13]<br />
und folgt <strong>de</strong>m äußeren Ring bis [O7/P8]. Unterwegs<br />
achtet er auf alles, was die Gruppe zunächst besprochen<br />
hatte: Rattensymbole, mehr o<strong>de</strong>r weniger große<br />
Zerstörungen an Häusern o<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Bauten mit<br />
erkennbarer Zweckbestimmung.<br />
Ehemalige Wohnhäuser, Handwerkerhäuser, Bauernhäuser.<br />
Fast je<strong>de</strong>s Haus, Isinha schätzt zwei von drei,<br />
trägt das Rattensymbol.<br />
"Hier sind offenbar mehr Holberker krank als gesund."<br />
bemerkt <strong>de</strong>r Magier. So spricht er <strong>de</strong>n nächsten<br />
442<br />
an: "Sag mal, wohnen hier viele Krinaks, o<strong>de</strong>r mehr<br />
Ro<strong>de</strong>ks?"<br />
"Sind alles Krinak-Häuser hier an <strong>de</strong>r Straße. Gute<br />
Häuser. Ro<strong>de</strong>ks wohnen in Hütten an <strong>de</strong>r Mauer und<br />
in schlechten Häusern", antwortet <strong>de</strong>r Holberker bereitwillig<br />
und selbstbewusst. "Die Ro<strong>de</strong>ks haben<br />
nichts."<br />
"Danke. Schönen Tag noch." wünscht Isinha seinem<br />
Gegenüber. Zu <strong>de</strong>n Gefährten meint er dann: "So etwas<br />
habe ich mir schon gedacht. Das passt zu <strong>de</strong>m<br />
Text im Buch <strong>de</strong>r Stadt."<br />
"Tut es", bestätigt Hesan<strong>de</strong>r. "Lasst uns einmal weiter<br />
umsehen, ob wir diesen Altar fin<strong>de</strong>n", meint Hesan<strong>de</strong>r<br />
leise.<br />
"In Ordnung, lasst uns auf direktem Weg zurück zur<br />
Burg gehen und sehen, ob wir nicht einen an<strong>de</strong>ren<br />
Weg nach innen fin<strong>de</strong>n. Es muss doch alte Kanäle<br />
o<strong>de</strong>r Zu- und Abflüsse geben. Vielleicht hilft uns das<br />
weiter." schlägt Isinha vor. "Falls einer von euch allerdings<br />
eine bessere I<strong>de</strong>e hat - nur heraus damit!"<br />
"Meine Waffe und mein Geist wer<strong>de</strong>n Eurem Weg folgen,<br />
wenn Ihr <strong>de</strong>nn umkehren wollt."<br />
"Nun, vielleicht gibt es auch so etwas wie ein Gewölbe,<br />
ein Verlies?<br />
In <strong>de</strong>n Büchern über die Hel<strong>de</strong>n im Dienste <strong>de</strong>r Herrin<br />
Hesin<strong>de</strong> kamen öfter Orte vor - Burgen und Ähnliches<br />
- in <strong>de</strong>nen finstere Mächte in Verliesen angerufen<br />
wur<strong>de</strong>n. Aber lasst uns in <strong>de</strong>r Burg beginnen."<br />
Der Magier nickt und setzt sich wie<strong>de</strong>r in Bewegung.<br />
Diesmal folgt er <strong>de</strong>r Straße nach Nor<strong>de</strong>n [N8], biegt<br />
dann nach Osten ab [N9] und setzt <strong>de</strong>n Weg über<br />
[M9] bis zu einem großen Gebäu<strong>de</strong> in nordöstlicher<br />
Richtung fort [M/L10]. Dort bleibt er rätselnd stehen:<br />
"Was könnte das sein o<strong>de</strong>r gewesen sein?" fragt Isinha.<br />
Alle bis auf ein Haus (Schnittlinie L/M10) tragen das<br />
Rattensymbol, was in diesen Blöcken sehr auffällig ist.<br />
Auch wenn Isinha sich umschaut, alle außer diesem<br />
einen Haus tragen das Rattensymbol.<br />
"Interessant", bemerkt Hesan<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r Tatsache, dass<br />
dieses Haus kein Rattensymbol trägt. "Das sollten wir<br />
uns genauer ansehen."<br />
"Genau meine Meinung! Es 'schreit' förmlich danach,<br />
wie man so sagt." antwortet <strong>de</strong>r Magier und be<strong>de</strong>utet<br />
Hesan<strong>de</strong>r, voran zu gehen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r nickt dankend und schaut sich die Vor<strong>de</strong>rfront<br />
<strong>de</strong>s Hauses an, da es zwischen zwei weiteren<br />
steht. Er ent<strong>de</strong>ckt eine Holztür mit einem Schloss und<br />
ein Fensterloch, das mit Fensterlä<strong>de</strong>n aus Holz verschlossen<br />
ist.<br />
Ohne viel Aufriss zu veranstalten klopft Isinha laut<br />
gegen die Tür.<br />
Drinnen sind ein paar Geräusche zu hören, mehr passiert<br />
auch nach einigem Warten nicht.
Dann späht <strong>de</strong>r Magier durch das Fensterloch.<br />
"Ich hoffe, Ihr versteht Euch auf die Kunst eine Tür<br />
lautlos zu öffnen, wenn es <strong>de</strong>nn Not tut", merkt Hesan<strong>de</strong>r<br />
an.<br />
"Sicher, in etwa so, wie in <strong>de</strong>m Purpurturm und in <strong>de</strong>r<br />
Bibliothek die Schubla<strong>de</strong>. Aber das dürfte hier wohl<br />
nicht Not tun." erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier, ohne sich umzusehen.<br />
Statt <strong>de</strong>ssen versucht er, im Innern <strong>de</strong>s Hauses<br />
etwas zu erkennen.<br />
Der Raum hinter <strong>de</strong>m Fenster ist dunkel.<br />
"Alles dunkel, aber irgend etwas bewegt sich. Ich hab'<br />
Geräusche gehört." teilt Isinha seinen bei<strong>de</strong>n Gefährten<br />
mit.<br />
"Nun, dann sollten wir beizeiten noch einmal vorbei<br />
schauen, wenn niemand dort ist. Es wäre wohl keine<br />
angenehme Situation, wenn dies <strong>de</strong>r gesuchte Ort<br />
wäre und wir von <strong>de</strong>n Holberkern erwischt und vor<br />
<strong>de</strong>n Statter geschleift wür<strong>de</strong>n." bemerkt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"O<strong>de</strong>r die Geräusche stammen von <strong>de</strong>n Gesuchten."<br />
gibt <strong>de</strong>r Magier zu be<strong>de</strong>nken. Dann muss er grinsen.<br />
"Wie gut ist Euer Talent, einen Praioten zu geben,<br />
Hesan<strong>de</strong>r?" fragt er <strong>de</strong>n Geweihten.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut <strong>de</strong>n Magus etwas irritiert an, dann<br />
begreift er. "Ich will es so ausdrücken: Die Hesin<strong>de</strong>kirche<br />
hat mit <strong>de</strong>r Praioskirche hin und wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n einen<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Disput. Entsprechend sind Kontakte<br />
bzw. Begegnungen mit <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Kirche <strong>de</strong>s<br />
Götterfürsten unumgänglich."<br />
Dann entsinnt sich Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Erzpriesters Praiomur,<br />
einer imposanten Gestalt mit durchdringen<strong>de</strong>r<br />
Stimme.<br />
Dann baut er sich vor <strong>de</strong>r Tür auf, holt Luft und ruft<br />
mit <strong>de</strong>utlich hörbarer Stimme (so wie es auch Praiomur<br />
getan hätte): "Im Namen <strong>de</strong>s Herrn Praios, Fürst<br />
<strong>de</strong>r Zwölfe, Herr <strong>de</strong>s Lichts und <strong>de</strong>r Gerechtigkeit,<br />
öffnet sofort die Tür!!!"<br />
"Hm. Ja. Gar nicht schlecht!" murmelt Isinha. "Hätte<br />
ich nicht besser hinbekommen." lobt er <strong>de</strong>n Geweihten<br />
vorsichtig.<br />
Ein schleifen<strong>de</strong>s Geräusch ist aus <strong>de</strong>m Haus zu hören.<br />
Aus <strong>de</strong>m Spalt <strong>de</strong>r Fensterlä<strong>de</strong>n fällt auf einmal<br />
ein schwaches Licht, dann öffnet sich langsam die<br />
Tür.<br />
Während <strong>de</strong>ssen ist Isinha einen halben Schritt zur<br />
Seite und einen nach hinten getreten, locker hält er<br />
<strong>de</strong>n Stab in <strong>de</strong>r linken Hand.<br />
Dann sagt er: "Peraine zum Gruße. Der Statter schickt<br />
uns, nach seinen Untertanen zu sehen und uns nach<br />
<strong>de</strong>m werten Befin<strong>de</strong>n zu erkundigen." Seine Stimme<br />
klingt überaus freundlich, aber unverbindlich. Er lässt<br />
seinen ganzen Charme spielen.<br />
Ein relativ schlanker aber hochgewachsener Holberker,<br />
<strong>de</strong>ssen Fell mit grauen Strähnen durchsetzt ist,<br />
443<br />
macht die Tür auf und schaut Euch fragend an. "Mir<br />
geht es gut."<br />
"Das ist ja phantastisch!" meint Isinha überschwänglich.<br />
"Du bist bestimmt aus <strong>de</strong>r Sippe <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>ks,<br />
stimmts?" fragt er jovial.<br />
"Nein und ich habe zu tun." Der Holberker schickt<br />
sich an die Tür wie<strong>de</strong>r zu schließen.<br />
"Also ein Krinak!" versucht es Isinha noch einmal und<br />
grinst über das ganze Gesicht. "Sag, Freund, wir haben<br />
über die ganze Straße hinweg gehört, dass es in<br />
Deinem Haus, nun, wohl etwas zu tun gibt. Können<br />
wir Dir vielleicht irgendwie helfen?"<br />
Mit einem "Nein!" schließt sich die Tür.<br />
"Das war dann wohl weniger überzeugend", kommentiert<br />
Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Meint er nun , auch kein Krinak, o<strong>de</strong>r<br />
zu unserem Hilfsangebot?" wun<strong>de</strong>rt sich<br />
<strong>de</strong>r Magier über so viel Unfreundlichkeit. "Kam Euch<br />
dieser Zeitgenosse krank vor?" fragt er Hesan<strong>de</strong>r noch.<br />
"Somit also <strong>de</strong>s Nachts und möglichst unent<strong>de</strong>ckt",<br />
fügt <strong>de</strong>r Geweihte hinzu.<br />
"Dann lasst uns zurück gehen." schlägt <strong>de</strong>r Magier<br />
<strong>de</strong>m Geweihten vor.<br />
O<strong>de</strong>r haltet Ihr es für sachdienlich, weiter in <strong>de</strong>n Straßen<br />
herumzustreifen, baufällige Gebäu<strong>de</strong> und wenig<br />
mitteilsame Bewohner zu begutachten und uns so die<br />
Zeit zu vertreiben?" Mit einem Seitenblick bezieht er<br />
auch Melachath mit in das Gespräch ein. 'Der Tee<br />
nippen<strong>de</strong> Keulenschwinger ist ganz schön stumm in<br />
letzter Zeit.' sinniert Isinha dabei.<br />
"Ich glaube nicht, dass diese Wesen <strong>de</strong>n Sinn unseres<br />
edlen Tuns verstehen."<br />
"Wir sollten noch nicht allzu schnell zurückkehren.<br />
Noch haben wir keinen Beleg für etwas Beson<strong>de</strong>res in<br />
diesem Haus außer <strong>de</strong>m eher abweisen<strong>de</strong>n Holberker.<br />
Das dürfte aber auf die meisten Bewohner dieses Ortes<br />
zutreffen. Wir sollten uns vielleicht noch nach an<strong>de</strong>ren<br />
verdächtigen Gebäu<strong>de</strong>n umsehen, bevor wir zurückkehren",<br />
schlägt Hesan<strong>de</strong>r vor.<br />
"Nun, Weisester <strong>de</strong>r Weisen, Gesegneter <strong>de</strong>r Göttin, so<br />
sei es."<br />
"Dann trab Er an." meint Isinha mit einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Handbewegung und for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Geweihten auf, von<br />
nun an <strong>de</strong>n Weg zu bestimmen. "Ich wer<strong>de</strong> Euch folgen."<br />
"Wenn Er mir <strong>de</strong>nn folgt …", kontert Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Isinhas Blick will sagen: 'Hätte ich sonst gefragt?'<br />
Aber er sagt nichts und nickt lediglich.<br />
Und was soll das auch bringen, hier weitere Häuser<br />
zu durchsuchen? Schließlich fin<strong>de</strong>n sich die Geheimnisse<br />
wohl in o<strong>de</strong>r um <strong>de</strong>n ange<strong>de</strong>uteten Altar in <strong>de</strong>r<br />
Burg.
Dann läuft <strong>de</strong>r Geweihte ein wenig durch <strong>de</strong>n Ort<br />
und sieht sich vor allem die recht groß erscheinen<strong>de</strong>n<br />
Gebäu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Quadraten L/M 11/12, N/O 11/12<br />
und M/N 13/14 an.<br />
Während <strong>de</strong>r Stadtbesichtigung macht <strong>de</strong>r Magier sich<br />
vielmehr Gedanken darüber, wie man an <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Eichen vor <strong>de</strong>m Höhleneingang vorbei kommen<br />
könnte. Vielleicht hält auch dafür <strong>de</strong>r Altar eine Lösung<br />
parat.<br />
Die drei Hel<strong>de</strong>n können nur um die Gebäu<strong>de</strong> herum<br />
gehen, besser gesagt, um die Gelän<strong>de</strong>, da die Häuser<br />
allesamt mit ca. 2,5 Schritt großen Mauern umschlossen<br />
sind. Je<strong>de</strong>s Gelän<strong>de</strong> wird von einem 3 Schritt<br />
großen Eisentor abgeschlossen, die teilweise (L, M, N,<br />
O 11/12) mit nach außen gebogenen Eisenspitzen abschließen.<br />
An je<strong>de</strong>r Mauer sind ein - zwei Rattensymbole<br />
zu sehen. Alle Parkanlagen sind verwil<strong>de</strong>rt.<br />
Nutztiere laufen frei herum.<br />
"Wenig einla<strong>de</strong>nd." konstatiert Isinha. "Warum nur<br />
schließt jemand hier solche Tore?" fragt er sich und<br />
schüttelt darüber nur <strong>de</strong>n Kopf. Hinein zu gelangen<br />
wäre sicher gar kein Problem - nur, wozu?<br />
"Eine durchaus berechtigte Frage. Allerdings befin<strong>de</strong>t<br />
sich hier das Rattensymbol an <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n. Wir wer<strong>de</strong>n<br />
hier wohl nicht viel fin<strong>de</strong>n. Wir sollten dann wohl<br />
zurückgehen und uns <strong>de</strong>s Nachts die Burg näher anschauen",<br />
been<strong>de</strong>t Hesan<strong>de</strong>r für sich <strong>de</strong>n Rundgang<br />
durch die Stadt.<br />
An <strong>de</strong>r Burg<br />
Am Tor zur Burg wer<strong>de</strong>n Hesan<strong>de</strong>r, Isinha und Melachath<br />
von <strong>de</strong>n Wachen aufgehalten. "Wenn alle da<br />
sind, könnt ihr rein", wer<strong>de</strong>n sie aufgeklärt.<br />
"Jetzt mal halblang!" knurrt <strong>de</strong>r Magier. "Sollen wir<br />
hier etwa warten?"<br />
"Ja, o<strong>de</strong>r ihr geht nochmal in die Stadt. Bis es dunkel<br />
wird, ist ja noch eine Stun<strong>de</strong>."<br />
"Oh, das ist sehr gut!" meint Isinha leicht sarkastisch.<br />
"Wenn ihr uns auch noch ein nettes Gasthaus empfehlen<br />
könntet?!" Er geht nicht davon aus, dass nach <strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>solaten Zustand, in <strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Südteil <strong>de</strong>r Stadt<br />
vorgefun<strong>de</strong>n haben, auch nur ein schlechtes Gasthaus<br />
zu fin<strong>de</strong>n wäre. Aber so macht er sich wenigstens mit<br />
einer bissigen Bemerkung ein wenig Luft.<br />
Mit zusammen gezogenen Augenbrauen mustert er<br />
die Wachen. "Hört mal zu: Ihr seid hier zu zweit. Einer<br />
von Euch kann uns sicher auf unser Zimmer o<strong>de</strong>r<br />
in die Halle bringen, o<strong>de</strong>r?" versucht er es noch einmal.<br />
"Geht nicht. Befehl <strong>de</strong>s Statters", ist die knappe Antwort.<br />
Es ist versucht, <strong>de</strong>n Holberker anzuschreien und dabei<br />
Worte wie: 'Wenn Du noch mal das Wort Befehl im<br />
Zusammenhang mit uns in <strong>de</strong>n Mund nimmst, wi-<br />
444<br />
ckel' ich Dir die Hellebar<strong>de</strong> um <strong>de</strong>n Hals und mache<br />
einen Knoten in <strong>de</strong>n Griff!' zu verwen<strong>de</strong>n. Tatsächliche<br />
Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Ausführung wür<strong>de</strong>n sich<br />
wohl kaum ergeben. Der ohnehin gespannten Atmosphäre<br />
hier wäre das aber eher nicht zuträglich. Also<br />
hebt <strong>de</strong>r Magier statt <strong>de</strong>ssen fragend die Augenbrauen,<br />
während er Melachath und Hesan<strong>de</strong>r abwechselnd<br />
ansieht.<br />
"Nun, mein heißblütiger Freund", versucht Hesan<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Magus zu beruhigen, "vertreten wir uns noch ein<br />
wenig die Beine. Vielleicht können wir ja die an<strong>de</strong>ren<br />
suchen."<br />
"So lass ihn, Beherrscher <strong>de</strong>r Elemente, wir wollen ihn<br />
nicht zwingen. Deine Gabe wür<strong>de</strong> uns befähigen,<br />
doch sehe ich <strong>de</strong>n Sinn nicht. Lass uns auf die an<strong>de</strong>ren<br />
warten."<br />
""Was <strong>de</strong>nn nun, warten o<strong>de</strong>r suchen gehen?" fragt <strong>de</strong>r<br />
Magier. Dann entschei<strong>de</strong>t er sich zum Gehen und<br />
wählt dabei <strong>de</strong>n Weg - erneut Richtung Sü<strong>de</strong>n - an <strong>de</strong>r<br />
Burgmauer entlang.<br />
"Dann tauschen wir uns aus und untersuchen die<br />
Burg heute Nacht gezielt - und gemeinsam", antwortet<br />
Hesan<strong>de</strong>r. "Sofern es sich hier um einen wi<strong>de</strong>rnatürlichen,<br />
nie<strong>de</strong>rhöllischen Kult han<strong>de</strong>ln sollte, wären<br />
wir in <strong>de</strong>r Gruppe sicherer."<br />
Die Umrundung <strong>de</strong>r Burg ist schnell abgeschlossen.<br />
An mehreren Stellen fin<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>r Mauer Rattensymbole.<br />
Das gleiche gilt für die relativ gut erhaltenen<br />
Häuser rings um die Burg. Hier ist die Verteilung<br />
allerdings ungleichmäßig. Im Südwesten gibt es eher<br />
mehr, im Nordosten eher weniger mit Rattensymbolen<br />
versehen Häuser.<br />
Der Nor<strong>de</strong>n von Ohort<br />
Ingalf stapft los. An <strong>de</strong>r Mauer <strong>de</strong>r Burg entlang, bis<br />
zu <strong>de</strong>r Straße im Nor<strong>de</strong>n [G15].<br />
Dabei achtet er darauf, ob die Häuser an <strong>de</strong>nen er vorbei<br />
geht auch mit Ratten bemalt sind.<br />
Je<strong>de</strong>s zweite Haus hat ein aufgemaltes Rattensymbol,<br />
auch die Burgmauer.<br />
Mit einem kurzen Blick in die Run<strong>de</strong> schließt sich die<br />
Hexe Ingalf an und folgt ihm aufmerksam durch die<br />
nördlichen Straßen Ohorts.<br />
Die <strong>de</strong>r Burgmauer gegenüberliegen<strong>de</strong>n Häuser sind<br />
recht gut erhalten. Teilweise scheinen sogar noch die<br />
Obergeschosse bewohnbar zu sein.<br />
Die kleine Straße Richtung Nor<strong>de</strong>n knickt nach 20<br />
Schritt schon wie<strong>de</strong>r nach links ab. Hier trägt kein<br />
einziges Haus das Rattensymbol.<br />
Ingalf und seine Begleiter folgen <strong>de</strong>r Straße weiter.<br />
Bis zur nächsten Ecke [F14] gibt es keine Rattensymbole<br />
mehr.
Weiter geht es gen Nor<strong>de</strong>n bis [B15] von da aus rechts<br />
die Straße innerhalb <strong>de</strong>r Mauer bis [J24].<br />
Kurz nach <strong>de</strong>r Abzweigung Richtung Nor<strong>de</strong>n [E14]<br />
ist auf <strong>de</strong>r rechten Seite ein beson<strong>de</strong>rs großes Gebäu<strong>de</strong><br />
auffällig. Muhen von Rin<strong>de</strong>rn ist jetzt aus <strong>de</strong>m Inneren<br />
zu hören. Die Ecke eines Schil<strong>de</strong>s über <strong>de</strong>m Eingang,<br />
auf <strong>de</strong>m noch "Herbe…" zu lesen ist, zeigen<br />
aber, dass das nicht die ursprüngliche Nutzung <strong>de</strong>s<br />
Gebäu<strong>de</strong>s war.<br />
Ingalf versucht das Schild zu entziffern. "Herb…, ach,<br />
eine Herberge? Hmm, ich hab' schon viele Esel inner<br />
Kneipe getroffen, aber Kühe noch nie, das wohl!"<br />
Die Hexe grinst. "Ja, die Gebäu<strong>de</strong> scheinen mal einem<br />
ganz an<strong>de</strong>ren Zweck gedient zu haben. Doch wenn es<br />
einmal eine Herberge war, könnte nicht Nahema hier<br />
früher eingekehrt sein?" fragt sie Ingalf nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Hmm, könnte sein, das wohl!" meint Ingalf. "Wir<br />
sollten uns das Haus auf je<strong>de</strong>n Fall merken …"<br />
Neugierig schaut Edric in das Gebäu<strong>de</strong>. In interessiert<br />
wie ein Stall <strong>de</strong>r Holberker aussieht.<br />
Es ist düster und schmutzig. Überall liegt Dreck herum,<br />
und es stinkt heftig.<br />
Enttäuscht über das Dasein, welches diese Tiere fristen,<br />
wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r junge Hirte wie<strong>de</strong>r ab. Er wird<br />
<strong>de</strong>m Statter <strong>de</strong>n Vorschlag unterbreiten, einige Holberker<br />
in <strong>de</strong>r Führung eines Stalls zu unterstützen<br />
und zu unterweisen.<br />
"Da drin wer<strong>de</strong>t ihr nichts mehr fin<strong>de</strong>n", erklärt er seinen<br />
Gefährten, bevor jemand auf die I<strong>de</strong>e kommt, das<br />
Haus weiter zu durchsuchen.<br />
Mit zunehmen<strong>de</strong>m Abstand vom Stadtzentrum sinkt<br />
<strong>de</strong>r Erhaltungszustand <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong> und immer weniger<br />
waffentragen<strong>de</strong> Holberker sind zu sehen. Die Häuser<br />
entlang Straße parallel zur Stadtmauer sind nur<br />
sehr vereinzelt mit Rattenzeichen versehen. An einigen<br />
Häusern sind noch alte Handwerkerzeichen zu<br />
sehen (Schreinerei, Schmie<strong>de</strong>, etc.), aber es hat nicht<br />
<strong>de</strong>n Anschein, dass hier noch Handwerke groß gepflegt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
An <strong>de</strong>r Kreuzung [J24] ganz im Osten <strong>de</strong>r Stadt, bleiben<br />
die Hel<strong>de</strong>n einen Moment stehen. Hier gibt es gar<br />
keine Ratten-Häuser mehr.<br />
"Tja, irgendwie haben wir uns <strong>de</strong>n gesun<strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>r<br />
Stadt ausgesucht, das wohl!" meint Ingalf. "Da die an<strong>de</strong>ren<br />
auf <strong>de</strong>r Südseite <strong>de</strong>r Stadt suchen wollten, kommen<br />
nur noch Straßen nach rechts in Frage, o<strong>de</strong>r?"<br />
Er geht die Straße zurück in Richtung Burg und biegt<br />
bei [J22] nach Nor<strong>de</strong>n ab.<br />
Rovena folgt <strong>de</strong>m Thorwaler, sieht sich dabei sehr aufmerksam<br />
die Häuser an, an <strong>de</strong>nen sie vorbei kommen.<br />
Dabei antwortet sie auf seine Frage: "Ja, hier scheinen<br />
recht wenige Krankheitsfälle aufgetreten zu sein, die<br />
Gegend wird wohl hauptsächlich von <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks be-<br />
445<br />
wohnt, nehme ich an. Lass uns ruhig das ganze Nordviertel<br />
absuchen, und dann mit einem <strong>de</strong>r gezeichneten<br />
Häusern beginnen."<br />
Auch in <strong>de</strong>n Straßen <strong>de</strong>s Viertelkreises zurück [bis<br />
C14] gibt es nur sehr wenige Häuser mit Rattensymbol.<br />
Ingalf und die Gefährten gehen <strong>de</strong>n Weg weiter bis<br />
zur nächsten Kreuzung, dort biegen sie nach Nor<strong>de</strong>n<br />
ab und folgen innen <strong>de</strong>r Stadtmauer bis [J4].<br />
Die Häuser mit Rattensymbolen nehmen im Laufe<br />
<strong>de</strong>s Weges etwas zu. In <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Stadttors halten<br />
sich die Häuser mit und ohne Rattensymbol in etwa<br />
die Waage.<br />
"Wo sollen wir mit <strong>de</strong>n Besuchen bei <strong>de</strong>n Erkrankten<br />
beginnen?" fragt Rovena <strong>de</strong>n Thorwaler, während sie<br />
ihm durch die Straßen <strong>de</strong>r Stadt folgt.<br />
"Tja, so wie es aussieht gibt es im Osten <strong>de</strong>r Stadt<br />
nicht soviel zu tun, <strong>de</strong>nn die Ratten wur<strong>de</strong>n hier am<br />
Tor häufiger, das wohl!" meint Ingalf. "Wir sollten einfach<br />
die Hauptstraße zur Burg zurück gehen und an<br />
die nächste Tür klopfen, o<strong>de</strong>r?"<br />
Er biegt rechts auf die Hauptstraße ab und sucht nach<br />
<strong>de</strong>m nächsten Rattensymbol.<br />
"So machen wir es", antwortet Rovena lächelnd, doch<br />
es wirkt angespannt. 'Was wird uns erwarten?' fragt sie<br />
sich, <strong>de</strong>nn mit einer normalen Krankheit, gegen die<br />
ein Kraut gewachsen ist, rechnet sie nicht, nach <strong>de</strong>m,<br />
was in <strong>de</strong>m Stadtbuch aufgezeichnet wur<strong>de</strong>.<br />
Das Eckhaus [J5] hat ein Rattensymbol, auch das<br />
Haus K5/6, alle an<strong>de</strong>ren in diesem Karree nicht.<br />
Ingalf <strong>de</strong>utet auf das Eckhaus. "Das?" fragt er Rovena.<br />
Rovena nickt. "Ja, lass uns dort anfangen." Sie lässt<br />
aber <strong>de</strong>n Thorwaler vorgehen und um Einlass bitten.<br />
Ingalf geht zur Tür und klopft: "Hallo! Ist wer zu<br />
Hause?" Dann versucht er, die Tür zu öffnen.<br />
Wirklich nichts passiert.<br />
Rovena schaut ungeduldig nach <strong>de</strong>n Fenstern <strong>de</strong>s<br />
Eckhauses, ob sich <strong>de</strong>nn wirklich nicht rührt. "Versuche<br />
es noch mal, Ingalf", for<strong>de</strong>rt sie <strong>de</strong>n Thorwaler<br />
auf. "Die Tür muss sich doch öffnen lassen. Und<br />
wenn die Beschreibung <strong>de</strong>r Auswirkungen <strong>de</strong>r Krankheit<br />
stimmt, sollten die Erkrankten sich im Haus befin<strong>de</strong>n."<br />
"Aye!" meint Ingalf und klopft noch einmal. Falls immer<br />
noch keiner öffnet, dann wird er etwas kräftiger<br />
an <strong>de</strong>r Tür drücken. Und danach mit <strong>de</strong>r Schulter ein<br />
wenig nachhelfen.<br />
"Vielleicht sollten wir es am an<strong>de</strong>ren Haus<br />
versuchen", meint Edric, <strong>de</strong>r befürchtet wie Ingalf die<br />
Tür öffnen will. Dabei gibt es doch genug Kranke mit<br />
<strong>de</strong>nen sie sich unterhalten können.
"Hier ist … ein … Kranker … <strong>de</strong>r … braucht … unsere<br />
Hilfe!" erwi<strong>de</strong>rt Ingalf während er <strong>de</strong>n Druck auf<br />
die Tür erhöht.<br />
"Äh, wir wissen doch nicht, ob er zu Hause ist." entgegnet<br />
Edric, da Ingalf mit Gewalt die Tür öffnen<br />
will.<br />
"Das wissen wir gleich, das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
Nach einiger Zeit öffnet sich die Tür einen Spalt breit<br />
und ein Holberker schaut missmutig heraus.<br />
"Moin!" begrüßt ihn Ingalf. "Wir sind vom Statter ausgeschickt,<br />
um <strong>de</strong>n Kranken zu helfen! Wie geht es<br />
Dir, Freund?"<br />
Dem Holberker ist anzusehen, dass er nicht ansatzweise<br />
so gesund wie <strong>de</strong>r Statter aussieht, unter <strong>de</strong>n<br />
Augen hängen dicke Tränensäcke, die Arme hängen<br />
schlaff herunter und <strong>de</strong>r Holberker wirkt sehr erschöpft.<br />
Nur kurz schaut er <strong>de</strong>m Thorwaler ins Gesicht,<br />
dann sagt er mit brüchiger Stimme: "Ihr könnt<br />
mir nicht helfen."<br />
Dann schließt er die Tür.<br />
Als Ingalf die Tür vor <strong>de</strong>r Nase zugeschlagen wird,<br />
dreht er sich zu Rovena um: "Willst Du's nochmal<br />
probieren? O<strong>de</strong>r nehmen wir das nächste Haus?"<br />
"Aber ja doch!" Energisch tritt Rovena vor und klopft<br />
kräftig an die Tür. "So macht doch auf. Ihr wisst doch<br />
gar nicht, ob wir Euch nicht doch zu helfen im Stan<strong>de</strong><br />
sind. Ihr seid krank und braucht Hilfe. Schlagt sie<br />
nicht aus, son<strong>de</strong>rn lasst uns ein." Sie horcht, ob <strong>de</strong>r<br />
Holberker sich nicht doch noch an<strong>de</strong>rs entschei<strong>de</strong>n<br />
wird.<br />
Nach einer kurzen Weile sind wie<strong>de</strong>r schlurfen<strong>de</strong> Geräusche<br />
zu hören. Was <strong>de</strong>n Holberker veranlasst, wie<strong>de</strong>r<br />
die Tür zu öffnen, ist nicht offensichtlich, trotz<strong>de</strong>m<br />
tut er es. Danach wen<strong>de</strong>t er sich um und setzt<br />
sich auf eine Holzbank in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Raumes und<br />
zün<strong>de</strong>t ein Kerze auf <strong>de</strong>m vor ihm stehen<strong>de</strong>n Tisch<br />
an. Die Menschen an <strong>de</strong>r Tür schaut er nur kurz an,<br />
dann senkt sich sein Kopf.<br />
Vorsichtig betritt Rovena mit Surnia auf <strong>de</strong>r Schulter<br />
<strong>de</strong>n Raum und schaut sich schnell aufmerksam um.<br />
Dann geht sie auf <strong>de</strong>n Holberker zu. "Seid gegrüßt,<br />
mein Name ist Rovena", stellt sie sich mit einem<br />
freundlichem Lächeln vor und lässt sich neben ihm<br />
auf <strong>de</strong>r Bank nie<strong>de</strong>r. Forschend mustert sie sein Gesicht.<br />
"Ihr gehört zu <strong>de</strong>n Krinaks, nicht wahr?" fragt sie ihn<br />
neugierig. "Ihr seht sehr krank aus. Beschreibt mir bitte,<br />
wie und wann dieses Lei<strong>de</strong>n begann und welche<br />
Beschwer<strong>de</strong>n Euch plagen."<br />
Nur langsam und mühevoll hebt <strong>de</strong>r Holberker <strong>de</strong>n<br />
Kopf. Lange hält er <strong>de</strong>n Blick <strong>de</strong>r Hexe nicht stand<br />
und senkt <strong>de</strong>n Kopf wie<strong>de</strong>r.<br />
446<br />
"Ich weiß es nicht genau, es gibt keinen Tag <strong>de</strong>r als<br />
Anfang zu zählen war, irgendwann wur<strong>de</strong>n ich und<br />
meine Frau immer mü<strong>de</strong>r, langsamer, manchmal ist<br />
selbst das Atmen eine Qual."<br />
Ingalf hält sich während <strong>de</strong>s Gespräches im Hintergrund<br />
und versucht sich in <strong>de</strong>m schummerigen Haus<br />
umzusehen.<br />
Mitleid spiegelt sich in <strong>de</strong>m Gesichtsausdruck <strong>de</strong>r<br />
jungen Hexe wi<strong>de</strong>r.<br />
"Und alles begann mit diesem Symbol einer Ratten an<br />
<strong>de</strong>inem Haus, nicht wahr?" Sie beginnt, in ihrem<br />
Tuchbeutel nach <strong>de</strong>m Satuarienbusch zu suchen. "Wo<br />
ist <strong>de</strong>ine Frau? Kann ich zu ihr?"<br />
Sie schaut sich nach Herd und Kessel um. Da sie<br />
noch nicht weiß, ob wirklich Magie hinter <strong>de</strong>m Zustand<br />
dieses Holberkers steckt, wie aus <strong>de</strong>n Aufzeichnungen<br />
in <strong>de</strong>m Stadtherrenbuch zu vermuten ist, unterdrückt<br />
sie das Bedürfnis zu versuchen, mit ihrer<br />
Kraft eine mögliche Verwandlung diese Geplagten zu<br />
been<strong>de</strong>n.<br />
Rechts hinten in <strong>de</strong>r Ecke ist eine halb geschlossene<br />
Herdstelle zu sehen. Sie wirkt, für die Verhältnisse in<br />
dieser Stadt, gut erhalten, aber länger nicht mehr gepflegt.<br />
Holz liegt daneben bereit.<br />
Nur leicht hebt <strong>de</strong>r Holberker <strong>de</strong>n Kopf und schaut<br />
die Hexe von unten an. "Meine Frau schläft, lasst Ihr<br />
Ihre Ruhe, bitte." Das letzte Wort klingt flehentlich.<br />
"Ich wer<strong>de</strong> ihr nichts zu Lei<strong>de</strong> tun", verspricht Rovena<br />
ihm und legt <strong>de</strong>m Holberker beruhigend eine Hand<br />
auf <strong>de</strong>n Arm. "Aber sie muss auch essen und trinken.<br />
Ich wer<strong>de</strong> euch einen Tee zubereiten, <strong>de</strong>n ihr bei<strong>de</strong><br />
gleich trinken wer<strong>de</strong>t. Er wird euch stärken." Sie erhebt<br />
sich und legt eine kleine Portion <strong>de</strong>s getrockneten<br />
Satuarienbuschkrautes auf <strong>de</strong>n Tisch.<br />
"Ingalf, machst du bitte das Feuer an? Ich muss Wasser<br />
zum Kochen aufsetzen."<br />
"Aye!" meint Ingalf. Er sucht sich aus <strong>de</strong>m vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Brennholzvorrat einige kleine, trockene Späne,<br />
die er in <strong>de</strong>r Feuerstelle entzün<strong>de</strong>t. Als diese richtig<br />
brennen, legt er einige Scheite nach.<br />
An <strong>de</strong>n Holberker gewandt fragt sie, während sie sich<br />
suchend umsieht: "Wo ist euer Wasservorrat?" Einen<br />
Kessel hat sie an <strong>de</strong>r Feuerstelle ent<strong>de</strong>cken können.<br />
"2 Tage altes Wasser ist im Kessel, ich schaffte es seit<br />
<strong>de</strong>m nicht mehr zum Brunnen, <strong>de</strong>r ist 2 Straßen weiter."<br />
Selbst dieser Satz kommt nur stockend und brüchig.<br />
"Ich glaub', ich hab' draußen 'n Brunnen gesehen, das<br />
wohl!"<br />
"Ich danke Dir", ruft Rovena <strong>de</strong>m Thorwaler nach<br />
und schaut sich in<strong>de</strong>ssen nach einem Krug um, in <strong>de</strong>n<br />
sie die Portion <strong>de</strong>s Heilkrautes zur Stärkung hinein<br />
gibt, um <strong>de</strong>n Tee aufzubrühen. Dann setzt sie sich,
auf das kochen<strong>de</strong> Wasser wartend, erneut neben <strong>de</strong>n<br />
Holberker.<br />
Ingalf nimmt sich <strong>de</strong>n Kessel und kommt nach einiger<br />
Zeit wie<strong>de</strong>r und hängt ihn an <strong>de</strong>n Haken über <strong>de</strong>m<br />
Feuer.<br />
Edric steht unschlüssig herum, weiß er nicht wie er<br />
helfen könnte. Diese seltsame Krankheit beunruhigt<br />
ihn und insgeheim fürchtet er sich ein wenig davor,<br />
sich anzustecken.<br />
"Wo ist sie, <strong>de</strong>ine Frau?" fragt sie die erschöpft wirken<strong>de</strong><br />
Gestalt. "Ist sie noch schwächer als du, dass sie nur<br />
noch liegen kann?"<br />
Wortlos zeigt <strong>de</strong>r Holberker mit <strong>de</strong>m Daumen über<br />
seine Schulter. Im Licht <strong>de</strong>s inzwischen angezün<strong>de</strong>ten<br />
Feuers erkennen die drei einen zerschlissenen Vorhang.<br />
Rovena schaut neugierig in die angewiesene Richtung<br />
und erhebt sich, um zu <strong>de</strong>m Vorhang zu gehen. Vorsichtig<br />
und leise schiebt sie <strong>de</strong>n Vorhang zur Seite, um<br />
einen Blick dahinter zu werfen.<br />
Der Raum dahinter ist fast völlig dunkel, nur ein wenig<br />
Licht, vermischt mit Rovenas Schatten, fällt durch<br />
<strong>de</strong>n Rahmen.<br />
Da das Herdfeuer hinter ihr für Helligkeit sorgt, holt<br />
Rovena die Kerze vom Tisch und leuchtet in <strong>de</strong>n<br />
Raum hinter <strong>de</strong>m Vorhang. In <strong>de</strong>m Kerzenlicht schaut<br />
sie sich suchend um.<br />
Eine Holberkerin liegt auf einem einfachen Lager und<br />
schaut Rovena teilnahmslos an.<br />
Die Hexe nähert sich <strong>de</strong>r Frau und nickt ihr freundlich<br />
zu. "Sei gegrüßt, gute Frau. Habe keine Angst, wir<br />
sind hier, um zu helfen, ich bereite gera<strong>de</strong> einen Tee<br />
zur Stärkung für euch zu. Kannst du sprechen?" Sie<br />
tritt an das Lager und streicht <strong>de</strong>r Holberkerin Anteil<br />
nehmend über die Stirn, wobei sie gleich auch festzustellen<br />
versucht, ob die Frau fiebrig ist.<br />
Nach eingehen<strong>de</strong>r Untersuchung im Rahmen ihrer<br />
Möglichkeiten stellt Rovena fest: Die Frau ist kraftlos,<br />
schwach und apathisch. Weitere Symptome fallen Rovena<br />
nicht auf. Die Frau hat außer<strong>de</strong>m leicht erhöhte<br />
Temperatur. Das leichte Fieber ist aber nicht ausreichend,<br />
die Schwäche und Apathie zu erklären. Rovena<br />
steht vor einem Rätsel.<br />
Diese Erkenntnis bestärkt die Vermutung, die sie aus<br />
<strong>de</strong>m Buch <strong>de</strong>r Stadtherren gewonnen haben. Diese<br />
Krankheit scheint nicht natürlichen Ursprungs zu<br />
sein. Mit einem Seufzer erhebt sie sich und kehrt in<br />
die Küche zurück. Sinnierend gießt sie mit <strong>de</strong>m mittlerweile<br />
kochen<strong>de</strong>n Wasser <strong>de</strong>n Tee auf und lässt ihn<br />
eine Weile ziehen. Sie muss an ihre Begegnung mit<br />
Nahema <strong>de</strong>nken. Wenn diese <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>rn dieser<br />
Stadt zur Fruchtbarkeit verholfen hat, in <strong>de</strong>m sie dafür<br />
gesorgt hat, dass sich elfisches mit orkischem Blut vermischt,<br />
steckt sie vielleicht auch hinter dieser Krank-<br />
447<br />
heit. Doch was hat das alles mit <strong>de</strong>m Symbol <strong>de</strong>r Ratte<br />
zu tun. Und wer ist dieser Daimon? Sie gießt <strong>de</strong>n Tee<br />
in zwei Becher und reicht sie <strong>de</strong>m Holberker. "Hier,<br />
trink das aus und gibt <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Tee <strong>de</strong>iner Frau zu<br />
trinken. Er sollte euch ein wenig stärken", meint sie.<br />
Mit einer tiefen Verbeugung nimmt <strong>de</strong>r Holberker die<br />
Becher an. "Geehrt bist Du, weise Frau!"<br />
Die Achtung und Verehrung <strong>de</strong>s Holberkers ist Rovena<br />
fast unangenehm, weiß sie doch nicht einmal, ob<br />
<strong>de</strong>r Tee <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n auch wirklich Lin<strong>de</strong>rung verschaffen<br />
kann.<br />
"Morgen kommen wir wie<strong>de</strong>r und sehen nach, wie es<br />
euch geht." Bei ihren letzten Worten schaut sie kurz<br />
zu Ingalf hinüber und beginnt, <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>s Tees in<br />
ihre Feldflasche zu füllen.<br />
"Aye!" stimmt <strong>de</strong>r Thorwaler zu.<br />
"Wir hoffen!" Der Holberker verneigt sich noch einmal.<br />
Die Hexe schaut <strong>de</strong>n Holberker mitfühlend an. "Wir<br />
versuchen zu tun, was wir können", antwortet sie ihm<br />
sanft. "Du gehörst zu <strong>de</strong>n Krinaks, nicht wahr?<br />
Kannst du mir sagen, wer Daimon ist, von <strong>de</strong>m man<br />
hier hört und <strong>de</strong>ssen Volk ihr seid? Wo wohnt er? Ich<br />
will ihn aufsuchen und um seine Mithilfe bitten." Ein<br />
Versuch ist es wert, vielleicht doch noch etwas über<br />
diesen Unbekannten herauszubekommen.<br />
Die Miene <strong>de</strong>s Holberkers wird verschlossen, als er<br />
<strong>de</strong>n Namen 'Daimon' hört. "Ja, wir sind Krinaks. Und<br />
es gibt keinen Holberker, <strong>de</strong>r Daimon heißt."<br />
"Kein Holberker?" Rovena macht ein fragen<strong>de</strong>s Gesicht.<br />
"Er wird doch aber von euch allen verehrt, nicht<br />
wahr? O<strong>de</strong>r etwa nur von <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks?" Sie versucht<br />
ihre Fragen wie beiläufig zu stellen, während sie ihre<br />
Sachen zusammenpackt.<br />
Der Holberker schaut Rovena nur ausdruckslos an.<br />
"Also, morgen kommen wir drei wie<strong>de</strong>r und dann<br />
machst Du die Tür gleich auf, das wohl!" Damit steht<br />
Ingalf von <strong>de</strong>m Hocker auf, auf <strong>de</strong>n <strong>de</strong>n er sich während<strong>de</strong>ssen<br />
gesetzt hatte, und schiebt Edric vor sich<br />
aus <strong>de</strong>m Haus. "Bis dann!"<br />
Kopfschüttelnd mustert die Hexe <strong>de</strong>n Kranken. "Vergiss<br />
nicht, <strong>de</strong>n Tee zu trinken", ermahnt sie ihn eindringlich<br />
und verlässt daraufhin die Behausung, um<br />
sich ihren bei<strong>de</strong>n Gefährten anzuschließen.<br />
Draußen auf <strong>de</strong>r Straße schaut Rovena sich um. "Wird<br />
es nicht bald Zeit, zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zurückzukehren?<br />
Ich <strong>de</strong>nke nicht, dass wir mit meinen Kräutern diese<br />
Kranken heilen können. Und viel erzählen können sie<br />
uns auch nicht mehr. Wir müssen in Erfahrung, was<br />
und wer dahinter steckt."<br />
"Dann lasst uns zur Burg zurück bevor es Dunkel<br />
wird, das wohl!" stimmt Ingalf <strong>de</strong>r Hexe zu. "Viel-
leicht haben die an<strong>de</strong>ren ja etwas mehr gefun<strong>de</strong>n, als<br />
'n paar Kranke!" 'Aber das glaube ich auch nicht!'<br />
Er macht sich auf die Straße herunter in Richtung<br />
Burg.<br />
Wie<strong>de</strong>r vereint<br />
Am Burgtor treffen bei<strong>de</strong> Gruppen wie<strong>de</strong>r zusammen.<br />
"Und?" fragt Ingalf knapp die drei Gefährten.<br />
"Praktisch nichts." antwortet <strong>de</strong>r Magier ebenso<br />
knapp. "Aber das sollten wir drin besprechen." Ohne<br />
ein weiteres Wort geht er auf die Wachen zu und in<br />
Richtung Burghof und Treppenaufgang. "So, wir sind<br />
vollzählig. Wir begeben uns jetzt auf unser Zimmer.<br />
Danke, aber Ihr braucht uns nicht zu begleiten, wir<br />
kennen <strong>de</strong>n Weg!" Seine Laune ist wirklich schlecht -<br />
so zumin<strong>de</strong>st scheint es <strong>de</strong>n drei an<strong>de</strong>ren vorzukommen.<br />
Und auch <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Holberkern dürfte das<br />
nicht entgangen sein.<br />
Dessen ungeachtet eskortiert ein Holberker die Gruppe<br />
bis zu ihrem Raum.<br />
'Sollen die doch marschieren, wohin sie wollen!' <strong>de</strong>nkt<br />
sich <strong>de</strong>r Magier, während er unbeeindruckt in die alte<br />
Bibliothek stapft, in <strong>de</strong>r sie einquartiert wor<strong>de</strong>n sind.<br />
Ingalf fragt Melachath: "Was is'n <strong>de</strong>m für'n Dorsch<br />
durchs Netz gehüpft?"<br />
"Holberker", antwortet Hesan<strong>de</strong>r knapp und überlässt<br />
<strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>m Aranier.<br />
"Ja, die können einem schwer im Magen liegen, das<br />
wohl!"<br />
"Es war nicht <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Erkenntnisse, so das unser<br />
wertgeschätzter Freund aus <strong>de</strong>m tiefsten Sü<strong>de</strong>n ein<br />
wenig mit seiner Stimmung zu kämpfen hat."<br />
Ingalf schaut <strong>de</strong>n Aranier verständnislos an - zum<br />
Glück konnte er mit <strong>de</strong>r Antwort von Hesan<strong>de</strong>r mehr<br />
anfangen …<br />
Die Nacht in <strong>de</strong>r Burg<br />
Als die Tür hinter ihnen wie<strong>de</strong>r geschlossen und <strong>de</strong>r<br />
Holberker draußen geblieben ist, lehnt Isinha sich mit<br />
einem <strong>de</strong>monstrativen Schnaufen gegen eines <strong>de</strong>r Regale.<br />
Nach kurzem Schweigen beginnt er: "Ich weiß<br />
auch nicht, aber dafür, dass wir helfen sollen, wer<strong>de</strong>n<br />
wir hier ganz schon gegängelt! Keiner weiß hier von<br />
irgend etwas. Es scheint, als sei hier eine Massenverblödung<br />
im Gange, die bereits in die dritte Generation<br />
geht. Und <strong>de</strong>r Rest ist krank." fügt er noch hinzu.<br />
"Und was habt ihr heraus gefun<strong>de</strong>n?" richtet er das<br />
Wort an Rovena, Ingalf und Edric.<br />
"Das im Nordosten weniger Kranke sind als im Nordwesten<br />
und das die Kranken echt krank sind. O<strong>de</strong>r<br />
Rovena?" fragt er die Hexe.<br />
448<br />
"Richtig", antwortet die Hexe und legt ihr Bün<strong>de</strong>l auf<br />
ihrem Lager am Fenster ab. "Allgemein scheint dort<br />
die Sippe <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>ks zu überwiegen.<br />
Wir haben in einem <strong>de</strong>r Häuser mit <strong>de</strong>m Rattensymbol<br />
Einlass erhalten, <strong>de</strong>n Erkrankten geht es sehr<br />
schlecht und nichts <strong>de</strong>utet auf eine mir bisher bekannte<br />
Erkrankung hin. Ich habe einen Tee gekocht und<br />
ihn trinken lassen. Morgen sehe ich nach <strong>de</strong>m lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Holberker-Paar. Mal sehen, ob die stärken<strong>de</strong> Wirkung<br />
<strong>de</strong>s Satuarienbusch auch bei ihnen helfen kann."<br />
Während <strong>de</strong>s gesamten Wegs zur Bibliothek wirkt Hesan<strong>de</strong>r<br />
irgendwie abwesend, jetzt „taut“ er wie<strong>de</strong>r auf.<br />
Erstaunt nimmt Hesan<strong>de</strong>r wahr, wie sich die drei auf<br />
einmal in <strong>de</strong>r Burg im Lagerraum wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n. War<br />
hier eine Limbusreise, ein sich plötzlich öffnen<strong>de</strong>r<br />
Spalt die Ursache? O<strong>de</strong>r beherrschte Elgar am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>n Transversalis für mehrere Personen? 'Hesin<strong>de</strong>, Du<br />
erstaunst mich stets aufs Neue', <strong>de</strong>nkt sich Hesan<strong>de</strong>r<br />
ob <strong>de</strong>s Wun<strong>de</strong>rs.<br />
"Wenn die bei<strong>de</strong>n Sippen sozusagen mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />
getrennt voneinan<strong>de</strong>r wohnen, können wir davon<br />
ausgehen, dass es nur eine Sippe erwischen soll. Das<br />
wür<strong>de</strong> die Suche nach <strong>de</strong>m Urheber nicht leichter machen,<br />
aber <strong>de</strong>n Verdächtigenkreis eingrenzen", konstatiert<br />
Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Ihr wisst, ich bin für je<strong>de</strong> Theorie zu haben. Ein gewisser<br />
Albertus Zweistein schrieb: 'Das Problem ist<br />
wichtiger als die Lösung.' Aber im Moment wäre wohl<br />
eine praktisch orientierte Lösung angebrachter." erwi<strong>de</strong>rt<br />
<strong>de</strong>r Magier. "Und wichtig für uns ist im Moment<br />
wohl eher das Warum, als das Wer. Denn wenn wir<br />
das Motiv kennen, können wir eingrenzen, wem dieses<br />
Motiv am besten zu Gesicht steht. Und bis wir nachher<br />
<strong>de</strong>n Altar suchen gehen, lege ich mich noch ein<br />
Stündchen aufs Ohr." ergänzt er und lässt sich auf seinem<br />
Lager nie<strong>de</strong>r.<br />
"Heute Abend sehen wir uns in <strong>de</strong>n Gewölben <strong>de</strong>r<br />
Burg um", kündigt Hesan<strong>de</strong>r an. Ich <strong>de</strong>nke, wir sollten<br />
alle zusammen da runter und sehen, was für wi<strong>de</strong>rnatürliche<br />
Mächte hier womöglich am Werk sind."<br />
Im Liegen mischt Isinha sich mit einem Kommentar<br />
ein: "Ach was, daimonisches Gezücht verwickelt Ihr<br />
einfach in eine Grundsatzdiskussion über Euch und<br />
die Welt. Und nun seid endlich still." Etwas lauter<br />
fährt er fort: "O<strong>de</strong>r habt Ihr etwa Angst, mit mir allein<br />
zu sein?" Die roten Augen verengen sich zu Schlitzen,<br />
ein schwaches Grinsen stiehlt sich auf die Gesichtszüge<br />
<strong>de</strong>s Magiers, während er sich auf einen Ellenbogen<br />
gestützt auf die Seite dreht.<br />
Ohne darauf einzugehen, greift Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gesprächsfa<strong>de</strong>n<br />
vom Tor wie<strong>de</strong>r auf: "Draußen scheint es<br />
außer Kranken und eher hilferesistenten Holberkern<br />
nicht viel zu geben. Die Tatsache, dass wir hier unter<br />
Observation stehen, sollte wohl klar machen, dass die
mögliche Quelle allen Übels in <strong>de</strong>r Burg zu fin<strong>de</strong>n<br />
sein muss. Schauen wir uns also heute Nacht dort um.<br />
Ein paar Axt und Schwert schwingen<strong>de</strong> Hän<strong>de</strong> sind<br />
dort sicherlich nicht von Nachteil. Es hat sich in <strong>de</strong>r<br />
Geschichte immer wie<strong>de</strong>r gezeigt, dass erst die Kombination<br />
aus göttlicher Gunst, Stahl und Magie zum<br />
Erfolg geführt hat."<br />
Rovena hat sich auf ihrem Lager ausgestreckt und<br />
streichelt versonnen Surnia, die noch die letzten Happen<br />
<strong>de</strong>s Futters vom Essen vor ihrem Ausflug herunter<br />
geschlungen hat. "Und du meinst, wir fin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Altar<br />
Daimons im Keller dieser Burg?" fragt sie Hesan<strong>de</strong>r<br />
neugierig.<br />
"Das halten wir zumin<strong>de</strong>st für <strong>de</strong>n wahrscheinlichsten<br />
Ort." antwortet ihr Isinha.<br />
"Wann wollen wir los?" Ihr ist es ja nur recht, wenn sie<br />
nicht auf einen Turm muss, wo ihre Kräfte eingeschränkt<br />
sind.<br />
"Sobald es dunkel ist und auch die nicht so kranken<br />
Holberker in ihren Betten liegen. Wobei, eigentlich<br />
sind sie alle krank, auf die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Weise."<br />
fügt <strong>de</strong>r Magier hinzu. "Und bis dahin versuche ich<br />
noch ein kleines Nickerchen zu machen."<br />
"Nickerchen is' gut, das wohl!" meint Ingalf, <strong>de</strong>r Kawi<br />
auch wie<strong>de</strong>r geholt hat. Er legt sich auf seine Decke<br />
und döst recht schnell weg.<br />
Edric hat sich ebenfalls auf seinem Lager bequem gemacht.<br />
Sollte dieser Daimon tatsächlich etwas mit einem<br />
Dämon gemeinsam haben, wie seine Gefährten<br />
vermuten, hat er kein Bedürfnis nach <strong>de</strong>ssen Kultobjekten<br />
zu suchen. Er ist nur ein einfacher Hirte, und<br />
hat schon mehr erlebt, als er sich jemals hätte träumen<br />
lassen … die Wüste, <strong>de</strong>r Weltenbaum, die unumstößliche<br />
Freundschaft zu Ingalf, Thorwal, das Orkland<br />
… Ist es da nötig Dämonen zu suchen?<br />
So wartet er die Entscheidung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren ab und<br />
hört still zu.<br />
"Nun, ich <strong>de</strong>nke auch, sobald es Nacht ist und die<br />
meisten Wachen hoffentlich schlafen, können wir es<br />
wagen. Doch sagt, was habt Ihr über die Krankheit<br />
herausgefun<strong>de</strong>n?" antwortet und fragt Hesan<strong>de</strong>r zugleich.<br />
"Es scheint, als ob <strong>de</strong>n Erkrankten die Lebenskraft genommen<br />
wird", antwortet die junge Hexe, die mit geschlossenen<br />
Augen da liegt und sich die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
kraftlosen, schwach und apathischen Holberkerin vor<br />
Augen hält, <strong>de</strong>m Geweihten. "Das Leben glühte noch<br />
in <strong>de</strong>r Frau, <strong>de</strong>ren Stirn ich berührte, doch ihre Temperatur<br />
war nur geringfügig erhöht, nicht so heiß, wie<br />
sonst bei diesen Schwächeanzeichen, sie war teilnahmslos,<br />
als ob ihr das Leben nichts mehr be<strong>de</strong>uten<br />
wür<strong>de</strong>. Morgen früh gehe ich noch einmal zu ihnen,<br />
um zu sehen, ob <strong>de</strong>r stärken<strong>de</strong> Tee aus <strong>de</strong>m Satuarienbusch<br />
ihnen helfen konnte."<br />
449<br />
Und an Elgar gewandt meint sie gähnend: "Ich wer<strong>de</strong><br />
es dir gleich tun und versuchen noch ein wenig zu<br />
schlafen. Viel Ruhe wer<strong>de</strong>n wir wohl nicht bekommen.<br />
Weck mich, wenn ihr aufbrechen wollt." Sie rollt<br />
sich zusammen und schließt die Augen.<br />
"Mmmhhmm." brummt <strong>de</strong>r Magier seine Zustimmung,<br />
ohne die Augen zu öffnen. Schlaf wird er zwar<br />
kaum fin<strong>de</strong>n, aber Ruhe ist nie verkehrt. Während seiner<br />
Zeit als Sklave hatte er lernen müssen, dann zu<br />
schlafen, wenn Zeit dazu war, nicht unbedingt dann,<br />
wenn ihn das Bedürfnis dazu überkam. Auch wenn<br />
diese Fähigkeit nie gänzlich verloren gegangen ist, so<br />
wur<strong>de</strong> die Notwendigkeit dazu doch in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren in <strong>de</strong>n Hintergrund gedrängt.<br />
Und auch Hesan<strong>de</strong>r sucht ein wenig Ruhe, in<strong>de</strong>m er<br />
sich einen provisorischen Altar aus einigen Planken<br />
bastelt und seine Basiliskenzunge darauf legt sowie<br />
sein Tagebuch. Falls er ein paar Kerzen fin<strong>de</strong>t, wird er<br />
sie ebenfalls drapieren. Falls nicht, muss es eben ohne<br />
gehen.<br />
Dann kniet er vor <strong>de</strong>m Altar nie<strong>de</strong>r und betet zu seiner<br />
Herrin Hesin<strong>de</strong>. 'Oh Mutter <strong>de</strong>r Weisheit, segne<br />
meine Gefährten und mich, auf dass wir <strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>rnatürlichen<br />
Kräften, die hier womöglich am Werke sind,<br />
Einhalt gebieten und <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>r Zwölfe in diesen<br />
Lan<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r Geltung verleihen.'<br />
Das Gebet gibt ihm Kraft und beruhigt ihn. Er wird<br />
das Rätsel dieses Ortes lösen. Entspannt legt Hesan<strong>de</strong>r<br />
sich hin und schläft ein.<br />
Melachath legt seine Waffen ab und kniet sich daneben,<br />
gehört es sich doch nicht, <strong>de</strong>r Göttin <strong>de</strong>r Liebe<br />
mit Waffen zu begegnen. Dann senkt er <strong>de</strong>n Kopf,<br />
schließt die Augen und hält ein stilles Zwiegespräch<br />
mit <strong>de</strong>r jungen Göttin. Hiernach steht er kurz auf,<br />
holt seine Waffen, setzt sich vor <strong>de</strong>n Altar und legt sie<br />
auf seine Knie. Wie<strong>de</strong>r senkt er <strong>de</strong>n Kopf und schließt<br />
die Augen. Leise erbittet er Rondras Hilfe für die bevorstehen<strong>de</strong>n<br />
Aufgaben.<br />
Edric kniet sich neben ihn und huldigt <strong>de</strong>n Göttern.<br />
Er weiß gar nicht, ob sie ihn überhaupt wahrnehmen,<br />
doch sie haben ihren Beistand in nächster Zeit sicher<br />
bitter nötig.<br />
'Ich hätte das Wort Altar vorhin nicht erwähnen dürfen!'<br />
mahnt Isinha sich selbst zur vorsichtigen Wahl<br />
<strong>de</strong>r richtigen Worte in Gegenwart <strong>de</strong>s Geweihten. Lediglich<br />
kurz hoch gezogene Augenbrauen und etwas<br />
fester zusammen gepresste Lippen zeugen von seinem<br />
leichten Unmut. Dann schüttelt er nur <strong>de</strong>n Kopf und<br />
legt sich wie<strong>de</strong>r mit unter <strong>de</strong>m Kopf verschränkten Armen<br />
auf <strong>de</strong>n Rücken. Und starrt zur Decke. Doch<br />
schließlich schläft er über <strong>de</strong>n Gedanken an ihre Probleme<br />
ein.<br />
Nun steht Melachath auf, legt die Waffen wie<strong>de</strong>r an<br />
und sagt: "So will ich über Euren Schlaf wachen."
In dieser Nacht kommt niemand dazu, eine Untersuchung<br />
<strong>de</strong>r Burg zu versuchen. Alle schlafen durch.<br />
Melachath kommt im Sitzen an die Wand gelehnt zu<br />
sich.<br />
Verwun<strong>de</strong>rt schüttelt <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>n Kopf, reibt sich<br />
<strong>de</strong>n Schlaf aus <strong>de</strong>n Augen und schaut seine Begleiter<br />
an.<br />
Mit einem herzhaften Gähnen streckt sich <strong>de</strong>r Magier,<br />
während er sich aufsetzt. Ein kurzer Blick in die Run<strong>de</strong><br />
offenbart, dass er nicht geweckt wor<strong>de</strong>n ist, weil die<br />
an<strong>de</strong>ren ebenfalls eingeschlafen sind. Mit einem<br />
Schulterzucken tut er dies ab. 'Dann eben heute.'<br />
Dann steht er auf, wuschelt kurz durch die Haare und<br />
450<br />
weckt anschließend Rovena mittels einer leichten Berührung<br />
an <strong>de</strong>r Schulter. "Ich sollte Dich wecken,<br />
wenn ich wach bin."<br />
Surnia plustert sich drohend auf, als Elgar sich Rovenas<br />
Schlafstätte nähert, reißt aber nur warnend <strong>de</strong>n<br />
Schnabel auf. Die Hexe schlägt bei <strong>de</strong>r Berührung die<br />
Augen auf und blinzelt verschlafen. "Wie spät ist es?"<br />
murmelt sie und schält sich aus ihrer Decke. "Du<br />
wolltest mich wecken, wenn ihr los wollt. Schlafen die<br />
Wachen schon?"<br />
"Äh, ja. Wollte ich. Ich gehe gleich nachsehen." antwortet<br />
Isinha.
Gewagtes Spiel<br />
Die<br />
Nacht zuvor ist zwar nicht wie geplant verlaufen,<br />
aber dafür erwachen alle relativ erfrischt.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Magier Rovena geweckt hat, begibt er<br />
sich zur Tür, öffnet diese leise und schaut durch <strong>de</strong>n<br />
Spalt nach draußen, ob dort noch o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r eine<br />
Wache steht.<br />
Da stehen zwei, und sie sind wach. "Wollt ihr was essen",<br />
fragt ein Wachmann.<br />
Ein kurzer Blick zurück in <strong>de</strong>n Raum, als wolle er<br />
sich <strong>de</strong>r Zustimmung seiner Gefährten versichern,<br />
dann antwortet Isinha: "Natürlich. Und ihr hättet uns<br />
längst wecken sollen. Ich wer<strong>de</strong> eure schlechte Dienstmoral<br />
<strong>de</strong>m Statter zur Kenntnis bringen. So geht das<br />
hier freilich nicht!" schimpft er- gespielt ärgerlich -,<br />
ehe er die Tür wie<strong>de</strong>r schließt und sich anschließen<br />
mit <strong>de</strong>m Rücken von innen dagegen lehnt, während er<br />
sich das Lachen kaum verkneifen kann.<br />
Auch Edric erwacht auf seinem Lager und erhebt sich.<br />
Verschlafen schaut er sich um und bemerkt ebenfalls<br />
dass sie durchgeschlafen haben. Insgeheim ist er froh<br />
darüber sich nicht auf die Suche nach diesem 'Daimon'<br />
begeben haben zu müssen.<br />
Er nimmt sich vor, <strong>de</strong>n Holberken in Sachen Viehzucht<br />
ein wenig auf die Sprünge zu helfen. 'Wer gib,<br />
<strong>de</strong>m wird auch gegeben', kommt ihm in <strong>de</strong>n Sinn.<br />
Durch <strong>de</strong>n Krach an <strong>de</strong>r Tür ist erst Kawi und dann<br />
auch Ingalf aufgewacht. Er setzt sich auf, reibt sich die<br />
Augen und fragt - etwas verschlafen: "Was'n los?"<br />
"Was gibt es <strong>de</strong>nn so Lustiges auf <strong>de</strong>m Gang?" Rovena<br />
schaut <strong>de</strong>n Magier kurz verwun<strong>de</strong>rt an, während sie<br />
ihre Sachen zusammen räumt und die kleine Schä<strong>de</strong>leule<br />
in <strong>de</strong>m Tragebeutel unterbringt.<br />
"Du hättest ihre Gesichter sehen sollen …!" prustet<br />
<strong>de</strong>r Magier los, beruhigt sich aber schnell wie<strong>de</strong>r und<br />
erklärt dann: "Es ist - wie ihr alle seht - bereits Tag<br />
und wir haben verschlafen. Und nein, die Wachen<br />
sind wach." beantwortet er Rovenas Ausgangsfrage.<br />
Von <strong>de</strong>n Geräuschen und Elgars Lärm geweckt, öffnet<br />
Hesan<strong>de</strong>r die Augen. Das Tageslicht dringt vermutlich<br />
durch die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Ritze. Schnell besinnt er<br />
sich und erkennt, dass man wohl verschlafen hat.<br />
"Bei <strong>de</strong>n Göttern!" entfährt es ihm. "Sieht so aus als<br />
wären wir ziemlich mü<strong>de</strong> gewesen", spricht er und<br />
hält inne. "Hattet Ihr ein komisches Gefühl nach <strong>de</strong>r<br />
letzten Mahlzeit?" fragt er die an<strong>de</strong>ren.<br />
Rovena schüttelt <strong>de</strong>n Kopf. "Nein, eigentlich nicht.<br />
Ich habe nichts verspürt, als wir durch die Stadt gingen",<br />
antwortet sie <strong>de</strong>m Geweihten. "Ein Schlafmittel<br />
sollte doch unvermittelt wirken, o<strong>de</strong>r?"<br />
Die Geheimnisse Ohorts<br />
451<br />
"Nicht unbedingt." antwortet Isinha, <strong>de</strong>r sich bei Alchimie<br />
in seinem Element wähnt. Er kratzt sich am -<br />
auch nach Wochen unrasierten aber bartlosen - Kinn<br />
und überlegt. "Vielleicht sollten wir genauer darauf<br />
achten, was wir essen und trinken. Ich kenne allein<br />
vier o<strong>de</strong>r fünf verschie<strong>de</strong>ne Pflanzen, die als Schlaf-<br />
o<strong>de</strong>r Beruhigungsmittel verwendbar sind. Ein o<strong>de</strong>r<br />
zwei dürften auch hier wachsen. Schwieriger sind<br />
dann schon die retardieren<strong>de</strong>n Faktoren, die oft einen<br />
schweren Beigeschmack ergeben. Der kann aber<br />
durch stark aromatische Gewürze gemil<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r<br />
über<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n." referiert <strong>de</strong>r Magier. "Sollte ein<br />
Gift Schuld an unserem guten Schlaf haben, hätte ich<br />
auch eine entsprechen<strong>de</strong> Gegenformel." fügt er lächelnd<br />
hinzu.<br />
"Nun, <strong>de</strong>r einfachste Weg wäre es, wenn wir unseren<br />
Hunger außerhalb <strong>de</strong>r Burg zu stillen versuchen o<strong>de</strong>r<br />
aber zumin<strong>de</strong>st heute Abend nichts essen. Tagsüber<br />
ließe sich eine möglicherweise schlafför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Wirkung<br />
durchaus leichter herausfin<strong>de</strong>n. Dann benötigen<br />
wir womöglich auch kein Gegenmittel, wenngleich es<br />
gut zu wissen ist, dass Ihr eins habt, Elgar."<br />
"Ihr versteht nicht - ich habe kein Gegenmittel, son<strong>de</strong>rn<br />
eine Gegenformel." verbessert Isinha <strong>de</strong>n Geweihten.<br />
"Das ist ein großer Unterschied."<br />
"Is' doch egal, das wohl!" meint Ingalf. "Ich hab' von<br />
eurem Gere<strong>de</strong> über's Essen Hunger gekriegt und wer<strong>de</strong><br />
mich und Kawi jetzt freiwillig opfern und was essen!"<br />
"Da komme ich mit." nickt <strong>de</strong>r Magier und greift nach<br />
seinem Stab und <strong>de</strong>m Rucksack. Seit er <strong>de</strong>n Großteil<br />
seiner wertvollen Habe bei <strong>de</strong>n Grolmen eingebüßt<br />
hat, lässt er nirgendwo mehr etwas zurück.<br />
"Ich komme auch mit", Edric ist erleichtert, dass Ingalf<br />
wie<strong>de</strong>r einmal praktisch <strong>de</strong>nkt und setzt eine<br />
fröhliche Miene auf.<br />
Nickend stellt sich <strong>de</strong>r Krieger zu <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n.<br />
"Nun gut, gehen wir", stimmt Hesan<strong>de</strong>r zu.<br />
Wortlos schließt sich Rovena an. Sie wer<strong>de</strong>n sowieso<br />
nirgendwo in dieser Burg allein hingehen können …<br />
abgesehen natürlich von <strong>de</strong>m einen Ort, zu <strong>de</strong>m sie<br />
sich jetzt aufmachen wird. Und die Wache will sie<br />
noch fragen, ob es <strong>de</strong>nn hier keine Ba<strong>de</strong>möglichkeit<br />
gibt, auch eine Waschschüssel mit sauberem Wasser<br />
wür<strong>de</strong> ihr auch schon genügen.<br />
Das Frühstück steht schon auf <strong>de</strong>m Tisch, als die Hel<strong>de</strong>n<br />
eintreten. Und <strong>de</strong>r Statter ist auch da.<br />
"Greift zu", for<strong>de</strong>rt er die Hel<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r Begrüßung<br />
auf. "Habt ihr schon etwas herausgefun<strong>de</strong>n?"<br />
"Ja, haben wir." meint <strong>de</strong>r Magier unverbindlich. "Aber<br />
es wird Dir nicht gefallen." fügt er hinzu.
"Egal, erzähl!" entgegnet <strong>de</strong>r Statter mit vollem Mund.<br />
Mit einem nach<strong>de</strong>nklichen Gesichtsausdruck sieht<br />
sich <strong>de</strong>r Magier verstohlen um, als wenn er Angst hätte,<br />
belauscht zu wer<strong>de</strong>n. Dann beginnt er, im Verschwörerton<br />
seinen "Plan" auszuführen und beginnt:<br />
"Es muss einen Verräter geben; irgend jemand benutzt<br />
Deinen Namen und Deine Befehlsgewalt, um uns an<br />
wichtigen Nachforschungen zu hin<strong>de</strong>rn. Wahrscheinlich<br />
greift jemand nach Deiner Stellung als Statter!"<br />
führt er - wohl auch für seine Gefähren - überraschend<br />
aus.<br />
'Das ist gut, sehr gut, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf. 'Jetzt<br />
muss er was tun, bei Swafnir!' Er isst und hört <strong>de</strong>m<br />
Gespräch weiter zu. Ab und an wirft er Kawi einen<br />
Brocken unter <strong>de</strong>n Tisch.<br />
"Wa…?" Der Statter spuckt sein Essen über <strong>de</strong>n Tisch.<br />
"Ihh, so'n Schweinkram!" entfährt es Ingalf. "Sieh's<br />
doch locker, zeigt es Dir doch, dass Dein Amt gefragt<br />
is', das wohl!"<br />
"He, was soll <strong>de</strong>nn die Sauerei? Lass die Spielereien<br />
mit <strong>de</strong>m Essen!" - 'Es scheint zu funktionieren, jetzt<br />
nur nicht übertreiben.' gemahnt sich <strong>de</strong>r Magier zur<br />
Besonnenheit.<br />
"Wie kommt ihr darauf?" fragt <strong>de</strong>r Statter, nach<strong>de</strong>m<br />
sein Mund wie<strong>de</strong>r leer ist.<br />
"Das ist etwas kompliziert." Isinha wirkt leicht verlegen,<br />
als suche er nach <strong>de</strong>n richtigen Worten. "Ich<br />
fürchte, er - o<strong>de</strong>r sie - hat auch einen Teil Deiner Wachen<br />
auf seine Seite gezogen. Es ist nicht auszuschließen,<br />
dass es einen Anschlag auf Dein Leben geben<br />
wird. Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass<br />
entwe<strong>de</strong>r das Essen vergiftet, o<strong>de</strong>r ein rascher Dolch<br />
in <strong>de</strong>r Dunkelheit Dir ein En<strong>de</strong> bereiten soll. Das<br />
können und wer<strong>de</strong>n wir selbstverständlich nicht zulassen<br />
…" stellt <strong>de</strong>r Magier in Aussicht.<br />
Edric hört aufmerksam zu, und verzichtet vorerst auf<br />
das Frühstück. Er versteht, worauf <strong>de</strong>r Magier hinaus<br />
will.<br />
Fieberhaft überlegt er seine nächsten Schritte. 'Wie bekommen<br />
wir diesen Einfaltspinsel nur dazu, unsere<br />
Leibwachen und Beschatter abzuziehen?'<br />
"Dunkle An<strong>de</strong>utungen. Schwachsinn! Beweis Deine<br />
Behauptungen!" Der Statter ist ungehalten.<br />
"Doch, genauso isses, das wohl!" schlägt Ingalf in die<br />
gleiche Kerbe. "Und da Deinen Wachen nicht zu trauen<br />
is' und wir Dir nur richtig helfen können, wenn wir<br />
uns ungestört umsehen können, solltest uns besser<br />
ohne die Jungs unsere Arbeit machen lassen, das<br />
wohl!"<br />
"Na, gut. Das tun wir. Gleich morgen haben wir bestimmt<br />
alles zusammen, um Dich zu überzeugen."<br />
entgegnet <strong>de</strong>r Magier und leicht ungehalten fügt er<br />
hinzu: "Es wäre nur scha<strong>de</strong>, wenn wir uns die Arbeit<br />
452<br />
umsonst machen wür<strong>de</strong>n, weil sie Dich morgen früh<br />
mit <strong>de</strong>n Füßen voran aus <strong>de</strong>inem Zimmer tragen.<br />
Aber sag dann nicht, wir hätten Dich nicht gewarnt! -<br />
Oh, das wirst Du bestimmt nicht. Tote sprechen in <strong>de</strong>r<br />
Regel nicht!"<br />
Der Statter schlägt mit <strong>de</strong>r Faust auf <strong>de</strong>n Tisch. "Meinen<br />
Wachen ist zu trauen. Los, Beweise auf <strong>de</strong>n Tisch!<br />
Sonst fliegt ihr aus <strong>de</strong>r Burg."<br />
Er zuckt die Schultern, nimmt <strong>de</strong>n letzten Bissen seines<br />
Frühstücks und erhebt sich dann. "Ich wünsche<br />
Dir ein angenehmes Restleben, wir unterhalten uns<br />
dann mit <strong>de</strong>inem Amtsnachfolger weiter."<br />
Der Statter springt auf. "Menschen! In einer halben<br />
Stun<strong>de</strong> seid ihr draußen!" Dreht sich um, verlässt <strong>de</strong>n<br />
Raum und knallt die Tür zu.<br />
"Hmm, das war nicht so ganz das, was wir wollten …"<br />
meint Ingalf als <strong>de</strong>r Statter <strong>de</strong>n Raum verlassen hat.<br />
"Aber egal frühstücken wir in Ruhe zu En<strong>de</strong> und suchen<br />
uns dann ein an<strong>de</strong>res Haus zu pennen, das<br />
wohl!"<br />
Schnell beginnt auch Edric zu essen. Nach<strong>de</strong>m er fertig<br />
ist, packt er sich noch etwas Proviant ein. 'Warum<br />
musste das nur so kommen?' fragt er sich, doch macht<br />
er nieman<strong>de</strong>m eine Vorwurf.<br />
"Mensch, das is' ja 'ne gute I<strong>de</strong>e!" meint Ingalf als er<br />
sieht, dass sein Freund Vorräte einpackt und packt seine<br />
Tasche mit je<strong>de</strong> Menge Lebensmittel für sich und<br />
Fleisch für Kawi voll.<br />
Ruhig und scheinbar wenig beeindruckt von <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
zwischen <strong>de</strong>m Statter und ihren Gefährten<br />
isst Rovena ihr Frühstück. "Du hast wohl etwas<br />
übertrieben", stellt sie an Elgar gewandt kopfschüttelnd<br />
fest. "Wenn wir hier rausfliegen, wer<strong>de</strong>n<br />
wir es <strong>de</strong>utlich schwerer haben, nach diesem geheimnisvollen<br />
Altar zu suchen."<br />
"Tja, mal verliert man, mal gewinnen die an<strong>de</strong>ren."<br />
erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier. "Aber wir können noch immer<br />
selbst dafür sorgen, dass wir morgen mit einem an<strong>de</strong>ren<br />
Statter zu tun haben." Er zuckt die Schultern. "Ist<br />
<strong>de</strong>r einfachste Weg."<br />
"Wenn du an ihn heran kommst", gibt die Hexe zu be<strong>de</strong>nken.<br />
"Hilft uns das?" fragt Ingalf dazwischen.<br />
"Wieso ich? Wir überre<strong>de</strong>n eine <strong>de</strong>r Holberkerwachen<br />
dazu, zumin<strong>de</strong>st einen Versuch zu unternehmen, <strong>de</strong>r<br />
unsere Behauptung untermauert. Es muss gar nicht<br />
erfolgreich sein, son<strong>de</strong>rn es reicht, wenn <strong>de</strong>r Statter<br />
nicht mehr sicher sein kann, wer auf seiner Seite steht<br />
und dass wir es waren, die ihm von <strong>de</strong>r Unzuverlässigkeit<br />
berichtet haben." erklärt Isinha, ohne auf Ingalfs<br />
Frage näher einzugehen.<br />
"Ein gewagter Plan", meint Hesan<strong>de</strong>r. "Wir sollten<br />
uns nur überlegen, was wir tun, falls <strong>de</strong>r Statter auf
<strong>de</strong>n Gedanken kommt, dass vor unserem Besuch noch<br />
alles in Ordnung war und dass die Unruhe erst mit<br />
unserem Erscheinen begann", fügt er hinzu. "Im<br />
Zweifelsfall wird ein Holberker wohl eher einem Holberker<br />
glauben, das glaube ich aus <strong>de</strong>r letzten verächtlichen<br />
Äußerung <strong>de</strong>s Statters zu entnehmen", gibt er<br />
zu be<strong>de</strong>nken.<br />
"Dann lasse ich mich mal überraschen, wie du diese<br />
Einfaltspinsel überre<strong>de</strong>n willst, gegen ihr Oberhaupt<br />
vorzugehen", entgegnet Rovena <strong>de</strong>m Magier skeptisch.<br />
"Da die alle dösiger sind als <strong>de</strong>r Statter, sollten sie<br />
doch 'ner guten Lügengeschichte aufsitzen, das wohl!"<br />
meint Ingalf. 'Und im Geschichten erzählen is' doch<br />
unsere Hesan<strong>de</strong>r ein As. Hmm, nur so richtig gut sind<br />
die ja meist nich'!' fügt er noch in Gedanken hinzu.<br />
Dann fragt sie unvermittelt: "Hat <strong>de</strong>m Statter eigentlich<br />
schon jemand gesagt, dass Nahema hier war?"<br />
"Äh, gute Frage. Meinst Du, das macht einen Unterschied?"<br />
"Wenn auf <strong>de</strong>n Krinaks ein Zauber liegen sollte, <strong>de</strong>r<br />
sie krank macht, was glaubst du, von wem die Ro<strong>de</strong>ks<br />
diesen haben?" fragt sie zurück.<br />
"Gutes Argument. Aber warum sollte Nahema sich<br />
mit einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Sippen verbün<strong>de</strong>n, wenn sie alles<br />
auch allein hinbekäme. Sie bräuchte sich nicht mit<br />
diesen <strong>de</strong>generieren<strong>de</strong>n Wesen abzugeben." grübelt<br />
<strong>de</strong>r Magier.<br />
"Was ist, wenn die Krankheit dazu dient, <strong>de</strong>n Statter<br />
zu schwächen, ohne dass dieser einen Verdacht<br />
schöpft?" mischt sich Edric ein. Vielleicht versucht ja<br />
dieser schlaueste und gerissenste Holberker die Macht<br />
zu übernehmen und scheut die offenen Konfrontation."<br />
"Das ist doch <strong>de</strong>r Sinn dieser Krankheit", antwortet<br />
Rovena <strong>de</strong>m Hirten und wun<strong>de</strong>rt sich etwas über diesen<br />
Einwurf, <strong>de</strong>nn das ging ja aus <strong>de</strong>m Stadtherrenbuch<br />
hervor.<br />
"Ich versteh's einfach nicht. Das ergibt gar keinen<br />
Sinn. Und wenn doch, sehe ich ihn nicht." murmelt<br />
Isinha vor sich hin.<br />
Rovena schaut Elgar erstaunt an. "Denk doch an die<br />
Einträge im Stadtherrenbuch. Nahema hat hier ihre<br />
Finger im Spiel, da bin ich mir sicher. Sie sagte selber,<br />
dass sie ab und zu vorbeischaut, und zufällig war sie<br />
gera<strong>de</strong> da, ohne dass die Wachen <strong>de</strong>r Burg davon<br />
wussten. Und glaub doch nicht, dass sie nicht an <strong>de</strong>n<br />
unermesslichen Reichtümern <strong>de</strong>s Orkenhorts interessiert<br />
ist, <strong>de</strong>n die Krinaks bewachen, wohl ohne davon<br />
zu wissen. Schließlich hat sie es sich ja auch bezahlen<br />
lassen, dass <strong>de</strong>n ehemaligen Bewohnern dieser Stadt<br />
Kin<strong>de</strong>r geboren wur<strong>de</strong>n. Ich wüsste nur zu gern, wer<br />
diesen Hort hier angelegt hat." Nach<strong>de</strong>nklich runzelt<br />
sie ihre Stirn.<br />
453<br />
Mit leicht sarkastischem Ton antwortet <strong>de</strong>r Magier:<br />
"Lass mich nach<strong>de</strong>nken - es heißt Orkenhort … gibt<br />
uns das eventuell einen Hinweis?"<br />
"Ja, <strong>de</strong>n Hinweis, dass <strong>de</strong>r Hort hier im Orkland zu<br />
fin<strong>de</strong>n ist", erwi<strong>de</strong>rt Rovena spitz.<br />
"Ist ja gut, krieg' Dich wie<strong>de</strong>r ein." beschwichtigt Isinha<br />
sie.<br />
Rovena schnaubt leise. "Ich hatte nicht vor, mich zu<br />
verlassen", antwortet sie ihm gefährlich ruhig, ihre<br />
smaragdgrünen Augen funkeln dabei lauernd.<br />
Undurchdringlich ist <strong>de</strong>r Blick, <strong>de</strong>n Isinha mit seinen<br />
Augen, durch welche die Farbe seines Blutes schimmert,<br />
<strong>de</strong>m ihren entgegen setzt.<br />
Diese junge Frau ist nicht die erste, die versucht, sich<br />
mit ihm durch Blickkontakt zu messen und bisher<br />
sind alle an seinen fremdartig wirken<strong>de</strong>n roten Augen<br />
mit <strong>de</strong>n farblosen Wimpern und Augenbrauen gescheitert.<br />
Trotzig erwi<strong>de</strong>rt Rovena diesen Blick. Nein, sie fürchtet<br />
seine Augen nicht und lässt sich durch die Fremdartigkeit<br />
nicht einschüchtern. Wenn es etwas an diesem<br />
Mann zu fürchten gibt, dann die Ungewissheit<br />
über seinen Charakter und seine Ansinnen. Sie wird<br />
die Warnungen ihrer Mutter nicht vergessen.<br />
"Verfügen Orks etwa über Magie o<strong>de</strong>r können mit<br />
Bäumen sprechen, um ihre Reichtümer so vor <strong>de</strong>m<br />
Zugriff an<strong>de</strong>rer zu schützen?"<br />
"Äh, ja. Ich habe gelesen, dass die Orken in ihren<br />
Stammesverbän<strong>de</strong>n leben, die ganz ähnlich <strong>de</strong>nen<br />
sein müssen, die in meiner Heimat existieren. Also<br />
haben sie bestimmt auch Schamanen o<strong>de</strong>r – entschuldige<br />
<strong>de</strong>n Ausdruck - Kräuterhexen. Irgendjemand, <strong>de</strong>r<br />
gelernt hat, die astrale Kraft zu nutzen und <strong>de</strong>r sich<br />
mit Pflanzen und <strong>de</strong>ren Wirkungsweisen auskennt.<br />
Und unsere Schamanen sprechen mit <strong>de</strong>n Bäumen<br />
und erhalten Antworten von ihnen." beharrt <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Du vergleichst <strong>de</strong>inen Stamm also mit einer Sippe<br />
<strong>de</strong>r Schwarzpelzen?" Sie schüttelt ungläubig <strong>de</strong>n<br />
Kopf.<br />
"Nein, kein Vergleich." entgegnet Isinha entschie<strong>de</strong>n.<br />
"Nur Gemeinsamkeiten. Wir haben alle welche - so<br />
gering sie auch sein mögen."<br />
"Ihre Götter sind grausam, die Knochenkeulen ihrer<br />
Priester bringen Tod, Ver<strong>de</strong>rben und Zerstörung. Hast<br />
du hier Anzeichen einer Sippe <strong>de</strong>r Orks gesehen? Sie<br />
fürchten die Holberker und haben sich anscheinend<br />
von hier zurückgezogen. Nein, ich glaube nicht, dass<br />
ein Ritual eines Orken-Priesters diese Bäume beherrscht."<br />
"Das ist nicht richtig, sie sind nicht grausam!" behauptet<br />
Edric. Er ist davon überzeugt, dass keiner <strong>de</strong>r Anwesen<strong>de</strong>n<br />
die Orks so kennt wie er. Sicherlich haben
sie grausame Götter und Rituale, aber haben das nicht<br />
die Menschen auch? Dennoch hat er es geschafft, sogar<br />
Han<strong>de</strong>l mit ihnen zu treiben! Er kennt sie an<strong>de</strong>rs<br />
als alle an<strong>de</strong>ren sie sehen.<br />
"Wie das Mittelreich in meiner Heimat und die<br />
Praiospriester bei <strong>de</strong>n Hexen, wo, oh Schönheit <strong>de</strong>r<br />
Nacht, willst Du <strong>de</strong>n Maßstab setzen?" Verbitterung<br />
klingt aus <strong>de</strong>r Stimme <strong>de</strong>s Araniers während er beim<br />
Sprechen zu Bo<strong>de</strong>n schaut.<br />
"Fragt eure Götter, nicht mich", antwortet Rovena verbittert.<br />
"Satuaria verlangt es nicht nach Unterwerfung."<br />
Eindringlich schaut sie <strong>de</strong>n Magier an. "Dunkle Magie<br />
soll es sein, die hier wirkt, wie die Stadthalter geschrieben<br />
haben."<br />
"Außer<strong>de</strong>m ist Magie nicht dunkel; allenfalls <strong>de</strong>r Wille,<br />
<strong>de</strong>r ihrer Anwendung zugrun<strong>de</strong> liegt, mag <strong>de</strong>n rechten<br />
Pfad verlassen und so von uns als dunkel empfun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n." fügt Isinha hinzu.<br />
"Die Auslegung, was <strong>de</strong>nn nun <strong>de</strong>r rechte Pfad sein<br />
soll, ist sehr weit gefasst", hält die Hexe dagegen.<br />
"Sonst müssten wir nicht um unser Leben fürchten."<br />
Ihr selber ist wohl bekannt, welchen Scha<strong>de</strong>n die Flüche<br />
<strong>de</strong>r Töchter Satuarias anrichten können, und dieses<br />
Volk scheint unter etwas ähnlichem zu lei<strong>de</strong>n und<br />
davon beherrscht zu wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn Unfruchtbarkeit<br />
und <strong>de</strong>r Tod durch <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>r Lebenskraft sind<br />
ihr nicht unbekannt. Wenn sie nicht wüsste, dass Nahema<br />
keine Hexe ist … doch woher sollte diese Zauberin<br />
die Geheimnisse <strong>de</strong>r Hexen kennen? Besorgt<br />
runzelt sie die Stirn.<br />
"Sag, Weiser <strong>de</strong>r astralen Künste, besitzt Du nicht die<br />
Möglichkeit, Kraft Deines Willens Wesen zu leiten?<br />
Wäre das eine Möglichkeit, eine Wache auf unsere Seite<br />
zu ziehen?"<br />
"Das hat er eben ange<strong>de</strong>utet", bemerkt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Falls es klappt, gebührt ihm sicherlich Respekt. Falls<br />
nicht, wäre es vielleicht angebracht, das weitere Vorgehen<br />
besser abzustimmen, bevor sich jemand <strong>de</strong>n<br />
Mund verbrennt."<br />
Bei Hesan<strong>de</strong>rs letzter Wortwahl verzieht Rovena für<br />
einen Wimpernschlag hasserfüllt ihren hübschen<br />
Mund. Soll <strong>de</strong>r Magier ruhig zeigen, was er kann. Sie<br />
muss nicht zwingend mehr über ihre Fähigkeiten<br />
preisgeben als nötig, ihr wür<strong>de</strong> es sicher eher zum<br />
Scha<strong>de</strong>n gewertet.<br />
"Gar kein Problem!" antwortet Isinha <strong>de</strong>m Geweihten<br />
bissig. "Wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches. Das<br />
ist mir durchaus bewusst." erwi<strong>de</strong>rt Isinha.<br />
"Aber wenn du meinst, dass die Anwesenheit <strong>de</strong>r Zauberin<br />
<strong>de</strong>n Statter nicht interessiert, müssen wir sie<br />
auch nicht erwähnen. Du solltest dir die erkrankten<br />
Krinaks jedoch mal ansehen, und wenn du kannst,<br />
mir sagen, ob du Einflüsse von Magie an ihnen fest-<br />
454<br />
stellen kannst." Sie bedauert es schon wie<strong>de</strong>r, über diese<br />
Art <strong>de</strong>r Hellsicht nicht zu verfügen.<br />
"Nein, nicht dass <strong>de</strong>r Statter nicht interessiert wäre.<br />
Vielmehr wäre es nur interessant, wenn uns weiterhilft,<br />
dass <strong>de</strong>n Statter die Anwesenheit Nahemas nicht<br />
bekannt ist." Dann fährt er etwas weniger streitbar<br />
fort: "Ich sehe mir gern eines <strong>de</strong>r kranken Exemplare<br />
an. Wir haben gestern keinen 'untersuchen' können.<br />
Auch wenn Hesan<strong>de</strong>r prächtig war, als er einen Praioten<br />
…" er verstummt plötzlich, als ihm bewusst wird,<br />
dass dieses Thema für Rovena möglicherweise heikel<br />
ist.<br />
Misstrauisch schaut Rovena zu Hesan<strong>de</strong>r hinüber.<br />
"Wir verschweigen <strong>de</strong>m Statter also Nahemas Besuch,<br />
gut", meint sie. "Mehr wollte ich auch nicht wissen."<br />
Ihr gefällt nicht, was Elgar vorhat. Zu leicht kann das<br />
Vorhaben auffliegen, und die Holberker mit ihrem orkischen<br />
Aussehen und ihrem grausamen Sippenstreit<br />
sind ihr ganz und gar nicht geheuer.<br />
"Aber um auf die Überredung eines Holberkers zurück<br />
zu kommen. Ich kenne einen Zauber elfischen Ursprungs,<br />
<strong>de</strong>r das 'Opfer' glauben lässt, ich wäre sein<br />
bester Freund. Zwar bin ich weit davon entfernt, <strong>de</strong>n<br />
Spruch zu beherrschen, aber einen Versuch wäre es<br />
wert. Zumal mir die Holberker so vorkommen, als wären<br />
sie magischer Bewusstseinsbeeinflussung gegenüber<br />
eher - äh - 'aufgeschlossen'."<br />
Er kratzt sich am Kopf: "Und was soll eine so mächtige<br />
Zauberin wie Nahema sich mit weltlichen Reichtümern,<br />
Gold und E<strong>de</strong>lsteinen, belasten. Entwe<strong>de</strong>r sind<br />
die Holberker ihre Freizeitbeschäftigung o<strong>de</strong>r ein Forschungsprojekt<br />
für Metabiologie. An<strong>de</strong>rerseits könnte<br />
<strong>de</strong>r Hort auch weltliches und magisches Wissen im<br />
Überfluss bieten. Dann wären die Holberker die perfekten<br />
Wächter." überlegt er weiter.<br />
'Stimmt! Die sind soo blöd, die wissen gar nich' auf<br />
was sie aufpassen …'<br />
"Dann hätte sie damals für ihre Hilfe auch keine Dukaten<br />
von ihnen verlangen brauchen." Rovena bleibt<br />
stur und zuckt mit <strong>de</strong>n Achseln.<br />
"Weil man von seichten Geistern immer etwas verlangen<br />
sollte - auch wenn man es nicht braucht. Von Alters<br />
her wird getauscht. Und wenn Du nur gibst, aber<br />
nichts nimmst, bist Du verdächtig. Ganz einfach."<br />
"Und auch ein Magier muss von irgendwas leben und<br />
das muss er bezahlen, das wohl!" meint auch <strong>de</strong>r<br />
Thorwaler.<br />
Die Hexe stößt ein leises Lachen aus. "Mir kamen die<br />
Begrün<strong>de</strong>r dieser Stadt nicht wie seichte Geister vor",<br />
wen<strong>de</strong>t sie ein. "Dazu hat Nahema sie erst mit ihrer<br />
dunklen Magie gemacht, vergiss das nicht."<br />
"Zugegeben. Aber sogar die Norbar<strong>de</strong>n und Bewohner<br />
<strong>de</strong>r glühen<strong>de</strong>n Khom, bei<strong>de</strong>s keine Völker seichten<br />
Gemüts, sind durch ihren Trieb zum Han<strong>de</strong>l bei <strong>de</strong>r
objektiven Betrachtung von gegenseitigem Geben und<br />
Nehmen, hier also nur <strong>de</strong>m Geben, ihrer engen Sichtweise<br />
unterworfen. Auch bei ihnen wirst Du dieses<br />
Misstrauen fin<strong>de</strong>n, wenn Du ihnen etwas - für sie<br />
wertvolles - bietest, aber nicht etwas dafür verlangst.<br />
Wenn es wirklich so etwas wie eine Seele geben sollte,<br />
dann die Krämerseele." erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier. "Aber wir<br />
dürfen uns im Moment nicht <strong>de</strong>r Diskussion über diese<br />
Dinge hingeben, son<strong>de</strong>rn das vor uns liegen<strong>de</strong> Problem<br />
angehen."<br />
"Erinnere dich, dass die Vorfahren dieses Volkes <strong>de</strong>reinst<br />
Elfen gewesen sein müssen", erwi<strong>de</strong>rt Rovena<br />
unnachgiebig. "Doch sei's drum, mit letzterem hast du<br />
recht. Da wir hier nun herausgeworfen wor<strong>de</strong>n sind,<br />
will ich gleich nach <strong>de</strong>m erkrankten Holberker-Paar<br />
sehen und mich nach ihrem Befin<strong>de</strong>n erkundigen. Begleitest<br />
du mich und prüfst meinen Verdacht?" Sie<br />
wirft <strong>de</strong>m Magier einen fragen<strong>de</strong>n Blick zu.<br />
"So sei es." erwi<strong>de</strong>rt Isinha, während sich ein Lächeln<br />
auf seine Züge schleicht. Ja, das Streiten mit dieser<br />
klugen Frau ist wesentlich zivilisierter, als die stets von<br />
Glaubensfragen durchsetzten Gespräche mit <strong>de</strong>m Geweihten.<br />
Mit einem Blick in die Run<strong>de</strong> fragt er: "Wollt ihr in<br />
<strong>de</strong>r Zwischenzeit prüfen, ob ihr nicht auch so - jetzt -<br />
an <strong>de</strong>n Altar herankommt? Vielleicht gibt es auch ein<br />
Abwassernetz, durch das man in die Burg eindringen<br />
kann."<br />
Dann wen<strong>de</strong>t er sich wie<strong>de</strong>r Rovena zu: "Komm, lass<br />
uns gehen. Mich hält nichts mehr in diesen Mauern.<br />
Und wenigstens brauche ich nun nicht mehr freundlich<br />
zu <strong>de</strong>n Holköp… äh …berkern sein."<br />
Rovena nickt und schmunzelt darüber, was <strong>de</strong>r Magier<br />
als freundlich sein bezeichnet, wird aber gleich wie<strong>de</strong>r<br />
ernst. "Wir müssen uns noch nach einer Unterkunft<br />
umschauen. Ich wür<strong>de</strong> doch vorschlagen, wir versuchen,<br />
Bekanntschaft mit <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>k-Sippe zu machen,<br />
vielleicht können die uns weiterhelfen, was diesen<br />
Daimon betrifft, und was es mit <strong>de</strong>n springen<strong>de</strong>n Eiche<br />
auf sich hat."<br />
Gemeinsam mit Rovena verlässt <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n Speisesaal<br />
und folgt ihr in Richtung <strong>de</strong>s ihm unbekannten<br />
Hauses im Nor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stadt.<br />
"Ich biete Euch bei<strong>de</strong>n Wissen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Macht wie<strong>de</strong>r<br />
meinen Waffenarm an und wer<strong>de</strong> Euch begleiten."<br />
Mit einer leichten Verbeugung zu <strong>de</strong>n Verbleiben<strong>de</strong>n<br />
folgt <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n.<br />
"Bevor die an<strong>de</strong>ren über Bord gehen, passen wir wohl<br />
besser auf sie auf", meint Ingalf zu Edric und erhebt<br />
sich. Er und Kawi schließen sich an. Wo sollen sie<br />
auch sonst hin?<br />
"Das wollte ich auch gera<strong>de</strong> sagen", lacht Edric auf.<br />
455<br />
Vor <strong>de</strong>r Tür warten zwei Holberker-Wachen. "Ihr<br />
müsst alle zusammen gehen!" wer<strong>de</strong>n Rovena und Isinha<br />
aufgehalten.<br />
"Halt die Füße still, o<strong>de</strong>r Du hast die nächsten Monate<br />
dienstfrei wegen Dienstuntauglichkeit!" faucht <strong>de</strong>r<br />
Magier zurück. "Wir gehen, wir bleiben weg und die<br />
an<strong>de</strong>ren folgen, sobald sie aufgegessen haben. Befehl<br />
vom Statter." Dann schickt er sich an, <strong>de</strong>n ihm bekannten<br />
Weg aus <strong>de</strong>r Burg heraus zu beschreiten.<br />
"Ihr geht nur zusammen!" Mit einem Zischen verlassen<br />
die Schwerter <strong>de</strong>r Wachen ihre Schei<strong>de</strong>n.<br />
Erschrocken stößt Rovena einen Laut aus und weicht<br />
einen Schritt zurück. Blitzschnell wickelt sie eines ihrer<br />
blauschwarzen Haare zu einem Knoten um ihren<br />
Finger. "Wagt es nicht, eure Klingen gegen uns zu erheben",<br />
faucht sie die Holberker warnend an. "Das<br />
Zeichen fin<strong>de</strong>t sich wohl noch nicht an euren Häusern?"<br />
Die Holberker lassen sich nicht einschüchtern. "Befehl<br />
<strong>de</strong>s Statters ist Befehl <strong>de</strong>s Statters."<br />
Entspannt stützt sich <strong>de</strong>r Magier auf seinen Stab.<br />
Freundlich antwortet er auf die harschen Worte: "Erstens:<br />
Wir sind zusammen. Zweitens: Ihr missachtet<br />
einen direkten Befehl <strong>de</strong>s Statters, wenn ihr uns hier<br />
aufhaltet. Nein, wartet, es sind sogar zwei direkte Befehle!<br />
Aber wenn ihr darauf besteht …" kumpelhaft<br />
schlägt er <strong>de</strong>m ersten Holberker auf die Schulter und<br />
will die Hand dann dort wie zufällig liegen lassen.<br />
Aber die Wache springt zurück. Der an<strong>de</strong>re, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong><br />
Rovena geantwortet hat, tut es ihm reflexartig gleich.<br />
"Fass' mich nicht an!" faucht <strong>de</strong>r erste.<br />
In diesem Moment zieht <strong>de</strong>r Krieger seinen Waqqif<br />
und stellt sich neben <strong>de</strong>n Magier.<br />
Das ist <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Wachen zu viel. Sie drehen sich<br />
um und laufen weg.<br />
Verdutzt sieht <strong>de</strong>r Magier erst Melachath, dann Rovena<br />
an. "Was bitte war das <strong>de</strong>nn?" Aber schnell fängt er<br />
sich wie<strong>de</strong>r.<br />
"Warum laufen die <strong>de</strong>n weg? Es fing doch gera<strong>de</strong> an<br />
interessant zu wer<strong>de</strong>n, das wohl!" meint Ingalf mit<br />
breitem Grinsen. "Ich hab' doch noch nicht mal die<br />
Orknase raus geholt!"<br />
"Das ist unsere Chance, nach <strong>de</strong>m Altar zu suchen,<br />
los! Bevor sie Verstärkung holen!" schlägt Isinha vor.<br />
"Wohin?" ist alles, was Rovena nun wissen will. Sie<br />
schaut sich nach <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren um.<br />
"Das war Hesan<strong>de</strong>rs Teil <strong>de</strong>s Plans." enthüllt ihr <strong>de</strong>r<br />
Magier ebenso kurz.<br />
"Für gewöhnlich befin<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>rartige Kulte in <strong>de</strong>n<br />
Gewölben einer Burg, wo sie nicht so schnell gefun<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Gab es nicht auf unserem<br />
Weg durch die Burg einen Weg nach unten? Eine<br />
Treppe o<strong>de</strong>r ähnliches? Lasst uns danach suchen und
dann in <strong>de</strong>n Gewölben nachsehen", antwortet Hesan<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r unbemerkt aus <strong>de</strong>m Speisesaal zu ihnen getreten<br />
ist.<br />
'Ein Gewölbe? Da gibt es vielleicht auch 'n bisschen<br />
was zu trinken, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf.<br />
Eine Treppe nach unten war <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n bislang nicht<br />
aufgefallen. Erst einmal begeben sie sich ins Erdgeschoss.<br />
Noch bevor eine systematische Suche in Gang<br />
kommt, erscheint <strong>de</strong>r Statter gefolgt von sechs Holberkerwachen<br />
mit gezogenen Schwertern.<br />
"So, ihr verlasst jetzt die Burg, unverschämte Menschen.<br />
Ihr seid heute in <strong>de</strong>r Stadt frei, aber nur heute.<br />
Morgen müsst ihr die Stadt verlassen", gibt <strong>de</strong>r Statter<br />
seine Entscheidung bekannt.<br />
"Danke, wir sind geneigt, über Dein Angebot nachzu<strong>de</strong>nken."<br />
gibt <strong>de</strong>r Magier bekannt. "Aber nach<strong>de</strong>m erst<br />
die bei<strong>de</strong>n Wachen vor <strong>de</strong>m Speisesaal uns nicht haben<br />
gehen lassen, nur um dann wegzulaufen, anstatt<br />
uns hinaus zu begleiten, lässt die Gastfreundschaft<br />
hier doch sehr zu wünschen übrig." Isinhas Ton ist<br />
leicht herablassend gewor<strong>de</strong>n. Schließlich haben sie<br />
nichts mehr zu verlieren.<br />
"Ach ja, bevor ich es vergesse." fügt Isinha noch hinzu,<br />
als er sich zum Gehen wen<strong>de</strong>n will. "Eins noch: Wieso<br />
hast Du uns nicht gesagt, dass unsere Freundin Nahema<br />
hier gewesen ist. Wenn wir sie nicht zufällig gestern<br />
hier getroffen hätten … na ja. Du bist ein viel beschäftigter<br />
Mann. Wahrscheinlich hast Du es über<br />
Deinen Vorbereitungen vergessen."<br />
"Nahema?" fragt <strong>de</strong>r Statter nach. "Wer ist <strong>de</strong>nn das?"<br />
'Die sind ja echt blöd - so tun geht ja nich', das wohl!'<br />
Ingalf schüttelt nur <strong>de</strong>n Kopf.<br />
Im ersten Moment ist <strong>de</strong>r Magier versucht, <strong>de</strong>n Statter<br />
darüber aufzuklären, dass wohl Nahema diejenige ist,<br />
die für die Probleme und die Krankheit verantwortlich<br />
sein dürfte. Statt <strong>de</strong>ssen umschreibt er es: "Nahema ist<br />
diejenige, die dafür gesorgt hat, dass ihr heute die seid,<br />
die ihr seid."<br />
'Ach!' <strong>de</strong>nkt sich Rovena und schaut Elgar erstaunt an.<br />
'Jetzt also doch auf einmal.'<br />
"Schon wie<strong>de</strong>r irgendwelche wil<strong>de</strong>n Behauptungen!<br />
Geht mir aus <strong>de</strong>n Augen!" schreit <strong>de</strong>r Statter.<br />
"Ganz ruhig! Du hast mich gefragt, ich habe höflich<br />
geantwortet." erwi<strong>de</strong>rt Isinha. "Kein Grund, sich so<br />
aufzuregen."<br />
Der Statter sagt gar nichts mehr, son<strong>de</strong>rn gibt seinen<br />
Wachen nur ein Zeichen. Die sechs eskortieren die<br />
Hel<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r Burg.<br />
"Das Glück und die Gunst Phex und Hesin<strong>de</strong>s mögen<br />
zwar mit <strong>de</strong>n Mutigen und Listigen sein aber eben<br />
auch mit <strong>de</strong>n Besonnenen, und nicht mit <strong>de</strong>nen, die<br />
ihr Glück herausfor<strong>de</strong>rn", meint Hesan<strong>de</strong>r in ruhigem<br />
Ton, während sie gemeinsam die Burg verlassen.<br />
456<br />
"Falls das, was wir suchen, in <strong>de</strong>r Burg ist, hoffe ich<br />
nur, es gibt einen Eingang von außen."<br />
Mit einem Blick an Elgar gerichtet: "Borongefälliges<br />
Schweigen, welches Ihr Euch von mir bisweilen<br />
wünscht, in Verbindung mit einem rechten Maß an<br />
Demut kann zur rechten Zeit mehr bewirken …"<br />
Zur Antwort erhält <strong>de</strong>r Geweihte von Isinha borongefälliges<br />
Schweigen.<br />
Allerdings kommt es ihm kurz darauf eher so vor, als<br />
sei er vom Magier einfach ignoriert wor<strong>de</strong>n.<br />
Als die Gefährten draußen sind, meint er: "Da uns <strong>de</strong>r<br />
Statter rausgeschmissen hat, wollen wir uns noch um<br />
die Kranken kümmern, o<strong>de</strong>r beschäftigen wir uns lieber<br />
mit <strong>de</strong>m Orkenhort und <strong>de</strong>m gewitzten Bewohner?<br />
Und das ist nicht <strong>de</strong>r tumbe Statter, bei Swafnir!"<br />
"Tja, da wir morgen erst die Stadt verlassen müssen,<br />
bleiben uns ca. 36 Stun<strong>de</strong>n, hier weitere Erkundigungen<br />
einzuholen." stellt <strong>de</strong>r Magier fest. "Wir sollten<br />
uns erneut trennen. Ich wer<strong>de</strong> mit Rovena die kranke<br />
Holberkerfamilie aufsuchen. Ihr an<strong>de</strong>ren könnten<br />
noch einmal in Gruppen die Stadt durchstreifen. Vielleicht<br />
haben wir gestern etwas übersehen."<br />
Das ist natürlich leicht möglich, da die Gruppe bislang<br />
nur einen Teil <strong>de</strong>r Stadt gesehen hat.<br />
"Gut", stimmt Rovena zu und rückt ihre Beutel zurecht.<br />
"Zuerst zum Haus <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kranken und<br />
dann suchen wir hier eine Familie aus <strong>de</strong>r Sippe <strong>de</strong>r<br />
Ro<strong>de</strong>ks auf. Vielleicht fin<strong>de</strong>n wir unter ihnen Verbün<strong>de</strong>te<br />
für unsere Sache."<br />
Edric weiß gar nicht genau, wonach er nun Ausschau<br />
halten soll. Er hat keine Vorstellung, wie eine Kultstätte<br />
aussehen soll, kennt er doch nur die <strong>de</strong>r Priester in<br />
<strong>de</strong>m Wüstenkloster. Die war jedoch so groß, dass vermutlich<br />
<strong>de</strong>r Palast darin Platz hätte …<br />
Der Krankenbesuch von Rovena und<br />
Isinha<br />
Als er mit <strong>de</strong>r Hexe zu <strong>de</strong>r kranken Familie unterwegs<br />
ist, bricht Isinha schließlich das Schweigen: "Ich wollte<br />
es wenigstens versuchen." beginnt er. "Und so ganz<br />
abwegig war die Sache mit Nahema dann auch wie<strong>de</strong>r<br />
nicht." Er sieht Rovena kurz von <strong>de</strong>r Seite her an,<br />
während die bei<strong>de</strong>n nebeneinan<strong>de</strong>r her gehen.<br />
"Es war gut, dass du sie zur Sprache gebracht hast",<br />
antwortet die junge Frau versöhnlich. "Nun wissen<br />
wir, dass die Krinaks nichts über ihre Aufenthalte hier<br />
wissen. Ich glaube wirklich, dass Nahema mit <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks<br />
zusammenarbeitet und ihnen einen Zauber verkauft<br />
hat, <strong>de</strong>r die herrschen<strong>de</strong>n Krinaks krank macht.<br />
Ich wer<strong>de</strong> es wissen, wenn du die kranke Holberkerfrau<br />
auf magische Einflüsse untersucht hast. Wenn es<br />
so ist, steht dieser Zauber in Verbindung mit <strong>de</strong>m<br />
Symbol <strong>de</strong>r Ratte, fast wie ein Fluch scheint er übertragen<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Ich wüsste nur zu gerne, wie sie auf
dieses Symbol kommen. Und warum uns <strong>de</strong>r Statter<br />
nichts zu seinen Göttern sagen wollte. Was verbirgt er<br />
in <strong>de</strong>r Burg und wer ist dieser Daimon, von <strong>de</strong>m sich<br />
die ersten Bewohner verflucht fühlten und <strong>de</strong>m sie<br />
<strong>de</strong>nnoch einen Altar erbauten …" Diese Gedanken<br />
spinnend schreitet sie an seiner Seite durch die Straßen<br />
<strong>de</strong>r Stadt.<br />
"Nur mal so ins Unreine formuliert," überlegt Isinha<br />
laut, "was ist, wenn Nahema für die Holberker als<br />
'Daimon' aufgetreten ist. Man munkelt, dass sie mehrere<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rte alt sein soll. Aber das kann warten."<br />
fügt er nach kurzem Nach<strong>de</strong>nken hinzu. "An eine<br />
magisch übertragene Krankheit glaube ich eigentlich<br />
nicht. Auch einen magischen Zusammenhang zwischen<br />
<strong>de</strong>m Rattensymbol und <strong>de</strong>r Erkrankung sehe<br />
ich nicht. Eher kann ich mir vorstellen, dass irgendwer<br />
<strong>de</strong>s Nachts mit einem Farbtopf herum läuft und die<br />
Zeichen an die Wand malt. Da wir heute Nacht nicht<br />
in <strong>de</strong>r Burg schlafen müssen, haben wir genug Möglichkeiten,<br />
das zu ergrün<strong>de</strong>n." fährt er fort.<br />
"Lass uns <strong>de</strong>ine Untersuchung abwarten", erwi<strong>de</strong>rt<br />
Rovena. "Die Auswirkungen dieser Erkrankung sind<br />
äußerst rätselhaft und nicht mit <strong>de</strong>n üblichen Krankheiten<br />
zu vergleichen. Auch solltest du nicht vergessen,<br />
was in <strong>de</strong>m Buch stand, dass die Ro<strong>de</strong>ks von<br />
einen gefährlichen Zauber gegen die Krinaks wussten.<br />
Und es stand dort auch, dass sie die rote Ratten an die<br />
Häuser gemalt haben, woraufhin die Krinaks krank<br />
gewor<strong>de</strong>n sind. Ich <strong>de</strong>nke ebenfalls, dass jemand mit<br />
einem Topf dieser roten Farbe durch die Straßen zieht,<br />
nur glaube ich nicht, dass es sich um eine gewöhnliche<br />
han<strong>de</strong>lt."<br />
Ein nach<strong>de</strong>nkliches Nicken <strong>de</strong>s Magiers ist seine einzige<br />
Antwort.<br />
Unbehelligt erreichen Rovena und Isinha das Haus<br />
<strong>de</strong>s gestrigen Krankenbesuches.<br />
Interessiert betrachtet Isinha zunächst das am Haus<br />
befindliche Rattensymbol genauer. Dann sieht er zum<br />
Vergleich die Symbole <strong>de</strong>r nächsten bei<strong>de</strong>n - betroffenen<br />
- Häuser ebenso eindringlich an, ob die Symbole<br />
i<strong>de</strong>ntisch sind o<strong>de</strong>r doch gewisse, eine künstlerische<br />
Freiheit bezeichnen<strong>de</strong>, Abweichung aufweisen.<br />
Während Elgar das Zeichen studiert, geht Rovena zur<br />
Tür, klopft an und versucht, ohne eine Einladung abzuwarten,<br />
diese zu öffnen und einzutreten.<br />
Hinter <strong>de</strong>r Tür ist niemand.<br />
Es sind auch keine signifikanten Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />
<strong>de</strong>n Symbolen festzustellen.<br />
'Eigenartig.' wun<strong>de</strong>rt Isinha sich. 'Wenn sie aufgemalt<br />
wor<strong>de</strong>n sind, ist <strong>de</strong>r Maler entwe<strong>de</strong>r ein guter Künstler<br />
o<strong>de</strong>r er verwen<strong>de</strong>t eine Schablone, die er einfach mit<br />
einem groben Pinsel überstreicht.' Mit diesen Gedanken<br />
wen<strong>de</strong>t er sich ab und folgt Rovena in das Haus,<br />
um sich die kranke Holberkerfrau anzusehen.<br />
457<br />
Suchend schaut sich die junge Frau um, geht ohne<br />
Umschweife zu <strong>de</strong>m Vorhang, hinter <strong>de</strong>m sich das Lager<br />
<strong>de</strong>r kranken Holberkerin befin<strong>de</strong>t und schlägt ihn<br />
zur Seite, in Erwartung, die Kranke dort liegend vorzufin<strong>de</strong>n.<br />
Rovenas Erwartung wird erfüllt. Mit einem dankbaren<br />
Lächeln schaut sieht Rovena an.<br />
Erfreut bemerkt die Hexe, dass es <strong>de</strong>r Holberkerin<br />
besser zu gehen scheint, wie ihr <strong>de</strong>ren wacher Blick<br />
zeigt. Sie schenkt <strong>de</strong>r Erkrankten ein freundliches Lächeln.<br />
Isinha, <strong>de</strong>r Rovena gefolgt ist, schiebt sich jetzt sachte<br />
an ihr vorbei und spricht beruhigend auf die Holberkerin<br />
ein: "Ich grüße Dich. Meine Freundin hier" - er<br />
wechselt einen kurzen Blick mit Rovena - "hat mich<br />
gebeten, nach Dir zu sehen. Sei unbesorgt, es wird<br />
nicht weh tun." verspricht ihr <strong>de</strong>r Magier und untersucht<br />
die Kranke.<br />
Etwas besorgt über die forsche Art Elgars macht Rovena<br />
ihm <strong>de</strong>nnoch Platz. Hoffentlich schüchtert er die<br />
kranke Holberkerin nicht unnötig ein …<br />
Angstvoll lässt die Holberkerin die Untersuchung<br />
über sich ergehen. Isinha kommt zu <strong>de</strong>n gleichen Ergebnissen<br />
wie Rovena: Die Symptome lassen sich keiner<br />
ihm bekannten Krankheit zuordnen. Ein Fluch<br />
o<strong>de</strong>r ähnliches könnte sie aber erklären.<br />
Aufmerksam beobachtet <strong>de</strong>r Magier die Holberkerin<br />
und murmelt einen .<br />
Und seine Vermutung bestätigt sich. Die Holberkerin<br />
zeigt ein schwaches magisches Glühen.<br />
Um die Kranke nicht weiter zu beunruhigen, legt er<br />
ihr sanft die Hand auf die Schulter: "Alles wird gut."<br />
Dann be<strong>de</strong>utet er Rovena mit einem Kopfnicken, sich<br />
ein wenig abseits zu begeben. "Wir sind gleich wie<strong>de</strong>r<br />
da." verspricht er und zieht hinter sich <strong>de</strong>n Vorhang<br />
zu.<br />
Außerhalb <strong>de</strong>r Hörweite <strong>de</strong>r Holberkerin flüstert er<br />
Rovena zu: "Du hattest Recht, die 'Krankheit' scheint<br />
magischer Natur zu sein. Allerdings zweifle ich daran,<br />
dass es tatsächlich eine Krankheit ist. Wahrscheinlicher<br />
sehe ich es als Auswirkung eines Zaubers, sonst<br />
wäre es wohl sehr ansteckend und nicht nur auf die<br />
eine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Holberker-Sippen beschränkbar."<br />
Rovena schaut <strong>de</strong>n Magier einen Moment nach<strong>de</strong>nklich<br />
an. 'Was darf ich ihm erzählen, ohne zu viel zu<br />
verraten?' überlegt sie fieberhaft. "Habe ich es mir<br />
doch gedacht", antwortet sie ihm endlich. "Das Zeichen<br />
überträgt bestimmt einen Zauber, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Betroffenen<br />
die Lebenskraft entzieht."<br />
Sie vermei<strong>de</strong>t es, ihm zu erzählen, dass dieser Fluch<br />
eine Gabe an die Töchter Satuarias ist, mit <strong>de</strong>r sie sich<br />
recht erfolgreich zur Wehr setzen können. Doch woher<br />
ist Nahema diese Kunst bekannt? Hat sie etwa<br />
eine ihrer Schwestern …? Sie mag <strong>de</strong>n Gedanken gar
nicht weiter spinnen, entsetzt presst sie die Lippen zusammen.<br />
"Wenn das stimmt, ergeben sich zwei Möglichkeiten.<br />
Und keine von bei<strong>de</strong>n gefällt mir." antwortet <strong>de</strong>r Magier<br />
grimmig. "Entwe<strong>de</strong>r ist die Farbe ein Zeichen,<br />
dass einen umher streifen<strong>de</strong>n Dämon anzieht und die<br />
Hausbewohner mit <strong>de</strong>r magischen Krankheit infizieren<br />
lässt. O<strong>de</strong>r es ist eine Art magische Farbe, die als<br />
Ingredienz <strong>de</strong>s Zaubers wirkt und die Opfer<br />
'markiert'." Er überlegt, kratzt das nach wie vor bartlose<br />
Kinn. Schließlich hat er einen Einfall. "Komm, lass<br />
uns die Kranke hier herausbringen. Dann wer<strong>de</strong>n wir<br />
sehen, ob <strong>de</strong>r magische Einfluss abnimmt und sie<br />
schließlich mit Hilfe von Kräutern und Ruhe wie<strong>de</strong>r<br />
gesun<strong>de</strong>t."<br />
"Und wo willst du sie hinbringen?" entgegnet Rovena.<br />
"Du weißt doch auch gar nicht, ob sie überhaupt mitgehen<br />
wird. Wenn es das ist, was ich vermute, steckt<br />
kein Dämon dahinter, son<strong>de</strong>rn sie wur<strong>de</strong> durch das<br />
Zeichen mit einem …" die Hexe beißt sich auf die<br />
Lippen, "… Zauber belegt. Mein Tee hat ihr die Kraft<br />
gegeben, ihm zu wi<strong>de</strong>rstehen. Doch wie lange die<br />
Wirkung anhalten wird …" Sie schaut betreten zu Bo<strong>de</strong>n<br />
und fügt leise hinzu. "Es gibt die Möglichkeit,<br />
diese Beherrschung zu brechen, doch ich kann es<br />
nicht …"<br />
Aufmerksam und mit wachsen<strong>de</strong>m Interesse hört <strong>de</strong>r<br />
Magier <strong>de</strong>n Ausführungen Rovenas zu. 'So so. Dann<br />
kann es also eine dritte Möglichkeit geben.' überlegt<br />
er, während er die Hexe betrachtet. Leise erwi<strong>de</strong>rt er:<br />
"Auch ich habe nicht in Perricum studiert. Es … überfor<strong>de</strong>rt<br />
mich ebenfalls, hier auf magischem Wege einzugreifen."<br />
gesteht er betreten. "Und selbst wenn Du<br />
ihr helfen könntest, sind hier noch immer ein paar<br />
hun<strong>de</strong>rt Holberker, <strong>de</strong>nen so nicht geholfen wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Wenn wir helfen wollen, müssen wir <strong>de</strong>n Auslöser<br />
<strong>de</strong>r Krankheit ergrün<strong>de</strong>n, die Motive dazu auf<strong>de</strong>cken,<br />
<strong>de</strong>n Verursacher entlarven und veranlassen, sein<br />
Tun zu über<strong>de</strong>nken und zu stoppen. Ach ja, und das<br />
alles in wenigen Stun<strong>de</strong>n."<br />
Isinha grinst sie freudlos an: "Hast Du danach noch<br />
was vor?"<br />
"Dahinter kann nur diese Zauberin stecken", platzt es<br />
zornig aus Rovena heraus. "Sie hat damals schon <strong>de</strong>n<br />
Ro<strong>de</strong>ks geholfen, ihre Unfruchtbarkeit zu überwin<strong>de</strong>n.<br />
Einer <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>ks wird die Zeichen an die Häuser<br />
machen, <strong>de</strong>n müssen wir fin<strong>de</strong>n. Und es muss jemand<br />
sein, <strong>de</strong>r ihr dafür Geld geben kann. Möglicherweise<br />
weiß dieser Jemand sogar, wie man an <strong>de</strong>n Springen<strong>de</strong>n<br />
Eichen vorbei an <strong>de</strong>n Orkenhort kommt." Sie<br />
starrt hinüber zu <strong>de</strong>m Vorhang. "Vielleicht kann uns<br />
diese kranke Holberkerin sagen, wer von <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks<br />
die Stadtherrenschaft übernehmen wird, wenn die<br />
Krinaks weniger wer<strong>de</strong>n. Das dürfte die von uns gesuchte<br />
Person sein."<br />
458<br />
Sie schaut Elgar an. "Gehen wir zu ihr und re<strong>de</strong>n mit<br />
ihr. Vielleicht kann sie uns auch sagen, wer dieser<br />
Daimon ist."<br />
Mit einem Nicken verkün<strong>de</strong>t Isinha sein Einverständnis<br />
und be<strong>de</strong>utet Rovena gleichzeitig, wie vorgeschlagen<br />
zu verfahren.<br />
"Gut", antwortet die Hexe auf seine wortlose Zustimmung.<br />
"Mache bitte das Feuer an und setze schon mal<br />
<strong>de</strong>n Kessel mit Wasser auf, ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Frau noch<br />
einen Tee anbieten, wenn sie bereit ist, meine Fragen<br />
zu beantworten."<br />
Isinha tut, wie ihm geheißen: Mit <strong>de</strong>m Stab als Fackel<br />
ist es ein Leichtes, das Feuer im Herd zu entfachen<br />
und Wasser ist auch noch im Kessel, das Ingalf gestern<br />
geholt hat. 'Das muss reichen.' <strong>de</strong>nkt <strong>de</strong>r Magier, <strong>de</strong>nn<br />
er wird Rovena hier unter keinen Umstän<strong>de</strong>n allein<br />
lassen, auch nicht für ein paar Minuten.<br />
Rovena schiebt <strong>de</strong>n Vorhang zur Seite und geht behutsam<br />
auf das Lager <strong>de</strong>r Holberkerin zu, auf <strong>de</strong>ssen<br />
Rand sie sich nie<strong>de</strong>rlässt. Suchend schaut sie sich um,<br />
zieht dann die Decke <strong>de</strong>r Kranken fürsorglich zurecht.<br />
"Der Tee hat dir sehr gut getan, das freut mich sehr",<br />
eröffnet sie die Unterhaltung freundlich mit einem gewinnen<strong>de</strong>n<br />
Lächeln. "Entschuldige, dass wir hier so<br />
unaufgefor<strong>de</strong>rt eingefallen sind. Mein Name ist Rovena,<br />
und mein Begleiter nennt sich Elgar."<br />
Bei <strong>de</strong>r Nennung seines Namens sieht er sich unwillkürlich<br />
um und zieht die Stirn kraus. 'Als ob ich mich<br />
so nennen wür<strong>de</strong> - pah! Der Name ist mir gegeben<br />
wor<strong>de</strong>n von Leuten, die … Ach, was soll's schon. Die<br />
Zeiten sind vorbei.' führt er seine Gedanken auf das<br />
Hier und Jetzt zurück.<br />
"Ich bin mit meinen Freun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Durchreise, da<br />
erfuhren wir von eurem Lei<strong>de</strong>n. Eine schlimme<br />
Krankheit, die dich heimgesucht hat. Ich bin nur froh,<br />
dass es dir durch <strong>de</strong>n Tee jetzt etwas besser geht. Wie<br />
heißt du <strong>de</strong>nn?" plau<strong>de</strong>rt sie drauflos.<br />
"Lara", antwortet die Frau schüchtern. "Wer<strong>de</strong> ich wie<strong>de</strong>r<br />
gesund?"<br />
"Das will ich doch hoffen, Lara", antwortet ihr Rovena<br />
zuversichtlich und lächelt sie an. "Ein Anfang ist ja<br />
schon gemacht. Und manchmal hilft auch ein Wun<strong>de</strong>r,<br />
ganz unverhofft, um so eine Krankheit zu heilen."<br />
Bei ihren Worten blitzt es in ihren Augen auf. Natürlich,<br />
<strong>de</strong>r Geweihte! Vielleicht war das Grund, warum<br />
Hesin<strong>de</strong> gewollt hat, dass Hesan<strong>de</strong>r sie und Elgar ins<br />
Orkland begleitet! Wäre ja nicht das erste Mal, dass<br />
ein Geweihter <strong>de</strong>r Göttin ihren Schwestern einen<br />
Strich durch die Rechnung gemacht hat. Hier jedoch<br />
käme das Wirken ganz gelegen …<br />
Sie wen<strong>de</strong>t ihre Aufmerksamkeit wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erkrankten<br />
zu. "Ich kann dir und <strong>de</strong>inem Mann noch einen<br />
Tee kochen. Wo ist er <strong>de</strong>nn überhaupt hingegangen?
Fühlt er sich auch wie<strong>de</strong>r besser?" fragt sie die Holberkerin.<br />
"Mein Mann ist auf <strong>de</strong>n Fel<strong>de</strong>r arbeiten. Er ist auch<br />
nicht schwach. Nur ich. Aber es ist bestimmt schon<br />
besser, o<strong>de</strong>r?" Die Frau schaut Rovena hoffnungsvoll<br />
an.<br />
"Wenn ich <strong>de</strong>inen Zustand von gestern mit <strong>de</strong>m heute<br />
vergleiche, geht es dir schon <strong>de</strong>utlich besser", erwi<strong>de</strong>rt<br />
Rovena zuversichtlich und streicht ihr sanft über <strong>de</strong>n<br />
Arm. "Deinem Mann geht es also gut, das höre ich<br />
gerne. Sind es <strong>de</strong>nn nur die Frauen, die betroffen<br />
sind? Ich habe gehört, bei eurem Statter in <strong>de</strong>r Burg<br />
ist eine Magd erkrankt."<br />
Die Frau überlegt einen Moment: "Männer und Frauen<br />
sind krank, Alte und Kin<strong>de</strong>r. Und immer kommt<br />
das Zeichen."<br />
"Das Zeichen …", murmelt Rovena und fasst sich mit<br />
Zeige- und kleinem Finger an die Stirn, das Schutzzeichen,<br />
was sie irgendwie an einen Gehörnten erinnert,<br />
<strong>de</strong>r Frauen auf <strong>de</strong>r Straße nachahmend. "So versucht<br />
ihr euch davor zu schützen, richtig? Soll Daimon<br />
euch vor <strong>de</strong>r Krankheit schützen?" Sie beginnt,<br />
in ihrem Beutel nach <strong>de</strong>m Satuarienbuschkraut zu suchen.<br />
Das Wasser, das Elgar aufgesetzt hat, müsste<br />
bald kochen.<br />
"Nein, nein", stammelt die Frau. "Das Bild an <strong>de</strong>r<br />
Wand. Die Ratte."<br />
"Welches Bild an <strong>de</strong>r Wand? Etwa das Rattensymbol<br />
an <strong>de</strong>n Häusern? Das soll euch beschützen?" Rovena<br />
schaut die Frau irritiert an. "Ich dachte, das Zeichen<br />
macht euch erst krank."<br />
"Ja, es kommt, wenn jemand krank ist. Beschützen<br />
kann niemand." Die Frau schließt die Augen.<br />
Rovena streicht <strong>de</strong>r Holberkerin wie<strong>de</strong>r sanft über die<br />
Hand, die kraftlos auf <strong>de</strong>r Bett<strong>de</strong>cke liegt. "Und nur<br />
die Leute <strong>de</strong>iner Sippe, die Krinaks, wer<strong>de</strong>n krank<br />
und sterben, nicht wahr?"<br />
Mittlerweile hat sie das Kraut gefun<strong>de</strong>n und misst<br />
eine Portion für die Holberkerin ab. "So, hier habe ich<br />
die Kräuter für <strong>de</strong>n Tee, <strong>de</strong>n du heute wie<strong>de</strong>r trinken<br />
sollst, damit du wie<strong>de</strong>r gesund wer<strong>de</strong>n kannst." Sie<br />
schaut die Erkrankte mitfühlend an. "Den Statter, Frajo<br />
Krinak, habe ich kennen gelernt, wir sind bei ihm<br />
zu Gast in <strong>de</strong>r Burg. Wenn so viele <strong>de</strong>iner Sippe sterben,<br />
wer von <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks wird <strong>de</strong>nn dann <strong>de</strong>r neue<br />
Statter sein?" fragt sie beiläufig weiter.<br />
In <strong>de</strong>m Moment unterbricht Isinha die bei<strong>de</strong>n: "So.<br />
Das Wasser im Kessel kocht jetzt."<br />
Elgar streift ein ta<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r Blick wegen <strong>de</strong>r Unterbrechung.<br />
"Sehr gut. Einen Moment noch, ich komme<br />
gleich. Das Kraut habe ich schon zurechtgelegt." Sie<br />
schenkt ihre Aufmerksamkeit wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r kranken Frau<br />
und wartet auf ihre Antwort.<br />
459<br />
Der Magier tritt an ihre Seite. Er betrachtet die kraftlos<br />
im Bett liegen<strong>de</strong> Holberkerin und überlegt, welche<br />
Art Magie hier ihre Wirkung offenbart. Ihm sind Berichte<br />
von Wirkungen angeblich in alter Zeit bekannter<br />
Zaubersprüchen in Erinnerung, die das Opfer altern<br />
lassen o<strong>de</strong>r aber schwächen können. Jedoch sterben<br />
hier auch Kin<strong>de</strong>r, so dass es kein unnatürlicher<br />
Alterungsprozess sein kann. Und die schwächen<strong>de</strong><br />
Wirkung ist nicht von Dauer und die Opfer sollen sich<br />
wie<strong>de</strong>r erholt haben. Bei<strong>de</strong>s passt auf die hier vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Symptome gar nicht. So scheint sein Blick leer,<br />
während er über die Möglichkeiten nachsinnt.<br />
Schließlich erinnert er sich an Rovenas Frage und<br />
stellt sie für die schwache Patientin erneut. "Sag, wer<br />
eurer Sippe wird <strong>de</strong>r nächste Statter, sollte Franjo Krinak<br />
dieses Amt nicht mehr ausüben?" Bewusst vermei<strong>de</strong>t<br />
er Grün<strong>de</strong>, die zu einer solchen Amtsnie<strong>de</strong>rlegung<br />
unfreiwilliger Art führen können.<br />
"Weiß nicht", antwortet die Frau nach einiger Zeit<br />
Überlegung. "Der Stärkste?"<br />
'Und wer ist <strong>de</strong>r Stärkste?' will <strong>de</strong>r Magier schon fragen,<br />
als ihm das Offensichtliche einfällt: Natürlich<br />
<strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r entwe<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Krankheit nicht betroffen<br />
ist o<strong>de</strong>r sie aber überleben wird. Statt <strong>de</strong>ssen<br />
murmelt er: in <strong>de</strong>r<br />
Annahme, dass seine Muttersprache hier sowieso niemand<br />
- einschließlich Rovena - versteht.<br />
Rovena schüttelt beinahe resignierend <strong>de</strong>n Kopf. Kann<br />
es wirklich sein, dass dieses Holberker so unwissend<br />
sind, wie sie sich geben? "Sie seufzt und erhebt sich.<br />
"Ich setze <strong>de</strong>n Tee auf. Sag mir doch noch, Lara, wer<br />
von <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks ist <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Stärkste hier?" fragt sie<br />
beim Hinausgehen und hält auf die Antwort wartend<br />
an <strong>de</strong>m Vorhang an.<br />
"Weiß nicht", antwortet die Holberkerin. "Der Stärkste<br />
heißt immer Krinak."<br />
"Ein Ro<strong>de</strong>k <strong>de</strong>r Krinak heißt?" fragt Isinha verwun<strong>de</strong>rt<br />
die Hexe. Dann dämmert ihm, dass die Holberkerin<br />
wahrscheinlich einfach die Tatsache meint, dass<br />
seit ewigen Zeiten jeweils ein Krinak <strong>de</strong>r Statter ist.<br />
Während <strong>de</strong>r Zubereitung <strong>de</strong>s Tees flüstert er Rovena<br />
zu: "Wir sollten sie dann allein lassen. Hier kommen<br />
wir sowieso nicht weiter. Aber wir waren gestern an einem<br />
Haus, <strong>de</strong>ssen Bewohner sich, nun ja, merkwürdig<br />
verhalten hat. Vielleicht fin<strong>de</strong>n wir dort mehr heraus."<br />
schlägt er ihr vor.<br />
Nach<strong>de</strong>nklich gibt die Hexe die Kräuter in <strong>de</strong>n Krug<br />
und gießt <strong>de</strong>n Tee mit <strong>de</strong>m kochen<strong>de</strong>n Wasser auf.<br />
"Erschreckend, wie einfältig diese Holberker sind. Als<br />
ob das Erbe <strong>de</strong>r Orks stärker ist als das <strong>de</strong>r Elfen …"<br />
Sie streicht sich eine Haarsträhne aus <strong>de</strong>m Gesicht.<br />
"Du wirst recht haben, diese Frau kann uns nicht weiter<br />
helfen. Ich stelle ihr noch <strong>de</strong>n Becher mit Tee hin,<br />
dann gehen wir. Was war das <strong>de</strong>nn für ein Bewohner?<br />
Ebenfalls einer <strong>de</strong>r Krinaks?"
"Kann ich nicht sagen." antwortet <strong>de</strong>r Magier. "Aber<br />
ich glaube, dass es kein Rattensymbol an seinem Haus<br />
gab." versucht er, sich zu erinnern. "Je<strong>de</strong>nfalls verhielt<br />
er sich irgendwie 'verdächtig', wirkte abweisend und es<br />
gab eigenartige Geräusche in seinem Haus." erzählt<br />
er.<br />
"Wenn kein Symbol an seinem Haus war, dann vermutet<br />
ich sehr stark, dass er einer <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>ks ist", antwortet<br />
Rovena. Sie wartet noch einen Moment und<br />
gießt dann <strong>de</strong>n Tee in einen Becher, mit <strong>de</strong>m sie zum<br />
Lager <strong>de</strong>r Holberkerin geht. "So, trinkt das", meint sie<br />
zu <strong>de</strong>r Kranken. "Wir verlassen dich nun wie<strong>de</strong>r. Halte<br />
dich weiter ruhig und lass <strong>de</strong>n Tee wirken. Vielleicht<br />
bist du schon bald wie<strong>de</strong>r genesen." Sie hilft <strong>de</strong>r<br />
Frau noch, sich aufzusetzen und <strong>de</strong>n Becher an <strong>de</strong>n<br />
Mund zu führen, dann verabschie<strong>de</strong>t sie sich, um mit<br />
Elgar zu diesem verdächtigen Holberker zu gehen.<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg zu besagtem Haus fragt <strong>de</strong>r Magier:<br />
"Erinnerst Du Dich an dieses Stadtherrenbuch? Ich<br />
meine, dass auf einer <strong>de</strong>r Seiten stand, dass die 'Händlerin'<br />
Nahema <strong>de</strong>n Ro<strong>de</strong>ks ein Geheimnis verkauft<br />
habe. Später hieß es dann, diese 'Hexe' hätte es wohl<br />
auch <strong>de</strong>n Krinaks verkauft. Hattest Du nicht gesagt,<br />
Nahema sei keine Deiner Schwestern? Und viel interessanter:<br />
Gibt es Hexen, die keine Schwestern sein<br />
müssen und <strong>de</strong>shalb von euch nicht als solche erkannt<br />
wer<strong>de</strong>n?"<br />
Rovena schüttelt <strong>de</strong>n Kopf. "Nein, das kann nicht sein,<br />
sie ist keine von uns. Wenn sie es wäre, müsste ich es<br />
erkennen können, sie könnte es nicht verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Warum sie von <strong>de</strong>n Vorgänger <strong>de</strong>r Holberker als Hexe<br />
bezeichnet wird, kann ich nicht sagen. Sie ist eine<br />
mächtige Zauberin, wer weiß, welche Zauber zu wirken<br />
sie in <strong>de</strong>r Lage ist."<br />
"Tja, vielleicht 'alle'." überlegt <strong>de</strong>r Magier. "O<strong>de</strong>r sogar<br />
noch mehr, sollte sie tatsächlich eine Freizauberin<br />
sein. Stell Dir doch nur mal vor, dass Deine einzige<br />
Beschränkung beim Zaubern Deine Vorstellungskraft<br />
- und natürlich die zur Verfügung stehen<strong>de</strong> Astralenergie<br />
- wäre! Du stellst Dir einen gewünschten Effekt<br />
einfach vor und schwups tritt er ein.<br />
Phantastisch!" kommt Isinha ins Schwärmen.<br />
"Phantastisch?" Rovena schaut <strong>de</strong>n Magier von <strong>de</strong>r<br />
Seite an. "Sie hat dadurch große Macht über an<strong>de</strong>re.<br />
Du hast doch selber erlebt, was sie mit uns gemacht<br />
hat … und mit diesen Bewohnern. Sich mit ihr einzulassen<br />
ist gefährlich."<br />
"Natürlich ist sie gefährlich. Aber nicht die Zauberei<br />
an sich. Versteh' doch, Du zauberst, in<strong>de</strong>m Du - natürlich<br />
sehr stark vereinfacht - Dir einfach <strong>de</strong>n Effekt<br />
<strong>de</strong>s Zauberspruchs vorstellst. Man braucht keine Zauberthesis<br />
mehr zu lernen o<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Rituale<br />
durchzuführen. Aber darum geht es im En<strong>de</strong>ffekt<br />
auch gar nicht. Wir wollen uns ja gar nicht mit ihr anlegen."<br />
fährt er im Gehen fort. Hin und wie<strong>de</strong>r muss<br />
460<br />
er sich orientieren, um <strong>de</strong>n Weg zu <strong>de</strong>m Haus zurück<br />
zu fin<strong>de</strong>n.<br />
"Ich lerne auch keine Thesis", belehrt Rovena <strong>de</strong>n Magier<br />
und fügt sorgenvoll an: "Hoffentlich kommt sie<br />
uns nicht in die Quere. Ich habe kein gutes Gefühl,<br />
nach<strong>de</strong>m sie ja nun weiß, dass wir nach <strong>de</strong>m Orkenhort<br />
suchen."<br />
"Mag sein, das weißt Du sicher besser. Aber kennst Du<br />
auch die gleichen Zauber? Das <strong>de</strong>nke ich nicht. Es<br />
gibt einen Sprüchekanon, <strong>de</strong>ssen Lern- und Lehrweise<br />
gil<strong>de</strong>nmagischen Ursprungs ist und auch dieser Art<br />
<strong>de</strong>s Zauberns vorbehalten bleibt. Ausnahme wäre hier<br />
wie<strong>de</strong>r die Freizauberei. Aber wie genau das vor sich<br />
geht, weiß ich auch nicht. Nur wie es gehen müsste,<br />
ist Gegenstand etlicher Spekulationen in Fachpublikationen,<br />
die mir unter die Augen gekommen sind.<br />
Denn keiner, <strong>de</strong>r die Freizauberei praktiziert, ist wirklich<br />
bekannt o<strong>de</strong>r gar bereits, darüber zu veröffentlichen.<br />
Scha<strong>de</strong>." Isinhas Stimme drückt ehrliches Bedauern<br />
aus. Ganz so, als wäre die einzige Voraussetzung,<br />
sich dieser Art <strong>de</strong>r Magie zu bedienen lediglich<br />
davon abhängig, ein gescheites Lehrbuch in die Hand<br />
zu bekommen.<br />
Rovena überlegt einen Moment, bevor sie antwortet.<br />
"Ich weiß nicht, ob Nahema die gleichen Zauber beherrscht,<br />
wie sie unter meinen Schwestern bekannt<br />
sind. Was sie mit uns gemacht hat, war mir unbekannt.<br />
Je<strong>de</strong>nfalls lerne ich nicht aus Büchern", lässt sie<br />
<strong>de</strong>n Magier wissen. Sie kann sich schon vorstellen, wie<br />
Nahema, wenn sie eine Freizauberin ist, ihre Zauber<br />
wirkt. Es dürfte wohl so ähnlich sein, wie bei ihr, dass<br />
Gefühle die Magie bewirken.<br />
"Bücher können ein Quell sonst unvorstellbaren Wissens<br />
sein. Aber - ich glaube hier müssen wir abbiegen"<br />
unterbricht <strong>de</strong>r Magier kurz das Thema - "wenn <strong>de</strong>r<br />
erzielte Effekt <strong>de</strong>r gleiche ist, spielt es dann überhaupt<br />
eine Rolle, wie er zu erreichen ist?" Die Frage ist offensichtlich<br />
rein rhetorisch gemeint.<br />
Rovena zuckt mit <strong>de</strong>n Schultern. Auf diese Frage weiß<br />
sie keine Antwort, sie hat nicht studiert, ihr Wissen<br />
entstammt <strong>de</strong>r mündlichen Überlieferung durch ihre<br />
Mutter, <strong>de</strong>n Tanten und an<strong>de</strong>ren Schwestern. Sie<br />
kann sich nicht vorstellen, dass die Magie <strong>de</strong>r Töchter<br />
Satuarias in Büchern festgehalten wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Stumm folgt sie <strong>de</strong>m Magier weiter die Gasse entlang.<br />
"So, gleich sind wir da. Da vorn, das muss es sein."<br />
Aufmerksam studiert Isinha die umliegen<strong>de</strong>n Häuser<br />
und pickt schließlich dasjenige heraus, das hier als<br />
einziges Gebäu<strong>de</strong> kein Rattensymbol trägt. Unschlüssig<br />
bleibt er davor stehen.<br />
Neugierig betrachtet die Hexe das Haus, an <strong>de</strong>m sehr<br />
auffällig für diese Gegend kein krank machen<strong>de</strong>s<br />
Symbol zu erkennen ist. "Wirklich sehr auffällig, dass<br />
die rote Ratte hier fehlt", meint sie nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Hier wohnt bestimmt einer <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>ks. Ob die an<strong>de</strong>-
en schon hier sind?" fragt sie Elgar leise und tritt an<br />
die Tür heran, um anzuklopfen.<br />
Nun zuckt Isinha mit <strong>de</strong>n Schultern: "Wollten die<br />
überhaupt hierher?" stellt er seine Gegenfrage. "Aber<br />
fragen scha<strong>de</strong>t ja nichts." fügt er hinzu. 'O<strong>de</strong>r?' Diesen<br />
Einwand erhebt er nur in Gedanken. Wie man beim<br />
Statter gesehen hat, kann es schon etwas ausmachen,<br />
ob eine bestimmte Frage gestellt wird o<strong>de</strong>r eben nicht.<br />
Rovena schaut ihn an. "Ich weiß es nicht, so genau haben<br />
sie sich nicht geäußert. Ingalf wollte doch nach<br />
<strong>de</strong>m Holberker suchen, <strong>de</strong>n Nahema uns genannt<br />
hatte. So, wie dieses Haus mitten unter <strong>de</strong>n Gezeichneten<br />
steht, könnte das ein Anhaltspunkt und Melachath<br />
o<strong>de</strong>r Hesan<strong>de</strong>r dann auch aufgefallen sein.<br />
Gleich wer<strong>de</strong>n wir es wissen." Sie fasst sich ein Herz<br />
und klopft laut gegen die Tür.<br />
Der zweite Stadtrundgang<br />
Als Isinha und Rovena zu <strong>de</strong>n Kranken aufgebrochen<br />
sind, fragt Ingalf Melachath: "Wo war ihr gestern?<br />
Und was gab's da?"<br />
"Wir waren in einem Teil <strong>de</strong>r Stadt, in <strong>de</strong>m alle, bis<br />
auf ein Haus das Rattensymbol trugen."<br />
"Wonach suchen wir jetzt?" fragt Edric, nach<strong>de</strong>m Magier<br />
und Hexe gegangen sind, nach <strong>de</strong>n Kranken zu<br />
sehen? "Die Nutzung <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong> scheint wenig mit<br />
ihrem ursprünglichen Errichtungszweck gemeinsam<br />
zu haben."<br />
"Wir suchen nach <strong>de</strong>m Schlausten hier inner Stadt,<br />
das wohl!" antwortet Ingalf. "Und hier inner Burg war<br />
<strong>de</strong>r nicht zu fin<strong>de</strong>n … Also habt ihr gestern noch was<br />
gesehen? Und wo seid ihr gewesen?" fragt <strong>de</strong>r Thorwaler<br />
noch einmal Melachath - und natürlich vielleicht<br />
auch in Richtung Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Und wie können wir ihn fin<strong>de</strong>n?" fragt Edric und<br />
schaut sich um. "Wo fangen wir mit <strong>de</strong>r Suche an?"<br />
überlegt er.<br />
"Vermutlich wohnt er da, wo wir drei gestern nicht waren."<br />
meint Ingalf nach<strong>de</strong>nklich. "Ich <strong>de</strong>nke, dass das<br />
Haus irgendwie an<strong>de</strong>rs ist als <strong>de</strong>r Rest, das wohl!"<br />
"Jetzt müssen wir nur noch erkennen, was daran an<strong>de</strong>rs<br />
ist", stimmt Edric nach<strong>de</strong>nklich zu.<br />
"Als wir um Einlass baten, wur<strong>de</strong>n wir sehr kurz abgefertigt.<br />
Der dort wohnen<strong>de</strong> Holberker sah gesund aus,<br />
er war relativ hager und groß gewachsen und hatte<br />
schon graue Strähnen im Fell. Auf mich wirkte er sehr<br />
verschlagen." fügt Melachath nach kurzem Nach<strong>de</strong>nken<br />
noch hinzu.<br />
"Wollen wir <strong>de</strong>m mal auf <strong>de</strong>n Pelz rücken, vielleicht<br />
hilft <strong>de</strong>r uns weiter?" fragt Ingalf. 'Das einzige Haus<br />
ohne Ratten, hmmm, das ist schon komisch, das<br />
wohl!'<br />
461<br />
"In <strong>de</strong>m Teil <strong>de</strong>r Stadt nur, aber lass uns schauen, Wellenreiter."<br />
"Gut, dann man tau!" meint Ingalf und folgt <strong>de</strong>m Aranier,<br />
<strong>de</strong>r ja <strong>de</strong>n Weg kennt.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schließt sich wortlos an und geht mit <strong>de</strong>m<br />
offenbar umgänglicheren Melachath.<br />
"Das könnte aber auch gar nichts be<strong>de</strong>uten", überlegt<br />
Edric. "Bisher trat nur in <strong>de</strong>n Häusern mit <strong>de</strong>m Rattenbild<br />
die Krankheit auf. Wenn das Haus kein Zeichen<br />
hat, muss <strong>de</strong>r Bewohner gesund sein."<br />
"Das stimmt schon", Ingalf muss seinem Freund ja an<br />
<strong>de</strong>r Stelle Recht geben, "aber es ist schon komisch,<br />
wenn es das einzige Haus im Block ist, das wohl!"<br />
"Vielleicht können wir uns in <strong>de</strong>r Gegend ein wenig<br />
umschauen und das Haus unauffällig im Auge behalten."<br />
schlägt er vor. Er weiß, dass Menschen in <strong>de</strong>r<br />
Holberkersiedlung wie schwarze Schafe in einer Her<strong>de</strong><br />
auffallen.<br />
"Also gut, gehen wir uns erst umschauen und dann<br />
rein!"<br />
"Es gab doch einen Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n rivalisieren<strong>de</strong>n Sippen und <strong>de</strong>r Krankheit. Die<br />
Krankheit tritt doch bei <strong>de</strong>r Sippe, die nicht an die<br />
Macht kommen soll, häufiger auf."<br />
"Aye!" stimmt ihm Ingalf zu. "O<strong>de</strong>r wenn die Stärkeren<br />
sowieso die Macht haben, wer<strong>de</strong>n sie vielleicht weniger<br />
krank …"<br />
"Insofern ist es nahe liegend, dass diejenigen, die die<br />
Macht behalten wollen, ihre Finger im Spiel haben.<br />
Ich könnte mir immer noch vorstellen, dass <strong>de</strong>r Altar<br />
in <strong>de</strong>n Gewölben <strong>de</strong>r Burg zu suchen ist. Hier draußen<br />
entzieht er sich <strong>de</strong>r unmittelbaren Kontrolle<br />
durch <strong>de</strong>n Statter, auch wenn seine Holberker-Gar<strong>de</strong><br />
offenbar seine Befehle strikt befolgt", fügt Hesan<strong>de</strong>r<br />
auf <strong>de</strong>m Weg hinzu.<br />
'Jetzt fängt er schon wie<strong>de</strong>r mit seinem blö<strong>de</strong>n Altar<br />
an!' <strong>de</strong>nkt Ingalf. 'Dabei haben wir nicht mal 'ne Treppe<br />
in die Gewölbe gesehen!'<br />
"Vielleicht sollten wir mit <strong>de</strong>n Erkrankten noch einmal<br />
re<strong>de</strong>n. Vielleicht wissen sie ja doch etwas und<br />
vielleicht fin<strong>de</strong>t sich einer, <strong>de</strong>r so verzweifelt ist, um<br />
uns einen wertvollen Hinweis zu geben", schlägt er<br />
dann vor.<br />
"Wenn Du zu <strong>de</strong>n Kranken willst, dann solltest Du<br />
Dich an Isinha und Rovena halten, das wohl!" antwortet<br />
Ingalf. "Wir wollen uns das komische Haus ohne<br />
Kranke ansehen!"<br />
"Dann setzen wir eben erst Kurs auf dieses Haus und<br />
können später noch einmal die Burg in Augenschein<br />
nehmen. Wir sollten auch heute Nacht die Augen und<br />
Ohren offen halten", antwortet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Dann kommt ihm ein Geistesblitz. "Habt Ihr schon<br />
einmal daran gedacht, dass ein solcher Altar dieses
Götzen auch außerhalb Ohorts zu suchen sein könnte?<br />
Wieso sind wir bislang nur davon ausgegangen,<br />
dass er im Ort ist?"<br />
"Und was, wenn es we<strong>de</strong>r im Ort noch außerhalb<br />
einen Altar gibt?" fragt Ingalf leicht genervt.<br />
"Wenn es diesen Daimon gibt, wie es Hranngar gibt,<br />
dann haben bei<strong>de</strong> einen Ort, wo sie verehrt wer<strong>de</strong>n -<br />
das wohl!" hält Hesan<strong>de</strong>r entgegen.<br />
"Auf Hranngar bin ich schon gestoßen auf diesen Daimon<br />
nicht!"<br />
"Siehst Du", antwortet Hesan<strong>de</strong>r mit Überzeugung.<br />
"Du glaubst an Swafnir und seine Gegnerin Hranngar,<br />
auf die Du gestoßen bist. Die Holberker glauben<br />
an einen Daimon und offenbar sind sie auch schon auf<br />
ihn gestoßen.<br />
Wür<strong>de</strong>n die Holberker Hranngar suchen, hätten sie<br />
eine Chance, auf sie zu stoßen. Umkehrt wir aber<br />
auch auf diesen Daimon. Alles an<strong>de</strong>re wäre ungerecht<br />
- das wohl", bemüht sich Hesan<strong>de</strong>r die Sache für <strong>de</strong>n<br />
Thorwaler verständlich zu erklären.<br />
"Ich glaube, dass ich glaube, dass Dich mein Glaube<br />
nix angeht, das wohl!" been<strong>de</strong>t Ingalf - so hofft er - das<br />
Gespräch.<br />
"Warum sollen wir <strong>de</strong>n Altar suchen?" fragt Edric. "Er<br />
hilft uns nicht weiter. Der Statter hat uns aus <strong>de</strong>r Stadt<br />
geschickt, er will unsere Hilfe nicht." Edric kann <strong>de</strong>n<br />
Statter schon verstehen, so wie Isinha mit ihm umgesprungen<br />
ist.<br />
"Und wir sind nur hier, weil wir einen ganz bestimmten<br />
Holberker suchen." en<strong>de</strong>t er.<br />
"Ich erinnere mich nicht daran, dass es unbedingt ein<br />
Holberker sein musste", wen<strong>de</strong>t Hesan<strong>de</strong>r ein.<br />
"Es hieß, wir sollen <strong>de</strong>n schlauesten und gerissensten<br />
Bewohner suchen." erklärt Edric. "Und wer außer<br />
Holberkern wohnt hier?" fragt er Hesan<strong>de</strong>r. "Ich wür<strong>de</strong><br />
hier nicht herziehen".<br />
Zu Ingalf sagt er dann: "Es geht nicht um Deinen<br />
Glauben, es geht darum, was wir hier fin<strong>de</strong>n können<br />
und was nicht."<br />
Dann zu bei<strong>de</strong>n: "Habt Ihr schon einmal darüber<br />
nachgedacht, dass dieser Daimon <strong>de</strong>rjenige sein könnte,<br />
<strong>de</strong>n wir suchen? Glaubt Ihr, dass diese hier nicht<br />
gera<strong>de</strong> von Hesin<strong>de</strong> und Phex gesegneten Holberker<br />
etwa <strong>de</strong>rartige Fähigkeiten aufzeigen, wie wir sie suchen?<br />
Dann käme an sich nur <strong>de</strong>r Statter in Frage.<br />
O<strong>de</strong>r glaubt Ihr, wir überprüfen alle Holberker hier<br />
innerhalb von an<strong>de</strong>rthalb Tagen auf ihre<br />
Fähigkeiten?"<br />
"Wenn es nicht um meinen Glauben geht, warum<br />
fängst Du dann je<strong>de</strong>n Satz mit glaubt ihr an?" antwortet<br />
Ingalf, <strong>de</strong>m diese Daimon-Geschichte langsam<br />
nervt, schnippisch.<br />
462<br />
"Ich sage einfach das nächste Mal <strong>de</strong>nkst Du statt<br />
glaubst Du, wenn Du dann eine bessere Antwort parat<br />
hast", kontert Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Du könntest beim nächsten Mal auch einfach gar<br />
nichts sagen, das wohl!" kommt es postwen<strong>de</strong>nd zurück.<br />
"Stimmt, Du hast Recht. Vielleicht könntest Du Dich<br />
mit Elgar künftig dran halten. Dann wer<strong>de</strong>n wir auch<br />
kein zweites Mal irgendwo rausgeschmissen", schießt<br />
es von Hesan<strong>de</strong>r zurück.<br />
"Wir hätten <strong>de</strong>n Statter auch mit seichten Litaneien in<br />
<strong>de</strong>n Schlaf säuseln können, das wohl! Aber damit hätten<br />
wir auch nix erreicht!" Ingalf steigert sich so langsam<br />
in Rage.<br />
"Nicht Litaneien, Ingalf. Aber ich verfüge sicherlich<br />
über mehr diplomatisches Geschick als ein selbstgefälliger<br />
A<strong>de</strong>pt o<strong>de</strong>r Thorwaler, <strong>de</strong>r re<strong>de</strong>t, wie ihm das<br />
Schott gewachsen ist", kontert Hesan<strong>de</strong>r erneut.<br />
"Das ist meine Diplomatie, bei Swafnir!" antwortet <strong>de</strong>r<br />
Thorwaler und schüttelt die Faust.<br />
"Hört auf, euch zu streiten", bittet Edric die bei<strong>de</strong>n.<br />
"War in <strong>de</strong>m alten Buch nicht geschrieben, dass die<br />
Holberker früher über viel Wissen verfügten? Isinha<br />
ist sich doch sicher, dass sie …" ihm fällt das Wort<br />
nicht mehr ein, "das sie verblö<strong>de</strong>ten", hilft er sich mit<br />
Ingalfs Wortwahl aus. "Und was für ein Wesen soll so<br />
lange überlebt haben und diesem Verfall untätig zugesehen<br />
haben? Ist es nicht so dass die Macht umso größer<br />
ist, je Mächtiger die Anhänger sind?" will Edric<br />
wissen.<br />
"Das ist eine gewagte These, die einige Häretiker auf<br />
die Zwölfe übertragen haben. Auf einen Götzen bezogen<br />
magst Du aber Recht haben. Dessen Macht ist so<br />
groß, wie die Zahl seiner Anhänger beträgt."<br />
Dann überlegt er kurz. "Was die Bewohner angeht, so<br />
muss es ja niemand sein, <strong>de</strong>r sich offen zu erkennen<br />
gibt. Es wür<strong>de</strong> mich nicht wun<strong>de</strong>rn, wenn hier Dinge<br />
am Werk wären, von <strong>de</strong>nen wir noch nichts ahnen.<br />
So, und jetzt lass uns irgendwie sehen, dass wir etwas<br />
über dieses Haus herausfin<strong>de</strong>n", been<strong>de</strong>t er die Diskussion.<br />
Melachath, <strong>de</strong>r sich aus <strong>de</strong>r gesamten Glaubensdiskussion<br />
herausgehalten hat, führt die an<strong>de</strong>ren zu <strong>de</strong>m<br />
Haus. Die Strecke führt von I13/J13/J14 schräg zu<br />
K12 bis En<strong>de</strong> K10. Dann müssen sie noch einmal um<br />
<strong>de</strong>n Block um zu L/M10 zu gelangen.<br />
Als sie an <strong>de</strong>m Haus vorbeikommen meint Ingalf:<br />
"Los weitergehen! Nichts anmerken lassen! Wir gehen<br />
einmal um <strong>de</strong>n Block!"<br />
'Schon komisch, die ganze Straße hat die Ratte nur<br />
das eine Haus nich'!'<br />
Das ist aber das einzig Auffällige an <strong>de</strong>m Haus.
Also stiefelt Ingalf mit <strong>de</strong>n Gefährten rechtsrum um<br />
<strong>de</strong>n Block.<br />
Es ist tatsächlich je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r kleinen Häuser dieses<br />
Blocks markiert – und auch alle Häuser auf <strong>de</strong>r jeweils<br />
gegenüber. Nur dieses eine nicht.<br />
"Hier is' was faul, das wohl!" meint Ingalf als sie wie<strong>de</strong>r<br />
vor <strong>de</strong>r Tür <strong>de</strong>s Hauses stehen. "Alle sind hier im<br />
Karree krank und nur diese eine Haus nich'?"<br />
"Vielleicht ist er kein Krinak", vermutet Edric, da nur<br />
Angehörige <strong>de</strong>r Ro<strong>de</strong>ksippe von <strong>de</strong>r Krankheit verschont<br />
bleiben. 'So wur<strong>de</strong> es je<strong>de</strong>nfalls berichtet.'<br />
"Das erfahren wir, wenn wir ihn fragen, das wohl!"<br />
meint Ingalf und will schon anklopfen. Doch kurz bevor<br />
seine Faust die Tür berührt, dreht er sich zu Hesan<strong>de</strong>r<br />
um: "O<strong>de</strong>r möchte lieber <strong>de</strong>r Herr Diplomat<br />
vortreten?"<br />
"Machen wir es so: Wir wollen doch wissen, was da<br />
drinnen ist und eventuell hineingehen. Machen wir<br />
einen kleinen Wettkampf daraus", antwortet Hesan<strong>de</strong>r<br />
mit herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>m Ton.<br />
"Erst habe ich einen Versuch, und wenn ich nicht weiterkomme,<br />
hast Du einen Versuch. Wessen Versuch erfolgreich<br />
ist, <strong>de</strong>r bekommt, sagen wir, einen Silbertaler<br />
vom an<strong>de</strong>ren. Und damit es gerecht ist, darfst Du<br />
beim nächsten Mal anfangen", nennt Hesan<strong>de</strong>r die<br />
Bedingungen.<br />
"Da hast Du 'nen doppelten Vorteil: 1. fängst Du an, 2.<br />
warst Du schon mal da und kennst <strong>de</strong>n Heini, das<br />
wohl!" antwortet Ingalf. "Aber bitte …" Er verbeugt<br />
sich linkisch und macht <strong>de</strong>m Geweihten Platz.<br />
"Kawi, komm her, und störe <strong>de</strong>n hohen Herrn nicht<br />
bei <strong>de</strong>r Arbeit!" ruft er <strong>de</strong>n Welpen, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Tür<br />
schnüffelt, zu sich.<br />
"Stimmt", räumt Hesan<strong>de</strong>r ein. "Nun, auf diesen Vorteil<br />
verzichte ich gerne. Also fang Du an. Es geht immer<br />
noch um ein Silberstück."<br />
"Nein!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler, <strong>de</strong>r mitten auf <strong>de</strong>r<br />
Straße auf seine Orknase gestützt steht. "Dein Plan,<br />
<strong>de</strong>ine Tür!"<br />
"Nun gut", antwortet Hesan<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r Trotzigkeit <strong>de</strong>s<br />
Thorwalers. Dann geht er zu <strong>de</strong>r Tür und klopft hörbar.<br />
Nach kurzer Zeit öffnet sich die Tür einen Spalt breit.<br />
"Was wollt ihr schon wie<strong>de</strong>r?" ist die misstrauische<br />
Frage.<br />
Ingalf wartet, wie vereinbart, schweigend auf <strong>de</strong>r Straße.<br />
Er ist gespannt, wie Hesan<strong>de</strong>r jetzt vorgeht.<br />
"Wir wollen Euch nichts Böses. Wir haben vom Statter<br />
<strong>de</strong>n Auftrag, die Ursache <strong>de</strong>r Krankheit einiger Eures<br />
Volkes zu erkun<strong>de</strong>n und Euch zu helfen", sagt Hesan<strong>de</strong>r,<br />
in ruhigem, freundlichem, aber bestimmtem<br />
Ton.<br />
463<br />
"Wollt Ihr meinen Gefährten und mich nicht einlassen,<br />
auf dass wir darüber sprechen können?"<br />
"Nein!" ist die kurze Antwort. Der Holberker schickt<br />
sich an, die Tür wie<strong>de</strong>r zu schließen.<br />
"Hey, <strong>de</strong>r Silbertaler ist mir!" meint Ingalf und tritt näher<br />
an die Tür heran.<br />
"Noch sind wir nicht drinnen", kontert Hesan<strong>de</strong>r leise.<br />
"Doch jetzt lass uns erst mal dort Einlass verschaffen",<br />
fügt er hinzu.<br />
Schnell schiebt <strong>de</strong>r Aranier seinen Fuß in die Tür, damit<br />
<strong>de</strong>r Holberker sie nicht schließen kann.<br />
"Ihr hattet es gestern schon so eilig, werter Meister,<br />
habt Ihr so viel zu tun?" Mit einem Blick zu Ingalf<br />
schiebt sich Melachath langsam in die Türöffnung.<br />
Ingalf schiebt sich hinterher.<br />
"Dann könnt Ihr uns sicherlich erklären, wieso Euer<br />
Haus das Einzige hier im Umkreis ist, das kein Rattensymbol<br />
trägt", wird Hesan<strong>de</strong>r nachdrücklicher.<br />
"O<strong>de</strong>r müssten meine bei<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong> hier <strong>de</strong>utlicher<br />
wer<strong>de</strong>n?" fragt er dann wie<strong>de</strong>r mit Unschuldsmiene.<br />
"Nein!" Der Holberker ist weiterhin kurz angebun<strong>de</strong>n.<br />
"Zieh <strong>de</strong>n Fuß zurück, sonst …!" for<strong>de</strong>rt er Melachath<br />
auf.<br />
"Ja?" Sehr ge<strong>de</strong>hnt und unerwartet hart kommt die<br />
Antwort <strong>de</strong>s Araniers, während er seine Hand an seine<br />
Waffe legt. "Du, willst mir sagen, was ich zu tun<br />
habe?"<br />
"Sonst was?" fragt Hesan<strong>de</strong>r unbeeindruckt nach.<br />
"Wenn Du es mit meinen bei<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n gleichzeitig<br />
aufnehmen willst, musst Du entwe<strong>de</strong>r sehr mutig<br />
o<strong>de</strong>r aber sehr dumm sein. Ich glaube, es ist<br />
Letzteres", provoziert Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Holberker weiter.<br />
'Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Phex', <strong>de</strong>nkt Hesan<strong>de</strong>r,<br />
während er seine an sich gelernte Diplomatie über<br />
Bord wirft und sich <strong>de</strong>n Gepflogenheiten dieser Umgebung<br />
anpasst. 'Lehrte uns das nicht auch die Mutter<br />
<strong>de</strong>r Weisheit? Urteilt nicht über Frem<strong>de</strong> mit Euren eigenen<br />
Maßstäben son<strong>de</strong>rn messt sie an ihren eigenen.<br />
Behan<strong>de</strong>lt Frem<strong>de</strong> nicht nach Euren Sitten und Gebräuchen<br />
son<strong>de</strong>rn studiert ihre eigenen und lernt daraus.<br />
Oh Herrin, je<strong>de</strong>n Tag aufs Neue erfahre ich, weshalb<br />
Du die Mutter <strong>de</strong>r Weisheit genannt wirst!'<br />
Ingalf freut sich über die - späte - Einsicht <strong>de</strong>s Geweihten.<br />
Er schiebt sich neben Melachath mit <strong>de</strong>r Orknase<br />
in <strong>de</strong>r Rechten in die Türfüllung.<br />
Offensichtlich hat <strong>de</strong>r Holberker geblufft, <strong>de</strong>nn er tritt<br />
einen Schritt zurück ins Haus hinein. Die Gefährten<br />
können die Tür aufstoßen. Dahinter befin<strong>de</strong>t sich ein<br />
aufgeräumter, sauberer Wohnraum.<br />
"W… was wollt ihr von mir? Ich habe nichts." Angst<br />
schleicht sich in die Augen <strong>de</strong>s Holberkers.<br />
"Beruhigt Euch", versucht Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Holberker<br />
zu beschwichtigen. "Wie ich gesagt habe, wir wollten
mit Dir re<strong>de</strong>n. Beantworte uns ein paar Fragen, und<br />
wir sind so schnell wie<strong>de</strong>r weg, wie wir gekommen<br />
sind.<br />
Also erstens: Wieso trägt Dein Haus als einziges im<br />
Umkreis kein Rattensymbol?" sagt Hesan<strong>de</strong>r in leicht<br />
übertriebenem freundlichem Ton.<br />
"Das weiß ich nicht, das habe ich doch schon gesagt!"<br />
Der Holberker hat sich wie<strong>de</strong>r etwas gefangen, aber<br />
die leicht übertriebene Betonung macht Hesan<strong>de</strong>r sicher:<br />
Der Holberker lügt.<br />
"Bist Du Dir wirklich sicher?" hakt Hesan<strong>de</strong>r nach.<br />
"Ähhh …" stammelt <strong>de</strong>r Holberker.<br />
"Es wäre doch sicherlich scha<strong>de</strong>, wenn meine Freun<strong>de</strong><br />
mit <strong>de</strong>r Befragung weitermachen müssten …", <strong>de</strong>utet<br />
er mit einer Geste ich Richtung Ingalf und Melachath<br />
an. "Für gewöhnlich spricht er", Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utet auf<br />
Ingalf, "da nur sehr wenig und lässt dafür lieber seine<br />
Orknase sprechen …"<br />
"Aye!" meint Ingalf nur kurz.<br />
Der Holberker erbleicht, entspannt sich aber, als Melachath<br />
sich einschaltet.<br />
"Auch wenn Du Dich komisch verhältst, ich glaube<br />
Dir."<br />
"Ich glaube ihm nicht. In seiner Stimme liegt eine gewisse<br />
Unsicherheit - und wieso wollte er uns zweimal<br />
die Tür vor <strong>de</strong>r Nase zuschlagen?" wen<strong>de</strong>t Hesan<strong>de</strong>r<br />
ein. "Und wo wir gera<strong>de</strong> von Nase sprechen", sagt er<br />
dann mit einer Geste in Richtung Ingalfs Waffe, "wollen<br />
wir doch alle nicht, dass die Nase die Befragung<br />
fortsetzt?"<br />
Das Spiel ist ganz nach Ingalfs Geschmack. 'Manchmal<br />
ist <strong>de</strong>r Pfaffe doch vernünftig, das wohl!'<br />
464<br />
Er schaut <strong>de</strong>n Holberker grimmig an und droht ein<br />
wenig mit <strong>de</strong>r schweren Axt.<br />
"N…nein." Der Holberker zögert kurz, dann kommt<br />
er zu einer Entscheidung. "V…vielleicht sollten wir<br />
drinnen weiter re<strong>de</strong>n." Er macht die Tür ganz auf.<br />
"Ich wusste doch, dass wir uns einig wer<strong>de</strong>n", antwortet<br />
Hesan<strong>de</strong>r mit einem übertrieben freundlichen Lächeln.<br />
Mit einer einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Geste an Melachath und<br />
Ingalf meint er dann: "Nach Euch, meine Freun<strong>de</strong>."<br />
Edric hält sich im Moment sehr im Hintergrund. Deshalb<br />
ist es verständlich, dass Hesan<strong>de</strong>r ihn nicht anspricht.<br />
Kar Krinak<br />
Ingalf, Melachath und Edric folgen also Hesan<strong>de</strong>r in<br />
das Haus <strong>de</strong>s Holberkers. Eine Kerze brennt auf einem<br />
Tisch im ansonsten dunklen Zimmer. Neben <strong>de</strong>r<br />
Kerze liegt eine Zeichnung. Es gibt nur einen Stuhl,<br />
auf <strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r alte Holberker setzt.<br />
Gemessenen Schrittes betritt <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>n Raum<br />
und schaut sich die Zeichnung an.<br />
Ingalf schaut sich in <strong>de</strong>m Raum nach weiteren Ausgängen<br />
um und tritt dann von hinten neben <strong>de</strong>n Holberker<br />
und wirft einen Blick auf das Blatt.<br />
Auch Hesan<strong>de</strong>r sieht sich genau um und wirft auch<br />
einen Blick auf die Zeichnung. Vorher jedoch versichert<br />
er sich, dass Melachath, Edric und Ingalf in Position<br />
sind bzw. wenigstens einer die Augen offen hat,<br />
auf dass Hesan<strong>de</strong>r nicht plötzlich einen Dolch o<strong>de</strong>r so<br />
zwischen <strong>de</strong>n Rippen hat.<br />
Doch Ingalf ist schneller. Es ist offensichtlich ein Plan<br />
<strong>de</strong>r Stadt Ohort. Auffällig ist, dass viele <strong>de</strong>r Häuser<br />
mit Punkten markiert sind, und einige Stadtmauerabschnitte<br />
sind nur gestrichelt gezeichnet.
'Ein Plan?! Und dazu noch ein aktueller, das wohl!'<br />
<strong>de</strong>nkt Ingalf. 'Der Statter ist zu blöd zum Lesen und<br />
<strong>de</strong>r hier malt Pläne. Ich glaube, dass ist <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n Nahema<br />
meinte, das wohl!'<br />
Ingalf fragt <strong>de</strong>n Holberker: "Was ist das für ein schönes<br />
Bild?"<br />
Bevor Hesan<strong>de</strong>r sein Vorhaben verwirklichen kann,<br />
klopft es an <strong>de</strong>r Tür. Der Holberker, <strong>de</strong>r die ganze<br />
Zeit kein Wort gesagt hat, fährt hoch, setzt sich dann<br />
aber wie<strong>de</strong>r hin.<br />
"Du erwartest Besuch?" fragt Ingalf <strong>de</strong>n Holberker.<br />
"Äh, nein." Der alte Holberker wirkt verunsichert.<br />
"Willst Du nicht nachfragen, wer an <strong>de</strong>r Tür ist?" fragt<br />
Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Holberker. "Aber lass Dir nichts anmerken,<br />
es wäre scha<strong>de</strong>, wenn Ingalf sich eine blutige<br />
Orknase holen wür<strong>de</strong> …", sagt er in erneut übertrieben<br />
freundlichem Ton.<br />
"O<strong>de</strong>r willst Du gleich aufmachen?" fragt <strong>de</strong>r Thorwaler<br />
und stupst <strong>de</strong>n Holberker leicht mit <strong>de</strong>r flachen<br />
Seite <strong>de</strong>r Orknase in Richtung Tür.<br />
Missmutig erhebt sich <strong>de</strong>r alte Holberker und öffnet<br />
die Tür einen Spalt. "Was wollt ihr?" fragt er missmutig<br />
nach draußen. Er sieht Isinha, <strong>de</strong>n er schon von<br />
gestern kennt und einen ihm unbekannten weiblichen<br />
Menschen, Rovena.<br />
"Wir wollten uns zunächst mal nach Deinem Befin<strong>de</strong>n<br />
erkundigen. Nicht dass Du auch noch krank<br />
wirst." meint Isinha liebenswürdig. "Und dann wollte<br />
ich unseren schlechten Anfang von gestern noch mal<br />
wie<strong>de</strong>rholen. Schließlich ist Dir wohl entfallen, Dich<br />
uns vorzustellen. Ach, und wo wir gera<strong>de</strong> dabei sind:<br />
465<br />
Wir haben Or<strong>de</strong>r und die wer<strong>de</strong>n wir jetzt bei Dir umzusetzen<br />
beginnen!"<br />
Ohne auf eine Reaktion - die vermutlich wie<strong>de</strong>r ablehnend<br />
wäre - zu warten, macht <strong>de</strong>r Magier einen raschen<br />
Schritt vorwärts, tritt neben Rovena und stößt<br />
überraschend kräftig die Tür auf.<br />
Der alte Holberker lässt das ohne Wi<strong>de</strong>rstand geschehen.<br />
"Das is' ja netter Besuch, das wohl!" ertönt von innen<br />
ein <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n bekannte Stimme. "Dann haben wir<br />
wohl alle das gefun<strong>de</strong>n, was wir suchen!"<br />
"Oh, Du hast schon Besuch. Na das ist ja eine nette<br />
Überraschung!" Allerdings klingt Isinhas Stimme<br />
nicht so, als wäre er son<strong>de</strong>rlich überrascht, die Gefährten<br />
hier anzutreffen.<br />
"Wir haben schon gerätselt, ob ihr auf die gleiche I<strong>de</strong>e<br />
gekommen sein könntet." - 'Offenbar ist Hesan<strong>de</strong>r<br />
doch auf Zack.' - "Und, worüber plau<strong>de</strong>rt ihr hier so<br />
nett?" fragt Isinha in unbekümmertem Ton weiter,<br />
während er sich an <strong>de</strong>m Holberker vorbei schiebt und<br />
das Haus betritt. Ohne sich nach <strong>de</strong>m Gastgeber umzusehen<br />
o<strong>de</strong>r sich um ihn zu kümmern, schreitet er<br />
durch <strong>de</strong>n Raum und sieht sich genau um, während er<br />
fortfährt: "Wir dachten uns, Du könntest uns weiterhelfen.<br />
Dafür helfen wir Dir …" Den letzten Satz<br />
spricht <strong>de</strong>r Magier ganz akzentuiert aus und dreht<br />
sich zu <strong>de</strong>m Holberker um, sieht ihm scharf in die<br />
Augen.<br />
Eher verhalten betritt auch Rovena die Behausung <strong>de</strong>s<br />
alten Holberkers, <strong>de</strong>n sie mit einem Kopfnicken grüßt.<br />
Sie geht hinüber zum <strong>de</strong>m Tisch, um <strong>de</strong>n sich ihre<br />
Gefährten versammelt haben.
"… und wenn Du uns nicht hilfst, dann helfen wir Dir<br />
auch, das wohl!" been<strong>de</strong>t Ingalf <strong>de</strong>n Satz, während er<br />
sanft über die Schnei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Orknase streicht.<br />
"I… ich brauche keine Hilfe", entgegnet <strong>de</strong>r alte Holberker<br />
stockend. "Tut mir bitte nichts, ich tue euch<br />
auch nichts", fügt er dann hinzu.<br />
"Ja." stellt Isinha schlicht fest. "Du tust uns nichts.<br />
Aber Du wirst Hilfe brauchen. Früher o<strong>de</strong>r später, darauf<br />
kannst Du Dich verlassen. Gut, wie <strong>de</strong>m auch sei,<br />
Du scheinst hier je<strong>de</strong>nfalls nicht <strong>de</strong>r Dorf<strong>de</strong>pp zu<br />
sein. Genauer gesagt, scheinst Du uns hier <strong>de</strong>r einzige<br />
zu sein, <strong>de</strong>r nicht einer <strong>de</strong>r Dorf<strong>de</strong>ppen ist. Und <strong>de</strong>shalb<br />
wirst Du auch viele Dinge wissen, die an<strong>de</strong>re<br />
Holberker nicht wissen. Zum Beispiel, was es mit<br />
Daimon und <strong>de</strong>m Altar in <strong>de</strong>r Burg auf sich hat.<br />
Sprich." for<strong>de</strong>rt ihn <strong>de</strong>r Magier auf.<br />
'Jetzt hat <strong>de</strong>r eine aufgehört, nach diesem blö<strong>de</strong>n Altar<br />
zu fragen, da fängt <strong>de</strong>r nächste wie<strong>de</strong>r an …', <strong>de</strong>nkt<br />
Ingalf und schüttelt seinen Kopf.<br />
Der Holberker entspannt sich bei <strong>de</strong>n Fragen. "Da<br />
kann ich euch tatsächlich helfen. Daimon, so hieß <strong>de</strong>r<br />
Gott unserer Vorfahren, aber das ist nur noch eine alte<br />
Erinnerung. Und in <strong>de</strong>r Burg gibt es keinen Altar.<br />
Wieso sollte es?"<br />
"Ja, wieso, das ist die Frage, o<strong>de</strong>r?" meint <strong>de</strong>r Magier<br />
nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Hab ich's nicht gleich gesagt!" entfährt es Ingalf.<br />
Dann wen<strong>de</strong>t er sich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Holberker zu: "Was<br />
dachtest Du eigentlich wollen wir von Dir? Etwa wissen,<br />
weshalb Du die roten Ratten an die Häuser<br />
malst? Ja, wir wissen, dass Du das bist!" wagt er einen<br />
Schuss ins Blaue.<br />
Der Holberker springt vor Schreck fast an die Decke.<br />
"Wa…? Wie hab ihr das herausgefun<strong>de</strong>n?" entfährt es<br />
ihm.<br />
"Das war gar nicht so schwer!" lügt ihn <strong>de</strong>r Magier an.<br />
"Tja, wer so faul is' und nur die Nachbarn anmalt,<br />
sich selbst dabei aber vergisst …" meint Ingalf kurz.<br />
"Aber das ist jetzt nicht wichtig." Er schenkt <strong>de</strong>m Holberker<br />
ein Lächeln. "Wichtig ist, was wir jetzt mit Dir<br />
machen sollen …" fügt Isinha hinzu.<br />
"Nicht doch, nicht doch", mischt sich Hesan<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r<br />
ins Geschehen ein und zwinkert Elgar zu. "Wir<br />
wollen ihm doch die Gelegenheit geben, uns zu sagen,<br />
was er genau getan hat und wie er das getan hat, wer<br />
sein Auftraggeber ist und wie man die Krankheit heilen<br />
kann. Und wenn er uns wahrheitsgemäß antwortet,<br />
dann wird sich Ingalf auch gaaanz bestimmt keine<br />
blutige Orknase holen, nicht wahr?" fragt Hesan<strong>de</strong>r in<br />
die Richtung <strong>de</strong>s Holberkers und in die von Ingalf.<br />
"Ach ja, noch nebenbei: Mein zauberkundiger Freund<br />
kann sofort erkennen, ob Du die Wahrheit sprichst<br />
466<br />
o<strong>de</strong>r nicht - nicht wahr, Elgar?" fügt er in Richtung<br />
<strong>de</strong>s Magiers hinzu.<br />
Rovena muss wegen <strong>de</strong>r Verhörmetho<strong>de</strong>n ihrer Gefährten<br />
schwer schlucken und wirkt etwas blasser, als<br />
sie es schon ist. Sie mustert die drei mit verengten Augen.<br />
Der alte Mann scheint ihr schon verschreckt genug<br />
zu sein. Kopfschüttelnd macht sie sich daran, die<br />
Behausung genauer in Augenschein zu nehmen und<br />
dabei auch nach Anzeichen weiterer Bewohner zu suchen.<br />
Der Alte scheint hier allein zu leben und seinen<br />
Haushalt im Griff zu haben. Der Wohnraum mit <strong>de</strong>r<br />
einfachen Lagerstatt ist - für einen einzeln leben<strong>de</strong>n<br />
Mann - beeindruckend or<strong>de</strong>ntlich und sauber.<br />
Der Holberker schluckt noch einmal, dann entschließt<br />
er sich zu re<strong>de</strong>n: "Ich, Kar Krinak, habe keinen Auftraggeber.<br />
Die blö<strong>de</strong>n Holberker sollen bloß sehen,<br />
dass nicht <strong>de</strong>r stärkste Bewohner <strong>de</strong>r Stadt, son<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
klügste ihr Statter sein sollte. Sie haben ja nicht einmal<br />
gemerkt, dass erst das Zeichen kommt und sie<br />
dann schwach wer<strong>de</strong>n."<br />
Da <strong>de</strong>r Holberker bereits re<strong>de</strong>t, braucht Isinha sich gar<br />
nicht mehr so weit aus <strong>de</strong>m Fenster zu lehnen und<br />
kann seine Künste in <strong>de</strong>r Anwendung von Hellsichtmagie<br />
für sich behalten. Aber <strong>de</strong>m Holberker antwortet<br />
er: "Doch, haben sie. Aber das spielt keine Rolle<br />
mehr. Denn offenbar bist auch Du nicht <strong>de</strong>r Klügste,<br />
vielleicht unter diesen mental <strong>de</strong>bilen Mischlingen etwas<br />
hervorstechen, aber ansonsten ist je<strong>de</strong>s altbackene<br />
Brot gescheiter. Wen willst Du <strong>de</strong>nn als Statter regieren,<br />
wenn Deine Mitholberker an Schwäche sterben,<br />
hm?" fragt er <strong>de</strong>n Alten.<br />
"Dann hat Nahema wirklich Dich gemeint, das wohl!"<br />
entfährt es Ingalf.<br />
Der Holberker überhört Ingalf und antwortet erst einmal<br />
Isinha. "Ha, keine Sorge! Es sterben nur ein paar.<br />
Und vorgestern hat <strong>de</strong>r Statter schon Ärger gekriegt.<br />
In einer Woche o<strong>de</strong>r zwei sind sie bestimmt alle<br />
weichgekocht. Und dann muss ich ihnen nur sagen:<br />
'Wischt die Zeichen weg, und alles wird gut!' Wenn<br />
dann wirklich alle wie<strong>de</strong>r gesund wer<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n sie<br />
mir folgen!"<br />
"Bei <strong>de</strong>n heiligen Bibliotheken! Du bist ja noch dümmer,<br />
als ich dachte!" entfährt es <strong>de</strong>m Magier, <strong>de</strong>r dabei<br />
einen entsetzten Gesichtsausdruck aufsetzt, ohne<br />
wirklich so zu empfin<strong>de</strong>n. "Schließlich haben das einige<br />
versucht, ohne Erfolg. Ich hoffe für Dich, dass die<br />
Kranken wie<strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong>n. Ach ja, falls wirklich <strong>de</strong>r<br />
gescheiteste Bewohner Ohorts zum Statter zu erklären<br />
sein wird, ist dieses Amt unserem Freund Hesan<strong>de</strong>r<br />
hier vorbestimmt. Er wohnt im Moment hier und ich<br />
kenne keinen Gescheiteren unter Euch." fügt er Magier<br />
im Plau<strong>de</strong>rton hinzu.
"Aber zurück zum Thema. Was genau hast Du mit<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren angestellt. Wie genau folgt die Krankheit<br />
<strong>de</strong>m Zeichen? Als kleinen Denkanstoß sollte ich Dir<br />
vielleicht mitteilen, dass wir ohne weiteres auch an<br />
Dein Haus das Rattenzeichen malen können - und<br />
ich kenne mehr als einen Weg, dieses Zeichen dauerhaft<br />
dort zu verankern." Das Grinsen im Gesicht <strong>de</strong>s<br />
Magiers wird nur eine Spur breiter, seine ebenmäßigen<br />
und weißen Zähne sind aber zu erkennen. Aber<br />
seine Augen wirken freudlos.<br />
Kar Krinak verschränkt die Arme. "Das nützt nichts.<br />
Das Zeichen muss mit <strong>de</strong>r richtigen Farbe gemalt wer<strong>de</strong>n.<br />
Und ich habe das Rezept!"<br />
"Na wenn das alles ist!" Der Magier scheint erleichtert.<br />
"Dann brauchen wir jetzt einfach nur noch sicher zu<br />
stellen, dass Du das Rezept nicht weitergibst. Ach ja,<br />
bevor wir das tun: Was hat es eigentlich mit <strong>de</strong>m Hort<br />
und <strong>de</strong>n Bäumen auf sich?" hakt Isinha nach.<br />
"Genau!" meint Ingalf. "Du kennst das Geheimnis, das<br />
wohl!"<br />
Rovena dreht sich zu <strong>de</strong>m alten Holberker um, mustert<br />
ihn von Kopf bis Fuß, Zorn steigt in ihr auf, <strong>de</strong>n<br />
sie zu bezähmen sucht. "Du vergehst dich an <strong>de</strong>iner<br />
eigenen Sippe?" fragt sie ungläubig, ihre Augen funkeln.<br />
"Wie nie<strong>de</strong>rträchtig muss man sein, um so etwas<br />
zu verbrechen?" Sie macht einen Schritt auf ihn zu.<br />
"Wir wer<strong>de</strong>n das Zeichen nicht brauchen, um dir das<br />
gleiche anzutun", droht sie ihm an, die lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und<br />
verzweifelte Holberkerfrau vor Augen.<br />
'Und ich dachte wir waren vorhin zu heftig!' <strong>de</strong>nkt Ingalf<br />
als die Hexe explodiert.<br />
"Da muss ich meiner zornigen Gefährtin zustimmen.<br />
Wenn ich mit Dir fertig bin, wer<strong>de</strong>n Borons Arme Dir<br />
als Erlösung erscheinen!" droht <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Wo ist das Rezept und warum hast du gera<strong>de</strong> dieses<br />
Zeichen ausgewählt?" fragt Rovena weiter.<br />
Auf Isinha und Ingalf kann Kar Krinak im Moment<br />
nicht eingehen, er ist völlig auf Rovena konzentriert.<br />
"Nun, die Dame erwartet eine Antwort…", sagt Hesan<strong>de</strong>r<br />
in beiläufigem Ton und schaut <strong>de</strong>monstrativ<br />
auf Ingalfs Orknase.<br />
Auch Edric erwartet die Antwort. Ruhig hat er sich<br />
bisher im Hintergrund gehalten. Er wird dieses Verhör<br />
nicht stören, auch wenn er sich mit <strong>de</strong>n Mitteln nicht<br />
i<strong>de</strong>ntifizieren kann.<br />
"Hier." Der völlig eingeschüchterte Kar Krinak geht<br />
zu einem Regal, und nimmt ein altes fleckiges Pergament<br />
an sich. Das zeigt er <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n. "Das ist das<br />
Rezept. Ich hab's gefun<strong>de</strong>n."<br />
Das Blatt weist keine Schriftzeichen auf, son<strong>de</strong>rn nur<br />
Bildsymbole, eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen.<br />
In machen Formen kann man die Abbildungen innerer<br />
Organe von größeren Lebewesen vermuten, auch<br />
467<br />
Pflanzenteile wie zum Beispiel Blüten und Wurzelstöcke<br />
sind dargestellt.<br />
Aufmerksam studiert die Hexe das Pergament mit <strong>de</strong>n<br />
Symbolen, sucht auch nach Hinweisen, wie die Farbe<br />
aus <strong>de</strong>n Zutaten herzustellen ist und ob das Rattensymbol<br />
auf <strong>de</strong>m Blatt vorkommt.<br />
Das Rattensymbol kommt ganz am En<strong>de</strong> vor.<br />
Dann faltet sie es sorgfältig zusammen.<br />
"Das nehme ich dann mal an mich." stellt <strong>de</strong>r Magier<br />
fest, nach<strong>de</strong>m die Gefährten das Blatt betrachtet haben.<br />
Er wür<strong>de</strong> das Pergament gern sicher in eine <strong>de</strong>r<br />
Innentaschen seiner Robe stecken, aber …<br />
… noch immer hält die Hexe das Pergament fest. "Wo<br />
hast du das gefun<strong>de</strong>n?" will sie von ihm wissen, ihr<br />
Ton ist barsch.<br />
"Im Schloss, in <strong>de</strong>r alten Bibliothek, unter eine Tischplatte<br />
geklebt", wimmert <strong>de</strong>r alte Holberker.<br />
"Und woher wusstest du, dass dies ein Rezept ist, mit<br />
<strong>de</strong>m man <strong>de</strong>inesgleichen krank machen kann? Und<br />
wer hat dir erzählt, wie man es macht?" bohrt Rovena<br />
weiter.<br />
Kar Krinak win<strong>de</strong>t sich. "Das habe ich in Nahemas<br />
Kontor herausgefun<strong>de</strong>n", gibt er schließlich zu.<br />
"Hab ich's nich' gesagt! Die hat hier 'n Haus, das<br />
wohl!" wirft er in die Run<strong>de</strong>, hört dann aber weiter zu.<br />
"In Nahemas Kontor also." Rovena fixiert <strong>de</strong>n Alten<br />
mit ihrem Blick. "Von ihr selber? Was hat sie dafür<br />
verlangt?"<br />
Suchend und verzweifelt schaut sich <strong>de</strong>r Holberker<br />
um, dann endlich antwortet er auf Rovenas Frage:<br />
"Nichts, ich hab sie nicht mal gesehen, ich bin da einfach<br />
rein gegangen."<br />
Flehend schaut er die Hel<strong>de</strong>n an.<br />
"Und woher kennst Du Nahema? Niemand sonst hier<br />
scheint zu wissen, wer sie ist." fragt <strong>de</strong>r Magier, <strong>de</strong>m es<br />
schon etwas merkwürdig vorkommt, dass dieser Holberker<br />
offenbar ohne weiteres das Haus <strong>de</strong>r mächtigen<br />
Zauberin allein betreten konnte.<br />
"Ich kenne sie nicht, nur Ihr Haus."<br />
"Zeig uns das Haus." for<strong>de</strong>rt Isinha <strong>de</strong>n Alten anschließend<br />
auf. "Jetzt."<br />
"Wenn Ihr mir bei Euren Göttern schwört, dass Ihr<br />
mich nach <strong>de</strong>m Ihr fertig seid ziehen lasst?"<br />
"Wir Dich in Ruhe lassen? Mann, wir haben noch gar<br />
nicht angefangen. Komm unseren Bitten einfach<br />
schön brav nach und keiner wird verletzt." meint Isinha.<br />
"Du nicht, und Dein Haus auch nicht."<br />
"Ich tu' doch schon, was Ihr verlangt." wimmert <strong>de</strong>r<br />
Holberker nur.<br />
Hesan<strong>de</strong>r erinnert sich an manche Anekdote zum<br />
Thema guter Praiot - böser Praiot und meint: "Ich wür<strong>de</strong><br />
auf ihn hören, aber das brauche ich sicher nicht zu
erwähnen … Aber sehr interessant", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Du möchtest, dass wir bei unseren Göttern<br />
schwören. Wie schaut es <strong>de</strong>nn bei Dir aus? Bei wem<br />
wür<strong>de</strong>st Du schwören, dass Du nicht sofort zum Statter<br />
rennst und ihn uns auf <strong>de</strong>n Hals hetzt?"<br />
'Dazu ist er doch viel zu ängstlich', <strong>de</strong>nkt Edric. Da<br />
sich alle mit <strong>de</strong>m Holberker beschäftigen, beginnt er<br />
sich vorsichtig weiter im Raum umzusehen.<br />
"Wenn Ihr fertig seid, verschwin<strong>de</strong>t Ihr doch bestimmt.<br />
Außer<strong>de</strong>m könntet Ihr immer zurück kehren<br />
und Euch rächen. Ich wer<strong>de</strong> nichts sagen, zu nieman<strong>de</strong>n,<br />
ehrlich!"<br />
'Wenn wir die Leute <strong>de</strong>s Statters vorher zu Boron schicken,<br />
mag das sein, alter Mann', <strong>de</strong>nkt sich Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Dann besinnt er sich wie<strong>de</strong>r seiner Pflichten und seines<br />
Auftrags und meint: "Also schön, zumin<strong>de</strong>st ich<br />
schwöre bei meiner Herrin Hesin<strong>de</strong> und ihren elf<br />
göttlichen Geschwistern, dass ich Dich ziehen lassen<br />
und Dir kein Leid zufügen wer<strong>de</strong>, sobald Du uns alle<br />
Informationen, die wir haben wollen, gegeben hast."<br />
Hesan<strong>de</strong>r sagt dies ohne Hintergedanke und ohne<br />
Falschheit.<br />
"Wie sollten erstmal hier die Hütte durchsuchen, das<br />
wohl!" schlägt Ingalf vor. "Irgendwo muss ja die Farbe<br />
sein und vielleicht fin<strong>de</strong>n wir noch mehr …<br />
Nahemas Haus läuft uns nicht weg, aber <strong>de</strong>r hier<br />
schon!"<br />
"Na wenn das das einzige Argument ist …" Demonstrativ<br />
lockert <strong>de</strong>r Magier die Finger <strong>de</strong>r linken Hand,<br />
in<strong>de</strong>m er sie sehr schnell hin und her bewegt. "Das<br />
lässt sich än<strong>de</strong>rn."<br />
"Willst Du jetzt Nahemas Haus laufen lassen o<strong>de</strong>r ihn<br />
festsetzen?" fragt Ingalf. "Aber wenn wir schon hier<br />
sind, dann sollten wir auch erst hier suchen, sonst rennen<br />
wir nur hin und her, das wohl!"<br />
Er macht sich dran <strong>de</strong>n Raum einer genaueren Untersuchung<br />
zu unterziehen.<br />
"Wir haben immerhin schon das Rezept", bemerkt Rovena,<br />
die das gefaltete Pergament in ihrer Bluse hat<br />
verschwin<strong>de</strong>n lassen.<br />
Isinha wirft <strong>de</strong>m Blatt einen kurzen Blick hinterher<br />
und unterdrückt <strong>de</strong>n kurzen Impuls, das Pergament<br />
von seiner jetzigen Position an sich zu nehmen. 'Gut,<br />
verwahre es. Einstweilen.'<br />
"Auch wenn ich mich frage, wer ihn …" sie <strong>de</strong>utet auf<br />
<strong>de</strong>n Alten, "… angewiesen hat, es zuzubereiten, wenn<br />
nicht diese Zauberin." Misstrauisch mustert sie <strong>de</strong>n<br />
Holberker, <strong>de</strong>r bestimmt <strong>de</strong>rjenige ist, <strong>de</strong>n Nahema<br />
ihnen für ihre Zwecke ans Herz gelegt hat. 'Schlau,<br />
ehrgeizig und gewissenlos sollst du also sein', <strong>de</strong>nkt sie<br />
bei sich, während sie <strong>de</strong>n Alten beobachtet. 'Dann<br />
sollte man vor dir auf <strong>de</strong>r Hut sein und dich nicht aus<br />
<strong>de</strong>n Augen lassen …' "Wie hast du es dort im Kontor<br />
überhaupt herausgefun<strong>de</strong>n, wie diese Farbe angerührt<br />
468<br />
und eingesetzt wird?" will sie weiter von Kar Krinak<br />
wissen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Suche schaut Ingalf - wenn vorhan<strong>de</strong>n - auf<br />
Regale und in Schränke. Wenn es in diesem Raum<br />
nichts gibt, wird er sich im Nachbarraum umsehen.<br />
Der Raum ist sehr einfach aber zweckmäßig eingerichtet.<br />
Direkt links und rechts <strong>de</strong>r Eingangstür sind<br />
keine Möbel zu sehen, dafür stehen zur Tür reinkommend<br />
an <strong>de</strong>r linken Wand zwei Schränke, die schon<br />
bessere Zeiten gesehen haben. Sie haben jeweils Doppeltüren,<br />
von <strong>de</strong>r eine schief in <strong>de</strong>n Angeln hängt. Im<br />
Schrank fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Thorwaler abgetragene, einfache<br />
Kleidung wie Wollhosen und Westen.<br />
In <strong>de</strong>r Ecke dahinter ist ein kleiner Tisch zu sehen,<br />
auf <strong>de</strong>m Tiegel, Stampfer, Löffel und Fläschchen stehen.<br />
Die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Paste riecht seht streng. Ein<br />
Fläschchen, das er öffnet, enthält eine klare Flüssigkeit,<br />
<strong>de</strong>ssen Geruch ihm bekannt vorkommt.<br />
"Was haben wir <strong>de</strong>nn hier?" fragt er mehr sich als <strong>de</strong>n<br />
Holberker. Und stellt das Fläschchen erstmal sicher.<br />
"Ja was hast Du <strong>de</strong>nn da?" fragt Isinha interessiert, als<br />
er Ingalf mit <strong>de</strong>n Fläschchen klappern hört. "Alchimistisches<br />
Zubehör?"<br />
"Hmm, irgendwo hatte ich schon mal so'ne Flasche,<br />
das wohl!" meint Ingalf. "Aber wir können ja später in<br />
Ruhe nachschauen, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Ja. Sofern es hier keinen Keller o<strong>de</strong>r Dachbo<strong>de</strong>n gibt,<br />
<strong>de</strong>n wir noch untersuchen müssen, können wir Nahemas<br />
Kontor einen Besuch abstatten."<br />
Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht Isinha <strong>de</strong>n<br />
Holberker fragend an, während <strong>de</strong>r Thorwaler und<br />
Edric ihre Untersuchung fortsetzen.<br />
"Ja, ja, äh, nein, nein." antwortet dieser.<br />
Rechts hinten im Raum stehen ein Tisch und 2 Stühle.<br />
Der eine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Stühle sieht sehr abgenutzt<br />
aus, während <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re zwar staubig, aber fast unberührt<br />
wirkt.<br />
Gera<strong>de</strong> diese Unterschei<strong>de</strong> sind für Ingalf ein Zeichen,<br />
sich die Stühle etwas genauer unter die Lupe zu<br />
nehmen.<br />
Ent<strong>de</strong>cken tut er nichts auffälliges. Bei näherem Untersuchen<br />
sieht <strong>de</strong>r eine Stuhl nur <strong>de</strong>utlich abgenutzter<br />
aus, als wenn auf ihm immer jemand sitzt und auf<br />
<strong>de</strong>m An<strong>de</strong>ren nicht. Bei<strong>de</strong> Stühle sind aus schlichtem<br />
Holz, es scheinen keine Hohlräume o<strong>de</strong>r ähnliches<br />
vorhan<strong>de</strong>n zu sein.<br />
Auch Edric schaut sich die bei<strong>de</strong>n Stühle flüchtig an.<br />
"Wo ist <strong>de</strong>ine Frau?" fragt er <strong>de</strong>n Holberker. Er vermutet<br />
dass <strong>de</strong>ssen Frau nicht mehr hier ist, und sie immer<br />
auf diesem Stuhl gesessen hat. Vielleicht hängt <strong>de</strong>r<br />
Holberker noch an seiner Frau und hat zu ihrem Ge<strong>de</strong>nken<br />
ihre Sachen aufbewahrt.
"Ich hatte nie eine Frau." Wie<strong>de</strong>r schaut <strong>de</strong>r Alte <strong>de</strong>n<br />
Hirten verwirrt an, ist er es von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren doch<br />
nicht gewohnt ein wenig netter behan<strong>de</strong>lt zu wer<strong>de</strong>n.<br />
"Oh. Dann hast Du aber selten Besuch, o<strong>de</strong>r?" fragt<br />
Edric.<br />
An <strong>de</strong>r Wand rechts <strong>de</strong>r Eingangstür ist eine kleine<br />
Kochstelle mit Kessel und ein kleines Regal zu sehen,<br />
auf <strong>de</strong>m einfaches Essgeschirr steht. Gegenüber <strong>de</strong>s<br />
Eingangs zwischen <strong>de</strong>m Tisch mit Tiegeln und <strong>de</strong>m<br />
Esstisch hängt ein verwitterter Vorhang.<br />
Edric nimmt gleich <strong>de</strong>n Nachbarraum in Augenschein.<br />
Dabei geht er vorsichtig mit <strong>de</strong>m Gut <strong>de</strong>s Holberkers<br />
um, schließlich will er nichts kaputtmachen.<br />
Edric kommt Ingalf zuvor und öffnet <strong>de</strong>n Vorhang in<br />
<strong>de</strong>r Rückwand. Im diffusen Licht zweier Kerzen erkennt<br />
er die Schlafstätte <strong>de</strong>s Holberkers. Ein Bett mit<br />
einem Strohsack, ein kleiner Nachtschrank mit einer<br />
Schubla<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>m die Kerzen stehen, in <strong>de</strong>r Ecke<br />
eine tiefe Schale. Als Edric sich ihm nähert, kommt<br />
ihm ein strenger Geruch entgegen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n seiner<br />
Schafher<strong>de</strong> übertrifft.<br />
Ingalf folgt Edric in <strong>de</strong>n Nachbarraum.<br />
Edric schaut kurz in <strong>de</strong>n Nachtschrank und unter das<br />
Bett. 'In <strong>de</strong>r Schale befin<strong>de</strong>nd sich sicher die<br />
Notdurft', ist sich <strong>de</strong>r Hirte sicher und ignoriert diese.<br />
In <strong>de</strong>r Schubla<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>t Edric eine Fuchspfote die an<br />
einem gol<strong>de</strong>nen Kettchen befestigt ist.<br />
"Du solltest die Schale mal ausleeren", informiert er<br />
<strong>de</strong>n Holberker freundlich.<br />
Verwirrt schaut <strong>de</strong>r Holberker <strong>de</strong>n Hirten an.<br />
Interessiert schaut sich Edric das Ganze näher an. In<br />
Zusammenhang mit <strong>de</strong>m gol<strong>de</strong>nen Kettchen muss die<br />
Pfote etwas beson<strong>de</strong>res sein. Vielleicht ein Glücksbringer<br />
o<strong>de</strong>r ein Talisman. Schließlich gibt es da eine Beziehung<br />
zu Phex … Auf je<strong>de</strong>n Fall müssen Holberker<br />
unempfindliche Nasen haben.<br />
"Die Pfote stinkt doch erbärmlich. Riechst Du das<br />
nicht?" meint Edric, ohne näher auf <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung<br />
einzugehen.<br />
Die Hexe wartet immer noch, mittlerweile recht ungeduldig,<br />
auf eine Antwort auf ihre Frage.<br />
Mit einem Seitenblick erkennt <strong>de</strong>r Holberker Rovenas<br />
ungeduldig warten<strong>de</strong> Haltung, dann fällt ihm wie<strong>de</strong>r<br />
ein, was sie von ihm wollte und er beeilt sich zu sagen:<br />
"Niemand hat mich beauftragt und was ich damit machen<br />
kann, steht auf <strong>de</strong>m Pergament, das habe ich<br />
ganz alleine herausgefun<strong>de</strong>n." Ein bisschen Stolz und<br />
zum ersten Mal Selbstwertgefühl sind aus <strong>de</strong>r Stimme<br />
zu hören.<br />
"Na sehr schön." meint Isinha leicht abschätzig.<br />
Die Antwort <strong>de</strong>s Holberkers befriedigt Rovena aber<br />
nicht. Sie schaut Elgar ungehalten an, da er sich schon<br />
wie<strong>de</strong>r einmischt und so direkt mit <strong>de</strong>r Tür einfällt.<br />
469<br />
Ungeduldig wartet sie aber ab, bis <strong>de</strong>r Alte das Geheimnis<br />
<strong>de</strong>s Amuletts, das Edric gefun<strong>de</strong>n hat, preisgegeben<br />
hat, dann bohrt sie weiter. "Du hast erzählt,<br />
das Pergament in <strong>de</strong>r Bibliothek unter eine Tischplatte<br />
geklebt gefun<strong>de</strong>n zu haben und in Nahemas Kontor<br />
hast du erfahren, wie man mit <strong>de</strong>m Rezept an<strong>de</strong>re<br />
krank macht. Jetzt behauptest du, du hättest das allein<br />
herausgefun<strong>de</strong>n, weil es auf <strong>de</strong>m Pergament steht.<br />
Was hast du dann bei Nahema gesucht?" Sie glaubt<br />
<strong>de</strong>m alten Holberker nicht. "Was verheimlichst du<br />
uns?" fragt sie ihn scharf.<br />
"Darauf erwartest Du doch nicht ernsthaft eine Antwort,<br />
o<strong>de</strong>r?" hakt <strong>de</strong>r Magier nach. "Dann wür<strong>de</strong> er es<br />
doch nicht verheimlichen." Er schüttelt <strong>de</strong>n Kopf über<br />
die Kurzsichtigkeit <strong>de</strong>r Hexe. 'Wer nur intuitiv zaubert,<br />
<strong>de</strong>nkt auch ansonsten in an<strong>de</strong>ren Bahnen.' macht<br />
Isinha sich im Geiste eine Notiz mit <strong>de</strong>r Absicht, dies<br />
bei nächster Gelegenheit mit Rovena zu diskutieren.<br />
"Wir könnten ihn ja zu einer Antwort überre<strong>de</strong>n, das<br />
wohl!" meint Ingalf halblaut zu <strong>de</strong>m Magier.<br />
"Aber eigentlich wissen wir doch jetzt alles. Ich halte<br />
das für unnötig." wispert Isinha zurück.<br />
"Aye, vermutlich hast Du Recht!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
Mit einem langen Blick taxiert Rovena <strong>de</strong>n Magier,<br />
dann zieht sie abschätzig einen Mundwinkel hoch.<br />
"Wenn du meinst, ihm trauen zu können, dann dringe<br />
nicht weiter in ihn ein. Wenn es dich nicht misstrauisch<br />
macht, Nahema hier getroffen zu haben, die behauptet,<br />
ihn hier zu kennen, …" sie <strong>de</strong>utet mit <strong>de</strong>m<br />
Kopf auf <strong>de</strong>n Alten, "… und dass er Dir so bereitwillig<br />
<strong>de</strong>n Schlüssel zum Orkenhort aushändigt, dann sei<br />
zufrie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m, was dir offenbart wird." Und mit<br />
gesenkter Stimme raunt sie ihm warnend zu: "Sei vorsichtig,<br />
dass man dich nicht vor einen Karren spannt,<br />
<strong>de</strong>n du nicht mehr aus <strong>de</strong>m Dreck zu ziehen in <strong>de</strong>r<br />
Lage bist. Den hier und die Zauberin verlangt es nach<br />
Macht und Reichtum, sie suchen doch nach Dummen,<br />
die ihnen <strong>de</strong>n Zugang dazu ermöglichen."<br />
Den Blick <strong>de</strong>r Hexe ignorierend antwortet <strong>de</strong>r Magier<br />
ebenso leise: "Nahema hat nie behauptet, ihn hier zu<br />
kennen. Außer<strong>de</strong>m dürfte sie ausreichend mächtig<br />
sein, uns direkt dazu zu bringen, ihr - was auch immer<br />
- aus <strong>de</strong>m Hort zu beschaffen. Und dieser hier?<br />
Wenn er mehr als <strong>de</strong>n Posten <strong>de</strong>s Statters wollte,<br />
könnte er es sich mit <strong>de</strong>m Amulett bereits seit langer<br />
Zeit geholt haben. 'Manchmal ist ein Stein wirklich<br />
nur ein Stein.'" zitiert Isinha eine alte Weisheit, dass<br />
zwar oft mehr hinter Dingen steckt, als offenbar wird.<br />
Aber eben nicht immer.<br />
Die Hexe schnaubt leise. "Hat sie doch, sonst hätte sie<br />
uns nicht zu ihm empfohlen. Und er weiß zufällig,<br />
welches <strong>de</strong>r verlassenen Häuser ihr Kontor ist. Uns<br />
brauchen sie, eine Gefahr aus <strong>de</strong>m Weg zu räumen,<br />
damit sie sich selber an <strong>de</strong>n Schätzen bereichern kön-
nen", behauptet sie aus einem Gefühl heraus. "Ganz<br />
nebenbei hat sie uns ja großzügig davor gewarnt."<br />
Nun ist es an <strong>de</strong>m Magier, die Hexe zu mustern.<br />
"Ohne hier eine Grundsatzdiskussion über die Motive<br />
von Nahema vom Zaun brechen zu wollen, hat sie<br />
uns nur gesagt, dass - wohl er hier - uns helfen könne.<br />
Sie hat nicht gesagt, dass wir die Hilfe in Anspruch<br />
nehmen müssen. Aber da uns nichts besseres eingefallen<br />
ist, wie wir an <strong>de</strong>n Eichen vorbei kommen, ist je<strong>de</strong><br />
Hilfe willkommen." Er lächelt sie leicht an: "Ein gesun<strong>de</strong>s<br />
Misstrauen ist eine feine Sache, aber zuviel <strong>de</strong>s<br />
Guten ist hin<strong>de</strong>rlich. Glaub mir, ich bin <strong>de</strong>r Letzte,<br />
<strong>de</strong>r gedankenlos Vertrauen verschenkt, aber ich bin<br />
mir sicher, dass es hier nicht angebracht ist, mehr zu<br />
'verlangen'."<br />
Rovena kann Elgar zu seinen Ausführungen nur ein<br />
mü<strong>de</strong>s Lächeln schenken.<br />
"Ein gesun<strong>de</strong>s Misstrauen kann durchaus von Vorteil<br />
sein", murmelt sie leise, als wüsste sie, wovon sie<br />
spricht. Sie kann sich einfach nicht vorstellen, dass<br />
Nahema, nach <strong>de</strong>m, was sie bisher von ihr erfahren<br />
und erlebt hat, uneigennützig han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>.<br />
Ihr Blick wen<strong>de</strong>t sich nun Kar Krinak zu, <strong>de</strong>n sie böse<br />
anfunkelt. Es gefällt ihr ganz und gar nicht, dass Nahema<br />
und <strong>de</strong>r Holberker so gut über <strong>de</strong>n Orkenhort<br />
Bescheid wissen und ihre Gefährten so gierig hinter<br />
<strong>de</strong>m Schatz her sind. Sie fürchtet, in eine Falle gelockt<br />
zu wer<strong>de</strong>n, ohne zu wissen, wie diese aussehen wird<br />
… wer so mitleidlos sein eigenes Volk lei<strong>de</strong>n lässt,<br />
wird bei Frem<strong>de</strong>n noch weniger Rücksicht nehmen …<br />
"Ich habe alle verlassenen Häuser abgesucht, um<br />
Macht und Reichtum zu erlangen." wimmert <strong>de</strong>r Alte,<br />
"bitte, lasst mich in Ruhe!"<br />
'Wahrscheinlich hat ihn Nahema <strong>de</strong>shalb als <strong>de</strong>n 'gerissensten'<br />
Bewohner bezeichnet. Dumm scheint er<br />
wirklich nicht zu sein. Je<strong>de</strong>nfalls im Vergleich zu <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren Bewohnern.' ruft sich <strong>de</strong>r Magier in Erinnerung.<br />
'Was hatte Nahema noch gleich über ihn gesagt?<br />
Ach ja, er könne uns <strong>de</strong>n Weg zum Schatzversteck<br />
weisen. Nur waren wir ja schon mit <strong>de</strong>m Statter am<br />
470<br />
Höhleneingang. Entwe<strong>de</strong>r kennt <strong>de</strong>r Alte einen Weg<br />
an <strong>de</strong>n Bäumen vorbei, o<strong>de</strong>r es gibt einen zweiten<br />
Eingang.' überlegt Isinha weiter.<br />
"Also gut." stellt er fest. "Was weißt Du über <strong>de</strong>n so genannten<br />
Orkenhort und die 'springen<strong>de</strong>n Eichen'?"<br />
fragt <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Ich weiß, wie Ihr darein kommt!" Es ist ihm anzusehen,<br />
dass er erleichtert ist, <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n helfen zu können,<br />
erhofft er sich doch dann Mil<strong>de</strong> von Ihnen. "Ich<br />
hab ein Amulett, damit kommt Ihr dort rein."<br />
Wortlos streckt <strong>de</strong>r Magier die Hand aus. Dann fragt<br />
er doch kurz und bündig: "Funktionsweise?"<br />
"Es wäre besser, Du sagst es ihm, das wohl!" meint Ingalf.<br />
Mit einer Hand zeigt <strong>de</strong>r Holberker auf <strong>de</strong>n Hirten.<br />
"Einfach nur hinhalten."<br />
Der Magier nickt zum Zeichen, dass er verstan<strong>de</strong>n<br />
hat. Das Amulett verwahrt er sicher.<br />
Isinha wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zu. "Ich <strong>de</strong>nke, wir<br />
sind hier fertig." An <strong>de</strong>n Holberker gewandt fügt er<br />
hinzu: "Dann lass uns mal Nahemas Kontor unter die<br />
Lupe nehmen." Er be<strong>de</strong>utet <strong>de</strong>m Alten, voran zu gehen.<br />
"Keine Dummheiten." warnt er ihn - wohl überflüssiger<br />
Weise.<br />
Mit gesenktem Kopf wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Alte <strong>de</strong>r Tür zu<br />
und öffnet sie vorsichtig. Die Reaktion <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>n,<br />
ihn aufzuhalten, ist überflüssig, steht doch vor <strong>de</strong>r Tür<br />
<strong>de</strong>r Aranier mit gezogener Waffe und empfängt <strong>de</strong>n<br />
Holberker mit hochgezogener Braue.<br />
Der Alte dreht sich zu <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n und flüstert: "Folgt<br />
mir."<br />
"Ja." antwortet <strong>de</strong>r Magier und behält <strong>de</strong>n Holberker<br />
wachsam im Auge. Er verlässt das Haus und be<strong>de</strong>utet<br />
<strong>de</strong>m Alten, voran zu gehen.<br />
Ingalf schließt sich mit Kawi <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n an. Zu seinem<br />
Hund flüstert er: "Wenn Du mal groß bist, dann<br />
kannst Du solche Luschen auch überzeugen, das<br />
wohl!"
K<br />
ar Krinak führt die Hel<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Osten <strong>de</strong>r<br />
Stadt.<br />
An einer Straßenecke (I18) stehen die Reste eines<br />
großen Gebäu<strong>de</strong>s. Der nördliche Teil scheint recht gut<br />
erhalten zu sein, <strong>de</strong>r südliche Teil ist wohl schon vor<br />
Jahren eingestürzt - aus ihm wachsen ein paar, mehr<br />
als 5 Schritt hohe, Birken heraus.<br />
In <strong>de</strong>r Außenwand ist über <strong>de</strong>r Nordtür ein steinernes<br />
La<strong>de</strong>nschild eingesetzt.<br />
"Bei Swafnir, sach ma, willste uns verklapsen?" fragt<br />
Ingalf <strong>de</strong>n Holberker. "Das is'n La<strong>de</strong>n und nicht Nahemas<br />
Haus, das wohl!"<br />
Der Holberker richtet sich auf. "Kannst Du nicht lesen?"<br />
fragt er wür<strong>de</strong>voll. Tatsächlich, mit ein wenig<br />
Mühe und Phantasie ist auf <strong>de</strong>m La<strong>de</strong>nschild in stark<br />
verwitterter Schrift 'Nahemas Kontor' zu entziffern.<br />
'Hm. Wo er Recht hat.' <strong>de</strong>nkt <strong>de</strong>r Magier mit einem<br />
Blick auf das Schild. Allerdings kann er sich nicht erinnern,<br />
dass sie hier vorbei gekommen sind. Schließlich<br />
haben sie auch nicht die gesamte Stadt abgesucht.<br />
Und alle Schil<strong>de</strong>r haben Sie auch nicht gelesen …<br />
Ingalf strengt sich an, aber die Buchstaben sind entwe<strong>de</strong>r<br />
in einer Schrift geschrieben, die er nicht kennt,<br />
o<strong>de</strong>r zu sehr verwittert. Er schüttelt nach einem vergeblichen<br />
Versuch die Schultern. "Na, wenn Du das<br />
sagst."<br />
"Das ist es also?" wun<strong>de</strong>rt sich Hesan<strong>de</strong>r. "Nun, es<br />
wirkt zumin<strong>de</strong>st unauffällig", murmelt er.<br />
"Irre ich mich o<strong>de</strong>r wusste <strong>de</strong>r Statter nichts von Nahema?",<br />
fragt Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Magus leise.<br />
"Nein, äh, ja." erhält er zur Antwort. "Nein, Ihr irrt<br />
nicht. Ja, er wusste nichts von ihr o<strong>de</strong>r er hat es uns<br />
verschwiegen." erläutert Isinha kurz. "Aber das spielt<br />
keine Rolle, <strong>de</strong>nn jetzt sind wir hier."<br />
"Der Statter is' ja auch blöd!""Der Statter is' ja auch<br />
blöd!" mischt Ingalf sich ein.<br />
"War dieses Gemäuer auch bei Deinen Besuchen bereits<br />
<strong>de</strong>rart <strong>de</strong>m Verfall preisgegeben?" fragt <strong>de</strong>r Magier<br />
und übergeht damit Ingalfs Einwand.<br />
"Ja", erwi<strong>de</strong>rt Kar Krinak nur.<br />
An <strong>de</strong>n Holberker gewandt fügt er hinzu: "Nun führe<br />
er uns hinein."<br />
Mit einer kleinen Verbeugung drückt Kar Krinak die<br />
schräg in <strong>de</strong>n Angeln hängen<strong>de</strong> Haupteingangstür<br />
auf. Dahinter ist ein ehemaliger Eingangsraum, so wie<br />
er nach jahrhun<strong>de</strong>rtealter Verwüstung aussehen mag:<br />
Unter einer Staubschicht sieht man die Reste einer<br />
Treppe, die früher mal ins nicht mehr vorhan<strong>de</strong>ne<br />
Obergeschoss geführt hat, <strong>de</strong>r Anfang eines Ganges,<br />
<strong>de</strong>r ins jetzt völlig verfallenen Hinterhaus führt, nach<br />
rechts ein Durchgang in einen <strong>de</strong>r Räume auf <strong>de</strong>r Vor-<br />
Nahemas Kontor<br />
471<br />
<strong>de</strong>rseite. Nach links gibt ebenfalls einen Durchgang.<br />
Der Raum dahinter ist dunkel. Er hat anscheinend<br />
kein Fenster.<br />
"Dort entlang!" weist Kar Krinak <strong>de</strong>n Weg in <strong>de</strong>n<br />
dunklen Raum.<br />
"Nach Dir." be<strong>de</strong>utet <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>m alten Holberker<br />
und hält in <strong>de</strong>r einen Hand plötzlich eine brennen<strong>de</strong><br />
Fackel, um <strong>de</strong>n Weg in <strong>de</strong>n dunklen Raum zu beleuchten.<br />
Er hält sich hinter Kar Krinak und achtet<br />
darauf, dass dieser sie nicht in eine Falle lockt.<br />
"Seht Euch ruhig um." for<strong>de</strong>rt er seine Gefährten auf,<br />
als währe er hier zu Hause.<br />
Ingalf ist an Nahemas Haus nicht so interessiert - eigentlich<br />
will er <strong>de</strong>n Orkenhort fin<strong>de</strong>n. Und <strong>de</strong>n<br />
Schlüssel dazu trägt <strong>de</strong>r Magier bei sich.<br />
Der alte Holberker führt die Gruppe in <strong>de</strong>n dunklen<br />
Raum.<br />
Als <strong>de</strong>r Holberker vorgeht, sieht Hesan<strong>de</strong>r sich in <strong>de</strong>r<br />
Tat neugierig um, soweit Elgars Fackel genug Licht<br />
hierfür spen<strong>de</strong>t.<br />
Unter <strong>de</strong>r Zimmer<strong>de</strong>cke hängen Fle<strong>de</strong>rmäuse.<br />
Rovena schließt sich <strong>de</strong>m Magier an und hält sich<br />
dicht hinter ihm. Sie erwartet, dass <strong>de</strong>r Alte sie dahin<br />
führen wird, wo er hinter das Geheimnis <strong>de</strong>s Rezeptes<br />
gestoßen ist. Wachsam schaut sie sich um und hält sie<br />
ihren Stab fest umschlossen, während sie <strong>de</strong>n Tragebeutel<br />
mit Surnia hinter sich auf <strong>de</strong>n Rücken schiebt<br />
…<br />
Der Raum ist fast leer. In einer Ecke steht nur ein<br />
zierlicher Schreibtisch. Das rote Holz ist von einer dicken<br />
Staubschicht be<strong>de</strong>ckt, ebenso eine faustgroße<br />
Kugel, die, von einem filigranen Gestell gestützt, auf<br />
<strong>de</strong>r Schreibtischplatte steht. Kar Krinak zeigt auf die<br />
Kugel. "Da!"<br />
"Hm." macht Isinha. "Passt auf ihn auf!" for<strong>de</strong>rt er die<br />
Gefährten auf und nähert sich <strong>de</strong>r Kugel, die er anschließend,<br />
ohne sie o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Tisch zu berühren, in<br />
Augenschein nimmt.<br />
"Kein Problem, das wohl!" meint Ingalf und baut sich<br />
zwischen Holberker und Tür auf.<br />
Unsicher schaut Edric sich um. Ihm ist nicht wohl in<br />
diesem alten Gemäuer.<br />
Der Krieger folgt <strong>de</strong>m Magier, hier im Haus zieht er<br />
wie<strong>de</strong>r seine Waffe.<br />
Rovena achtet nicht auf Elgars Anweisung, son<strong>de</strong>rn<br />
nähert sich wie gebannt <strong>de</strong>r faustgroßen Kugel auf<br />
<strong>de</strong>m Tisch, die sie fasziniert betrachtet. Sollte dies eine<br />
Kristallkugel sein, wie sie von Wahrsagerinnen benutzt<br />
wird, die die Zukunft prophezeien können …?
Kugel, Gestell und Tisch sind eingestaubt. Ohne zu<br />
putzen, wird man nicht herauskriegen, aber an ein<br />
paar Stellen blitzt es gol<strong>de</strong>n durch die Staubschicht im<br />
Gestell. Nichts glänzt durch die Staubschicht auf <strong>de</strong>r<br />
Kugel. Sie muss von dunkler Farbe sein.<br />
"Weißt Du, was das hier ist?" fragt <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n alten<br />
Holberker, ohne <strong>de</strong>n Blick von <strong>de</strong>r Kugel zu wen<strong>de</strong>n.<br />
"Ich weiß, was …" fängt Kar Krinak an, wird dann<br />
aber von Rovenas Aktion unterbrochen.<br />
Fast magisch wird Rovena von <strong>de</strong>r rätselhaften Kugel<br />
angezogen. Sie achtet nicht mehr auf ihre Umgebung,<br />
son<strong>de</strong>rn streckt die Hand aus, um <strong>de</strong>n Staub von ihrer<br />
Oberfläche zu wischen …<br />
"Halt, nicht!" geht Isinha dazwischen, <strong>de</strong>r seine Neugier<br />
ausnahmsweise zügeln kann, und hält reflexartig<br />
Rovenas Hand fest.<br />
Ein Zischen wie das eines wüten<strong>de</strong>n Nachtvogels<br />
dringt aus <strong>de</strong>m Mund <strong>de</strong>r Hexe, sie wirft <strong>de</strong>n Kopf<br />
herum und funkelt <strong>de</strong>n Magier aufgebracht mit ihren<br />
smaragdgrünen Augen an. Erregt versucht sie, ihre<br />
Hand aus <strong>de</strong>m harten Griff <strong>de</strong>s Magiers zu befreien.<br />
"Lass mich … ich will doch nur … wie kannst du es<br />
wagen …" stößt sie aus und win<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>m Versuch,<br />
an dieses Objekt ihrer Begier<strong>de</strong> zu gelangen.<br />
Unausgesprochene Worte bewegen ihre Lippen …<br />
Edric weiß nicht, warum sich die bei<strong>de</strong>n streiten wie<br />
unreife Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r wie ein altes Ehepaar, doch ihm<br />
wird immer ungemütlicher hier in <strong>de</strong>r Kammer. So<br />
bewegt er sich langsam ein wenig zum Ausgang hin.<br />
"Na, Kinners, wenn ihr streiten wollt, dann habt ihr<br />
'ne ganze Stadt voller Holberker, das wohl!" versucht<br />
Ingalf zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n zu vermitteln. Da er dabei<br />
aber seinen strategisch günstigen Platz zwischen Tür<br />
und Kar Krinak nicht aufgibt, ist es aber, wie er sofort<br />
merkt vergeblich.<br />
"Gaaanz ruhig." versucht Isinha, die aufgebrachte<br />
Hexe zu beschwichtigen. "Ich lasse los, sobald Du versprichst,<br />
Dich 'zu benehmen' …" fährt er leise fort.<br />
Seine Hand umklammert das Handgelenk <strong>de</strong>r zierlichen<br />
Frau wie ein Schraubstock. "Wenn wir hier übereilt<br />
vorgehen, kann es durchaus sein, dass keiner von<br />
uns diesen Raum lebend verlässt o<strong>de</strong>r noch etwas viel<br />
schlimmeres geschieht. Also reiß' Dich zusammen!"<br />
zischt er mit Nachdruck.<br />
Rovena starrt ihn an, in ihren Augen blitzt es auf.<br />
Dann senkt sie plötzlich <strong>de</strong>n Kopf, atmet ein paar mal<br />
tief ein und aus. "Ja, du wirst vielleicht Recht haben …<br />
entschuldige …", murmelt sie leise, spürt ein leichtes<br />
Beben ihres Körpers.<br />
Mühsam unterdrückt <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n Impuls, ihr tröstend<br />
mit <strong>de</strong>r Hand über das Haar zu streichen.<br />
472<br />
Dann lässt er ihr Handgelenk langsam frei, je<strong>de</strong>rzeit<br />
bereit, erneut wie eine Kobra zuzustoßen und Rovena<br />
davon abzuhalten, etwas Unüberlegtes zu tun.<br />
Scheinbar ruhig steht die junge Frau nun neben <strong>de</strong>m<br />
Magier und schaut wie gebannt zu <strong>de</strong>r Kugel hin.<br />
Auch Isinha widmet sich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kugel, er mustert<br />
sie und murmelt: " weht<br />
da ein Hauch von Zauberei?"<br />
Grell leuchtet die Kugel vor Isinhas innerem Auge auf.<br />
Selbst Gestell und Schreibtisch leuchten rötlich.<br />
"Oh ha!" entfährt es <strong>de</strong>m Magier leise. Dann dreht er<br />
sich zu <strong>de</strong>m Holberker herum und fragt: "Hast Du<br />
hier jemals irgend etwas angefasst?"<br />
"Natürlich!" Kar Krinak ist jetzt ganz entspannt.<br />
"Sonst sieht man doch nichts."<br />
Rovena wirft Elgar einen triumphieren<strong>de</strong>n Blick zu.<br />
"Siehst du!", sagt sie und streckt wie<strong>de</strong>r ihre Hand<br />
nach <strong>de</strong>r Kugel aus.<br />
Der Magier setzt <strong>de</strong>n nachsichtigen Blick eines Großvaters<br />
auf, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m quengeln<strong>de</strong>n Enkel einfach nichts<br />
übel nehmen kann und lächelt verschmitzt. "Na, wir<br />
haben doch nicht etwa eines <strong>de</strong>r sagenumwobenen<br />
Schwarzen Augen gefun<strong>de</strong>n, was?" fragt er. Dann fügt<br />
er hinzu: "Vorsicht! Nicht nur die Kugel, auch das Gestell<br />
und sogar <strong>de</strong>r Tisch sind magisch."<br />
Aber diesmal lässt er Rovena gewähren. "Was siehst<br />
Du?" fragt er neugierig.<br />
"Wer weiß …" murmelt die Hexe leise und legt behutsam<br />
ihre Hand auf die staubige Kugel. Sie fährt sachte<br />
über die Oberfläche und wischt dabei <strong>de</strong>n Staub fort.<br />
Konzentriert und mit gespannter Aufregung wartet sie<br />
darauf, was sich ihr offenbaren wird.<br />
Auf <strong>de</strong>r Kugel flackert ein bewegtes Bild auf, das ein<br />
paar Sekun<strong>de</strong>n später wie<strong>de</strong>r erlischt. Alle, die auf die<br />
Kugel schauen sehen, wie die Flamme eines verwan<strong>de</strong>lten<br />
Zauberstabes sich in relativ dunkler Umgebung<br />
bewegt. Ein paar Gestalten umgeben die Flamme.<br />
"Ich sah in die Vergangenheit …" murmelt Rovena,<br />
konzentriert auf die Bil<strong>de</strong>r, die ihr gezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />
"Die Kugel zeigt uns, wie wir in diesen Raum eintraten."<br />
Sachte streicht sie wie<strong>de</strong>r über die glatte Oberfläche.<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r nach vorne getreten ist als sich die ersten<br />
Bil<strong>de</strong>r zeigten, meint mit leichtem Entsetzen: "Das<br />
sind ja wir, das wohl! Was ist das für ein Gedöns?"<br />
Er geht mit <strong>de</strong>r Orknase drohend auf die Kugel zu.<br />
"Sachte, sachte", mahnt Hesan<strong>de</strong>r. "Lass das Ding<br />
heil. Es ist magisch und man kann damit offenbar in<br />
die Vergangenheit gucken."<br />
"Was hat das mit Magie zu tun? In meine Vergangenheit<br />
kann ich auch gucken, das wohl! Und ich habe<br />
keine Schwarzen Augen!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler
und betrachtet das Schwarze Auge skeptisch und vorsichtig.<br />
Die Szene setzt sich fort.<br />
Verwirrt schaut <strong>de</strong>r Aranier auf das sich ihm bieten<strong>de</strong><br />
Bild. "Hesin<strong>de</strong>, steh uns bei. Das muss eines <strong>de</strong>r<br />
Schwarzen Augen sein, von <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>n Märchen<br />
immer die Re<strong>de</strong> ist. Nie wagte ich zu glauben, dass es<br />
sie wirklich, geschweige <strong>de</strong>nn, eines zu sehen." Fassungslos<br />
und gebannt betrachtet er es weiter.<br />
"Bei <strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n Mutter", sagt Hesan<strong>de</strong>r mit bewegter<br />
Stimme. "Ich habe von diesen Schwarzen Augen<br />
viel gelesen, aber noch nie eines gesehen." Er<br />
überlegt kurz.<br />
"Sagt einmal, Elgar", meint er dann auf Bosparano,<br />
"wäre es anhand dieses Auges nicht <strong>de</strong>nkbar, die Erschaffung<br />
o<strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Holberker in Erfahrung<br />
zu bringen. Das ist ein Wissen, welches ich gerne<br />
unserem Hort präsentieren wür<strong>de</strong>."<br />
erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier vorsichtig<br />
in <strong>de</strong>r gleichen Sprache. <br />
Hesan<strong>de</strong>r betrachtet das Auge und konzentriert sich<br />
auf eine ihm nicht bekannte Zeit, in <strong>de</strong>r die Holberker<br />
entstan<strong>de</strong>n sein müssten. Eine ungefähre Schätzung<br />
nimmt er anhand <strong>de</strong>r Daten <strong>de</strong>s Statterbuches vor.<br />
Nichts passiert. Hesan<strong>de</strong>r zuckt die Achseln.<br />
Einer plötzlichen Eingebung folgend zieht sie das<br />
Pergament mit <strong>de</strong>n Rezept-Symbolen aus ihrer Bluse<br />
und bringt es in die Nähe <strong>de</strong>r magischen Kugel.<br />
Das hat überhaupt keinen Effekt.<br />
Etwas enttäuscht verbirgt Rovena das Pergament wie<strong>de</strong>r<br />
sorgfältig unter ihrer Bluse. "Wie geht man mit<br />
dieser Kugel um, dass sie einem das zeigt, was man<br />
wissen will?" fragt sie sich leise und streicht nach<strong>de</strong>nklich<br />
über <strong>de</strong>ren Oberfläche.<br />
Wie<strong>de</strong>r flackern Bil<strong>de</strong>r auf.<br />
"Du musst <strong>de</strong>r Kugel das 'Wann' mitteilen", hilft Kar<br />
Krinak. "Aber ich wür<strong>de</strong> nur zurückschauen."<br />
Ingalf dreht sich um: "Warum, hier ist doch nix?"<br />
Der alte Holberker überhört Ingalf.<br />
Aufmerksam schaut Rovena die Kugel auf die flackern<strong>de</strong>n<br />
Bil<strong>de</strong>r, damit ihr ja nichts entgeht. "Man<br />
muss <strong>de</strong>r Kugel also das genaue Jahr bekannt geben,<br />
aus <strong>de</strong>m man etwas wissen will, o<strong>de</strong>r wie meinst du<br />
das?" fragt sie <strong>de</strong>n Holberker neugierig.<br />
"Ja, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Tag", hilft Kar Krinak.<br />
"Und was hast du für ein Jahr genannt, o<strong>de</strong>r welchen<br />
Tag, als dir gezeigt wur<strong>de</strong>, wie das Rezept anzuwen<strong>de</strong>n<br />
ist?" fragt Rovena weiter.<br />
"Weiß ich nicht mehr, ist lange her." Kar Krinak ist<br />
wenig glücklich. "Ich habe mich damals in <strong>de</strong>r Zeit<br />
zurück gearbeitet. Und dann habe ich es gefun<strong>de</strong>n."<br />
473<br />
Fragend schaut Rovena zu ihren gelehrten Gefährten<br />
hinüber, während sie von Krinak noch wissen will:<br />
"Du hast doch die Kugel sicher nach eurer Zeitrechnung<br />
befragt?" Sie überlegt, welche Ereignisse aus<br />
<strong>de</strong>m Stadtherrenbuch an welchem Datum stattgefun<strong>de</strong>n<br />
hatten.<br />
Kar Krinak schüttelt <strong>de</strong>n Kopf. "Nein, ich habe 'vor<br />
zwei Jahren' o<strong>de</strong>r so für <strong>de</strong>n Zeitpunkt genommen."<br />
'Wirklich nicht dumm, dieser Holberker.' <strong>de</strong>nkt Isinha<br />
bewun<strong>de</strong>rnd.<br />
"Ah, so einfach soll das also gehen." Rovena nickt sinnierend<br />
mit <strong>de</strong>m Kopf, dann streicht ihre Hand über<br />
die Kugel und sie stellt ihr die Frage, die sie beson<strong>de</strong>rs<br />
beschäftigt. "Was hat Nahema vor zwei Tagen hier in<br />
Ohort zu schaffen gehabt?" Gespannt beobachtet sie<br />
das Schwarze Auge.<br />
Nahema erscheint im Schwarzen Auge, sie scheint die<br />
Hel<strong>de</strong>n intensiv anzuschauen.<br />
"Daran kann ich mich gar nicht erinnern." meint Isinha<br />
leise. "Vielleicht hat auch Nahema hier das<br />
Schwarze Auge befragt." vermutet er. "Wonach mag sie<br />
gesucht haben? Nach uns?"<br />
"Kann man sich auch an<strong>de</strong>re Orte ansehen?" fragt Edric<br />
interessiert von <strong>de</strong>r Tür aus dazwischen.<br />
"Nein, nur die Stelle hier." Kar Krinak scheint sich da<br />
ziemlich sicher.<br />
"Scha<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn es gibt so viele Orte, die ich gern sehen<br />
will, das wohl!" meint Ingalf. 'Den Orkenhort um in<br />
<strong>de</strong>r Nähe zu bleiben …'<br />
Nahemas Arme und Hän<strong>de</strong> erscheinen, wer<strong>de</strong>n immer<br />
größer, bis das Bild teilweise dunkel wird. Es ist<br />
so, als ob man aus <strong>de</strong>m Inneren <strong>de</strong>s Schwarzen Auges<br />
Nahema zusieht, wie sie die Kugel umfasst.<br />
"Was hat sie von Dir wissen wollen?" murmelt Rovena<br />
und beobachtet gebannt, was die Kugel noch zeigen<br />
wird.<br />
Nahema zerrt an <strong>de</strong>r Kugel, ihr Gesicht verzieht sich<br />
zur Grimasse. Dann lässt sie los, flucht und verlässt<br />
<strong>de</strong>n Raum. Das Bild erlischt.<br />
"Sie wollte das Auge mitnehmen, das wohl!" meint Ingalf<br />
und fügt mit leichtem Grinsen hinzu. "Zaubern<br />
kann sie ja, aber ist wohl ein bisschen schwach auf <strong>de</strong>r<br />
Brust die Gute!"<br />
"Na, das lass sie mal hören!" meint Isinha mit leicht<br />
spöttischem Unterton. "Ich gehe vielmehr davon aus,<br />
dass ihre Kraft nicht ausgereicht hat. Denn meine erste<br />
magische Analyse hat ergeben, dass auch <strong>de</strong>r Tisch<br />
und das Gestell magisch sind. Durchaus <strong>de</strong>nkbar, dass<br />
man das Schwarze Auge zu seinem Schutz hier regelrecht<br />
verankert hat. Wahrscheinlich kann man es nicht<br />
einmal zusammen mit <strong>de</strong>m Tisch hier heraus tragen."<br />
"Wir können es ja mal probieren, o<strong>de</strong>r?" fragt Ingalf<br />
<strong>de</strong>n Magier.
"Wozu?" fragt <strong>de</strong>r Magier zurück. "Um zu sehen, was<br />
hier in dieser Hütte geschehen ist, einen ganzen Tisch<br />
mit uns herum zu tragen? Ohne mich!"<br />
"Aber vielleicht zeigt es ja woan<strong>de</strong>rs auch eine an<strong>de</strong>re<br />
Geschichte" meint Ingalf nach<strong>de</strong>nklich. 'Und das wäre<br />
doch toll - vermutlich will es Nahema ja genau <strong>de</strong>shalb<br />
mitnehmen, das wohl! Manchmal verstehe ich<br />
<strong>de</strong>n Magier nicht …'<br />
"Seit wann interessierst Du Dich <strong>de</strong>nn für magische<br />
Artefakte?" wun<strong>de</strong>rt Isinha sich. "Ach so, jetzt begreife<br />
ich. Das Ding sieht schwer genug aus, um es je<strong>de</strong>m<br />
Gegner effektvoll an <strong>de</strong>n Kopf zu werfen o<strong>de</strong>r ihm<br />
<strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l damit zu plätten!" erntet <strong>de</strong>r Thorwaler<br />
ein Grinsen. 'Recht hat er. Es wäre höchst interessant,<br />
das Auge an geschichtsträchtige Orte zu bringen und<br />
<strong>de</strong>ren wahre Geschichte zu ergrün<strong>de</strong>n, anstatt <strong>de</strong>n<br />
Geschichten <strong>de</strong>r Alten zu vertrauen.' überlegt <strong>de</strong>r Magier.<br />
'Aber wenn schon Nahema gescheitert ist, wie<br />
soll es uns dann gelingen? Und mit einem Tisch<br />
durch die Lan<strong>de</strong> zu ziehen, ist auch nicht so toll.'<br />
"Ich interessiere mit für das Auge, weil Du es nicht<br />
tust, das wohl!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler. "Wir könnten<br />
ja mit Theires re<strong>de</strong>n, vielleicht leiht er uns ja seinen<br />
Wagen … irgendwie müssen wir ja auch <strong>de</strong>n<br />
Schatz hier weg kriegen, bei Swafnir! Und schleppen<br />
wollen wir doch nicht alles, o<strong>de</strong>r?"<br />
'Streiten die sich jetzt auch wie<strong>de</strong>r? In <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s<br />
Auges scheint alles zu eskalieren.' <strong>de</strong>nkt Edric.<br />
Hesan<strong>de</strong>r überlegt schon eine ganze Weile und meint<br />
dann: "Also wenn dieses Auge immer die Ereignisse<br />
dieses Raumes zeigt, dann könnte Nahema , wenn sie<br />
diesen Raum wie<strong>de</strong>r betritt, feststellen, was wir hier<br />
gemacht haben. Ich gehe davon aus, dass sie es nicht<br />
gerne sieht, wenn Frem<strong>de</strong> ihren Kontor betreten."<br />
Dann schaut er die Kugel an. "Vielleicht muss man<br />
einen Ort genauso gut kennen wie die Zeit. Lasst das<br />
Auge einen Moment lang noch hier stehen."<br />
Dann konzentriert er sich auf das Auge und fokussiert<br />
gedanklich <strong>de</strong>n Lagerraum <strong>de</strong>r Burg, in <strong>de</strong>m er und<br />
seine Gefährten waren. Dann murmelt er leise: "Zeig<br />
uns, was sich gestern im Lagerraum <strong>de</strong>r Burg zugetragen<br />
hat."<br />
Es zeigt sich ein Bild dieses Raumes, wie er gestern<br />
ausgesehen haben mag.<br />
Rovena lässt sich von <strong>de</strong>m Gespräch ihrer Gefährten<br />
nicht von <strong>de</strong>r Kugel ablenken. Als Nahemas Bild erlischt,<br />
stellt sich ihr die Frage, wer diese Kugel, wenn<br />
nicht die Zauberin, hierher gebracht und an diesen<br />
Ort gebannt hat. Sie streicht wie<strong>de</strong>r sanft über die<br />
glatte Oberfläche <strong>de</strong>s Schwarzen Auges und murmelt<br />
leise: "Zeige mir, was am ersten Tag geschah, als man<br />
Dich in diese Stadt Freiheit, genannt Ohort, brachte."<br />
Der Raum ist in perfektem Zustand, anscheinend ein<br />
Schlafzimmer. Nahema blickt intensiv ins Schwarze<br />
474<br />
Auge, spricht sehr konzentriert. Dann entspannt sie<br />
sich, geht näher, streicht über die Kugel. Ein glückliches<br />
Lächeln erscheint auf Ihrem Gesicht.<br />
Derweil geht <strong>de</strong>r Aranier zur Tür zurück und lauscht,<br />
ob von draußen etwas zu hören ist.<br />
Es ist ruhig draußen.<br />
Vorsichtig öffnet <strong>de</strong>r Krieger die Tür und schaut nach<br />
draußen.<br />
Ein paar Holberker gehen vorbei, die Melachath erstaunt<br />
anschauen.<br />
Mit finsterem Gesicht schaut <strong>de</strong>r Aranier sie an und<br />
geht wie<strong>de</strong>r hinein, dran <strong>de</strong>nkend, die Tür hinter sich<br />
gut zu schließen.<br />
Gespannt beobachtet die Hexe weiter das Geschehen<br />
in <strong>de</strong>r Kugel. "Was hast du Nahema am ersten Tag gezeigt,<br />
das sie so glücklich machte?" fragt sie weiter,<br />
während ihre Hand dieses magische Kleinod sanft<br />
streichelt.<br />
Es passiert nichts weiter. Nahemas Gesichtsausdruck<br />
verän<strong>de</strong>rt sich nur. Konzentriert schaut sie in die Kugel.<br />
Was sie heraufbeschwört, ist aber von hier aus<br />
nicht zu sehen.<br />
Das Ergebnis enttäuscht die junge Frau etwas. Ohne<br />
<strong>de</strong>n Blick von <strong>de</strong>r Kugel zu lassen fragt sie ihre Gefährten:<br />
"Was wollt ihr noch von <strong>de</strong>r Kugel wissen?<br />
Sagt es mir, damit ich sie fragen kann …"<br />
"Was vorher geschehen ist?" fragt Edric, <strong>de</strong>r von seinem<br />
Platz an <strong>de</strong>r Tür aus die Kugel nicht einsehen<br />
kann.<br />
"Wie wäre es damit, wie unser eingeborener Freund<br />
hier an die Informationen gekommen ist, die er uns<br />
zuerst verschweigen wollte. Ach ja, und was es mit<br />
diesem Altar, <strong>de</strong>r sich angeblich unter <strong>de</strong>m Schloss befin<strong>de</strong>t,<br />
auf sich hat." ergänzt <strong>de</strong>r Magier schnell mit einem<br />
Seitenblick zu Ingalf.<br />
Der verdreht zum wie<strong>de</strong>rholten Male die Augen bei<br />
diesem Thema. Schließlich wollen sie einen Schatz<br />
bergen und keinen Altäre besichtigen.<br />
"Wenn du mir einen Tag nennst, zu <strong>de</strong>m ich die Kugel<br />
nach <strong>de</strong>m Altar befragen kann, wer<strong>de</strong> ich es tun", antwortet<br />
Rovena und fügt skeptisch an: "Auch wissen<br />
wir noch nicht, ob sie auch Ereignisse außerhalb dieser<br />
Mauern anzeigen kann."<br />
Nach<strong>de</strong>nklich streicht sie wie<strong>de</strong>r über die Kugel und<br />
fragt diese: "Zeige mir, was an <strong>de</strong>m Tag geschah, an<br />
<strong>de</strong>m die Mixtur <strong>de</strong>s Rezeptes, das ich bei mir trage,<br />
zum ersten Mal hergestellt wur<strong>de</strong>."<br />
Ein schwarz geklei<strong>de</strong>ter menschlicher Mann mit seltsamer<br />
Barttracht, Kundige mögen ihn als Drui<strong>de</strong>n erkennen,<br />
ist allem Anschein nach damit beschäftigt,<br />
auf einem in Sichtweite <strong>de</strong>s Schwarzen Auge stehen<strong>de</strong>n<br />
Tisch eine rote Farbe herzustellen. Auf <strong>de</strong>m Tisch<br />
liegt ein Blatt, welches Kar Krinak gefun<strong>de</strong>n hatte.
Der Drui<strong>de</strong> verrührt Zutaten in einem Topf: Pflanzenteile,<br />
Organe <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nsten Lebewesen. Eine<br />
wi<strong>de</strong>rwärtige Angelegenheit. Die fertige Farbe verstreicht<br />
er auf <strong>de</strong>m Käfig eines Kaninchens.<br />
Erstaunt, einen Drui<strong>de</strong>n in diesem Raum zu sehen,<br />
beobachtet Rovena sehr genau, wie er das Rezept anrührt<br />
und ob er auch das Rattensymbol verwen<strong>de</strong>t, als<br />
er <strong>de</strong>n Käfig <strong>de</strong>s Versuchstieres mit <strong>de</strong>r Farbe bestreicht.<br />
Das tut er nicht.<br />
"Das scheint mir ein Versuch am leben<strong>de</strong>n Tier zu<br />
sein." haucht Isinha. In seiner Stimme schwingt Abscheu<br />
mit, während auch er die Szene weiter betrachtet.<br />
Die Szene verblasst.<br />
"An 'nem toten Tier kann man ja auch nix machen,<br />
das wohl!" meint Ingalf respektlos.<br />
"Wir wissen jetzt, dass das Rezept von einem alten Alchemisten<br />
o<strong>de</strong>r Drui<strong>de</strong>n stammt, <strong>de</strong>r es hier in grauer<br />
Vorzeit erprobt und hergestellt hat. Müssen wir mehr<br />
wissen?"<br />
Rovena runzelt nach<strong>de</strong>nklich die Stirn. Dann streicht<br />
ihre Hand wie<strong>de</strong>r über die Kugel und sie fragt diese:<br />
"Zeige mir, was vor zwei Tagen am Altar <strong>de</strong>s Daimon<br />
geschehen ist." Sie will wenigstens versuchen, ob die<br />
Kugel auch Geschehnisse an an<strong>de</strong>ren Orten als an<br />
<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>m sie sich befin<strong>de</strong>t, anzeigen kann.<br />
Die Kugel zeigt <strong>de</strong>n Raum im Zustand, wie er jetzt ist.<br />
Dunkel und staubig. Und leer.<br />
"Das bringt uns also nicht weiter. Das Auge zeigt entwe<strong>de</strong>r<br />
nur <strong>de</strong>n Raum, in <strong>de</strong>m es sich befin<strong>de</strong>t, o<strong>de</strong>r es<br />
zeigt nur diesen Raum. In Verbindung mit <strong>de</strong>m Tisch<br />
hier ist das für mich kein Grund, es mitzunehmen."<br />
Der letzte Satz <strong>de</strong>s Magiers geht in Richtung Ingalf.<br />
"Sie zeigt nur diesen Raum, weil sie hier steht", mutmaßt<br />
<strong>de</strong>r Thorwaler. "Aber vielleicht zeigt sie ja einen<br />
an<strong>de</strong>ren Raum, wenn sie woan<strong>de</strong>rs steht …"<br />
"Das kannst Du ja einfach herausfin<strong>de</strong>n: Schaff' <strong>de</strong>n<br />
Tisch auf die Straße - da dann kein Raum <strong>de</strong>n Umfang<br />
begrenzt, müsste das Auge zumin<strong>de</strong>st alles innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Stadtmauern zeigen. Eher sogar noch weiter.<br />
Viel Spaß!" wünscht Isinha, während er die Arme verschränkt<br />
und <strong>de</strong>utlich macht, unter keinen Umstän<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n Tisch selbst zu verrücken.<br />
"Du könntest ja ruhig mit anfassen, das wohl!" antwortet<br />
Ingalf und geht an eine Ecke <strong>de</strong>s Tisches und<br />
wartet darauf, dass seine Gefährten helfen.<br />
So direkt aufgefor<strong>de</strong>rt kann sich <strong>de</strong>r zurückgekehrte<br />
Aranier nicht entziehen. Er steckt seine Waffe weg<br />
und greift zu.<br />
Upps! Der Tisch lässt sich nicht bewegen. Als ob er<br />
festgewachsen ist.<br />
475<br />
Obwohl Ingalf und Melachath sich bemühen, <strong>de</strong>n<br />
Tisch zu verrücken, kommentiert Isinha das nicht<br />
weiter, son<strong>de</strong>rn bemerkt zu <strong>de</strong>m gezeigten Bild: "Also<br />
spannend ist das Gezeigte ja nicht gera<strong>de</strong>. Und die offenbare<br />
Unfähigkeit - o<strong>de</strong>r meinetwegen auch Unwilligkeit<br />
- <strong>de</strong>s Artefakts, an<strong>de</strong>re Orte zu zeigen, bestärkt<br />
mich in <strong>de</strong>r Annahme, dass uns dieses Auge nicht<br />
mehr nützen kann, als es das schon getan hat. Lasst<br />
uns aufbrechen und unser eigentliches Ziel weiter verfolgen.<br />
Und unseren Freund Kar hier," - er legt <strong>de</strong>m<br />
alten Holberker eine Hand schwer auf die Schulter -<br />
"nehmen wir einstweilen mit."<br />
Ingalf klopf an die Tischbeine, ob sie aus Holz o<strong>de</strong>r<br />
aus einem an<strong>de</strong>ren Material sind. Er schaut auch, ob<br />
er Schrauben fin<strong>de</strong>t, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Tisch eventuell am<br />
Bo<strong>de</strong>n verschraubt ist.<br />
Der Tisch ist offensichtlich aus Holz. Und am Bo<strong>de</strong>n<br />
ist er nicht verschraubt.<br />
"Hmm, Holz, das sollte gehen, das wohl!" meint er<br />
grübelnd und holt dann mit <strong>de</strong>r Orknase leicht aus<br />
und schlägt zu, um die Härte <strong>de</strong>s Holzes zu prüfen.<br />
Während <strong>de</strong>r Thorwaler ausholt, beeilt sich Isinha<br />
noch: "He, das wür<strong>de</strong> ich lassen!" zu rufen. Aber <strong>de</strong>n<br />
Satz 'Wenn <strong>de</strong>r Tisch schon nicht zu verrücken ist,<br />
wird auch ein Axthieb das Bein nicht durchtrennen,<br />
da er magisch gestärkt wor<strong>de</strong>n sein dürfte.' bekommt<br />
er vor <strong>de</strong>m Schlag nicht mehr heraus.<br />
'Das kann er doch nicht ernsthaft versuchen wollen<br />
…!' <strong>de</strong>nkt Rovena erschrocken, als sie <strong>de</strong>n Thorwaler<br />
ausholen sieht, und beeilt sich, ihren Stab an <strong>de</strong>n Körper<br />
zu legen und die Kugel mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n zu<br />
umfassen.<br />
Ingalf schlägt eine Kerbe ins Tischbein. Der Tisch<br />
wird durch <strong>de</strong>n Schlag nicht einmal um ein Haar verschoben<br />
und die Kugel ist davon völlig unbeeinflusst.<br />
"Tja, wir könnten die Beine abschlagen, vielleicht lässt<br />
er sich dann besser tragen, das wohl!" meint Ingalf<br />
grinsend. "O<strong>de</strong>r meint ihr, <strong>de</strong>r Tisch bleibt<br />
schweben?"<br />
Er schaut die Gefährten an: "Wollen wir das Auge<br />
o<strong>de</strong>r nich'?"<br />
"Wollen schon …" beginnt <strong>de</strong>r Magier vorsichtig.<br />
"Aber nach meiner Analyse vorhin und meiner eigenen<br />
Kenntnis einer entsprechen<strong>de</strong>n Zauberformel zur<br />
'Befestigung' von Objekten, wer<strong>de</strong>n wir das Auge hier<br />
nicht wegbewegen. Wenn es uns tatsächlich gelingen<br />
sollte, alle Tischbeine zu durchtrennen, wird <strong>de</strong>r Rest<br />
unweigerlich zu Bo<strong>de</strong>n fallen und dann von dort nicht<br />
weg zu bewegen sein. Lei<strong>de</strong>r."<br />
"Hmm, wie sagte unsere guter Freund Randi immer in<br />
solchen Momenten in seiner gewählten Sprache:<br />
Quod erat <strong>de</strong>monstrandum!" während er versucht, <strong>de</strong>n<br />
Cavalliere nachzuahmen, schlägt er mit <strong>de</strong>r Orknase<br />
kräftig in die Kerbe.
Ingalf schafft es, das Tischbein zu durchschlagen. Der<br />
Tisch bleibt stehen.<br />
Ingalf betrachtet fasziniert <strong>de</strong>n Tisch. "Das is' ja 'n<br />
Ding, das wohl!"<br />
"Hab' ich es nicht gesagt?" fragt <strong>de</strong>r Magier gelangweilt.<br />
"Und nun lasst das kindische Ich will es aber haben<br />
und mitnehmen! und realisiert, dass nicht alles,<br />
was man gern hätte, bestimmt ist, mitgenommen zu<br />
wer<strong>de</strong>n."<br />
"Aber ich wer<strong>de</strong> Dich bei passen<strong>de</strong>r Gelegenheit an<br />
Deine Worte erinnern, das wohl!" 'Schließlich will er<br />
doch sonst immer alles haben, aber anscheinend hat er<br />
vor <strong>de</strong>m Ding doch zu großen Respekt. Bei Swafnir, es<br />
ist doch nur magisches Gedöns!'<br />
"Komm, Kawi!" ruft er <strong>de</strong>n Welpen. "Wir gehen!"<br />
"Und <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>s Hauses?" fragt Isinha beim Gehen<br />
Kar Krinak.<br />
'Was will er eigentlich? Gehen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>s Hauses<br />
ansehen …' <strong>de</strong>nkt Ingalf, geht aber mit Kawi auf<br />
die Straße zurück.<br />
"Ist ausgeräumt und verfallen", antwortet <strong>de</strong>r nur<br />
kurz.<br />
'Macht Sinn.' überlegt Isinha. 'Da sie mit einem Wagen<br />
kam und das Schwarze Auge <strong>de</strong>rart verankert hat,<br />
wird sie ihre restliche Habe mitgenommen haben.'<br />
Kurz wirft <strong>de</strong>r Magier noch einen Blick im Lichte seiner<br />
Fackel in die an<strong>de</strong>ren Bereiche <strong>de</strong>s Hauses, ohne<br />
sich jedoch zu weit vorzuwagen. Schließlich soll ihm<br />
nicht doch noch ein loser Stein auf <strong>de</strong>n Kopf fallen.<br />
Dann öffnet Isinha die Tür und geht nach draußen,<br />
wo er die Fackel erlöschen lässt und auf die Gefährten<br />
wartet.<br />
"Was mich angesichts Eurer These, dass Nahema ihre<br />
Habe auf <strong>de</strong>m Wagen mitgenommen hat, interessieren<br />
wür<strong>de</strong>", sagt Hesan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Weg nach draußen an<br />
<strong>de</strong>n Magus gerichtet, "wieso sie das getan hat. Offenbar<br />
muss sie diesen Kontor wohl benutzt haben und<br />
dieses Auge soll wohl hier bleiben und dazu dienen zu<br />
überprüfen, wer hier alles eintritt."<br />
"Ihr könnt offensichtlich Gedanken lesen." meint Isinha<br />
versonnen.<br />
Sein Blick beinhaltet einen Funken Sorge. "Ich hoffe<br />
nur, Nahema kommt nicht in absehbarer Zeit zurück<br />
476<br />
und stellt mittels <strong>de</strong>s Auges fest, dass wir in ihrem<br />
Kontor waren."<br />
"Sei's drum. Wir können unsere Anwesenheit hier<br />
nicht vor <strong>de</strong>m Auge o<strong>de</strong>r einem späteren Nutzer verbergen.<br />
Außer<strong>de</strong>m kann Nahema auch nichts dagegen<br />
unternehmen, dass wir hier gewesen sind. Sie wird<br />
durch das Auge auch nicht erfahren, wohin wir gegangen<br />
sind. Und außer <strong>de</strong>m Auge gibt es hier offenbar<br />
nichts. Macht Euch <strong>de</strong>swegen keine Sorgen. Es entzieht<br />
sich ohnehin unserer Kontrolle." beruhigt er <strong>de</strong>n<br />
Geweihten.<br />
"Ich stimme Euren abschließen<strong>de</strong>n Worten zu", antwortet<br />
Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Und was ist, edler Weiser <strong>de</strong>r Allwissen<strong>de</strong>n, wenn<br />
Nahema selber nicht die Möglichkeit hat, dieses Artefakt<br />
zu entfernen? Sollen die Augen nicht älter als die<br />
Menschen selbst sein? Auch sie wird nicht allmächtig<br />
sein." wen<strong>de</strong>t sich Melachath an <strong>de</strong>n Geweihten.<br />
"Ich wür<strong>de</strong> übrigens vorschlagen, diesen Drui<strong>de</strong>n zu<br />
suchen und ihn zur Re<strong>de</strong> zu stellen. Es kann doch<br />
nicht sein, dass ein Einzelner auf diese perfi<strong>de</strong> Art und<br />
Weise über das Schicksal dieser unglücklichen<br />
Mischwesen bestimmt."<br />
"Ob wir <strong>de</strong>n jemals fin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ob er überhaupt<br />
noch am Leben ist, bezweifle ich." antwortet Isinha<br />
schlicht.<br />
Zustimmend nickt Rovena, <strong>de</strong>m Geweihten erstaunt<br />
nachschauend. 'Das meine ich aber auch, Das Rezept<br />
ist alt!' Sie schließt sich, mit einem letzten, bedauern<strong>de</strong>n<br />
Blick auf das Schwarze Auge, ihren Gefährten an.<br />
"Interessant - im weiteren Sinn <strong>de</strong>s Wortes - wäre es<br />
<strong>de</strong>nnoch", beharrt <strong>de</strong>r Geweihte, <strong>de</strong>r phasenweise etwas<br />
geistesabwesend wirkt.<br />
"Ihr könnt ja hier auf ihn warten." schlägt Isinha hoffnungsvoll<br />
vor. "Die Chance liegt sicher nicht schlecht,<br />
dass - sollte er noch leben - an die Stätte seines einstigen<br />
Wirkens zurück kehrt." Der Magier bleibt völlig<br />
ernst, auch wenn <strong>de</strong>r Inhalt seiner Antwort wohl nicht<br />
ganz so ernst gemeint ist.<br />
"Lasst uns aufbrechen." for<strong>de</strong>rt Isinha die Gefährten<br />
erneut auf.<br />
"Aye!" antwortet Ingalf.
Der Eingang<br />
Unbehelligt<br />
von allen Holberkern erreichen die<br />
Hel<strong>de</strong>n mit Kar Krinak im Schlepptau die zwei<br />
Eichen, die <strong>de</strong>n Eingang bewachen. Irgendwo dahinter<br />
soll <strong>de</strong>r Orkenhort liegen.<br />
"Dann soll uns Kar doch mal zeigen, wie er an <strong>de</strong>n<br />
Eichen vorbeikommt, das wohl!" meint Ingalf zu <strong>de</strong>n<br />
Gefährten.<br />
Isinha gibt Kar Krinak einen leichten Schubs in Richtung<br />
<strong>de</strong>r Bäume und <strong>de</strong>s Eingangs. "Dann mal los."<br />
muntert er ihn auf. Das Amulett gibt er <strong>de</strong>m Holberker<br />
natürlich nicht, schließlich möchte er erst die<br />
Theorie überprüfen, dass die Eichen 'nur' Illusionen<br />
sind. Falls nicht, bleibt auch niemand in ihrem<br />
Rücken zurück …<br />
Kar Krinak schaut Isinha verständnislos an. "Du hast<br />
doch das Amulett. Du musst vorgehen. Und alle an<strong>de</strong>ren<br />
müssen dicht bei Dir sein."<br />
"Das heben wir uns für <strong>de</strong>n zweiten Versuch auf."<br />
grinst ihn <strong>de</strong>r Magier böse an. "Erstmal gehts Du vor."<br />
Mit diesen Worten schiebt Isinha <strong>de</strong>n Holberker mit<br />
seinem Stab weiter auf die Eichen zu, bleibt aber diesmal<br />
hinter ihm und stellt sicher, dass Kar nicht zwischendurch<br />
stehen bleibt. Das Amulett hat er nun in<br />
<strong>de</strong>r freien rechten Hand und hält es offen neben sich,<br />
an <strong>de</strong>r Kette baumelnd. 'Wer weiß, vielleicht müssen<br />
die Bäume das Ding sehen können?'<br />
Ingalf hält sich schräg hinter <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n auf. Je<strong>de</strong>rzeit<br />
bereit, eine mögliche Flucht <strong>de</strong>s Holberkers im Keim<br />
zu ersticken.<br />
"Warum machen wir es nicht, wie Kar sagt?" fragt Edric.<br />
Ihm gefällt nicht, das <strong>de</strong>r Holberker <strong>de</strong>rart herumgestoßen<br />
wird. Er ist zwar kein unbeschriebenes Blatt,<br />
hat aber bisher nur aus Gier gehan<strong>de</strong>lt.<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist auf <strong>de</strong>m ganzen Weg recht schweigsam<br />
gewesen. Erst bei <strong>de</strong>n Eichen erwacht er aus seiner<br />
Lethargie und meint: "Da hat Edric nicht ganz unrecht.<br />
Zur Not probiere ich es aus." Mit diesen Worten<br />
streckt Hesan<strong>de</strong>r die Hand nach <strong>de</strong>m Amulett aus.<br />
"Finger weg!" - Patsch - Hesan<strong>de</strong>r erhält einen leichten<br />
Schlag auf die ausgestreckte Hand. Isinha hält das<br />
Amulett nach wie vor und schiebt Kar weiter auf die<br />
Bäume zu, sich <strong>de</strong>rweil hinter ihm haltend.<br />
"Und wir machen es nicht so, weil er es sagt." erläutert<br />
<strong>de</strong>r Magier es <strong>de</strong>m jungen Hirten. 'Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Holberker<br />
zaubern können, hätten ihn hier alle schon als<br />
übelsten Schwarzmagier bezeichnet: Er strebt die absolute<br />
Herrschaft an und bedient sich dazu finsterer<br />
Metho<strong>de</strong>n.' <strong>de</strong>nkt sich Isinha abschätzend.<br />
"Warum misstraust Du ihm so sehr?" Edric ist überzeugt<br />
davon, dass sich Kar nicht freiwillig in Gefahr<br />
Schatz im Berg?<br />
477<br />
bringt. Bisher war er sehr auskunftsfreudig; er ist zwar<br />
hinterhältig, aber nicht so falsch, wie ihn <strong>de</strong>r Magier<br />
darstellt.<br />
Hesan<strong>de</strong>r zieht eine Augenbraue hoch und schaut <strong>de</strong>n<br />
Magus ta<strong>de</strong>lnd an. 'Ob er wohl gera<strong>de</strong> von sich selbst<br />
auf <strong>de</strong>n Holberker schließt', fährt es ihm durch <strong>de</strong>n<br />
Kopf. "Hesin<strong>de</strong> vergib ihm und mir, <strong>de</strong>nn er weiß hoffentlich,<br />
was er da tut", murmelt er leise.<br />
Die Bäume fangen an, sich zu rühren, als Kar Krinak<br />
näher kommt. Der bleibt stocksteif stehen. "Bitte seid<br />
gnädig!" stößt er hervor.<br />
"Sach ma", mel<strong>de</strong>t sich Ingalf zu Wort, "warst Du eigentlich<br />
schonmal in <strong>de</strong>r Höhle drin?"<br />
'Vielleicht hat <strong>de</strong>r Halunke <strong>de</strong>n Schatz schon raus geschleppt<br />
…'<br />
"In <strong>de</strong>r Gottesfurcht wird Mil<strong>de</strong> zur Weisheit, Nachgeben<br />
zur Stärke", versucht Hesan<strong>de</strong>r die Gefährten zu<br />
überzeugen.<br />
"Es reicht!" Mit gezogener Waffe stellt sich <strong>de</strong>r Aranier<br />
zwischen <strong>de</strong>n Holberker und <strong>de</strong>n Eingang und schaut<br />
<strong>de</strong>n Magier an.<br />
"Wenn Du nur <strong>de</strong>n Mut einer sich feige am Bo<strong>de</strong>n<br />
win<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Echse hast, dann lass mich das machen.<br />
Aber aus Deiner Gier heraus einen Unschuldigen, <strong>de</strong>r<br />
UNS nie etwas getan hat, vorzuschicken, verstößt gegen<br />
ALLE zwölfgöttlichen Gebote! Gib mir o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
Diener <strong>de</strong>r Allwissen<strong>de</strong>n das Amulett, o<strong>de</strong>r geh Du,<br />
aber nicht er!" Bei <strong>de</strong>n letzten drei Worten blickt <strong>de</strong>r<br />
Krieger auf <strong>de</strong>n Gefangenen. "O<strong>de</strong>r wage es, mich aus<br />
<strong>de</strong>m Weg zu räumen …"<br />
Der aufkommen<strong>de</strong> Streit verhin<strong>de</strong>rt eine Antwort Kar<br />
Krinaks.<br />
'Aye, jetzt wird es lustig!' <strong>de</strong>nkt Ingalf und stützt sich<br />
auf das Blatt seiner Orknase und beobachtet seine Gefährten,<br />
da Kar nicht auf seine Frage geantwortet hat.<br />
"Nun, wenn das Dein Wunsch ist, möge ich ihn noch<br />
beizeiten erfüllen. Aber nicht jetzt, ich bin beschäftigt."<br />
erwi<strong>de</strong>rt Isinha <strong>de</strong>m Krieger ohne mit <strong>de</strong>r Wimper<br />
zu zucken.<br />
"Und jetzt mach' Dich nicht lächerlich, hör mit diesem<br />
Getue auf und geh' aus <strong>de</strong>m Weg!" Der Magier<br />
legt <strong>de</strong>m Holberker die Hand mit <strong>de</strong>m Amulett auf<br />
die Schulter und führt ihn auf <strong>de</strong>n Aranier zu. "Reih<br />
Dich lieber hinten ein, o<strong>de</strong>r die Eichen fegen Dich<br />
von <strong>de</strong>inen Beinen." grinst er <strong>de</strong>n Krieger an. "Ach ja,<br />
und was Gier ist, wer<strong>de</strong> ich Dir bei Gelegenheit gern<br />
näherbringen. Hier je<strong>de</strong>nfalls ist sie nirgends zu ent<strong>de</strong>cken."<br />
"Hört sofort auf, aufeinan<strong>de</strong>r los zu gehen!" ermahnt<br />
Rovena ihre streitsüchtigen Gefährten und versucht,
<strong>de</strong>n aufgebrachten Aranier zu beschwichtigen, in<strong>de</strong>m<br />
sie ihre Hand auf seine gezogene Klinge legt.<br />
"Dieser Holberker ist keineswegs unschuldig, wenn<br />
Du Dich an seine Opfer erinnern wür<strong>de</strong>st, die durch<br />
sein Tun zum leidvollen Tod verdammt sind, und ich<br />
kann mir auch nicht vorstellen, dass er sich uns gegenüber<br />
ehrenhaft verhalten wird, nach<strong>de</strong>m wir seine Taten<br />
aufge<strong>de</strong>ckt haben."<br />
Aufgebracht funkelt sie Melachath an. "Lass Isinha<br />
tun, was er für richtig hält, er <strong>de</strong>nkt auch an unsere Sicherheit."<br />
Unbeeindruckt bleibt <strong>de</strong>r Aranier stehen, seine Mimik<br />
macht <strong>de</strong>utlich, dass er zur Konfrontation bereit ist.<br />
"Ich bin bereit für meine Taten einzustehen, Herrin<br />
<strong>de</strong>r Lüfte, aber ich lasse es nicht an<strong>de</strong>re machen. Ich<br />
habe mich gera<strong>de</strong> angeboten, meine Sicherheit zu riskieren,<br />
nicht die Eure." Mit einem Nicken weist <strong>de</strong>r<br />
Krieger zu <strong>de</strong>m Alten. "Siehst Du nicht seine Angst?<br />
Ist das die Harmonie, die Du immer erbittest? Und<br />
nun nimm bitte Deine Hand von meiner Waffe!"<br />
Bedächtig schüttelt die Hexe <strong>de</strong>n Kopf, lässt dabei unbeirrt<br />
ihre Hand auf seiner blanken Klinge. "Isinha<br />
wird das Amulett nicht aus <strong>de</strong>r Hand geben, sieh es<br />
doch ein", antwortet sie <strong>de</strong>m Aranier. "Und ich halte es<br />
für richtig, dass er so vorgeht, <strong>de</strong>nn ich traue diesem<br />
Krinak nicht. Der Wald lehrt uns vieles, so sagt man<br />
bei uns, - vom Leben, <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>m Tod. Von<br />
Gna<strong>de</strong>, die dieser Ruchlose erbittet, weiß er nichts."<br />
Beharrlich bleibt sie zwischen <strong>de</strong>n Streithähnen stehen.<br />
Nach kurzem Schweigen wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Aranier wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>m Magier zu: "Und Du solltest es am besten<br />
wissen, Du tust ihm an, was Dir angetan wur<strong>de</strong>. DU<br />
weißt, wie es ist, gefangen zu sein, gegen <strong>de</strong>n eigenen<br />
Willen zu etwas gezwungen zu wer<strong>de</strong>n, nicht Herr<br />
Deiner Entscheidungen zu sein!"<br />
"Für Grundsatzdiskussionen ist <strong>de</strong>r da" - <strong>de</strong>r Magier<br />
macht eine Geste zu Hesan<strong>de</strong>r hin - "zuständig. Und<br />
Du maßt Dir Entscheidungen zu Dingen an, von <strong>de</strong>nen<br />
Du keine Ahnung hast." Auf seinem Gesicht spiegelt<br />
sich <strong>de</strong>utlich ein alter Schmerz wi<strong>de</strong>r. "Kar ist ein<br />
Mör<strong>de</strong>r. Überleg' Dir also genau, wen Du verteidigst<br />
und wofür." rät ihm Isinha.<br />
"Geh' beiseite. Ich wer<strong>de</strong> mich nicht wie<strong>de</strong>rholen."<br />
Wie<strong>de</strong>r schwingt eine <strong>de</strong>utliche Drohung in seiner<br />
Stimme mit.<br />
"In meiner Gegenwart wird kein Wehrloser getötet,<br />
während meiner Lehre schwor ich bei Rondra keine<br />
Unschuldigen und Wehrlosen zu töten, im Gegenteil,<br />
sie zu schützen, so will und wer<strong>de</strong> ich es hier tun."<br />
Mit einer sanften, beiläufigen Geste streicht er Rovenas<br />
Hand von seiner Waffe.<br />
478<br />
Die Hexe lässt es geschehen, hofft sie doch, dass die<br />
bei<strong>de</strong>n vernünftig und sich die Wogen glätten wer<strong>de</strong>n.<br />
Erschüttert verfolgt Edric die Szene. Der Magier führt<br />
sich auf wie ein tollwütiger Hahn, <strong>de</strong>n seine Lieblingshenne<br />
verstoßen hat. Dies ist einer <strong>de</strong>r Momente,<br />
in <strong>de</strong>nen er sich zu seiner Schafher<strong>de</strong> zurückwünscht.<br />
Schafe sind stur und bockig, aber er kennt ihre Bedürfnisse<br />
und kann sie schützen.<br />
Elgar hingegen verfolgt rücksichtslos seinen Plan,<br />
einen Plan, <strong>de</strong>n er für die Gruppe entschie<strong>de</strong>n hat<br />
und <strong>de</strong>r ihm vermutlich die größten Vorteile bringt.<br />
Ständig ist er Auslöser für Streit.<br />
Der junge Hirte bleibt wenige Schritte zurück, angesichts<br />
<strong>de</strong>r Situation und <strong>de</strong>r peitschen<strong>de</strong>n Bäume,<br />
mag er keinen Schritt näher an diesen Ort herangehen.<br />
Als <strong>de</strong>r Krieger trotz Rovenas Intervention nicht von<br />
<strong>de</strong>r Stelle weicht, senkt Isinhas seine Stimme bis fast<br />
auf ein Flüstern herab. "Geh mir sofort aus <strong>de</strong>m Weg,<br />
o<strong>de</strong>r Du kannst Deine Knochen hier gleich einzeln<br />
zusammenfegen!" Sein Gesichtsausdruck wirkt versteinert.<br />
Die Kette mit <strong>de</strong>m Amulett ist um sein<br />
Handgelenk gewun<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>r Hand selbst drückt er<br />
mittlerweile <strong>de</strong>n Bereich von Kar Krinaks Schlüsselbein<br />
so heftig, dass dieser vor Schmerz in die Knie zu<br />
gehen scheint.<br />
"Nein!"<br />
Dadurch geht es Schritt für Schritt auf die bei<strong>de</strong>n<br />
Wächterbäume zu.<br />
Gera<strong>de</strong> sieht es so aus, als ob sie gleich zuschlagen, da<br />
wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> ruhig. Das Amulett scheint zu wirken.<br />
Als Kar Krinak das merkt, gibt er Isinhas Druck nach<br />
und bewegt sich schneller auf <strong>de</strong>n Höhleneingang zu.<br />
Isinha folgt ihm und hält Schritt.<br />
"Siehst Du?" fragt er <strong>de</strong>n Aranier. "Manche Probleme<br />
lösen sich, wenn man darüber spricht." Sein Lächeln<br />
friert dann auf seinem Gesicht ein, während er anmerkt:<br />
"Und halte mich nie wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Begründung<br />
auf, Du wür<strong>de</strong>st einen 'Unschuldigen' schützen<br />
wollen. Es gibt keine Unschuldigen, nirgendwo."<br />
Dann wird seine Stimme etwas weicher: "Ich muss<br />
mich bei Dir entschuldigen. Deine Herkunft und<br />
Dein Stand haben mich über Deine tatsächliche Bildung<br />
hinweg getäuscht. Ich habe einfach zu viel von<br />
Dir erwartet. Das ist mein Versäumnis. Es wird nicht<br />
wie<strong>de</strong>r vorkommen." Zum Abschluss <strong>de</strong>utet er ein<br />
halbes Nicken an. Dann geht er mit Kar Krinak zielstrebig<br />
auf <strong>de</strong>n Höhleneingang zu, ohne sich weiter<br />
um <strong>de</strong>n Krieger zu kümmern.<br />
Ganz dicht auf folgt die Hexe <strong>de</strong>m Magier und beobachtet<br />
misstrauisch die bei<strong>de</strong>n verzauberten Eichen.<br />
'Ob dies auch ein Werk <strong>de</strong>s Drui<strong>de</strong>n ist?' fragt sie sich<br />
im Stillen.
Mit einer fließen<strong>de</strong>n Bewegung weicht <strong>de</strong>r Aranier<br />
halb zur Seite, so dass die bei<strong>de</strong>n passieren können.<br />
"Ich halte meinen Schwur, und schütze Unschuldige<br />
und Wehrlose, und min<strong>de</strong>stens zweiteres war er. Und<br />
Du hast nicht zu viel von mir erwartet, son<strong>de</strong>rn zu wenig,<br />
Ehre …"<br />
"Das möge die Zeit, die kommen wird, entschei<strong>de</strong>n."<br />
antwortet Isinha salomonisch und geht weiter.<br />
Ingalf hat sich <strong>de</strong>n Streit mehr o<strong>de</strong>r weniger amüsiert<br />
mit angesehen, als sich nun das Amulett als funktionsfähig<br />
herausstellt, poltert er los: "So, jetzt hab' ihr<br />
alle euren Spaß gehabt, das wohl! Bei Swafnir, war ja<br />
richtig lustig!"<br />
Dann funkelt er sowohl Isinha als auch Melachath an:<br />
"Und wenn ihr bei<strong>de</strong>n nicht sofort mit <strong>de</strong>m Gezeter<br />
aufhört, dann versohle ich je<strong>de</strong>m von euch <strong>de</strong>n Hintern!<br />
Wir wollen einen Schatz heben und nicht streiten,<br />
verdammt noch eins, also reißt euch am Riemen,<br />
sonst reiße ich euch am Riemen!"<br />
"Die Götter wer<strong>de</strong>n Dir Dein ehrenvolles Verhalten<br />
vergelten", lobt Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Aranier. "Es ist gut zu<br />
sehen, dass es in Zeiten und Orten, wo man sich <strong>de</strong>r<br />
Gebote <strong>de</strong>r Zwölfe nicht beständig zu erinnern droht,<br />
noch Streiter für die göttlichen Gebote gibt."<br />
Sofern vonnöten, wird sich Hesan<strong>de</strong>r einreihen und<br />
dann <strong>de</strong>n Orkenhort betreten.<br />
Der Flur<br />
Der Raum hinter <strong>de</strong>m Höhleneingang ist recht groß -<br />
vier Schritt breit, acht lang und drei hoch - und überraschend<br />
hell. Die glatten Wän<strong>de</strong> selbst scheinen in<br />
einem silbergrauen Licht zu erstrahlen, das unwillkürlich<br />
an eine Vollmondnacht in <strong>de</strong>r Wüste erinnert.<br />
Fasziniert und mit großen Augen betritt die Hexe <strong>de</strong>n<br />
schimmern<strong>de</strong>n Raum, eine Sehnsucht zieht ihr das<br />
Herz zusammen und seufzend streicht sie über die<br />
silbrig glänzen<strong>de</strong>n, glatten Höhlenwän<strong>de</strong>. "Wun<strong>de</strong>rschön!"<br />
murmelt sie verträumt, dreht sich um sich selber,<br />
um alles genau betrachten zu können.<br />
In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r linken Wand zeichnen sich die Umrisse<br />
einer Tür ab. Mittendrin ist ein kreisrun<strong>de</strong>s Loch<br />
von drei Finger Durchmesser.<br />
Edric schaut sich staunend um, solch eine Höhle hat<br />
er noch nicht gesehen. Andächtig streicht er mit <strong>de</strong>r<br />
Hand über die Wän<strong>de</strong>. Den Streit, <strong>de</strong>r sich in seinem<br />
Rücken abspielt, schenkt er keine Aufmerksamkeit.<br />
"Was erwartet uns hinter dieser Tür?" fragt die junge<br />
Frau <strong>de</strong>n Holberker unvermittelt, seine Angst ignorierend.<br />
Sie nähert sich dieser mit einer Mischung aus<br />
Vorsicht und Verlangen. "Hast du sie schon geöffnet?"<br />
"N…nein", entgegnet Kar Krinak mit zittern<strong>de</strong>r Stimme.<br />
"Ich bin schnell wie<strong>de</strong>r gegangen."<br />
479<br />
Misstrauisch mustert die Hexe <strong>de</strong>n alten Holberker.<br />
Sie wür<strong>de</strong> ihm ja gerne glauben, aber irgendwie traut<br />
sie dieser Gestalt nicht … ob er ihr wirklich die Wahrheit<br />
sagt? Sie wird die Zweifel einfach nicht los.<br />
Auch Hesan<strong>de</strong>r ist erstaunt und fasziniert von <strong>de</strong>m<br />
Anblick, <strong>de</strong>r sich ihm bietet. Er versucht sich <strong>de</strong>n Gesamteindruck<br />
<strong>de</strong>s Raumes einzuprägen, um dies später<br />
in sein Schlangenbuch zu übertragen.<br />
"Darf ich jetzt bitte gehen?" kommt es ängstlich von<br />
Kar Krinak.<br />
"Nein. Dir wird die Ehre zuteil, uns bei <strong>de</strong>m weiteren<br />
Vorgehen behilflich zu sein. Du wirst beim Tragen<br />
helfen und Du wirst die Schuld gegenüber <strong>de</strong>n restlichen<br />
Bewohnern Ohorts abtragen." antwortet Isinha<br />
<strong>de</strong>m Holberker.<br />
"Und darüber gibt es keine Diskussion." ergänzt er in<br />
Richtung <strong>de</strong>s Araniers. Der Magier hat nicht vergessen,<br />
welche Auffassung von Ehre dieser Krieger hat.<br />
Und er wird es auch in Zukunft nicht vergessen.<br />
"An diesem Punkt gebe ich Dir Recht, er muss seine<br />
Schuld bei seinem Volk abtragen."<br />
Als Hesan<strong>de</strong>r dies hört, erwacht er urplötzlich aus seiner<br />
Faszination für <strong>de</strong>n Eingangsraum. "Ein armseligeres<br />
Beispiel für Selbstgerechtigkeit habe ich bislang<br />
noch nicht erlebt, A<strong>de</strong>ptus", ta<strong>de</strong>lt er <strong>de</strong>n Magier.<br />
Ingalf hat als letzter mit Kawi <strong>de</strong>n Raum betreten und<br />
schaut sich mit großen Augen um. Dann setzt er seinen<br />
Seesack ab und kramt nach <strong>de</strong>m Plan. Mitten im<br />
Kramen hört er allerdings auf, als Isinha schon wie<strong>de</strong>r<br />
anfängt, und knurrt: "Nu is' gut, sag ich, das wohl!"<br />
"Misch Dich nicht auch noch ein." schnappt <strong>de</strong>r Magier<br />
zurück. Dann nimmt er ebenfalls <strong>de</strong>n Raum in<br />
Augenschein, insbeson<strong>de</strong>re die illuminieren<strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong><br />
wecken sein Interesse. Zu Probe aktiviert er die Fackel<br />
seines Zauberstabs und prüft, ob sich dadurch die<br />
Leuchtkraft än<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r ob es sich wie mit <strong>de</strong>n Pilzen<br />
in <strong>de</strong>r Höhle verhält.<br />
Seine Zauberstab-Fackel funktioniert problemlos. Es<br />
wird entsprechend heller im Raum.<br />
"Wenn ihr Kin<strong>de</strong>r euch nich' benehmen könnt, dann<br />
misch' ich mich ein, das wohl!" kommt die harsche<br />
Antwort. "Wir sind ja nicht zum Streiten hier!"<br />
"Ja, er hat Schuld auf sich gela<strong>de</strong>n, doch sind wir es,<br />
die darüber zu richten haben und das Urteil zu sprechen<br />
haben? Was Ihr tut, A<strong>de</strong>ptus, ist nichts an<strong>de</strong>res<br />
als ihn für Eure o<strong>de</strong>r auch unsere Zwecke einzuspannen.<br />
Damit kann er die Schuld seines Volkes nicht abtragen.<br />
Ihr erlegt ihm eine moralische Schuld auf und<br />
eine Strafe, die nichts mit <strong>de</strong>r Schuld zu tun haben.<br />
Nicht uns muss er Buße tun und sühnen son<strong>de</strong>rn seinem<br />
Volk. Bei Praios, <strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>s Lichts und <strong>de</strong>r<br />
Gerechtigkeit, ich lasse es nicht zu, dass dieser Holberker<br />
ob eines Verbrechens, das er an seinem Volk begangen<br />
hat, durch an<strong>de</strong>re außer <strong>de</strong>nen seines Volkes
gerichtet wird. Bringen wir ihn zum Statter und lassen<br />
wir ihn darüber urteilen.<br />
Wie anmaßend Ihr doch seid, Elgar, dass Ihr das<br />
Recht auf Eurer Seite wähnt und Euch als Richter und<br />
Vollstrecker aufspielt! Wenn es so ist, dass Ihr darunter<br />
gelitten habt, dass jemand an<strong>de</strong>res die Herrschaft über<br />
Euch erlangte, wie könnt Ihr es selbst an dieser Kreatur<br />
vollbringen?"<br />
"Wie Ingalf treffend bemerkte, ist jetzt nicht die Zeit<br />
für eine Streiterei - und genau das wür<strong>de</strong> passieren,<br />
wür<strong>de</strong> ich Euch angemessen antworten. Wenn Ihr also<br />
nach Euren Maßstäben Gerechtigkeit wollt, dann<br />
passt auf diesen Holberker auf o<strong>de</strong>r bringt ihn gleich<br />
zurück." Das ist alles, was <strong>de</strong>r Magier, sowohl Ingalf,<br />
als auch Hesan<strong>de</strong>r erwi<strong>de</strong>rt. Er schiebt Kar auf Hesan<strong>de</strong>r<br />
zu und widmet sich dann wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Raum.<br />
"Er hat recht, werter Freund," richtet <strong>de</strong>r Aranier seine<br />
Worte an <strong>de</strong>n Geweihten, "im Moment ist es vernünftiger,<br />
wenn wir zusammen bleiben. Lasst uns <strong>de</strong>n Gefangenen<br />
mitnehmen o<strong>de</strong>r gefesselt zurück lassen,<br />
aber wir sollten uns nicht gera<strong>de</strong> jetzt trennen."<br />
Kar Krinak zuckt zusammen, sagt aber nichts weiter.<br />
Er scheint sich in sein Schicksal ergeben zu haben.<br />
"Nun, da Elgar Deiner nicht mehr bedarf, wer<strong>de</strong> ich<br />
Dich zurückbringen", und mit einem <strong>de</strong>monstrativen<br />
Blick auf <strong>de</strong>n Thorwaler fügt er hinzu, "das wohl!"<br />
Dann wen<strong>de</strong>t er sich an <strong>de</strong>n Aranier, <strong>de</strong>r ihm am vernünftigsten<br />
erscheint und fragt ihn: "Melachath, Ihr<br />
habt Euch bislang als ein wahrer Streiter für Recht,<br />
Ehre und Gerechtigkeit erwiesen. Wer<strong>de</strong>t Ihr mich begleiten,<br />
wenn wir Kar <strong>de</strong>r für ihn zuständigen Gerichtsbarkeit<br />
übergeben?"<br />
"Ich glaube es wäre besser, wenn wir zusammen bleiben!"<br />
meint Ingalf. "Und wenn ihr doch gehen wollt,<br />
dann kriege ich noch ein Silberstück von Dir …"<br />
"Keine Sorge, Ingalf", erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Geweihte, "ich<br />
komme wie<strong>de</strong>r, und wenn Melachath mitkommt,<br />
dann kommen wir wie<strong>de</strong>r. Nicht zuletzt, um Dir dann<br />
Dein Silberstück zu geben. Wir alle sind bei unserer<br />
Aufgabe auf die Gunst und <strong>de</strong>n Wohlwollen <strong>de</strong>r<br />
Zwölfe angewiesen und ich wer<strong>de</strong> einen Frevel an <strong>de</strong>n<br />
Geboten <strong>de</strong>s Herrn Praios und <strong>de</strong>r Herrin Hesin<strong>de</strong><br />
480<br />
nicht zulassen. Der Orkenhort ist in ein paar Stun<strong>de</strong>n<br />
auch noch dort, wo er jetzt ist."<br />
"Es stellt sich nur die Frage, wie ihr wie<strong>de</strong>r hier herein<br />
kommen wollt … und wie wir ohne ihn bis zum Hort<br />
kommen sollen …" Rovena kann nicht verstehen, was<br />
dieses ganze Gehabe soll, Nahema hat doch extra gesagt,<br />
dass sie sich von <strong>de</strong>m Krinak zum Schatz führen<br />
lassen sollen …<br />
"Eben!" stimmt ihr Ingalf zu.<br />
Erstaunt und enttäuscht zugleich von <strong>de</strong>r Unbekümmertheit<br />
seiner Gefährten und insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s Araniers,<br />
ha<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r für einen Moment. "Ich wer<strong>de</strong><br />
für Euch beten, <strong>de</strong>nn Eure Gier nach <strong>de</strong>m Schatz hat<br />
Euren Verstand und Eure Moral verdunkelt - mögen<br />
die Götter Euch dafür vergeben."<br />
Dann an <strong>de</strong>n Aranier: "Wenn wir das Amulett bei uns<br />
hätten, wür<strong>de</strong>n wir mit ihm <strong>de</strong>n Weg zurück gehen<br />
und dann mit <strong>de</strong>m Amulett wie<strong>de</strong>r hierher. Bräuchten<br />
wir ihn dafür? Nein. Er hat Angst - das sieht man<br />
doch. Und wenn er die Türen wirklich nicht geöffnet<br />
hat, dann weiß er auch nicht, wie Ihr zum Schatz<br />
kommt und welche Gefahren auf <strong>de</strong>m Weg dorthin<br />
noch lauern."<br />
Dann wie<strong>de</strong>r an die Gruppe: "Geht und nehmt ihn<br />
mit, wenn Ihr dieses wehrlose Wesen mit Euch führen<br />
wollt, um Eure Gier und Eure Selbstgerechtigkeit zu<br />
stillen. Ich wer<strong>de</strong> diese Taten für die Nachwelt festhalten."<br />
"Genauso, wie ich eben <strong>de</strong>n Alten nicht im Stich ließ,<br />
als er meiner Hilfe bedarf, lasse ich jetzt die An<strong>de</strong>ren<br />
nicht im Stich. Weiser <strong>de</strong>r Allwissen<strong>de</strong>n, alles zu seiner<br />
Zeit."<br />
Die Moralpredigt <strong>de</strong>s Geweihten löst bei ihr nur ein<br />
verächtliches Zucken <strong>de</strong>r Mundwinkel aus, <strong>de</strong>nn die<br />
Doppelmoral dieser Pfaffen verursacht ihr nur Übelkeit.<br />
Sie hat Hesan<strong>de</strong>rs Auftritt im Haus <strong>de</strong>s Alten<br />
und seine Folterdrohungen noch nicht vergessen …<br />
Ingalf hat die ganze Zeit weiter gesucht und hält kurze<br />
Zeit später <strong>de</strong>n Plan in Hän<strong>de</strong>n. "Hmm, eigentlich<br />
ist hier ein Gang und dann eine Abzweigung nach<br />
links … irgendwas ist hier wohl geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n, das<br />
wohl!"
Im Licht von Elgars Fackel steht die junge Frau nun<br />
direkt vor <strong>de</strong>r Tür, betrachtet diese genauer und versucht,<br />
einen Blick durch das Loch zu werfen.<br />
Das Loch ist dunkel.<br />
Da sie keinen Griff o<strong>de</strong>r Riegel an <strong>de</strong>r Tür sehen<br />
kann, nimmt sie an, dass dieses Loch zum Öffnen <strong>de</strong>r<br />
Tür dient. Sie schaut sich suchend um, ob sich irgend<br />
etwas in <strong>de</strong>r Höhle befin<strong>de</strong>t, was in dieses Loch passen<br />
und als Türöffner dienen könnte.<br />
Bis auf Kar Krinak, die Hel<strong>de</strong>n und ihre Ausrüstung<br />
ist <strong>de</strong>r Raum leer.<br />
"Wie könnte man diese Tür öffnen?" fragt sie ihre Gefährten<br />
ratlos. "In <strong>de</strong>m Loch ist nichts zu erkennen,<br />
alles dunkel."<br />
"In<strong>de</strong>m man was Run<strong>de</strong>s ins Loch steckt?!" antwortet<br />
Ingalf lakonisch.<br />
"Hast Du etwas dabei, das drei Finger im Durchmesser<br />
misst?" fragt Rovena umgehend nach.<br />
"Drei Finger …" überlegt <strong>de</strong>r Magier laut.<br />
"Ich nicht, aber Du hast doch 'nen Stab!"<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist immer noch erzürnt ob <strong>de</strong>s Verhaltens<br />
<strong>de</strong>r Gefährten. Er schaut in Richtung <strong>de</strong>s Lochs und<br />
meint: "Entwe<strong>de</strong>r es passt ein Stab o<strong>de</strong>r aber es muss<br />
einen Schlüssel geben."<br />
"Ihr seid ja immer noch hier! Wolltet Ihr nicht Kar<br />
nach Ohort zurück bringen?" fragt Isinha bissig. Da er<br />
das Amulett sicher verwahrt, kann er sich aber sicher<br />
sein, dass Hesan<strong>de</strong>r und Melachath es kaum riskieren<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n alten Holberker aus <strong>de</strong>r Höhle zu schaffen.<br />
Und das Amulett wird er nicht herausrücken.<br />
"Spart Euch Eure Worte. Sie zeugen von ähnlichem<br />
Großmut wie <strong>de</strong>r eines Al'Anfanischen Gran<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />
seine Sklaven fragt, ob sie nicht davonlaufen möchten.<br />
Nicht ich son<strong>de</strong>rn die Zwölfe wer<strong>de</strong>n Euch richten -<br />
Ihr seid zu bedauern, aber <strong>de</strong>nnoch wer<strong>de</strong> ich für<br />
Eure arme Seele beten."<br />
481<br />
'Darauf möchte ich wetten!' <strong>de</strong>nkt sich <strong>de</strong>r Magier<br />
finster.<br />
"Es reicht!" Herrisch geht <strong>de</strong>r Krieger zwischen die<br />
bei<strong>de</strong>n. "Hesan<strong>de</strong>r, Ihr habt in vielem Recht, aber jetzt<br />
ist we<strong>de</strong>r die Zeit noch <strong>de</strong>r Ort für so etwas!"<br />
"Meine Re<strong>de</strong>, das wohl!"<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist ein wenig überrascht ob <strong>de</strong>s Wutausbruchs<br />
<strong>de</strong>s Kriegers, hatte er ihn doch noch als am<br />
vernünftigsten eingestuft.<br />
Ein Außenstehen<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong> ein ganzes Rä<strong>de</strong>rwerk erkenne,<br />
das sich in seinem Kopf emsig dreht. Nach einigen<br />
Momenten sagt er dann an Melachath gerichtet:<br />
"Vermutlich habt Ihr Recht. DAS kann warten - und<br />
was sind für die Zwölfe schon ein paar Tage von uns<br />
Sterblichen …"<br />
"Ja, Phex sieht es bestimmt nicht gerne, wenn wir jetzt<br />
die an<strong>de</strong>ren verlassen."<br />
Derweil widmet sich Rovena <strong>de</strong>m nahe liegen<strong>de</strong>n Problem.<br />
Langsam zieht sie ihren Dolch aus <strong>de</strong>m Gürtel.<br />
"Mein Stab ist mir zu wichtig", meint sie knapp, dreht<br />
<strong>de</strong>n Dolch mit <strong>de</strong>m Griff zu <strong>de</strong>m Loch und stößt ihn<br />
hinein.<br />
Nichts passiert.<br />
"Wenn ein Dolch <strong>de</strong>r Schlüssel wäre, dann wäre doch<br />
ein schlitzförmiges Loch besser als ein run<strong>de</strong>s, das<br />
wohl!" meint <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
"Was haben wir <strong>de</strong>n noch Run<strong>de</strong>s da? Kar?"<br />
"I…ich habe da nichts rein gesteckt", antwortet <strong>de</strong>r<br />
Angesprochene erschreckt.<br />
"Hast Du irgendwo <strong>de</strong>nn vielleicht was gesehen o<strong>de</strong>r<br />
gelesen, was man nehmen könnte?" fragt Ingalf <strong>de</strong>n<br />
Holberker, wer ein altes Drui<strong>de</strong>nrezept nachkochen<br />
kann, hat ja vielleicht noch an<strong>de</strong>re Sachen ent<strong>de</strong>ckt.<br />
Kar Krinak <strong>de</strong>nkt einen Moment nach. "Nicht, dass<br />
ich wüsste", entgegnet er dann.
"Denkbar wäre auch ein Hebelmechanismus, <strong>de</strong>r<br />
durch einen Stab sozusagen komplettiert wird. Und<br />
<strong>de</strong>r einzige Stab, <strong>de</strong>r wohl nicht dabei zerbrechen<br />
wird, dürfte Elgars sein, nicht wahr?"<br />
Der Magier übersieht <strong>de</strong>n Geweihten und überhört<br />
die Bemerkung augenscheinlich vollständig.<br />
Der Aranier schiebt sich vor und schaut in die Run<strong>de</strong>.<br />
"Was besitzen wir, das wir nicht selbst mitgebracht haben,<br />
etwas, das aus dieser Stadt sein muss."<br />
"Kar … und das Amulett, das wohl!" meint Ingalf und<br />
<strong>de</strong>utet auf die run<strong>de</strong> Fuchspfote in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Magiers.<br />
Natürlich, das Amulett! Daran hatte Rovena gar nicht<br />
gedacht, vor allem hatte sie es nicht als kreisrun<strong>de</strong>n<br />
Gegenstand in Erinnerung. Sie schaut Elgar erwartungsvoll<br />
an. "Versuche es", drängt sie ihn. "Mit <strong>de</strong>m<br />
Dolch konnte ich nichts ausrichten."<br />
Wortlos tritt <strong>de</strong>r Magier nach vorn und versucht mit<br />
<strong>de</strong>m Fuchspfotenamulett die Tür zu öffnen. Langsam<br />
schiebt er das Amulett in die run<strong>de</strong> Öffnung. "Na gut<br />
nur, dass wir unsere bei<strong>de</strong>n Moralapostel nicht haben<br />
überre<strong>de</strong>n können, <strong>de</strong>n Alten in die Stadt zurück zu<br />
bringen." murmelt er dabei.<br />
Gespannt beobachtet Rovena das Tun <strong>de</strong>s Magiers. Sie<br />
presst die Lippen aufeinan<strong>de</strong>r und hofft, dass ihre Gefährten<br />
ihren Zwist zumin<strong>de</strong>st so lange beilegen, bis<br />
sie <strong>de</strong>n Schatz gefun<strong>de</strong>n haben und wie<strong>de</strong>r aus diesen<br />
Gängen heraus sind. Sie hat Nahemas Warnung vor<br />
<strong>de</strong>m Eindringen in diesen Ort nicht vergessen …<br />
Die Fuchspfote lässt sich problemlos in das Loch<br />
schieben. Lautlos schwingt die Tür auf. Dahinter ist<br />
ein Gang, <strong>de</strong>ssen Wän<strong>de</strong> genauso mondlichten schimmern<br />
wie <strong>de</strong>r Eingangsraum.<br />
"Noch ein Raum <strong>de</strong>r aussieht wie bei Vollmond!" bemerkt<br />
<strong>de</strong>r Thorwaler. Da fällt ihm etwas ein: 'Vollmond<br />
… Fuchs … na klar, das hat was mit Phex zu<br />
tun, das wohl! Dem Schutzgott unserer Han<strong>de</strong>lsflotte!'<br />
Er behält seine Überlegung aber vorerst für sich und<br />
vergleicht die Lage <strong>de</strong>s Raums mit <strong>de</strong>m Plan.<br />
Interessiert besieht sich <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n Raum hinter<br />
<strong>de</strong>r Tür und <strong>de</strong>ren Rückseite, um einen Öffnungsmechanismus<br />
o<strong>de</strong>r ähnliches zu erkennen, sollte sich die<br />
Tür nach Entfernen <strong>de</strong>s Amulettes wie<strong>de</strong>r schließen.<br />
Das Loch geht nicht bis zur Rückseite <strong>de</strong>r Tür. Die ist<br />
völlig eben.<br />
Der Magier achtet darauf, dass sich wie<strong>de</strong>r alle vor <strong>de</strong>r<br />
Tür befin<strong>de</strong>n, als er das Amulett herauszieht. Er erwartet,<br />
dass sich die Tür mehr o<strong>de</strong>r weniger sofort<br />
schließen wird.<br />
Seine Erwartung erfüllt sich nicht. Die Tür bleibt offen.<br />
Isinha zuckt nur mit <strong>de</strong>n Schultern. "Manchmal ist<br />
eine Tür eben einfach nur eine Tür." murmelt er vor<br />
482<br />
sich hin und begibt sich ebenfalls in <strong>de</strong>n Raum. Er beachtet<br />
nun we<strong>de</strong>r Melachath und Hesan<strong>de</strong>r, noch Kar<br />
Krinak.<br />
"Also los! Die Tür steht offen, dann wartet <strong>de</strong>r Schatz<br />
auf uns, das wohl!" meint Ingalf und betritt <strong>de</strong>n<br />
nächsten Raum.<br />
Der Empfangsraum<br />
Der Gang ist vier Schritt lang. Er mün<strong>de</strong>t in einen<br />
quadratischen Raum, <strong>de</strong>r von einer Statue vor <strong>de</strong>r<br />
Westwand beherrscht wird. Sie stellt eine auf einem<br />
schwarzen Postament sitzen<strong>de</strong> vermummte Gestalt<br />
dar. Die Staue selbst besteht aus einem grau geä<strong>de</strong>rten<br />
weißen Stein.<br />
"Also, <strong>de</strong>r Plan ist echt Murks, das wohl!" meint <strong>de</strong>r<br />
Thorwaler nach einem Blick auf das Pergament. "Der<br />
Raum ist hier als länglich gezeichnet und da" - er <strong>de</strong>utet<br />
auf die Statue - "sollte 'ne Tür sein!"<br />
Er geht auf die Staute zu und schaut, ob vielleicht dahinter<br />
ein Loch in <strong>de</strong>r Wand ist.<br />
"Sei vorsichtig!" Rovena spricht leise angesichts dieser<br />
ihr bedrohlich erscheinen<strong>de</strong>n Statue. "Sie sieht aus<br />
wie ein Wächter …" Langsam nähert sie sich <strong>de</strong>r vermummten<br />
Gestalt, um sie näher in Augenschein zu<br />
nehmen.<br />
"Was soll <strong>de</strong>nn schon passieren? Das ist doch nur ein<br />
Stein, <strong>de</strong>r fängt nicht plötzlich an zu re<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r zu<br />
schlagen, das wohl!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler lachend.<br />
"Seid mir willkommen", ertönt es plötzlich von <strong>de</strong>r<br />
Statue. "Aber seid gewarnt! Verlasst diese Hallen auf<br />
<strong>de</strong>m gleichen Weg, auf <strong>de</strong>m ihr gekommen seid. Ihr<br />
bleibt am Leben und könnt euren Freun<strong>de</strong>n erzählen,<br />
ihr hättet einmal vor <strong>de</strong>m Orkenhort gestan<strong>de</strong>n. Wenn<br />
ihr ohne Vernunft, aber voller Wagemut seid, dann<br />
geht ihr durch die Nordtür. Ihr wer<strong>de</strong>t erstaunliche<br />
Dinge zu sehen bekommen, aber ich bezweifele, dass<br />
ihr jemals Gelegenheit haben wer<strong>de</strong>t, davon zu erzählen.<br />
Wenn ihr durch die Nordtür gegangen seid, wer<strong>de</strong><br />
ich sie verschließen und bewachen - und ihr könnt<br />
diesen Ausgang vergessen. Noch Fragen? Aber nur<br />
eine, bitte!"<br />
Ingalf zuckt zusammen wie von <strong>de</strong>r Maraske gestochen<br />
und staunt voller Entsetzen die Statue an. Zum<br />
Glück hat es ihm dabei auch die Sprache verschlagen,<br />
<strong>de</strong>nn sonst wäre die Frage wohl 'Was'n das?' gewesen.<br />
Gesicht und Lippen <strong>de</strong>r Staue bleiben unbewegt,<br />
während die Stimme ertönt.<br />
Isinha zieht bei Beginn <strong>de</strong>r Ansage <strong>de</strong>r Statue die linke<br />
Augenbraue hoch. Fast hätte er <strong>de</strong>n Thorwaler aufgeklärt,<br />
dass steinerne Statuen sehr wohl <strong>de</strong>r Bewegung<br />
und ähnlicher Dinge fähig sind - so ein fähiger<br />
Magier dafür verantwortlich ist.<br />
Edric zuckt <strong>de</strong>utlich zusammen, als die Stimme ertönt.<br />
Wenn es nach ihm ginge, wür<strong>de</strong> er <strong>de</strong>n Rat <strong>de</strong>r
Statue befolgen. Diese ganze Schatzsuche ist nichts<br />
für ihn.<br />
'Nur eine Frage, hm.' überlegt <strong>de</strong>r Magier rasch. Er<br />
fürchtet, dass aus einer unbedachten Regung heraus<br />
jemand etwas wirklich dummes fragen könnte, zum<br />
Beispiel "Wer bist Du?" o<strong>de</strong>r "Was machst Du hier?"<br />
'Dafür wäre Ingalf eigentlich prä<strong>de</strong>stiniert gewesen.'<br />
schmunzelt er leicht. Sorgsam überlegt er daher und<br />
entschei<strong>de</strong>t sich für folgen<strong>de</strong> Formulierung: "Wo befin<strong>de</strong>t<br />
sich dann <strong>de</strong>r Ausgang, durch <strong>de</strong>n wir alle diese<br />
Räumlichkeiten wie<strong>de</strong>r verlassen können?"<br />
"Es gibt zwei Ausgänge. Den, durch <strong>de</strong>n ihr gekommen<br />
seid, und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren erreicht ihr durch die Tür<br />
in <strong>de</strong>r Nordwand dieses Raumes", ertönt die Stimme<br />
wie<strong>de</strong>r. "Und nun geht. Ein je<strong>de</strong>r nach seinem eigenen<br />
Willen!"<br />
"Mensch, war ja 'ne Klasse Frage, das wohl!" meint <strong>de</strong>r<br />
Thorwaler zynisch. "Du hättest ja auch fragen können<br />
'Wer bist Du?' o<strong>de</strong>r 'Was machst Du hier?' - wäre genauso<br />
gut gewesen … Denn das da 'ne Tür is'" - er <strong>de</strong>utet<br />
auf die Nordwand - "und eine Tür durch die wir rein<br />
gekommen sind, das hat er vorher schon gesagt, das<br />
wohl!"<br />
"Die Tür hab' ich auch nicht gemeint!" antwortet Isinha<br />
beleidigt. "Ich wollte etwas über <strong>de</strong>n Ausgang aus<br />
<strong>de</strong>m Hort wissen, daher auch die Formulierung 'aus<br />
diesen Räumen' und nicht aus 'diesem Raum'. Das<br />
Gehirn dieser Statue ist offenbar auch aus Stein." Der<br />
Magier runzelt die Stirn.<br />
"Irgendwie wer<strong>de</strong> ich in letzter Zeit nur noch falsch<br />
verstan<strong>de</strong>n." murmelt er zu sich selbst.<br />
"Ach was soll's!" Ingalf klopft <strong>de</strong>m Magier versöhnlich<br />
auf die Schulter. "Die Frage ist vertan, jetzt bleibt doch<br />
nur für uns die Frage: Rein o<strong>de</strong>r raus - obwohl das ja<br />
eigentlich keine Frage ist, <strong>de</strong>nn was sollen wir hier,<br />
wenn wir wie<strong>de</strong>r gehen wollen!"<br />
"Du hast es doch gehört", mischt sich Rovena sarkastisch<br />
ein. "Wir können ja erzählen, dass wir einmal<br />
vor <strong>de</strong>m Orkenhort gestan<strong>de</strong>n haben." Sie schaut sich<br />
suchend nach <strong>de</strong>r Nordtür um, von <strong>de</strong>r die Statue gesprochen<br />
hat.<br />
"Ja, das wohl! Aber die Stimme sagte auch 'Wenn ihr<br />
ohne Vernunft, aber voller Wagemut seid, dann geht ihr<br />
durch die Nordtür'!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler grinsend.<br />
"Und daher bin ich für die Nordtür, bei Swafnir!"<br />
Die Waffe in <strong>de</strong>r einen, legt <strong>de</strong>r Aranier die an<strong>de</strong>re<br />
Hand auf die Schulter Ingalfs und schaut ihm dabei<br />
fest in die Augen. Entschlossenheit ist das Einzige,<br />
was <strong>de</strong>r Thorwaler darin lesen kann.<br />
In <strong>de</strong>r Nordwand ist wie<strong>de</strong>r ein Türumriss und ein<br />
drei Finger durchmessen<strong>de</strong>s Loch.<br />
Vorsicht berührt die Hexe diese Öffnung in <strong>de</strong>r Tür,<br />
die <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s letzten Durchgangs gleicht. "Isinha, hier ist<br />
wie<strong>de</strong>r ein Loch. Wenn wir weiter wollen, solltest du<br />
483<br />
das Amulett einsetzen …" Sie dreht sich zu <strong>de</strong>m Magier<br />
um. In ihrem Blick liegt Zweifel. Wer<strong>de</strong>n sie zusammenhalten,<br />
wenn es gilt, <strong>de</strong>n Gefahren, die hinter<br />
dieser Tür liegen, gemeinsam zu begegnen? Lohnt es<br />
sich wirklich, für die versprochenen Schätze und erstaunlichen<br />
Dinge ihr Leben aufs Spiel zu setzen?<br />
Was erwartet sie?<br />
Eine merkwürdige Ruhe überkommt alle im Raum<br />
Anwesen<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r weiß: "Ich muss ganz allein für<br />
mich entschei<strong>de</strong>n, ob ich weitergehen will."<br />
Kar Krinak entschei<strong>de</strong>t sich als erster. "Ich gehe<br />
lieber", sagt er nur und verlässt <strong>de</strong>nn Raum durch die<br />
Eingangstür. Niemand hält ihn auf.<br />
Nur ein ganz kleines Zucken um die Augen ist die Reaktion<br />
<strong>de</strong>s Magiers, die Rovena äußerlich wahrnehmen<br />
kann. Dann strafft er sich leicht, als hätte er eine<br />
Entscheidung getroffen.<br />
Ingalfs Entschluss fällt kurz danach. Er zieht <strong>de</strong>n Seesack<br />
am Rücken fest, prüft <strong>de</strong>n Sitz vom Schneidzahn<br />
im Gürtel und nimmt die Orknase fest in die Rechte.<br />
Die Linke hält <strong>de</strong>r for<strong>de</strong>rnd Isinha entgegen: "Wenn<br />
Du nicht willst, dann gib mit das Amulett, das wohl!<br />
Den Spaß lass ich mir nicht entgehen. Es mag zwar<br />
eine schöne Geschichte in <strong>de</strong>n Langhäusern sein vor<br />
<strong>de</strong>m Orkenhort gestan<strong>de</strong>n zu haben, aber eine noch<br />
viel, viel bessere ist es <strong>de</strong>n Orkenhort geplün<strong>de</strong>rt zu<br />
haben! Ha!"<br />
Und <strong>de</strong>r Welpe, <strong>de</strong>r die Spannung ebenfalls verspürt,<br />
setzt sich neben Ingalf und winselt leise.<br />
Das an seiner Hand baumeln<strong>de</strong> Amulett betrachtend,<br />
räuspert <strong>de</strong>r Magier sich kurz. "Äh, ja. Hieß es nicht,<br />
dass bislang noch niemand es geschafft hat? Das ist<br />
gut und schlecht zugleich. Schlecht, weil die Aussicht<br />
auf Erfolg gering scheint. Gut, weil <strong>de</strong>r Schatz dann<br />
noch da sein dürfte … Sei's drum. Ich gehe!"<br />
Dann führt er das Amulett zum Loch in <strong>de</strong>r Tür, um<br />
diese ebenfalls zu öffnen. "'Wer nach Wissen forscht,<br />
kann enttäuscht wer<strong>de</strong>n und nichts Neues fin<strong>de</strong>n. Wer<br />
nicht forscht, fin<strong>de</strong>t bestimmt nichts.' heißt ein alter<br />
Wahlspruch <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>rschaft." meint Isinha dabei.<br />
"Zur Ehre <strong>de</strong>r Herrin Hesin<strong>de</strong>. Ich gehe mit." entschei<strong>de</strong>t<br />
sich Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Die Tür geht wie erwartet auf.<br />
Rovenas Blick schweift zu Hesan<strong>de</strong>r. Er hat die Drohung<br />
ausgestoßen, ihre Taten für die Nachwelt festzuhalten;<br />
und er weiß, dass sie eine Hexe ist. Kann sie<br />
ihm vertrauen? Wird er ihr Geheimnis wahren? Wer<strong>de</strong>n<br />
sie alle diesen Ort gemeinsam wie<strong>de</strong>r verlassen?<br />
Ihre Augen verengen sich leicht, sie atmet tief durch<br />
und nickt. Sie wird die Gruppe nicht verlassen, dazu<br />
ist sie auch viel zu neugierig auf das, was sich hinter<br />
dieser Tür befin<strong>de</strong>t …<br />
Nach kurzem Zögern, das <strong>de</strong>r Magier mit einem Abschiedsgruß<br />
an die Statue kaschiert, schreitet er durch
die Tür und zieht dabei das Amulett wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />
Loch heraus. 'Wer weiß, wo noch Türen damit geöffnet<br />
wer<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r müssen.'<br />
Ingalf folgt <strong>de</strong>m Magier durch die Tür.<br />
Edric sieht mit wenig Begeisterung, wie sein Freund<br />
Ingalf durch die Tür schreitet. 'Ohne Vernunft aber<br />
voller Wagemut' ruft er sich ins Gedächtnis, das passt<br />
oft genau auf Ingalf.<br />
Zögernd macht er einen Schritt auf die Tür zu. Er<br />
kann seinen Freund doch nicht alleine lassen. Er kann<br />
zwar Kar folgen und draußen warten, vielleicht sogar<br />
<strong>de</strong>n Holberkern mehr über Vieh- und Landwirtschaft<br />
lehren, doch könnte er sich verzeihen, wenn Ingalf im<br />
Orkenhort etwas zustöße?<br />
Er schaut zurück und vor, atmet tief aus und ein,<br />
dann folgt er Ingalf mit einem beklemmen<strong>de</strong>n Gefühl<br />
in <strong>de</strong>r Brust. Er ist sich nicht sicher die richtige Entscheidung<br />
getroffen zu haben.<br />
Ingalf drückt Edric nur stumm die Hand als dieser<br />
<strong>de</strong>n Raum betritt, er freut sich, dass sein Freund <strong>de</strong>n<br />
richtigen Schritt gemacht hat.<br />
Edric erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Handschlag seines Freun<strong>de</strong>s und<br />
nickt ihm stumm zu. Er wird Ingalf nicht alleine lassen.<br />
Die Schleuse<br />
Hinter <strong>de</strong>r Tür ist ein sechs Schritt breiter und acht<br />
Schritt langer Raum, vom üblichen Mondlicht erhellt.<br />
In <strong>de</strong>r Nord- und Ostwand sind Türen, diesmal mit<br />
Klinke, ohne Schlüsselloch. Der Raum ist völlig leer.<br />
Neben <strong>de</strong>r Tür bleibt Rovena erst einmal stehen und<br />
schaut sich aufmerksam um, betrachtet die Wän<strong>de</strong>,<br />
Decke und <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n dieses Raumes, bevor sie weitere<br />
Schritte auf die Türen zu machen wird.<br />
Es gibt keine weiteren Details. Bo<strong>de</strong>n, Decke und<br />
Wän<strong>de</strong> sind ganz eben. Alles macht einen unwirtlichen<br />
Eindruck.<br />
'Na, wer hier schon <strong>de</strong>n Schatz erwartet hat …' überlegt<br />
<strong>de</strong>r Magier. Dann fragt er Ingalf: "Welchen Kurs<br />
schlägt uns <strong>de</strong>nn die Karte vor, die Du aus Juniveras<br />
Plan und <strong>de</strong>m zweiten Teilstück aus <strong>de</strong>m Turm zusammen<br />
gesetzt hast?"<br />
"Die Karte stimmt irgendwie nich', das wohl!" meint<br />
Ingalf und zeigt sie <strong>de</strong>m Magier. "Aber ich wür<strong>de</strong> jetzt<br />
erstmal gera<strong>de</strong>aus weiter machen, o<strong>de</strong>r? In <strong>de</strong>r Spinnenhöhle<br />
hat es doch auch geholfen mit System vorzugehen,<br />
das wohl!"<br />
Ein leichtes Geräusch von hinten lässt Ingalf herumfahren.<br />
Die Tür hat sich geschlossen.<br />
"Gut, jetzt haben wir nur noch 2 statt 3 Wege offen.<br />
Das hilft." grinst <strong>de</strong>r Magier ohne Freu<strong>de</strong>. "Ich stimme<br />
zu, dass wir nicht planlos durch die Gänge rennen<br />
sollten. Wir können doch auch erst hinter bei<strong>de</strong> Türen<br />
484<br />
schauen, ehe wir uns entschei<strong>de</strong>n. Vielleicht ist es nur<br />
ein einzelner Raum, <strong>de</strong>n wir sonst nicht wie<strong>de</strong>r erreichen."<br />
schlägt Isinha vor.<br />
"Aye!" stimmt ihm Ingalf zu. "Dann sollte aber immer<br />
einer auf <strong>de</strong>r Schwelle stehen bleiben, sonst geht es<br />
wie mit <strong>de</strong>r letzten Tür, das wohl!"<br />
"Und durch welche wollen wir als erstes gehen?" fragt<br />
Rovena, die sich die Nordtür genauer ansieht.<br />
Leicht irritiert schaut Ingalf die Hexe an: "Gradzu,<br />
hab' ich doch grad' gesagt, das wohl!"<br />
Nickend die gezogene Waffe beidhändig haltend, stellt<br />
sich <strong>de</strong>r Aranier neben die Tür gegenüber <strong>de</strong>m Eingang.<br />
"Ich <strong>de</strong>nke, wir wollen erst hinter bei<strong>de</strong> Türen schauen,<br />
ehe wir uns entschei<strong>de</strong>n?" fragt Isinha nun verwirrt.<br />
'Eben stimmt mir <strong>de</strong>r Schiffer zu und dann …?<br />
Verstehe einer die Nordleute!'<br />
"Aye, aber da wir bei einer anfangen müssen …" meint<br />
Ingalf und drückt die Klinke hinunter.<br />
Die Tür hat eine metallene Klinke. Sie sen<strong>de</strong>t ansonsten<br />
das gleiche schwache Mondlicht wie die Wän<strong>de</strong><br />
aus.<br />
Der Altarraum<br />
Nach einem kurzen Gang kommt ein Raum, <strong>de</strong>r genau<br />
so groß ist wie <strong>de</strong>r vorige. In <strong>de</strong>r Nordwand ist<br />
wie<strong>de</strong>r eine Tür, die aber erst auf <strong>de</strong>n zweiten Blick<br />
auffällt, <strong>de</strong>nn vor <strong>de</strong>r linken Wand steht ein Altar aus<br />
weißem Stein, mit einer leeren Schale darauf. Rechts<br />
und links <strong>de</strong>s Altars stehen zwei Marmorstatuen, die<br />
wohl Priester darstellen sollen.<br />
Bei<strong>de</strong> Figuren <strong>de</strong>uten auf die Schale.<br />
"Die wollen uns wohl unaufdringlich darauf hinweisen,<br />
dass hier einer Gottheit zu opfern ist." meint Isinha.<br />
"Lasst uns noch durch die an<strong>de</strong>re Tür sehen …"<br />
Er drückt die Klinke <strong>de</strong>r Tür in <strong>de</strong>r Ostwand herunter<br />
sieht durch die sich öffnen<strong>de</strong> Tür, ohne <strong>de</strong>n Raum zu<br />
verlassen.<br />
Ein L-förmiger Raum ist hinter <strong>de</strong>r Tür. Isinha sieht<br />
<strong>de</strong>n acht Schritt langen Schenkel hinunter. Den nach<br />
rechts abbiegen<strong>de</strong>n Schenkel kann er nicht einsehen.<br />
Hier strahlen nur die Wän<strong>de</strong> ein wenig Licht ab.<br />
Überall im Raum hängen aus düsterer Höhe Schlingen<br />
am Hanfstrick herab. Die Schlaufen befin<strong>de</strong>n sich<br />
auf Schulterhöhe über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n.<br />
"Wirkt auf mich nicht sehr einla<strong>de</strong>nd." konstatiert <strong>de</strong>r<br />
Magier leise und schließt die Tür wie<strong>de</strong>r. Da <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Weg <strong>de</strong>utlich besser gangbar erscheint, folgt er <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren zu <strong>de</strong>m Altar.<br />
"Wer beim Gott <strong>de</strong>r Diebe und Händler einsteigt,<br />
muss sich auf <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l einlassen, das wohl!"<br />
kommt es von Ingalf während er in seiner Ausrüstung<br />
kramt, was er <strong>de</strong>nn da rein schmeißen kann.
"Ob je<strong>de</strong>r etwas hineinwerfen muss, <strong>de</strong>r durch die Tür<br />
will?" fragt Rovena leise und schaut die Marmorstatuen<br />
unsicher an. "Wie kommst du überhaupt darauf,<br />
dass hier Phex ein Opfer verlangt?"<br />
"Wem soll ein Haus, das mit einer Fuchspfote geöffnet<br />
wird und das von Mondlicht beleuchtet wird wohl<br />
sonst gehören!?" fragt er zurück.<br />
Da ihm nichts an<strong>de</strong>res einfällt, was im Bezug auf<br />
Phex interessant ist, wirft er die bei<strong>de</strong>n Original-Pläne<br />
von Junivera und <strong>de</strong>m Purpurturm in die Schale.<br />
Schließlich sind die bei ergaunert und seine 4 Dukaten<br />
sind für einen Gott wohl eher eine Beleidigung.<br />
Die Blätter lösen sich vor aller Augen in Luft auf.<br />
"Danke! Vernimmt Ingalf eine Stimme.<br />
"Da nich' für!" kommt es prompt von <strong>de</strong>m Thorwaler<br />
zurück.<br />
Das hören auch die an<strong>de</strong>ren.<br />
Irritiert beobachtet Edric <strong>de</strong>n Thorwaler, <strong>de</strong>r ein<br />
Selbstgespräch zu führen scheint …<br />
"Wofür nich'?" fragt Isinha <strong>de</strong>n Thorwaler.<br />
"Hä?" fragt Ingalf verwirrt. "Haste das Danke! nich'<br />
gehört?"<br />
"Nein." meint <strong>de</strong>r Magier irritiert. Dann hellen sich<br />
seine Züge auf. "Ahh. Du hast etwas geopfert und<br />
dann ist Dir gedankt wor<strong>de</strong>n. Verstehe!" Rasch zieht er<br />
einen Dukaten heraus und legt ihn in die Schale.<br />
'Beim Gott <strong>de</strong>r Diebe soll man nicht knausrig sein.'<br />
<strong>de</strong>nkt er sich. Zu verschenken hat er aber auch nichts,<br />
schließlich ist seine gesamte weltliche Habe mit Wert<br />
bei <strong>de</strong>n Grolmen geblieben. 'Ah, die Grolme!' kommt<br />
ihm dabei die Erinnerung zurück, dass er nach <strong>de</strong>m<br />
Fund <strong>de</strong>s Hortes noch etwas zu erledigen hat. 'Gleich<br />
nach <strong>de</strong>r Geschichte mit <strong>de</strong>m Geweihten.'<br />
Das Geldstück löst sich auf.<br />
Der Aranier verstaut seine Waffe und kniet vor <strong>de</strong>r<br />
Opferschale nie<strong>de</strong>r. 'Herr <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls und <strong>de</strong>s Versteckens,<br />
Deine List möge uns hier leiten, Deine Schliche<br />
uns warnen und Deine Verschwiegenheit uns nicht<br />
verraten.' Danach greift er an seinen Gürtel und füllt<br />
die Opferschale wohl mit <strong>de</strong>r Hälfte seines Vermögens.<br />
Das Geld löst sich auf.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut sich Statuen und die Schale genau<br />
an. Natürlich opfert auch er anteilig 2 Dukaten.<br />
Auch sein Geld löst sich in Nichts auf.<br />
Edric selbst muss auch etwas opfern, aber was? Was<br />
hat besitzt er, was Phex <strong>de</strong>nn würdig wäre? Auf seine<br />
Waffen wird <strong>de</strong>r Gott sicherlich keinen großen Wert<br />
legen, ansonsten hat er kaum etwas bei sich, alles wur<strong>de</strong><br />
mit <strong>de</strong>n Maultieren zurückgelassen.<br />
So holt er einen kleinen Haufen an Silbermünzen, die<br />
sein gesamtes Vermögen darstellen, hervor und legt<br />
485<br />
diese vorsichtig in die Schale. Er kniet vor <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Altar<br />
nie<strong>de</strong>r und bittet stumm um Schutz für die Maultiere<br />
und die Gruppe.<br />
Auch die Silberstücke verschwin<strong>de</strong>n, wie das an<strong>de</strong>re<br />
Geld.<br />
"Und? Habt ihr auch Phex gehört?" fragt Ingalf die<br />
Gefährten.<br />
"Nein. Du etwa noch mal?"<br />
"Nee, nur als ich geopfert habe", grübelt <strong>de</strong>r Thorwaler,<br />
"bei Swafnir, o<strong>de</strong>r besser: bei Phex, warum habt ihr<br />
ihn nicht gehört. Hey, Geweihter, das ist jetzt mal <strong>de</strong>r<br />
richtige Zeitpunkt für 'ne Erklärung, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Ich weiß gar nicht, ob ich hören möchte, was einem<br />
Hesin<strong>de</strong>-Geweihten zu Phexens Wesen einfällt." murmelt<br />
<strong>de</strong>r Magier leise zu Rovena.<br />
Mit gerunzelter Stirn steht Rovena noch immer vor<br />
<strong>de</strong>m Opferaltar. Noch niemals hat sie einem <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
Los' ein Opfer dar gebracht und sie hat auch nicht<br />
vor, das jemals zu tun. Eher fürchtet sie <strong>de</strong>n Unmut<br />
<strong>de</strong>r Götter, wenn sie nur scheinbare Anbetung und<br />
Demut zeigen wür<strong>de</strong>. Seltsam erscheint es ihr schon,<br />
dass nur Ingalf für die Gabe <strong>de</strong>r Pläne einen Dank <strong>de</strong>s<br />
Gottes erhalten hat. Wahrscheinlich reicht das schon.<br />
Sie zuckt mit <strong>de</strong>n Schultern, bleibt dabei stumm.<br />
Der Aranier schaut die Hexe erwartungsvoll an, doch<br />
sie scheint nicht reagieren zu wollen. Dann wen<strong>de</strong>t er<br />
<strong>de</strong>n Kopf wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Opferschale zu. 'Verstehe ich es<br />
richtig, Du möchtest, dass ich dir etwas gebe, was mir<br />
persönlich sehr viel wert ist? Oh Listiger, <strong>de</strong>r Du Deine<br />
E<strong>de</strong>lsteine um Mada herum verteilst, ich verstehe<br />
und gehorche.'<br />
Wortlos legt er seinen Kohlestift für die Augen und<br />
seinen Armreif in die Schale.<br />
Bei<strong>de</strong>s löst sich in Luft auf.<br />
"Bei Swafnir, ich halte ja nicht viel von <strong>de</strong>n Zwölfen,<br />
das wohl", antwortet Ingalf, "aber <strong>de</strong>r alte Phex, <strong>de</strong>r is'<br />
uns Thorwalern doch sehr ähnlich und darum sollte<br />
man ihm was geben!" 'Damit er es einem dann mehrfach<br />
zurückgibt, das wohl!'<br />
"Ich verstehe nicht allzu viel von Phexens Wegen.<br />
Aber ohne seinen Segen hat man es be<strong>de</strong>utend schwerer.<br />
Ich mag gar nicht daran <strong>de</strong>nken, wie schwer es<br />
sein kann, wenn man sogar sein Missfallen erregen<br />
sollte …" stellt <strong>de</strong>r Magier in <strong>de</strong>n Raum, als die Hexe<br />
nichts opfern will. Also zieht er einen weiteren Dukaten<br />
hervor und legt ihn mit <strong>de</strong>n Worten: "Als Rovenas<br />
Gabe." in die Opferschale.<br />
Mit verschlossen Miene und verschränkten Armen beobachtet<br />
die Hexe Elgars Tun. Wenn es etwas nützt,<br />
soll es ihr recht sein, aber es ist für sie, nicht von ihr,<br />
einer Tochter Satuarias.<br />
Auch dieses Geldstück löst sich in Luft auf.
"Ihr tut Recht daran", kommentiert Hesan<strong>de</strong>r das Verhalten<br />
Elgars. "Wer an einem Ort ist, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Phexens<br />
würdig ist, und wer erhofft, etwas vom Schatz mitnehmen<br />
zu können, <strong>de</strong>r zeige seine Demut vor <strong>de</strong>m<br />
Fuchs."<br />
"Hmm, wenn Du meinst, dass das reicht, dann sollten<br />
wir weiter, das wohl!" meint Ingalf skeptisch.<br />
"Wollen wir nicht endlich versuchen, ob sich die Tür<br />
öffnen lässt?" fragt die Hexe in die Run<strong>de</strong> und geht<br />
auf <strong>de</strong>n Eingang in <strong>de</strong>r Nordwand zu.<br />
Die Tür hier sieht genau so wie die Eingangstür zu<br />
diesem Raum aus. Eine einfache Klinke.<br />
"Aber sicher doch", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r. Er geht ebenfalls<br />
auf die Tür zu, beäugt sie einen Moment und<br />
drückt dann im Vertrauen auf seine Herrin Hesin<strong>de</strong><br />
die Klinke runter. Als sich die Tür öffnet, riskiert Hesan<strong>de</strong>r<br />
einen Blick dahinter.<br />
Da ist ein Gang, vier Schritt lang und 2 Schritt breit,<br />
<strong>de</strong>r in einen nach rechts abknicken<strong>de</strong>n Raum mün<strong>de</strong>t.<br />
Mit einer einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Geste lässt Hesan<strong>de</strong>r Rovena<br />
als erste durchgehen. "Nach Euch!"<br />
Rovenas Augen verengen sich, als sie <strong>de</strong>n Geweihten<br />
ansieht. Das sanfte Mondlicht <strong>de</strong>r Wän<strong>de</strong> schimmert<br />
in <strong>de</strong>n fünf silbernen Strähnen ihrer Haare. Ein verächtlicher<br />
Zug legt sich um ihre Mundwinkel, als sie<br />
ihm entgegnet: "Das Vertrauen in <strong>de</strong>ine Götter scheint<br />
gering zu sein, Euer Gna<strong>de</strong>n, dass du dich hinter einer<br />
Tochter Satuarias verstecken musst."<br />
Sie zögert einen Moment, geht dann jedoch auf die offene<br />
Tür zu. Wenn Phex etwas von ihr will, wird er es<br />
sie schon wissen lassen … so leicht wie die Menschen<br />
ist <strong>de</strong>r Gott <strong>de</strong>r Diebe und Händler nicht zu hintergehen.<br />
Der Magier schüttelt nur <strong>de</strong>n Kopf. 'Dieser Hesan<strong>de</strong>r<br />
hat wirklich komische Ansichten! Nur lachen kann<br />
ich nicht darüber.' Seine Stirn verzieht sich in leichte<br />
Falten, als Rovena <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung folgt und die Tür<br />
durchschreitet. So wirft Isinha <strong>de</strong>m Geweihten einen<br />
finsteren Blick zu, ohne auf <strong>de</strong>ssen "Lob", auf das er<br />
ohnehin verzichten kann, näher einzugehen und folgt<br />
<strong>de</strong>r Hexe dicht auf.<br />
"Bei allen Seeteufeln!" flucht Ingalf <strong>de</strong>r hinter <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n Raum betreten hat. "Was haben wir hier für<br />
eine tolle Karte! Hier stimmt doch überhaupt nix.<br />
Laut <strong>de</strong>r Karte müsste <strong>de</strong>r Gang nach Backbord knicken<br />
und was macht dieser verdammte Gang? Er<br />
knickt nach Steuerbord … Hätte ich das geahnt, dann<br />
wäre auch diese Karte bei Phex gelan<strong>de</strong>t, vielleicht<br />
hätte er da was mit anfangen können, das wohl!"<br />
"Alles ist verkehrt herum?" fragt <strong>de</strong>r Magier nach.<br />
"Vielleicht hältst Du die Karte verkehrt?" vermutet<br />
Edric.<br />
486<br />
"Nehmen wir mal an, dass diese Vermutung zutrifft.<br />
Wie wür<strong>de</strong> es nach diesem Raum mit <strong>de</strong>n Schlingen<br />
weitergehen? Dort entlang und dann Schluss?" fragt<br />
<strong>de</strong>r Magier und zeigt auf die Sackgasse, die sich bei<br />
normaler Planhaltung links unten befin<strong>de</strong>t.<br />
"Aber hast Du nicht gesagt, <strong>de</strong>r Raum sieht wie ein L<br />
aus?" Ingalf <strong>de</strong>utet auf <strong>de</strong>n Plan. "Die sind aber rechteckig,<br />
das wohl!"<br />
"Schon. Aber 'sieht aus wie' und 'ist ein' müssen nicht<br />
überein stimmen." gibt <strong>de</strong>r Magier zu be<strong>de</strong>nken.<br />
"Vielleicht fehlen auf unserem Plan die Zwischenwän<strong>de</strong><br />
und man wür<strong>de</strong> wie in einem Schneckenhaus<br />
durch die Schlingen in eine Sackgasse geführt. Vielleicht<br />
ist es aber auch ein ganz an<strong>de</strong>rer Raum und <strong>de</strong>r<br />
Plan hier passt nur zufällig teilweise auf einige <strong>de</strong>r<br />
Räume, gilt ansonsten aber auch gleichzeitig für die<br />
Spinnenhöhle, <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Azzl und die Abwasserkanäle<br />
von Havena."<br />
"Nö!" meint Ingalf, "die Spinnenhöhle sah ganz an<strong>de</strong>rs<br />
aus, das wohl!"<br />
"Es wäre immerhin <strong>de</strong>nkbar, dass die Karte falsch ist<br />
o<strong>de</strong>r aber falsch ausgerichtet ist. Anhand <strong>de</strong>s bisherigen<br />
Verlaufs <strong>de</strong>r Räume und Gänge sollten sich doch<br />
irgendwo Ähnlichkeiten auf <strong>de</strong>r Karte wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n<br />
lassen. Falls nicht, müssen wir auf Phex und die an<strong>de</strong>ren<br />
<strong>de</strong>r Zwölfe vertrauen."<br />
"Was ist, wenn man die Karte gegen das Licht halten<br />
und von hinten lesen muss o<strong>de</strong>r sie spiegelverkehrt<br />
angelegt ist? Es wäre doch zu einfach, eine richtige<br />
Karte vom Orkenhort zu haben, o<strong>de</strong>r? Versuchen<br />
wir's!" for<strong>de</strong>rt er <strong>de</strong>n Thorwaler auf und hält seine<br />
magische Fackel bereit.<br />
Ingalf hält die Karte gegen das Licht von Isinhas Zauberstab.<br />
"Hmm, das könnte es sein - zumin<strong>de</strong>st wür<strong>de</strong> es die<br />
Ecke erklären. Die Karte ist irgendwie ziemlich<br />
schlecht. War wohl kein Thorwaler, <strong>de</strong>r sie gezeichnet<br />
hat, das wohl!"<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Gepfählten<br />
Da, wo es nach rechts abgeht, beginnt ein Saal: Vier<br />
Schritt breit und bestimmt dreimal so lang. Hinten an<br />
<strong>de</strong>r Nordwand ist wie<strong>de</strong>r eine Tür.<br />
Der gesamte Bo<strong>de</strong>n dieses Raumes besteht aus einer<br />
durchsichtigen Substanz. Möglicherweise ist das Glas,<br />
aber Glasscheiben gibt es in Aventurien höchstens<br />
zwei Hän<strong>de</strong> groß.<br />
Unter <strong>de</strong>r Scheibe ist ist ein tiefer Schacht, <strong>de</strong>ssen Bo<strong>de</strong>n<br />
mit angespitzten Pfählen gespickt ist. Auf <strong>de</strong>n<br />
Pfählen stecken die sterblichen Überreste einiger Gestürzter.<br />
Die Leichen sind so gut erhalten, dass man<br />
fünf tote Orks und vier tote Menschen zählen kann.<br />
"Was soll'n das?" fragt <strong>de</strong>r Thorwaler erstaunt als er<br />
<strong>de</strong>n Raum sieht. "Sind das unser Vorgänger? Na toll
… vielleicht doch <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gang, was meinst Du<br />
Isinha?"<br />
"Eine Wippe vielleicht? O<strong>de</strong>r ein magischer Bo<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>r sich auflöst?" grummelt <strong>de</strong>r Magier nach<strong>de</strong>nklich.<br />
Vorsichtig tippt er mit <strong>de</strong>r Spitze seines Stabs auf<br />
einen ca. 1 Schritt vom Gang entfernten Punkt auf<br />
<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n, ohne in <strong>de</strong>n Raum zu treten.<br />
Klock. Der Bo<strong>de</strong>n ist für <strong>de</strong>n Zauberstab fest.<br />
Vorsichtig berührt Ingalf <strong>de</strong>n durchsichtigen Bo<strong>de</strong>n<br />
mit <strong>de</strong>m Fuß. "Vielleicht ist es ja aus Eis?"<br />
Der Bo<strong>de</strong>n ist fest. Wie fest, ist aber unklar. In diesem<br />
Raum ist es nicht kälter als in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren vorher.<br />
Bei <strong>de</strong>m Anblick <strong>de</strong>r Toten muss Edric schlucken.<br />
Glücksritter, die das Glück verloren hat … doch ist er<br />
im Moment etwas an<strong>de</strong>res?<br />
"Wie mögen die durch <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n gekommen sein?"<br />
fragt er und bückt sich um <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zu berühren.<br />
"Vielleicht ist das auch nur eine Abschreckung."<br />
"Tja, wenn jetzt Sephyra da wäre!" meint Ingalf. "Die<br />
wür<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auch über die Pfähle turnen<br />
und wäre flugs drüben, das wohl!"<br />
"Wer immer auch Sephyra ist", meint Rovena dazu,<br />
die sich ihr Entsetzen vom Anblick <strong>de</strong>r Gepfählten<br />
nicht anmerken lässt, "doch unbehelligt nach drüben<br />
zu kommen, traue ich mir auch zu."<br />
"Das wäre ein Anfang, aber wenn, dann müssen wir<br />
alle hinüber gelangen." erinnert Isinha die Hexe. Der<br />
Magier besieht sich genau die "Verteilung" <strong>de</strong>r gefallenen<br />
Abenteurer, um herauszufin<strong>de</strong>n, wie ein möglicherweise<br />
klappbarer o<strong>de</strong>r kippen<strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n aufgehängt<br />
ist. Vermutlich asymmetrisch quer zum Gang<br />
o<strong>de</strong>r gar diagonal, dann dürfte es sehr schwierig sein,<br />
die Kippbewegung auszubalancieren, wenn man <strong>de</strong>n<br />
Bo<strong>de</strong>n erst einmal betreten hat.<br />
Die Verteilung <strong>de</strong>r Leichen gibt lei<strong>de</strong>r keinen Hinweis<br />
auf die Natur <strong>de</strong>r möglicherweise bestehen<strong>de</strong>n Falle.<br />
"Was nu?" fragt Ingalf <strong>de</strong>n Magier. "Wagen wir es hier<br />
o<strong>de</strong>r lieber <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Raum? Zurück können wir ja<br />
wohl nicht!"<br />
"Nein, wir müssen schon hier lang, wür<strong>de</strong> ich sagen."<br />
antwortet Isinha und berichtet von <strong>de</strong>n Schlingen und<br />
Schlaufen, die er in <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Raum gesehen hat.<br />
"Hat noch einer von euch 'n Seil?" fragt Ingalf und<br />
schaut skeptisch auf <strong>de</strong>n durchsichtigen Bo<strong>de</strong>n. "Weil<br />
gesichert wür<strong>de</strong> ich mich wohl trauen, das wohl!"<br />
"Ich habe eine 6 Schritt lange Kette, Bereiser <strong>de</strong>r Meere."<br />
antwortet Melachath.<br />
"'Ne Kette?! Bei allen Seebären, seh' ich aus wie'n Anker?"<br />
fragt Ingalf erstaunt zurück.<br />
Ein leichtes Grinsen kann sich <strong>de</strong>r Aranier nicht verkneifen.<br />
"Im Moment ja, das wohl!"<br />
"Pah!" kommt es von Ingalf. "So nich'!"<br />
487<br />
Der Thorwaler tritt etwas kräftiger auf die Fläche,<br />
dann verlagert er vorsichtig das Gewicht auf <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>ren<br />
Fuß.<br />
Ein leises Knistern ist zu hören.<br />
"Haben wir <strong>de</strong>nn tatsächlich kein Seil bei uns?" fragt<br />
Rovena und schaut Ingalf besorgt nach. "Können wir<br />
nicht eines aus <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Raum besorgen?" fügt sie<br />
an Elgar gerichtet an.<br />
"Wir könnten sicher versuchen, einige <strong>de</strong>r Schlingen<br />
abzuschnei<strong>de</strong>n. Allerdings vermute ich stark, dass dahinter<br />
eine Falle verborgen ist. Vielleicht ziehen sich<br />
die Schlingen bei Berührung zu und man kommt<br />
nicht mehr frei. Auch die Tür könnte sich hinter einem<br />
schließen, vom sichere Gang aus konnte man die<br />
Seile kaum erreichen." erwi<strong>de</strong>rt Isinha auf Rovenas<br />
Ansinnen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut sich die "Glasplatte" an und sucht<br />
unbewusst nach einen sicherlich im Raum herumliegen<strong>de</strong>n<br />
kleinen Gegenstand, sei es auch ein Stein.<br />
Im Raum liegt nichts herum. Hesan<strong>de</strong>r muss etwas<br />
von seinen eigenen Besitztümern nehmen.<br />
Da Hesan<strong>de</strong>r nichts Werfbares in <strong>de</strong>m Raum fin<strong>de</strong>t,<br />
holt er ein Stück Hartwurst aus seinem Rucksack und<br />
wirft es zu <strong>de</strong>r Stelle, von wo aus die Toten hinunter<br />
gefallen sein müssten.<br />
Die Hartwurst trifft mit einem *klonk* auf <strong>de</strong>r Platte<br />
auf und rollt dann weiter, bis sie an <strong>de</strong>r Wand liegen<br />
bleibt.<br />
Ingalf hebt vorsichtig <strong>de</strong>n hinteren Fuß vom Bo<strong>de</strong>n, so<br />
dass sein ganzes Gewicht auf <strong>de</strong>r Fläche lastet.<br />
Es knackt.<br />
Mit einem schnellen Schritt springt Ingalf zurück auf<br />
<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. "Bin wohl zu schwer, das wohl!" murmelt<br />
er. Dann kniet er sich hin und schaut sich die Stelle,<br />
an <strong>de</strong>r er auf <strong>de</strong>r Fläche gestan<strong>de</strong>n hat, genauer an.<br />
Etwas vom Staub unter <strong>de</strong>r Sohle seines Stiefels ist auf<br />
<strong>de</strong>r Oberfläche zurückgeblieben. Ein schöner Abdruck.<br />
"Hmm, sieht doch heile aus! Warum knackt das dann<br />
so?" fragt Ingalf mehr sich als die Gefährten.<br />
Hesan<strong>de</strong>r überlegt kurz. "Sagt einmal, ist es <strong>de</strong>nkbar,<br />
dass das nur eine Illusion ist?" fragt er die an<strong>de</strong>ren.<br />
"Mein Stück Hartwurst sollte doch eigentlich durch<br />
die Platte durchgefallen sein, wo auch die Leichen<br />
hätten durchfallen müssen. Doch das Stück liegt dort<br />
drüben in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Wand."<br />
Isinha reibt sich nach<strong>de</strong>nklich das bartlose Kinn. "Etwas<br />
macht mich stutzig." beginnt er langsam. "Ingalfs<br />
Schritt hat ein Knacken hervorgerufen. Die lan<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Wurst hat dagegen ein Knistern erfolgt. Der Bo<strong>de</strong>n<br />
könnte mit einem magischen Feld be<strong>de</strong>ckt sein, dass<br />
an bestimmten Stellen durchlässig ist o<strong>de</strong>r aber nur<br />
für bestimmte - geringe - Gewichte ausgelegt ist. Ein
kleines Kind kann vielleicht ohne weitere hinüber laufen.<br />
Ein Thorwaler aber nicht. Auch kein Ork. Man<br />
liest immer wie<strong>de</strong>r über eine Zauber, mit <strong>de</strong>m z.B. Al'-<br />
Anfanische Magier im Dienste <strong>de</strong>r Flotte die Schiffe<br />
vor Brandpfeilen schützen, in<strong>de</strong>m sie so ein Kraftfeld<br />
wie eine Art Schild aufbauen. Es ist durchsichtig, aber<br />
für Geschosse undurchdringlich." teilt <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n<br />
Gefährten mit. Dann hockt er sich vor <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
Raums und befühlt mit <strong>de</strong>r Hand die Stelle, an <strong>de</strong>r<br />
Ingalfs Fußabdruck zu sehen ist.<br />
"Wir haben nu' mal keine Kin<strong>de</strong>r dabei", greift Ingalf<br />
das Gesagte auf, "wie kommen wir <strong>de</strong>nn nu rüber?"<br />
"Ich arbeite daran." knurrt Isinha zwischen <strong>de</strong>n Zähnen<br />
hervor und tastet weiter <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n ab.<br />
Es fühlt sich wie ein fester Untergrund an.<br />
"Wieso turnst Du dazu auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n rum?" fragt<br />
Ingalf weiter. "Ich <strong>de</strong>nke Du kannst zaubern? Haste<br />
doch bei Nahemas Kugel auch gemacht, das wohl!"<br />
"Sind <strong>de</strong>nn irgendwelche Risse o<strong>de</strong>r Splitter zu sehen,<br />
wo Ingalf seinen Fuß drauf gesetzt hat?" fragt Hesan<strong>de</strong>r<br />
und schaut sich die Stelle selbst an.<br />
Es gibt nicht <strong>de</strong>n kleinsten Hinweis auf eine Riss o<strong>de</strong>r<br />
auch nur Kratzer.<br />
"Ist es <strong>de</strong>nkbar, dass eine Bewegung auf diese Fläche<br />
eine magisch erzeugtes Geräusch auslöst, das ungebetene<br />
Gäste fernhalten soll?" überlegt er laut.<br />
"Was willst Du fin<strong>de</strong>n, was ich nicht gefun<strong>de</strong>n habe?"<br />
fragt Ingalf <strong>de</strong>n Geweihten.<br />
Verwun<strong>de</strong>rt dreht sich Rovena zu Elgar um. "Ich weiß<br />
nicht, ob <strong>de</strong>ine Vermutung richtig ist, <strong>de</strong>nn ich habe es<br />
erst knistern und dann knacken gehört, als Ingalf sein<br />
Gewicht auf <strong>de</strong>n Glasbo<strong>de</strong>n verlagert hat. Hesan<strong>de</strong>rs<br />
Wurst hingegen ist mit einem *klonk* auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n<br />
gelan<strong>de</strong>t. Kannst du nicht nachsehen, ob auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n<br />
ein Zauber liegt?" fragt sie ihn vorsichtig. Sie wür<strong>de</strong><br />
ja hinüber kommen, doch was machen ihre Gefährten<br />
…?<br />
Da es sich we<strong>de</strong>r kalt wie Eis anfühlt, noch sonstige<br />
Hinweise vorhan<strong>de</strong>n sind, murmelt Isinha: "O<strong>de</strong>m<br />
Arcanum Senserei - Weht da ein Hauch von Zauberei?"<br />
und beobachtet welche arkanen Kraftlinien erscheinen.<br />
Der Schimmer <strong>de</strong>r Wän<strong>de</strong> rechts und links wird leicht<br />
rötlich. Die Platte selbst ist nicht magisch.<br />
Hesan<strong>de</strong>r erinnert sich an <strong>de</strong>n Vorschlag mit <strong>de</strong>r Kette.<br />
"Melachath, könnt Ihr Eure Kette um meine Hüfte<br />
bin<strong>de</strong>n und mich halten, während ich auf die an<strong>de</strong>re<br />
Seite gehe?" - 'Hesin<strong>de</strong> wird mir beistehen', <strong>de</strong>nkt sich<br />
<strong>de</strong>r Geweihte.<br />
"Bevor Du gehst, ähm, ich krieg noch 'nen<br />
Silbertaler!" erinnert ihn <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
Schweigend schaut <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>n Geweihten eine<br />
Zeit lang an, dann nickt er kurz und holt die Kette aus<br />
488<br />
<strong>de</strong>m Rucksack. Er wickelt sich das eine En<strong>de</strong> mehrmals<br />
um <strong>de</strong>n Unterarm und reicht das an<strong>de</strong>re an Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Rondra gib mir Kraft," und nach <strong>de</strong>m er kurz <strong>de</strong>n<br />
Kopf gewen<strong>de</strong>t hat, "und Du, Ingalf."<br />
"Wenn er seine Schul<strong>de</strong>n bezahlt, dann helf' ich Dir<br />
gerne, das wohl!" antwortet Ingalf. "Ich will mein<br />
Geld nicht vom Bo<strong>de</strong>n abkratzen wollen!"<br />
'Der Anblick wäre mir ein Silberstück wert.' <strong>de</strong>nkt sich<br />
<strong>de</strong>r Magier.<br />
"Wie wäre es, Du hältst or<strong>de</strong>ntlich fest, dann kriegst<br />
Du es, sobald wir dort drüben sind", entgegnet <strong>de</strong>r Geweihte<br />
<strong>de</strong>m Thorwaler.<br />
"Klar, das macht aber noch einen, das wohl!" meint Ingalf.<br />
Etwas genervt ob <strong>de</strong>r Geldgier <strong>de</strong>s Thorwalers reicht<br />
Hesan<strong>de</strong>r ihm ein Silberstück aus seinem Geldbeutel.<br />
"Hier, bei Phex, und jetzt halte mit Melachath gut<br />
fest."<br />
"Hey, noch einer be<strong>de</strong>utet in meiner Sprache einer, und<br />
noch einer also zwei, das wohl!" Ingalf hält die Hand<br />
auf.<br />
"Wir sprachen bei unserer Wette von einem Silberstück",<br />
kontert Hesan<strong>de</strong>r. "Wenn Du eins zum festhalten<br />
haben willst, bleiben wir eben hier drüben o<strong>de</strong>r<br />
Du probierst selbst aus, rüber zu kommen. Ich lass<br />
mich doch nicht über <strong>de</strong>n Tisch ziehen."<br />
"Hier ist doch auch kein Tisch, son<strong>de</strong>rn ein komischer<br />
Bo<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>n wir Dich ziehen sollen!" antwortet Ingalf.<br />
"Uh oh!" meint Isinha leise, nach<strong>de</strong>m er die Kraftlinien<br />
studiert hat. "Nicht <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn die Wän<strong>de</strong><br />
sind irgendwie magisch. Seid bloß vorsichtig." fügt er<br />
überflüssiger Weise hinzu.<br />
Rovena runzelt die Stirn und lässt ihren Blick prüfend<br />
über die Wän<strong>de</strong> gleiten. "Vielleicht löst man die Falle<br />
aus, wenn man sich zur vermeintlichen Sicherheit an<br />
<strong>de</strong>r Wand entlang über die Glasbo<strong>de</strong>n bewegt", vermutet<br />
sie und verwirft ganz schnell ihren Plan, die<br />
Wän<strong>de</strong> zum Durchqueren <strong>de</strong>s Raumes zu nutzen.<br />
Der Magier grinst sie an. Dann zieht er eine Augenbraue<br />
hoch. "Möglich. Aber ich hatte übersehen, dass<br />
das Leuchten nicht aussieht, als wären Fackeln eingemauert<br />
wor<strong>de</strong>n. Vermutlich ist das Licht <strong>de</strong>r Grund<br />
für die leichte magische Aktivität. Mehr und mehr vermute<br />
ich etwas an<strong>de</strong>res: Dieser Saal soll uns abschrecken.<br />
Wir sollen glauben, dass wir hier nicht lebend<br />
hindurch kommen und statt <strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>n Weg mit <strong>de</strong>n<br />
Schlingen und Seilen nehmen - die wahre Falle."<br />
Noch während die an<strong>de</strong>ren um die Aktion mit <strong>de</strong>r<br />
Kette diskutieren, ergreift Isinha fest seinen Stab und<br />
steht auf. Dann setzt er vorsichtig einen Fuß auf <strong>de</strong>n
Bo<strong>de</strong>n, gleich neben Ingalfs Stiefelabdruck. Dann<br />
noch einen und noch einen.<br />
Es knirscht und knackt zum Göttererbarmen, aber <strong>de</strong>r<br />
durchsichtige Bo<strong>de</strong>n hält bis zum dritten Schritt.<br />
Jetzt bricht Isinha doch ein wenig <strong>de</strong>r Schweiß aus, als<br />
er kurz bewegungslos verharrt. Aber er beißt die Zähne<br />
zusammen und wagt einen Blick auf die eigenen<br />
Füße, ob sich erkennbare Risse im Bo<strong>de</strong>n gebil<strong>de</strong>t haben.<br />
Nicht die An<strong>de</strong>utung eines Risses ist zu sehen.<br />
Als die Hexe zusehen muss, wie Elgar sich to<strong>de</strong>smutig<br />
auf die unsichere Bo<strong>de</strong>nfläche begibt, steigt sie auf ihren<br />
Stab und hält sich bereit, ihm sofort zur Hilfe zu<br />
eilen und sei es nur, seinen Sturz auf die Pfähle soweit<br />
abzumil<strong>de</strong>rn, dass er sich nicht verletzt, sollte die<br />
Glasplatte brechen.<br />
'Gut, also scheint sich meine Theorie zu bewahrheiten!'<br />
ermutigt sich <strong>de</strong>r Magier selbst und schreitet weiter<br />
auf die Nordwand und die darin eingelassene Tür<br />
zu, bis er sie erreicht hat.<br />
Nach je<strong>de</strong>m Schritt auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n wird das Knacken<br />
und Knistern immer lauter und heftiger. Die Toten<br />
unter <strong>de</strong>r Oberfläche scheinen Isinha anzusehen, fast<br />
hat er das Gefühl sie rufen ihn zu sich hinab.<br />
Wie<strong>de</strong>r bleibt <strong>de</strong>r Magier stehen. Schweiß rinnt ihm<br />
<strong>de</strong>n Rücken herab. Obwohl ihm <strong>de</strong>r Blick nach unten<br />
offenbart, dass keine Risse entstehen, führt er auch zur<br />
Betrachtung <strong>de</strong>r Aufgespießten. "Vielleicht sollte ich<br />
<strong>de</strong>n Rucksack zurückbringen und es mit weniger Gewicht<br />
erneut versuchen." schlägt er sich selbst vor.<br />
"Gute I<strong>de</strong>e." Isinha dreht sich um und geht zurück<br />
zum Ausgangspunkt, <strong>de</strong>n Blick starr auf <strong>de</strong>n Gang<br />
und Rovena gerichtet, die mittlerweile ihren Stab einsatzbereit<br />
hält.<br />
Edric verfolgt gespannt, wie <strong>de</strong>r Magier die durchsichtige<br />
Fläche betritt und sich langsam, Schritt für Schritt<br />
vorarbeitet und schließlich umkehrt.<br />
"Wenn die Fläche nicht magisch ist, dann wird sie früher<br />
o<strong>de</strong>r später brechen", überlegt <strong>de</strong>r Hirte laut, <strong>de</strong>nn<br />
auch Illusionen sind magischen Ursprungs, soviel<br />
weiß er.<br />
Auf <strong>de</strong>m sicheren Bo<strong>de</strong>n angekommen, lehnt sich Isinha<br />
tief durchatmend gegen die Wand und verschnauft,<br />
ehe er an Hesan<strong>de</strong>r gewandt fortfährt: "Also<br />
bis zur Mitte ist es wohl sicher, aber ab da …"<br />
"… ab da hält aber auch keine Kette mehr, das wohl!"<br />
vollen<strong>de</strong>t Ingalf <strong>de</strong>n Satz. "Sollen wir Dich jetzt noch<br />
halten, o<strong>de</strong>r willst Du das Gewicht <strong>de</strong>r Kette lieber<br />
sparen?"<br />
"Ach, Hesan<strong>de</strong>r hat die Kette einmal um. Soll Melachath<br />
ihn doch von <strong>de</strong>r Mitte aus sichern, das hält<br />
bestimmt. Hier." Mit diesen Worten drückt <strong>de</strong>r Magier<br />
489<br />
Hesan<strong>de</strong>r das Fuchsamulett in die Hand. "Das bekomme<br />
ich nachher aber wie<strong>de</strong>r."<br />
"Das hoffst Du!"<br />
"Bin ich nicht heil wie<strong>de</strong>r zurück?" hält <strong>de</strong>r Magier<br />
dagegen. "Und außer<strong>de</strong>m hast Du doch das Silberstück<br />
bekommen, was also soll's? Ach ja, einen an<strong>de</strong>ren<br />
Weg haben wir auch nicht. Es sei <strong>de</strong>nn, Du willst<br />
Dein Glück mit <strong>de</strong>m Schlingengang versuchen." erinnert<br />
Isinha.<br />
"Is' ja gut!" antwortet Ingalf. "Soll er gehen, das wohl!<br />
Vielleicht wäre ja kriechen besser", fällt ihm dann<br />
noch ein, "auf <strong>de</strong>m Eis ist es doch auch auf allen Vieren<br />
sicherer."<br />
"Doch, sicher. Auf <strong>de</strong>m Eis nennt man das 'Lastverteilung',<br />
ein Geweihter auf Knien ist '<strong>de</strong>mütig'. Gefällt<br />
mir." antwortet <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Melachath", fragt Hesan<strong>de</strong>r, "sichert Ihr mich von <strong>de</strong>r<br />
Mitte aus?"<br />
Der Angesprochene, <strong>de</strong>r bereits nach <strong>de</strong>m Amulett<br />
greifen wollte, antwortet <strong>de</strong>m Geweihten: "Ja, edler<br />
Weiser, Euer Tod wäre ein zu großer Verlust für alle<br />
Wissbegierigen, ich halte und schütze Euch."<br />
'Gut, dass ich nicht zu <strong>de</strong>n Wissbegierigen gehöre, das<br />
wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf und schaut auf seine Orknase gestützt<br />
<strong>de</strong>m Schauspiel zu.<br />
"Dann wer<strong>de</strong> ich jetzt im Vertrauen auf die Zwölfe<br />
und auf Eure Stärke <strong>de</strong>nselben Weg beschreiten wie<br />
Elgar", antwortet Hesan<strong>de</strong>r und hält noch einmal<br />
inne. 'Oh Herrin Hesin<strong>de</strong>, beschütze Deinen treuen<br />
Diener auf seiner Dir gefälligen Queste!'<br />
Dann holt er tief Luft und macht einen Schritt vorwärts<br />
bis er schließlich vorsichtig und <strong>de</strong>nnoch zügig<br />
nach drüben geht.<br />
Sobald leichter Zug auf <strong>de</strong>r Kette ist folgt <strong>de</strong>r Krieger<br />
im Tempo <strong>de</strong>s Geweihten.<br />
Dem Geweihten geht es nicht besser als Isinha. Mit<br />
je<strong>de</strong>m Schritt <strong>de</strong>n er auf <strong>de</strong>r Platte geht, wird das<br />
Knacken und Knirschen lauter. Aber sooft er auch<br />
nach unten blickt, es ist kein Riss zu sehen.<br />
So gelangt auch er bis in die Mitte <strong>de</strong>r Platte. Und hier<br />
scheinen auch Hesan<strong>de</strong>r die Toten anzustarren und es<br />
überkommt ihn ein leichtes Grauen, aber ob es sein<br />
Selbstvertrauen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Göttin ist, er gelangt<br />
über die Mitte hinaus. Nach einigen weiteren<br />
Schritten steht er vor einer Tür mir <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Raum<br />
nach Nor<strong>de</strong>n abgeschlossen wird.<br />
Melachath ist ihm trotz Knistern und Knacken gefolgt.<br />
Dabei immer die Kette straff haltend, steht er<br />
jetzt kurz vor <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Raumes. Und auch ihn<br />
scheinen die Augen <strong>de</strong>r Toten Menschen und Orks<br />
anzusehen.<br />
Ein bisschen mulmig wird es schon, scheinen doch<br />
seine Ahnen ihm direkt in die Augen zu starren. Kurz
verharrt er, was auch Hesan<strong>de</strong>r aufhält, doch dann<br />
gibt er sich einen Ruck und folgt <strong>de</strong>m Geweihten.<br />
Und so gelangt auch Melachath trotz Knistern und<br />
Knacken zu Hesan<strong>de</strong>r vor die Tür.<br />
"Geheiligt sein die Zwölfe", ruft Hesan<strong>de</strong>r erleichtert<br />
aus. "Die Götter sind mit uns!"<br />
Als Ingalf sieht, dass die bei<strong>de</strong>n heil am an<strong>de</strong>ren En<strong>de</strong><br />
angekommen sind, nimmt er seinen Mut und sein<br />
Gepäck zusammen und geht los. Das Knirschen und<br />
Knacken macht Ingalf nervös und auch die Gesichter<br />
<strong>de</strong>r Toten unter <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n lassen ihn erschau<strong>de</strong>rn.<br />
Und er muss die Zähne zusammenbeißen und allen<br />
Mut zusammennehmen, aber dann schafft er es und<br />
kommt mit weichen Knien auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite an.<br />
"Pff!" schnauft er und dann ruft er <strong>de</strong>n Welpen zu<br />
sich.<br />
Kawi winselt kurz und läuft dann ganz vorsichtig zu<br />
seinem Herrchen. Als <strong>de</strong>r leichte Welpe über die Fläche<br />
läuft knistert es nur leise.<br />
Die Ankömmlinge schauen sich die Tür an. Sie hat<br />
wie<strong>de</strong>r eine einfache Klinke.<br />
Isinha lächelt Rovena zu: "Sobald die da drüben endlich<br />
die Tür geöffnet und die Fläche verlassen haben,<br />
sollten auch wir diesen Raum durchqueren." Dann<br />
wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Magier Edric zu: "So, Du bist <strong>de</strong>r<br />
nächste Mutige."<br />
Die Hexe nickt und wartet mit einem unwohlen Gefühl<br />
darauf, dass sich <strong>de</strong>r Hirte auf <strong>de</strong>n Weg macht.<br />
"Wer <strong>de</strong>nkt sich schon so eine Falle aus, bei <strong>de</strong>r die<br />
Abschreckung o<strong>de</strong>r Angst <strong>de</strong>n Eindringling dazu bringen<br />
soll, sich selbst sehen<strong>de</strong>n Auges in die - vermeintlich<br />
- beherrschbare Gefahr einer sogar als solchen erkannten<br />
Falle zu begeben? Ob das Phexens eigene<br />
I<strong>de</strong>e gewesen ist?" fragt Isinha. Es ist schwer zu entschei<strong>de</strong>n,<br />
ob er - mal wie<strong>de</strong>r - ein Selbstgespräch führt<br />
o<strong>de</strong>r tatsächlich Rovena und Edric angesprochen hat,<br />
<strong>de</strong>r immer noch darauf wartet, dass Hesan<strong>de</strong>r und<br />
Melachath durch die Tür am an<strong>de</strong>ren En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Raumes treten und damit <strong>de</strong>n durchsichtigen Saalbo<strong>de</strong>n<br />
räumen.<br />
"Womöglich jemand, <strong>de</strong>r davon ausgegangen ist, dass<br />
<strong>de</strong>r durchschnittliche Schatzsucher nicht so mutig<br />
o<strong>de</strong>r erfin<strong>de</strong>risch ist", antwortet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Hesan<strong>de</strong>r drückt vorsichtig die Klinke zur Tür am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Glasbo<strong>de</strong>nraumes herunter. Ein tiefer, verzweifelter<br />
Seufzer erklingt.<br />
Hesan<strong>de</strong>r erschreckt sich und schließt die Tür instinktiv<br />
wie<strong>de</strong>r. Dann sieht er zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. "Habt Ihr<br />
das auch gehört?", fragt er sie.<br />
"Jau!" sagt Ingalf, <strong>de</strong>r hinter ihm steht. "Du hast geseufzt,<br />
das wohl!"<br />
"Nein, nicht ich", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r. "Der Seufzer<br />
kam, nach<strong>de</strong>m ich die Tür geöffnet habe. Kommt am<br />
490<br />
besten hier 'rüber, schau nach und halt die Orknase<br />
zwischen Dir und <strong>de</strong>m, was das Geräusch macht."<br />
"Oh, auf einmal darf ich wie<strong>de</strong>r vorgehen?!" antwortet<br />
Ingalf. "Kaum hört <strong>de</strong>r Herr Geweihte was, muss wie<strong>de</strong>r<br />
ein Kämpfer vor. Ach was soll's! Komm Kawi wir<br />
gehen, das wohl!"<br />
Ingalf öffnet die Tür mit <strong>de</strong>r Linken und hält die Orknase<br />
in <strong>de</strong>r Rechten bereit.<br />
"So hat eben je<strong>de</strong>r entsprechend seinen Stärken, seine<br />
Aufgabe …", kontert <strong>de</strong>r Geweihte.<br />
"Alles klar, stark bist Du nich' und Deine Aufgabe ist<br />
doch eher aufgeben, das wohl!" kommt es spontan Ingalf,<br />
als er durch die Tür geht.<br />
"Ja, so wie das Rätsel <strong>de</strong>s Purpurturms …", antwortet<br />
Hesan<strong>de</strong>r. "Was Du in <strong>de</strong>n Armen hast, habe ich im<br />
Geiste."<br />
"Tja, vielleicht wäre es besser etwas weniger Muskeln<br />
im Kopf zu haben, das wohl!" meint Ingalf lachend.<br />
"Dann hättest Du mehr Platz für gute Gedanken!"<br />
"Gut gesprochen, doch was machen wir mit <strong>de</strong>m luftleeren<br />
Raum zwischen Deinen Ohren?", stichelt Hesan<strong>de</strong>r<br />
zurück.<br />
"Es ist doch gut, dass er Luft leer ist, <strong>de</strong>nn wäre soviel<br />
Luft in meinem Kopf wie in Deinem, dann hätte ich<br />
keinen Platz für meine guten I<strong>de</strong>en!" Ingalfs Grinsen<br />
wird immer breiter je mehr sich <strong>de</strong>r Geweihte aufregt.<br />
'Na, Freund, Du willst doch keinen Schimpf- und<br />
Fluchwettbewerb gegen einen Thorwaler ausfechten?<br />
So dumm kannst auch Du nicht sein, das wohl!' fügt<br />
er in Gedanken hinzu.<br />
"Da frage ich mich nur, welche Aufgabe er haben<br />
kann und auf welche Stärken sie sich grün<strong>de</strong>t." wispert<br />
Isinha <strong>de</strong>r Hexe ins Ohr um dann laut fortzufahren:<br />
"So, jetzt sollten auch wir diesen Saal durchqueren.<br />
Macht Platz und schafft euer Gewicht durch die<br />
Tür."<br />
Rovena lächelt grimmig. Ja, das wüsste sie auch zu<br />
gerne. Wenn seine Göttin <strong>de</strong>m Geweihten aufgetragen<br />
hat, sie ans Messer zu liefern, weil sie eine Tochter Satuarias<br />
ist, muss sie sehr gut aufpassen. Sie atmet tief<br />
ein und macht sich bereit, die Glasfläche mit Elgar<br />
zusammen zu überqueren.<br />
Hesan<strong>de</strong>r erkennt, dass er <strong>de</strong>m Thorwaler zwar geistig<br />
weit überlegen ist, jedoch auf frem<strong>de</strong>m Gebiet<br />
kämpft. Die Logik <strong>de</strong>s Thorwalers mag einleuchten,<br />
doch wür<strong>de</strong> er ohnehin nie verstehen, was es heißt,<br />
<strong>de</strong>r Herrin Hesin<strong>de</strong> zu dienen.<br />
"Erst sind es die Muskeln in meinem Kopf, dann auf<br />
einmal die Luft. Das nenne ich doppelt gesegnet - das<br />
wohl!" grinst Hesan<strong>de</strong>r zurück und versucht die Atmosphäre<br />
mit einem freundschaftlichen Knuff in <strong>de</strong>s<br />
Thorwalers Schulter zu entspannen.
"Aye, so mag es sein, das wohl!" been<strong>de</strong>t auch Ingalf<br />
<strong>de</strong>n Spaß. Dann wen<strong>de</strong>t er sich <strong>de</strong>r Treppe zu. "Nach<strong>de</strong>m<br />
die Tür auf is', willst Du o<strong>de</strong>r soll ich?"<br />
Für die an<strong>de</strong>ren vier ist es eine skurrile Situation: Ingalf<br />
und Hesan<strong>de</strong>r stehen auf einer Glasplatte über<br />
angespitzten Pfählen vor einer geöffneten Tür und<br />
kabbeln sich, so als ob sie beim Feierabendbier zusammensitzen.<br />
"Jetzt reg' ich mich aber gleich auf." murmelt <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Schiebt eure Köpfe voller Luftmuskeln samt <strong>de</strong>n<br />
daran hängen<strong>de</strong>n Körpern endlich von <strong>de</strong>r Platte und<br />
durch diese Tür hindurch!" ruft er <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n zu. "Ihr<br />
könnt euch später streiten, wer von euch bei<strong>de</strong>n besser<br />
aufrecht gehen kann, weil <strong>de</strong>r Kopf nicht so schwer<br />
ist!" fügt er noch hinzu.<br />
"Wir haben doch nur die Zeit überbrückt, da ihr drei<br />
so trö<strong>de</strong>lt, das wohl!" antwortet Ingalf, <strong>de</strong>r vor guter<br />
Laune fast über sprüht.<br />
"Das wohl!" stimmt Hesan<strong>de</strong>r mit ein und fasst angesichts<br />
dieser Situationskomik <strong>de</strong>n Mut und geht durch<br />
die Tür, nicht ohne sich dort neugierig umzusehen.<br />
"Dann wollen wir doch mal sehen, was da so geseufzt<br />
hat", murmelt er in festem Gottvertrauen.<br />
Hinter <strong>de</strong>r Tür beginnt eine Treppe, die fünf Schritt in<br />
die Tiefe führt. Völlig unspektakulär.<br />
Ingalf folgt mit Kawi <strong>de</strong>m Draconiter.<br />
Der Aranier folgt mit gezückter Waffe.<br />
"Na endlich!" murmelt Rovena kopfschüttelnd. "Gehen<br />
wir gemeinsam, o<strong>de</strong>r soll ich vor gehen?" fragt sie<br />
Elgar leise und setzt vorsichtig einen Fuß auf die<br />
Glasfläche. Sie möchte nicht behaupten, dass sie keine<br />
Angst hätte, aber sie glaubt fest daran, dass auch sie<br />
<strong>de</strong>n Übergang schaffen wird.<br />
"Wir sollten nichts riskieren." versucht <strong>de</strong>r Magier Rovena<br />
zu beruhigen. "Geh' schon, ich bin direkt hinter<br />
Dir. Das hat bei Melachath und Hesan<strong>de</strong>r auch geklappt."<br />
Ohne sich um die Geräusche <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>ns, um<br />
all das Zischen und Knacken zu kümmern, folgt Isinha<br />
<strong>de</strong>r Hexe auf die an<strong>de</strong>re Seite. Dort hebt er die von<br />
Hesan<strong>de</strong>r geworfene Hartwurst auf und steckt sie in<br />
seine Tasche, ehe er ebenfalls durch die offene Tür<br />
geht.<br />
"Ihr seid schlimmer als eine Her<strong>de</strong> meckern<strong>de</strong>r Ziegen!"<br />
gibt Edric bekannt und folgt vorsichtig über die<br />
durchsichtige Fläche.<br />
Edric übernimmt vorsichtig die Nachhut.<br />
Auch bei ihm knackt und knarrt das Glas bedrohlich.<br />
Aber sonst passiert nichts weiter.<br />
Der Gang<br />
Nach <strong>de</strong>r Treppe kommt ein langer, schmaler, gera<strong>de</strong>aus<br />
führen<strong>de</strong>r Gang. Nichts <strong>de</strong>utet auf <strong>de</strong>n Ursprung<br />
<strong>de</strong>s tiefen Seufzers hin.<br />
491<br />
"Seltsam. Der Seufzer kam nicht von mir und war<br />
auch keine Einbildung. Du hast ihn ja auch gehört,<br />
Ingalf. Dann gehen wir <strong>de</strong>r Sache mal auf <strong>de</strong>n<br />
Grund."<br />
"Ich habe irgendwas gehört, das wohl!" stimmt ihm<br />
<strong>de</strong>r Thorwaler zu. "Aber ob es nu'n Seufzer o<strong>de</strong>r die<br />
Türklinke o<strong>de</strong>r Du o<strong>de</strong>r was weiß ich war, da bin ich<br />
überfragt. Aber lass uns weitergehen."<br />
Ingalf geht vorsichtig weiter <strong>de</strong>n Gang entlang. Dabei<br />
hält er nach unscheinbaren Löchern in Wand, Decke<br />
und Bo<strong>de</strong>n Ausschau. Der Armbrustbolzen aus <strong>de</strong>m<br />
Keller bei <strong>de</strong>r Rettung <strong>de</strong>r Müllerskin<strong>de</strong>r ist ihm noch<br />
zu gut in Erinnerung geblieben.<br />
Ingalf sieht nichts, was auf eine Falle hin<strong>de</strong>utet, und -<br />
noch besser - es wird auch keine Falle ausgelöst. Nach<br />
20 Schritt kommt eine Treppe, die nach oben führt,<br />
wohl genau so viel wie vorhin hinunter.<br />
Schweigend betrachtet auch Rovena die Treppe und<br />
wartet darauf, dass es weiter geht. Ein leichtes Grausen<br />
hat sie erfasst, als sie die Glasfläche überquerte<br />
und die starren Blicke <strong>de</strong>r Toten auf sich ruhen fühlte,<br />
welches abzuschütteln ihr schwer fällt. Ihre Hand<br />
krampft sich um ihren Stab; und als ob sie von Surnia<br />
Zuversicht erwarten wür<strong>de</strong> und selber Trost spen<strong>de</strong>n<br />
wollte, streicht sie <strong>de</strong>r kleinen Eule in ihrer Tasche<br />
zärtlich über das Gefie<strong>de</strong>r.<br />
"Hm. Offenbar haben wir hier einen oberhalb <strong>de</strong>s<br />
Gangs liegen<strong>de</strong>n Raum unterquert." stellt Isinha grübelnd<br />
fest, während er <strong>de</strong>n drei führen<strong>de</strong>n Gefährten<br />
folgt. "Aber wozu?"<br />
"Die Treppe wird ja irgendwohin führen. Möglicherweise<br />
fin<strong>de</strong>n wir es dort o<strong>de</strong>r irgendwann später heraus",<br />
mutmaßt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Is' doch egal, 'n an<strong>de</strong>ren Weg gibt's nich'!" meint Ingalf<br />
und schaut sich die Treppe an. "Aber vielleicht ist<br />
das die Lösung <strong>de</strong>r Karte, die ist für 'ne an<strong>de</strong>ren Etage,<br />
das wohl!"<br />
"Wo wir bei <strong>de</strong>r Karte sind, wie wäre es, wenn wir sie<br />
auf <strong>de</strong>n aktuellen Stand bringen?" schlägt Hesan<strong>de</strong>r<br />
vor.<br />
"Aye, kein Problem!" antwortet Ingalf. "Sag' mir einfach<br />
welche zwei Punkte <strong>de</strong>r Karte einen Bezug zu<br />
<strong>de</strong>n Räumen darstellen und wir können versuchen<br />
unseren Weg nachzuvollziehen, das wohl!"<br />
"Gut möglich." Aber in <strong>de</strong>r Stimme <strong>de</strong>s Magiers<br />
schwingt erheblicher Zweifel mit. "Nur weshalb<br />
zeichnet man dann <strong>de</strong>n Ein- und Ausgang mit ein,<br />
wenn diese sich auf einer an<strong>de</strong>ren Etage befin<strong>de</strong>n?<br />
O<strong>de</strong>r weshalb fehlen dann Räume, die eine direkte<br />
Verbindung zu Ein- und Ausgang haben?" fragt Isinha<br />
weiter. "Aber wie <strong>de</strong>m auch sei. Es gibt nur einen<br />
Weg und <strong>de</strong>r führt hier gera<strong>de</strong>aus. Folgen wir ihm."<br />
Ingalf wartet nur auf seine zwei Fixpunkte von Hesan<strong>de</strong>r<br />
um die Karte auf <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r tatsächlichen
Gegebenheiten zu bringen, dann wür<strong>de</strong> er weiter gehen<br />
…<br />
'Jetzt weiß ich endlich, welche Aufgabe Hesan<strong>de</strong>r zuteil<br />
wird …' fällt <strong>de</strong>m Magier etwas ein, das er vorerst<br />
aber für sich behält. "Nun geht schon weiter. Groß<br />
sind die Wahlmöglichkeiten schließlich nicht." fügt Isinha<br />
hinzu.<br />
"Nu, hetz' nich'!" murrt Ingalf. "Unser göttlicher Beistand<br />
wollte mir gera<strong>de</strong> unsere Karte erklären, das<br />
wohl! Also, bei Swafnir, warte o<strong>de</strong>r geh' vor!"<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut sich die Karte <strong>de</strong>s Thorwalers an.<br />
"Es gibt mehrere Möglichkeiten", stellt Hesan<strong>de</strong>r fest.<br />
"Erstens: Der Plan könnte falsch sein. Zweitens: Er<br />
könnte hinsichtlich <strong>de</strong>r Etagen ungenau sein, dass er<br />
gar keine Etagen angibt son<strong>de</strong>rn nur die Lage <strong>de</strong>r<br />
Räume zueinan<strong>de</strong>r nach Himmelsrichtungen und<br />
Aus<strong>de</strong>hnung. Bevor wir uns also fragen, was über uns<br />
liegt, sollten wir in Erfahrung bringen, ob überhaupt<br />
dort etwas liegt o<strong>de</strong>r wir uns nicht vielmehr ganz einfach<br />
in einem Gang befin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Karte gera<strong>de</strong>aus<br />
zeigen müsste.<br />
Wenn ich mir Deine Karte so ansehe, müssten wir<br />
hier sein." Hesan<strong>de</strong>r zeigt auf <strong>de</strong>n Plan zwischen K4<br />
und H4. "Wir sollten die Treppe hoch gehen und sehen,<br />
was uns dort erwartet. Spätestens dann sollte<br />
überprüfbar sein, wie genau o<strong>de</strong>r wie richtig diese<br />
Karte ist", komplettiert er seine Überlegungen.<br />
"Wow! Danke!" Ingalf ist von <strong>de</strong>n Fähigkeiten <strong>de</strong>s Geweihten<br />
vollauf begeistert.<br />
"Ingalf, geh Du vor, ich folge unmittelbar hinter Dir",<br />
for<strong>de</strong>rt er <strong>de</strong>n Thorwaler zum Weitergehen auf.<br />
"Na das war ja klar." kommentiert <strong>de</strong>r Magier leise.<br />
"'Ich weiß nicht recht, aber es wird schon so sein. Also<br />
mach Du es.'" ahmt er <strong>de</strong>n Geweihten nach. Dabei<br />
verzieht er leicht <strong>de</strong>n Mund, runzelt die Stirn und<br />
schüttelt <strong>de</strong>n Kopf.<br />
Die Karte wan<strong>de</strong>rt in <strong>de</strong>n Seesack und die Orknase in<br />
die Hand. "Komm, Kawi!"<br />
"Ja, ganz toll gemacht." kommt es mit leicht sarkastischem<br />
Unterton von Isinha. "Prächtiger Bursche, dieser<br />
Hesan<strong>de</strong>r, wir sollten ihn am Eingang als Frem<strong>de</strong>nführer<br />
empfehlen." Offenbar ist <strong>de</strong>r Magier momentan<br />
nicht bester Laune. Gleichwohl folgt er Ingalf<br />
in zwei Schritt Entfernung, um nicht versehentlich<br />
Kawi auf <strong>de</strong>n Schwanz zu treten. Trotz <strong>de</strong>r Wandbeleuchtung<br />
hält er <strong>de</strong>n Stab als Fackel in <strong>de</strong>r Hand.<br />
Rovena verzieht keine Miene zu <strong>de</strong>n Bemerkungen<br />
ihres Gefährten, son<strong>de</strong>rn schließt sich schweigend Elgar<br />
an. Was soll sie auch schon groß sagen? Ingalf<br />
wird schon wissen, wo er sie hinführt, sie muss ihm<br />
und seinen Fähigkeiten vertrauen. Verstohlen wickelt<br />
sie ein Haar um ihren Finger, in das sie einen Knoten<br />
macht.<br />
492<br />
Melachath ist das ganze Gere<strong>de</strong> zu viel, er schiebt sich<br />
an <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n vorbei und geht vorsichtig weiter.<br />
Nach wie vor strahlen die Wän<strong>de</strong> sanftes Licht wie in<br />
einer Vollmondnacht ab.<br />
Ingalf folgt <strong>de</strong>m Aranier auf <strong>de</strong>m Fuß.<br />
Die Treppe führt auf einen quer verlaufen<strong>de</strong>n Gang.<br />
Melachath schaut vorsichtig nach links und nach<br />
rechts. Ihm fällt nichts auf.<br />
Der Aranier wen<strong>de</strong>t sich nach hinten. "Was sagt <strong>de</strong>r<br />
Plan?"<br />
"Nix!" kommt es von Ingalf zurück. Er lässt <strong>de</strong>n Plan<br />
im Seesack, seine Erinnerung sagt ihm aber, dass eine<br />
solche Kreuzung nicht im Plan war. Die einzige T-<br />
Kreuzung ist so weit von ihrer Route entfernt, dass sie<br />
nicht die sein kann, an <strong>de</strong>r sie stehen.<br />
Isinha, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n gefolgt ist, steht nun ebenfalls<br />
an <strong>de</strong>r T-Kreuzung. Er leuchtet mit <strong>de</strong>r Stabfackel zunächst<br />
in <strong>de</strong>n linken, dann in <strong>de</strong>n rechten Gang, besieht<br />
sich <strong>de</strong>n jeweiligen Zustand von Wän<strong>de</strong>n, Bo<strong>de</strong>n<br />
und Decken bis in 3 Schritt Entfernung, ob sich Beson<strong>de</strong>rheiten<br />
zeigen. Aber da er nichts Auffallen<strong>de</strong>s<br />
ent<strong>de</strong>ckt, meint <strong>de</strong>r Magier: "Wie in <strong>de</strong>r Spinnenhöhle<br />
- immer links an <strong>de</strong>r Wand entlang?"<br />
"Aye, meinetwegen. Nur war da <strong>de</strong>r Kurs Steuerbord,<br />
das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Wie Du die Richtung nennst, ist doch egal. Also<br />
links?" fragt <strong>de</strong>r Magier noch einmal nach, diesmal jedoch<br />
an alle gerichtet.<br />
"Müssen wir uns <strong>de</strong>nn nicht rechts halten, um zu <strong>de</strong>m<br />
Hort zu kommen?" ist leise von Rovena zu vernehmen,<br />
die neben Elgar im Gang aufgetaucht ist und<br />
aufmerksam in bei<strong>de</strong> Richtung späht und horcht, …<br />
…, <strong>de</strong>r aber auch nichts weiter Interessantes auffällt.<br />
Melachath geht nach links vor.<br />
'Dummschwätzer!' <strong>de</strong>nkt Ingalf und folgt kopfschüttelnd<br />
<strong>de</strong>m Aranier.<br />
Nach 10 Schritt kommt auf <strong>de</strong>r linken Seite eine Tür.<br />
Der Gang geht aber auch gera<strong>de</strong>aus weiter.<br />
"Also wenn wir schon immer nach Backbord gehen,<br />
dann also durch diese Tür, das wohl!" meint Ingalf<br />
und versucht die Tür zu öffnen.<br />
Er greift gera<strong>de</strong> die Türklinke, da fällt Ingalf etwas<br />
auf. Die Tür ist nur an<strong>de</strong>rthalb Schritt hoch. Er zögert<br />
kurz.<br />
"Hey! Schaut euch das an, 'ne Tür für unseren Freund<br />
Grisbart, das wohl! Scha<strong>de</strong>, dass er nicht mehr da ist."<br />
Dann schaut er sich bei seinen Gefährten um, wer<br />
<strong>de</strong>nn am Besten durch die Tür passen könnte. "Na,<br />
Freund Hesan<strong>de</strong>r, Du kennst doch <strong>de</strong>n Spruch: Geweihter<br />
Mann, geh' Du voran?!"
Edric wird dieses viele Rumgere<strong>de</strong> langsam zuviel. Es<br />
nervt ihn, dass sich alle gegenseitig aufschaukeln und<br />
anstacheln.<br />
"Weiter o<strong>de</strong>r zurück?" fragt er knapp.<br />
"Weiter!" antwortet Ingalf und öffnet die niedrige Tür.<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Mondgesichter<br />
Hinter <strong>de</strong>r niedrigen Tür ist ein ebenso niedriger<br />
Raum, nein eher Saal, <strong>de</strong>r sich von Ost nach West erstreckt.<br />
In Ost- und Westwand ist jeweils ein Durchgang.<br />
Hinter <strong>de</strong>m östlichen Durchgang brennt wohl<br />
ein Feuer. Zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>utet das <strong>de</strong>r flackern<strong>de</strong> Lichtschein<br />
an.<br />
Vor <strong>de</strong>m westlichen Durchgang haben sich ein knappes<br />
Dutzend bizarrer Kreaturen versammelt. Die Körper<br />
<strong>de</strong>r kopflosen Wesen sind kugelrund und von silbergrauer<br />
Farbe. Aus <strong>de</strong>n knapp ein Schritt durchmessen<strong>de</strong>n<br />
Kugeln ragen stämmige Beine und kurze dicke<br />
Arme. Je<strong>de</strong> Kugel hält einen Dreizack in <strong>de</strong>r Faust.<br />
"Bei <strong>de</strong>n Zwölfen", entfährt es Hesan<strong>de</strong>r. "Ingalf und<br />
Melachath, das ist wohl eher Euer Fachgebiet."<br />
"Die sind so aufgeblasen, sag mal Hesan<strong>de</strong>r, sind das<br />
Freun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Verwandte von Dir?" fragt Ingalf bevor<br />
er mit <strong>de</strong>r Orknase in bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Raum betritt.<br />
"Allenfalls sehr entfernte Verwandte, doch sind sie auf<br />
uns offenbar nicht gut zu sprechen. Wieso sorgt Ihr<br />
nicht dafür, dass sie etwas Dampf ablassen?" lädt Hesan<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Thorwaler und <strong>de</strong>n Aranier ein.<br />
Melachath folgt mit gezückter Waffe.<br />
"Was treibt ihr da?" fragt Isinha, da er von seiner Position<br />
nichts durch die niedrige Tür und die davor stehen<strong>de</strong>n<br />
Gefährten sehen kann.<br />
Unangenehm das, gebückt in einem Raum zu stehen<br />
und zu gehen. Falls es zu einem Kampf kommen sollte,<br />
wird das bestimmt schwierig.<br />
Die Kugelwesen warten ab. Sie versperren <strong>de</strong>n Durchgang<br />
nach Westen.<br />
"Also wenn ich es mir recht überlege", ächzt Hesan<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>r gebückten Haltung, "dann solltet Ihr sie vielleicht<br />
hier nach draußen locken. O<strong>de</strong>r wollt Ihr in beengten<br />
Verhältnissen kämpfen?"<br />
"Aber noch stehen sie nur rum!" antwortet Ingalf.<br />
"Und auf 'putt, putt' wer<strong>de</strong>n sie wohl kaum reagieren,<br />
das wohl!" Er schaut sich die Kugeln etwas genauer<br />
an. Vielleicht sind es ja auch nur wie<strong>de</strong>r Spielereien<br />
o<strong>de</strong>r Illusionen …<br />
Wie Illusionen wirken die Kugeln nicht. Und langsam<br />
rücken sie vor.<br />
Mit Unbehagen sieht Edric, wie sich die seltsamen Figuren<br />
bewegen. Er ist in <strong>de</strong>n niedrigen Raum gefolgt<br />
und verharrt in <strong>de</strong>r gebückt-unbequemen Haltung.<br />
493<br />
Ingalf wirft einen Blick nach Osten und versucht zu<br />
erkennen, ob <strong>de</strong>r Raum dahinter höher ist. Wenn ja,<br />
wird er sich dahin zurückziehen, wenn nein, wird er<br />
sich hinknien und die Kugeln mit horizontal geführten<br />
Streichen <strong>de</strong>r Orknase empfangen.<br />
Hinter <strong>de</strong>r Öffnung im Osten scheint eine Feuergrube<br />
zu sein. Da gibt es keine Rückzugsmöglichkeit.<br />
Hinter Hesan<strong>de</strong>r hat sich Rovena in <strong>de</strong>n Raum geschoben,<br />
sie ist in die Hocke gegangen. Abschätzend<br />
starrt sie die kopflosen, silbergrauen Kugel an, unsicher,<br />
mit was sie es hier zu tun hat, Tiere o<strong>de</strong>r intelligentere<br />
Wesen. Ihren Stab hält sie fest in <strong>de</strong>r Hand,<br />
bereit, ihn wirbeln zu lassen, wenn die Wesen die bei<strong>de</strong>n<br />
Kämpfern zu übermannen drohen.<br />
"Hallooohooo? Ich frage auch gern noch einmal. Was<br />
treibt ihr da vorne?" bringt <strong>de</strong>r Magier sich in Erinnerung.<br />
"Komm doch her!" mel<strong>de</strong>t sich Ingalf.<br />
"Das sieht mir aber ziemlich niedrig aus." erwi<strong>de</strong>rt Isinha.<br />
"Das mag ich nicht. Gibt's keinen an<strong>de</strong>ren<br />
Weg?"<br />
"Was jetzt?" ruft Ingalf aus <strong>de</strong>m Raum. "Erst immer<br />
Backbord lang wollen und bei <strong>de</strong>r ersten Tür 'n an<strong>de</strong>ren<br />
Weg wählen! Nee, bei Swafnir, das machen wir<br />
jetzt erstmal, das wohl!"<br />
Und an die Kugeln gewandt: "Na, ihr laufen<strong>de</strong>n Bälle,<br />
wollen wir Imman spielen?"<br />
"Sei ruhig, tapferer Freund aus <strong>de</strong>m hohen Nor<strong>de</strong>n."<br />
Und an die Kugeln gewandt: "Wer seid Ihr und was<br />
wollt Ihr, wir sind nicht hier, um zu kämpfen."<br />
"Nicht?"<br />
Es kommt keine Antwort von <strong>de</strong>n Bällen. Wie soll das<br />
auch gehen? Es sind we<strong>de</strong>r Mün<strong>de</strong>r noch Sinnesorgane<br />
zu sehen.<br />
Auch Edric lässt sich in die Hocke nie<strong>de</strong>r und wartet<br />
ab, was weiter passiert. Seinen Eisen beschlagenen<br />
Stab hat er quer über die Beine gelegt. Er vermittelt<br />
keine aggressive Haltung.<br />
Die Wesen, es sind genau 10, kommen immer näher.<br />
Jetzt nehmen sie die Dreizacke in bei<strong>de</strong> Hän<strong>de</strong>, sie<br />
sind zum Zustechen bereit.<br />
Melachath sichert ganz links, <strong>de</strong>n Rabenschnabel in<br />
<strong>de</strong>r Hand.<br />
Ingalf ist auf Abstand rechts daneben. Der Abstand ist<br />
so gewählt, das sich Rabenschnabel und Orknase<br />
nicht in die Quere kommen, aber auch keiner <strong>de</strong>r Bälle<br />
dazwischen passt, also ca. 2-3 Schritt.<br />
Edric hockt dann rechts neben Ingalf.<br />
Der Raum ist 10 Schritt breit und in Ost-West-Richtung<br />
16 Schritt lang, so dass ausreichend Platz vorhan<strong>de</strong>n<br />
ist.
Hesan<strong>de</strong>r geht ebenfalls in die Hocke und in Verteidigungsposition.<br />
Er wird die Kugeln mit seinem Stab<br />
wohl kaum wirklich treffen können, aber seiner Haut<br />
wird er sich erwehren.<br />
Da Melachath und Edric die Flanken sichern, wartet<br />
Hesan<strong>de</strong>r wohl einen Schritt zurück in <strong>de</strong>r Mitte auf<br />
die Kugeln.<br />
"Elgar, ein wenig Magie könnte hier helfen. Hier sind<br />
einige mit Dreizacken bewaffnete Kugeln mit Armen<br />
und Beinen. Keine Diplomatie, kein Re<strong>de</strong>n - Han<strong>de</strong>ln."<br />
"Ach! Auf einmal geht's, wie?" fragt Isinha spitz. "Tja,<br />
damit erweitert sich offenbar <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r Dinge und<br />
Aufgaben, die nicht diejenigen unseres werten Geweihten<br />
sind, Han<strong>de</strong>ln." stellt er grummelnd fest. Er<br />
geht vor <strong>de</strong>r Tür in die Hocke und besieht sich die Situation.<br />
Hesan<strong>de</strong>r rückt leicht hinter Melachath, um <strong>de</strong>m Magus<br />
Platz und eine entsprechen<strong>de</strong> Sichtlinie zu gewährleisten.<br />
Auf die Offerte geht <strong>de</strong>r Magier gar nicht ein und<br />
bleibt an <strong>de</strong>r Tür stehen. "Kommt da sofort wie<strong>de</strong>r<br />
heraus!" for<strong>de</strong>rt er die Gefährten dringlich auf. "Da<br />
könnt ihr keinem Gegner ernsthaft wi<strong>de</strong>rstehen. Hier<br />
vor <strong>de</strong>r Tür ist <strong>de</strong>r Durchlass für diese Kugeln zu eng.<br />
Sie müssen einzeln kommen."<br />
"Na dann los, wenn sie uns folgen könnte es klappen,<br />
das wohl!" for<strong>de</strong>rt Ingalf die Gefährten auf. "Rovena,<br />
Du zuerst, dann Hesan<strong>de</strong>r und Melachath, ich <strong>de</strong>cke<br />
euch <strong>de</strong>n Rückzug!"<br />
Rovena, die sich schräg hinter <strong>de</strong>m Thorwaler aufgehalten<br />
hat, nickt stumm und geht gebückt rückwärts<br />
auf die Tür zu, von <strong>de</strong>r aus Elgar <strong>de</strong>n Rückzug empfohlen<br />
hat.<br />
Und was ist mit mir?' fragt sich Edric, <strong>de</strong>r erleichtert<br />
<strong>de</strong>n Rückzug antritt und sich einreiht.<br />
Ingalf lässt die Gefährten aus <strong>de</strong>m Raum und rutscht<br />
dann auf seinen Knien rückwärts Richtung Tür.<br />
Schweigend macht <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n Gefährten Platz<br />
und weicht im Gang etwas zurück.<br />
"Na dann mal los", bestätigt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Rondra gab mir auf <strong>de</strong>n Weg, zu schützen, so bin ich<br />
<strong>de</strong>r Letzte <strong>de</strong>r geht."<br />
"Erinnre Dich an Garhelts Fechtbo<strong>de</strong>n! Geh! O<strong>de</strong>r ich<br />
mach Dir und Deiner Göttin Beine, das wohl!" knurrt<br />
Ingalf Melachath an.<br />
Wortlos bewegt <strong>de</strong>r Aranier sich nach rechts und dabei<br />
leicht nach vorne. Schräg links von Ingalf schiebt er<br />
sich zurück und drängt <strong>de</strong>n Thorwaler mit sanfter<br />
Gewalt zur Tür.<br />
"Warte bis wir draußen sind, dann wer<strong>de</strong> ich Dir<br />
schon <strong>de</strong>n nötigen Respekt einbläuen, das wohl!"<br />
494<br />
murrt Ingalf noch, lässt sich dann aber aus <strong>de</strong>m Raum<br />
drängen und macht sofort Platz für Melachath.<br />
Melachath folgt rückwärts, die Kugeln nie aus <strong>de</strong>n<br />
Augen lassend.<br />
Während <strong>de</strong>s Rückzugs antwortet er auf Elgar in<br />
Bosparano: "Wenn Großmäuligkeit auf <strong>de</strong>r einen Seite<br />
und Arroganz auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ebenfalls Gaben<br />
<strong>de</strong>r Götter sind, scheinen hier ja einige außer mir gesegnet<br />
zu sein."<br />
knurrt Isinha zur Antwort, geht aber ansonsten<br />
nicht weiter auf das Gere<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Geweihten<br />
ein. 'Aber wenn es Ärger gibt, macht er mir gern Platz.<br />
Damit ich auch ja in erster Reihe stehen und alles genau<br />
sehen kann.' geht es <strong>de</strong>m Magier durch <strong>de</strong>n Kopf.<br />
'Was hat er nur? Hält er mich etwa für einen Konkurrenten<br />
für seine farblosen Geistesblitze?' sinniert er<br />
weiter, während die an<strong>de</strong>ren langsam wie<strong>de</strong>r durch die<br />
niedrige Tür auf <strong>de</strong>n Gang heraus kommen.<br />
Melachath ist noch gar nicht ganz bei <strong>de</strong>r Tür, da bemerkt<br />
er, dass die Kugeln stehen bleiben.<br />
Interessiert beobachtet Isinha zuerst das bunte Treiben<br />
seiner Gefährten. 'Wenn wir hier heraus sind, muss<br />
ich wohl mal ein Machtwort sprechen und diesen drei<br />
Streithähnen die Lächerlichkeit ihres Verhaltens vor<br />
Augen führen.' überlegt er. Dann ent<strong>de</strong>ckt <strong>de</strong>r Magier<br />
die Kugeln, die sich nicht mehr bewegen: "Nun, offenbar<br />
sind das Wächter, die lediglich <strong>de</strong>n Durchgang<br />
bewachen, sich aber nicht dafür interessieren, was wir<br />
hier machen o<strong>de</strong>r dass wir überhaupt hier sind." konstatiert<br />
er.<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r sich in <strong>de</strong>m Gang erstmal streckt, meint:<br />
"Aber gera<strong>de</strong> weil sie was bewachen, scheint es wohl<br />
was wichtiges zu sein, o<strong>de</strong>r?" Dann überlegt er: "Können<br />
wir die nicht von hier mit einem Bogen o<strong>de</strong>r so<br />
erledigen?"<br />
"Und wenn wir sie in die Feuergrube treiben<br />
wür<strong>de</strong>n?" grübelt Rovena vor sich hin und streicht<br />
über ihren Stab. "Ob sie wohl Angst vor Feuer haben?"<br />
"Das wäre zu überlegen", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r. "Jedoch<br />
müssten wir sie dann auf ihrem eigenen Terrain bekämpfen.<br />
Zahlreiche Schlachten in <strong>de</strong>r Geschichte<br />
Deres gingen verloren, weil einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Gegner<br />
auf für ihn ungünstigem Terrain kämpfen musste."<br />
Dann <strong>de</strong>nkt er eine Weile nach.<br />
"Melachath und Ingalf, ist es möglich, dass Ihr bei<strong>de</strong><br />
so dicht nebeneinan<strong>de</strong>r da nochmal reingeht und mit<br />
einem abgestimmten Angriffsmanöver die Kugeln zurückdrängt?<br />
Sie wer<strong>de</strong>n wohl kaum alle auf einmal<br />
angreifen können."<br />
"Wohin zurück?" fragt Ingalf. "Ins Feuer heißt wir<br />
müssten hinter sie kommen, da sie von alleine nicht<br />
wollen. Und in <strong>de</strong>n nächsten Raum drängen, bringt<br />
nix, <strong>de</strong>nn dann haben wir sie immer noch vor uns, das<br />
wohl!"
"Das meine ich ja. Ist es möglich, dass Ihr Scheinangriffe<br />
führt, um hinter sie zu kommen?"<br />
Der Magier schüttelt nur <strong>de</strong>n Kopf: "Warum schließt<br />
ihr die Tür nicht einfach und wir sehen erst einmal<br />
nach, wohin dieser Gang führt?"<br />
Ingalf ignoriert <strong>de</strong>n Plan <strong>de</strong>s Geweihten und antwortet<br />
Isinha: "Weil Du unbedingt nach Backbord wolltest!<br />
Ich wollte ja lieber gleich nach Steuerbord, das<br />
wohl!"<br />
"Das ist die - verzeih - dümmste Ausre<strong>de</strong>, die mir je<br />
untergekommen ist." antwortet <strong>de</strong>r Magier. "Wären<br />
wir rechts herum gegangen und hätten eine Tür gefun<strong>de</strong>n,<br />
hinter <strong>de</strong>r es nicht weitergeht, wären wir auch<br />
<strong>de</strong>m Gang weiter gefolgt, o<strong>de</strong>r etwa nicht?" will Isinha<br />
von Ingalf wissen. "Also manchmal kannst Du Dich<br />
wirklich anstellen - 'Wasch mich, aber mach mich<br />
nicht nass.' hieß das bei uns immer." fügt er noch hinzu,<br />
bevor jemand antworten kann.<br />
"Aye! Und <strong>de</strong>shalb wasch' ich mich auch nich', das<br />
wohl!" antwortet Ingalf knapp.<br />
Der Aranier nimmt seinen Rucksack ab und holt sein<br />
kleines Kännchen heraus. Dann schnallt er <strong>de</strong>n Rucksack<br />
wie<strong>de</strong>r auf und wirft das Kännchen ca. 10-15 Finger<br />
vor die Stelle an <strong>de</strong>r er vorne stand.<br />
Die Kugeln bleiben stehen.<br />
"Was tut Ihr da?", fragt Hesan<strong>de</strong>r interessiert.<br />
"Bei Rondra!" Der Aranier dreht <strong>de</strong>n Kopf zu <strong>de</strong>m<br />
Thorwaler. "Die schnappen wir uns, komm!" Entschlossen<br />
und grimmig schaut Melachath seinen Gefährten<br />
an.<br />
Da seine Frage ignoriert wird, durchfährt Hesan<strong>de</strong>r<br />
ein Blitz von Entschlossenheit und er bekommt leuchten<strong>de</strong><br />
Augen. "Bei <strong>de</strong>n Zwölfen, so sei es!" ruft er aus.<br />
"Ich kämpfe Seite an Seite mit Euch, und wenn uns<br />
die Götter wohl gesonnen sind, wer<strong>de</strong>n wir diesen<br />
Kampf siegreich been<strong>de</strong>n. Für die Zwölfe, für Swafnir<br />
- das wohl!"<br />
"Lasst uns mit diesem Hin und Her aufhören, das<br />
wohl!" Ingalf schiebt sich an Isinha vorbei in <strong>de</strong>n<br />
Raum. Geht einige Schritte auf die Bälle zu und sucht<br />
sich einen freien Kampfplatz. Dann lässt sich Ingalf<br />
mit schwingen<strong>de</strong>r und singen<strong>de</strong>r Orknase auf die<br />
Knie nie<strong>de</strong>r, bereit <strong>de</strong>n Bällen einige gute Schläge zu<br />
zeigen.<br />
Erstaunt sieh Edric <strong>de</strong>n Geweihten an. 'Was ist <strong>de</strong>nn<br />
in ihn gefahren?' lässt sich <strong>de</strong>utlich von seinem Gesicht<br />
ablesen.<br />
"Vielleicht wäre es besser, wer erkun<strong>de</strong>n doch erst <strong>de</strong>n<br />
Rest <strong>de</strong>s Ganges?" schlägt er zögerlich vor.<br />
Isinha klopft <strong>de</strong>m jungen Hirten freundlich auf die<br />
Schulter: "Hört auf <strong>de</strong>n Jungen. Er hat seinen Verstand<br />
bewahrt, was man von euch nicht behaupten<br />
kann." fügt er hinzu.<br />
495<br />
Hesan<strong>de</strong>r schließt zu Melachath auf.<br />
Fest blickt <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>n Geweihten an. "Nur wer<br />
die Götter ehrt, wird Ihre Gna<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n, so lass uns."<br />
Melachath rückt wie<strong>de</strong>r vor, die Waffe in <strong>de</strong>r Hand.<br />
"Wir siegen gemeinsam, o<strong>de</strong>r wir gehen gemeinsam<br />
unter. Hier könnt Ihr Eure Zauberkräfte sinnvoll einsetzen,<br />
Elgar."<br />
Der Geweihte kniet auf <strong>de</strong>r Höhe von Melachath.<br />
Entgeistert schaut Ingalf <strong>de</strong>n Geweihten an, noch bevor<br />
er Melachath Vorschlag mit einem "Aye!" unterstützen<br />
konnte, fährt ihm Hesan<strong>de</strong>r dazwischen.<br />
"Ach? Und was ist mit Satuaria?" murmelt Rovena<br />
grimmig. Sie bleibt an Elgars Seite und sieht besorgt<br />
mit gemischten Gefühlen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n erneut vorrücken<strong>de</strong>n<br />
Gefährten zu.<br />
"Bei <strong>de</strong>n Ahnen!" entfährt es Isinha unwillkürlich.<br />
"Was soll das? Wollt ihr ernsthaft im Knien gegen<br />
kopflose Metallkugeln mit Stangenwaffen kämpfen,<br />
<strong>de</strong>nen die niedrigen Decke nichts ausmacht und die<br />
euch an Anzahl 3 zu 1 überlegen sind? Ich bin kein<br />
Krieger, aber dass so ein Kampf nicht zu gewinnen<br />
sein dürfte - dazu reichen meine Kampfkenntnisse!"<br />
versucht es <strong>de</strong>r Magier abschließend.<br />
"Dann sei ein Mann und verbessere unsere Chancen!<br />
Edric, kommst Du mit?"<br />
"Äh, ich wür<strong>de</strong> lieber erst schauen, wo <strong>de</strong>r Gang noch<br />
hin führt." entgegnet Edric, <strong>de</strong>r von Hesan<strong>de</strong>rs Art<br />
leicht verunsichert ist.<br />
Die Worte seines Freun<strong>de</strong>s hat Ingalf aber schon nicht<br />
mehr gehört.<br />
Wie schon vor einige Körnern <strong>de</strong>s Stun<strong>de</strong>nglases kniet<br />
<strong>de</strong>r Aranier neben <strong>de</strong>m Thorwaler, seine Waffe fest<br />
umschlossen.<br />
"Ich kann ihn da nicht alleine lassen" meint Edric zu<br />
Rovena und Isinha und macht sich auf <strong>de</strong>n Weg, Ingalf<br />
zu unterstützen. 'Auch wenn ich das irgendwann<br />
einmal bereuen wer<strong>de</strong>', fügt er gedanklich hinzu.<br />
Aber dann macht er sich schon auf, <strong>de</strong>n Kugel zu begegnen.<br />
Rovena und Isinha bleiben im Gang zurück. Vier<br />
Männer stehen im Bogen nebeneinan<strong>de</strong>r und erwarten<br />
die Kugeln. Acht sind es in einer Reihe, zwei dahinter,<br />
so dass erst einmal je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r vier Hel<strong>de</strong>n es mit<br />
zwei Gegner zu tun bekommt.<br />
Die Statue hat sie gewarnt. Jetzt wird es <strong>de</strong>n ersten<br />
Fingerzeig geben, ob die Warnung berechtigt ist.<br />
Ingalfs Gegenüber stoßen zu, und einer trifft.<br />
Der Stoß trifft Ingalf gera<strong>de</strong> nach<strong>de</strong>m er versucht hat<br />
<strong>de</strong>m ersten Ball einen überzubraten. Da sein Hieb von<br />
links nach rechts ging, war in diesem Moment sein<br />
linker Arm unge<strong>de</strong>ckt und die Kugel hat zugestoßen.
Ein langer Riss zieht eine blutige Spur über seinen<br />
linken Oberarm und hat <strong>de</strong>n auftätowierten Hammerhai<br />
in zwei Hälften gespalten.<br />
Wütend schnaubend greift er wie<strong>de</strong>r an.<br />
Ingalfs Gegenangriff ist ein sauberer Schlag, aber das<br />
Mondgesicht setzt seinen Dreizack elegant zur Verteidigung<br />
ein. Kein Erfolg.<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist mit seinem Stab erfolgreicher in <strong>de</strong>r Verteidigung,<br />
lan<strong>de</strong>t aber keinen Treffer.<br />
Melachath kann einen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Angriffe abwehren,<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re trifft ihn.<br />
Nur kurz widmet sich <strong>de</strong>r Krieger <strong>de</strong>m Schmerz in<br />
seinem linken Unterarm, hat er doch in <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie<br />
gelernt, ihn im Kampf zu ignorieren.<br />
Melachaths Gegenangriff ist spektakulär: Sein Rabenschnabel<br />
ritzt die Kugel nur, schon zerplatzt sie mit einem<br />
lauten Knall. Ein Dreizack fällt klirrend zu Bo<strong>de</strong>n.<br />
Und sofort setzt <strong>de</strong>r Aranier hinter <strong>de</strong>r zweiten Kugel<br />
hinterher.<br />
Edric hat Pech. Er wird von zwei Dreizacken getroffen.<br />
Und sein Gegenangriff geht daneben.<br />
Edric hat wohl zu sehr darauf geachtet, wie die Kugel<br />
zerplatzt ist und seine Verteidigung dadurch vernachlässigt.<br />
Schmerzhaft verletzten in die Dreizacke an<br />
Bein und Arm.<br />
'Das ist es,' kommt Edric eine I<strong>de</strong>e. Er lässt seinen<br />
Stab fallen.<br />
Glücklicherweise kommt in diesem Moment Isinha<br />
herein gestürzt, <strong>de</strong>r Edrics Platz übernimmt und dadurch<br />
die Mondgesichter daran hin<strong>de</strong>rt, ihm nachzusetzen.<br />
"Allein wer<strong>de</strong>n sie es nie schaffen!" stößt <strong>de</strong>r Magier<br />
zwischen <strong>de</strong>n Zähnen hervor und hastet gebückt<br />
durch die Tür. Noch vor <strong>de</strong>r Reichweite von Gegnern<br />
geht er auf ein Knie und hält seinen Stab stoßbereit<br />
vor sich. Die nächste Kugel, die er erreichen kann,<br />
und sei es ein Angreifer, <strong>de</strong>r sich einem Gefährten<br />
widmet, greift er an.<br />
Bei seinem zweiten Angriff gelingt Melachath kein<br />
Treffer, <strong>de</strong>r Kugel glücklicherweise auch nicht. Dann<br />
ist aber das nächste Mondgesicht heran, und bei<strong>de</strong><br />
Angreifer treffen. Melachaths Gegenangriff wird abgewehrt.<br />
Zum zweiten Mal trifft Ingalf ein Dreizack und auch<br />
bei seinem zweiten Angriff schafft er es nicht, einen<br />
Treffer zu lan<strong>de</strong>n. Einen kleinen Moment lang ist <strong>de</strong>r<br />
Kampf ausgewogen.<br />
Und wie<strong>de</strong>r bohrt sich <strong>de</strong>r Dreizack in <strong>de</strong>n ungeschützten<br />
Unterarm. Was Ingalf dazu bewegt die Angriffe<br />
jetzt einhändig auszuführen und sich mehr auf<br />
seine Verteidigung zu konzentrieren.<br />
496<br />
Hesan<strong>de</strong>r bekommt das Platzen <strong>de</strong>r Kugel aus <strong>de</strong>m<br />
Augenwinkel mit. Lag es an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Rabenschnabels<br />
o<strong>de</strong>r kann man die Kugeln auch mit einem<br />
gezielten Hieb mit <strong>de</strong>m Stab zum Platzen bringen?<br />
Mit <strong>de</strong>r Basiliskenzunge hätte er ein Reichweitenproblem.<br />
Daher konzentriert sich Hesan<strong>de</strong>r auf das Verteidigen,<br />
auf dass Ingalf und Melachath die Kugeln<br />
nach und nach zerstören können.<br />
Einen Treffer lan<strong>de</strong>n die Kugeln während <strong>de</strong>r nächsten<br />
Sekun<strong>de</strong>n, glücklicherweise nicht mehr.<br />
Isinha kommt gera<strong>de</strong> rechtzeitig am Ort <strong>de</strong>s Kampfes<br />
an, <strong>de</strong>nn Edric hat nach zwei Treffern seinen Stab fallen<br />
gelassen und sich ein bisschen zurückgezogen.<br />
Edric nestelt an seinem Gürtel.<br />
Dann sind die bei<strong>de</strong>n Mondgesichter an Isinha dran.<br />
Der erste Dreizack verfehlt ihn, <strong>de</strong>n zweiten Dreizack<br />
wehrt Isinha mit seinem Stab ab.<br />
Anschließend lässt er ihn gegen eine Kugel vorzucken.<br />
*Peng*, die zweite Kugel platzt.<br />
Ein grimmiges, aber befriedigend wirken<strong>de</strong>s Grinsen<br />
beherrscht die Gesichtszüge <strong>de</strong>s Magiers. Sogleich<br />
nimmt er die zweite Kugel, <strong>de</strong>r er sich gegenüber<br />
sieht, aufs Korn und attackiert sie.<br />
Edric zieht seine Schleu<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Gürtel, legt einen<br />
<strong>de</strong>r kleinen Kiesel ein beginnt die Schleu<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>m<br />
Kopf zu drehen, während er auf seinen nächsten Angreifer<br />
zielt und das Geschoss fliegen lässt. Er weiß,<br />
welche Kräfte durch solch einem Kieselstein freigesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n können. So mancher Wolf hat damit<br />
schon Bekanntschaft machen müssen.<br />
Der erste Knall und Elgars Vorrücken in <strong>de</strong>n niedrigen<br />
Raum haben Rovena zusammenzucken lassen.<br />
Sofort schiebt sie ihre Tragebeutel mit <strong>de</strong>n Heilkräutern<br />
und Surnia auf <strong>de</strong>n Rücken, wo sie geschützt<br />
sind, und eilt gebückt hinter <strong>de</strong>m Magier her, bleibt<br />
aber noch hinter <strong>de</strong>r Kampflinie.<br />
Sie sieht das Blut ihrer Gefährten fließen und umschließt<br />
entschlossen <strong>de</strong>n Stab mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n,<br />
während sie Melachath, <strong>de</strong>r aus mehreren Wun<strong>de</strong>n<br />
blutet, zur Hilfe kommt. Auf ein Knie nie<strong>de</strong>rgelassen,<br />
erwartet sie <strong>de</strong>n Angriff <strong>de</strong>r Mondgesichter, die ihre<br />
weniger wie Tiere als mehr wie intelligente Wesen erscheinen.<br />
In wutschäumen<strong>de</strong>r Erregung, ihrer Gefühle<br />
kaum Herr wer<strong>de</strong>nd, ruft sie mit zornig blitzen<strong>de</strong>n<br />
Augen aus: "Zieht euch zur Tür zurück, ich kann<br />
meinen Stab für uns tanzen lassen, wenn ihr das Feld<br />
geräumt habt!" Bereit zur Verteidigung und <strong>de</strong>m wohl<br />
unvermeidlichen Angriff hält sie das ebenholzschwarze<br />
Holz in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n.<br />
In diesem Moment ist Edric so weit, seinen Stein fliegen<br />
zu lassen. In <strong>de</strong>m niedrigen Raum ist es schwierig,<br />
die Schleu<strong>de</strong>r frei wirbeln zu lassen, aber Edric<br />
kriegt die Sache hin. *Tack* und *peng* - ein einzelner<br />
Stein reicht, ein Mondgesicht auszuschalten. Jetzt
sind es nur noch sieben. Da nicht klar ist, wie die Gefährten<br />
reagieren wer<strong>de</strong>n, greift Edric in die Tasche<br />
nach <strong>de</strong>m nächsten Stein.<br />
"Hesan<strong>de</strong>r, Edric, Elgar, Ihr weicht zurück, ich links,<br />
Du Ingalf rechts, JETZT!"<br />
Im Zurückgehen stolpert Melachath und bekommt<br />
noch einen Stich ab.<br />
"Aye!" Ingalf weicht nach rechts aus.<br />
Er schafft es, ohne einen weiteren Treffer aus <strong>de</strong>r<br />
Reichweite <strong>de</strong>r Kugeln zu kommen.<br />
Trotz <strong>de</strong>r eindringlichen Auffor<strong>de</strong>rung hat sich <strong>de</strong>r<br />
Magier bislang nicht von <strong>de</strong>r Stelle bewegt. Sein Ärger<br />
über die Ignoranz <strong>de</strong>r Gefährten hinsichtlich seiner<br />
ersten Warnung, über ihre Vermessenheit <strong>de</strong>r Rückkehr<br />
in diesen Raum und nur <strong>de</strong>r erneuten 'Rückzugswünsche'<br />
ist fast an eine Grenze gestoßen, die er bislang<br />
nur einmal erlebt hat. Aber das, was damals passierte,<br />
kann er hier und jetzt überhaupt nicht gebrauchen.<br />
So zögert er nur noch einen Wimpernschlag<br />
länger. Aber dieser Augenblick ist entschei<strong>de</strong>nd für<br />
seinen Entschluss: Wenn, nein, sobald er hier heraus<br />
sein wird, wird er sich erst <strong>de</strong>n Geweihten, dann <strong>de</strong>n<br />
pseudo-gebil<strong>de</strong>ten Keulenschwinger und schließlich<br />
<strong>de</strong>n Feuer-schlucken<strong>de</strong>n Matrosen zur Brust nehmen.<br />
So geht das nicht weiter!<br />
Elgar hat ja im Moment auch nur einen Gegner, <strong>de</strong>ssen<br />
Stoß nach seinem Kopf er nur mit Mühe abwehrt.<br />
Sein Gegenangriff geht fehl. Und jetzt ist auch das<br />
zweite Mondgesicht heran.<br />
Hesan<strong>de</strong>r vertraut auf die Fähigkeiten <strong>de</strong>s Araniers<br />
und weicht wie angewiesen zurück, jedoch nicht ohne<br />
darauf zu achten, dass er die Gefährten nicht bei ihrem<br />
ggf. gleichzeitigen Rückzug behin<strong>de</strong>rt.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen wird er selbst noch einmal von einem<br />
Dreizack erwischt.<br />
"Bei <strong>de</strong>n Zwölfen", entfährt es Hesan<strong>de</strong>r. Doch er hat<br />
gelernt, dass er im Kampf für die Zwölfe Schmerzen<br />
ertragen muss, um <strong>de</strong>n Sieg zu erlangen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r ignoriert <strong>de</strong>n Riss in seiner Kleidung und<br />
<strong>de</strong>n Stich in <strong>de</strong>n Oberschenkel und zieht sich weiter<br />
zurück, so wie Melachath es befohlen hat.<br />
"Rovena, vor!" kommandiert Melachath.<br />
Nur langsam weicht Isinha zurück, hält sich dabei<br />
aber in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r heran rücken<strong>de</strong>n Hexe. Er wird<br />
nicht so weit zurückweichen und sie hier allein vor all<br />
<strong>de</strong>n Kugeln lassen. Nicht er! Nicht hier und heute! So<br />
hält sich <strong>de</strong>r Magier nur einen halben Schritt hinter<br />
Rovena, noch immer auf einem Knie und <strong>de</strong>n Stab<br />
zur Abwehr erhoben.<br />
Die Kugeln rücken nach, eine trifft, aber jetzt hat Rovena<br />
freie Bahn.<br />
Bei Melachaths Kommando presst die Hexe verbittert<br />
die Lippen zusammen und wirft <strong>de</strong>n Kopf zurück, so<br />
497<br />
dass die fünf silbernen Haarsträhnen in <strong>de</strong>m silbrigen<br />
Vollmondlicht <strong>de</strong>s niedrigen Raumes aufblitzen. Was<br />
bil<strong>de</strong>t er sich ein, sie herumkommandieren zu können?<br />
Sie hat nicht vor, sich <strong>de</strong>n Kugeln noch weiter zu<br />
nähern. Nein, sie wird, wenn sich alle in Sicherheit<br />
gebracht haben, ihren Stab in <strong>de</strong>r Hand drehen und<br />
auf die Angreifer werfen. Sie macht, was ihre Gefühle<br />
ihr eingeben, und hier sind Wut und Zorn auf die<br />
übermächtigen, gesichtslosen Wesen, <strong>de</strong>nen sich ihre<br />
leichtsinnigen Gefährten entgegengestellt haben und<br />
die ihnen schmerzhafte, bluten<strong>de</strong> Wun<strong>de</strong>n zufügen,<br />
die treiben<strong>de</strong> Kraft. Dankbar registriert sie Elgars Anwesenheit<br />
hinter sich, während sie ihre im silbrigen<br />
Dämmerlicht funkeln<strong>de</strong>n, smaragdgrünen Augen entschlossen<br />
auf die silbergrauen Wesen gerichtet hält.<br />
Und dann dreht Rovena ihren Stab um ihre Hand<br />
und wirft ihn zwischen die Mondgesichter. Sofort beginnt<br />
<strong>de</strong>r zu "tanzen" und auf sie einzuschlagen. Das<br />
nützt aber nicht viel, die Mondgesichter parieren<br />
meisterlich. Die Sekun<strong>de</strong>n vergehen ohne einen weiteren<br />
Platzer. Rovenas Kräfte fließen ab.<br />
Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht zieht sich Magier<br />
weiter zurück. Sein Mantel und die Robe haben zwar<br />
etwas von <strong>de</strong>r Wucht <strong>de</strong>s Stoßes abgefangen, aber ein<br />
überwiegen<strong>de</strong>r Teil hat ihn getroffen. Gegen zwei<br />
Gegner konzentriert er sich zunächst auf die Verteidigung<br />
und zieht sich dann anschließend gemeinsam<br />
mit <strong>de</strong>r Hexe zur Tür zurück.<br />
Edric hört die befehlen<strong>de</strong>n Worte <strong>de</strong>s Araniers, aber<br />
solange er seine Schleu<strong>de</strong>r noch nicht bereit hat, wird<br />
er nicht weichen können.<br />
Als Rovena ihren Stab wirft und <strong>de</strong>r anschließend zu<br />
"tanzen" beginnt, lässt sich Edric nicht abhalten. Er<br />
schleu<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n nächsten Stein, aber <strong>de</strong>r verfehlt.<br />
Edric ärgert sich nicht über seinen Fehlschuss, sind<br />
doch die Bedingungen in <strong>de</strong>m niedrigen Raum auch<br />
ziemlich schlecht.<br />
'Vielleicht reicht es sogar, wenn ich <strong>de</strong>n Stein werfe',<br />
kommt Edric eine I<strong>de</strong>e und er greift in seine Tasche,<br />
um <strong>de</strong>n nächsten Kiesel hervor zu holen. Diesmal<br />
wird er ihn nur mit Schwung auf eines <strong>de</strong>r seltsamen<br />
Mondgesichter werfen.<br />
Der Stein geht daneben. Unverdrossen nimmt Edric<br />
noch einen Kiesel und trifft. *Peng* Nur noch sechs<br />
Mondgesichter.<br />
Da Edric mit einem Stein Erfolg hat, lässt Ingalf die<br />
Orknase fahren und zieht seinen Schneidzahn. Er<br />
sucht sich einen <strong>de</strong>r Köpfe aus und wirft.<br />
Auf Knien zu werfen geht auch. *Peng* Nur noch<br />
fünf Mondgesichter.<br />
'So ein Mist, dass die an<strong>de</strong>ren Schneidzähne, alle bei<br />
<strong>de</strong>n Grolmen sind, das wohl!' ärgert sich Ingalf. 'Aber<br />
wenn man die doch nur ritzen muss …' Da er keinen
direkten Gegner hat, setzt er seinen Seesack ab und<br />
kramt ein wenig.<br />
Fassungslos muss die Hexe mit ansehen, wie wenig<br />
ihr Eingreifen an Wirkung zeigt. Sie wankt, stützt sich<br />
Halt suchend an <strong>de</strong>n Rahmen <strong>de</strong>r Tür, wohin sie sich<br />
mit Elgar zurückgezogen hat, und starrt wütend und<br />
gleichzeitig immer mehr entkräftet auf die wirkungslosen<br />
Aktionen ihren Stabes.<br />
Auch die weitere Wun<strong>de</strong> ignoriert <strong>de</strong>r Krieger, sobald<br />
als möglich wird er seine Waffe gegen <strong>de</strong>n nächsten<br />
Gegner richten.<br />
Melachath schafft es, eine Rovenas Stab abwehren<strong>de</strong><br />
Kugel von hinten zu erwischen. *Peng* Nur noch<br />
vier.<br />
Da nun die Gefährten langsam die Oberhand bekommen,<br />
hält Isinha die Stellung und rückt wie<strong>de</strong>r langsam<br />
auf die Höhe von Rovena. Sobald ein Mondgesicht<br />
in Reichweite kommt, stößt er mit <strong>de</strong>m Stab zu.<br />
'Es scheint zu reichen, wenn man sie trifft', Edric<br />
nimmt nun eine keine Handvoll Steine, so etwa fünf<br />
bis sechs in die Hand und wirft auf die nächste Kugel.<br />
Wirklich zielen muss er nicht, da die Steine ja streuen.<br />
Treffer! Zwei Kugeln erwischt Edric auf einmal.<br />
Grimmig stößt auch <strong>de</strong>r Aranier wie<strong>de</strong>r mit seiner<br />
Waffe zu.<br />
Und erwischt noch eine Kugel.<br />
Dann hat Ingalf gefun<strong>de</strong>n, was er sucht: Die Angelhaken<br />
auf <strong>de</strong>r Leine. An <strong>de</strong>nen hat er sich auch schon<br />
mal die Finger aufgerissen …<br />
Er wickelt die Leine ab und lässt die Haken, ähnlich<br />
Edrics Schleu<strong>de</strong>r, kreisen, um sie dann auf einen Ball<br />
abzufeuern.<br />
Ingalf ist gera<strong>de</strong> fertig, da explodiert die letzte Kugel<br />
durch einen Hieb Isinhas. Jetzt wäre <strong>de</strong>r richtige Zeitpunkt,<br />
dass Rovenas Stab wie<strong>de</strong>r zur Ruhe kommt.<br />
Nach <strong>de</strong>m letzten lauten Knall tritt Stille ein. Es ist<br />
ein Moment beängstigen<strong>de</strong>r Ruhe, es gibt kein Geräusch<br />
<strong>de</strong>s Kampfes mehr nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Dreizack polternd<br />
auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n liegen geblieben ist. Zumin<strong>de</strong>st<br />
empfin<strong>de</strong>t es Edric so.<br />
Langsam kommt <strong>de</strong>r Schmerz von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Wun<strong>de</strong>n,<br />
die er verdrängen konnte, zurück. Dennoch ist er<br />
froh, diesen Kampf erfolgreich überstan<strong>de</strong>n zu haben.<br />
Was sind sie nur alle für Narren, <strong>de</strong>nn die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
hätte auch ihr Leben kosten können!<br />
Er sollte sich mehr Gedanken um diese rätselhafte<br />
Pille machen, die je<strong>de</strong>r in Thorwal bekommen hat!<br />
Auch wenn sie sich erschöpft fühlt, gebieterisch ist die<br />
Geste, mit <strong>de</strong>r die Hexe ihrem Stab Einhalt gebietet,<br />
und ihr gelingt es damit, ihn zu Ruhe zu bringen,<br />
nach<strong>de</strong>m das letzte Mondgesicht zerplatzt ist. Ein wenig<br />
zittrig nimmt sie ihre Stab auf, streicht sanft über<br />
das Holz. Auch wenn er keines <strong>de</strong>r Kugelwesen zer-<br />
498<br />
stört hat, so haben seine Attacken doch von ihren Gefährten<br />
abgelenkt und die Kräfte <strong>de</strong>r Mondgesichter<br />
gebun<strong>de</strong>n. Tief atmet sie durch und schaut sich nach<br />
ihren Gefährten um.<br />
Beruhigend legt <strong>de</strong>r Magier Rovena eine Hand auf die<br />
Schulter. Die Wärme dringt durch ihre verspannten<br />
Muskeln und die Dankbarkeit Isinhas kann sie förmlich<br />
spüren. 'Gut gemacht!' Auch wenn er kein Wort<br />
zu sagen braucht, scheint sie ihn zu verstehen.<br />
"Aye, das war gut!" seufzt <strong>de</strong>r Thorwaler, ob damit das<br />
Gemetzel an <strong>de</strong>n Kugeln o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Stabtrick Rovenas<br />
gemeint ist, ist <strong>de</strong>n Gefährten nicht ganz klar.<br />
"Den Göttern sei Dank!" ruft Hesan<strong>de</strong>r aus. "Es ist<br />
vorbei." Er wen<strong>de</strong>t sich dann Edric zu, <strong>de</strong>r aus seiner<br />
Sicht einen hohen Anteil an <strong>de</strong>r Vernichtung <strong>de</strong>r Kugeln<br />
hatte. "Gut gemacht, junger Edric", lobt Hesan<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Hirten.<br />
Edric ist dankbar für das Lob, <strong>de</strong>nnoch befriedigt es<br />
ihn nicht. 'Was ist nur in Hesan<strong>de</strong>r gefahren, dass er<br />
sie zum Kampfe angetrieben hat?' fragt er sich. 'Es<br />
musste ihm doch klar sein, dass Ingalf sofort darauf<br />
anspringen wür<strong>de</strong> …'<br />
Dann spürt er wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n stechen<strong>de</strong>n Schmerz in seinem<br />
Oberschenkel und schaut sich das Ganze genauer<br />
an. Um <strong>de</strong>n Riss in seiner Kutte herum hat sich ein<br />
brauner Fleck gebil<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r die Wun<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich zeigt.<br />
"Ist jemand schwer verwun<strong>de</strong>t?" will Hesan<strong>de</strong>r wissen,<br />
bevor er selbst danach fragt, ob man ihm zur Hilfe<br />
kommen kann.<br />
Bei dieser Frage starrt Edric auf <strong>de</strong>n dunklen Fleck auf<br />
seinem Bein, unter <strong>de</strong>m es schmerzhaft pocht und <strong>de</strong>r<br />
langsam immer größer wird. Er sollte die Wun<strong>de</strong>n verbin<strong>de</strong>n,<br />
die Blutung stoppen … Doch braucht er noch<br />
einen Moment um wie<strong>de</strong>r Kraft zu schöpfen.<br />
"Meinst Du im Moment o<strong>de</strong>r generell?" fragt Isinha<br />
<strong>de</strong>n Geweihten scharf. "Euch hat wohl <strong>de</strong>r Hafer gestochen?!<br />
Es war pures Glück, dass bei eurer Unvorsichtigkeit<br />
nicht mehr passiert ist!" Der Magier ist<br />
wirklich wütend. Im bleichen Licht <strong>de</strong>r Wän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Gangs wirkt seine ohnehin blasse Haut und das weiße<br />
Haar fast bläulich und damit noch gespenstischer.<br />
"Lass gut sein, Isinha", versucht die Hexe ihren Gefährten<br />
zu beschwichtigen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r beachtet <strong>de</strong>n Magus nicht weiter.<br />
Als Ingalf die Angelschnur mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n aufwickelt,<br />
fallen ihm die bei<strong>de</strong>n Risse im linken Arm auf,<br />
die ihm durch die Kugeln zugefügt wur<strong>de</strong>n. Und erst<br />
jetzt in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r Entspannung spürt er <strong>de</strong>n<br />
Schmerz und er fängt an, halblaut vor sich hin zu fluchen.<br />
Nach<strong>de</strong>m er die Angelschnur wie<strong>de</strong>r verstaut hat, geht<br />
er zu <strong>de</strong>n Kugelresten und holt sich seinen Schneidzahn<br />
wie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n er bevor er in wie<strong>de</strong>r an seinen Gürtel<br />
steckt an einem <strong>de</strong>r Ballkadaver säubert. Dann
schaut sich jetzt suchend nach Kawi um. Ist <strong>de</strong>m kleinen<br />
Kerlchen etwa während <strong>de</strong>s Kampfes etwas passiert?<br />
Aber <strong>de</strong>r Welpe steht Schwanz we<strong>de</strong>lnd und unverletzt<br />
in <strong>de</strong>r Tür.<br />
Erst nach<strong>de</strong>m er dieses alles getan und Hesan<strong>de</strong>rs Frage<br />
ignoriert hat, schaut er sich seine Gefährten an. Als<br />
er Rovena erschöpft, aber unverletzt sieht, fragt er die<br />
Hexe: "Kannst Du mir helfen? Bitte! Alleine kann ich<br />
mir <strong>de</strong>n Arm schlecht verbin<strong>de</strong>n und diese Wasserköppe<br />
haben mich gekratzt …"<br />
Rovena richtet ihre Augen auf <strong>de</strong>n Thorwaler, das zornige<br />
Funkeln ist aus ihnen verschwun<strong>de</strong>n.<br />
"Natürlich", antwortet sie ihm sanft. "Zeig her."<br />
Sie schaut sich die bei<strong>de</strong>n Wun<strong>de</strong>n an Ingalfs Unterarm<br />
an, reinigt sie mit <strong>de</strong>m Wasser aus ihrer Feldflasche.<br />
Bevor sie <strong>de</strong>n Verband anlegt, nimmt sie einen<br />
<strong>de</strong>r Tiegel in die Hand und meint zu <strong>de</strong>m Verletzten:<br />
"Es sollte nun von selber heilen. Ich kann dir auch<br />
noch Wirselkrautsalbe zur besseren Abheilung darauf<br />
streichen, o<strong>de</strong>r dir <strong>de</strong>n Trank anbieten, wenn du<br />
meinst, es wäre besser für dich."<br />
"Bei Swafnir, das sollte erstmal reichen, das wohl!" Ingalf<br />
schafft es trotz <strong>de</strong>s Kratzers, die Hexe anzugrinsen.<br />
"'Ne Nacht voll Schlaf und alles ist wie<strong>de</strong>r wech.<br />
Heb' die Tränke lieber auf, wer weiß was noch<br />
kommt!"<br />
Stumm nickt Rovena und beginnt, die Wun<strong>de</strong>n sanft,<br />
aber fest mit <strong>de</strong>m Linnen aus ihrem Tuchbeutel zu<br />
verbin<strong>de</strong>n. Zufrie<strong>de</strong>n mit ihrer Arbeit dreht sie sich zu<br />
<strong>de</strong>m stark bluten<strong>de</strong>n Aranier um.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Aranier sich vergewissert hat, dass seinen<br />
Begleitern nichts Ernsthaftes geschehen ist, lässt<br />
auch er sich von Rovena behan<strong>de</strong>ln.<br />
"Nun du, Melachath. Ich habe noch vier frische Einbeeren<br />
aus <strong>de</strong>m Beutel <strong>de</strong>s Grolms. Nimm zwei von<br />
<strong>de</strong>n Beeren davon, sie müssen sowieso verwertet wer<strong>de</strong>n,<br />
und drücke <strong>de</strong>n Saft auf die Wun<strong>de</strong>n." Sie reicht<br />
<strong>de</strong>m Aranier zwei <strong>de</strong>r Nuss großen, blauen Beeren.<br />
Vorsichtig befolgt er die Anweisungen <strong>de</strong>r Hexe, nur<br />
kurz schaut er sie dabei an, allerdings geht dieser Blick<br />
direkt in sie. "Habt Dank, Schöne <strong>de</strong>r Nacht."<br />
Mit einem Lächeln über ihre Benennung winkt Rovena<br />
ab, seinem Blick hält sie stand. "Dafür trage ich<br />
diese Kräuter bei mir, Melachath. Wir waren gewarnt,<br />
unbekannten Gefahren zu begegnen."<br />
Beeindruckt von Rovenas Heilkräften macht Hesan<strong>de</strong>r<br />
einen Schritt auf sie zu und fragt in sanftem Ton:<br />
"Tochter Satuarias, in Euch stecken eine Menge Talente,<br />
die mir und sicherlich einigen meiner Brü<strong>de</strong>r<br />
bislang verborgen geblieben sind. Wür<strong>de</strong>t Ihr Euch<br />
meinen Schnitt einmal ansehen?"<br />
'Schleimer!' <strong>de</strong>nkt Ingalf. 'Und Deine Brü<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong>n<br />
sie am liebsten auf <strong>de</strong>m Scheiterhaufen rösten!'<br />
499<br />
Rovena wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>m Geweihten zu. Ihre Wut ist<br />
mit <strong>de</strong>m erschöpfen<strong>de</strong>n Zauber verraucht und sie<br />
blickt Hesan<strong>de</strong>r nun ruhig an. "Es ist die Lebenskraft<br />
in <strong>de</strong>n Geschöpfen Sumus, die anzuwen<strong>de</strong>n man<br />
mich gelehrt hat. Und es ist unser Schicksal als Kin<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Weltriesin von <strong>de</strong>n Abkömmlingen Los' verleugnet<br />
und verkannt zu wer<strong>de</strong>n." Sie runzelt die Stirn, mit einer<br />
fahrigen Bewegung wischt sie ihre düsteren Gedanken<br />
fort. "Zeig mir <strong>de</strong>ine Wun<strong>de</strong>, Hesan<strong>de</strong>r, ich<br />
wer<strong>de</strong> sehen, was ich für dich tun kann."<br />
Sie sieht sich Hesan<strong>de</strong>rs Verletzung am Oberschenkel<br />
genauer an. Die Verletzung behin<strong>de</strong>rt ihn sicher in<br />
seiner Beweglichkeit, darum sollte mehr getan als nur<br />
ein Verband angelegt wer<strong>de</strong>n. Auch weiß sie nicht, ob<br />
ihr bei je<strong>de</strong>m ihrer Gefährten eine saubere Wundbehandlung<br />
gelingen wird, darum entschließt sie sich,<br />
<strong>de</strong>m Geweihten von <strong>de</strong>m Einbeerensaft zu geben. Wie<br />
schon bei Melachath und Ingalf entkorkt sie die Flasche<br />
und gibt eine Portion <strong>de</strong>s Heiltrank von <strong>de</strong>r Menge<br />
einer Beere auf ihren Löffel. "Nimm einen Teil <strong>de</strong>s<br />
Saftes ein und träufele etwas auf die Wun<strong>de</strong>, das sollte<br />
die Blutung stoppen und die Verletzung bald abheilen<br />
lassen."<br />
Als <strong>de</strong>r Magier sieht, dass Rovena die an<strong>de</strong>ren verarztet,<br />
verraucht seine Wut auf die Kämpfer langsam etwas.<br />
Er legt seinen Stab ab und setzt sich mit <strong>de</strong>m<br />
Rücken zu <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tür gegenüber liegen<strong>de</strong>n Gangwand.<br />
Vorsichtig schiebt er <strong>de</strong>n Mantel und die Robe von <strong>de</strong>r<br />
Schulter und begutachtet - mehr mit <strong>de</strong>n Fingern tastend<br />
als sehend - die Wun<strong>de</strong> in seiner Seite. Die Blutung<br />
hat fast aufgehört, aber um sicher zu gehen, verbin<strong>de</strong>t<br />
er sie mit einem abgerissenen Streifen seines<br />
Hem<strong>de</strong>s. Eine gute Nachtruhe und ein paar Stun<strong>de</strong>n<br />
Schlaf sollten ihr Übriges zur Genesung beitragen.<br />
Hesan<strong>de</strong>rs Tempelvorsteher mahnte ihn stets, dass er<br />
frem<strong>de</strong>n Kulturen und Religionen stets mit Vorsicht,<br />
aber auch mit einer gesun<strong>de</strong>n Portion Offenheit entgegentreten<br />
soll.<br />
Die Töchter Satuarias spalteten aber seine Lehrer.<br />
Während die einen sie außerhalb <strong>de</strong>s Schoßes <strong>de</strong>r<br />
Zwölfe sahen, erkannten an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>ren Kräfte an und<br />
brachten ihnen entsprechen<strong>de</strong>n Respekt entgegen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r spürt nun sozusagen am eigenen Leib, dass<br />
die zweite Denkweise wohl die richtigere zu sein<br />
scheint. Selbiges wird er in seinem Tagebuch vermerken.<br />
"Ich danke Dir, Rovena", sagt Hesan<strong>de</strong>r zur Hexe.<br />
"Und mögt Ihr und Eure Schwestern von einigen aus<br />
<strong>de</strong>r Kirche <strong>de</strong>r Zwölfe verachtet und für böse gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n, so teile ich ihr Urteil nicht. Vielleicht kann<br />
mein beschei<strong>de</strong>ner Beitrag in meinem Tagebuch über<br />
unsere Reisen mit dazu führen, dass man Euch und<br />
Euresgleichen mehr Achtung entgegen bringt."
'O<strong>de</strong>r auch nicht. Wenn das Buch in die falschen<br />
Hän<strong>de</strong> gerät, ist es egal, welche Meinung du darin vertrittst.<br />
Es wäre nicht das erste mal, dass Geschriebenes<br />
instrumentalisiert wür<strong>de</strong> - eine Meinungsän<strong>de</strong>rung<br />
nach <strong>de</strong>r Wundbehandlung durch eine Hexe.' <strong>de</strong>nkt <strong>de</strong>r<br />
Magier mit geschlossenen Augen grimmig, während er<br />
<strong>de</strong>r Ansprache <strong>de</strong>s Geweihten zuhört. Er weiß, wohin<br />
<strong>de</strong>rartige Dinge führen können. Auch Isinha selbst<br />
wird von Hesan<strong>de</strong>r mehr als das gesehen, das die Unwissen<strong>de</strong>n<br />
als "Schwarzmagier" bezeichnen und <strong>de</strong>nen<br />
sie finstere Mächte an die Seite stellen, ohne sich<br />
Gedanken über <strong>de</strong>rartige Vorurteile zu machen. 'Wir<br />
wer<strong>de</strong>n ja sehen, ob das Buch jemals gelesen wer<strong>de</strong>n<br />
wird …'<br />
Dann setzt sich Hesan<strong>de</strong>r und ruht eine Weile aus, bis<br />
die an<strong>de</strong>ren weiter ziehen wollen.<br />
"Ich bitte dich nur, nicht alles für die Wissbegierigen<br />
<strong>de</strong>ines Glaubens festzuhalten, was außer <strong>de</strong>r Heilung<br />
von Wun<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>rer Krankheiten noch in meinen<br />
Kräften steht", erwi<strong>de</strong>rt die Hexe nach<strong>de</strong>nklich,<br />
<strong>de</strong>nn genau das macht ihr Sorge, dass <strong>de</strong>r Geweihte<br />
außer von <strong>de</strong>m, was sie mit ihrem Stab vollbringen<br />
kann, auch von ihrer Gestaltän<strong>de</strong>rung berichten<br />
könnte. O<strong>de</strong>r von an<strong>de</strong>rem, zu <strong>de</strong>m sie fähig ist. Es<br />
gibt ein paar Dinge, von <strong>de</strong>nen die, die ihre Schwestern<br />
verfolgen, möglichst wenig wissen sollten. "Du<br />
weißt so gut wie ich, dass es unter <strong>de</strong>n Menschen solche<br />
und solche gibt. Deine Aufzeichnungen könnten<br />
von <strong>de</strong>nen, die uns Übles wollen, gegen uns verwandt<br />
wer<strong>de</strong>n. Vergiss das nie." Wie zur Bestätigung ist aus<br />
<strong>de</strong>m Tragebeutel ein klagen<strong>de</strong>r Laut zu hören, <strong>de</strong>n die<br />
kleine Schä<strong>de</strong>leule ausgestoßen hat. Zärtlich streicht<br />
Rovena ihrer zukünftigen Vertrauten über das Gefie<strong>de</strong>r.<br />
"Ihr sprecht weise Worte", nickt Hesan<strong>de</strong>r nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Dieses Buch ist keinesfalls <strong>de</strong>rgestalt, dass je<strong>de</strong>s<br />
Detail ausführlichst festgehalten wird. Ich verstehe<br />
Eure Sorge. Ich will es so formulieren, dass es nicht zu<br />
viel über Euch und Eure Kräfte preisgibt. Schließlich<br />
soll <strong>de</strong>nen, die <strong>de</strong>n Dienern <strong>de</strong>r Kirche beigestan<strong>de</strong>n<br />
haben, daraus kein Nachteil erwachsen", fügt Hesan<strong>de</strong>r<br />
hinzu.<br />
"Ich nehme dich beim Wort", antwortet Rovena mit einem<br />
kleinen, erschöpft wirken<strong>de</strong>n Lächeln.<br />
'Ja, ich auch!' <strong>de</strong>nkt Isinha, noch immer mit geschlossenen<br />
Augen dasitzend.<br />
Ingalf von <strong>de</strong>r Erschöpfung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren angesteckt,<br />
lässt sich ebenfalls an einer Wand - links neben <strong>de</strong>r<br />
Tür - nie<strong>de</strong>r … und ist nach wenigen Augenblicken<br />
eingenickt.<br />
Nach<strong>de</strong>m Rovena gesehen hat, dass sich Elgar selber<br />
versorgen konnte, nähert sie sich <strong>de</strong>m stillen Hirten.<br />
"Setz' dich und lass dir helfen, Edric", befiehlt sie ihm<br />
sanft. "Ich gebe dir auch von <strong>de</strong>m Einbeerentrank,<br />
dann hört das Bluten auf und die Wun<strong>de</strong>n heilen ab."<br />
500<br />
Edric schreckt sichtlich aus seinen Gedanken hoch,<br />
war er doch mit ihnen weit weg auf einer ganz an<strong>de</strong>ren<br />
Reise.<br />
Zum Glück hat sie vorausschauend eine große Menge<br />
dieses Saftes zubereitet, so dass noch genug für alle bis<br />
zum En<strong>de</strong> ihrer Reise zur Verfügen stehen sollte. Und<br />
dann hat sie ja noch die Flasche mit <strong>de</strong>m grünen Saft<br />
aus <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>r Smaragdspinnen, von <strong>de</strong>m sie die<br />
Wirkung noch nicht kennt … sie misst eine Portion<br />
<strong>de</strong>s Trank ab und lässt Edric die Verletzungen an Bein<br />
und Arm freilegen. Vorsichtig träufelt sie davon jeweils<br />
ein paar Tropfen auf die bei<strong>de</strong>n Wun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Rest<br />
lässt sie ihn einnehmen.<br />
"Ich danke Dir." sagt <strong>de</strong>r Hirte schlicht und blickt sie<br />
dankbar an.<br />
"So", mit einem Seufzer packt sie <strong>de</strong>n Trank und ihren<br />
Löffel zurück in <strong>de</strong>n Tuchbeutel. "Lasst uns noch<br />
einen Moment ausruhen, bevor wir weiter gehen. Mir<br />
zittern noch etwas die Knie von <strong>de</strong>r Anstrengung. Ich<br />
wür<strong>de</strong> gerne einen Bissen essen."<br />
"Ja, das ist eine gute I<strong>de</strong>e." meint Isinha dazu, ohne<br />
sich auch nur ein Stück zur rühren. Mit ausgestreckten<br />
Beinen und geschlossenen Augen sitzt er gegen die<br />
Wand gelehnt da. Mit <strong>de</strong>r linken Hand hält er seinen<br />
Stab. Der rechte Arm liegt über seinem Bauch, die<br />
rechte Hand presst er leicht auf <strong>de</strong>n Verband.<br />
Rovena setzt sich zu ihm, betrachtet seine Miene, ihr<br />
Blick schweift zu seiner Verletzung. Ohne zu zögern<br />
sucht sie in ihrem Tuchbeutel nach <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Einbeeren,<br />
stößt Elgar leicht an und hält ihm die blauen<br />
Beeren hin. "Hier, nimmt sie. Sie wer<strong>de</strong>n dir dabei<br />
helfen, die Blutung zu stillen und <strong>de</strong>ine Verletzung<br />
heilt schneller. Die Beeren müssen sowieso angewandt<br />
wer<strong>de</strong>n, solange sie noch frisch sind, nach ein paar Tagen<br />
verlieren sie ihre Wirkung", erklärt sie <strong>de</strong>m Magier<br />
eindringlich und schaut ihn auffor<strong>de</strong>rnd an.<br />
Ohne sich zu rühren, öffnet Isinha das Auge, das Rovena<br />
näher ist, halb und betrachtet sie unter <strong>de</strong>m Lid<br />
hervor. Dann schließt er es wie<strong>de</strong>r und antwortet ihr:<br />
"Nein, danke. Es geht auch so. Der Tag ist noch nicht<br />
vorüber und wir sind noch nicht am En<strong>de</strong> unserer<br />
Reise. Ich fürchte, wir wer<strong>de</strong>n diese Beeren noch brauchen.<br />
Und sie wer<strong>de</strong>n dann noch frisch genug sein."<br />
lehnt er das Angebot ab.<br />
"Ich habe doch noch <strong>de</strong>n Saft", wen<strong>de</strong>t Rovena ein.<br />
"Und an<strong>de</strong>re Mittel, uns zu stärken. Ich mag nicht sehen,<br />
dass du lei<strong>de</strong>n musst … <strong>de</strong>ine Wun<strong>de</strong> schmerzt<br />
dich und blutet noch, sonst müsstest du <strong>de</strong>ine Hand<br />
nicht darauf pressen …" Leise wird ihre Stimme und<br />
sie zögert, ihre Hand zurückzuziehen.<br />
Jetzt öffnet Isinha bei<strong>de</strong> Augen, dreht <strong>de</strong>n Kopf und<br />
sieht Rovena eindringlich an. Seine roten Augen mustern<br />
sie und fixieren dann ihren Blick. "Es ist wirklich<br />
nicht … Ich habe schon …" beginnt er stockend.
Dann scheint sein Wi<strong>de</strong>rstand zusammen zu brechen.<br />
"Also gut. Gib schon her." meint er mit leiser, resigniert<br />
klingen<strong>de</strong>r Stimme. Der Magier nimmt die<br />
Nuss große Beere entgegen und verwen<strong>de</strong>t sie wie geheißen.<br />
"Danke." fügt er fast unhörbar hinzu.<br />
Zufrie<strong>de</strong>n lächelnd lehnt Rovena sich zurück. Sie isst<br />
etwas von ihrem Proviant, nimmt einen Schluck Wasser<br />
und schließt anschließend die Augen. Nun einen<br />
Moment noch ausruhen … bis die Gefährten beschließen,<br />
dass es weitergehen soll. Die Zeit, das<br />
Thonnys-Kraut zur Stärkung ihrer Kräfte anzuwen<strong>de</strong>n,<br />
wird sie nicht haben. Es wird auch so gehen müssen<br />
…<br />
Der Magier betrachtet sie noch einen Moment, ehe<br />
auch er in seinem Rucksack nach etwas Essbarem<br />
kramt. Dann fällt ihm die Dauerwurst in die Hän<strong>de</strong>,<br />
mit <strong>de</strong>r Hesan<strong>de</strong>r die Festigkeit <strong>de</strong>s Kristallbo<strong>de</strong>ns getestet<br />
hat. Mit <strong>de</strong>m Dolch schnei<strong>de</strong>t er ein Stück ab<br />
und bietet es Rovena an, ehe er selbst zugreift. Lustlos<br />
kaut er auf <strong>de</strong>r harten Wurst herum und spült mit einem<br />
Schluck Wasser nach.<br />
Trotz dass <strong>de</strong>r Aranier sich an eine Wand gelehnt hat,<br />
kommt er nicht wirklich zur Ruhe. Mehr als einen<br />
Schluck Wasser nimmt er nicht zu sich.<br />
Da Ingalf anscheinend schläft und Kawi nicht zu futtern<br />
bekommen hat, läuft <strong>de</strong>r Welpe zu Isinha, <strong>de</strong>r<br />
diese lecker riechen<strong>de</strong> Wurst in Hän<strong>de</strong>n hält, setzt<br />
sich vor <strong>de</strong>n Magier hin und blickt ihn for<strong>de</strong>rnd an.<br />
Aus <strong>de</strong>n Augenwinkeln bemerkt <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n kleinen<br />
Hund. Er dreht leicht <strong>de</strong>n Kopf und sieht ihn<br />
dann, dann blickt er auf die noch immer in seiner<br />
Hand befindliche Wurst und schnei<strong>de</strong>t erneut eine -<br />
wenn auch kleinere - Scheibe für Kawi ab. "Hier,<br />
mein Kleiner." lockt er <strong>de</strong>n Welpen zu sich und hält<br />
ihm die Wurstscheibe hin. Während Kawi die Wurst<br />
herunter schlingt, krault ihn Isinha hinter <strong>de</strong>n Ohren<br />
und flüstert auf ihn ein: "Mehr gibt's nicht. Wir müssen<br />
sparsam sein. Du willst doch nicht, dass dich <strong>de</strong>r<br />
böse Mann mit <strong>de</strong>r grünen Kutte als leben<strong>de</strong><br />
Fleischreserve ansieht, o<strong>de</strong>r?" Den Rest <strong>de</strong>r Wurst<br />
packt <strong>de</strong>r Magier wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Rucksack und lehnt<br />
sich, Kawi weiter abwesend streichelnd, wie<strong>de</strong>r mit<br />
geschlossenen Augen gegen die Wand.<br />
Kawi legt sich neben <strong>de</strong>n Magier und lässt sich durchkraulen.<br />
Nach<strong>de</strong>m Edric ein wenig von seinen Vorräten gegessen<br />
hat, erhebt er sich und versucht, einige seiner Kiesel<br />
wie<strong>de</strong>rzufin<strong>de</strong>n. Hier, im Orkenhort, scheinen sie<br />
sehr wirksam zu sein, so dass er sie ungern liegen lassen<br />
wür<strong>de</strong>. Wer weiß schon wie oft er seine Schleu<strong>de</strong>r<br />
noch einsetzen muss? Dabei bleibt es nicht aus, dass<br />
er sich weiter in <strong>de</strong>n Raum hinein bewegt als alle an<strong>de</strong>ren<br />
vor ihm.<br />
501<br />
Bei seiner Suche fallen ihm auch die Dreizacke auf,<br />
die letzten Zeugnisse ihrer Gegner. Nach kurzer<br />
Überlegung hebt er einen auf und nimmt ihn genauer<br />
in Augenschein. 'Vielleicht stellt er ja eine sinnvolle<br />
Ergänzung zum Stab dar', überlegt er. In <strong>de</strong>r Handhabung<br />
könnte er seinem Stab ähnlich sein, mit <strong>de</strong>n Zacken<br />
lässt sich hervorragend zustoßen und zur Not<br />
ließe sich <strong>de</strong>r Dreizack auch noch werfen … Wie effektiv<br />
die Waffe ist, musste er schon am eigenen Leib<br />
erfahren.<br />
Noch immer <strong>de</strong>n jungen Hund kraulend, <strong>de</strong>nkt Isinha<br />
über <strong>de</strong>n Weg, <strong>de</strong>n sie bisher zurückgelegt haben<br />
und das, was noch vor ihnen liegen mag, nach. Es ist<br />
kaum zu glauben, wie viel sie in so kurzer Zeit gesehen<br />
und erlebt haben. Es kommt ihm vor, als sei er bereits<br />
seit mehreren Jahren mit <strong>de</strong>n Gefährten unterwegs.<br />
'Phexens Schatzkammer.' überlegt er. 'Der Gott<br />
<strong>de</strong>r Diebe und <strong>de</strong>s Glücks. Wie viel Glück wer<strong>de</strong>n wir<br />
wohl brauchen, um hier wie<strong>de</strong>r heraus zu kommen?'<br />
Der erste Tritt wird mit einem sehr verschlafenen<br />
"Hmmm …" beantwortet, <strong>de</strong>r zweite mit: "Bei allen<br />
verfluchten Seedämonen, was soll das?"<br />
"Ach, nichts weiter." meint Isinha mit unschuldiger<br />
Miene.<br />
Und da springt Ingalf auch schon auf und stößt sich<br />
<strong>de</strong>n Kopf an <strong>de</strong>r niedrigen Decke. "Verdammte Decke,<br />
verdammte …!" Der Rest geht zum Glück in für die<br />
Gefährten recht unverständliches Thorwalsch über.<br />
"Ich dachte, wir sollten dann mal weiter …" ergänzt<br />
<strong>de</strong>r Magier, ohne wirklich zu versuchen, die Flucherei<br />
<strong>de</strong>s Thorwalers zu übertönen.<br />
Als er mit seinen Überlegungen fertig ist und <strong>de</strong>n Entschluss<br />
gefasst hat, einen Dreizack mitzunehmen, for<strong>de</strong>rt<br />
Isinha auch schon zum Aufbruch auf.<br />
"Aber ich hab' grad so schön geträumt!"<br />
Diese Fragen beschäftigen <strong>de</strong>n Magier, als er plötzlich<br />
hoch schreckt. Unsicher, ob er eingeschlafen ist o<strong>de</strong>r<br />
nicht, sieht er die an<strong>de</strong>ren ebenfalls noch ruhen. So<br />
erhebt er sich langsam und tippt Rovena an <strong>de</strong>r Schulter<br />
an: "Lasst uns weiter ziehen." sagt er schlicht. Um<br />
Ingalf zu wecken, stößt er ihn zwei Mal vorsichtig mit<br />
<strong>de</strong>r Stiefelspitze an.<br />
Rovena erhebt sich und rückt, leicht gebeugt, ihre<br />
Bün<strong>de</strong>l zurecht. "Gehen wir gleich zum westlichen<br />
Ausgang o<strong>de</strong>r schauen wir noch nach, was sich hinter<br />
<strong>de</strong>m östlichen befin<strong>de</strong>t, wo das Feuer brennt?" fragt sie<br />
nach.<br />
"Ich wür<strong>de</strong> erst mal hier weiter gehen wollen."<br />
Bei dieser Bemerkung zieht <strong>de</strong>r Magier die linke Augenbraue<br />
hoch. "Du willst hier" - Isinha zeigt <strong>de</strong>n<br />
Gang hinunter - "weiter gehen?" Ein Schnauben verrät<br />
seinen Unmut. Eben noch ist sein Vorschlag, <strong>de</strong>n<br />
Kugeln einfach auszuweichen und <strong>de</strong>m Gang zu folgen<br />
damit beantwortet wor<strong>de</strong>n, dass man sich in die
Schlacht gestürzt hat. 'Na ja, wenigstens sind die Initiatoren<br />
auch mit <strong>de</strong>n meisten Blessuren davon gekommen.'<br />
versucht er sich zu beruhigen. Schließlich<br />
haben Rovena und er kaum etwas abbekommen. Und<br />
Edric hatte einfach Pech.<br />
"Mit hier meinte ich <strong>de</strong>n freigekämpften Weg." antwortet<br />
<strong>de</strong>r Krieger.<br />
"Nun, das beantwortet aber Rovenas Frage nicht wirklich."<br />
erwi<strong>de</strong>rt Isinha.<br />
Melachath blickt in <strong>de</strong>n nach Osten führen<strong>de</strong>n<br />
Durchgang Richtung Westen, <strong>de</strong>r ursprünglich von<br />
<strong>de</strong>n Kugeln versperrt war.<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Automaten<br />
Im schwachen Mondlicht ist eine an <strong>de</strong>r Wand stehen<strong>de</strong><br />
Gestalt zu sehen.<br />
Melachath nähert sich <strong>de</strong>r Gestalt langsam.<br />
Die Gestalt rührt sich nicht.<br />
Rovena erschrickt, als sie Melachaths Blick zum westlichen<br />
Durchgang folgt. Diese Gestalt war ihr vorher<br />
noch gar nicht aufgefallen. "Was o<strong>de</strong>r wer ist das?" ruft<br />
sie gedämpft aus.<br />
Die Gestalt steht ganz still da. Um mehr zu erkennen,<br />
müsste man dichter herangehen.<br />
Auf <strong>de</strong>n Ruf Rovenas hin, folgt ihr <strong>de</strong>r Magier. Der Fackelschein<br />
seines Stabs erhellt die Umgebung besser,<br />
als das Mondlicht <strong>de</strong>r Wän<strong>de</strong>. Er nähert sich <strong>de</strong>r Gestalt<br />
bis auf ca. 5 Schritt und betrachtet sie aufmerksam.<br />
Ingalf folgt mit Kawi <strong>de</strong>m Magier in <strong>de</strong>n Gang.<br />
Auch Edric folgt auf Rovenas Ruf. Er hat sich seinen<br />
Stab auf <strong>de</strong>n Rücken geschnallt, trägt <strong>de</strong>n Dreizack in<br />
<strong>de</strong>r Rechten. Griffbereit ist die Schleu<strong>de</strong>r am Gürtel<br />
befestigt, die Kiesel hat er wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Tasche verstaut.<br />
In <strong>de</strong>m Gang, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r die übliche Höhe hat, steht<br />
eine vollständige Ritterrüstung. Das Visier ist hochgeklappt,<br />
in <strong>de</strong>r Öffnung ist ein eisernes Männergesicht<br />
zu sehen. Der Mund dieser eisernen Maske ist halb<br />
geöffnet, aus ihm steht eine lange Zunge heraus.<br />
"Hey, Hesan<strong>de</strong>r, da streckt Dir einer die Zunge raus!"<br />
ist alles was Ingalf dazu zu sagen hat.<br />
"Ach so, das galt mir", sagt <strong>de</strong>r Geweihte beiläufig.<br />
"Ich hatte nur abgewartet, was Du tust, weil ich dachte,<br />
dass das Dir galt."<br />
Dann nähert sich Hesan<strong>de</strong>r dieser Rüstung mit Gesicht<br />
bis auf drei Schritt und spricht sie an. "Bei <strong>de</strong>n<br />
Zwölfen, was bist Du?"<br />
Von <strong>de</strong>r Gestalt kommt keine Antwort.<br />
"Na, er sieht Dir aber viel ähnlicher, das wohl!"<br />
"Nun ja, ich trage nicht so viel Metall mit mir herum<br />
wie <strong>de</strong>r da", Hesan<strong>de</strong>r zeigt auf die Rüstung, "o<strong>de</strong>r Du<br />
502<br />
- das wohl! Streck' doch mal Deine Zunge heraus, und<br />
wir wer<strong>de</strong>n sicherlich eine große Ähnlichkeit zwischen<br />
ihm und Dir fin<strong>de</strong>n", stichelt Hesan<strong>de</strong>r zurück.<br />
Ingalf schaut etwas verwirrt an seinem nacktem Oberkörper<br />
herunter über <strong>de</strong>n er nur die offene Wollweste<br />
trägt. 'Okay, ich hab'n paar Muskeln aber das als Metall<br />
zu bezeichnen, ist doch etwas übertrieben und das<br />
bisschen Schmuck kann er doch nicht meinen, o<strong>de</strong>r?'<br />
<strong>de</strong>nkt er, aber da er <strong>de</strong>nn Geweihten eh für etwas komisch<br />
fin<strong>de</strong>t, schweigt er lieber und wartet darauf,<br />
dass <strong>de</strong>r Mann in <strong>de</strong>r Rüstung Hesan<strong>de</strong>r ein wenig<br />
aufmischt.<br />
'Jetzt geht das schon wie<strong>de</strong>r los!' stöhnt <strong>de</strong>r Magier innerlich<br />
auf. 'Langsam habe ich wirklich genug von<br />
diesen bei<strong>de</strong>n Streithähnen. Ich sollte mir wirklich<br />
ernsthafte Gedanken darüber machen, ob diese bei<strong>de</strong>n<br />
nach <strong>de</strong>m Verlassen <strong>de</strong>s Hortes wirklich noch die richtige<br />
Gesellschaft für mich ist.' grübelt Isinha. Das ewige<br />
Hin und Her <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n ist eigentlich nur ermü<strong>de</strong>nd<br />
und kontraproduktiv.<br />
Auch Edric tritt nun näher und mustert ehrfürchtig<br />
die Gestalt und schaut sich anschließend in <strong>de</strong>n<br />
Räumlichkeiten um.<br />
Um sich in <strong>de</strong>n hinter <strong>de</strong>r Gestalt liegen<strong>de</strong>n Räumlichkeiten<br />
umzuschauen, geht Edric an <strong>de</strong>r Gestalt<br />
vorbei.<br />
Ein akuter Anfall von Neugier lässt <strong>de</strong>n Draconiter<br />
alle Gefahr vergessen, so nähert er sich langsam <strong>de</strong>r<br />
Gestalt, um ihr ins Antlitz zu blicken.<br />
Die Gestalt mit <strong>de</strong>m Rücken zur Gangwand trägt an<br />
ihrer rechten, <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n abgewandten Seite ein<br />
großes Schwert. Sie scheint wirklich ganz aus Eisen<br />
zu sein. An vielen Stellen ist Rost zu sehen, insbeson<strong>de</strong>re<br />
an allen Ritzen und Spalten. Das Gesicht hinter<br />
<strong>de</strong>m geöffneten Visier ist lebensecht gestaltet.<br />
Auf <strong>de</strong>r Zunge gibt es Beson<strong>de</strong>rheit: Dort ist eine<br />
kreisrun<strong>de</strong>, drei Finger durchmessen<strong>de</strong> Vertiefung eingeprägt.<br />
Und in <strong>de</strong>r Vertiefung ist <strong>de</strong>r Abdruck eines<br />
lachen<strong>de</strong>n Fuchskopfes zu erkennen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r stutzt für einen Moment. 'Eine weitere<br />
Spielart <strong>de</strong>s Herrn Phex?', fragt er sich still.<br />
Dann holt er intuitiv das Fuchsamulett aus <strong>de</strong>r Tasche,<br />
das ihm Elgar vor Betreten <strong>de</strong>s Raumes mit <strong>de</strong>m<br />
Glasbo<strong>de</strong>n in die Hand gedrückt und bislang nicht<br />
wie<strong>de</strong>r zurückgefor<strong>de</strong>rt hat. Sollte das Amulett am<br />
En<strong>de</strong> in die Öffnung <strong>de</strong>r Zunge passen?<br />
Das Amulett ist ja eine Fuchspfote. In die Vertiefung<br />
könnte eine Münze passen, wenn sie <strong>de</strong>nn die richtige<br />
Prägung hat.<br />
"Sagt einmal, besitzt jemand von Euch eine ungefähr<br />
drei Finger durchmessen<strong>de</strong> Münze mit einem Fuchskopf<br />
als Prägung? Es sieht so aus, als wür<strong>de</strong> eine solche<br />
Münze hier reinpassen. Fragt sich nur, ob dieses
Ding hier uns am vorbeiziehen hin<strong>de</strong>rn will o<strong>de</strong>r auf<br />
<strong>de</strong>m Rückweg."<br />
Am Vorbeiziehen will die Gestalt wohl nieman<strong>de</strong>n<br />
hin<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>nn Edric und Ingalf haben sie schon passiert.<br />
"Nicht, dass ich wüsste …" erwi<strong>de</strong>rt Isinha und kramt<br />
auffällig <strong>de</strong>sinteressiert in seinen Taschen, als ob er genau<br />
wüsste, was sich darin befin<strong>de</strong>t und nur Hesan<strong>de</strong>r<br />
einen Gefallen tun möchte, gleichwohl nachzusehen.<br />
Der kurze Gang mit <strong>de</strong>m Eisenmann öffnet sich in<br />
einen genau so großen Raum wie <strong>de</strong>n vorigen. Am gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />
En<strong>de</strong> liegen vor <strong>de</strong>m Ausgang eine<br />
echsenhafte, riesige Gestalt, daneben zwei etwas kleinere.<br />
'Was die nur an <strong>de</strong>r Statue fin<strong>de</strong>n?' fragt sich Edric,<br />
bleibt am Eingang stehen und schaut sich in <strong>de</strong>m<br />
Raum um. Sein Blick bleibt auf <strong>de</strong>n drei echsenhaften<br />
Kreaturen hängen. Seine Finger nesteln unbewusst an<br />
<strong>de</strong>r Schleu<strong>de</strong>r.<br />
'Ob sie leben?' fragt er sich, <strong>de</strong>nn allem Anschein nach<br />
kommen hier kaum Beutetiere hin. Und durch die<br />
Türe können die Kreaturen schließlich auch nicht<br />
hinaus. Ihm ist aber auch aufgefallen, dass hier nirgends<br />
viel Staub liegt …<br />
Ingalf hat erst Hesan<strong>de</strong>r zugesehen, schließt sich jetzt<br />
aber seinem Freund an und folgt Edric in <strong>de</strong>n Raum.<br />
Die drei echsenhaften Wesen sind offensichtlich nicht<br />
tot. Das größte reißt das Maul auf und setzt sich in<br />
Richtung Edric und Ingalf in Bewegung.<br />
"Bei allen stinken<strong>de</strong>n Seeschlangen! Das ist, wenn ich<br />
mich nicht täuschen ein Ta… Ta… Tatzelwurm, o<strong>de</strong>r<br />
genauer <strong>de</strong>ssen drei, das wohl!" Ingalf ist entsetzt.<br />
"Komm, Edric, zurück!"<br />
"Ein was?" fragt Edric und schaut immer noch wie gebannt<br />
auf die fremdartige Kreatur.<br />
Die nimmt langsam Fahrt auf, direkt auf Ingalf und<br />
Edric zu.<br />
"Na, ein Tatzelwurm o<strong>de</strong>r besser gesagt drei, das<br />
wohl!"<br />
Langsam dämmert Edric, was sich ihm da nährt und<br />
er folgt Ingalf eilig.<br />
Als sie Ingalfs Ausruf hört, wen<strong>de</strong>t sich Rovena abrupt<br />
von <strong>de</strong>m Eisenmann ab und starrt zu <strong>de</strong>m Eingang, in<br />
<strong>de</strong>m nun Edric und Ingalf wie<strong>de</strong>r auftauchen. "Nein!"<br />
entfährt es ihr vor Schreck. "Gleich drei?"<br />
"Genau", bestätigt Edric. "Einen großen und zwei<br />
kleine."<br />
Etwas irritiert sieht <strong>de</strong>r Magier die bei<strong>de</strong>n an. "Drei<br />
Tatzelwürmer? So so. Das ist nicht gut. Gar nicht<br />
gut." murmelt Isinha vor sich hin und zieht sich ebenfalls<br />
zurück. Seinen Stab hält er abwehrbereit.<br />
503<br />
Hesan<strong>de</strong>r wird hellhörig ob <strong>de</strong>r Reaktion von Ingalf<br />
und Edric und fragt die bei<strong>de</strong>n, als sie ihm wohl entgegenkommen:<br />
"Sagt mal, habt Ihr einen Drachen gesehen,<br />
o<strong>de</strong>r was?"<br />
"Nicht einen Drachen, drei Tatzelwürmer, das wohl!"<br />
"Guter Scherz, das wohl, Ingalf", entgegnet Hesan<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r sich noch zu gut an Ingalfs Humor erinnern kann.<br />
"Aye, los zurück in <strong>de</strong>n Raum, da können die drei<br />
nich' rein, das wohl!" ruft Ingalf während er sich rückwärts<br />
an <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren vorbei zurück in <strong>de</strong>n Kugelraum<br />
begibt.<br />
Edric folgt Ingalf, während er überlegt, ob seine<br />
Schleu<strong>de</strong>r eine wirkungsvolle Waffe gegen die Tatzelwürmer<br />
sein könnte.<br />
Der Galopp <strong>de</strong>s schweren (vermutlichen) Tatzelwurms<br />
donnert in <strong>de</strong>n Ohren <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>n. So rasch,<br />
wie das Untier an Tempo gewonnen hat stoppt es aber<br />
wie<strong>de</strong>r ab, als es beim Gang ankommt. Mit einem metallischen<br />
*Klack* schließt es das weit aufgerissene<br />
Gebiss.<br />
Als <strong>de</strong>r Tatzelwurm heran donnert, zieht Edric unwillkürlich<br />
<strong>de</strong>n Kopf zwischen die Schultern. Ein eisiger<br />
Schauer, kriecht ihm über <strong>de</strong>n Rücken, als sich das<br />
Maul mit mit <strong>de</strong>m metallischen Geräusch schließt.<br />
"Aua!" meint Ingalf als er das Schnappen hört. "Das<br />
klingt nach ziemlich guten Zähnen, das wohl! Aber<br />
auch nach Blech …" Er schaut sich aus <strong>de</strong>m sicheren<br />
Gang <strong>de</strong>n Tatzelwurm genauer an.<br />
Der Tatzelwurm ist ganz aus Metall, soweit Ingalf das<br />
erkennt. Genau, wie <strong>de</strong>r Eisenmann. Im Gegensatz<br />
zu <strong>de</strong>m Eisenmann sind die Tatzelwürmer aber beweglich.<br />
"Untiere aus Metall?" murmelt Rovena verwun<strong>de</strong>rt<br />
und schaut das am Zugang ausharren<strong>de</strong> Untier mit einer<br />
Mischung aus Vorsicht und Neugier an, bevor ihr<br />
Blick wie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>m Eisenmann wan<strong>de</strong>rt. "Wenn wir<br />
etwas passen<strong>de</strong>s für diesen Eisenmann fin<strong>de</strong>n könnten,<br />
vielleicht fallen die Tatzelwürmer dann auch in<br />
eine Starre?"<br />
"O<strong>de</strong>r er wird mit ihnen kämpfen", mutmaßt Edric.<br />
"Besser er als wir, das wohl!" stimmt ihm Ingalf zu.<br />
"Nur wie kriegen wir ihn dazu?" 'Aber unserer großer<br />
kluger Pfaffe wird dieses Rätsel ja sicherlich für uns<br />
alle lösen!' <strong>de</strong>nkt er und beobachtet weiter Hesan<strong>de</strong>rs<br />
Untersuchungen.<br />
"Ich halte diese Vermutung nicht für allzu fern liegend."<br />
kommentiert Isinha <strong>de</strong>n Einwand <strong>de</strong>s Hirten.<br />
"Aber da wir kein passen<strong>de</strong>s Stück dabei haben, wird<br />
<strong>de</strong>r Eisenmann auch nicht für uns 'tanzen'. Es sei<br />
<strong>de</strong>nn, wir fin<strong>de</strong>n noch etwas Passen<strong>de</strong>s. Zum Beispiel<br />
dort, wohin <strong>de</strong>r Gang führt, <strong>de</strong>n ihr ja alle nicht nehmen<br />
wolltet." ergänzt <strong>de</strong>r Magier mit einer Spur beleidigten<br />
Untertons in <strong>de</strong>r Stimme. Von <strong>de</strong>m offenbar
mechanischen Monster lässt er sich hingegen gar nicht<br />
beeindrucken. Schließlich steht er an einer - noch - sicheren<br />
Stelle. 'Eins zur Zeit. ist ein guter Wahlspruch.'<br />
erinnert er sich an die stete Auffor<strong>de</strong>rung, sich nur mit<br />
<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> vordringlichsten Problemen zu befassen.<br />
"Dann lass uns <strong>de</strong>n Gang weiter gehen", meint Rovena<br />
entschlossen. "Ungeheuern aus Metall kann ich<br />
nichts entgegenhalten."<br />
"Gleich, ich will mir erstmal in Ruhe <strong>de</strong>n Raum mit<br />
<strong>de</strong>m Feuer ansehen, vielleicht haben wir was nicht gesehen,<br />
das wohl!" Ingalf geht zum an<strong>de</strong>ren Ausgang<br />
<strong>de</strong>s Raumes und schaut sich um.<br />
"Da hat er Recht", stimmt Hesan<strong>de</strong>r zu und schließt<br />
sich <strong>de</strong>m Thorwaler an.<br />
Hinter <strong>de</strong>m Gang, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r genau so lang und breit wie<br />
zum <strong>de</strong>r Tatzelwurmraum ist, befin<strong>de</strong>t sich wie<strong>de</strong>r ein<br />
großer, langgestreckter Raum von normaler Höhe.<br />
Etwa dreiviertel <strong>de</strong>s Raumes wird von einer Grube<br />
eingenommen, in <strong>de</strong>r Flammen lo<strong>de</strong>rn. Heiße Flammen.<br />
Auf <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Seite befin<strong>de</strong>t ein<br />
breiter Sims. Dort ist ein offener Durchgang Richtung<br />
"Gut gemacht", lobt Edric und schaut auf die Karte.<br />
"Swafnir scheint es gut mit Dir zu meinen, Ingalf",<br />
lobt auch Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Thorwaler. "Doch wohin<br />
wen<strong>de</strong>n wir uns nun?"<br />
"Ich habe Swafnir und Phex geopfert, dafür habe ich<br />
bei <strong>de</strong>nen einen gut, das wohl!" fasst Ingalf die pragmatischen<br />
Glaubensvorstellungen <strong>de</strong>r Thorwaler zusammen.<br />
"Und wenn hier ein großer Schatz sein soll,<br />
dann wür<strong>de</strong> ich ihn in die größte Höhle packen, das<br />
wäre die hier" - er weist auf <strong>de</strong>n ovalen Raum links -<br />
"und wür<strong>de</strong> sie gut bewachen, das sind wohl unsere<br />
Blechfreun<strong>de</strong> da. Und das heißt, entwe<strong>de</strong>r schlagen wir<br />
uns an <strong>de</strong>n Viechern die Zähne aus o<strong>de</strong>r wir suchen in<br />
<strong>de</strong>n Räumen rechts von hier nach Hilfe, das wohl!"<br />
504<br />
Osten und eine Tür auf <strong>de</strong>r linken Seite zu sehen. Auf<br />
<strong>de</strong>m Sims sitzen regungslos 12 halbmenschengroße<br />
Figuren mit <strong>de</strong>m Rücken zu <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n. Die hochstehen<strong>de</strong>n<br />
Ohren erinnern an Füchse.<br />
"Na, die Viecher lassen sich <strong>de</strong>n Pelz wärmen, das<br />
wohl!" sagt Ingalf zu <strong>de</strong>m Geweihten. "Aber um hier<br />
durch zu kommen, müssen wir wohl fliegen können<br />
…"<br />
Dann fällt ihm auf einmal die Kette <strong>de</strong>r Räume ein,<br />
drei große Räume getrennt durch schmale Gänge …<br />
da war doch was. Er nimmt seine Seesack und geht<br />
zurück in <strong>de</strong>n Gang durch <strong>de</strong>n sie gekommen waren,<br />
dort breitet er die Karte aus und beginnt zu malen<br />
und vor sich hin zu murmeln. "Erst nach Nor<strong>de</strong>n …<br />
dann Backbord … ja, dann da … um die Ecke …<br />
hmm, hmm <strong>de</strong>r durchsichtige Bo<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Gang<br />
… bei Swafnir, das ist es, das wohl!"<br />
Er hält <strong>de</strong>n Gefährten die Karte hin und <strong>de</strong>utet freu<strong>de</strong>strahlend<br />
auf die Stelle (X): "Wir sind hier! Die<br />
Karte war falsch rum und es fehlten ein paar Gänge,<br />
aber jetzt sind wir wie<strong>de</strong>r auf Kurs, das wohl!"<br />
"Das be<strong>de</strong>utet, wir müssen über das Feuer?" fragt Rovena<br />
und verspürt plötzlich ein großes Unbehagen<br />
beim Anblick <strong>de</strong>r brennen<strong>de</strong>n Lohe.<br />
Beim Anblick <strong>de</strong>r Flammen und <strong>de</strong>n ratlosen Gesichtern<br />
<strong>de</strong>r Gefährten räuspert sich <strong>de</strong>r Magier leicht.<br />
"Ähm, also, äh … Es gibt da einen Zauber - ich beherrsche<br />
ihn nicht gut, aber immerhin - mit <strong>de</strong>m sich<br />
die Umgebungstemperatur o<strong>de</strong>r die Temperatur von<br />
Objekten verän<strong>de</strong>rn lässt. In bei<strong>de</strong> Richtungen …" er<br />
lässt <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>s Satzes unausgesprochen und starrt<br />
wie hypnotisiert in die Flammen.<br />
"Quatsch, wir machen mal das, was Isinha wollte, wir<br />
gehen <strong>de</strong>n Gang in die an<strong>de</strong>re Richtung, das wohl!"<br />
antwortet er beruhigend <strong>de</strong>r Hexe.<br />
"Über's Feuer wollen wir doch alle nich'!"
Das reißt <strong>de</strong>n Magier aus seiner Grübelei. 'Machen,<br />
was ich wollte?' fragt er sich mit gerunzelter Stirn.<br />
'Die Hitze lässt sie wohl zur Vernunft kommen …?'<br />
Ein stummes Nicken ist die ganze Bestätigung Isinhas.<br />
"Aber dann wissen wir immer noch nicht, ob diese<br />
Wesen dort …", Rovena spricht leise und <strong>de</strong>utet auf<br />
die zwölf Figuren mit <strong>de</strong>n Fuchsohren, "… uns auch<br />
wohlgesonnen sind."<br />
"Ach, wissen wir nicht?" staunt Isinha. "Wie wahrscheinlich<br />
ist es wohl, dass ein Dutzend Figuren uns<br />
wohlgesonnen sind, wo hier bislang lediglich einzelne<br />
Statuen nicht bösartig gewesen sind?" stellt er die rhetorische<br />
Frage. "Natürlich sind die uns nicht wohlgesonnen!"<br />
Er schüttelt <strong>de</strong>n Kopf. "Da bin ich mir ganz<br />
sicher." fügt <strong>de</strong>r Magier noch schnell hinzu.<br />
Rovena zieht die Augenbrauen hoch. Etwas an<strong>de</strong>res<br />
hätte auch sie nicht vermutet …<br />
"Bei <strong>de</strong>n Zwergen ist immerhin eine so genannte Feuertaufe<br />
überliefert. Damit überschreiten die Zwerge<br />
die Schwelle von <strong>de</strong>r Kindheit zum Erwachsensein."<br />
Hesan<strong>de</strong>r grübelt eine Weile.<br />
"Wir können uns auch <strong>de</strong>r Aufgabe stellen, die Rondra<br />
uns gibt." durchbricht <strong>de</strong>r Aranier sein langes Schweigen.<br />
"Du hast wohl Schwämme gefrühstückt!" Ingalf<br />
schaut <strong>de</strong>n Aranier entsetzt an. "Wir haben mit <strong>de</strong>n<br />
Kugelköppen schon genug Probleme gehabt und dann<br />
sollen wir gegen drei Tatzelwürmer ankommen? Nee,<br />
das Ding hier hat Phex gebaut nicht Rondra, es muss<br />
ein besseren Weg geben, das wohl! Schließlich will ich<br />
hier mit Hesan<strong>de</strong>rs Anteil am Schatz raus und mir<br />
'nen schönen Lebensabend machen, das wohl!"<br />
"Langsam klingst du wie<strong>de</strong>r recht vernünftig. Nicht<br />
nach meinen, aber zumin<strong>de</strong>st nach <strong>de</strong>inen Maßstäben."<br />
Der Magier kann schon wie<strong>de</strong>r grinsen. "Und<br />
<strong>de</strong>inen Verstand hast du offenbar auch wie<strong>de</strong>r beisammen."<br />
fügt Isinha hinzu, während er <strong>de</strong>n Plan betrachtet,<br />
<strong>de</strong>n Ingalf nun ergänzt hat.<br />
"Wir können doch auch versuchen, über <strong>de</strong>n Gang,<br />
<strong>de</strong>n wir hierher genommen haben, in die Nähe <strong>de</strong>r<br />
großen Kammer zu kommen." schlägt <strong>de</strong>r Magier vor.<br />
Er zeigt auf <strong>de</strong>n Bereich, bei <strong>de</strong>m er sich ohnehin gewun<strong>de</strong>rt<br />
hatte, dass <strong>de</strong>r Gang offenbar unter an<strong>de</strong>ren<br />
Kammern hindurch geführt wor<strong>de</strong>n ist. "Wir machen<br />
hier ein Loch in die Decke," - er zeigt auf <strong>de</strong>n Plan -<br />
"steigen hinauf und müssen nur noch einmal links<br />
und einmal rechts abbiegen."<br />
"Ja klar, ich hol' mal eben die Spitzhacken und <strong>de</strong>n<br />
Zwergentrupp …" antwortet Ingalf ironisch.<br />
"Quatschkopp!" passt sich <strong>de</strong>r Magier Ingalfs Ausdrucksweise<br />
an. "Wir <strong>de</strong>sintegrieren die Decke samt<br />
schmalem Gang einfach - o<strong>de</strong>r einfacher: wir machen<br />
uns unseren eigenen Gang."<br />
505<br />
"Selbst wenn es funktioniert, warum ist <strong>de</strong>r Gang so<br />
schmal gezeichnet? Und das liegt nicht an mir, das<br />
wohl!"<br />
Dann schaut er sich die Zeichnung an und meint:<br />
"Warum gehen wir nicht zurück in <strong>de</strong>n Raum vor <strong>de</strong>m<br />
durchsichtigen Bo<strong>de</strong>n und machen da dann ein Loch<br />
in die Wand, dann sind wir direkt vor <strong>de</strong>r Kammer?"<br />
"Das geht natürlich auch." überlegt Isinha laut. "Ist<br />
wahrscheinlich sicherer, als hier noch die eine o<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>re Falle zu riskieren."<br />
"Wie konnte ich es nur vergessen, <strong>de</strong>r hochverehrte<br />
Herr Magister, hat ja <strong>de</strong>n Wumms in <strong>de</strong>n Fingern!"<br />
meint Ingalf grinsend.<br />
"Das schon, allerdings nur ein Mal. Dann könnt ihr<br />
mich für <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Woche herumtragen." antwortet<br />
Isinha ebenfalls grinsend.<br />
"Quatsch, wir lassen Dich liegen und teilen Deinen<br />
Anteil auf, das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Mit <strong>de</strong>m, was ich aus <strong>de</strong>m Schatz begehren wür<strong>de</strong>,<br />
kannst du ohnehin nichts anfangen. Außer<strong>de</strong>m bin<br />
ich gespannt zu sehen, wie du ohne mich hier heraus<br />
kommen willst, wenn wie<strong>de</strong>r eine Wand im Weg steht.<br />
Wahrscheinlich mit <strong>de</strong>m Kopf voran …" sistiert <strong>de</strong>r<br />
Magier.<br />
"Aye, wenn das <strong>de</strong>r einzige Weg ist, dann isses <strong>de</strong>r, das<br />
wohl!"<br />
"Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand eine Hort<br />
von Schätzen anlegt, diese gut bewacht und dann<br />
nicht irgendwelche Maßnahmen ergriffen hat, dass er<br />
auch wie<strong>de</strong>r an seinen Schatz heran kann. Wir sollten<br />
uns tatsächlich erst einmal weiter umsehen. Vielleicht<br />
fin<strong>de</strong>n wir etwas aufschlussreiches o<strong>de</strong>r nützliches,<br />
um an <strong>de</strong>n Blechdosen vorbeizukommen." teilt Hesan<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren das Ergebnis seiner Überlegungen<br />
mit.<br />
Die Hexe schaut ihre Gefährten, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>n sie in<br />
diesen Gängen anführen<strong>de</strong>n Thorwaler an. "Wohin<br />
jetzt?"<br />
Ingalf antwortet nicht mehr auf ihre Frage, da er bereits<br />
losgegangen ist.<br />
"Hast doch unseren Seebären gehört. Wir nehmen <strong>de</strong>n<br />
Gang" - das Wort betont <strong>de</strong>r Magier beson<strong>de</strong>rs - "und<br />
gehen weiter. Der Karte zufolge müssen wir uns dann<br />
links halten. Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich<br />
das wohl mal erwähnt. Ist auch noch gar nicht so lange<br />
her …"<br />
Isinhas Stimme hat einen leicht selbstgefälligen Ton<br />
angenommen.<br />
Ingalf hat jetzt genug diskutiert und macht sich jetzt<br />
auf <strong>de</strong>n Weg nach Osten zu gehen.<br />
Ohne Worte nickt die junge Frau nur und folgt <strong>de</strong>m<br />
weitergehen<strong>de</strong>n Ingalf. Wenn man sich untereinan<strong>de</strong>r<br />
einig wäre, wo es langgehen soll, hätte man sich <strong>de</strong>n
kraftrauben<strong>de</strong>n Kampf mit <strong>de</strong>n gesichtslosen Kugeln<br />
ersparen können, <strong>de</strong>nkt sie sich dabei …<br />
Der Gang nach Osten knickt genau da nach Sü<strong>de</strong>n<br />
ab, wo drinnen durch Feuerschein die Tür in <strong>de</strong>r<br />
Nordwand zu sehen war. Und tatsächlich en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r<br />
Gang vor einer Tür.<br />
Der brennen<strong>de</strong> Schacht und die eisernen<br />
Füchse<br />
"Also gut." beginnt Isinha. "Wenn wir hier weiter wollen,<br />
müssen wir wohl o<strong>de</strong>r übel durch diese Tür." Im<br />
Schein seiner Fackel betrachtet er die Tür genauer.<br />
Diese Tür sieht genauso aus wie die Tür zum Raum<br />
<strong>de</strong>r Mondgesichter.<br />
"Dann red' nich', mach' auf!" drängelt Ingalf.<br />
"Dann wollen wir mal …" meint Isinha leise zu sich<br />
selbst und öffnet die Tür zunächst nur zwei handbreit,<br />
um hindurch zu sehen.<br />
Die Tür öffnet sich in <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>r Flammengrube.<br />
Hinter <strong>de</strong>r Tür die die Plattform mit <strong>de</strong>n<br />
Fuchsstatuen.<br />
Bevor jemand - Isinha <strong>de</strong>nkt da wohl eigentlich nur<br />
an Hesan<strong>de</strong>r - auf dumme I<strong>de</strong>en kommt, schließt er<br />
die Tür wie<strong>de</strong>r. "Äh. Da ist genau das dahinter, was<br />
wir aus <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Raum gesehen haben. Und da<br />
sind diese Fuchsstatuen." informiert er die an<strong>de</strong>ren.<br />
"Gut, haste fein gemacht", meint Ingalf, "aber das wissen<br />
wir doch schon. Meinste die Füchse erkälten sich,<br />
wenn Du mit <strong>de</strong>r Tür we<strong>de</strong>lst?"<br />
"Ich wollte gera<strong>de</strong> etwas vorschlagen. Aber du bringst<br />
mich auf eine neue I<strong>de</strong>e: Du gehst mit Hesan<strong>de</strong>r und<br />
Melachath hinein, und ich schließe die Tür wie<strong>de</strong>r<br />
hinter euch. Dann können die Füchse euch nicht entkommen<br />
und ihr habt genügend Zeit, sie in die Feuergrube<br />
zu treiben." Die Stimme <strong>de</strong>s Magiers lässt keinen<br />
Zweifel daran, was er von einer erneuten kämpferischen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung hält.<br />
"Aye, gute I<strong>de</strong>e, das wohl!" meint Ingalf und drängt<br />
<strong>de</strong>n Magier von <strong>de</strong>r Tür weg.<br />
"Warum nehmt ihr an, die Statuen bekämpfen zu<br />
müssen?" fragt Edric. Bisher nahmen alle an, dieser<br />
Ort wäre zur Ehre Phex' geschaffen wor<strong>de</strong>n - so verböte<br />
sich doch ein Gegner in Fuchsgestalt von selbst.<br />
"Erinnert mich beizeiten daran, einen kurzen Exkurs<br />
über Thorwaler und ihr Verständnis von Ironie und<br />
Sarkasmus in meinem Buch zu machen", kommentiert<br />
Hesan<strong>de</strong>r Elgars Vorschlag.<br />
Dann setzt er ein Stoßgebet zu Phex an: "Oh Herr<br />
Phex, <strong>de</strong>ssen Geist und Macht diesen Ort beseelt.<br />
Schaue auf uns herab mit Deinen wachen und listigen<br />
Augen und führe uns <strong>de</strong>n rechten Weg. Ich bin sicher,<br />
meine Gefährten wer<strong>de</strong>n sich entsprechend erkenntlich<br />
zeigen."<br />
506<br />
'Ja, ja. Nur kein eigenes Geld in die Hand nehmen,<br />
was?!' <strong>de</strong>nkt sich <strong>de</strong>r Magier bei dieser Litanei.<br />
"Lasst <strong>de</strong>n Diener <strong>de</strong>r Allwissen<strong>de</strong>n hier und ein Gebet<br />
zu Phex für uns sprechen, während <strong>de</strong>r donnergewaltige<br />
Gischtreiter, die Schöne <strong>de</strong>r Nacht und ich<br />
<strong>de</strong>n Gang erkun<strong>de</strong>n." Fester umfasst <strong>de</strong>r Aranier seine<br />
Waffe.<br />
"An <strong>de</strong>n eisernen Tatzelwürmern kommen wir bestimmt<br />
nicht leichter vorbei", meint Rovena zu Melachaths<br />
Vorschlag. "Es bleibt uns nur <strong>de</strong>r Weg an <strong>de</strong>r<br />
Flammengrube und <strong>de</strong>n Füchsen entlang … um zu<br />
<strong>de</strong>m Durchgang zu kommen", stellt sie fest und ihre<br />
Stimme klingt belegt.<br />
"Aye, das meint er doch, <strong>de</strong>n Gang an <strong>de</strong>n Füchsen<br />
vorbei, das wohl!" antwortet Ingalf, <strong>de</strong>r immer noch<br />
die Hand an <strong>de</strong>r Tür hat. "Und da <strong>de</strong>r Weg von nebenan<br />
frei aussah, wür<strong>de</strong> ich sagen. Volle Fahrt voraus<br />
und an <strong>de</strong>n Füchsen vorbei gesegelt, das wohl!<br />
Schließlich sind wir doch wagemutig!"<br />
Er nimmt seinen Seesack fest an <strong>de</strong>n Körper, zieht die<br />
Tür auf und will <strong>de</strong>n Raum so schnell es geht durchqueren.<br />
Melachath folgt ohne weitere Worte.<br />
Rovenas Blick ruht kurz auf Elgar, dann atmet sie tief<br />
durch und eilt <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n vorangehen<strong>de</strong>n Gefährten<br />
nach. "Wagemutig … tollkühn … leichtsinnig …",<br />
murmelt sie dabei vor sich hin.<br />
Als Ingalf <strong>de</strong>n Fuß auf <strong>de</strong>n Sims setzt, wer<strong>de</strong>n die<br />
Füchse lebendig. Sie drehen sich zu Ingalf. Die hinteren<br />
rücken vor, um <strong>de</strong>n Durchgang zu versperren, <strong>de</strong>r<br />
vor<strong>de</strong>rste reißt das Maul auf, um Ingalf zu beißen.<br />
'Es sind Phexens Füchse und er hat sich bei Dir bedankt,<br />
also wer<strong>de</strong>n sie Dir nix tun, das wohl!' schießt<br />
es Ingalf durch <strong>de</strong>n Kopf und er rennt so schnell es<br />
geht auf <strong>de</strong>n 4 Schritte entfernten Durchgang zu.<br />
Der erste Fuchs beißt zu, als Ingalf an ihm vorbei rennen<br />
will, und erwischt ihn am Bein. Stählerne Kiefer<br />
greifen ihn und eiserne Zähne dringen tief in sein<br />
Fleisch ein. Dadurch wird Ingalfs Bewegung gebremst.<br />
Zwei weitere Füchse haben sich hinter <strong>de</strong>n<br />
ersten Fuchs bewegt. Da ist kein einfaches Durchkommen.<br />
Als <strong>de</strong>r Magier - <strong>de</strong>r noch immer in <strong>de</strong>r geöffnete Tür<br />
steht und seine Drohung bislang nicht wahr gemacht<br />
hat - sieht, dass die Füchse sich auch gegen sie wen<strong>de</strong>n,<br />
ruft er: "Freund Ingalf, komm zurück. Ich wer<strong>de</strong><br />
auch nicht darauf herumreiten, dass ich schon wie<strong>de</strong>r<br />
Recht hatte …!" Dabei hält er die Tür offen, um <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Rückzug zu ermöglichen.<br />
Fieberhaft überlegt Isinha, wie sie mit dieser Übermacht<br />
fertig wer<strong>de</strong>n könnten. 'Hindurch laufen ist mit<br />
Sicherheit nicht die Lösung. Dazu ist viel zu wenig<br />
Platz neben <strong>de</strong>r Feuergrube und <strong>de</strong>n Füchsen … Die<br />
Feuergrube! Das ist es!' - "Los! Stürmt alle mit vor!"
kommandiert <strong>de</strong>r Magier nun. "Da ist zu wenig Platz<br />
für uns alle und diese Füchse."<br />
'Na warte, Phex, so haben wir nicht gewettet!' flucht<br />
Ingalf innerlich, dann versucht er sich die Füchse<br />
durch geschicktes Ausweichen vom Leibe zu halten<br />
und weite in <strong>de</strong>n Durchgang zu gelangen.<br />
Ausweichen geht, aber nur durch zur Seite und Zurückspringen.<br />
Es ist kein Durchkommen. Die Füchse<br />
stehen zu dicht.<br />
Fluchend weicht Ingalf in Richtung Tür zurück.<br />
Melachath steht einen Schritt hinter Ingalf, die Waffe<br />
bereit. Als sich eine Möglichkeit ergibt, versucht er am<br />
Thorwaler vorbei die stählernen Füchse zu treffen.<br />
Volltreffer! *Bäng* Melachath erwischt genau das Gelenk<br />
eines Fuchses. Als er sein Waqqif zurückzieht,<br />
hat es eine Scharte. Nur durch einen Sprung nach<br />
hinten vermag Melachath sich <strong>de</strong>r Gegenattacke <strong>de</strong>s<br />
Eisenfuchses zu entziehen. Fast stürzt er dabei ins<br />
Feuer.<br />
Der Aranier weicht nun mit <strong>de</strong>m Thorwaler zurück.<br />
Hesan<strong>de</strong>r betrachtet die Situation und ist sichtlich erstaunt.<br />
'Wir sind in einer Art von Phex gesegneten<br />
Stätte. Wieso versucht er uns dann zu töten?' Dann<br />
besinnt er sich <strong>de</strong>r weiteren Eigenschaften <strong>de</strong>s Phex.<br />
'List!', fährt es ihm durch <strong>de</strong>n Kopf.<br />
"Kommt zurück, Melachath und Ingalf - so kommen<br />
wir nicht weiter", ruft er <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n zu.<br />
Als die bei<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r durch die Tür sind, erstarren die<br />
Füchse wie<strong>de</strong>r.<br />
Ingalf ist immer noch am fluchen als er wie<strong>de</strong>r im<br />
Raum steht: "Habt ihr das gesehen? Dieses verdammte<br />
Vieh hat mich ins Bein gebissen! Ha, wo ist <strong>de</strong>nn da<br />
<strong>de</strong>r Verlass auf die Götter! 'Danke!'! HA! Hätte ich das<br />
geahnt, das wohl!"<br />
'Wie konnten sie nur so waghalsig sein' fragt sich Edric,<br />
<strong>de</strong>r nun erstmals die Gelegenheit bekommt, sich<br />
die 'Füchse' näher anzusehen.<br />
Ingalf setzt sich <strong>de</strong>rweil auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n und krempelt<br />
sein Hosenbein hoch. "Rovena, ich glaube, ich brauche<br />
schon wie<strong>de</strong>r Deine Hilfe!"<br />
Mit einem stummen Nicken lässt sich die Hexe bei<br />
Ingalf nie<strong>de</strong>r und untersucht mit leichten Fingern die<br />
durch das stählerne Gebiss gerissene Verletzung am<br />
Bein <strong>de</strong>s Thorwalers. Ihre Hän<strong>de</strong> zittern, als sie aus<br />
ihrem Tuchbeutel <strong>de</strong>n Tiegel mit <strong>de</strong>r Wirselkrautsalbe<br />
holt und sanft auf <strong>de</strong>r hässlichen Wun<strong>de</strong> verstreicht.<br />
Abschließend verbin<strong>de</strong>t sie die behan<strong>de</strong>lte Stelle und<br />
schaut Ingalf an. 'Wer<strong>de</strong>n wir unser Ziel erreichen und<br />
hier je wie<strong>de</strong>r lebend herauskommen?' fragt sie sich<br />
zweifelnd, was sich in ihren smaragdgrünen Augen<br />
wi<strong>de</strong>rspiegelt. Doch sie drückt dies nicht in Worten<br />
aus.<br />
507<br />
"Danke!" sagt Ingalf als sie fertig ist. Dann hält er sie<br />
sanft am Arm fest und versucht ihren Zweifel mit einem<br />
leisen "Keine Angst, Mä<strong>de</strong>l, wir schaffen das!<br />
Phex hat sich doch bei mir bedankt, das wohl!" zu vertreiben.<br />
Als wie<strong>de</strong>r alle in Sicherheit sind, wen<strong>de</strong>t Hesan<strong>de</strong>r<br />
sich an Elgar. "Lassen wir einmal unsere persönlichen<br />
Differenzen beiseite und tun das, was wir bei<strong>de</strong> am<br />
Besten können. Logisch <strong>de</strong>nken", beginnt er.<br />
"Gut." Nickt <strong>de</strong>r Magier. "Lassen wir unsere Differenzen<br />
beiseite."<br />
"Falls wir an einem von Phex gesegneten Ort sind,<br />
kommen wir mit bloßer Muskelkraft o<strong>de</strong>r stählernen<br />
Waffen nicht weiter. Phex wir auch '<strong>de</strong>r Listige' genannt.<br />
Es wür<strong>de</strong> mich nicht wun<strong>de</strong>rn, wenn man <strong>de</strong>n<br />
Listigen mit seinen eigenen Waffen schlagen muss,<br />
um ans Ziel zu kommen. Die I<strong>de</strong>e von Edric mit <strong>de</strong>r<br />
Schleu<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>n Steinen bei <strong>de</strong>n Kugeln war im<br />
Grun<strong>de</strong> eine List von uns. Es stellt sich also die Frage,<br />
wie man die Füchse ohne eigenes Blutvergießen in die<br />
Grube schicken kann."<br />
"Eigentlich ist es eine 'List' von Edric gewesen." korrigiert<br />
Isinha <strong>de</strong>n Geweihten, bevor er sich wie<strong>de</strong>r seiner<br />
Zusage besinnt und keinen neuen Disput vom<br />
Zaun brechen will. "Wir könnten sie immer und immer<br />
wie<strong>de</strong>r mit Wasser übergießen, bis sie eingerostet<br />
sind." lautet <strong>de</strong>r erste Vorschlag. "Allerdings dürfte die<br />
temporale Komponente dieses Plans Komplikationen<br />
implizieren." Er kratzt sich nach<strong>de</strong>nklich am Kopf.<br />
"Vielleicht sollten wir ihnen uns als Ziel bieten."<br />
schlägt Isinha schließlich vor. "Wir zeigen uns von<br />
<strong>de</strong>m Durchgang aus und haben die Grube zwischen<br />
uns. Vornehmlich Ingalf, <strong>de</strong>n sie bereits gejagt haben,<br />
sollte ein vorzügliches Ziel abgeben."<br />
"Noch so'n Satz und Du machst 'n Satz, das wohl!"<br />
kommt es von <strong>de</strong>m am Bo<strong>de</strong>n sitzen<strong>de</strong>n Thorwaler.<br />
"Ruhig Blut, mein Freund. Die Feuergrube wäre zwischen<br />
Dir und <strong>de</strong>n Füchsen." beruhigt er <strong>de</strong>n aufgebrachten<br />
Thorwaler, <strong>de</strong>r sicher wegen seiner Flucht<br />
<strong>de</strong>m Plan <strong>de</strong>s Magiers nicht ganz folgen konnte.<br />
"Für so dumm halte ich diese Wesen wie<strong>de</strong>rum nicht.<br />
Sie wur<strong>de</strong>n ja auch erst aktiv, als Ingalf und Melachath<br />
<strong>de</strong>n Raum betreten haben", wi<strong>de</strong>rspricht Hesan<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>m Magier.<br />
"Die Grube dient ja wohl dazu, dass diese Metallwesen<br />
leichteres Spiel haben, eventuelle Eindringlinge<br />
loszuwer<strong>de</strong>n. Wieso nutzen wir das nicht auch zu unserem<br />
Vorteil. Gibt es eine Möglichkeit, sie zu Fall zu<br />
bringen? Wäre es möglich, ein Seil zu spannen o<strong>de</strong>r<br />
sie mittels eines Seils zum Straucheln zu bringen?"<br />
"Sicher, aber Ihr geht auf die an<strong>de</strong>res Seite zum Spannen<br />
<strong>de</strong>s Seils!" erwi<strong>de</strong>rt Isinha.<br />
"Und gab es nicht einen Zauber, <strong>de</strong>r angeblich Waffen<br />
zum Rosten bringen kann? Wür<strong>de</strong> das möglicherwei-
se bei <strong>de</strong>n Blechdosen auch etwas bringen?" <strong>de</strong>nkt<br />
Hesan<strong>de</strong>r weiter nach.<br />
"Tja, schon möglich. Das könnte durchaus etwas bringen."<br />
antwortet Isinha langsam. "Ich beherrsche diesen<br />
Zauber sogar. Allerdings reicht meine Kraft keinesfalls<br />
für alle Füchse aus. Wir brauchen also eine<br />
an<strong>de</strong>re I<strong>de</strong>e."<br />
Dann entsinnt er sich <strong>de</strong>s Wurfhakens. "Ingalf, Melachath",<br />
ruft er <strong>de</strong>n Kriegern zu, "hat einer von Euch<br />
noch das Seil mit <strong>de</strong>m Wurfhaken?"<br />
"Das wäre so eine I<strong>de</strong>e. Über die Feuergrube geworfen<br />
und dann gezogen … Bleibt nur das Problem, dass<br />
das Seil Feuer fangen könnte."<br />
"Nun, ich wollte das Seil nicht über die Grube werfen,<br />
son<strong>de</strong>rn die Blechdosen damit einfangen und hoffentlich<br />
zum Straucheln bringen, dass sie dort reinfallen."<br />
"Ich hab' nur 'ne Angelschnur!" antwortet Ingalf.<br />
"Hmmm, wie fest ist die <strong>de</strong>nn? Könnte man damit<br />
einen dieser Füchse von <strong>de</strong>n Beinen holen?" überlegt<br />
Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Für'ne Forelle reicht's aus, aber für'n Blechfuchs wohl<br />
kaum!" antwortet Ingalf.<br />
"Aber kann <strong>de</strong>nn nicht je<strong>de</strong>r Magier so'n Zaubertrick<br />
mit 'nem Seil?"<br />
"Ob ihn je<strong>de</strong>r Zauberer beherrscht, kann ich Dir nicht<br />
beantworten." erwi<strong>de</strong>rt Isinha. "Nach<strong>de</strong>m ich als kostbaren<br />
Besitz bei <strong>de</strong>n Grolmen mein Werk über die<br />
Magie <strong>de</strong>s Stabes zurücklassen musste, besitze ich nur<br />
noch Kenntnisse aus <strong>de</strong>r Erinnerung an das Ritual.<br />
Gute Kenntnisse zwar, aber das Ritual ausgeführt<br />
habe ich noch nicht. Dies dürfte mir hier auch nahezu<br />
nicht gelingen." resümiert <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Sag' doch einfach: 'Ich kann es nich'!" meint Ingalf<br />
über die langen, aber be<strong>de</strong>utungslosen Sätze <strong>de</strong>s Magiers<br />
lächelnd.<br />
"Das wäre ja falsch. Derartige Vereinfachungen eines<br />
komplexen Sachverhalts führen zu einer … Also für<br />
Dich: Ich kann es, nur nicht jetzt." zuckt Isinha<br />
schließlich resignierend mit <strong>de</strong>n Schultern. Diese bestehen<strong>de</strong><br />
Einfachheit <strong>de</strong>s Thorwalers ist beinahe ansteckend.<br />
Aber nur beinahe.<br />
"Klar ich kann auch an <strong>de</strong>n Füchsen vorbei kommen,<br />
nur nicht jetzt, das wohl!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
"Siehst Du, ist doch gar nicht so schwer!" grinst ihn<br />
<strong>de</strong>r Magier an.<br />
Ingalf grinst zurück.<br />
"Gut, wenn das alles nichts ist, brauchen wir einen an<strong>de</strong>ren<br />
Plan", sagt Hesan<strong>de</strong>r etwas enttäuscht. Etwas<br />
geistesabwesend holt er das Fuchsamulett heraus und<br />
fährt mit seinen Fingern darüber. 'Die müssen doch<br />
Freund von Feind voneinan<strong>de</strong>r unterschei<strong>de</strong>n können<br />
…' <strong>de</strong>nkt er sich. Dann hält er das Amulett vor sich<br />
508<br />
und geht schnurstracks wie<strong>de</strong>r durch die Tür zu <strong>de</strong>n<br />
Blechfüchsen.<br />
Er nähert sich bis zu <strong>de</strong>m Punkt, an <strong>de</strong>m sie sich auf<br />
ihn zu bewegen und solange das Amulett vor sich.<br />
Da die Füchse ihn angreifen, zieht er sich sofort wie<strong>de</strong>r<br />
zurück.<br />
"Nun gut", resümiert Hesan<strong>de</strong>r mit etwas Erleichterung,<br />
dass ihm nichts passiert ist, "das half also auch<br />
nichts. Alle mal mit nach<strong>de</strong>nken", for<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r<br />
die Gruppe auf.<br />
"Wie kriegen wir die Blechdosen in die Feuergrube,<br />
ohne dass wir selbst da unten lan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r tot gebissen<br />
wer<strong>de</strong>n? Diese Biester sind ja wohl offensichtlich eine<br />
Anspielung auf Phex. Also hilft uns nur eine List weiter."<br />
"Wie wir sie in die Feuergrube kriegen?" wie<strong>de</strong>rholt<br />
Ingalf langsam, dann fällt ihm etwas ein. "Na, ganz<br />
einfach, in <strong>de</strong>m wir sie vom Durchgang her rein treiben,<br />
das wohl!"<br />
"Du meinst, Du willst da nochmal rein, aber diesmal<br />
läufst Du nicht dran vorbei son<strong>de</strong>rn willst sie da rein<br />
drängen?" fragt Hesan<strong>de</strong>r nach.<br />
"Ja, ich will nochmal rein, aber Du hast mir nicht zugehört,<br />
das wohl!" antwortet Ingalf. "Ich will durch<br />
<strong>de</strong>n Durchgang rein!"<br />
Rovena starrt an Ingalf vorbei auf <strong>de</strong>n Feuerschein <strong>de</strong>r<br />
lo<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Flammen. "Und wenn ich versuche, hinüber<br />
zu fliegen … von hier aus, mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> eines<br />
Seils?" fragt sie leise, zögerlich. Das Feuer macht ihr<br />
Angst und sie spürt, dass ihr nicht mehr viel Kraft<br />
bleibt, wenn sie sich vor <strong>de</strong>n Flammen schützen<br />
müsste. "Wie wer<strong>de</strong>n die eisernen Füchse wohl reagieren,<br />
wenn einer von uns hinüber gelangt? O<strong>de</strong>r sich<br />
über ihnen am Rand <strong>de</strong>r Feuerlohe bewegt …" Sie<br />
bricht ab und schluckt, ihre Finger tasten nach <strong>de</strong>r<br />
Gürteltasche. Dort ist sie aufbewahrt, das Geschenk<br />
Garhelts, die erbsengroße karmesinrote Pille, ihr zweites<br />
Leben … Und sie muss an die Worte <strong>de</strong>r Hetfrau<br />
<strong>de</strong>nken … wie schwer es doch ist, Männer von unvernünftigen<br />
Handlungen abzuhalten, doch wo ist <strong>de</strong>r<br />
richtige Weg?<br />
"Warum wollt ihr mich alle nicht verstehen?" fragt <strong>de</strong>r<br />
Thorwaler. Er zieht das Pergament hervor. "Wir wollten<br />
durch <strong>de</strong>n Raum, um etwas zu fin<strong>de</strong>n, was uns bei<br />
<strong>de</strong>n Blechdrachen hilft, das wohl. Aber wir können<br />
doch noch <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Weg gehen. In<strong>de</strong>m wir einfach<br />
zurück gehen und durch <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>n Gehängten<br />
von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wie<strong>de</strong>r rauskommen. Und<br />
dann sind wir am breiten Durchgang und haben die<br />
Füchse direkt vor uns. Wer weiß, was wir alles fin<strong>de</strong>n,<br />
um sie ins Feuer zu stoßen. Und selbst, wenn wir nix<br />
fin<strong>de</strong>n, dann können wir durch <strong>de</strong>n Gang wie<strong>de</strong>r zurück.<br />
Puh!"
Nach <strong>de</strong>r langen Re<strong>de</strong> muss <strong>de</strong>r Thorwaler erstmal<br />
Luft holen. Der Magier und <strong>de</strong>r Geweihte meinen immer,<br />
dass sie die Schlausten sind, aber Karte lesen<br />
können die bei<strong>de</strong> nicht und sehen manchmal einfach<br />
nicht die leichte Lösung.<br />
"Ach, jetzt auf einmal schlagen wir doch noch einen<br />
an<strong>de</strong>ren Weg ein?" fragt <strong>de</strong>r Magier spitz. Dann schüttelt<br />
er <strong>de</strong>n Kopf. "Erst geht's auf blauen Dunst hin in<br />
irgend eine Richtung, dann muss es zwingend ein<br />
Kampf sein, dann noch einer. Schließlich gibt's ein<br />
klitzekleines Problemchen zu lösen, dass nicht mit einer<br />
großen Axt zu erledigen ist und schon 'ru<strong>de</strong>rn' wir<br />
zurück. Ist es nicht auch <strong>de</strong>nkbar, dass dieser Weg<br />
überhaupt nirgendwo hin führt, es uns also womöglich<br />
gar nicht weiter bringt, hier weiter vorzudringen?"<br />
fragt Isinha beim Blick auf die Karte, die Ingalf sinnigerweise<br />
immer nur dann herausholt, wenn er nicht<br />
weiter weiß. Aber diese Erwi<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>m Thorwaler<br />
unter die Nase zu reiben ist im Moment wohl weniger<br />
angebracht.<br />
"Aye, <strong>de</strong>n ersten Kampf haben wir gewollt, das wohl!"<br />
antwortet Ingalf. "Den zweiten wollten die Füchse, ich<br />
wollte nur vorbei! Und wenn Du Dir hier weiter <strong>de</strong>n<br />
Kopp einrennen willst, bitte. Ich sehe, dass es wohl<br />
noch 'nen an<strong>de</strong>ren Weg gibt, also wür<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>nn<br />
nutzten wollen. Aber vielleicht hat <strong>de</strong>r Herr Magier<br />
auch einfach nur Angst vor ein paar Toten, die inner<br />
Gegend rumrennen!"<br />
"Nein, vor Toten habe ich keine Angst. Aber …" Isinha<br />
lässt <strong>de</strong>n Satz unausgesprochen, als Edric sich mel<strong>de</strong>t.<br />
"Ich hätte da eine I<strong>de</strong>e", bemerkt Edric, während er<br />
einen run<strong>de</strong>n Kiesel aus <strong>de</strong>r Tasche zieht und hochhält.<br />
Er hofft, dass die bei<strong>de</strong>n Streithähne im zuhören.<br />
"Wenn wir <strong>de</strong>n Stahlfüchsen die Kiesel vor die Füße<br />
werfen könnten sie darauf ausrutschen." strahlt er<br />
über seine I<strong>de</strong>e. Er weiß aus eigener Erfahrung, wie<br />
rutschig die kleinen Kiesel auf <strong>de</strong>n Pflastersteinen um<br />
<strong>de</strong>n Dorfbrunnen herum waren. "Ich habe aber nur<br />
noch ein paar." fügt er noch hinzu.<br />
"Na also, helfen wir uns selbst, dann hilft uns auch<br />
Phex - so heißt es doch so schön", lobt Hesan<strong>de</strong>r die<br />
bei<strong>de</strong>n Pläne.<br />
"Ich schlage vor, wir probieren die Kiesel zuerst, <strong>de</strong>nn<br />
jetzt sind wir schon einmal hier. Wenn das nicht<br />
klappt, können wir immer noch Ingalfs Weg nehmen."<br />
"Dann machen wir es so, das wohl!" antwortet Ingalf,<br />
und an seinen Freund gewandt fügt er hinzu: "Sei<br />
bloß vorsichtig, die können ganz schön arg beißen!"<br />
Die Hoffnung, dass seine Gefährten noch ähnliche<br />
Dinge beisteuern, hat sich nicht erfüllt.<br />
Edric nimmt daher <strong>de</strong>n erbeuteten Spieß und legt ihn<br />
in die Türöffnung, damit er ihn gleich griffbereit hat.<br />
Dann nimmt Edric seine letzten Kiesel und betritt<br />
<strong>de</strong>n Raum. Jetzt muss es schnell gehen. In Gedanken<br />
509<br />
hat er sich die Reihenfolge <strong>de</strong>r nächsten Handlungen<br />
schon überlegt: Er wird in die Knie gehen und die<br />
Steine <strong>de</strong>m Fuchs vor die Füße rollen, <strong>de</strong>r ihm am<br />
nächsten ist. Danach seinen Spieß ergreifen und <strong>de</strong>n<br />
Fuchs mit einer Finte zu einem Ausweichmanöver bewegen,<br />
sobald <strong>de</strong>r die rutschigen Kiesel erreicht hat.<br />
Phex möge ihm gnädig sein und die Bestie stürzen<br />
lassen.<br />
Edrics Hoffnung erfüllt sich lei<strong>de</strong>r auch nicht. Er hat<br />
einfach viel zu wenig Steine bei sich. Als <strong>de</strong>r Fuchs<br />
einen Schritt auf Edric zu macht, tritt er auf keinen<br />
Kiesel. Vertan!<br />
Schnell zieht sich Edric zurück.<br />
Traurig über <strong>de</strong>n gescheiterten Versuch, kehrt Edric zu<br />
<strong>de</strong>n Andren zurück. Glücklicherweise wur<strong>de</strong> er nicht<br />
verletzt. Seine nun nutzlose Schleu<strong>de</strong>r verstaut er<br />
sorgsam.<br />
Hesan<strong>de</strong>r hat <strong>de</strong>n mutigen Hirten beobachtet - ebenso<br />
sein scheitern. "Vielleicht war das noch nicht <strong>de</strong>s Rätsels<br />
Lösung", <strong>de</strong>nkt er laut.<br />
"Da könnt Ihr ganz sicher sein." erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Sonst hätte er doch Erfolg gehabt, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Wir sollten Ingalfs Plan vorerst weiter verfolgen", fügt<br />
<strong>de</strong>r Geweihte hinzu.<br />
"Ich möchte doch noch mal zurück zu <strong>de</strong>m Eisenmann",<br />
lässt sich Rovena vernehmen. "Keiner hat versucht,<br />
ihm eine Münze auf die Zunge zu legen. Ich<br />
will noch ausprobieren, was daraufhin geschieht, bevor<br />
wir <strong>de</strong>n Gang hier verlassen."<br />
"Ich wür<strong>de</strong> die Finger von Dingen hier drin lassen, die<br />
wir nicht unbedingt benötigen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Funktion<br />
nicht absolut erfor<strong>de</strong>rlich ist." rät Isinha. "Wer weiß,<br />
vielleicht wecken wir ihn auch mit einer Münze auf,<br />
die nicht die erfor<strong>de</strong>rliche Prägung hat, erzielen damit<br />
dann aber einen - sicher unerwünschten - Erfolg. Er<br />
könnte uns zum Beispiel <strong>de</strong>n Rückweg vor <strong>de</strong>n mechanischen<br />
Tatzelwürmern abschnei<strong>de</strong>n …"<br />
"Ich habe mir die Öffnung angesehen - es scheint eine<br />
Münze sein zu müssen, die einen Fuchskopf in ihrer<br />
Prägung aufweist. Ich wür<strong>de</strong> ansonsten auch lieber<br />
keine Experimente mit diesem Eisenmann wagen."<br />
gibt Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Magier Recht.<br />
"Also gehen wir o<strong>de</strong>r nich'?" fragt Ingalf, <strong>de</strong>r immer<br />
noch am Bo<strong>de</strong>n sitzt und Kawi streichelt.<br />
"Ja, lass uns los, vielleicht haben wir da mehr Glück",<br />
meint Edric.<br />
Rovena nickt. Sie hat sich die Be<strong>de</strong>nken ihrer Gefährten<br />
angehört und entschie<strong>de</strong>n, dass sie vielleicht Recht<br />
haben. Ein Münze mit einem Fuchskopf hat sie noch<br />
nie in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n gehabt und bevor eine falsche etwas<br />
auslöst, was ihnen weiter scha<strong>de</strong>n könnte … "Ja,<br />
lass uns gehen, du wirst schon wissen, wo du uns hinführst<br />
…" Sie lächelt Ingalf unsicher an.
"Das wohl! Das wohl!" antwortet Ingalf. 'Zumin<strong>de</strong>st<br />
hoffe ich das …!'<br />
"Also gut." schließt sich Isinha <strong>de</strong>r nun mehrheitlich<br />
vorgeschlagenen Vorgehensweise an. Schließlich wer<strong>de</strong>n<br />
sie hier nur heil herauskommen, wenn alle zusammenhalten.<br />
Nicht zum ersten Mal wird <strong>de</strong>m Magier<br />
bewusst, wie verschie<strong>de</strong>n sie doch eigentlich sind.<br />
510<br />
Und bei <strong>de</strong>m Gedanken daran, dass <strong>de</strong>r ihm - von unvoreingenommenen<br />
Beobachtern - am ähnlichsten<br />
Scheinen<strong>de</strong> wohl eher die geringsten Gemeinsamkeiten<br />
aufweist. Dem gegenüber sieht Isinha in <strong>de</strong>r freigeistigen<br />
und offenen Rovena eher eine Verwandte im<br />
Geiste. In diese Gedanken versunken folgt Isinha <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren.
I<br />
ngalf führt die Gruppe durch <strong>de</strong>n langen Gang<br />
treppab treppauf wie<strong>de</strong>r zurück zu <strong>de</strong>m Raum mit<br />
<strong>de</strong>m durchsichtigen Bo<strong>de</strong>n. Vorsichtig, aber zuversichtlich,<br />
dass er auch diesmal halten wird, bewegt<br />
sich einer nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren über das Loch mit <strong>de</strong>n<br />
spitzen Pfählen und <strong>de</strong>n dazwischenliegen<strong>de</strong>n Leichen.<br />
Es knackt und ächzt immer noch zum Göttererbarmen,<br />
aber nichts weiteres passiert.<br />
Dann geht es durch <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>r Opferschale in<br />
<strong>de</strong>n leeren Verteilerraum. Die Tür in <strong>de</strong>r Ostwand<br />
steht immer noch offen. Dahinter beginnt <strong>de</strong>r Raum<br />
mit <strong>de</strong>n Henkerschlingen.<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Gehenkten<br />
Hesan<strong>de</strong>r betrachtet sich <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>n Schlingen<br />
genauer. Gibt es etwas auffälliges? Gibt es eventuelle<br />
Gefahren? Wo sind die Schlingen genau und wie<br />
sehen sie aus?<br />
Der L-förmige Raum knickt nach rechts ab. Im Knick<br />
ist in <strong>de</strong>r linken Wand eine Tür.<br />
Die Decke dieses Raumes ist hoch, bestimmt mehr als<br />
drei Haupteslängen. Von <strong>de</strong>r Decke hängen die<br />
Schlingen herab. Einige sind hochgezurrt. In diesen<br />
Schlingen hängen Skelette, die teilweise von Tuchfetzen<br />
be<strong>de</strong>ckt sind.<br />
Hesan<strong>de</strong>r gruselt es ein wenig ob <strong>de</strong>s Anblicks. Dann<br />
schaut er auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Raumes. Gibt es dort einzelne<br />
Bo<strong>de</strong>nplatten, ist <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n gemauert?<br />
Der Bo<strong>de</strong>n ist genau so massiver Fels und so glatt wie<br />
in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Räumen.<br />
Nach<strong>de</strong>m Isinha vorhin nur einen Blick in <strong>de</strong>n Raum<br />
geworfen hatte, steht er nun hinter <strong>de</strong>r Tür und leuchtet<br />
mit <strong>de</strong>r Fackel nach oben, soweit <strong>de</strong>r Lichtschein<br />
am ausgestreckten Arm reicht. "Wer mögen diese armen<br />
Seelen gewesen sein?" murmelt er vor sich hin.<br />
Bisher hatte er angenommen, <strong>de</strong>r Schrumpfkopfwald<br />
<strong>de</strong>r Tokkaheha sei <strong>de</strong>r schlimmste Anblick seines Lebens<br />
gewesen. Aber diese Skelette sorgen ebenfalls für<br />
eine Gänsehaut auf seinem Rücken. Schließlich fasst<br />
er sich ein Herz und untersucht einen <strong>de</strong>r Toten, <strong>de</strong>r<br />
am niedrigsten hängt und somit am besten zu erreichen<br />
ist.<br />
Die Skelette hängen alle außerhalb <strong>de</strong>r Reichweite <strong>de</strong>r<br />
Hel<strong>de</strong>n.<br />
Edric mustert <strong>de</strong>n Raum eingehend. Eine Gänsehaut<br />
zieht seinen Rücken vom Nacken her herab - Gefahr<br />
strahlt <strong>de</strong>r Raum <strong>de</strong>utlich aus. In seinem Innern<br />
sträubt sich alles dagegen, diesen Raum betreten zu<br />
müssen …<br />
"Wäre es möglich, dass auch dies nur eine Täuschung<br />
ist?" spricht er langsam einen Gedanken <strong>de</strong>r Hoffnung<br />
aus.<br />
Ein neuer Weg im Berg<br />
511<br />
"Wohl kaum." erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier abwesend. Da er<br />
die Skelette nicht direkt erreichen kann, versucht er,<br />
eines mit <strong>de</strong>r Fackel zu erwischen.<br />
"Warum nicht?" fragt Edric. "Die Tote auf <strong>de</strong>n Pfählen<br />
sind doch auch nicht echt."<br />
"Oh, da missverstehen wir uns wohl. Ich meinte, dass<br />
hier tatsächlich etwas herum hängt. Die Gepfählten<br />
können auch eine Illusion, eine optische Täuschung<br />
sein. Das hier nicht." schließt <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Solange sie da oben hängen, ist doch alles in Ordnung,<br />
das wohl!" meint Ingalf. "Denn wer hängt,<br />
hängt. Wären sie nicht richtig tot, dann wür<strong>de</strong>n sie<br />
wohl laufen!" Ingalf erinnert sich dabei an die Begegnung<br />
mit <strong>de</strong>n Skeletten in <strong>de</strong>r Burgruine, damals wäre<br />
er froh gewesen, wenn sie an <strong>de</strong>r Decke gehangen hätten.<br />
Rovena schluckt. Noch steht sie am Zugang zu <strong>de</strong>m<br />
Raum, starrt die baumeln<strong>de</strong>n Skelette an. Was für armen<br />
Seelen das wohl gewesen sein müssen? Abenteurer<br />
wie sie, ebenfalls auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>n Schätzen<br />
<strong>de</strong>s Orkenhorts? Sie fasst sich ein Herz und tritt in<br />
<strong>de</strong>n Raum ein, ihre Handknochen treten weiß hervor,<br />
so sehr umklammert sie ihren Stab.<br />
Er macht einen weiteren Schritt nach vorn und<br />
schlängelt sich wie<strong>de</strong>r zwischen <strong>de</strong>n herabhängen<strong>de</strong>n<br />
Schlingen hindurch, peinlich darauf achtend, keinem<br />
dieser 'Halsstrecker' zu nahe zu kommen, ohne sie mit<br />
Hand o<strong>de</strong>r Fackel zur Seite zu schieben.<br />
Isinha muss sich strecken, und es kommt wie es kommen<br />
muss: Er berührt eine <strong>de</strong>r Schlingen. Das Seil<br />
fängt natürlich an zu schwingen, und plötzlich ist von<br />
überall her hämisches Gelächter zu hören.<br />
"Bei <strong>de</strong>n Zwölfen, was für ein Dämonenwerk ist das?"<br />
entfährt es Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Da die an<strong>de</strong>ren ebenfalls <strong>de</strong>n Raum betreten, wird er<br />
ihnen folgen.<br />
Mit katzenhafter Agilität lässt <strong>de</strong>r Magier sich auf ein<br />
Knie sinken und dreht sich einmal im Kreis, um sich<br />
nach <strong>de</strong>m Ursprung <strong>de</strong>s Gelächters umzusehen.<br />
Das Lachen scheint von überall her zu kommen. Es<br />
gibt keinen i<strong>de</strong>ntifizierbaren Ursprung.<br />
Rovena hält an Elgars Seite inne, schaut sich mit angehaltenem<br />
Atem um. Ihr Herz klopft ihr bis zum<br />
Halse, aber sie wird, sich duckend und ausweichend,<br />
ihren Gefährten weiter folgen, wobei sie sich davor<br />
hüten wird, die herunter hängen<strong>de</strong>n Schlingen zu berühren.<br />
Welch ein Schabernack wird hier mit ihnen<br />
getrieben?<br />
"Ruhe!" ruft Ingalf <strong>de</strong>r richtungslosen Stimme zu. "So<br />
machst Du uns keine Angst, wer immer Du auch sein<br />
magst, das wohl!"
Er betritt jetzt ebenfalls <strong>de</strong>n Raum und steuert in gera<strong>de</strong>m<br />
Kurs auf <strong>de</strong>n gegenüberliegen<strong>de</strong>n Ausgang.<br />
Ob er dabei an Schlingen kommt o<strong>de</strong>r nicht, interessiert<br />
ihn nicht weiter. Immer wie<strong>de</strong>r bran<strong>de</strong>t das Gelächter<br />
auf.<br />
Edric zuckt zweimal zusammen, das erste Mal, als das<br />
Angst einflößen<strong>de</strong> Gelächter erklingt, und dann, als<br />
Ingalf seinen Antwort herausruft. Dennoch betritt er<br />
hinter <strong>de</strong>m Seebären <strong>de</strong>n Raum, Stab und Dreizack<br />
fest umklammert.<br />
Unter <strong>de</strong>r einen Schlinge bückt er sich hindurch, <strong>de</strong>r<br />
nächsten weicht er aus. Keinesfalls möchte er selbst<br />
o<strong>de</strong>r mit einer seiner bei<strong>de</strong>n Stabwaffen eine Schlinge<br />
berühren.<br />
Phex ist gegen Edric. Auch er löst durch eine Berührung<br />
das an <strong>de</strong>n Nerven zerren<strong>de</strong> Gelächter aus.<br />
Welches Edric wie<strong>de</strong>r zusammenzucken lässt. Ihm ist<br />
<strong>de</strong>utlich anzusehen, dass er sich hier nicht wohl fühlt.<br />
Als Ingalf an ihm vorbei kommt und noch immer<br />
nichts weiter passiert ist, erhebt Isinha sich wie<strong>de</strong>r und<br />
folgt <strong>de</strong>m Thorwaler.<br />
Mit sicheren Schritten folgt <strong>de</strong>r Aranier, immer noch<br />
die Waffe kampfbereit.<br />
Auch ihm ist es egal, ob er die Schlingen berührt o<strong>de</strong>r<br />
nicht, aber da sie eventuell ablenken könnten, weicht<br />
er ihnen instinktiv gekonnt aus.<br />
Hesan<strong>de</strong>r zögert eine Weile, dann erinnert er sich an<br />
die letzte Illusion. Im Vertrauen an Hesin<strong>de</strong> und ihren<br />
göttlichen Bru<strong>de</strong>r Phex wird Hesan<strong>de</strong>r zügig in gebückter<br />
Haltung <strong>de</strong>n Raum durchschreiten.<br />
Der Raum sieht um die Ecke genau so wie im Eingangsbereich<br />
aus. In <strong>de</strong>r Ostwand ganz im Sü<strong>de</strong>n ist<br />
eine weitere Tür - zusätzlich zu <strong>de</strong>r am östlichen<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Nordwand.<br />
Ingalf schnaubt nur wütend, als das Lachen immer<br />
wie<strong>de</strong>r ertönt, da aber - anscheinend - nichts weiter<br />
passiert, geht er auf die ersten Tür, die er gesehen hat,<br />
zu.<br />
Als er sie erreicht hat, holt er tief Luft und wird dann<br />
versuchen, sie vorsichtig zu öffnen.<br />
Die Tür lässt sich problemlos öffnen. Dahinter ist ein<br />
vier Schritt breiter und acht Schritt langer Raum mit<br />
einer weiteren Tür auf <strong>de</strong>r Nordseite.<br />
Auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Raumes liegen etliche Dutzend<br />
apfelsinengroße Glaskugeln verstreut.<br />
Ingalf schaut kurz in <strong>de</strong>n Raum, fin<strong>de</strong>t das er genauso<br />
aussieht wie auf <strong>de</strong>m Plan und macht die Tür wie<strong>de</strong>r<br />
zu.<br />
"Der Plan stimmt für <strong>de</strong>n Raum, das wohl!" sagt er<br />
freu<strong>de</strong>strahlend. "Und hinter <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Tür kommt<br />
'ne Sackgasse!"<br />
512<br />
"Was ist in <strong>de</strong>m Raum?" erkundigt sich Isinha, <strong>de</strong>r<br />
nicht so schnell durch die Tür sehen konnte, wie Ingalf<br />
sie wie<strong>de</strong>r geschlossen hatte.<br />
"Kugel, aus Glas", erwähnt Ingalf beiläufig.<br />
"Eine Kugel. Aus Glas." wie<strong>de</strong>rholt <strong>de</strong>r Magier. "Und<br />
das kommt Dir nicht etwas merkwürdig vor?" fragt Isinha.<br />
Zwar ist diese Frage rein rhetorisch gemeint, jedoch<br />
wird Ingalf sicher gleichwohl antworten. Und<br />
dann auch noch mit etwas, das für <strong>de</strong>n Magier keinen<br />
Sinn ergibt, je<strong>de</strong>nfalls nicht in Bezug auf eine Beantwortung<br />
<strong>de</strong>r Frage: Was macht eine gläserne Kugel in<br />
einem ansonsten leeren Raum? Hier in Phexens Reich<br />
gibt es sicher nichts, das nur um seiner selbst willen<br />
dort ist, wo es ist. 'Ob das schon jemand außer mir erkannt<br />
hat?' überlegt Isinha angestrengt.<br />
"Nicht eine Kugel, viele, das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Eine wäre merkwürdig, aber <strong>de</strong>r ganze Bo<strong>de</strong>n voll!<br />
Außer<strong>de</strong>m müssen wir doch eh' da lang, wenn wir<br />
wie<strong>de</strong>r zurück wollen!"<br />
Nach<strong>de</strong>nklich und damit langsamer antwortet <strong>de</strong>r<br />
Magier: "Stimmt, eine wäre merkwürdig. Aber wie<br />
merkwürdig sind dann viele? Weshalb sind sie dort?<br />
Und warum in einer Sackgasse? Diesen Fragen sollten<br />
wir - meine ich - auf <strong>de</strong>n Grund gehen. Nicht zuletzt<br />
wird dieser Hort eine Prüfung für uns darstellen, die<br />
sich sicher nicht in <strong>de</strong>r Anhäufung weltlicher Schätze<br />
erschöpft."<br />
"Du hast mir nicht zugehört, das wohl!" sagt Ingalf.<br />
"Die Sackgasse liegt hinter <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Tür, da <strong>de</strong>r<br />
Plan jetzt stimmt. Und wenn wir von da zurückkommen,<br />
haben wir genügend Zeit für die Kugeln!"<br />
"Nun ja", entgegnet Hesan<strong>de</strong>r, "in <strong>de</strong>n Aufzeichnungen<br />
und Legen<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>n Orkenhort wird eher von<br />
weltlichen Schätzen gesprochen. Meine Kirche hält<br />
dies aber für eine Art 'Wunsch<strong>de</strong>nken' <strong>de</strong>rer, die darüber<br />
berichten. Was sollte ein Abenteurer sonst in einem<br />
Hort fin<strong>de</strong>n wollen?" ergänzt er.<br />
"Ich habe schon seit<strong>de</strong>m wir hier eingetreten sind, fest<br />
<strong>de</strong>n Eindruck - nein die Überzeugung - dass das hier<br />
eine einzige große Prüfung ist<br />
Es wür<strong>de</strong> mich noch nicht einmal wun<strong>de</strong>rn, wenn wir<br />
irgendwann dann wirklich einem Schatz gegenüberstehen<br />
- und die größte Prüfung wird dann sein, <strong>de</strong>n<br />
Herrn Phex selbst nicht zu bestehlen", mutmaßt er<br />
weiter.<br />
Die Schätze und Prüfungen, über die gera<strong>de</strong> gemutmaßt<br />
wird, sind Edric ziemlich Schnuppe. Er selbst ist<br />
<strong>de</strong>r Freundschaft Ingalfs wegen hier und sein einziges<br />
Ziel ist <strong>de</strong>n Seebären hier wie<strong>de</strong>r heil herauszubringen.<br />
Er bewegt sich weiterhin vom Lachen Phexens unbekümmert<br />
zur südlichen Tür.
Das Spiegelzimmer<br />
Auch die Tür lässt sich problemlos öffnen. Dahinter<br />
ist ein quadratischer Raum, vier mal vier Schritt. Die<br />
Ostwand <strong>de</strong>s Raumes besteht ganz und gar aus aneinan<strong>de</strong>r<br />
gesetzten leicht rosa getönten Spiegelglasplatten,<br />
je zweieinhalb Spann im Quadrat.<br />
"Der Raum passt, aber es sollte an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />
weitergehen, das wohl!" meint Ingalf. Er tritt in <strong>de</strong>n<br />
Raum und macht <strong>de</strong>n Gefährten Platz.<br />
"Was sind das für Wän<strong>de</strong>?" fragt Edric und tritt näher,<br />
um sie zu vorsichtig berühren. Bei<strong>de</strong> Stabwaffen hält<br />
er für <strong>de</strong>n Moment in einer Armbeuge fest.<br />
Bis auf die Spiegelwand sind alle an<strong>de</strong>ren Wän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
übliche glatte Fels.<br />
Der Spiegel, <strong>de</strong>n Edric berührt, fühlt sich normal an.<br />
Misstrauisch und vorsichtig betritt Rovena <strong>de</strong>n Raum,<br />
gefasst, auf neue Überraschungen zu stoßen. "Vielleicht<br />
ist <strong>de</strong>r Ausgang verborgen und lässt sich nur<br />
durch eine <strong>de</strong>r Spiegelglasplatten sichtbar machen<br />
und öffnen?" vermutet sie. Sie weiß immer noch nicht,<br />
wie sich Ingalf hier in diesem Labyrinth anhand <strong>de</strong>s<br />
Planes orientieren kann, aber sie vertraut seinen Fähigkeiten.<br />
"Aye! Bei Swafnir, das könnte die Lösung sein", Ingalf<br />
ist von <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Hexe begeistert. "Und wenn's 'ne<br />
Tür is, dann isses unten, das wohl!"<br />
Er beginnt vorsichtig die untere Reihe abzuklopfen.<br />
*Tick*, *Tick*, *Tick*, *Tick*, *Tong*, *Tick*,<br />
*Tick*, *Tick* - so klingen die acht Platten <strong>de</strong>r unteren<br />
Reihe. Ingalf überprüft es noch einmal. Ja, hinter<br />
<strong>de</strong>r fünften Platte muss ein Hohlraum sein.<br />
Ingalf schaut sich die fünfte Platte genauer an. Wenn<br />
sie hohl ist, muss sie ja zu öffnen sein.<br />
Die Platte ist vom Aussehen her ein Spiegel wie die<br />
an<strong>de</strong>ren auch. Auch an <strong>de</strong>n Kanten ist nichts weiter<br />
zu sehen.<br />
"Na, meine lieben gelehrten Freun<strong>de</strong>, wie kommen<br />
wir da durch?" richtet Ingalf die Frage an Hesan<strong>de</strong>r<br />
und Isinha, die ja immer alles besser wissen. Wir /er/<br />
da durch kommt, das weiß er!<br />
"Man könnte <strong>de</strong>n Spiegel einschlagen …" überlegt <strong>de</strong>r<br />
Magier laut. Bevor er sich aber zu einem <strong>de</strong>rart drastischen<br />
Mittel entschei<strong>de</strong>t, klopft er selbst noch einmal<br />
dagegen. Zu<strong>de</strong>m leuchtet er direkt mit <strong>de</strong>r Stabfackel<br />
hinein - vielleicht ist <strong>de</strong>r Auslöser ja Licht.<br />
Dann drückt er nacheinan<strong>de</strong>r die Seiten und die obere<br />
bzw. unter Kante <strong>de</strong>s Spiegels. "Vielleicht kann man<br />
ihn auch verstellen und hier fin<strong>de</strong>n sich noch weitere<br />
dieser Art. Das gäbe dann eine Reflektionsanordnung,<br />
die möglicherweise bislang Unsichtbares enthüllt."<br />
mutmaßt Isinha.<br />
Isinha stellt fest, dass er mit <strong>de</strong>n Fingernägel hinter<br />
die obere Kante <strong>de</strong>s Spiegels kommt.<br />
513<br />
Mit fast zu Klauen gekrümmten Fingern zieht Isinha,<br />
ohne sich die Nägel abzureißen. Bei zu großem Wi<strong>de</strong>rstand<br />
bricht er ab und informiert die Gefährten<br />
entsprechend.<br />
Der Rand <strong>de</strong>r Platte ist mit irgen<strong>de</strong>inem Harz an <strong>de</strong>r<br />
Wand festgeklebt. Sie lässt sich tatsächlich abziehen.<br />
Dahinter ist ein quadratisches Loch. Dahinter ist wie<strong>de</strong>r<br />
ein großer Raum mit einer weiteren Tür in <strong>de</strong>r<br />
Ostwand. In <strong>de</strong>m Raum stehen sechs gol<strong>de</strong>ne<br />
menschliche Statuen, die alle ein Schwert in <strong>de</strong>r Hand<br />
halten.<br />
"Nanu? Gol<strong>de</strong>ne Statuen?" entfährt es Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Rovena schaut ihn an. "Was ist an gol<strong>de</strong>nen Statuen<br />
außergewöhnlich, hier, wo sich doch <strong>de</strong>r Orkenhort<br />
befin<strong>de</strong>n soll?" fragt sie nervös. "Was seht ihr noch<br />
hinter <strong>de</strong>r Platte?"<br />
"Unser geleerter Freund hat ein wesentliches Detail <strong>de</strong>r<br />
Statuen noch nicht erwähnt: Sie sind bewaffnet." ergänzt<br />
<strong>de</strong>r Magier im Plau<strong>de</strong>rton. "Also sind sie als<br />
wehrhafter Schatz zu betrachten."<br />
"Bewaffnet?" Rovena ahnt schlimmes. "Wie viele sind<br />
es <strong>de</strong>nn? Wie<strong>de</strong>r zwölf?" Sie schaut Hesan<strong>de</strong>r nach,<br />
<strong>de</strong>r sich durch die Öffnung schiebt.<br />
"Bis jetzt sind wir noch auf nichts gestoßen, was in irgen<strong>de</strong>iner<br />
Form auf einen Schatz hätte hin<strong>de</strong>uten<br />
können. Was auch immer in Tier- o<strong>de</strong>r Menschengestalt<br />
hier herumstand, war aus Eisen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rem<br />
Metall und uns nicht gera<strong>de</strong> freundlich gesonnen",<br />
antwortet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Ob die uns freundlich gesonnen sind, merkste erst,<br />
wenn Du ganz im Raum bist, das wohl!" meint Ingalf,<br />
<strong>de</strong>n das Hinterteil von Hesan<strong>de</strong>r fast dazu verleitet<br />
ihn aus diesen Weg zu bringen.<br />
"Dann probierst Du am Besten Deine Axt aus. Die ist<br />
stabiler als mein Stab", schlägt Hesan<strong>de</strong>r vor.<br />
"Nee, meine Axt hat heute schon genug gearbeitet, das<br />
wohl!" kontert Ingalf. "Und nach <strong>de</strong>m Biss ins Bein<br />
möchte ich nicht unbedingt auf'm Bo<strong>de</strong>n rumkriechen."<br />
"Also schön. Dann eben morgen?" fragt Hesan<strong>de</strong>r unbekümmert.<br />
"Gut!" Ingalf setzt sich <strong>de</strong>monstrativ auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n -<br />
allerdings so, dass seine Beine Hesan<strong>de</strong>r am Rückzug<br />
aus <strong>de</strong>r Öffnung hin<strong>de</strong>rn.<br />
"Gut", bestätigt Hesan<strong>de</strong>r, setzt sich <strong>de</strong>monstrativ neben<br />
Ingalf und verfällt ins leise Gebet.<br />
Kopfschüttelnd steht <strong>de</strong>r Aranier neben <strong>de</strong>n Bei<strong>de</strong>n.<br />
"Spinnt ihr jetzt komplett?"<br />
"Wenn <strong>de</strong>r alte Unkenkopp überall rein guckt und<br />
dann keine Lust hat selber seinen Hals zu riskieren,<br />
dann mag ich wohl spinnen, das wohl!" grollt Ingalf<br />
vor sich hin.
"Äh, liegt die Betonung Deiner Worte auf /jetzt/?" fragt<br />
Isinha sicherheitshalber nach, beantwortet Melachaths<br />
Frage aber unmittelbar trotz<strong>de</strong>m: "Ich sehe nicht, dass<br />
sie sich an<strong>de</strong>rs verhalten, als bisher. Dennoch halte ich<br />
diese Rast für keine schlechte I<strong>de</strong>e." fügt <strong>de</strong>r Magier<br />
noch hinzu und rollt <strong>de</strong>n unteren Teil seines Mantels<br />
so auf, dass er bequem darauf sitzen kann, ohne <strong>de</strong>n<br />
kalten Bo<strong>de</strong>n zu spüren.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut Elgar und Ingalf wortlos an, kriecht<br />
durch die Öffnung, erhebt sich und geht mit seinem<br />
Stab in Verteidigungshaltung auf die Statuen zu. Sollten<br />
sie angreifen, wird er selbige im Blick behalten<br />
und einige Schritte rückwärts machen bis die Statuen<br />
Ruhe geben.<br />
Nach <strong>de</strong>m sich Hesan<strong>de</strong>r zwei, drei Schritte in <strong>de</strong>n<br />
Raum bewegt hat, kommen die Statuen in Bewegung.<br />
Sie wen<strong>de</strong>n sich Hesan<strong>de</strong>r zu, heben die Schwerter<br />
kampfbereit und machen erste Schritte auf <strong>de</strong>n Geweihten<br />
zu.<br />
Hesan<strong>de</strong>r macht einen Schritt rückwärts, aber die gol<strong>de</strong>nen<br />
Männer folgen. Sie bleiben nicht stehen.<br />
Isinha, <strong>de</strong>r das Ganze durch die Öffnung hindurch<br />
beobachtet, macht <strong>de</strong>m Geweihten wie<strong>de</strong>r Platz und<br />
wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zu: "Ich glaube, unser Glaubensbru<strong>de</strong>r<br />
hat uns gera<strong>de</strong> eine unglaubliche Dummheit<br />
präsentiert. Glaubt es, o<strong>de</strong>r nicht. Aber diese<br />
Goldjungen folgen ihm und halten nicht wie die<br />
Füchse inne." - 'Noch kann ich die Platte wie<strong>de</strong>r an<br />
Ort und Stelle bringen und <strong>de</strong>n Raum versiegeln.'<br />
drängt sich <strong>de</strong>m Magier ein Gedanke auf. 'Das könnte<br />
zwei Probleme auf einen Schlag lösen …'<br />
"Siehste, manche Dinge kann er auch ohne jeman<strong>de</strong>n<br />
vorzuschicken, das wohl!" antwortet Ingalf ohne aufzustehen.<br />
"Kommen die Goldjungen überhaupt durch<br />
das Loch?"<br />
Hesan<strong>de</strong>r bewegt sich rückwärts in Richtung <strong>de</strong>r Öffnung<br />
zurück und dreht sich erst im letzten Augenblick<br />
um und kriecht durch die Öffnung zurück zu<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren.<br />
Hesan<strong>de</strong>r vermeint noch, ein Schwert an seinen Hacken<br />
vorbei sausen zu spüren. Dann ist er durch. Die<br />
gol<strong>de</strong>nen Männer folgen Hesan<strong>de</strong>r nicht, son<strong>de</strong>rn erstarren<br />
im Halbkreis vor <strong>de</strong>r Öffnung.<br />
"Schnell sind die nich' grad!" meint Ingalf als es sieht<br />
wie <strong>de</strong>r Goldjunge zuhaut. "Aber kräftig und sie kommen<br />
nicht durch die Öffnung, das wohl!<br />
Anscheinend bleiben die ganzen Blecheimer in ihren<br />
Räumen. Das ist doch gut zu wissen!"<br />
Mit einem Blick stellt <strong>de</strong>r Magier ergänzend fest:<br />
"Nicht nur das. Unser 'Goldjunge' hat es geschafft, die<br />
Blechköpfe so dicht an <strong>de</strong>n Zugang zu bringen, dass<br />
wir schön einzeln hindurch müssen und dort kein<br />
Platz für mehrere mehr ist. Der Ausgangspunkt für<br />
die Gegenseite ist von Euch hervorragend optimiert<br />
514<br />
wor<strong>de</strong>n!" fährt Isinha <strong>de</strong>n Geweihten an. "Ich wür<strong>de</strong><br />
sagen, Ihr habt gera<strong>de</strong> entschie<strong>de</strong>n, dass wir einen an<strong>de</strong>ren<br />
Weg versuchen sollten." fügt er noch hinzu.<br />
Etwas bleich um die Nase und mit einem Seufzer <strong>de</strong>r<br />
Erleichterung erscheint Hesan<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Seite, klopft sich <strong>de</strong>n Staub von <strong>de</strong>r Kleidung,<br />
zupft sich die Kleidung zurecht und schaut dann Ingalf<br />
an.<br />
"Bei Hesin<strong>de</strong>! Ich <strong>de</strong>nke das nächste Mal ist jemand<br />
an<strong>de</strong>rs dran - das wohl!"<br />
"Bei Dir ist immer jemand an<strong>de</strong>rs dran!" antwortet Ingalf<br />
<strong>de</strong>m Geweihten und dann fährt er an Isinha gewandt<br />
fort: "Aber für irgend 'ne Fernwaffe o<strong>de</strong>r Feuer<br />
stehen sie doch i<strong>de</strong>al …"<br />
"Das nuntium ist angekommen." antwortet <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Aber lei<strong>de</strong>r dürfte sich meine Erfahrung im Einsatz<br />
mit Fernwaffen in recht engen Grenzen halten. Und<br />
Feuer, hast Du gesagt, soll man lieber trinken."<br />
"Heringssülze!" erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r. "Erst willst Du,<br />
dass ich reingehe, dann gehe ich rein, die Statuen wollen<br />
mich am liebsten in Stücke hacken, aber <strong>de</strong>r Herr<br />
Ingalf hat ja wie<strong>de</strong>r etwas zu meckern. Geh das nächste<br />
Mal selbst, aber Du willst ja lieber einen Tag ausruhen."<br />
"Fluch nur weiter so, dann wird noch was aus Dir, das<br />
wohl!" meint Ingalf feixend.<br />
"Wenn wir hier herauskommen, kann ich ja mit Dir<br />
für eine Weile nach Thorwal kommen und bei Dir in<br />
die Lehre gehen - Prembuttnase", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Ob Du das wirklich willst?" fragt Ingalf lachend.<br />
"Das wer<strong>de</strong>n wir sehen. Wenn es mir nicht mehr passen<br />
sollte, kann ich es auch lassen und gehen", grinst<br />
Hesan<strong>de</strong>r.<br />
'Bleibt nur die Frage, ob ich das wirklich will!' <strong>de</strong>nkt<br />
Ingalf noch.<br />
"Sicher nicht wirklich!" fällt Isinha in das Lachen ein,<br />
<strong>de</strong>r bereits seine eigenen Erfahrungen mit <strong>de</strong>n rauhen<br />
Nordmännern über einen längeren Zeitraum gemacht<br />
hat.<br />
"Könnte Dir aber auch nix scha<strong>de</strong>n!"<br />
"Danke, ich hatte reichlich davon." erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier,<br />
<strong>de</strong>r schlagartig wie<strong>de</strong>r ernst wie ein Boroni ist.<br />
Der Magier steht fasziniert neben <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n und<br />
sieht bei <strong>de</strong>m Wortwechsel immer von einem zum an<strong>de</strong>ren.<br />
'Wie bei einem Gladiatorenkampf - es steht<br />
schon vorher fest, wer gewinnt.' <strong>de</strong>nkt Isinha dabei.<br />
'O<strong>de</strong>r besser, wer nicht gewinnt …'<br />
"Wer auch immer dran ist, wie Ihr seht, ist je<strong>de</strong>r Weg<br />
gefährlich. Nicht nur Phexens List, auch Rondras<br />
Klinge wird uns leiten müssen Bisher gab es hier noch<br />
keinen Weg, <strong>de</strong>r kampflos zu meistern war."
"Das ist wahr. Uns wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Weg hinaus gewiesen<br />
und sogar <strong>de</strong>r war mit <strong>de</strong>m 'Kampf' zu meistern, nicht<br />
<strong>de</strong>n Orkenhort zu sehen." antwortet Isinha <strong>de</strong>m Krieger.<br />
"Meinst du wirklich, wir wer<strong>de</strong>n unser Ziel nicht erreichen<br />
können?" fragt Rovena leise nach und wirkt<br />
enttäuscht. "Nach so vielen Mühen müssen wir jetzt<br />
wohl feststellen, dass unsere Suche ein erfolgloses<br />
En<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>t …"<br />
"Genau das gilt es aber herauszufin<strong>de</strong>n. Und <strong>de</strong>swegen<br />
bin ich hier", bekräftigt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Wir kommen hier raus und zwar lebend, das wohl!"<br />
tönt Ingalf optimistisch. "Das hier ist Phexens Schatz<br />
und nicht Rondras. Und daher muss es einen Weg geben,<br />
ohne weiteres Blut zu vergießen an <strong>de</strong>n Schatz<br />
zu kommen! Verdammt will ich sein, wenn es nicht so<br />
ist!"<br />
"Ich fürchte, Du könntest es schon sein …" antwortet<br />
<strong>de</strong>r Krieger orakelhaft.<br />
"Schau." murmelt <strong>de</strong>r Magier nach<strong>de</strong>nklich, während<br />
er <strong>de</strong>n fein säuberlich gezeichneten Plan studiert.<br />
"Und das hier? Waren da nicht die Kugeln drin?" zeigt<br />
er auf <strong>de</strong>n näher liegen<strong>de</strong>n Raum. Vielleicht fin<strong>de</strong>n<br />
wir darin etwas, um die Goldjungen aufzuhalten o<strong>de</strong>r<br />
abzulenken."<br />
"Aye, das ist möglich, das wohl!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
"Und da wir schon 'n paar abgekriegt haben,<br />
sollten wir erstmal alle Räume abzusuchen in <strong>de</strong>nen<br />
wir uns nicht prügeln müssen."<br />
Neugierig schaut Rovena über Elgars Schulter und<br />
stutzt. "Aber das hier ist doch die Sackgasse!" ruft sie<br />
verwirrt aus. "Durch die an<strong>de</strong>re Tür wür<strong>de</strong>n wir doch<br />
wie<strong>de</strong>r weiter in das Labyrinth hinein kommen, o<strong>de</strong>r?<br />
Stimmt <strong>de</strong>r Plan hier auch wie<strong>de</strong>r nicht?"<br />
Ingalf schaut die Hexe verwirrt an. 'Sprech' ich eigentlich<br />
Nivesisch? Ich hab' die ganze Zeit gesagt, dass<br />
das eine Sackgasse is, nee nee nee!'<br />
515<br />
"Bei Swafnir, das ist gut!" <strong>de</strong>r Thorwaler lacht nur<br />
über dieses Orakel.<br />
"Stimmt <strong>de</strong>nn dieser neue Raum mit <strong>de</strong>m Plan überein?"<br />
fragt die Hexe nach. "Haben wir etwas übersehen?<br />
Vielleicht gibt es ja noch an<strong>de</strong>re Gänge, wie <strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>n wir schon gefun<strong>de</strong>n haben, die uns an diesen metallenen<br />
Wächtern vorbeiführen", wagt sie zu hoffen.<br />
"Eigentlich ist das hier eh' 'ne Sackgasse, aber es muss<br />
nach <strong>de</strong>r Karte noch was hinter <strong>de</strong>n Goldjungs kommen,<br />
das wohl!" antwortet Ingalf. "Wenn wir nur zu<br />
<strong>de</strong>n Füchsen wollen, dann wäre <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Gang <strong>de</strong>r<br />
richtige. Aber wer weiß, was uns dann wie<strong>de</strong>r fehlt …"<br />
"Hmm." brummt Isinha, als er sich leicht zu Rovena<br />
herab beugt. "Das habe ich damit nicht gesagt und<br />
nicht sagen wollen." antwortet er dann ebenso leise.<br />
"Ich wäre ja dafür, <strong>de</strong>n Weg auszuprobieren, <strong>de</strong>n ihr<br />
alle vorhin nicht gehen wolltet. Zeig noch mal die<br />
Karte, Ingalf." for<strong>de</strong>rt er <strong>de</strong>n Thorwaler auf.<br />
"Da!"<br />
Laut meint er: "Ja, und? Es ist doch wichtig zu wissen,<br />
was hinter einem ist, wenn man einen Gang lang<br />
geht. Und vielleicht kommen wir hier nie zurück ...<br />
Jetzt wissen wir, es gibt die Goldjungens und wir haben<br />
zum dritten Mal - erst die Kugeln, dann die Füchse,<br />
jetzt die Goldjungens - erfahren, dass die alle in ihren<br />
Räumen bleiben.<br />
Damit können wir solche Pläne wie: Lassen wir die<br />
Goldjungs gegen die Füchse o<strong>de</strong>r die Drachen kämpfen<br />
fallen lassen, das wohl!"<br />
"Du hast die drei eisernen Tatzelwürmer vergessen …"<br />
murrt Rovena und schaut <strong>de</strong>n Thorwaler vorwurfsvoll<br />
an.<br />
"Nun, ich glaube, unser seefahren<strong>de</strong>r Freund hat diese<br />
Tatzel - ihres Zeichens wohl zur Familie <strong>de</strong>r Lindwürmer<br />
zählen<strong>de</strong> Exemplare - als 'Drachen' bezeichnet."<br />
erklärt ihr Isinha.
"Ich hatte dich so verstan<strong>de</strong>n, dass hinter <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Tür, die du gleich wie<strong>de</strong>r zu gemacht hast, eine Sackgasse<br />
liegt … schließlich habe ich <strong>de</strong>n Plan ja we<strong>de</strong>r<br />
zur Hand noch im Kopf, und dachte wirklich, unser<br />
Weg führt uns nur noch hier an <strong>de</strong>n Goldmännern<br />
vorbei."<br />
"Geht mir genau so, abgesehen von <strong>de</strong>m Abzweig vorhin,<br />
<strong>de</strong>n ich nehmen wollte …" Offenbar lässt sich <strong>de</strong>r<br />
Magier nicht von seiner I<strong>de</strong>e abbringen, hier noch irgendwo<br />
ein Loch in die Wand zu machen und abzukürzen.<br />
"Tja, da ich <strong>de</strong>n Plan kenne, bin ich ja auch vorgegangen,<br />
das wohl!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler. 'Und wie<strong>de</strong>r<br />
hat'se nich' zugehört. Was meint' sie <strong>de</strong>nn, was ich mit<br />
Drachen meine?'<br />
"Ich habe hinter <strong>de</strong>n gol<strong>de</strong>nen Statuen noch eine Tür<br />
gesehen. Das müsste doch auch auf <strong>de</strong>m Plan vermerkt<br />
sein, o<strong>de</strong>r?" meint Hesan<strong>de</strong>r plötzlich.<br />
"Die muss da auch sein, das wohl!" meint Ingalf mit<br />
Blick auf <strong>de</strong>n Plan. "Aber ich sag' ja: Sackgasse!"<br />
Der Raum <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Männer<br />
Während sich seine Gefährten wie<strong>de</strong>r einmal streiten,<br />
hockt sich Edric vor die Öffnung und schaut in <strong>de</strong>n<br />
Raum. Vielleicht kann er zwischen <strong>de</strong>n Beinen <strong>de</strong>r<br />
Statuen hindurch noch etwas erkennen, das <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
bisher entgangen ist.<br />
Er sieht auch nur die Tür an <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />
Stirnwand.<br />
Edric fragt sich, wie man wohl die Tür erreichen<br />
könnte. Er nimmt <strong>de</strong>n erbeuteten Dreizack und<br />
schiebt <strong>de</strong>ssen Spitze in <strong>de</strong>n Raum hinein, um zu prüfen,<br />
ob die gol<strong>de</strong>nen Wächter auch auf 'Dinge' reagieren.<br />
Sie reagieren, machen sich kampfbereit.<br />
Edric zieht <strong>de</strong>n Dreizack zurück. Er versucht die<br />
Schnelligkeit <strong>de</strong>r Statuen abzuschätzen. 'Vielleicht ist<br />
es möglich an ihnen vorbei zu kommen', zieht er als<br />
Möglichkeit in Erwägung.<br />
Um an ihnen sicher vorbeizukommen, stehen die gol<strong>de</strong>nen<br />
Männer zu dicht. Sechs Männer auf acht<br />
Schritt Raumbreite wirken im Kampf wie eine Wand,<br />
wenn sie ihre Schwerter zu bedienen wissen. Und<br />
dann muss man auch erst einmal durch das enge Loch<br />
kriechen.<br />
"Welchen Weg wir auch wählen, er verspricht Schmerzen.<br />
Also lasst uns bald entschei<strong>de</strong>n, welchem Gang<br />
<strong>de</strong>r Qualen wir folgen."<br />
Rovena beobachtet aufmerksam Edrics Bemühungen,<br />
die Reaktionen <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Männer zu untersuchen.<br />
Edric schätz ab, ob es ihm möglich ist, <strong>de</strong>n Dreizack<br />
zwischen <strong>de</strong>n Beinen hindurch, weit in <strong>de</strong>n Raum<br />
hinein, zu schubsen.<br />
516<br />
Das sollte möglich sein. Also versucht er es, so die Statuen<br />
von <strong>de</strong>m Eingang wegzulocken.<br />
Der Dreizack rutscht zwischen zwei gol<strong>de</strong>nen Männern<br />
hindurch wie von Edric geplant. Die bei<strong>de</strong>n machen<br />
einen kleinen Schritt zur Seite, wie es auch Menschen<br />
tun wür<strong>de</strong>n. Als <strong>de</strong>r Dreizack vorbei ist, schließen<br />
sie wie<strong>de</strong>r die Reihe.<br />
'Hm, sie 'wissen', das wir hier sind', stellt Edric, enttäuscht<br />
über das Ergebnis seines Versuches, fest.<br />
"Was meinste, haste noch 'ne I<strong>de</strong>e o<strong>de</strong>r wollen wir<br />
weiter?" fragt Ingalf, <strong>de</strong>r immer noch am Bo<strong>de</strong>n sitzt<br />
und die Gefährten beobachtet.<br />
"Nein, habe ich nicht", meint Edric mit hängen<strong>de</strong>n<br />
Schultern.<br />
"Aber ich." mischt sich <strong>de</strong>r Magier wie<strong>de</strong>r ein. Nach<br />
einigem Überlegen gibt er preis: "Wir sind vorhin an<br />
<strong>de</strong>m Raum mit <strong>de</strong>n gläsernen Kugeln vorbei gegangen,<br />
weil er auf <strong>de</strong>m Plan nach Ingalfs Angaben eine<br />
Sackgasse sein soll. Vielleicht fin<strong>de</strong>n wir darin aber so<br />
etwas wie eine Lösung unseres Problems, die nicht<br />
zwingend in einem an<strong>de</strong>ren Weg, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Aufhebung<br />
einer Blocka<strong>de</strong> dieses Wegs besteht. Lasst uns<br />
gehen!"<br />
Mit einem auffor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Nicken macht <strong>de</strong>r Magier<br />
sich zu besagtem Raum auf und geht zurück. Dort angekommen,<br />
öffnet er selbst die Tür und sieht hindurch,<br />
ohne zunächst hinein zu gehen.<br />
Ingalf verdreht die Augen, schon wie<strong>de</strong>r einer, <strong>de</strong>r<br />
nicht versteht, wo die Sackgasse liegt. Aber was soll's:<br />
es geht weiter. Ingalf streichelt Kawi noch mal, steht<br />
auf und folgt <strong>de</strong>m Magier.<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Säure<br />
Auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s ansonsten leeren Raumes liegen<br />
immer noch etliche Dutzend apfelgroße Glaskugeln<br />
verstreut. In <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Wand ist eine<br />
Tür.<br />
Mit Blick auf die Tür meint Ingalf: "Sach ich ja!"<br />
"Ich bin verwirrt." murmelt Isinha nur.<br />
Die Äußerung wird von Ingalf mit einem "War ja<br />
klar!" kommentiert.<br />
Dann wen<strong>de</strong>t er sich <strong>de</strong>n Glaskugeln zu.<br />
"Egal, was wir tun. Ich empfehle dringend," - die Betonung<br />
dieses Wortes kann <strong>de</strong>r Magier sich nicht verkneifen<br />
- "die Kugeln nicht zu berühren o<strong>de</strong>r gar in<br />
ihrer Position zu verän<strong>de</strong>rn!" Diese Warnung hält Isinha<br />
angesichts <strong>de</strong>r bisherigen Erfahrungen mit <strong>de</strong>n<br />
Gefährten in diesem Berg für mehr als angebracht.<br />
Das hätte für Edric gar keiner Aussage bedurft. Freiwillig<br />
wür<strong>de</strong> er hier nichts anfassen!<br />
Der junge Hirte mustert <strong>de</strong>n Raum, versucht ein Muster<br />
in <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r Kugeln zu erkennen.
Die Kugeln liegen ohne erkennbares Muster auf <strong>de</strong>m<br />
Bo<strong>de</strong>n. Wenn man <strong>de</strong>n Raum durchqueren will, sollte<br />
es kein Problem sein, <strong>de</strong>n Kugeln auszuweichen.<br />
"Gut, was sollen wir dann Deiner Meinung nach<br />
tun?" fragt Ingalf.<br />
"Ich fin<strong>de</strong>, Hesan<strong>de</strong>r hat sich selbst als Wegbereiter<br />
empfohlen." antwortet ihm Isinha schlicht.<br />
"Auch er sollte vermei<strong>de</strong>n, die Kugeln zu berühren",<br />
bemerkt Rovena leise, die zwischen ihren Gefährten<br />
hindurch einen Blick auf <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>n Kugeln<br />
wirft und sich einen Überblick über <strong>de</strong>ren Verteilung<br />
macht. "Kannst du etwas beson<strong>de</strong>res an <strong>de</strong>n Kugeln<br />
ent<strong>de</strong>cken, Hesan<strong>de</strong>r?" fragt sie <strong>de</strong>n Geweihten.<br />
Auch Hesan<strong>de</strong>r betrachtet die Glaskugeln. Sind sie<br />
leer? Bestehen sie aus massivem Glas? Ist etwas<br />
darin?<br />
Es sind äußerst dünnwandige Kugeln. Sie scheinen<br />
mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt zu sein.<br />
Als Hesan<strong>de</strong>r sich hin hockt, um eine Kugel genauer<br />
zu betrachten, ent<strong>de</strong>ckt er eine feine Verzierung auf<br />
<strong>de</strong>m gewölbten Glas: Dargestellt ist ein Mann mit einer<br />
Krone, <strong>de</strong>r sein Wasser gegen ein Bäumchen abschlägt.<br />
Als <strong>de</strong>r Geweihte seine Beobachtung beschreibt und<br />
nach<strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Magier selbst vergewissert hat, lächelt<br />
er selbstzufrie<strong>de</strong>n: "Königswasser, keine Frage."<br />
"Es hat doch auch keiner gefragt, das wohl!" meint Ingalf.<br />
"Und jetzt weißt Du, was es ist, und nu?" 'Hmm,<br />
was ist das bloß für'n Zeug?'<br />
"Es ist eine stark ätzen<strong>de</strong> und giftige Flüssigkeit, wenn<br />
es <strong>de</strong>nn Königswasser ist", meint Rovena erschrocken<br />
zu Elgars Feststellung. "Wir müssen vermei<strong>de</strong>n, dass<br />
sie austreten kann, sonst frisst sie sich durch unsere<br />
Schuhe und unser Fleisch, und wird uns schreckliche<br />
Wun<strong>de</strong>n zufügen."<br />
"Uh!" antwortet Ingalf.<br />
"Nein, für dieses Geräusch hast Du dann keine Zeit<br />
mehr …" fügt <strong>de</strong>r Magier ernst hinzu.<br />
"Na ganz einfach." erklärt Isinha erleichtert. "Brabaker<br />
Vitriol, falls Dir das mehr sagt, ist ganz ähnlich. Aber<br />
das Zeug hier ist besser. Königswasser eben!" Vorsichtig<br />
nimmt <strong>de</strong>r Magier eine <strong>de</strong>r Kugeln auf und wiegt<br />
sie in <strong>de</strong>r Hand. "Hm, gutes Wurfgeschoss. Wer von<br />
uns kann am besten werfen?" fragt er. Auf die unverständigen<br />
Gesichter seiner Gefährten erwi<strong>de</strong>rt er nur:<br />
"Das Glas wird platzen, wenn wir die Kugeln auf die<br />
Eisenfüchse o<strong>de</strong>r sogar die Goldmänner werfen. Und<br />
das Königswasser ist eine so starke Säure, dass selbst<br />
Gold von ihr zersetzt wird. Also seit um Hesin<strong>de</strong>s<br />
Willen vorsichtig damit!" warnt er eindringlich.<br />
"Du meinst, wir knallen <strong>de</strong>n Goldjungs ein paar Kugeln<br />
vor <strong>de</strong>n Latz?" fragt Ingalf erleichtert. "Bei Swaf-<br />
517<br />
nir, das könnte klappen, die sind ja nicht so klein, das<br />
wohl!"<br />
"Nun ja, das könnte uns einerseits gegen diese Goldmänner<br />
und die Füchse helfen, aber reichen die Kugeln,<br />
um ihnen ausreichend Scha<strong>de</strong>n zuzufügen?"<br />
überlegt Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Er zählt leise die Kugeln. Wären wenigstens genug<br />
Kugeln für alle Goldmänner und alle Füchse da?<br />
60 Kugeln sind es genau.<br />
"Wir sollten es auch zunächst einmal lediglich an einem<br />
dieser Wesen ausprobieren. Es empfiehlt sich, zunächst<br />
einmal die effektive Wirkung auf die Wesen zu<br />
studieren, bevor wir uns zu weit vorwagen.<br />
Und wenn wir die Kugeln werfen, wür<strong>de</strong>n sie beim<br />
Auftreffen zerspringen und die Säure in Spritzern verteilen.<br />
Ob wir damit einen im wahrsten Sinn <strong>de</strong>s Wortes<br />
durchschlagen<strong>de</strong>n Effekt haben, ist fraglich.<br />
Falls diese Wesen massiv sein sollten, dürfte die Wirkung<br />
eine Weile auf sich warten lassen. Wenn sie hingegen<br />
hohl sind, sollte es schneller gehen", ergänzt <strong>de</strong>r<br />
Geweihte.<br />
"Aber Hesan<strong>de</strong>r hat Recht. Eventuell müssen wir damit<br />
<strong>de</strong>n Goldpanzer anlösen und sie nachher noch<br />
mit Waffengewalt überwältigen. Nur wenn sie mechanisch<br />
sein sollten, könnte die Beschädigung von Teilen<br />
zu einer Funktionslosigkeit führen. Sind sie allerdings<br />
wie ein Golem durch Zauberkraft entstan<strong>de</strong>n,<br />
dürfte es Erfolg versprechend sein, ihnen die Arme<br />
o<strong>de</strong>r Beine wegzuätzen." resümiert Isinha.<br />
"Aber wie kriegen wir die Kugeln dann so geworfen,<br />
dass wir nix abkriegen?" fragt er <strong>de</strong>n Magier. "Die stehen<br />
doch direkt hinter <strong>de</strong>m Loch …"<br />
"Und wem haben wir das zu verdanken?" stellt <strong>de</strong>r<br />
Magier ganz trocken die Gegenfrage.<br />
"Aye!" Ingalf wen<strong>de</strong>t sich Hesan<strong>de</strong>r zu: "Wenn Du die<br />
Kugeln wirfst, dann lass Dir von Deiner Göttin die<br />
Weisheit eingeben, in die richtige Richtung auszuweichen,<br />
das wohl!"<br />
"Ich soll vorangehen. Ich gehe voran. Es passiert etwas,<br />
das je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r vorangegangen wäre, hätte passieren<br />
können. Und prompt sind <strong>de</strong>r Herr Magus und<br />
<strong>de</strong>r Herr Thorwaler sich einig, dass es meine Schuld<br />
sei. Und so dreht man und wen<strong>de</strong>t man es - <strong>de</strong>nn<br />
wäre ich nicht gegangen, wäre es auch meine Schuld<br />
gewesen …", erwi<strong>de</strong>rt er. "Herrin Hesin<strong>de</strong>, vergib ihnen,<br />
<strong>de</strong>nn sie sind von Selbstgerechtigkeit und von<br />
Selbstgefälligkeit geblen<strong>de</strong>t - je<strong>de</strong>r auf seine Weise."<br />
Dann nimmt er sich vorsichtig zwei Kugeln, umwickelt<br />
sie mit etwas Papier und legt sie ganz oben in<br />
seinen Rucksack.
Der Raum <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Männer – Teil<br />
2<br />
Hesan<strong>de</strong>r geht <strong>de</strong>n Weg zurück bis zu <strong>de</strong>r Öffnung,<br />
wo die Goldmänner vermutlich warten wer<strong>de</strong>n. Er<br />
schaut zunächst durch und ermittelt ihre Position.<br />
Die gol<strong>de</strong>nen Männer haben sich ein wenig vom Loch<br />
zurückgezogen, so auf 4-5 Schritt Entfernung. Er<br />
muss also werfen. Das ist aus <strong>de</strong>r Hocke gar nicht so<br />
einfach. Irgendwie muss es aber gehen.<br />
Es kommt, wie es kommen muss, wenn Phex seine<br />
Finger in <strong>de</strong>r Sache hat., Hesan<strong>de</strong>r trifft mit seiner<br />
ersten Glaskugel die Kante <strong>de</strong>s Loches. Die Kugel zerbirst<br />
und das (vermutete) Königswasser spritzt in alle<br />
Richtungen. Instinktiv springt Hesan<strong>de</strong>r zurück. Nur<br />
ein Tropfen trifft <strong>de</strong>n Ärmel seines Überrockes. Sofort<br />
fängt es an <strong>de</strong>r Stelle an zu qualmen.<br />
"Da! Seht ihr's?" ruft Isinha freudig - und <strong>de</strong>m Ernst<br />
<strong>de</strong>r Lage durchaus nicht angemessen - aus. "Es ist Königswasser!<br />
Hab ich's doch gleich gewusst!"<br />
Die noch in seiner Hand befindliche Kugel sorgsam<br />
wiegend, sieht Isinha durch das Loch und visiert<br />
einen <strong>de</strong>r Goldmänner an, in<strong>de</strong>m er sich in seine<br />
Richtung dreht. Dann stellt er sich vor das Loch und<br />
holt mit <strong>de</strong>r Kugel aus. Anstatt sie jedoch richtig zu<br />
werfen, schleu<strong>de</strong>rt er sie von unten her in die entsprechen<strong>de</strong><br />
Richtung.<br />
Die Kugel triff einen <strong>de</strong>r Goldmänner genau in <strong>de</strong>r<br />
Mitte <strong>de</strong>s Torsos. Das Ergebnis ist spektakulär: Das<br />
Königswasser breitet sich über <strong>de</strong>n Torso aus und es<br />
fängt an zu zischen und zu bro<strong>de</strong>ln. Das Gold beginnt<br />
sich aufzulösen.<br />
"Phex, Du wirst mir doch nicht etwa diese List missgönnen?"<br />
flucht Hesan<strong>de</strong>r. Dann wird er ein Stück<br />
Papier unter das "Brandloch" legen, damit sich die<br />
Säure nicht weiter durchfrisst.<br />
Das Loch wächst langsam, und auch das Papier wird<br />
angefressen.<br />
Falls Elgar Erfolg haben sollte - wo kommt <strong>de</strong>r eigentlich<br />
plötzlich her? - wird Hesan<strong>de</strong>r das Ergebnis abwarten<br />
und es dann ein zweites Mal versuchen - mit<br />
<strong>de</strong>rselben Technik wie Elgar.<br />
Da Elgar, <strong>de</strong>r wie alle an<strong>de</strong>ren Hesan<strong>de</strong>r gefolgt war,<br />
mit seiner Wurftechnik Erfolg hat, versuch Hesan<strong>de</strong>r<br />
es auf die gleiche Art. Seine Kugel triff zwar nicht genau<br />
in die Mitte, aber er erwischt ein Knie.<br />
Von dort ausgehen, beginnt die alchimistische Reaktion.<br />
Ein kleiner Schmerz an seinem Arm erinnert Hesan<strong>de</strong>r<br />
daran, dass <strong>de</strong>r Säurespritzer immer noch wirkt.<br />
Nach<strong>de</strong>m Hesan<strong>de</strong>r die immer noch fressen<strong>de</strong> Säure<br />
bemerkt, wird er seine Basiliskenzunge nehmen und<br />
die entsprechen<strong>de</strong> Stelle aus <strong>de</strong>m Gewand heraustren-<br />
518<br />
nen. Einen Fetzen überschüssigen Stoffs sollte er in<br />
seinem Rucksack fin<strong>de</strong>n, um das Loch zu stopfen.<br />
Ingalf hat Seesack und Waffen in <strong>de</strong>m Kugelraum abgelegt<br />
und ist dann mit zwei Kugeln in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />
Hesan<strong>de</strong>r und Isinha gefolgt. Dort wartet er dann auf<br />
die Ergebnisse <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren bevor er die Kugeln auf die<br />
Goldjungs wirft.<br />
Edric nimmt Ingalf Sachen an sich und folgt ihm. Er<br />
nimmt keine <strong>de</strong>r Kugeln an sich, schließlich gibt es<br />
schon genügend, die sich mit einem Wurf versuchen<br />
wollen.<br />
Ingalf hat Erfahrung darin zu werfen. Bei<strong>de</strong> Kugeln<br />
treffen und haben die gleiche Wirkung wie die zuvor<br />
geworfenen.<br />
Bei <strong>de</strong>m zuerst getroffenen haben sich mittlerweile<br />
große Teile <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Oberfläche aufgelöst. Darunter<br />
kommt rosige Haut zum Vorschein.<br />
Fasziniert beobachtet <strong>de</strong>r Magier das Ergebnis <strong>de</strong>r Reaktion<br />
<strong>de</strong>r Säure auf das Gold. "Darunter sind es<br />
Menschen!" entfährt es ihm, als die Haut zum Vorschein<br />
kommt. "Denen müssen wir dann wohl noch<br />
mit unseren Waffen zu Leibe rücken." stellt er fest.<br />
"Aber das sollte für uns nicht das große Problem sein."<br />
fügt er mit einem Blick auf Melachath und Ingalf hinzu.<br />
Der Aranier steht bereit.<br />
"Aye, das ist zu schaffen, das wohl!" nickt <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
"Aber erst die letzten bei<strong>de</strong>n …"<br />
Nur noch zwei Goldmänner sind unversehrt.<br />
Nach <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Treffern dreht sich Ingalf zu <strong>de</strong>n<br />
Gefährten um: "Habt ihr noch zwei Kugeln?"<br />
Dann macht Isinha Platz für weitere Werfer.<br />
"Nun, hohl o<strong>de</strong>r massiv sind sie nicht. Aber menschlich?"<br />
entfährt es Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Dann schaut er in die Run<strong>de</strong>. "Ist es <strong>de</strong>nkbar, dass das<br />
eine Gruppe Abenteurer war, die vor uns <strong>de</strong>n Hort<br />
aufgesucht hat und jetzt gezwungenermaßen Wache<br />
halten muss?" Wer wür<strong>de</strong> sich freiwillig mit Gold<br />
überziehen lassen und hier gegebenenfalls Äonen herumstehen<br />
wollen?"<br />
"Wenn ihr ohne Vernunft, aber voller Wagemut seid, dann<br />
geht …" zitiert Ingalf die Stimme aus <strong>de</strong>m ersten<br />
Raum. "Dann hatten die wohl zuviel Vernunft, das<br />
wohl!<br />
Das kann uns ja nicht passieren, o<strong>de</strong>r mein geweihter<br />
Freund?" beim letzten Satz klopft er Hesan<strong>de</strong>r auf die<br />
Schulter.<br />
"Nein uns wohl nicht", sagt Hesan<strong>de</strong>r etwas einsilbig.<br />
Verschwörerisch grinsend bemerkt Isinha dazu nur<br />
leise: "Nein, mit Vernunft ist es bei einigen hier wirklich<br />
nicht weit her."
Mittlerweile hat sich beim ersten Goldmann die gesamte<br />
Schicht zersetzt. Bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren drei getroffenen<br />
ist <strong>de</strong>r Zersetzungsprozess verschie<strong>de</strong>n weit voran<br />
geschritten.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut sich die Männer in "entgol<strong>de</strong>tem"<br />
Zustand genauer an. Könnten das Abenteurer gewesen<br />
sein?<br />
Das könnten sie.<br />
Ist die Haut unter <strong>de</strong>m Gold unversehrt o<strong>de</strong>r frisst<br />
sich die Säure auch da durch?<br />
Die Haut unter <strong>de</strong>m Gold wird von <strong>de</strong>r Säure nicht<br />
angegriffen.<br />
Verziehen sie ihre Gesichter? Verspüren sie Schmerzen?<br />
Die gol<strong>de</strong>nen Männer geben kein Geräusch von sich.<br />
Ihre Gesichter sind ausdruckslos.<br />
Ingalf dreht sich noch einmal nach <strong>de</strong>n Gefährten<br />
um. Haben Rovena o<strong>de</strong>r Edric noch Kugeln dabei?<br />
Sieht er keine, dann wird er noch zwei Kugeln holen<br />
und gegen die letzten bei<strong>de</strong>n Goldjungs vorgehen.<br />
Auch Rovena hat mit äußerster Vorsicht eine <strong>de</strong>r Kugel<br />
mit <strong>de</strong>m Königswasser aufgenommen und in <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren Raum getragen. Sie reicht diese nun <strong>de</strong>m sich<br />
suchend umschauen<strong>de</strong>n Thorwaler hin. "Hier", meint<br />
sie nur, <strong>de</strong>nn sie will sich nicht auch noch an das Loch<br />
drängen und die Goldmänner bewerfen.<br />
"Aye, <strong>de</strong>nn man tau!" bedankt sich Ingalf bei <strong>de</strong>r Hexe<br />
und setzt zu einem weiteren Wurf an.<br />
Der trifft ebenfalls und hat die schon gewohnte Wirkung.<br />
Die Goldmänner versuchen gar nicht, <strong>de</strong>n Geschossen<br />
auszuweichen.<br />
Als alle ihre Kugeln geworfen haben - mit spektakulärem<br />
Ergebnis - ist allerdings ein gol<strong>de</strong>ner Mann ungetroffen.<br />
Ingalf geht los und holt noch vorsichtig zwei Kugeln<br />
aus <strong>de</strong>m Raum. Eine wirft er auf <strong>de</strong>n letzten gol<strong>de</strong>nen<br />
Mann, die zweite legt er vorsichtig neben <strong>de</strong>m Durchgang<br />
ab.<br />
Als auch die sechste Kugel ihre Wirkung getan hat,<br />
wen<strong>de</strong>t er sich Edric zu: "Danke! Den Sack hättste<br />
auch stehen lassen können, <strong>de</strong>r kommt schon nich'<br />
wech, das wohl!"<br />
Er stellt <strong>de</strong>n Seesack gegen die Spiegelwand und<br />
macht sich dann bereit, mit Melachath <strong>de</strong>n Resten <strong>de</strong>r<br />
Goldjungs einen über zu braten.<br />
Grimmig schaut <strong>de</strong>r Krieger seinen Gefährten an und<br />
nickt ihm zu.<br />
Sollte es nach <strong>de</strong>m Auflösen <strong>de</strong>r Goldschicht zu einem<br />
Kampf kommen, wird Hesan<strong>de</strong>r natürlich mit von <strong>de</strong>r<br />
Partie sein. Allerdings wird er eher <strong>de</strong>fensiv kämpfen,<br />
weil er mit seinem Stab ohnehin nicht viel ausrichten<br />
519<br />
kann, selbst wenn die Goldschicht weggeätzt sein sollte.<br />
Ingalf kramt in seiner Gürteltasche und holt die rote<br />
Pille heraus und steckt sie in eine seiner Westentaschen,<br />
das er sie im Ernstfall schnell greifen kann.<br />
Dann wartet er ab, bis die Säure auch beim letzten gewirkt<br />
hat.<br />
Oh Schreck! Gera<strong>de</strong> als beim letzten das Gold sich<br />
vollkommen aufgelöst hat, zeigen sich beim ersten <strong>de</strong>r<br />
Männer wie<strong>de</strong>r Goldflecken auf <strong>de</strong>r Haut.<br />
"Wir müssen uns beeilen. Elgar, lasst uns bei<strong>de</strong> neue<br />
Kugeln holen gehen, während die an<strong>de</strong>ren vier die<br />
Goldmänner soweit in Schach halten. Wenn sie ihre<br />
Rüstung regenerieren, müssen sie wohl immer wie<strong>de</strong>r<br />
aufs Neue von <strong>de</strong>r Säure getroffen wer<strong>de</strong>n!" erwi<strong>de</strong>rt<br />
Hesan<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r misslichen Lage.<br />
"Aye! Macht das!" stimmt ihm Ingalf zu und wirft<br />
noch die Reserve-Kugel.<br />
… auf <strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r regenerieren<strong>de</strong>n. Die Neubildung<br />
<strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s wird sofort durch einen Auflösungsprozess<br />
ersetzt.<br />
Der Magier überlegt kurz. Aber ihm will kein recht<br />
passen<strong>de</strong>r Zauber für diesen Moment einfallen. Kurzzeitig<br />
ließe sich sicher <strong>de</strong>r eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Goldmann<br />
blitzen, aber alle auf einmal?<br />
Also legt er seinen Rucksack ab und folgt <strong>de</strong>m Geweihten<br />
zurück in <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>n Kugeln, von <strong>de</strong>nen<br />
er zwei wie<strong>de</strong>r mit zurück zum Loch bringt. Anschließend<br />
folgt er Melachath, Ingalf und wahrscheinlich<br />
Edric hindurch, das Holen neuer Kugeln Rovena<br />
überlassend.<br />
'Was machen sie nur?' Rovena steht entsetzt da und<br />
muss mit ansehen, wie sich ihre Gefährten in einen<br />
erneuten Kampf stürzen, nur um in einen Raum zu<br />
gelangen, <strong>de</strong>r sich als Sackgasse herausstellen wird. Es<br />
bleibt ihr nichts an<strong>de</strong>res übrig, als diese Säurekugel zu<br />
holen, um so ihre Gefährten in <strong>de</strong>m Kampf zu unterstützen,<br />
<strong>de</strong>nn ihre Kraft wird nicht mehr ausreichen,<br />
die Goldmänner abzulenken. Während sie zu <strong>de</strong>m<br />
Raum mit <strong>de</strong>n Kugeln eilt, tastet ihre Hand nach <strong>de</strong>r<br />
karmesinroten Pille in ihrer Gürteltasche. Ob Garhelt<br />
geahnt hat, was sie hier erwartet …? Eine Kugel nach<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren bringt sie bei und legt sie an <strong>de</strong>r Wand neben<br />
<strong>de</strong>m Loch ab.<br />
Nach<strong>de</strong>m genug Kugeln (schätzungsweise 12 Stück -<br />
also zwei pro Nase äh Goldmann) geholt sind, wird<br />
Hesan<strong>de</strong>r ebenfalls durch das Loch kriechen. Diesmal<br />
wird er aber nicht aus zu großer Distanz werfen, <strong>de</strong>nn<br />
ein Fehlwurf, <strong>de</strong>r seine Gefährten trifft, kann er sich<br />
nicht erlauben. Bevor er mit zwei Kugeln bewaffnet<br />
vorsichtig durch das Loch kriecht, schickt er ein Stoßgebet<br />
zu Hesin<strong>de</strong> und zu Phex, auf dass sie ihn mit<br />
<strong>de</strong>r Weisheit segnen mögen, im richtigen Augenblick
zu werfen, und mit <strong>de</strong>r Gewandtheit, das Ziel auch zu<br />
treffen.<br />
Melachath begibt sich ohne weiteres Zögern in <strong>de</strong>n<br />
Raum und greift diesen Goldmann an.<br />
Glücklicherweise scheinen die Goldmänner durch<br />
<strong>de</strong>n Säureangriff etwas behin<strong>de</strong>rt zu sein, <strong>de</strong>nn sie<br />
versuchen nicht, Melachath anzugreifen, während er<br />
schutzlos durch das Loch kriecht.<br />
Ingalf folgt ihm sofort.<br />
Melachath merkt sofort, dass blin<strong>de</strong>r Ansturm nicht<br />
<strong>de</strong>r richtige Ansatz ist. Der von ihm anvisierte Gegner<br />
macht sich sofort kampfbereit und greift sogar als erster<br />
an, verfehlt Melachath aber. Melachaths Schwert<br />
dagegen beißt sich dagegen tief in die Schulter seines<br />
Gegners.<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r hinter Melachath ist, merkt, dass die an<strong>de</strong>ren<br />
Goldmänner keine Anstalten machen, Melachath<br />
anzugreifen. Sie sind Ingalf zugewandt, als ob sie abwarten,<br />
wen er als Gegner auswählen wird.<br />
Da Ingalf freie Auswahl hat, wird es sich <strong>de</strong>m Gegner<br />
stellen, <strong>de</strong>ssen Goldhaut sich als nächstes regenerieren<br />
wird.<br />
Melachaths Gegner hat wie<strong>de</strong>r die erste Attacke, verstolpert<br />
diese aber. Melachaths Gegenangriff trifft <strong>de</strong>n<br />
Goldmann sauber in die Seite. Melachath fällt noch<br />
auf, dass sein Gegner nicht blutet, dann löst <strong>de</strong>r sich<br />
in Luft auf.<br />
Ingalf und sein Gegenüber kommen noch nicht zum<br />
Schlag. Die ersten gol<strong>de</strong>nen Stellen sind wie<strong>de</strong>r zu sehen.<br />
Die an<strong>de</strong>ren Goldmänner warten ab.<br />
Edric hat bisher in zweiter Reihe verharrt und beobachtet.<br />
Mit seinem Stab wird er auch kaum Scha<strong>de</strong>n<br />
gegen einen Gegner anrichten können, ist seine Hirtenwaffe<br />
doch eher darauf ausgelegt seinen Wi<strong>de</strong>rsacher<br />
mit blauen Flecken in die Flucht zu schlagen<br />
o<strong>de</strong>r zu entwaffnen.<br />
Hätte er doch bloß <strong>de</strong>n Dreizack nicht in <strong>de</strong>n Raum<br />
geworfen! Nach<strong>de</strong>nklich schaut er zu <strong>de</strong>m Dreizack<br />
hinüber, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n liegt. Wenn er ihn erreichen<br />
wür<strong>de</strong>, könnte er in <strong>de</strong>n Kampf eingreifen …<br />
So bleibt es an Melachath und Ingalf, gegen eine<br />
Übermacht von sechs Goldmännern zu kämpfen. Und<br />
Hesan<strong>de</strong>r kriecht durch das Loch mit zwei Säure-Kugeln<br />
in <strong>de</strong>r Hand.<br />
Hesan<strong>de</strong>r wird sich in eine Position zu <strong>de</strong>n Goldmännern<br />
begeben, in <strong>de</strong>r er zum einen leicht einen <strong>de</strong>r<br />
fünf verbliebenen treffen kann, zum an<strong>de</strong>ren aber auf<br />
keinen Fall Ingalf o<strong>de</strong>r Melachath treffen kann.<br />
Sich an Phexens Willkür erinnernd besinnt er sich<br />
dann eines Besseren und dreht sich zu Edric um, <strong>de</strong>r<br />
immer noch nicht durch das Loch gekrochen ist.<br />
520<br />
"Mein Sohn, ich glaube, damit kannst Du besser umgehen<br />
als ich", sagt er zum Hirten und hält ihm die<br />
Säurekugeln hin.<br />
Edric starrt auf die Kugel mit <strong>de</strong>r gefährlichen Flüssigkeit.<br />
Und er soll das Ding anfassen? Alles in ihm<br />
sträubt sich danach! Doch er will nicht als Feigling dastehen,<br />
so legt er sein Gepäck ab und greift mit kalten<br />
Fingern nach einer <strong>de</strong>r Kugeln. Gaaanz vorsichtig befühlt<br />
er das Glas, so als ob er bitten wür<strong>de</strong>, nicht in<br />
seiner Hand zu zerspringen.<br />
Nach scheinbar unzähligen Momenten strafft er sich,<br />
atmet tief durch und kriecht mit seiner gefährlichen<br />
Fracht vorsichtig durch das Loch um in <strong>de</strong>n ungleichen<br />
Kampf einzugreifen.<br />
Und <strong>de</strong>r ist dann schon vorüber.<br />
So legt Eric vorsichtig die Kugel ab, nimmt 'seinen'<br />
Dreizack wie<strong>de</strong>r auf und folgt <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. Das beschämen<strong>de</strong><br />
Gefühl, en an<strong>de</strong>ren nicht beigestan<strong>de</strong>n zu<br />
haben, beschleicht ihn.<br />
In diesem Moment widmet sich <strong>de</strong>r Aranier einem<br />
weiteren Gegner ohne Goldbezug.<br />
Auch <strong>de</strong>r Magier nimmt sich <strong>de</strong>n gleichen Goldmann<br />
vor, auf <strong>de</strong>n schon <strong>de</strong>r Krieger eingeschlagen hat.<br />
'Wenn die an<strong>de</strong>ren nur so dastehen … wer weiß?'<br />
Vor Isinhas Augen löst sich Melachaths Gegner in<br />
Luft auf, gera<strong>de</strong> als Isinha werfen will. Und auch Ingalf<br />
wird mit seinem Gegner fertig. Zwei <strong>de</strong>r übrigen<br />
Gegner wen<strong>de</strong>n sich je Ingalf und Melachath zu. Des<br />
dritten Ziel ist - Isinha.<br />
Ingalfs Gegner strauchelt, und Ingalf kann darauf<br />
einen furchtbaren beidhändigen Schlag gegen <strong>de</strong>n<br />
Goldmann anbringen. Und gleich noch einen.<br />
Auch dieser Goldmann löst sich in Luft auf.<br />
Melachath ist fast noch glücklicher. Sein Goldmann<br />
verfehlt ihn, und er schafft es, seinen Rabenschnabel<br />
in <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren zu treiben.<br />
Da waren es nur noch drei.<br />
Da <strong>de</strong>r Gegner besiegt ist, wen<strong>de</strong>t sich Isinha einem<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Goldmänner zu und sucht sich <strong>de</strong>njenigen<br />
mit <strong>de</strong>r am weitesten fortgeschrittenen Rückbildung<br />
<strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Haut aus. Ihm versetzt er mit <strong>de</strong>r<br />
Spitze seines Stabs einen Stoß vor die Brust, als wäre<br />
es ein Speer, um ausreichen<strong>de</strong>n Abstand zu wahren.<br />
Der Goldmann sucht ihn aus, und bevor es sich Isinha<br />
versieht, muss er erst einmal dafür sorgen, vom<br />
Schwert seines Gegners nicht getroffen zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Aber dann gelingt es Isinha, einen sauberen Stoß anzubringen.<br />
Nach <strong>de</strong>m Stoß von Isinha setzt Ingalf <strong>de</strong>m Goldjungen<br />
nach.<br />
Das wür<strong>de</strong> Ingalf gern tun, aber er muss sich gegen<br />
einen an<strong>de</strong>ren Goldmann zur Wehr setzen. Und<br />
Schlachtvieh ist <strong>de</strong>r nicht. Ingalfs ersten Schlag pariert
er, und setzt dann mit einem perfekt geführten Stoß<br />
nach. Nur mit Phexens Hilfe, das Gefühl hat Ingalf<br />
je<strong>de</strong>nfalls, gelingt es Ingalf <strong>de</strong>n Stoß abzuwehren.<br />
'Diesmal muss ich wohl Danke! sagen', betet Ingalf zu<br />
Phex.<br />
Und auch Ingalfs nächste Attacke pariert <strong>de</strong>r Gol<strong>de</strong>ne.<br />
Aber nichts <strong>de</strong>sto trotz setzt <strong>de</strong>r Thorwaler gegen <strong>de</strong>n<br />
Gol<strong>de</strong>nen nach.<br />
Erst einmal lan<strong>de</strong>t keiner <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n einen Treffer.<br />
Für Melachath bleibt genau ein Gegner, <strong>de</strong>ssen Goldfarbe<br />
gera<strong>de</strong> völlig verschwun<strong>de</strong>n ist. Nackt ist er,<br />
kann aber immerhin so gut mit seinem Schwert umgehen,<br />
dass erst Melachaths zweiter Schlag zu einem<br />
Treffer führt.<br />
Von seinen bisherigen Erfolgen euphorisiert vernachlässigt<br />
<strong>de</strong>r Aranier seine Abwehr und greift mit aller<br />
Vehemenz an.<br />
Sofort läuft er in eine Attacke <strong>de</strong>s gol<strong>de</strong>nen Mannes.<br />
Sein eigener Angriff wird auch pariert.<br />
Der Aranier sucht die schnelle Entscheidung und attackiert<br />
weiter.<br />
Der Magier sieht auch als wenig kampferprobter Gegner,<br />
dass hier seine Chance lauert. Mit einem ausholen<strong>de</strong>n<br />
Schwung, wobei er <strong>de</strong>n Stab mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>r Mitte fasst und dann zu <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong> umgreift,<br />
donnert er <strong>de</strong>m Goldmann <strong>de</strong>n unzerbrechlichen<br />
Kopf <strong>de</strong>s Stabs gegen <strong>de</strong>n Hals.<br />
Das gelingt perfekt, ohne dass Isinha selbst getroffen<br />
wird. Der Goldmann löst sich in Luft auf. Isinha hat<br />
einen Gegner im Kampf ohne <strong>de</strong>n Einsatz von Magie<br />
besiegt!<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist für einen Moment ob Phexens helfen<strong>de</strong>r<br />
Hand beeindruckt. Sofern einer seiner Gefährten in<br />
Bedrängnis geraten sollte, wird er ebenfalls eingreifen.<br />
Ansonsten rückt er langsam vor.<br />
Melachaths Goldmann pariert. Wenigstens wird Melachath<br />
nicht wie<strong>de</strong>r getroffen.<br />
Während<strong>de</strong>ssen muss Ingalf erfahren, dass auch das<br />
Schwert seines gol<strong>de</strong>nen Gegners scharf ist. Ingalf trifft<br />
aber auch.<br />
Mit einem "Du blö<strong>de</strong>r Goldschä<strong>de</strong>l, Dich wer<strong>de</strong> ich<br />
…" attackiert Ingalf <strong>de</strong>n Goldjungen erneut.<br />
Der Goldmann kommt ins Stolpern, was Ingalf einen<br />
gewaltigen Hieb ermöglicht. Nicht überraschend löst<br />
sich auch dieser gol<strong>de</strong>ne Mann auf.<br />
"Sach ich doch, das wohl!" kommt es erleichtert von<br />
Ingalf. Er sieht sich nach <strong>de</strong>n weiteren Kämpfen um,<br />
aber da nur noch Melachath gegen einen Goldjungen<br />
kämpft und <strong>de</strong>m ja auch Hesan<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Isinha beistehen<br />
können, greift er nicht weiter in <strong>de</strong>n Kampf ein.<br />
521<br />
Statt<strong>de</strong>ssen schaut er sich seine Orknase an. Klebt an<br />
ihr Blut o<strong>de</strong>r Goldstaub? Und dann wird es sich <strong>de</strong>m<br />
Rest <strong>de</strong>s Raumes zu wen<strong>de</strong>n.<br />
An Ingalfs Orknase klebt we<strong>de</strong>r Blut noch Goldstaub.<br />
Auch Melachaths Gegner stolpert. Lei<strong>de</strong>r ist sein Hieb<br />
nicht ganz so wirkungsvoll. Der Gol<strong>de</strong>ne kämpft weiter.<br />
Da <strong>de</strong>m Magier soeben ein fulminanter Sieg ohne<br />
Einsatz <strong>de</strong>r kostbaren Astralenergie und eines Zaubers<br />
gelungen ist, wird er zwar nicht übermütig, gibt sich<br />
aber kämpferischer als gewöhnlich: "Nimm das!" ruft<br />
er laut, während er <strong>de</strong>m Krieger zu Hilfe eilend seinen<br />
Stab <strong>de</strong>m Goldmann in die Seite stößt. 'Dies sollte ihn<br />
zumin<strong>de</strong>st soweit ablenken, dass Melachath ungehin<strong>de</strong>rt<br />
zuschlagen kann.' geht Isinha dabei durch <strong>de</strong>n<br />
Kopf.<br />
Da sich gleichzeitig <strong>de</strong>r Goldmann bewegt, geht Isinhas<br />
Stoß ins Leere.<br />
Mit einem kurzen Nicken macht <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>m Magier<br />
<strong>de</strong>utlich, dass er seine Hilfe wahrnimmt und<br />
dankt. Dann führt er seine nächste Attacke gegen <strong>de</strong>n<br />
Goldmann.<br />
Der Gol<strong>de</strong>ne trifft dafür wie<strong>de</strong>r Melachath, aber dann<br />
ist <strong>de</strong>r Kampf mit einem fulminanten Schlag Melachaths<br />
zu En<strong>de</strong>. Der letzte Gol<strong>de</strong>ne hat sich aufgelöst.<br />
"Helft Euch selbst, dann hilft Euch Phex", entfährt es<br />
Hesan<strong>de</strong>r. "Wenn das hier nicht zutraf … Dann lasst<br />
uns einmal sehen, was sich hinter <strong>de</strong>r Tür verbirgt."<br />
Und da ist <strong>de</strong>r Kampf zu En<strong>de</strong>.<br />
"Aye, das war nicht schlecht, das wohl!" lobt <strong>de</strong>r Thorwaler<br />
seine Gefährten.<br />
Außer Ingalf sind Melachath, Hesan<strong>de</strong>r und Isinha im<br />
Raum. Die Tür am <strong>de</strong>m Loch gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Raumes ist immer noch da.<br />
Und dieser Tür wen<strong>de</strong>t sich Ingalf jetzt zu und versucht<br />
dieser zu öffnen.<br />
Mit angehaltenem Atem hat Rovena <strong>de</strong>n Kampf ihrer<br />
Gefährten gegen die Goldmänner verfolgt, ohne einschreiten<br />
zu können. Sie beißt die Zähne bei <strong>de</strong>n Treffern<br />
zusammen, die die Kämpfer einstecken müssen<br />
und hofft inständig, dass es bald vorbei sein mag.<br />
Als <strong>de</strong>r letzte Goldmann vor ihren Augen verschwin<strong>de</strong>t,<br />
kriecht auch sie durch <strong>de</strong>n engen Durchgang und<br />
schaut sich <strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n an, <strong>de</strong>n die Waffen <strong>de</strong>r metallenen<br />
Krieger verursacht haben. Wie<strong>de</strong>r wird sie Blutungen<br />
stillen und Wun<strong>de</strong>n verbin<strong>de</strong>n müssen … ist<br />
das <strong>de</strong>r Weg durch dieses Labyrinth? Wie lange wer<strong>de</strong>n<br />
die sauberen Tücher noch reichen?<br />
Der falsche Schatz<br />
Die Tür lässt sich leicht öffnen. Dahinter kommt erst<br />
ein kurzer Gang, dann eine weitere Tür, die sich wie-
<strong>de</strong>r leicht öffnen lässt Dort kommt ein quadratischer<br />
Raum, vor <strong>de</strong>ssen Ostwand ein gewaltiger Schatzhaufen<br />
aufgetürmt ist - zwei Schritt hoch und sechs<br />
Schritt breit.<br />
Münzen, Kronen, Hals- und Armreifen glänzen im<br />
Mondlicht.<br />
"So, da wären wir also." kommentiert Isinha <strong>de</strong>n Anblick<br />
<strong>de</strong>r weltlichen Schätze.<br />
Melachath, durch seinen Kampf ganz vorne, folgt <strong>de</strong>n<br />
Weg bis in die Schatzkammer. Im Türrahmen bleibt er<br />
stehen und betrachtet kurz das wertvolle Gut. Dann<br />
beäugt er <strong>de</strong>n Weg zum Schatz, Wän<strong>de</strong> und Decke.<br />
Da gibt es nichts auffälliges zu sehen. Aber irgen<strong>de</strong>twas<br />
an <strong>de</strong>r Farbe <strong>de</strong>s Gol<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Münzen stimmt<br />
nicht.<br />
Ingalf schiebt Melachath, <strong>de</strong>r mit großen Augen stehen<br />
geblieben ist, zur Seit, geht die Schritte zum Haufen<br />
und greift mit einer Hand nach <strong>de</strong>m Schatz.<br />
Edric schaut staunend die Aufhäufung <strong>de</strong>r vermeintlichen<br />
Reichtümer an. So muss es in <strong>de</strong>n Schatzkammern<br />
<strong>de</strong>r Könige, Kaiser und Kalifen aussehen. Doch<br />
nichts drängt ihn, sich an <strong>de</strong>m Gold mit <strong>de</strong>r seltsamen<br />
Farbe zu vergreifen. Für ihn zählen an<strong>de</strong>re Reichtümer.<br />
Reichtümer die we<strong>de</strong>r mit Silber noch mit Gold<br />
zu bezahlen sind.<br />
Er wartet ab, was seine Gefährten tun.<br />
Mist! Die Münzen, die Ingalf in die Hand nimmt,<br />
sind bestimmt nicht aus Gold. Viel zu leicht. Und<br />
dann tragen sie noch eine merkwürdige Prägung:<br />
Einen lachen<strong>de</strong>n Fuchskopf auf <strong>de</strong>r einen, einen Vollmond<br />
mit Schmunzelgesicht auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite.<br />
"Dieses Zeichen habe ich doch schon mal hier gesehen."<br />
meint <strong>de</strong>r Magier nach<strong>de</strong>nklich. "Könnte das<br />
nicht eine Art 'Bezahlung' für <strong>de</strong>n Eisenmann bei <strong>de</strong>n<br />
Tatzelwürmern sein?" fragt er nach kurzem Überlegen.<br />
"Der hatte doch so ein Zeichen auf <strong>de</strong>r Zunge."<br />
Auch Hesan<strong>de</strong>r bestaunt zunächst die Reichtümer, die<br />
dort angehäuft sind. Ohne Gier nimmt er das eine<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re hoch und betrachtet es.<br />
Alles Tand, Messing und Glas, ein<strong>de</strong>utig.<br />
Dann wird er auf die Münzen aufmerksam.<br />
"Wenn das nicht ein Zeichen Phexens ist", betrachtet<br />
Hesan<strong>de</strong>r die Münzen. "Vielleicht helfen diese uns<br />
aus <strong>de</strong>m Hort wie<strong>de</strong>r hinaus zu kommen", sinniert er<br />
und steckt neun Münzen ein - ebenso viele wie Phexens<br />
heilige Zahl beträgt.<br />
"Aye, viel wert ist das nicht, aber vielleicht hilft's!"<br />
meint Ingalf. "Wär aber auch irgendwie ganz schon<br />
mager für <strong>de</strong>n echten Orkenhort, das wohl!"<br />
Ingalf steckt sich zwei Handvoll Münzen ein und<br />
prüft, ob es im Haufen vielleicht doch noch etwas<br />
Wertvolles gibt.<br />
522<br />
Nichts, ganz und gar nichts Wertvolles ist da auf <strong>de</strong>n<br />
ersten Blick zu ent<strong>de</strong>cken.<br />
Neugierig tritt Rovena an Ingalf heran und schaut auf<br />
die Münzen in seiner Hand. Nicht <strong>de</strong>r Wert interessiert<br />
sie, aber die Prägung lässt ein Lächeln auf ihren<br />
Lippen erscheinen. "Sieh' an, die müssten doch in die<br />
Vertiefung in <strong>de</strong>r Zunge <strong>de</strong>s Eisenritters passen! Versuchen<br />
wir es gleich?"<br />
"Nur immer mit <strong>de</strong>r Ruhe, das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Aber Du hast Recht, dass sieht gut aus …"<br />
Solange die Gefährten sich nicht äußern, wie es weiter<br />
gehen soll, durchsucht Ingalf <strong>de</strong>n Haufen. Wird er in<br />
<strong>de</strong>n äußeren Lagen nicht fündig, schiebt und drückt<br />
er ein wenig mit <strong>de</strong>r Orknase.<br />
"Das sollten wir auf alle Fälle versuchen", antwortet<br />
Hesan<strong>de</strong>r prompt. "Wir sollten uns hier noch etwas<br />
umsehen", fügt er hinzu. "Das ist mir alles etwas zu<br />
einfach gegangen", meint er dann sichtlich skeptisch.<br />
"Die Münzen, die nicht wirklich wertvoll sind, die<br />
Goldmänner, für die es bereits ein Gegenmittel gibt,<br />
und die Statue, die wohl auf diese Münzen reagieren<br />
wird. Entwe<strong>de</strong>r sind Rondras Schwert und Phexens<br />
List hier in vereinter Kraft <strong>de</strong>s Rätsels allzu schnelle<br />
Lösung, o<strong>de</strong>r aber wir haben <strong>de</strong>n wahren Schatz noch<br />
gar nicht gefun<strong>de</strong>n", gibt er zu be<strong>de</strong>nken.<br />
"Natürlich ist das noch nicht <strong>de</strong>r richtige Schatz, das<br />
wohl!" kommt Ingalfs Stimme von <strong>de</strong>m Haufen her.<br />
"Wäre das <strong>de</strong>r Schatz, wäre hier nicht nur Tand, son<strong>de</strong>rn<br />
auch die magischen Dinger von <strong>de</strong>nen Junivera<br />
gesprochen hat."<br />
"Dann sollten wir uns nicht länger damit aufhalten",<br />
meint die Hexe ungeduldig und wen<strong>de</strong>t sich wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>m Ausgang aus diesem Gangabschnitt zu.<br />
Hesan<strong>de</strong>r folgt ihr und meint dann zu ihr, als er zu<br />
ihr aufgeschlossen hat: "Ich bin neugierig darauf, <strong>de</strong>n<br />
echten Schatz zu sehen. Und darauf, ob es ein Schatz<br />
ist, wie Ingalf ihn erwartet o<strong>de</strong>r doch eher etwas an<strong>de</strong>res."<br />
"Was erwartest du an<strong>de</strong>res, als das, was uns Junivera<br />
darüber erzählt hat?" gibt sie ihm als Antwort. "Schätze,<br />
wie sie Drachen horten, Gold und Silber in allen<br />
Formen, Schmuck und E<strong>de</strong>lsteine, Waffen und magische<br />
Artefakte, hat sie gesagt. Wegen letzterer bist du<br />
doch auch an <strong>de</strong>m Hort interessiert, o<strong>de</strong>r?" Sie schaut<br />
<strong>de</strong>n Geweihten mit einem Seitenblick an und überlegt,<br />
wie er wohl mit <strong>de</strong>n magischen Gegenstän<strong>de</strong>n<br />
umgehen wird. Ob er alles für sich und seinen Or<strong>de</strong>n<br />
beansprucht? Und wenn, wird es dann mit Isinha zur<br />
Konfrontation kommen? Sie hofft inständig, dass sich<br />
die bei<strong>de</strong>n einigen können …<br />
Stumm nickt <strong>de</strong>r Magier. 'Ja, lasst uns gehen. Hier fin<strong>de</strong>n<br />
wir nichts von Wert, son<strong>de</strong>rn höchstens eine Eintrittskarte<br />
zu weiteren Schwierigkeiten.' fügt er in Gedanken<br />
hinzu.
Bei Rovenas Worten über das anfängliche Interesse<br />
<strong>de</strong>s Geweihten, sie wegen <strong>de</strong>r magischen Artefakte <strong>de</strong>s<br />
Hortes weiter zu begleiten, horcht er aber auf. Das<br />
hatte er fast vergessen! 'Was machen Geweihte doch<br />
gleich mit Artefakten - Richtig, sie schleppen sie in<br />
einen Tempelhort und sitzen darauf, bis alles im Laufe<br />
<strong>de</strong>r Äonen zu Staub zerfällt. Man kann eher von einem<br />
Drachen ein Kleinod erfeilschen, als auch nur<br />
einen Blick in die Bleikammern gewisser Or<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
Aka<strong>de</strong>mien zu werfen.' Das waren die Worte <strong>de</strong>s<br />
Schatzmeisters <strong>de</strong>r Mirhamer Aka<strong>de</strong>mie zu Zeiten seiner<br />
Scholarenzeit gewesen. 'Was <strong>de</strong>r Alte Zwerg wohl<br />
gera<strong>de</strong> treibt?' schweifen Isinhas Gedanken zu <strong>de</strong>m<br />
scherzhaft so bei <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>ntenschaft genannten<br />
Schatzmeister ab.<br />
"Ihr habt Recht, Rovena, wegen <strong>de</strong>r Artefakte bin ich<br />
hier", stimmt <strong>de</strong>r Geweihte zu. "Doch geht es hier<br />
nicht um meinen persönlichen Ruhm o<strong>de</strong>r meinen<br />
persönlichen Reichtum son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n Ruhm und<br />
die Ehre meiner Kirche und um meine Visionen, die<br />
ich hatte."<br />
'Also doch!' horcht Isinha interessierter wie<strong>de</strong>r auf.<br />
"Die Vision …" Rovena erinnert sich an das erste Zusammentreffen<br />
mit Hesan<strong>de</strong>r in Thorwal. "Du hast<br />
uns erzählt, <strong>de</strong>ine Göttin hätte dich zu uns geführt,<br />
weil wir ihren Beistand und <strong>de</strong>n ihrer Geschwister benötigen.<br />
Doch was soll das be<strong>de</strong>uten und wie soll dieser<br />
Beistand aussehen?" Ruhm und Ehre seiner Kirche<br />
… Rovena ahnt Schlimmes …<br />
"Wie sieht Beistand aus?", beginnt Hesan<strong>de</strong>r. "Das ist<br />
schwer zu erklären", überlegt Hesan<strong>de</strong>r. "Ich will es<br />
einmal so versuchen", beginnt er dann:<br />
"Je<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Gruppe hat ja so gesehen eine Aufgabe<br />
sowie bestimmte Stärken, Talente, Fähigkeiten. Ingalf<br />
zum Beispiel ist ein Meister seiner Axt, kennt sich auf<br />
<strong>de</strong>m Meer aus und hat immer einen lockeren Spruch<br />
auf <strong>de</strong>n Lippen. Elgar hingegen ist im Nahkampf sicherlich<br />
leichter zu bezwingen, dafür verfügt er über<br />
Madas Gabe und kann Magie wirken. Auch kennt er<br />
sich in <strong>de</strong>r Magie und ihrer Wirkungsweise ein Stück<br />
weit aus. Du hingegen", wechselt Hesan<strong>de</strong>r in das von<br />
<strong>de</strong>r Hexe offenbar aufrecht erhaltene Du über, "bist<br />
eine Tochter Satuarias und damit mit einer ähnlichen<br />
Gabe wie Elgar gesegnet, jedoch verfügst Du auch<br />
noch über Kenntnisse über die Natur und ihrer Geheimnisse.<br />
Und Du beherrschst die Heilkunst.<br />
Ich hingegen kann we<strong>de</strong>r kämpfen noch zaubern. Ich<br />
kann augenscheinlich gar nichts in <strong>de</strong>n Augen von Ingalf<br />
und Elgar. Doch ich habe das Gottvertrauen, die<br />
Zuversicht in die Zwölfe, die uns hier in diesen Lan<strong>de</strong>n<br />
mitunter abhan<strong>de</strong>n kommen. Ich höre zu, ich<br />
spen<strong>de</strong> Trost, ich bete zu meiner Herrin und ihren<br />
Geschwistern, auf dass sie uns beistehen. Ich kann<br />
versuchen unerklärliche Dinge zu erklären, auf die<br />
523<br />
niemand eine Antwort zu wissen glaubt, so es in meiner<br />
Macht steht.<br />
Ich töte keine Dutzend Orks, ich werfe nicht mit magischen<br />
Blitzen um mich o<strong>de</strong>r lasse einen Knüppel<br />
o<strong>de</strong>r Besen tanzen.<br />
Doch vielleicht bewirke ich, dass uns die Götter gnädig<br />
gestimmt sind o<strong>de</strong>r uns gar gewogen sind.<br />
Auch ich verfüge über gewisse Liturgien, durch die ich<br />
die Macht meiner Göttin anrufe, auf dass sie diese mir<br />
verleihen möge und ich in ihrem Sinne wirken kann.<br />
Doch kann und darf ich damit nicht so umgehen wie<br />
ein Zauberer. Nur <strong>de</strong>r treue, beschei<strong>de</strong>ne und <strong>de</strong>mütige<br />
Diener wird mit <strong>de</strong>m nötigen Gottvertrauen erfahren,<br />
wie seine Gottheit ihm einen Bruchteil eines<br />
Skrupels ihrer Macht zuteil wer<strong>de</strong>n lässt.<br />
So wie Du mit Deinem Willen Zauber wirkst, so vermag<br />
ich vielleicht mit meiner Überzeugung, mit meinem<br />
Gottvertrauen, mit <strong>de</strong>r Nähe meiner Göttin uns<br />
ein wenig auf unserer Queste zu helfen und uns <strong>de</strong>m<br />
Ziel näher zu bringen. Das Rätsel <strong>de</strong>s Purpurturms<br />
habe immerhin ich gelöst, <strong>de</strong>nn die Herrin Hesin<strong>de</strong><br />
war mit mir."<br />
Wenn Rovena <strong>de</strong>n Geweihten jetzt ansieht, wird sie<br />
ein gewisses Feuer <strong>de</strong>r innersten Überzeugung in seinen<br />
Augen lo<strong>de</strong>rn sehen.<br />
Bei diesen Worten verdreht <strong>de</strong>r Magier nur die Augen<br />
und sucht Ingalfs Blick. "Wer wirft hier mit Blitzen<br />
um sich?" murmelt er verdrossen vor sich hin. "Bin ich<br />
ein Bethaner?" fragt er noch leiser nach. Das einzige,<br />
das jetzt keiner gebrauchen kann, ist eine verbale Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>m Meister <strong>de</strong>r Selbstbeschei<strong>de</strong>nheit.<br />
- 'Jetzt?' Fast muss <strong>de</strong>r Magier über <strong>de</strong>n in Gedanken<br />
gemachten Scherz lachen.<br />
Melachath, immer noch im Eingangsbereich stehend,<br />
hört <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n zu, als Hesan<strong>de</strong>r geen<strong>de</strong>t hat, fragt er:<br />
"Und was ist meine Aufgabe? nicht das ich weniger an<br />
die Zwölfe glaube, doch stehe ich Ihnen nicht so nah<br />
wie Du."<br />
"Deine Aufgabe, Melachath, ist es, das Schwert zu<br />
schwingen im Vertrauen auf die Zwölfe und Dich<br />
Deines wachen Verstan<strong>de</strong>s zu bedienen. Du bist <strong>de</strong>r<br />
Ausgleich <strong>de</strong>r Elemente Schwert und Geist, metaphorisch<br />
gesprochen. Und Du bist ein weiterer Lichtblick<br />
in diesen Lan<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Glaube an die Zwölfe<br />
wie mir scheint nicht so verbreitet ist", antwortet Hesan<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>m Aranier.<br />
"Ich wi<strong>de</strong>rspreche nur ungern." meint Isinha mit einem<br />
<strong>de</strong>utlich süffisanten Ton. "Aber ein Schwert<br />
schwingt unser aranischer Freund nun wirklich nicht."<br />
"Dann wi<strong>de</strong>rsprich und begehe eine Torheit. Verschließe<br />
Deinen Geist und Deine Augen und erkenne<br />
nicht die Symbole, die die Vielfalt <strong>de</strong>r Sprache für uns<br />
bereit hält. Früher o<strong>de</strong>r später wirst Du gegen eine
Mauer laufen - ob im Geiste o<strong>de</strong>r in diesen Hallen",<br />
sagt Hesan<strong>de</strong>r in nicht min<strong>de</strong>r überzeugtem Ton.<br />
'Also doch ein Streitgespräch!' seufzt Isinha stumm.<br />
"Blumenreich mag Eure Sprache sein, verwirrend und<br />
verführend für die Unwissen<strong>de</strong>n und Ungebil<strong>de</strong>ten.<br />
Aber es mangelt ihr an Präzision - o<strong>de</strong>r vielleicht an<br />
<strong>de</strong>r Kenntnis <strong>de</strong>s wahren Namens <strong>de</strong>r Waffe unseres<br />
Freun<strong>de</strong>s?" Nur das Heben <strong>de</strong>r linke Augenbraue begleitet<br />
diese Worte <strong>de</strong>s Magiers.<br />
"Rabenschnäbel kenne ich von <strong>de</strong>n Golgariten, <strong>de</strong>n<br />
Kämpen Borons", antwortet Hesan<strong>de</strong>r unbeeindruckt.<br />
"Wessen Seele nicht bedrückt ist und wer mit sich im<br />
Reinen ist, bedarf keiner Zurschaustellung vermeintlicher<br />
Überlegenheit. Die wahre Überlegenheit ist immer<br />
mit einer entsprechen<strong>de</strong>n Beschei<strong>de</strong>nheit und<br />
Demut gepaart und wird im Stillen gelebt. Manchen<br />
gibt Hesin<strong>de</strong> die Weisheit, dies zu erkennen", und mit<br />
diesen Worten lässt Hesan<strong>de</strong>r Elgar sozusagen stehen<br />
und folgt Ingalf.<br />
'Glück gehabt! Keine Predigt heute, Hochwür<strong>de</strong>n.'<br />
freut sich <strong>de</strong>r Magier im Stillen, verzieht aber keine<br />
Miene.<br />
Dieses Feuer <strong>de</strong>r Überzeugung entgeht <strong>de</strong>r Hexe<br />
nicht, während sie <strong>de</strong>r flammen<strong>de</strong>n Re<strong>de</strong> Hesan<strong>de</strong>rs<br />
zuhört. 'Er ist stark durch seinen Glauben … und<br />
gleichzeitig schwach, weil er davon beherrscht wird',<br />
<strong>de</strong>nkt sie bei seinen Worten und mustert forschend das<br />
Gesicht <strong>de</strong>s Mannes mit <strong>de</strong>r grünen Gewandung und<br />
<strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>nen Schlange auf <strong>de</strong>r Herzseite. 'Wird er sein<br />
Wort halten können, wenn seine Göttin o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren<br />
Geschwister ihm an<strong>de</strong>res eingeben?' Sie weiß sich diese<br />
Frage nicht zu beantworten. "Hast du sie hier gespürt,<br />
die Nähe <strong>de</strong>iner Göttin? Wird sie uns gegen ihren<br />
Bru<strong>de</strong>r beistehen, wenn wir uns seinen Hort aneignen<br />
wollen, <strong>de</strong>n er so gut geschützt hat?" will sie<br />
von ihm wissen, nach<strong>de</strong>m Hesan<strong>de</strong>r auf die Einwürfe<br />
<strong>de</strong>r Gefährten geantwortet hat.<br />
"Die Zwölfe sind stets bei mir, allen voran Hesin<strong>de</strong>.<br />
Ich spüre ihre Präsenz ebenso wie ich hier eine starke<br />
Macht ihres Bru<strong>de</strong>rs Phex spüre", antwortet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Hesin<strong>de</strong> wird unseren Verstand mit Erleuchtung erfüllen,<br />
wenn wir uns ihrer würdig erweisen, <strong>de</strong>nn<br />
dann wer<strong>de</strong>n wir auch ein weiteres Mal das Gesetz <strong>de</strong>s<br />
Phex befolgen und erfolgreich sein. Wenn wir uns mit<br />
unserem Verstand selbst helfen, dann müssen wir<br />
nicht gegen Phex kämpfen son<strong>de</strong>rn wir erweisen uns<br />
seiner würdig, auf dass wir <strong>de</strong>n wahren Schatz ent<strong>de</strong>cken<br />
wer<strong>de</strong>n. Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Phex - das<br />
gilt hier mehr <strong>de</strong>nn je", fügt er hinzu.<br />
Während Hesan<strong>de</strong>r dies sagt, scheint die Präsenz <strong>de</strong>r<br />
Zwölfe ihn förmlich zu durchströmen, <strong>de</strong>nn es kann<br />
gar nicht an<strong>de</strong>rs sein als er es Rovena gesagt hat.<br />
524<br />
Ein Schauer läuft Rovena über <strong>de</strong>n Rücken, ob es wegen<br />
<strong>de</strong>r angeblichen Präsenz <strong>de</strong>r Götter o<strong>de</strong>r Hesan<strong>de</strong>rs<br />
Auftritt ist, weiß sie nicht zu sagen.<br />
Bis zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, als Hesan<strong>de</strong>r und Rovena sich<br />
umwen<strong>de</strong>n, fin<strong>de</strong>t Ingalf nichts von Interesse. Wirklich<br />
alles Tand!<br />
Hesan<strong>de</strong>r dreht sich nach einer Weile um, da Ingalf<br />
immer noch <strong>de</strong>n Haufen durchwühlt.<br />
Dann wen<strong>de</strong>t er sich wie<strong>de</strong>r Rovena zu. "Wieso sollte<br />
jemand einen Haufen falscher Schätze hier anhäufen?<br />
Je<strong>de</strong>r Abenteurer, <strong>de</strong>r nicht völlig von seiner Gier geblen<strong>de</strong>t<br />
ist, wird doch merken, dass das alles wertlos<br />
ist. Man schlägt sich doch nicht bis hierhin durch, um<br />
sich dann von falschen Reichtümern täuschen zu lassen,<br />
o<strong>de</strong>r? Das macht doch keinen Sinn."<br />
"Ich hoffe ja darauf, dass uns diese beson<strong>de</strong>ren Münzen<br />
an <strong>de</strong>n Metallungeheuern vorbei helfen wer<strong>de</strong>n",<br />
erwi<strong>de</strong>rt die Hexe. "Gegen diese Tatzelwürmer wer<strong>de</strong>n<br />
wir o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re im Kampf gewiss keine<br />
Chance haben, so dass ich annehme, dass dieser Tand<br />
<strong>de</strong>n Schlüssel zum wirklichen Hort darstellt", vermutet<br />
sie nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Eben!" kommt es jetzt von etwas tiefer am Haufen.<br />
"Deshalb suche ich noch irgen<strong>de</strong>inen Hinweis, was<br />
das soll, das wohl!"<br />
"Wenn er hier bereits so gründlich ist, wie lange wird es<br />
wohl dauern, wenn wir <strong>de</strong>n echten Schatz fin<strong>de</strong>n -<br />
falls wir ihn fin<strong>de</strong>n", wun<strong>de</strong>rt sich Hesan<strong>de</strong>r für Rovena<br />
und eventuelle Nebenstehen<strong>de</strong> hörbar.<br />
"So gründlich wie es Notwendig ist, einem Gott das<br />
Wertvollste aus <strong>de</strong>r Tasche zu locken, das wohl!"<br />
kommt es von Ingalf zurück, <strong>de</strong>r sich von Hesan<strong>de</strong>r<br />
nicht vom Wühlen im Haufen abhalten lässt. Im Gegenteil,<br />
je mehr <strong>de</strong>r Geweihte spottet, ums so intensiver<br />
sucht <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
Es wahrhaft verphext: Immer nur <strong>de</strong>r gleiche Tand!<br />
Man sollte ja meinen, dass Ingalf mit <strong>de</strong>m Durchwühlen<br />
ausreichend beschäftigt ist.<br />
Aber falls es <strong>de</strong>nnoch so geschehen sollte, wird Hesan<strong>de</strong>r<br />
folgen<strong>de</strong>s antworten: "Ein ehrenwertes, göttergefälliges<br />
Ziel. Dann lass uns doch einmal sehen, wer<br />
von Euch bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r gewitztere ist", grinst Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Wohl an", ruft er <strong>de</strong>n Gefährten zu. "Es gibt sicherlich<br />
noch mehr Türen und Räume - schauen wir doch<br />
mal, was <strong>de</strong>r listige Fuchs noch für uns parat hat",<br />
spornt er die Gefährten an.<br />
Rovena sucht wie<strong>de</strong>r die Nähe Elgars und tritt schweigend<br />
an seine Seite, darauf wartend, dass Ingalf, <strong>de</strong>r<br />
die Karte besitzt, die Gruppe weiterführt. Surnia in<br />
ihrem Tragebeutel wird unruhig und fiept leise.<br />
Die Hexe hilft <strong>de</strong>r kleinen Schä<strong>de</strong>leule heraus und<br />
lässt sie sich auf ihrer Schulter ein wenig recken. Zärtlich<br />
knabbert <strong>de</strong>r Jungvogel an ihrem Ohr.
Der Magier hält sich neben <strong>de</strong>r Hexe, wirft ab und an<br />
einen Seitenblick auf die Eule und beobachtet die offensichtliche<br />
Zuneigung zu <strong>de</strong>r Hexe.<br />
"Wie machst Du das?" fragt er unvermittelt.<br />
"Was meinst du …" antwortet Rovena in Gedanken<br />
und bemerkt sogleich seinen Blick. Sie lächelt geheimnisvoll<br />
und streicht Surnia liebkosend über das Gefie<strong>de</strong>r.<br />
"Ach das. Ich mache gar nichts, es ist ihr Wunsch,<br />
bei mir zu sein und nicht von meiner Seite zu weichen",<br />
erklärt sie <strong>de</strong>m fragen<strong>de</strong>n Magier.<br />
"Ach so." Der Tonfall klingt, als wäre Isinha gera<strong>de</strong><br />
das Offensichtlichste <strong>de</strong>r Welt aufgefallen. "Na dann<br />
…"<br />
Versonnen krault Rovena die kleine Schä<strong>de</strong>leule auf<br />
ihrer Schulter und hängt für einen Moment ihren Gedanken<br />
nach. Wenn sie diese Herausfor<strong>de</strong>rung überstehen<br />
sollte, dann wird bald die Zeit kommen, dass<br />
sie im mil<strong>de</strong>n, silbernen Licht einer Vollmondnacht an<br />
einem einsamen Ort die Zeremonie vollzieht, die die<br />
Bindung zwischen ihr und Surnia festigen wird, bis an<br />
ihr Lebensen<strong>de</strong> … sie kann diesen Zeitpunkt kaum<br />
abwarten, so sehr sehnt sie sich nach <strong>de</strong>r geistigen<br />
Nähe ihrer zukünftigen Vertrauten.<br />
"Wäre es nicht <strong>de</strong>nkbar, dass <strong>de</strong>r Listige <strong>de</strong>n Zugang<br />
zu <strong>de</strong>m Schatz unter <strong>de</strong>m wertlosen Kram versteckt<br />
hält?" vermutet Edric.<br />
'Außer<strong>de</strong>m soll in <strong>de</strong>m Raum mit <strong>de</strong>n Glaskugeln<br />
noch einen Ausgang vorhan<strong>de</strong>n sein', Edric <strong>de</strong>nkt an<br />
einen weiteren Weg. Vielleicht ist eine Rückkehr zu<br />
<strong>de</strong>n mechanischen Tatzelwürmern gar nicht nötig …<br />
so hofft er je<strong>de</strong>nfalls.<br />
"Bei Phex wär' ich mir da nicht sicher, das wohl!" antwortet<br />
Ingalf während er weiter sucht. "Nur vom Re<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n wir das nich' rauskriegen!"<br />
"Warte kurz", bittet Edric seinen Freund, <strong>de</strong>nn er hat<br />
eine I<strong>de</strong>e. Er drückt Stab und Dreizack Ingalf in die<br />
Hand und läuft zurück in <strong>de</strong>n letzten Raum. Dort<br />
hebt vorsichtig die Glaskugel auf, die Hesan<strong>de</strong>r ihm<br />
gegeben und welche im Kampf nicht mehr zum Einsatz<br />
kam. Äußerst vorsichtig betritt er mit <strong>de</strong>r empfindlichen<br />
Last die falsche Schatzkammer.<br />
"Tritt zurück!" kommandiert er und wirft die Kugel<br />
auf <strong>de</strong>n Haufen <strong>de</strong>r Münzen und wartet gespannt auf<br />
das Ergebnis.<br />
Ingalf steht mit <strong>de</strong>n Waffen Edrics nur perplex da und<br />
schaut, wie sich die Säure über <strong>de</strong>n Haufen ergießt.<br />
"Falls wirklich etwas Wertvolles unter diesem Tand gewesen<br />
sein sollte, war es darunter." kommentiert Isinha<br />
<strong>de</strong>n Effekt.<br />
Auch Hesan<strong>de</strong>r schaut sich das Ganze an, nach<strong>de</strong>m er<br />
vermutlich das Klirren <strong>de</strong>r Kugel vernommen hat.<br />
525<br />
Es fängt da, wo die Säure das Metall benetzt, zu rauchen<br />
an. Der Rauch beginnt, sich im ganzen Raum<br />
auszubreiten.<br />
"Ich glaube wir sollten schleunigst raus hier, das<br />
wohl!" meint Ingalf und drückt Edric seine Waffen in<br />
die Hand. Dann dreht er sich zu <strong>de</strong>n Gefährten um<br />
und passt auf, dass alle <strong>de</strong>n Raum verlassen. "Vielleicht<br />
können wir wie<strong>de</strong>rkommen, wenn die Luft frischer<br />
ist …"<br />
Der Rauch reicht Hesan<strong>de</strong>r als überzeugen<strong>de</strong>s Argument,<br />
<strong>de</strong>n Raum zu verlassen, und er verlässt <strong>de</strong>n<br />
Raum, bis er wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Gang steht.<br />
Edric ist verwirrt und enttäuscht über das Ergebnis.<br />
'Bei <strong>de</strong>n Goldmännern hat doch nichts geraucht …'<br />
Er schließt sich Ingalf an und verlässt <strong>de</strong>n Raum. "Was<br />
ist mit <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Ausgang im Raum <strong>de</strong>r Kugeln?"<br />
fragt er ihn.<br />
"Aye, <strong>de</strong>nn Weg wollte ich gehen, das wohl!" antwortet<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r solange wartet bis alle Gefährten aus <strong>de</strong>m<br />
Raum sind. "Denn nach <strong>de</strong>m Plan kommen wir so<br />
von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite an die Füchse!"<br />
Dann fragt er Isinha: "Wie wirkt dieses Kaiserzeuch<br />
<strong>de</strong>n gegen das Eisen von <strong>de</strong>n Füchsen? Raucht es<br />
auch nur o<strong>de</strong>r sollten wir ein paar Kugeln mitnehmen?"<br />
"Nun, rauchen wird es sicher. Aber <strong>de</strong>r Rauch ist eher<br />
ein Nebenprodukt. Die Hauptwirkung <strong>de</strong>s Königswassers<br />
ist auf alles an<strong>de</strong>re Metall als Gold nahezu<br />
spektakulär. Ja, wir sollten die Kugeln mitnehmen<br />
und einsetzen." antwortet <strong>de</strong>r Magier, in seiner Erinnerung<br />
aus <strong>de</strong>m Alchimiezirkel kramend.<br />
"Hmm, wie lange hält das vor?" fragt Ingalf und blickt<br />
zurück in <strong>de</strong>n Schatzraum, ob sich noch etwas verän<strong>de</strong>rt<br />
hat.<br />
"Nun, bis entwe<strong>de</strong>r die Säure o<strong>de</strong>r das Metall vollständig<br />
mit <strong>de</strong>m jeweils an<strong>de</strong>ren reagiert hat." überlegt <strong>de</strong>r<br />
Magier laut. "Bei <strong>de</strong>r Menge Metall da sollte es aber<br />
erst die Säure sein, die aufgebraucht sein wird. Ein<br />
paar Minuten sollte das schon dauern."<br />
Es raucht immer noch.<br />
"Tja, das war wohl noch nix!" resümiert Ingalf. Dann<br />
geht er wie<strong>de</strong>r zurück in <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>n Kugeln.<br />
Dort angekommen, meint er zu <strong>de</strong>n Gefährten: "Wir<br />
sollten sicherheitshalber ein paar <strong>de</strong>r Kugeln mitnehmen,<br />
das wohl! Nur wie können wir sie ohne Bruch<br />
transportieren?"<br />
"Mit Vorsicht." antwortet Isinha. "Ich könnte sie auch<br />
mit einem Zauber belegen, <strong>de</strong>r sie für eine bestimmte<br />
Zeit vor <strong>de</strong>m Zerbrechen schützt. Aber das könnte<br />
sich als hin<strong>de</strong>rlich erweisen, sollten wir ihrer Kräfte<br />
bedürfen, bevor <strong>de</strong>r Zauber seine Wirkung verliert."
"Wir haben doch sicherlich Verbandsmaterial dabei<br />
o<strong>de</strong>r ein paar Stofffetzen, in die wir die Kugeln einwickeln<br />
können", schlägt Hesan<strong>de</strong>r vor.<br />
Rovena schnaubt leise. "Viel ist nicht mehr übrig, ihr<br />
tragt ja das meiste davon bereits am Körper …" bemerkt<br />
sie in Hinblick auf die Anzahl <strong>de</strong>r Verletzungen,<br />
die ihre Gefährten bereits einstecken mussten.<br />
Vorsichtig nimmt sie Surnia von ihre Schulter und<br />
lässt sie wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Tragebeutel schlüpfen, <strong>de</strong>n sie<br />
vorsichtig zur Seite rückt.<br />
"Wir können sie ja auch auf eine Decke o<strong>de</strong>r einen<br />
Schlafsack legen und dann an <strong>de</strong>n Ecken anfassen,<br />
das wohl!" kommt <strong>de</strong>r Vorschlag von Ingalf. "Wenn<br />
wir dann vorsichtig gehen, sollte doch nichts passieren<br />
können."<br />
"Wir können auch zwei Decken nehmen, eine zum<br />
Tragen und die an<strong>de</strong>re zerschnei<strong>de</strong>n, um die Kugel<br />
damit einzeln zu umwickeln", schlägt Rovena vor. Sie<br />
bedauert zwar, eine <strong>de</strong>r schönen Nivesenwoll<strong>de</strong>cken<br />
zerschnei<strong>de</strong>n zu müssen, aber irgendwie müssen sie<br />
hier auch wie<strong>de</strong>r heraus kommen.<br />
"Aye, so sollen wir das machen, das klingt gut, das<br />
wohl!" stimmt ihr Ingalf zu. "Nur haben wir hier ja<br />
keinen richtigen Platz!"<br />
Er durchquert <strong>de</strong>n Raum bis vor die nächste Tür und<br />
öffnet diese.<br />
Rovena nickt und folgt <strong>de</strong>m Thorwaler, vorsichtig darauf<br />
achtend, auf keine <strong>de</strong>r noch auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Glaskugel zu treten.<br />
"Reicht es nicht aus, wenn je<strong>de</strong>r von uns eine in die<br />
Hand nimmt?" mischt sich Edric ein. 'Sollte das nicht<br />
reichen, können wir immer noch neue holen.'<br />
"Dann haben wir nur sechs Stück und müssen immer<br />
wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n ganzen Weg zurück laufen", gibt Ingalf zu<br />
be<strong>de</strong>nken. "Und außer<strong>de</strong>m, was ist, wenn einer stolpert?<br />
Schau Dir doch Hesan<strong>de</strong>rs Ärmel an! Nee, so'ne<br />
Trage ist viel gefahrloser, das wohl!"<br />
Rovena schaut von ihrer Arbeit hoch <strong>de</strong>m Hirten direkt<br />
in die Augen. "Ich möchte nicht mit einer dieser<br />
Glaskugel in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n stolpern, Edric", erwi<strong>de</strong>rt<br />
sie ernst. "Mein Vermögen wür<strong>de</strong> nicht ausreichen, jeman<strong>de</strong>m<br />
das zerfressene Fleisch auf die Knochen zurückzugeben."<br />
"Sorgen wir lieber dafür, dass es nicht soweit kommt."<br />
versucht <strong>de</strong>r Magier allgemein beruhigend zu wirken.<br />
'Was wohl passiert …' Edric möchte lieber nicht darüber<br />
nach<strong>de</strong>nken, was geschehen mag, wenn die Kugeln<br />
in Ingalfs Schlafsack zerbrechen.<br />
Zwei Rutschen<br />
Hinter <strong>de</strong>r Tür befin<strong>de</strong>t sich ein nach rechts gehen<strong>de</strong>r<br />
langgestreckter Raum, genau wie es auf Ingalfs Plan<br />
eingezeichnet ist. Man könnte auch sagen, dass nach<br />
526<br />
rechts ein 4 Schritt breiter Gang abgeht. Der Raum ist<br />
hier im Anfangsbereich leer.<br />
Es ist sogar <strong>de</strong>r nach Nor<strong>de</strong>n abzweigen<strong>de</strong><br />
Raum/Gang vorhan<strong>de</strong>n. Nicht einmal eine Tür ist da,<br />
und alles ist leer.<br />
Ein Detail ist aber im Plan nicht eingezeichnet: Richtung<br />
Osten neigt sich <strong>de</strong>r Gangbo<strong>de</strong>n hinter <strong>de</strong>r Abzweigung<br />
steil nach unten. Die schiefe Ebene ist dick<br />
mit einem tranigen Fett bestrichen. Die Rutsche geht<br />
am Gangen<strong>de</strong> Ingalfs Plan folgend um die Kurve. Wer<br />
weiß, was da kommt?<br />
Nur Ingalf interessiert sich nicht so recht für <strong>de</strong>n Verlauf<br />
<strong>de</strong>s Raumes, son<strong>de</strong>rn er such nur hinter <strong>de</strong>r Tür<br />
einen Platz und breitet da seinen Schlafsack aus.<br />
Eigentlich wollte er ja darauf mit Rovena die Säurekugeln<br />
legen, aber dann hat er eine I<strong>de</strong>e: "Wenn wir die<br />
Kugeln heil da <strong>de</strong>n Gang runter kriegen, dann sollten<br />
wir sie nicht auf son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Schlafsack legen, das<br />
wohl!<br />
Und dann noch am Besten mit einem Seil runter lassen.<br />
Hey, Edric, magst Du ein paar Seile aus <strong>de</strong>m<br />
Schlingenraum holen? Derweil wickeln Rovena und<br />
ich die Kugeln ein, das wohl!"<br />
"Du willst doch nicht etwa die Schräge hinunter?"<br />
fragt Rovena besorgt, während sie sich neben Ingalf<br />
hin hockt und mit ihre Jagdmesser nicht ohne Bedauern<br />
beginnt, ihre Decke zu zerschnei<strong>de</strong>n. "Warum gehen<br />
wir nicht <strong>de</strong>n abzweigen<strong>de</strong>n Gang entlang?"<br />
"Ich hoffe nicht. Aber falls doch, dann könnten wir<br />
doch versuchen, dass Fett mit Königswasser aufzulösen<br />
und die Schräge so gefahrlos zu passieren. Aber<br />
ich fin<strong>de</strong>, Rovena hat Recht. Bislang haben wir diese<br />
Etage noch nicht komplett abgesucht. Das sollten wir<br />
zuerst tun." meint <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Ich mein ja nur, dass wir drauf vorbereitet sein sollten,<br />
falls <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Weg nicht weiterführt, das wohl!"<br />
meint Ingalf, <strong>de</strong>r beginnt die ersten Kugeln zu holen<br />
und in die Stoffstücke einzuwickeln.<br />
Bei <strong>de</strong>r ihm zugeteilten Aufgabe ist <strong>de</strong>m Hirten gar<br />
nicht wohl. Nur ungern wür<strong>de</strong> er in <strong>de</strong>n Raum mit<br />
<strong>de</strong>n Schlingen zurückgehen. Außer<strong>de</strong>m hat er nur ein<br />
Messer, um die Seile abzuschnei<strong>de</strong>n.<br />
"Ich habe aber nur ein Messer, mit <strong>de</strong>m ich die Seile<br />
abschnei<strong>de</strong>n kann. Wäre es nicht besser, die Schlingen<br />
möglichst weit oben zu durchtrennen?" fragt er seinen<br />
Freund.<br />
"Wir können sie doch zusammenknoten, dann reichen<br />
auch kurze Stücke, das wohl!" antwortet <strong>de</strong>r Thorwaler.<br />
"Aber genau das könnten wir uns sparen, wenn wir<br />
längere Stücke nehmen", verteidigt sich Edric<br />
"Klar, aber wie sollen wir da dran kommen, wir haben<br />
doch keine Leiter, o<strong>de</strong>r?" fragt Ingalf zurück.
Derweil mustert er die tranige Rutsche. 'Ob wir die<br />
Kugeln da überhaupt heil herunter bekommen?' fragt<br />
er sich zweifelnd. 'Wie tief mag es dort wohl hinuntergehen?'<br />
Soweit Edric es sehen kann, mag <strong>de</strong>r Gang ungefähr<br />
schon 7 bis 8 Schritt tiefer sein als er aus <strong>de</strong>m Blickfeld<br />
verschwin<strong>de</strong>t. Um genau zu erkennen, wie tief es dort<br />
hinunter geht, müsste Edric versuchen auf <strong>de</strong>m rutschigen<br />
Bo<strong>de</strong>n hinabzusteigen.<br />
Dennoch stellt er seinen Dreizack ab und geht zurück<br />
in <strong>de</strong>n Raum mit <strong>de</strong>n Schlingen. Dort stellt er sich auf<br />
die Zehenspitzen die Stricke möglichst hoch mit <strong>de</strong>m<br />
Messer zu kappen. Seinen eisenbeschlagenen Stab hat<br />
er in Reichweite an die Wand gelehnt.<br />
Trotzt <strong>de</strong>r unheimlichen Situation, die durch das permanent<br />
schallen<strong>de</strong> hämische Gelächter verstärkt wird,<br />
passiert nichts, als Edric jeweils ein Schritt lange Seilen<strong>de</strong>n<br />
abschnei<strong>de</strong>t.<br />
Je<strong>de</strong>smal zuckt Edric bei <strong>de</strong>m Gelächter zusammen.<br />
Auch nach etlichen durchtrennten Stricken hat er sich<br />
nicht daran gewöhnt.<br />
'Wieviele soll ich abschnei<strong>de</strong>n' fragt sich Edric, <strong>de</strong>nn<br />
Ingalf hat nichts davon gesagt. So packt er zusammen,<br />
nach<strong>de</strong>m er 10 bis 11 Stricke abgeschnitten hat.<br />
'Wenn Ingalf das nicht reicht, soll er sich gefälligst selber<br />
welche abschnei<strong>de</strong>n.' mault er in Gedanken.<br />
Als <strong>de</strong>r Hirte mit einem Arm voller Seilen<strong>de</strong>n zurückkehrt,<br />
fragt Isinha: "So, und jetzt flechten wir daraus<br />
ein langes Seil und lassen uns diese Schräge hinab?<br />
Ich <strong>de</strong>nke, es wird einen - wahrscheinlich – unangenehmen<br />
Grund haben, dass die Schräge 'eingeseift'<br />
wor<strong>de</strong>n ist. Offenbar soll man da hinunter, und das<br />
schnell. Hinauf hingegen sollte es wohl eher gar nicht<br />
gehen. Ich bin immer noch dafür, dass wir zuerst <strong>de</strong>n<br />
Rest dieser Ebene erkun<strong>de</strong>n, ehe wir uns weiter nach<br />
unten begeben."<br />
"Aye, gute I<strong>de</strong>e, das wohl!" meint Ingalf, <strong>de</strong>r immernoch<br />
mit Rovena die Kugeln einpackt. "Ihr könnt ja<br />
schon mal los, bis ich hier mit <strong>de</strong>m Einpacken und<br />
Spleißen fertig bin …"<br />
Während Ingalf mit <strong>de</strong>m Spleißen <strong>de</strong>r Seile beschäftigt<br />
ist, und die an<strong>de</strong>ren die Räume weiter erkun<strong>de</strong>n,<br />
sieht sich Edric die schräge Rampe genauer an. Er<br />
hockt sich hin, und betastet die tranige Fläche. Zuviel<br />
war letzter Zeit mehr Schein als Sein …<br />
Die Masse ist Schmierfett, astreines Schmierfett. Jetzt<br />
hat Edric eine schmierige Hand.<br />
Der junge Hirte verzieht das Gesicht. 'Was hatte ich<br />
<strong>de</strong>nn erwartet?' fragt er sich ta<strong>de</strong>lnd und versucht die<br />
Schmiere an Bo<strong>de</strong>n und Wand abzuwischen. In seine<br />
Kleidung wird er sie sich nicht schmieren!<br />
Die Schmiere geht einigermaßen ab. Nur ein dünner<br />
Film und ein paar Reste zwischen <strong>de</strong>n Fingern, in <strong>de</strong>n<br />
527<br />
Handlinien und unter <strong>de</strong>n Fingernägeln bleiben übrig.<br />
'Wohin sie wohl führt? Er lauscht, ob es von unten<br />
Geräusche gibt.<br />
Von unten ist nichts zu hören. Wenn da etwas ist, ist es<br />
um Klassen leiser als Edrics Gefährten.<br />
Enttäuscht, wen<strong>de</strong>t er sich ab und folgt seinen Gefährten.<br />
"Na dann mal los", macht sich Hesan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n<br />
Weg."<br />
Genau entsprechend Ingalfs Plan macht dieser überbreite<br />
Gang einen Knick Richtung Osten, und direkt<br />
dahinter kommt wie<strong>de</strong>r eine steile Rampe. Im Unterschied<br />
zu <strong>de</strong>r vorigen Stelle sieht man aber hier das<br />
En<strong>de</strong>: es muss wohl 10 Schritt in die Tiefe gehen.<br />
Praktisch gesehen han<strong>de</strong>lt es sich hier um eine Einbahnstraße.<br />
"Hmmm", betrachtet sich Hesan<strong>de</strong>r die Rutsche. "Also<br />
wenn wir hier runterklettern o<strong>de</strong>r -rutschen, kommen<br />
wir nur schwer wie<strong>de</strong>r zurück. Dazu müssten wir<br />
schon hier oben Seile befestigen o<strong>de</strong>r ähnliches", ergänzt<br />
er seine Beobachtungen.<br />
Isinha, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Geweihten begleitet hat, nickt zustimmend.<br />
"Offenbar haben wir einen Punkt in diesen Gewölben<br />
erreicht, an <strong>de</strong>m wir uns entschei<strong>de</strong>n müssen.<br />
Wie wäre es, eine <strong>de</strong>r Münzen bei <strong>de</strong>m Eisenmann<br />
und <strong>de</strong>n Tatzelwürmern auszuprobieren?" fragt <strong>de</strong>r<br />
Magier. Seine Stirn ist nach<strong>de</strong>nklich gefurcht.<br />
"Auf einen Versuch käme es an. Es wäre schon sehr<br />
hinterhältig vom Fuchs, wenn er uns die Münzen ausprobieren<br />
lassen wür<strong>de</strong>, nur damit wir hinterher erst<br />
Recht Prügel beziehen. Wenn in die Öffnung eine<br />
Münze gehört, dann wer<strong>de</strong> ich das auch ausprobieren<br />
- das wohl", antwortet Hesan<strong>de</strong>r und muss ob <strong>de</strong>r<br />
Übernahme <strong>de</strong>r letzten bei<strong>de</strong>n Worte aus <strong>de</strong>m Thorwalsch<br />
selbst ein wenig über sich lachen.<br />
"An<strong>de</strong>rerseits … Das kann auch nur Ärger be<strong>de</strong>uten.<br />
Lassen wir die an<strong>de</strong>ren unsere Ent<strong>de</strong>ckung wissen."<br />
schlägt er schließlich vor und begibt sich zurück zu<br />
Ingalf und Rovena.<br />
Rovena schaut auf, gera<strong>de</strong> hat sie <strong>de</strong>n Rest ihre Decke<br />
für die Kugeln zurecht geschnitten. "Und? Kommen<br />
wir dort besser weiter?" will sie wissen und erhebt sich.<br />
"Dort geht es ebenfalls eine Rampe runter. Wenn wir<br />
dort runter kommen, müssten wir schon oben Seile<br />
anbringen, um uns <strong>de</strong>n Rückweg nicht abzuschnei<strong>de</strong>n.<br />
Wir sollten nochmal <strong>de</strong>n Eisenmann genauer untersuchen<br />
und ihm eine Münze auf die Zunge legen",<br />
antwortet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
Die junge Frau nickt und steckt ihr Jagdmesser zurück<br />
in <strong>de</strong>n Stiefelschaft. Diesen Vorschlag hatte sie ja<br />
schon gemacht, als sie die seltsamen Münzen gefun<strong>de</strong>n<br />
haben. "Was wir auch tun, hinter allem scheinen
sich unangenehme Überraschungen zu verbergen", ist<br />
sie sich sicher und hält sich mit <strong>de</strong>m Stab in <strong>de</strong>r Hand<br />
bereit, weiter zu gehen.<br />
"Fürwahr", stimmt Hesan<strong>de</strong>r zu. "Somit gilt es also<br />
nur noch für uns die am wenigsten unangenehme<br />
Überraschung zu fin<strong>de</strong>n", fügt er hinzu. "Dann lasst<br />
uns einmal die Münzen ausprobieren", schlägt er<br />
abermals vor und wen<strong>de</strong>t sich in die Richtung, in die<br />
<strong>de</strong>r Eisenmann steht.<br />
Ingalf wür<strong>de</strong> zwar gerne die Rutsche ausprobieren,<br />
aber wenn seine Gefährten <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Weg gehen<br />
wollen, gut.<br />
In <strong>de</strong>r Zwischenzeit haben Rovena und er gut zwei<br />
Dutzend <strong>de</strong>r Kugeln im die Deckenstücke gewickelt<br />
und vorsichtig Schlafsack verstaut. Aus Edrics Seilstücken<br />
hat er zwei dünnere Seile mit je 10 Schritte<br />
Länge hergestellt. Die bei<strong>de</strong>n Seile rollt Ingalf zusammen<br />
und steckt sie in <strong>de</strong>n Seesack.<br />
Da wen<strong>de</strong>t er sich an die Gefährten: "Um die Kugeln<br />
vorsichtig tragen zu können, sollten wir <strong>de</strong>n Schlafsack<br />
mit vier Leuten tragen, also an je<strong>de</strong>r Ecke einer,<br />
das wohl!"<br />
"Tut Ihr dieses, ich gebe <strong>de</strong>m Boten <strong>de</strong>r Allwissen<strong>de</strong>n<br />
Geleit."<br />
528<br />
"Nun red' nich' so geschwollen, fass' mit an, das<br />
wohl!" antwortet Ingalf. "Wir wollen doch alle <strong>de</strong>m<br />
Boten <strong>de</strong>r Allwissen<strong>de</strong>n Geleit geben."<br />
"Halt ihn doch nicht auf - er ist gera<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m richtigen<br />
Weg!" feixt Isinha, auf die zweite mögliche Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Worte <strong>de</strong>s Araniers eingehend.<br />
"Klar, die bei<strong>de</strong>n schlappen voraus und wir dürfen tragen,<br />
danke schön!" murrt Ingalf.<br />
Ein nicht zu übersehen<strong>de</strong>s Grinsen legt sich in die<br />
Züge <strong>de</strong>s Araniers. "Ihr seit zu viert, reicht Deine<br />
Kraft nicht, Nordmann?"<br />
"Aye, die reicht schon", antwortet Ingalf, "aber ich<br />
dachte, dass gera<strong>de</strong> Du, mein Freund, nicht die Rose<br />
<strong>de</strong>r Wüste schleppen lassen willst. Und um nicht alles<br />
zusammen zu schlagen, brauchen wir vier Hän<strong>de</strong>, das<br />
wohl!<br />
Aber egal, Rovena schafft das auch! Nicht wahr, Mä<strong>de</strong>l?"<br />
"Lass Melachath ruhig die Hän<strong>de</strong> frei halten für seine<br />
Waffen", meint Rovena nur. "So schwer wer<strong>de</strong>n die<br />
Kugeln nicht sein."<br />
Rovena nimmt einen Zipfel <strong>de</strong>s Schlafsacks und hilft<br />
mit, diesen samt seines Inhalts vorsichtig zu transportieren.
Ohne<br />
größere Probleme erreicht die Gruppe wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Raum <strong>de</strong>r Mondgesichter. Der Glasbo<strong>de</strong>n<br />
trägt immer noch, obwohl er wie<strong>de</strong>r ächzt und<br />
knarrt. Und es ist zwar ein wenig mühsam, <strong>de</strong>n<br />
Schlafsack mit <strong>de</strong>n Säurekugeln erst die enge Treppe<br />
hinunter zu bugsieren und dann wie<strong>de</strong>r hinauf, aber<br />
die Hel<strong>de</strong>n sind geduldig genug. Sie sind es eben<br />
mittlerweile gewöhnt zusammenzuarbeiten.<br />
Der Raum <strong>de</strong>r Automaten – 2. Anlauf<br />
Glücklicherweise, man weiß ja nie, sind die Mondgesichter<br />
auch immer noch zerfetzt, so dass es kein wirkliches<br />
Hin<strong>de</strong>rnis gibt, bis die Hel<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r<br />
grimassieren<strong>de</strong>n Ritterfigur ankommen.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut sich <strong>de</strong>n Eisenmann an und kramt<br />
eine Münze mit entsprechen<strong>de</strong>r Prägung heraus. Bevor<br />
er sie jedoch in die dafür vorgesehene Öffnung<br />
legt, vergleicht er das Muster sicherheitshalber nochmal.<br />
Die Muster sind tatsächlich i<strong>de</strong>ntisch.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schickt ein kurzes Stoßgebet zu Hesin<strong>de</strong><br />
und Phex und legt die Münze dann in die Öffnung.<br />
"Tretet ein wenig zurück", mahnt Hesan<strong>de</strong>r die Gruppe.<br />
"Wer weiß, wie <strong>de</strong>r Ritter reagiert." Unmittelbar<br />
nach<strong>de</strong>m er die Münze dann eingelegt hat, wird er mit<br />
seinem Stab in Verteidigungshaltung gehen - sicher ist<br />
sicher.<br />
Mit einem Ruck zieht <strong>de</strong>r Eiserne die Zunge ein und<br />
fängt tatsächlich an zu sprechen: "Mein Name ist Pal<br />
Adin, ich hasse das Böse und streite für das Gute! Ich<br />
weiß aber …"<br />
Da bricht <strong>de</strong>r Automat ab und tritt rasselnd und quietschend<br />
einen Schritt vor. Je<strong>de</strong>s einzelne Gelenk<br />
scheint festgerostet zu sein. Er hebt unter Mühen <strong>de</strong>n<br />
Schwertarm - die Geste wird von einem schrillen, metallischen<br />
Ächzen begleitet.<br />
Als das schrille Quietschen erklingt hält sich Edric die<br />
Ohren zu. Dieses Geräusch behagt ihm gar nicht!<br />
Rovena macht eilig eine Schritt zurück, als <strong>de</strong>r Eisenmann<br />
sich zu bewegen beginnt. Vorsorglich ist auch<br />
ihr Stab zur Abwehr erhoben und gespannt starrt sie<br />
<strong>de</strong>n rostigen Ritter an. "Pal Adin?" murmelt sie leise.<br />
"Welch ein seltsamer Name …"<br />
"Fin<strong>de</strong>st Du?" fragt Ingalf zurück. "Als wir durch die<br />
Khom geritten sind, da gab's auch einen <strong>de</strong>r so ähnlich<br />
hieß … hmmm … ich glaube Al Adin, <strong>de</strong>r hat<br />
Lampen verkauft, das wohl!"<br />
"Ob die bei<strong>de</strong>n vielleicht verwandt sind?" rätselt Isinha.<br />
"Kaum, <strong>de</strong>r hatte nich' so'ne quietschen<strong>de</strong> Stimme,<br />
das wohl!" gibt Ingalf grinsend zurück.<br />
Auf Leben und Tod<br />
529<br />
"Der hier kommt mir nicht wie leben<strong>de</strong>s Wesen vor,<br />
<strong>de</strong>r Mechanismus lässt anscheinend nur diesen einen<br />
Spruch zu, <strong>de</strong>r auch noch festgerostet scheint." Skeptisch<br />
betrachtet Rovena <strong>de</strong>n erhobenen Schwertarm.<br />
"Was kommt wohl nach diesem ich weiß aber? Was<br />
weiß er? Dass er etwas zu verteidigen hat? Dann wür<strong>de</strong><br />
er je<strong>de</strong>n Eindringling angreifen …", argwöhnt sie.<br />
"Nun <strong>de</strong>nn, dann sind wir bei<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>rselben Seite",<br />
kommentiert Hesan<strong>de</strong>r seinerseits, "vorausgesetzt wir<br />
kriegen Dich wie<strong>de</strong>r repariert", ergänzt er dann.<br />
Als <strong>de</strong>r Eisenmann Hesan<strong>de</strong>rs Stimme hört, hält er in<br />
seiner Bewegung inne und neigt <strong>de</strong>n Kopf, so als ob er<br />
zuhört.<br />
Als Hesan<strong>de</strong>r mitbekommt, dass <strong>de</strong>r Eisenmann zuzuhören<br />
scheint, überlegt er, was er ihm sagen soll.<br />
"Oh Pal Adin, vor Dir steht ein beschei<strong>de</strong>ner Diener<br />
<strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n Mutter, <strong>de</strong>r Schwester Deines Herrn<br />
Phex. Meine Gefährten und ich streiten ebenso für das<br />
Gute und gegen das Böse. Wenn Du uns etwas mitteilen<br />
möchtest, so hören wir Dir zu."<br />
Der Eisenmann beginnt wie<strong>de</strong>r zu sprechen: "Mein<br />
Name ist Pal Adin, ich hasse das Böse und streite für<br />
das Gute! Ich weiß aber …" Und wie<strong>de</strong>r bricht er ab.<br />
"Mensch, alte Rostbeule, das hast Du aber fein gesagt,<br />
das wohl!" meint Ingalf. "Aber kannst Du auch was<br />
an<strong>de</strong>res? Ein Lied o<strong>de</strong>r so?"<br />
Der Eisenmann scheint zu verstehen, wenn er angesprochen<br />
wird, beherrscht aber offenbar nur seine kurze<br />
Litanei. "Mein Name ist …"<br />
"Sagt mal, wenn <strong>de</strong>r Eisenmann wie eine Ritterrüstung<br />
im weiteren Sinne ist, dann müsste er im Grun<strong>de</strong><br />
ähnlich gepflegt o<strong>de</strong>r repariert wer<strong>de</strong>n wie eine<br />
Rüstung. Hat jemand Öl o<strong>de</strong>r Schmierfett dabei?"<br />
fragt er in die Run<strong>de</strong>.<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r sich schon fast über die fettigen Hän<strong>de</strong> Edrics<br />
- mit <strong>de</strong>nen er auch noch <strong>de</strong>n Schlafsack angrabscht<br />
- echauffieren wollte, <strong>de</strong>utet auf <strong>de</strong>n Hirten:<br />
"Frag' doch mal Edric!"<br />
"Tja, ich wür<strong>de</strong> sagen, dass Edrics Hand <strong>de</strong>rzeit das<br />
beste Mittel sein dürfte." spielt <strong>de</strong>r Magier auf <strong>de</strong>ssen<br />
Betasten <strong>de</strong>r Schräge an.<br />
Edric streckt Hesan<strong>de</strong>r seine Hand hin, die immer<br />
noch fettig ist.<br />
Hesan<strong>de</strong>r betrachtet sich die fettige Hand Edrics und<br />
hebt eine Augenbraue.<br />
"Rüstungen sind nicht mein Spezialgebiet. Ich <strong>de</strong>nke,<br />
Ingalf o<strong>de</strong>r Melachath kennen sich damit besser aus",<br />
sagt er dann in Richtung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Krieger.<br />
'Was hab' ich mit Rüstungen am Hut? Irgendwie kann<br />
<strong>de</strong>r Pfaffe nich' richtig gucken, o<strong>de</strong>r was?' fragt sich
Ingalf und schaut ebenfalls erwartungsvoll zu <strong>de</strong>m<br />
Aranier.<br />
'Wieso immer Rüstungen?' fragt sich auch <strong>de</strong>r Magier.<br />
"Metall, insbeson<strong>de</strong>re Eisen, korrodiert gern und viel<br />
in feuchten Umgebungen. Da sind nicht nur Rüstungen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch alles an<strong>de</strong>re Metallische betroffen."<br />
erklärt Isinha. "Edric, bitte fahr mit <strong>de</strong>r fettigen Hand<br />
mal über das Gelenk <strong>de</strong>s Schwertarms unseres neuen<br />
Freun<strong>de</strong>s." for<strong>de</strong>rt er <strong>de</strong>n Hirten freundlich auf.<br />
"Dann brauchst Du Dir auch die Ohren nicht mehr<br />
zuzuhalten."<br />
Je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r zum einen Edrics fettige Fingern und zum<br />
an<strong>de</strong>ren die vielen Gelenke <strong>de</strong>s Eisenmannes betrachtet,<br />
sieht, dass <strong>de</strong>utlich größere Mengen Schmiermittel<br />
als die paar Spuren an Edrics Hän<strong>de</strong>n nötig wären.<br />
"Tja, so wie das aussieht", meint Ingalf, "muss schon<br />
wie<strong>de</strong>r wer zurück, das wohl! Nur worin können wir<br />
die Schmiere holen? O<strong>de</strong>r wollen wir erstmal die Säure<br />
gegen die Tatzelwürmer probieren? Vielleicht brauchen<br />
wir <strong>de</strong>n rostigen Ritter hier gar nicht, hmm?"<br />
"Die Schmiere ist so fest, die können wir so tragen."<br />
erklärt Edric, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Konsistenz schon gefühlt hat.<br />
"Sicher, aber ich glaube, dass Ingalf Recht hat. So gern<br />
ich Pal auch helfen wür<strong>de</strong>, vielleicht ist es uns einfach<br />
nicht vergönnt, mit unseren einfachen Mitteln hier<br />
weiterzukommen." erkennt Isinha, dass sein Vorschlag<br />
nicht direkt durchführbar ist. "An<strong>de</strong>rerseits könnte unser<br />
gelehrter Freund hier sich nützlich machen und<br />
seine letzte Ölung mal sinnvoll einsetzen."<br />
"Ich sehe zwar keinen Sinn darin, dieses seelenlose<br />
Abbild eines Kriegers rüstig zu machen, aber wenn Ihr<br />
meint, holen wir mehr Fett und ich öle ihn. Allerdings<br />
sehe ich keinen Nutzen darin, er wird uns kaum helfen,<br />
aber er könnte gepflegt besser gegen uns kämpfen."<br />
"Das wäre aber nicht nett, schließlich frisst er unsere<br />
Münzen, das wohl!" wen<strong>de</strong>t Ingalf ein.<br />
"Er hat doch gesagt, er streitet für das Gute und hasst<br />
das Böse", wirft Edric ein. "Und meinst Du nicht, dass<br />
wir hier die Guten sind? Außer<strong>de</strong>m wenn er gegen<br />
uns hätte Kämpfen wollen, warum hat er das dann<br />
noch nicht getan?"<br />
Der Aranier wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>m Hirten zu: "Weil er es<br />
noch nicht kann, und was gut ist, und was nicht, liegt<br />
im Auge <strong>de</strong>s Betrachters. Ich wür<strong>de</strong> je<strong>de</strong>n Eindringling<br />
erst mal für böse halten, und wir sind hier eingedrungen."<br />
"Nun ja, als Diener <strong>de</strong>r Zwölfe bin ich sicherlich auch<br />
in einem Hort <strong>de</strong>s Phexens nicht als Böse einzustufen.<br />
An<strong>de</strong>rerseits bezweifle ich, dass wenn diese Maschine<br />
sozusagen nur ein bestimmtes Muster hat, <strong>de</strong>m sie<br />
folgt, logischen Argumenten zugänglich ist. Das Heben<br />
<strong>de</strong>s Schwertarms könnte man als Gruß o<strong>de</strong>r als<br />
Versuch eines Angriffs <strong>de</strong>uten. Aber er könnte und ge-<br />
530<br />
gen die Tatzelwürmer helfen. Zur Not haben wir ja<br />
noch die Kugeln. Also ich wür<strong>de</strong> schon vorschlagen,<br />
ihn zu schmieren. Immerhin scheint in diesem Hort<br />
ja alles irgendwo vorhan<strong>de</strong>n zu sein - wie einzelne<br />
Mosaiksteinchen o<strong>de</strong>r Scherben, die zusammengesetzt<br />
<strong>de</strong>s Rätsels Lösung ergeben. Die Kugeln gegen die<br />
Goldmänner - die Münzen und das Fett für <strong>de</strong>n Eisenmann<br />
- und <strong>de</strong>r Eisenmann womöglich für o<strong>de</strong>r<br />
genauer gesagt gegen die Tatzelwürmer. Da scheint ein<br />
gewisses System hinter zu stecken."<br />
"Wir können es nur herausfin<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m wir es versuchen",<br />
teilt Rovena Hesan<strong>de</strong>rs Meinung, und während<br />
sie vorsichtig ein Kugel aus <strong>de</strong>m Stück ihrer Decke wickelt,<br />
fügt sie noch hinzu: "Doch wehe ihm, er macht<br />
einen falschen Schritt."<br />
"Also gut, wie Du wünscht, Schöne <strong>de</strong>r Nacht, gebt<br />
mir einen Behälter und ein Tuch und ich hole mehr<br />
Schmiere."<br />
"Aye, Du holst Schmiere und wir stehen dieselbe, das<br />
wohl!" Ingalf lacht über sein Wortspiel lauf auf.<br />
"Ein wenig Tuch sollte kein Problem sein. Was ist mit<br />
einem Behälter?" fragt Hesan<strong>de</strong>r in die Run<strong>de</strong>.<br />
"Ich hab' nix mehr", kommt es vom Thorwaler, <strong>de</strong>r<br />
wehmütig an die vielen Töpfe und Pfannen <strong>de</strong>nkt, die<br />
jetzt bei <strong>de</strong>n Grolmen liegen.<br />
"Ich komme mit", erklärt Edric, <strong>de</strong>r ja schon eine<br />
schmierige Hand hat. "Einen Behälter brauchen wir<br />
nicht."<br />
Nach<strong>de</strong>m er seine bei<strong>de</strong>n Stabwaffen abgelegt hat,<br />
macht er sich auf <strong>de</strong>n Weg zurück. Falls ihm ein Angreifer<br />
begegnen sollte, muss er sich auf sein Messer<br />
und seine Gewandtheit verlassen.<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg wer<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n nicht behelligt. Das<br />
Fett hat die Konsistenz weicher Butter. Je<strong>de</strong>r kommt<br />
mit einem großen Klumpen Schmiere in bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />
wie<strong>de</strong>r zur Gruppe zurück.<br />
Aber mit einem großen Klumpen Schmiere in bei<strong>de</strong>n<br />
Hän<strong>de</strong>n ist es schwierig, selbst zu schmieren, so dass<br />
Melachath sich nicht wie geplant selbst an die Arbeit<br />
machen kann.<br />
"Halt mal bitte die Hän<strong>de</strong> so, dass ich mit nach Bedarf<br />
Fett nehmen kann." bittet <strong>de</strong>r Magier <strong>de</strong>n Krieger. Zuerst<br />
steckt er nur einen Zeigefinger in die Masse und<br />
streicht das hängen bleiben<strong>de</strong> Fett vorsichtig um das<br />
Ellenbogengelenk <strong>de</strong>s Schwertarms <strong>de</strong>s Eisenmannes.<br />
Dann wie<strong>de</strong>rholt er das Ganze so lange, bis rund um<br />
das Gelenk eine kleine Fettwulst entstan<strong>de</strong>n ist. Diese<br />
versucht er sodann - unter gleichzeitigem Betätigen<br />
<strong>de</strong>s Gelenkes, in die Zwischenräume zu bekommen,<br />
um die Schmierung zu vervollständigen. Dann fährt<br />
er in gleicher Weise mit <strong>de</strong>m Handgelenk und <strong>de</strong>n<br />
Fingern fort. Schließlich ist die Schulter dran.
"Das machst Du ja richtig gut, das wohl!" lobt Ingalf<br />
<strong>de</strong>n Magier. "Wenn ich mal 'n Blecharm habe, kannste<br />
mich auch mal abschmieren …"<br />
"Das ließe sich machen", kommentiert Hesan<strong>de</strong>r. "Da<br />
ist einer", meint er und zeigt auf <strong>de</strong>n Arm <strong>de</strong>s Blechmannes.<br />
Dieser Satz erntet einige verständnislose Blicke und<br />
ein Kopfschütteln vom Thorwaler, aber das ist alles.<br />
"Metallurgie ist eines <strong>de</strong>r Hauptgebiete gewesen, für<br />
die ich mich während <strong>de</strong>r Ausbildung im Rahmen alchimistischer<br />
Studien interessiert habe." geht <strong>de</strong>r Magier<br />
auf die Schmeicheleien <strong>de</strong>s Thorwalers nicht weiter<br />
ein. "Dieses Schmierfett ist zwar nicht optimal, da<br />
Pal hier an <strong>de</strong>n behan<strong>de</strong>lten Stellen schneller wie<strong>de</strong>r<br />
Wasser ziehen wird, aber für <strong>de</strong>n Moment ist es besser<br />
als nichts. Sollten wir uns entschei<strong>de</strong>n, ihn mitzunehmen,<br />
müssen wir regelmäßig das Fett entfernen und<br />
durch neues ersetzen, sonst rostet uns sein Blechhintern<br />
weg, bevor <strong>de</strong>r nächste Winter vorbei ist." ergänzt<br />
Isinha seine Bemerkungen.<br />
"Na, Hauptsache er läuft etwas weniger laut als bisher,<br />
das wohl!" murmelt Ingalf.<br />
Sobald Isinha mit einem Gelenk fertig ist, fängt Pal<br />
Adin an, das Gelenk zu bewegen. Ein bisschen<br />
quietscht es noch am Anfang, aber schnell wird das<br />
Gelenk ruhig und beweglich. Als Isinha mit <strong>de</strong>r<br />
Schulter fertig ist, zieht Pal mit flüssiger Bewegung<br />
sein Schwert und steckt es wie<strong>de</strong>r ein. Dann hält er<br />
quietschend Isinha seinen an<strong>de</strong>ren Arm hin.<br />
Misstrauisch beobachtet Rovena je<strong>de</strong> Bewegung <strong>de</strong>s<br />
Eisenmannes, die Kugel mit <strong>de</strong>m Königswasser in <strong>de</strong>r<br />
Hand. 'Das kann ja noch ein Weilchen dauern, bis all<br />
seine Gelenke wie<strong>de</strong>r beweglich sind", <strong>de</strong>nkt sie bei<br />
sich, wartet aber geduldig, bis Elgar mit <strong>de</strong>r Behandlung<br />
fertig wird.<br />
"Es scheint, als wür<strong>de</strong> es ihm gefallen", kommentiert<br />
Edric. "Mach' weiter!", for<strong>de</strong>rt er <strong>de</strong>n Magier auf, <strong>de</strong>nn<br />
er selbst kann ja mit einem großen Klumpen Fett in<br />
bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n nicht beim Einschmieren mithelfen.<br />
'Jemand, <strong>de</strong>r uns angreifen will, wür<strong>de</strong> uns doch nicht<br />
so nahe an sich herankommen lassen.' Edric ist fest<br />
davon überzeugt, dass Pal Adin auf ihrer Seite steht.<br />
'Phex sei Dank!'<br />
"Mir scheint, das ist ein verständiges Wesen, das nicht<br />
nur starren Mustern folgt", kommentiert Hesan<strong>de</strong>r die<br />
Reaktion <strong>de</strong>s Blechmannes.<br />
'Er ist ja auch kein Geweihter, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf<br />
grinsend.<br />
Als gäbe es eine göttliche Übertragung, fällt Hesan<strong>de</strong>r<br />
plötzlich ein, dass Edric auch noch Fett an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />
hat. "Edric, mein Sohn, tue es doch Elgar gleich<br />
und schmier <strong>de</strong>n Eisenmann mit <strong>de</strong>m Fett ein. Er<br />
scheint ja still zu halten."<br />
531<br />
"Nichts gegen Edric, aber wenn Melachath es mit bei<strong>de</strong>n<br />
Hän<strong>de</strong>n voll Fett nicht schafft, <strong>de</strong>n Eisenmann zu<br />
schmieren, schafft es unser junger Freund auch nicht."<br />
kommentiert Isinha die Bemerkung <strong>de</strong>s Geweihten,<br />
während er <strong>de</strong>r stummen Auffor<strong>de</strong>rung von Pal nachkommt<br />
und auch <strong>de</strong>n zweiten Arm - auf die gleiche<br />
Weise - schmiert.<br />
Der zweite Arm wird ähnlich beweglich wie <strong>de</strong>r erste.<br />
Danach macht Pal Adin einen Schritt nach vorn. Es<br />
quietscht erbärmlich, woraufhin sich <strong>de</strong>r Eisenmann<br />
wie<strong>de</strong>r zu Isinha dreht.<br />
"Ja, ja, schon gut." beschwichtigt dieser und macht<br />
sich an die langwierige - aber nicht unterstützte - Arbeit,<br />
auch die bei<strong>de</strong>n Beine und die Hüfte <strong>de</strong>s Eisenmannes<br />
auf die gleiche Weise zu bearbeiten, wie die<br />
Arme. Zwischenzeitlich hat er das Fett schon von Edric<br />
nehmen müssen und bittet Melachath, wenigstens<br />
noch eine Hand voll zu besorgen. Schließlich sind die<br />
Füße und <strong>de</strong>r Hals/Kopf auch noch zu schmieren.<br />
Was <strong>de</strong>r Aranier wortlos macht.<br />
Wofür er bei seiner Rückkehr ein dankbares Nicken<br />
Isinhas erntet.<br />
Als schließlich je<strong>de</strong>s erreichbare Gelenk Pal Adins geschmiert<br />
ist, zieht <strong>de</strong>r Automat noch einmal sein<br />
Schwert, macht ein paar prüfen<strong>de</strong> Bewegungen, die<br />
<strong>de</strong>n Aranier unwillkürlich zu einem anerkennen<strong>de</strong>n<br />
Pfiff bewegen. Das sind perfekt ausgeführte Schwert-<br />
Katas. Der Eisenmann wen<strong>de</strong>t sich dann an Isinha:<br />
"Mein Name ist …" Die gleiche Litanei. Als Pal Adin<br />
fertig ist, bleibt er Isinha zugewen<strong>de</strong>t. Er scheint zu<br />
warten.<br />
Ingalf reicht <strong>de</strong>m Magier noch ein Münze aus <strong>de</strong>m<br />
falschen Hort. "Ich glaube, jetzt gehört er Dir, aber<br />
wie je<strong>de</strong>r Söldner braucht er wohl noch etwas Geld,<br />
das wohl!"<br />
Hesan<strong>de</strong>r zückt ein zweites Goldstück und legt es<br />
<strong>de</strong>m Blechmann auf die Zunge, sofern er sie ihm herausstreckt.<br />
Der Mund <strong>de</strong>s Eisenmannes bleibt geschlossen. Geld<br />
braucht er wohl keines.<br />
Während<strong>de</strong>ssen nimmt <strong>de</strong>r Magier das "Goldstück"<br />
von Ingalf entgegen. Dem Eisenmann antwortet er:<br />
"Ich bin Isna-Inti Hapa. Meine guten Gefährten und<br />
ich sind auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m Ausgang aus diesem<br />
Gewölbe und wir wer<strong>de</strong>n von diesen bösen Tatzelwürmern<br />
daran gehin<strong>de</strong>rt, diesen Hort zu verlassen. Hilf<br />
uns bitte." - 'Mal sehen, ob das reicht. Falls nicht,<br />
müssen wir uns eine an<strong>de</strong>re Motivation von Pal überlegen.'<br />
<strong>de</strong>nkt Isinha, während er sich die fettigen Finger<br />
säubert.<br />
Pal Adin dreht sich zu <strong>de</strong>n Tatzelwürmern, zieht sein<br />
Schwert. Dann verharrt er. Jetzt ist eine kluge Taktik<br />
gefragt.
Nach<strong>de</strong>m Edric kein Fett mehr in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n hält,<br />
säubert er wie<strong>de</strong>r seine Hän<strong>de</strong>.<br />
Auch <strong>de</strong>r Aranier versucht, seine Hän<strong>de</strong> so sauber wie<br />
möglich zu bekommen, allein schon <strong>de</strong>shalb, damit<br />
seine Waffe nicht abrutscht.<br />
"Was machen wir jetzt?" fragt Edric, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Ritter<br />
kann es wohl kaum mit allen Tatzelwürmern gleichzeitig<br />
aufnehmen.<br />
"Nun, wir sollten unserem Streiter für das Gute <strong>de</strong>n<br />
bösesten <strong>de</strong>r Gegner überlassen, das wohl!" meint Ingalf.<br />
"Und das heißt doch, dass unser Blechfreund <strong>de</strong>n<br />
großen Tatzelwurm nimmt und wir <strong>de</strong>n Rest - <strong>de</strong>n wir<br />
aber vorher vielleicht noch mit <strong>de</strong>n Kugeln bearbeiten<br />
sollten, o<strong>de</strong>r? Was meinst Du, Edric, lassen sich die<br />
Kugeln gegen die kleinen Würmer mit <strong>de</strong>r Schleu<strong>de</strong>r<br />
verschießen? Dann sind wir noch relativ sicher. Anschließend<br />
warten wir bis <strong>de</strong>r Rauch sich legt und geben<br />
<strong>de</strong>n Resten <strong>de</strong>n Rest, das wohl!"<br />
"Ich glaube nicht, die Kugeln sind zu groß für die<br />
Schleu<strong>de</strong>r." bedauert Edric.<br />
"Kein Versuch?" fragt Ingalf nach.<br />
"Nein." antwortet Edric entschlossen. "Wir können die<br />
Kugeln aber wie<strong>de</strong>r werfen," schlägt er vor.<br />
"Gut, dann sollten wir das tun!" stimmt ihm Ingalf zu.<br />
"Am Besten erstmal alle auspacken und dann schnell<br />
hintereinan<strong>de</strong>r auf die Tatzelwürmer …<br />
Isinha, sagst Du Deinem Blechkumpel, er soll warten<br />
bis die Tatzelwürmer aufhören zu qualmen und dann<br />
en gar<strong>de</strong>!, wie Randi immer sagte, das wohl!"<br />
"Wieso 'meinem Blechkumpel'? Und kommandier<br />
mich nicht so rum!" Isinha ist nicht amüsiert.<br />
"Dein Blechkumpel weil Du ihn sauber gemacht hast<br />
und weil er anscheinend auch Dich hört, das wohl!"<br />
antwortet Ingalf. "Bei Swafnir, Dir verdankt er schließlich<br />
seine Beweglichkeit, also stell Dich nicht so an!"<br />
"Ich stell' mich nicht an, ich warte nur in einer Reihe<br />
hinter euch ab." grinst ihn <strong>de</strong>r Magier nun an.<br />
"Blödmannsgehilfe!" kommt es genauso grinsend zurück.<br />
Pal Adin wartet ab.<br />
Rovena legt schon die Kugel, die sie in <strong>de</strong>r Hand hat,<br />
behutsam ab und beginnt, auf Ingalfs Anweisung hin,<br />
die an<strong>de</strong>ren Kugel vorsichtig auszupacken. Dabei achtet<br />
sie darauf, dass die säuregefüllten Glaskugel einzeln<br />
in <strong>de</strong>n Deckenresten zu liegen kommen.<br />
Ingalf hilft Rovena beim Auspacken <strong>de</strong>r Kugeln. Als<br />
sie fertig sind, legt er sie griffbereit hin und schaut sich<br />
noch einmal genau die Maße <strong>de</strong>r Tür und <strong>de</strong>s Raumes<br />
an. Nach <strong>de</strong>r ersten Attacke hat sich ja gezeigt, dass<br />
<strong>de</strong>r große Tatzelwurm nicht durch die Tür kommt,<br />
aber wir mögen die kleinen reagieren, wenn die Säurekugeln<br />
fliegen? Ob sie die Gefährten im Gang angreifen<br />
könnten? O<strong>de</strong>r sich irgendwo im Raum verstecken<br />
532<br />
könnten, so dass sie nicht von <strong>de</strong>n Kugeln getroffen<br />
wer<strong>de</strong>n?<br />
Denn eins ist Ingalf recht klar mit <strong>de</strong>r Menge an Munition<br />
kann ruhig die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Kugel daneben<br />
gehen - obwohl er das bei <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r Ziele und <strong>de</strong>r<br />
geringen Entfernung kaum glaubt - und trotz<strong>de</strong>m<br />
müsste <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n immens sein.<br />
"Also schön. Werter Pal Adin, sobald wir die bei<strong>de</strong>n<br />
kleinen bösen Tatzelwürmer angreifen, greift Ihr bitte<br />
<strong>de</strong>n großen bösen Tatzelwurm an. So kämpfen wir gemeinsam<br />
Seite an Seite." erklärt <strong>de</strong>r Magier, <strong>de</strong>r sich<br />
aufgrund <strong>de</strong>s Auspackens <strong>de</strong>r Säurekugeln <strong>de</strong>n von<br />
Ingalf gehegten Plan recht gut vorstellen kann.<br />
Pal Adin wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>n Tatzelwürmern zu. Er<br />
scheint die Situation zu beäugen. Beim Betrachten <strong>de</strong>r<br />
Situation wird klar, dass es so einfach, wie Isinha es<br />
sich vorstellt, nicht geht: Der große Tatzelwurm ist<br />
<strong>de</strong>utlich vor <strong>de</strong>n kleinen positioniert. An ihm muss<br />
man vorbei.<br />
"Also doch <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>r Leuin, ich sagte es schon die<br />
ganze Zeit, dass es hier nicht an<strong>de</strong>rs gehen wird. Mehrere<br />
Säurekugeln auf <strong>de</strong>n Großen aus <strong>de</strong>n mechanischen<br />
Nie<strong>de</strong>rhöllen, und dann Ingalf und ich, hinter<br />
uns die Schöne <strong>de</strong>r Nacht und <strong>de</strong>r dunkle Schatten<br />
mit Ihren unterstützen<strong>de</strong>n Kräfte, die Mada stiftete."<br />
Rovena erstarrt. Kämpfen … mit ihrem Stab gegen<br />
diese Metallungeheuer? Viel Kraft ist ihr nicht geblieben,<br />
und ein letzter Radau wird sie völlig erschöpfen.<br />
Doch was bleibt ihr übrig? Sie kann doch nicht nur<br />
zusehen, wenn ihre Gefährten kämpfen. Also nickt<br />
sie. "Ich nehme eine Kugel und versuche, diese von<br />
<strong>de</strong>r rechten Seite auf <strong>de</strong>n kleinen Tatzelwurm zu werfen,<br />
während du und Ingalf <strong>de</strong>n großen ablenken, ja?"<br />
fragt sie nach, ob sie die Vorgehensweise richtig verstan<strong>de</strong>n<br />
hat.<br />
"Auf <strong>de</strong>n großen und die kleinen, ansonsten, ja …<br />
Schwester."<br />
"Nee, nee, nicht ganz!" korrigiert sie Ingalf. "Wir werfen<br />
erst alle Kugeln auf alle Tatzelwürmer und dann<br />
kümmern wir uns um die Reste, das wohl! Und zwar<br />
unser Blechkumpel um <strong>de</strong>n großen und wir sechs um<br />
die bei<strong>de</strong>n kleinen. Die sollten dann auch so schlapp<br />
sein, dass wir alles was ausrichten können!"<br />
'Hoffentlich en<strong>de</strong>t dies nicht in solch einem Desaster,<br />
wie mit <strong>de</strong>n Kugel. Denn die metallischen Ungeheuer<br />
wer<strong>de</strong>n wohl kaum bei einer Berührung zerplatzen.'<br />
Edric überlegt, ob dies wohl <strong>de</strong>r richtige Zeitpunkt für<br />
die Pille ist, die ein zweites Leben schenken soll …<br />
Einen Moment scheint die junge Frau nachzu<strong>de</strong>nken,<br />
schaut abwechselnd zwischen <strong>de</strong>m Aranier und <strong>de</strong>m<br />
Thorwaler hin und her, dann atmet sie tief durch.<br />
"Um die kleinen zu treffen, müssen wir seitlich in <strong>de</strong>n<br />
Raum hinein. Also bewerfen wir erst <strong>de</strong>n großen Tatzelwurm<br />
und anschließend die bei<strong>de</strong>n kleinen, wenn
sie nicht mehr von ihm ver<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Und immer<br />
abwechselnd, damit wir uns nicht gegenseitig im Weg<br />
stehen, ja? Wer fängt an?" Mit ihrer Kugel in <strong>de</strong>r<br />
Hand steht sie da, bereit, diese <strong>de</strong>n Metallungeheuern<br />
entgegen zu schleu<strong>de</strong>rn.<br />
"Nach Dir!" meint Ingalf und nimmt zwei Kugel, um<br />
sie dann nach Rovena auf die Tatzelwürmer zu werfen.<br />
Der große Tatzelwurm wartet in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Halle,<br />
etwa 10 Schritt von <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n entfernt.<br />
"So sei es!" Entschlossen geht Rovena auf das Metallungeheuer<br />
zu und wird, wenn <strong>de</strong>r Wurm sich auf sie<br />
zu bewegt, die Kugel auf ihn werfen und ihn zu treffen<br />
versuchen.<br />
Der große Wurm setzt sich sofort in Bewegung, als<br />
Rovena <strong>de</strong>n ersten Schritt in <strong>de</strong>n Raum <strong>de</strong>r Tatzelwürmer<br />
macht. Er ist überraschend schnell. Rovenas Wurf<br />
geht über <strong>de</strong>n Tatzelwurm hinweg und prallt hinter<br />
ihm auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n.<br />
"Komm sofort zurück!" ruft Isinha erschrocken, als er<br />
Rovenas forschen Schritt in die Kammer und das Entgegenkommen<br />
<strong>de</strong>s Tatzelwurms sieht. "Wir machen<br />
das von <strong>de</strong>r Tür aus." entschei<strong>de</strong>t er und nimmt sich<br />
ebenfalls eine Kugel mit <strong>de</strong>m Königswasser, die er vorsichtig<br />
und prüfend in <strong>de</strong>r linken Hand wiegt.<br />
Dazu lässt sich Rovena nicht zweimal bitten, sie<br />
macht einen Satz zurück zum Durchgang und versucht<br />
sich vor <strong>de</strong>m Tatzelwurm in Sicherheit zu bringen.<br />
Vor Schreck über die Geschwindigkeit <strong>de</strong>s Ungeheuers<br />
hat sie die Kugel zu früh geworfen und nicht<br />
getroffen. Doch sogleich nimmt sie eine neue Kugel<br />
auf …<br />
Ingalf macht für Rovena im Gang Platz und wirft<br />
dann erst die eine dann die an<strong>de</strong>re Kugel gera<strong>de</strong> gegen<br />
<strong>de</strong>n anstürmen<strong>de</strong>n Tatzelwurm. Anschließend bringt<br />
er sich wie<strong>de</strong>r im Gang in Sicherheit.<br />
Bei<strong>de</strong> Kugeln verfehlen <strong>de</strong>n Tatzelwurm, sie fliegen<br />
zu kurz.<br />
Edric entschei<strong>de</strong>t sich gegen die Pille. Die Zwölfe<br />
wer<strong>de</strong>n ihn hier nicht sterben lassen. Immerhin hat er<br />
sie in <strong>de</strong>n letzten Wochen häufig mit seinen Geben ihren<br />
Schutz erbeten.<br />
Vorsichtig wischt er seine schweißnassen und fettigen<br />
Hän<strong>de</strong> nun doch an seinen Beinklei<strong>de</strong>rn ab, er<br />
braucht jetzt einen guten Griff. Dann legt er seine bei<strong>de</strong>n<br />
Stabwaffen in <strong>de</strong>r Nähe ab und nimmt auch zwei<br />
<strong>de</strong>r gläsernen Kugeln. Er atmet tief aus und stellt sich<br />
neben Ingalf, bereit, auf <strong>de</strong>ssen Zeichen nacheinan<strong>de</strong>r<br />
die Kugeln zu werfen.<br />
Es ist wirklich verphext! Auch Edrics Kugeln verfehlen<br />
<strong>de</strong>n großen Tatzelwurm.<br />
Enttäuscht über die Fehlwürfe zieht sich Edric rasch<br />
zurück. Die Wesen scheinen die Gefahr zu kennen<br />
533<br />
und sind ziemlich schnell. Da auch seine Gefährten<br />
nicht getroffen haben, scheint ihr Plan nicht zu funktionieren<br />
…<br />
Aus seiner Tasche holt er nun doch die Pille hervor<br />
und betrachtet sie nach<strong>de</strong>nklich. 'Ist das jetzt die richtige<br />
Zeit?' fragt er sich.<br />
Hesan<strong>de</strong>r tut es Ingalf und Edric gleich. "Für Hesin<strong>de</strong>!"<br />
- mit diesen Worten wirft er die Kugel.<br />
Sie fliegt rechts am Tatzelwurm vorbei.<br />
"Verdammt!" ruft Ingalf nach<strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n ersten Kugeln<br />
keine getroffen hat.<br />
"Vielleicht sollten wir die Dinger vor die Füße rollen,<br />
dann kann er nicht mehr laufen, das wohl!" Er nimmt<br />
sich die nächste Kugel und rollt sie gegen <strong>de</strong>n Beine<br />
<strong>de</strong>r Wurms.<br />
Der Tatzelwurm weicht auch <strong>de</strong>r Kugel aus.<br />
"Dieses vermale<strong>de</strong>ite Mistvieh!" flucht Ingalf. "Wenn<br />
wir so ein Riesenviech nicht treffen, dann geht das<br />
wohl nicht mit rechten Dingen zu. Anscheinend will<br />
irgendwer nicht, dass wir uns die Tatzelwürmer mit<br />
<strong>de</strong>r Säure holen, das wohl!"<br />
Rovena versucht wie<strong>de</strong>r, ihre Kugel auf <strong>de</strong>n näher<br />
kommen<strong>de</strong>n Tatzelwurm zu werfen. So klein ist dieser<br />
doch nun wirklich nicht, er muss doch zu treffen sein!<br />
Und wenn nicht ihn, so doch die bei<strong>de</strong>n kleineren, die<br />
hinter ihm verborgen sind …<br />
Diese Kugel fliegt auch vorbei, diesmal links.<br />
"Es ist doch wie verhext", murmelt Rovena kaum hörbar<br />
und ist sich fast sicher, dass hier etwas nicht mit<br />
rechten Dingen zugehen kann, wenn gar keine Kugel<br />
treffen will. 'Du willst wohl unser Blut als Opfer sehen,<br />
Sohn <strong>de</strong>s Los? Und ich dachte, das fällt <strong>de</strong>iner<br />
Schwester zu …' Sie schnaubt leise, und ein beängstigen<strong>de</strong>s<br />
Gefühl bemächtigt sich ihrer.<br />
"Hört auf zu werfen", sagt Ingalf zu seinen Gefährten.<br />
"Es bringt nix, wir dürfen sie nicht mit <strong>de</strong>n Kugeln angreifen,<br />
er will es nicht, das wohl! Und je mehr wir<br />
werfen, um so größer ist die Schweinerei auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n<br />
…<br />
Wir brauchen eine an<strong>de</strong>re, eine bessere I<strong>de</strong>e, das<br />
wohl!"<br />
"Ja, haltet ein!" for<strong>de</strong>rt Isinha die Gefährten auf. "Es<br />
hat ganz <strong>de</strong>n Anschein, als seien die Kugeln lediglich<br />
für <strong>de</strong>n Kampf gegen die gol<strong>de</strong>nen Männer vorgesehen<br />
gewesen. Für die Tatzelwürmer scheint Phex eine<br />
an<strong>de</strong>re Strategie von uns zu verlangen - ich tippe mal<br />
vorsichtig auf <strong>de</strong>n richtigen Umgang mit unserem<br />
neuen Freund Pal Adin. Wir sollten uns also überlegen,<br />
wie wir nun vorgehen sollen."<br />
'Aber das hab' ich doch schon gesagt, das wohl!' <strong>de</strong>nkt<br />
Ingalf und schaut <strong>de</strong>n Magier verblüfft an.
"Für je<strong>de</strong>s Hin<strong>de</strong>rnis scheint es eine ihm eigene Lösung<br />
zu geben. Offenbar funktioniert hier kein Plan<br />
zweimal", schlussfolgert Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Wie kann Pal Adin die Tatzelwürmer so ablenken,<br />
dass wir ungeschoren an ihnen vorbei kommen?" fragt<br />
er in die Run<strong>de</strong>.<br />
"Was willst du an<strong>de</strong>res tun, als ihm <strong>de</strong>n Kampf gegen<br />
die Metalluntiere zu befehlen?" fragt Rovena besorgt.<br />
"Wir wissen aber noch nicht einmal, wie er …", sie<br />
wirft <strong>de</strong>m Eisenmann einen Seitenblick zu, "… zu<br />
lenken ist, nicht, dass er im Augenblick <strong>de</strong>r höchsten<br />
Not innehält und seine Zunge herausstreckt, um mit<br />
einer Münze gefüttert zu wer<strong>de</strong>n."<br />
"Wenn wir es nicht ausprobieren, dann stehen wir<br />
noch am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zeit hier, das wohl!" wen<strong>de</strong>t Ingalf<br />
ein.<br />
"Wenn es keine an<strong>de</strong>re Möglichkeit gibt … dann haltet<br />
die Pillen bereit, die die Hetfrau uns mitgegeben<br />
hat", antwortet Rovena mit belegter Stimme. Sie öffnet<br />
ihre Gürteltasche und zieht <strong>de</strong>n kleinen Le<strong>de</strong>rbeutel<br />
heraus, in <strong>de</strong>m sich die karmesinrote, erbsengroße Pille<br />
neben ihrem Talisman, einem kleinen taubeneigroßen<br />
Rosenquarz, befin<strong>de</strong>n sollte. Ein Blick hinein<br />
bestätigt seine Anwesenheit, und erleichtert zieht die<br />
junge Frau das Beutelchen wie<strong>de</strong>r zu. 'Wer<strong>de</strong> ich das<br />
geschenkte, zweite Leben brauchen?' fragt sie sich<br />
und starrt auf <strong>de</strong>n Tatzelwurm, <strong>de</strong>r sie anscheinend<br />
erwartet.<br />
"Was soll ich tun? Den Eisenmann in <strong>de</strong>n Kampf führen?"<br />
fragt sie unsicher ihre Gefährten. "Ich habe sonst<br />
keine wirklich wirksame Waffe gegen diese Ungeheuer.<br />
Meine Kraft reicht gera<strong>de</strong> noch aus, meinen Stab<br />
für kurze Zeit tanzen zu lassen, um sie von euch abzulenken<br />
…"<br />
"Hmm, wenn wir <strong>de</strong>n alleine lassen, machen die drei<br />
Eisenspäne aus unserem tapferen Blechmann, das<br />
wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Vielleicht verschafft uns das aber die Zeit, die wir<br />
brauchen", wen<strong>de</strong>t Hesan<strong>de</strong>r ein.<br />
"Dann müssen wir wohl da rein und uns <strong>de</strong>n Weg<br />
freikämpfen. Vielleicht hilft uns Pal Adin dabei."<br />
meint Edric. Die taktische Planung überlässt er lieber<br />
Ingalf.<br />
"Aye, das wohl!" stimmt ihm <strong>de</strong>r Thorwaler zu. "Und<br />
um Blut vergießen zu vermei<strong>de</strong>n sollten wir vor allem<br />
schnell wie<strong>de</strong>r raus. Meine I<strong>de</strong>e ist es jetzt: Pal Adin<br />
vor, wenn es die Tatzelwürmer in <strong>de</strong>n Kampf verwickelt<br />
hat, wir hinterher und so schnell wie möglich<br />
drüben wie<strong>de</strong>r raus. Melachath und ich geben <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Deckung.<br />
Und nehmt euch vor <strong>de</strong>m Großen in acht, das wohl!"<br />
Er schaut seine Gefährten ernst an. "Vielleicht ist das<br />
<strong>de</strong>r Moment Garhelts Geschenk bereit zu halten!"<br />
534<br />
Dann holt er auch seine rote Pille hervor und steckt<br />
sie griffbereit in seine Hosentasche.<br />
"Habt jemand eine an<strong>de</strong>re I<strong>de</strong>e o<strong>de</strong>r wollen wir es<br />
tun?" fragt er abschließend.<br />
"Dann lasst es uns wagen", stimmt Edric zu, <strong>de</strong>r keine<br />
an<strong>de</strong>re Möglichkeit sieht.<br />
"Lasst uns Rondras Pfa<strong>de</strong>n folgen!" Grimmig umfasst<br />
<strong>de</strong>r Aranier seine Waffe.<br />
Etwas irritiert schaut Hesan<strong>de</strong>r in die Run<strong>de</strong>. Hatte er<br />
doch schon vor Ingalf diesen Vorschlag gemacht.<br />
"Nun, nach<strong>de</strong>m Ingalf meinen Plan nochmal wie<strong>de</strong>rholt<br />
hat, können wir ihn ja dann jetzt in die Tat umsetzen",<br />
sagt er in die Run<strong>de</strong>. Eine Pille wie einer <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Gefährten wird er nicht nehmen. Sein<br />
Schicksal ist in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n Hesin<strong>de</strong>s.<br />
"Siehste, wenn wir es alle sagen und wollen, dann<br />
muss es ja klappen, das wohl!" grinst ihn Ingalf an.<br />
"Tja, das wollen wir dann mal hoffen." meint Isinha,<br />
während er nach<strong>de</strong>nklich die ihm überlassene rote<br />
Pille zwischen <strong>de</strong>n Fingern dreht und sie eingehend<br />
betrachtet. Dann fasst er einen Entschluss und steckt<br />
sie - gut erreichbar - zurück in die Tasche. 'Verschwen<strong>de</strong><br />
nie, was Dir bereitwillig gegeben wor<strong>de</strong>n ist.' gemahnt<br />
er sich in Erinnerung an schwere Zeiten.<br />
"Also dann … Pal Adin, auf in <strong>de</strong>n Kampf! Wir folgen<br />
Dir und streiten gemeinsam wi<strong>de</strong>r das Tatzel-Gezücht."<br />
kommandiert <strong>de</strong>r Magier, um <strong>de</strong>n eisernen<br />
Gefolgsmann 'auf Kurs' zu bringen, wie Ingalf sich<br />
ausgedrückt hätte.<br />
Ingalf zieht <strong>de</strong>n Riemen von seinem Seesack fest und<br />
nimmt die Orknase in bei<strong>de</strong> Hän<strong>de</strong>. Bereit <strong>de</strong>n<br />
Kampf gegen die Tatzelwürmer aufzunehmen, folgt er<br />
<strong>de</strong>m Blechkrieger.<br />
Edric steckt seine 'Pille' ebenfalls in die Tasche. So<br />
kann er sie nicht verlieren, im Ernstfall aber hoffentlich<br />
rechtzeitig erreichen.<br />
Mit bei<strong>de</strong>n Stäben folgt er Ingalf. Zwar wird er nicht<br />
gleichzeitig mit bei<strong>de</strong>n Stäben kämpfen können, doch<br />
will er keinen zurücklassen. Er hat vor, seinen Holzstab<br />
Richtung Ausgang zu werfen, in <strong>de</strong>r Hoffnung,<br />
dass die Tatzelwürmer diesem ausweichen wie <strong>de</strong>n<br />
Kugeln.<br />
Zum Angriff wird er <strong>de</strong>n erbeuteten Dreizack nutzen,<br />
da er mit <strong>de</strong>n Zacken hofft, die Würmer besser auf<br />
Abstand halten zu können.<br />
So folgt er Ingalf in <strong>de</strong>n Kampf.<br />
Grimmig dreinblickend meint Isinha: "Wir kämpfen<br />
uns also nur <strong>de</strong>n Weg zu <strong>de</strong>m Ausgang frei, ja? Gut,<br />
dann los!" Mit festen Schritten folgt er Ingalf und Edric,<br />
hält seinen Stab bereit und sammelt sich bereits<br />
für <strong>de</strong>n einzigen brauchbaren Kampfzauber, <strong>de</strong>n er<br />
zwar nicht gut beherrscht, aber immerhin …
Der Eisenmann setzt sich in Bewegung. Sofort, als er<br />
die Halle <strong>de</strong>r Tatzelwürmer betritt, zieht er nach links.<br />
Der große Tatzelwurm hält direkt auf ihn zu und er<br />
schnappt auch sofort zu, versucht ein Bein <strong>de</strong>s Ritters<br />
zu schnappen. Der zieht im letzten Moment weg. Der<br />
erste Schlag <strong>de</strong>s Ritters geht ins Leere.<br />
Die bei<strong>de</strong>n kleinen Tatzelwürmer bleiben beim hinteren<br />
Ausgang.<br />
"So, jetzt stehen nur noch die bei<strong>de</strong>n kleinen im Weg!<br />
Los, Freun<strong>de</strong>, machen wir uns <strong>de</strong>n Weg frei, das<br />
wohl!" ruft Ingalf und kurvt um <strong>de</strong>n Pal Adin und <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n große Tatzelwurm herum auf die bei<strong>de</strong>n kleinen<br />
zu.<br />
Mit schnellen Schritten geht <strong>de</strong>r Aranier an <strong>de</strong>n Gefährten<br />
und <strong>de</strong>m großen Tatzelwurm vorbei, um Ingalf<br />
bei <strong>de</strong>n kleinen zu helfen.<br />
"Rondra führe die Klinge unserer Kämpfer, Hesin<strong>de</strong>,<br />
segne <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>r Zauberkundigen und Deines beschei<strong>de</strong>nen<br />
Dieners, Phex, schau auf uns herab und<br />
sieh wie wir uns selbst helfen. In die Schlacht!" ruft<br />
Hesan<strong>de</strong>r und wird Seite an Seite mit <strong>de</strong>m Aranier<br />
kämpfen. Da er <strong>de</strong>m Tatzelwurm vermutlich keinen<br />
Scha<strong>de</strong>n mit seinem Stab zufügen kann, wird er versuchen,<br />
ihn abzulenken und zum Stolpern zu bringen,<br />
so dass Melachath leichter Treffer anbringen<br />
kann.<br />
"In die Schlacht! Nu mach mal halblang, wir sind doch<br />
nicht <strong>de</strong>s Kaisers Armee, das wohl!" kommentiert Ingalf<br />
<strong>de</strong>n Ausbruch <strong>de</strong>s Geweihten und wählt <strong>de</strong>n noch<br />
freien kleinen Tatzelwurm als Gegner.<br />
Rovena hat sich die rote Pille unter die Zunge gelegt,<br />
um bei<strong>de</strong> Hän<strong>de</strong> frei zu haben, mit <strong>de</strong>nen sie fest ihren<br />
Stab umklammert, bereit zur Abwehr, sollte sie<br />
angegriffen wer<strong>de</strong>n. Der Tragebeutel mit <strong>de</strong>r kleinen<br />
Schä<strong>de</strong>leule hängt durch ihren Körper geschützt auf<br />
<strong>de</strong>m Rücken. So folgt sie ihren Gefährten dicht an <strong>de</strong>r<br />
Wand <strong>de</strong>s Raumes entlang auf die kleinen Tatzelwürmer<br />
zu, <strong>de</strong>nn wenn sie eingreifen müsste, dann, um<br />
Leben zu retten, und wenn sie dafür ihr zweites Leben<br />
gibt …<br />
Ingalf wählt <strong>de</strong>n linken kleinen Tatzelwurm. Zu ihm<br />
ist <strong>de</strong>r Weg etwas länger. Hinter Ingalf läuft Edric.<br />
Dann kommt Melachath, dann Hesan<strong>de</strong>r. Isinha hält<br />
sich auf Abstand von allen Tatzelwürmern. Er will<br />
nicht vom Zaubern abgelenkt wer<strong>de</strong>n. Rovena ist zum<br />
Zuschauen verdammt. Sie schaut, wie gut Pal Adin<br />
mit <strong>de</strong>m großen Tatzelwurm zurecht kommt.<br />
So ein kleiner Tatzelwurm ist schnell. Ingalf ist von<br />
<strong>de</strong>m Angriff, <strong>de</strong>r ihn glücklicherweise verfehlt, völlig<br />
überrascht und kommt ins stolpern. Dem folgen<strong>de</strong>n<br />
Angriff wäre er völlig ungeschützt ausgesetzt, wenn da<br />
nicht Edric mit seinem Dreizack dazwischen gehen<br />
wür<strong>de</strong>. Und Edric kann sogar zustechen. Die Zinken<br />
535<br />
seiner Waffe durchstechen die eiserne Haut <strong>de</strong>s Automaten!<br />
"Danke Freund!" murmelt Ingalf während es sich<br />
hochrappelt. Ihm als alten Recken ist so ein Patzer natürlich<br />
beson<strong>de</strong>rs peinlich. Er geht, wenn er wie<strong>de</strong>r<br />
auf <strong>de</strong>n Beinen ist, sofort zum erneuten beidhändigen<br />
Angriff vor.<br />
Edric lächelt ihm nur zu und versucht weiter <strong>de</strong>n Tatzelwurm<br />
auf Abstand zu halten.<br />
Und dann faucht eine Feuerlanze zwischen Ingalf<br />
und Edric hindurch. Der Spruch ist Isinha gelungen.<br />
Die Lanze schlägt ein Loch in <strong>de</strong>n kleinen Tatzelwurm.<br />
Hoch erfreut darüber, dass <strong>de</strong>r ihm nicht ganz so geläufige<br />
Zauber gelungen ist und dann auch noch erfolgreich<br />
Scha<strong>de</strong>n angerichtet hat, rekapituliert Isinha<br />
schnell seine Vorbereitung.<br />
Dann versucht er sich eine Übersicht über das allgemeine<br />
Getümmel zu verschaffen.<br />
Pal Adin lässt sich durch <strong>de</strong>n Angriff <strong>de</strong>s Gezüchts<br />
nicht aus <strong>de</strong>r Ruhe bringen. Seine Ausweichbewegung<br />
funktioniert wie geschmiert, und auch sein erster<br />
misslungener Angriff gegen <strong>de</strong>n großen Tatzelwurm<br />
kann ihn nicht erschüttern, sein Mut scheint grenzenlos.<br />
Erneut holt er in einer kraftvollen Bewegung mit<br />
über <strong>de</strong>m Helm geschwungenen Schwert aus und<br />
lässt es seitlich gegen <strong>de</strong>n schnappen<strong>de</strong>n Kopf <strong>de</strong>s Metalldrachen<br />
sausen.<br />
Der Tatzelwurm weicht aus und schnappt wie<strong>de</strong>r zu.<br />
Pal Adin pariert, und dann gelingt ihm <strong>de</strong>r perfekte<br />
Schlag. Er trifft einen <strong>de</strong>r Läufe <strong>de</strong>s großen Tatzelwurms<br />
genau im Gelenk - und trennt das Glied dadurch<br />
ab! Dann geht es ein paarmal hin und her. Keiner<br />
kommt zum Treffer, bis wie<strong>de</strong>r einer von Pal Adins<br />
Schwerthieben durchkommt. Hier wird <strong>de</strong>utlich,<br />
wie stark <strong>de</strong>r große Tatzelwurm gepanzert ist. Das<br />
Loch, das <strong>de</strong>r eiserne Ritter schlägt, ist nur winzig.<br />
In diesem Moment entlädt sich Isinhas Feuerzauber.<br />
Rovenas blickt kurz hinüber. Bei<strong>de</strong> kleinen Tatzelwürmer<br />
stehen noch, aber auch noch alle Gefährten.<br />
Das nimmt Rovena mit großer Erleichterung wahr.<br />
Angespannt beobachtet sie <strong>de</strong>n weiteren Kampf, bereit,<br />
einzugreifen, sollte es nötig wer<strong>de</strong>n.<br />
Melachath macht als erstes Bekanntschaft mit <strong>de</strong>n Eisenzähne<br />
eines kleinen Tatzelwurms. Sein eigener<br />
Hieb geht fehl, aber Hesan<strong>de</strong>rs Schlag schlägt eine<br />
tiefe Delle in die Blechhaut. Sie reißt sogar ein. Den<br />
Gegenbiss <strong>de</strong>s Tatzelwurms pariert Hesan<strong>de</strong>r mit seinem<br />
Stab.<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist erstaunt ob <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns, <strong>de</strong>n er ungeachtet<br />
seiner Zweifel in die Schlagkraft seiner Waffe<br />
anbringen konnte. Es bestätigt ihn darin, für die richtige<br />
Sache zu kämpfen. Und so wird er weiterhin angreifen,<br />
jedoch Melachath im Zweifelsfall <strong>de</strong>n nötigen
Platz lassen, damit er eine bessere Angriffsmöglichkeit<br />
hat.<br />
Melachath verfehlt lei<strong>de</strong>r, obwohl er frei zum Schlag<br />
kommt.<br />
Als Ingalf mit seiner Axt wie<strong>de</strong>r neben ihm steht,<br />
rückt Edric ein wenig zur Seite um seinem Freund<br />
<strong>de</strong>n nötigen Platz für einen Angriff zu geben.<br />
Der völlig lautlose Tatzelwurm schnappt nach Edric,<br />
<strong>de</strong>r ihn ja kurz zuvor verletzt hatte. Edrics und Ingalfs<br />
Gegenangriffe gehen fehl.<br />
Dies ist <strong>de</strong>r Zeitpunkt, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Aranier seinen<br />
nächsten Angriff versucht.<br />
In <strong>de</strong>r nächsten Kampfrun<strong>de</strong> kann Edric <strong>de</strong>n Tatzelwurm<br />
so beschäftigen, dass Ingalf einen sauberen<br />
Schlag lan<strong>de</strong>n kann. Das Vieh ist noch nicht besiegt.<br />
Aber <strong>de</strong>r Thorwaler setzt nach, vielleicht gelingt es Ingalf<br />
ja <strong>de</strong>n Tatzelwurm mit ein paar Schläge zur Seite<br />
zu treiben, um <strong>de</strong>n Ausgang frei zu bekommen.<br />
Edric ist froh, mit Ingalf ein so gutes Gespann zu bil<strong>de</strong>n.<br />
Auch fällt ihm <strong>de</strong>r Umgang mit <strong>de</strong>m Dreizack<br />
leicht, so dass er <strong>de</strong>n Tatzelwurm immer auf Distanz<br />
halten kann. Zuversichtlich hält er seine Position an<br />
Ingalfs Seite.<br />
Hesan<strong>de</strong>r macht nun Bekanntschaft mit einem Tatzelwurmbiss<br />
und schlägt dann noch eine Delle in <strong>de</strong>n<br />
Tatzelwurmkörper. Melachath kommt so ungehin<strong>de</strong>rt<br />
zum Schlag. Der Wurm versucht ihn daraufhin zu<br />
beißen, verfehlt ihn aber. Melachath kommt kein<br />
zweites Mal zum Zuge, aber Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ngelt noch<br />
einmal.<br />
Wacker hält <strong>de</strong>r mechanische Ritter <strong>de</strong>n Angriffen <strong>de</strong>s<br />
Metallungeheuers stand und geht wie<strong>de</strong>r zum Angriff<br />
über. Kräftig holt er aus, führt <strong>de</strong>n Schlag gegen <strong>de</strong>n<br />
schnappen<strong>de</strong>n Kopf <strong>de</strong>s gepanzerten Tatzelwurms.<br />
Der Tatzelwurm lässt sich so leicht nicht treffen. Die<br />
Gegner umkreisen einan<strong>de</strong>r, suchen nach einer Öffnung<br />
in <strong>de</strong>r Deckung <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren.<br />
Pal Adins Bewegungen sind flüssig und kraftvoll, ganz<br />
allein bietet er <strong>de</strong>m Metalldrachen die Stirn und nutzt<br />
je<strong>de</strong> Möglichkeit, <strong>de</strong>n Wurm zu attackieren und ihn<br />
von <strong>de</strong>n sechs Hel<strong>de</strong>n abzulenken. Schlag um Schlag<br />
setzt er <strong>de</strong>m Tatzelwurm zu, verlangt <strong>de</strong>ssen ganze<br />
Aufmerksamkeit, konzentriert seine Angriffe auf die<br />
Gliedmaßen und <strong>de</strong>n Kopf und versucht selber möglichst<br />
wenig Angriffsmöglichkeiten zu geben.<br />
Rovenas Atem stockt, als plötzlich <strong>de</strong>r Tatzelwurm ein<br />
Bein <strong>de</strong>s Eisenritters zu fassen kriegt. Ein Mensch<br />
wür<strong>de</strong> jetzt wahrscheinlich nicht mehr laufen können,<br />
aber die Rüstung <strong>de</strong>s Ritters hält <strong>de</strong>n größten Scha<strong>de</strong>n<br />
ab. Es gelingt <strong>de</strong>m Ritter einfach nicht mehr, <strong>de</strong>n Tatzelwurm<br />
noch einmal richtig zu treffen, aber <strong>de</strong>r Drachoi<strong>de</strong><br />
erwischt ihn einige Run<strong>de</strong>n später noch ein-<br />
536<br />
mal. Es sieht nicht gut aus für Pal Adin, aber er steht<br />
noch und weicht nicht.<br />
Rovena lässt einen leisen Schreckensschrei ertönen, als<br />
sich Metall in Metall verbeißt. Jetzt muss er fallen, <strong>de</strong>r<br />
tapfere Eisenmann …!<br />
Doch rasselnd ertönt wie<strong>de</strong>r das Motto <strong>de</strong>s Eisenritters,<br />
fest und unerschütterlich: "Mein Name ist Pal<br />
Adin, ich hasse das Böse und streite für das Gute! Ich<br />
weiß aber …" Seine Rüstung ist eisern, sein Wille und<br />
Mut ebenfalls. Seine Beweglichkeit hat etwas gelitten,<br />
und <strong>de</strong>nnoch hebt er erneut das Schwert an, holt aus<br />
und schlägt mit einem machtvollen Hieb erneut auf<br />
<strong>de</strong>n Kopf <strong>de</strong>s Tatzelwurms ein.<br />
Mittlerweile hat Edric es noch einmal geschafft, einen<br />
Treffer mit seinem Dreizack zu lan<strong>de</strong>n, während sich<br />
Ingalf lei<strong>de</strong>r erfolglos, mit seinem Gegner duelliert.<br />
Die Ablenkung ist genau richtig. Der Wurm zuckt<br />
herum, Edric wehrt <strong>de</strong>n Biss ab und Ingalfs machtvoller<br />
Schlag schlägt in <strong>de</strong>n Hals <strong>de</strong>s Tatzels ein. Der<br />
Wurm zuckt einmal und fällt dann als Haufen Schrott<br />
zusammen.<br />
"Mensch, Edric, das war gut, wirklich gut!" lobt Ingalf<br />
seinen Freund und nickt auch <strong>de</strong>m Magier bewun<strong>de</strong>rnd<br />
zu. Dann sieht er sich auf <strong>de</strong>m Kampfplatz um<br />
und sieht, dass <strong>de</strong>r Kampf gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Tatzelwurm<br />
noch nicht zu En<strong>de</strong> ist.<br />
"Danke. Du gibst einen aus." Der Hirte lächelt seinen<br />
Freund an.<br />
"Aye, das wer<strong>de</strong> ich, das wohl!" Ingalf grinst zurück.<br />
"Aber erst wenn wir draußen sind!"<br />
Während<strong>de</strong>ssen ist es bei <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>re Kleinen genauso:<br />
Hesan<strong>de</strong>r lenkt ab, und Melachath lan<strong>de</strong>t einen<br />
Treffer. Anschließend ist niemand erfolgreich, aber <strong>de</strong>r<br />
kleine Tatzelwurm scheint zu spüren, als sein Zwilling<br />
aufhört sich zu bewegen. Er springt so zur Seite,<br />
dass immer noch <strong>de</strong>r Ausgang blockiert ist.<br />
Diese Überzahl will Isinha nicht ungenutzt verstreichen<br />
lassen und er spurtet los, um aus seiner Zauberdistanz<br />
in die Nahkampfentfernung zu kommen.<br />
Da die Kampfrichtung <strong>de</strong>s kleinen Tatzelwurms gegen<br />
Melachath und Hesan<strong>de</strong>r gerichtet ist, holt Ingalf<br />
von hinten zu einem wuchtigen beidhändig geführten<br />
Schlag gegen <strong>de</strong>n Kopf <strong>de</strong>s Tatzelwurms aus.<br />
Das ist die Möglichkeit. Melachath hat gera<strong>de</strong> mit einem<br />
leichten Treffer <strong>de</strong>n Tatzelwurm abgelenkt, so<br />
dass Ingalfs Orknase tief in <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>l eindringen<br />
kann, auch dieser Automat bewegt sich nicht mehr.<br />
Isinha holt mit seinem Stab zu einem mächtigen Hieb<br />
aus, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n bislang an<strong>de</strong>rweitig beschäftigten kleinen<br />
Tatzel schwer treffen soll o<strong>de</strong>r ihn sogar von <strong>de</strong>r Tür<br />
vertreibt.<br />
Da trifft Ingalfs Hieb <strong>de</strong>n Tatzelwurmautomaten final.<br />
Der Fluchtweg ist frei.
Edric eilt wie<strong>de</strong>r an Ingalfs Seite.<br />
"Los, Leute, raus hier, lass die bei<strong>de</strong>n Blecheimer alleine!<br />
Das ist <strong>de</strong>ren Kampf nicht unser, das wohl!" ruft<br />
Ingalf <strong>de</strong>n Gefährten zu und schiebt Edric in <strong>de</strong>n<br />
Gang. "Kawi, los komm!"<br />
Der Welpe, <strong>de</strong>r bislang an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s<br />
Raumes sitzen geblieben ist, läuft um <strong>de</strong>n noch laufen<strong>de</strong>n<br />
Kampf herum und dann zu seinem Herrchen.<br />
Edric hebt noch seinen Stab auf, bevor er in <strong>de</strong>m<br />
Gang verschwin<strong>de</strong>t. Denn <strong>de</strong>n Stab aus <strong>de</strong>m Wüstenkloster<br />
möchte er nur ungern zurücklassen.<br />
Rovena schaut so gebannt <strong>de</strong>m Kampf Pal Adins gegen<br />
<strong>de</strong>n großen Tatzelwurm zu, dass sie dar nicht mitbekommt,<br />
dass ihre Gefährten schon die kleineren<br />
Tatzelwürmer besiegt haben.<br />
Der Eisenmann teilt mächtig aus, aber das Eisenmonstrum<br />
kann auch gewaltig einstecken. Wenn Pal Adin<br />
nicht so gut parieren könnte, wäre es sicher schon um<br />
ihn geschehen.<br />
"Rovena, Isinha, wenn die bei<strong>de</strong>n sterben wollen,<br />
dann kommt ihr wenigstens! Wenn <strong>de</strong>r Pal Adin fällt,<br />
geht es uns schlecht, das wohl!" ruft er nochmal in<br />
<strong>de</strong>n Raum. Er steht mir <strong>de</strong>m Rücken zum Ausgang<br />
und wartet bis seine Freun<strong>de</strong> alle im Gang sind.<br />
Rovena hört Ingalfs Ruf, <strong>de</strong>r sie aus <strong>de</strong>r Beobachtung<br />
<strong>de</strong>s Kampfes zwischen <strong>de</strong>m tapferen Ritter und <strong>de</strong>m<br />
Drachengewürm herausreißt. Jetzt erst sieht sie, dass<br />
<strong>de</strong>r Ausgang frei ist, die kleinen Tatzelwürmer leblos<br />
alle Viere von sich strecken. Ohne sich noch weiter<br />
bitten zu lassen, eilt sie auf Ingalf zu, nimmt an seiner<br />
Seite die karmesinrote Pille aus <strong>de</strong>m Mund und hält<br />
sie fest in <strong>de</strong>r Faust.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Kampf gegen die kleine Bedrohung gewonnen<br />
ist, dreht Melachath sich um und spurtet zu<br />
<strong>de</strong>m großen Wurm. "Nie, wirklich nie, lasse ich einen<br />
Tapferen im Stich, <strong>de</strong>r bereit ist, sich zu opfern."<br />
Der große Tatzelwurm erwischt Pal Adin noch einmal,<br />
bevor Melachath zuschlagen kann. Sein Rabenschnabel<br />
schlägt ein kleines Loch in die Tatzelwurmhülle.<br />
Melachath hat das Gefühl, auf einen Amboss<br />
geschlagen zu haben. Und dann wehrt <strong>de</strong>r Wurm<br />
auch noch eine Attacke <strong>de</strong>s Ritters ab.<br />
Auch Hesan<strong>de</strong>r eilt zur Unterstützung <strong>de</strong>s Eisenmannes<br />
und von Melachath in ihrem Kampf. Ein paar<br />
Beulen kann er sicher in das Monstrum hauen.<br />
Nur kurz gerät <strong>de</strong>r Eiserne Ritter ins Wanken, noch<br />
funktionieren seine Glie<strong>de</strong>r und er kann sich auf <strong>de</strong>n<br />
Beinen halten. Unerbittlich dringt er auf <strong>de</strong>n großen<br />
Tatzelwurm ein, er scheint keinen Schmerz zu fühlen,<br />
und führt <strong>de</strong>n nächsten Schlag mit <strong>de</strong>m Zweihän<strong>de</strong>r<br />
gegen <strong>de</strong>n metallischen Leib <strong>de</strong>s Wurms mit voller<br />
Wucht und kräftigem Schwung von oben herab aus.<br />
537<br />
"Hier ist nicht die richtige Zeit und <strong>de</strong>r richtige Ort<br />
<strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n zu spielen, kommt endlich!" ruft Ingalf<br />
Melachath und Hesan<strong>de</strong>r zu, die es tatsächlich mit<br />
<strong>de</strong>m großen Tatzelwurm aufnehmen wollen.<br />
"Wir können Melachath und Hesan<strong>de</strong>r nicht zurücklassen,<br />
Ingalf!" Angstvoll starrt Rovena zu <strong>de</strong>m Aranier<br />
hinüber. "Melachath, ich bitte dich, höre, was Ingalf<br />
sagt! Dies ist kein Gegner für uns, überlass ihn<br />
<strong>de</strong>m Eisenritter!"<br />
"Ich wer<strong>de</strong> sie nicht zurücklassen, aber ich habe auch<br />
keine Lust mir von <strong>de</strong>m großen Blechmonster das Fell<br />
gerben zu lassen, das wohl!" antwortet Ingalf und<br />
hofft auf die Vernunft seiner bei<strong>de</strong>n Gefährten.<br />
Hesan<strong>de</strong>r zögert einen Augenblick. 'Ingalf hat eigentlich<br />
Recht', fährt es ihm durch <strong>de</strong>n Kopf. 'Der Plan<br />
war, die bei<strong>de</strong>n Kleinen zu erledigen und Pal Adin als<br />
Ablenkung zu nehmen', rekapituliert er stumm.<br />
"Melachath, komm. Dieser Eisenmann ist nicht aus<br />
Fleisch und Blut son<strong>de</strong>rn eine Prüfung <strong>de</strong>s Herrn<br />
Phex. Unsere Aufgabe ist nicht, <strong>de</strong>n großen Wurm zu<br />
besiegen, son<strong>de</strong>rn an ihm vorbei zu gelangen - und<br />
das haben wir geschafft."<br />
Schwermut liegt im Blick <strong>de</strong>s Araniers als er zu Hesan<strong>de</strong>r<br />
schaut und er scheint innerlich zusammenzusinken.<br />
Dann be<strong>de</strong>utet er mit einer Geste <strong>de</strong>s Kopfes<br />
<strong>de</strong>m Draconiter zu fliehen und wird dann nachsetzen.<br />
Es ist genau so wie geplant. Der tapfere Eisenmann<br />
beschäftigt <strong>de</strong>n großen Tatzelwurm, so dass alle ohne<br />
Schwierigkeiten die Halle verlassen können.<br />
In <strong>de</strong>m Moment, als <strong>de</strong>r Letzte in <strong>de</strong>n Gang tritt, hören<br />
Tatzelwurm und Ritter auf zu kämpfen. Der Ritter<br />
geht wie<strong>de</strong>r an seinen Platz, und auch die kleinen Tatzelwürmer<br />
bewegen sich wie<strong>de</strong>r. Sie scheinen unbeschädigt.<br />
"Bei Swafnir, wenn da <strong>de</strong>r Listenreiche nicht seine<br />
Finger im Spiel hat, das wohl!" stößt Ingalf erstaunt<br />
hervor. "Da Pal Adin auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ist, gibt es<br />
hier kein zurück mehr. Also weiter, Freun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Hort<br />
wartet!"<br />
"Du wirst Recht haben", entgegnet Edric, als er zurückschaut.<br />
"Hier geht es nur noch in eine Richtung<br />
weiter."<br />
Er fingert die karmesinrote Pille wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Tasche<br />
und verstaut sie sicher. Dank Pal Adin war <strong>de</strong>r Kampf<br />
nicht so furchtbar wie erwartet.<br />
"Es sieht so aus, als wäre tatsächlich für je<strong>de</strong>s Rätsel<br />
eine eigene Lösung zu suchen, so dass ich davon ausgehe,<br />
dass die Königswasser-Kugeln uns hier nicht<br />
mehr nutzen wer<strong>de</strong>n. Lassen wir sie lieber zurück,<br />
die, die uns noch verblieben sind." Bei diesen Worten<br />
sieht sich <strong>de</strong>r Magier suchend um, was aus Ingalfs<br />
Schlafsack mit <strong>de</strong>n restlichen Kugeln gewor<strong>de</strong>n ist.<br />
Seiner Erinnerung nach sind nicht alle Kugeln geworfen<br />
wor<strong>de</strong>n.
"Ich glaube auch nicht, dass sie einer von uns holen<br />
möchte …" Ingalf <strong>de</strong>utet quer durch <strong>de</strong>n Raum mit<br />
<strong>de</strong>n Automaten auf die im gegenüberliegen<strong>de</strong>n Gangstück,<br />
auf <strong>de</strong>m zurückgelassenen Schlafsack, liegen<strong>de</strong>n<br />
Kugeln mit <strong>de</strong>m Königswasser. "Tja, da hätten<br />
wir uns die Mühe sparen können, das wohl!"<br />
Schweigend legt Rovena ihre Pille zurück in <strong>de</strong>n kleinen<br />
Beutel zu ihrem Rosenquarz und verstaut bei<strong>de</strong>s<br />
sicher in ihrer Gürteltasche. Sie will nicht bedauern,<br />
dass sie ihre Decke zerschnitten hat, sie ist nur froh<br />
darüber, dass keinem von ihnen etwas Ernstes zugestoßen<br />
ist. Weit kann es nicht mehr sein, bis sie endlich<br />
das Geheimnis um <strong>de</strong>n Orkenhort lüften können<br />
…<br />
Auch Ingalf verstaut die Pille wie<strong>de</strong>r. Die Hosentasche<br />
ist doch zu unsicher für so einen Schatz. Dann wirft<br />
538<br />
er noch einen Blick auf die Karte und sagt: "Nur noch<br />
<strong>de</strong>n Gang lang und dann sollten wir vor <strong>de</strong>m Hort stehen,<br />
das wohl!"<br />
Er kann es kaum noch erwarten die legendären Schätze<br />
mit eigenen Augen zu sehen.<br />
Ihr Ziel ist erfüllt, <strong>de</strong>r Weg ist frei! 'Scha<strong>de</strong>, dass wir<br />
Pal nicht mitnehmen können, aber Hesan<strong>de</strong>r hatte<br />
wohl Recht. Hier gibt es für je<strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>r Hin<strong>de</strong>rnisse<br />
einen beson<strong>de</strong>ren Lösungsweg - und Pal Adin ist es<br />
für diese Tatzel; genau wie die Kugeln gegen die<br />
Goldmänner geholfen und hier versagt haben, wür<strong>de</strong><br />
er uns woan<strong>de</strong>rs nichts nützen.' geht es <strong>de</strong>m Magier<br />
bei Ingalfs Aufruf durch <strong>de</strong>n Kopf.<br />
Daher dreht er sich um und folgt Edric und Ingalf<br />
durch die Öffnung hinaus auf <strong>de</strong>n Gang.
I<br />
6 Würfelbecher<br />
ngalf führt die Hel<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n breiten gewun<strong>de</strong>nen<br />
Gang bis zur nächsten Abzweigung.<br />
Der hier links abgehen<strong>de</strong> Gang verengt sich in ein<br />
paar Schritt Entfernung <strong>de</strong>utlich. Vor <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r<br />
Verengung stehen auf <strong>de</strong>m Gangbo<strong>de</strong>n 6 Würfelbecher.<br />
"Hmm, <strong>de</strong>r Gang sieht zwar lustig aus, aber eigentlich<br />
führt er nur wie<strong>de</strong>r zurück." meint Ingalf und schaut<br />
auf die Würfelbecher. "Aber falls jemand spielen<br />
möchte …"<br />
"Lasst uns doch erst mal weitergehen, vielleicht ist <strong>de</strong>r<br />
freie Weg einmal <strong>de</strong>r richtige Weg." <strong>de</strong>nkt Isinha laut<br />
nach.<br />
"Genau das wollte ich eigentlich damit sagen, das<br />
wohl!" meint Ingalf. 'Wenn ich's gera<strong>de</strong> aus sage, versteht<br />
er mich nicht, wenn ich's mit 'nem Umweg sage,<br />
versteht er mich nicht … Magier!'<br />
Interessiert betrachtet Edric die Würfelbecher. 'Ein<br />
Spiel mit Phex? Das wäre etwas für Frumol', <strong>de</strong>nkt er<br />
dabei.<br />
"Wartet", ruft Hesan<strong>de</strong>r aus. "Würfelbecher?" Im<br />
Geiste zählt Hesan<strong>de</strong>r die Gruppe durch: 'Ingalf, Elgar,<br />
Melachath, Rovena, Edric, ich' - sechs. "Sechs<br />
Abenteurer, sechs Becher - das ist eine neue Aufgabe<br />
Phexens", kombiniert er. Dann geht er auf die Becher<br />
zu, nimmt einen davon, kniet sich hin, schaut in <strong>de</strong>n<br />
Becher.<br />
Und sieht, dass in je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Becher ein kleiner Zettel<br />
steckt. Hesan<strong>de</strong>r entfaltet einen Zettel und liest die<br />
Spielregeln zu:<br />
"Phexens Tunnel<br />
Nur Mut! Durchquere diesen Tunnel und Du erreichst<br />
bislang nicht betretene Bereiche <strong>de</strong>s Labyrinths.<br />
Erspare Dir lange Wege, die überdies ebenfalls<br />
Gefahren mit sich bringen.<br />
Ergreife <strong>de</strong>n Würfelbecher - er ist mit 2 Würfeln<br />
gefüllt - und krieche in <strong>de</strong>n Gang auf das erste<br />
Feld. Würfle dort und zähle die Augen zusammen.<br />
Es darf keine 1 herauskommen. Ha - wirst Du sagen,<br />
das ist leicht! Mit zwei Würfeln kann ich<br />
doch gar keine 1 würfeln. Recht hast Du. Rücke<br />
also ein Feld vor, würfle dort wie<strong>de</strong>r, würfle aber<br />
keine 2, rücke weiter vor auf Feld 3, würfle keine<br />
3 und so weiter, bis Du das zwölfte Feld überquert<br />
hat.<br />
Wenn Du auf einem Feld die Nummer <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s<br />
würfelst, o<strong>de</strong>r wenn Du auf irgen<strong>de</strong>ine Weise zu<br />
schummeln versuchst, ist das Spiel für Dich vorbei<br />
- in je<strong>de</strong>r Hinsicht. Und viel Spaß, es könnte Dein<br />
letzter sein."<br />
Der Orkenhort<br />
539<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut nach vorn. Der Gangbo<strong>de</strong>n vor ihm<br />
ist tatsächlich durch silbern eingelegte Striche in 12 je<br />
1 Schritt lange Teilstücke unterteilt. Über je<strong>de</strong>m Teilstück<br />
ragen die Schnei<strong>de</strong>n zweier scharfer Fallbeilklingen<br />
aus <strong>de</strong>r Gang<strong>de</strong>cke.<br />
Angesichts <strong>de</strong>s Zettels rechnet Hesan<strong>de</strong>r das Ganze<br />
kurz im Kopf durch.<br />
"Hört mal", sagt er dann zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren: "Das Feld 7<br />
dürfte das gefährlichste sein, <strong>de</strong>nn bei zwei normalen<br />
Würfeln ist die Kombination 7 die häufigste. Zwei,<br />
drei, elf und zwölf hingegen dürften, so uns Phex gewogen<br />
ist, ungefährlich sein. Phex wird uns auch<br />
nicht einfach so hier umbringen. Es ist ein Spiel. Also<br />
spielen wir sein Spiel."<br />
Mit diesen Worten nimmt Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Würfelbecher,<br />
betritt das Feld 1, schickt ein Stoßgebet an Phex<br />
und Hesin<strong>de</strong> - und würfelt.<br />
Edric will seinen Gedanken an Frumol gera<strong>de</strong> Ingalf<br />
mitteilen, als <strong>de</strong>r Geweihte sich auf das Glücksspiel<br />
mit <strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>s Hortes einlässt. Schockiert kann er<br />
nur stehen bleiben und Hesan<strong>de</strong>r hinterherschauen.<br />
"Hey, wo willst Du hin?" ruft Ingalf entgeistert <strong>de</strong>m<br />
Geweihten hinterher. "Der Weg führt doch nur wie<strong>de</strong>r<br />
zurück zu <strong>de</strong>n Räumen wo wir herkommen! Du willst<br />
doch nicht etwa jetzt Dein Leben aufs Spiel setzen,<br />
wo wir so kurz vorm Ziel sind, o<strong>de</strong>r?"<br />
'Was ein Blödmann', <strong>de</strong>nkt Ingalf, '<strong>de</strong>r will Geweihter<br />
<strong>de</strong>r Göttin <strong>de</strong>r Weisheit sein …'<br />
"He, was macht Ihr da?" ruft Isinha <strong>de</strong>m Geweihten<br />
hinterher. "Armer Tropf, dieses Spiel wird offensichtlich<br />
gegen Phex gespielt, nicht mit ihm!" entgeistert<br />
sieht er Hesan<strong>de</strong>r nach. "Ingalf, wenn ich Deinen -<br />
bislang fabelhaft passen<strong>de</strong>n - Plan und die örtlichen<br />
Gegebenheiten richtig erinnere, führt dieser Gang weg<br />
von <strong>de</strong>r Kammer, in <strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r Vermutung nach <strong>de</strong>r<br />
Hort befin<strong>de</strong>n müsste, richtig? Wo will er nur hin? Ist<br />
er spielsüchtig gewor<strong>de</strong>n?"<br />
"Aye, <strong>de</strong>r Troll mag ihm im Schä<strong>de</strong>l sitzen, <strong>de</strong>r Weg ist<br />
völlig falsch, das wohl!" stimmt ihm Ingalf zu.<br />
Die bei<strong>de</strong>n letzten Fragen stellt <strong>de</strong>r Magier offensichtlich<br />
rein rhetorisch. Denn nach<strong>de</strong>m Hesan<strong>de</strong>r begonnen<br />
hat, muss er nach <strong>de</strong>n Regeln wohl o<strong>de</strong>r übel bis<br />
zum Schluss mitspielen. Dann fällt Isinha noch etwas<br />
ein: "Falls Ihr es schaffen solltet - wählt doch <strong>de</strong>n langen<br />
Weg, um zu uns zurück zu kommen. Den haben<br />
wir offenbar bereits beschritten und damit von <strong>de</strong>n<br />
'Gefahren', von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Zettel spricht, befreit …<br />
Ach nein, die Tatzelwürmer … mein Fehler …!" verzieht<br />
Isinha das Gesicht zu einer Grimasse. "Es war<br />
nett, Euch getroffen zu haben." fügt er schließlich hin-
zu und wen<strong>de</strong>t sich ab, falls Hesan<strong>de</strong>r tatsächlich eine<br />
<strong>de</strong>r "verbotenen Zahlen" erwürfeln sollte.<br />
"Ich wer<strong>de</strong> je<strong>de</strong>nfalls nicht so kurz vor <strong>de</strong>m Hort mein<br />
Leben aufs Spiel setzen, um ihn da raus zu holen!"<br />
"Aber wir können ihn doch nicht einfach so seinem<br />
Schicksal überlassen!" Rovena wirkt reichlich aufgebracht.<br />
"Hesan<strong>de</strong>r, bei <strong>de</strong>iner Göttin, komm sofort zurück.<br />
Du spielst mit <strong>de</strong>inem Leben!"<br />
"Ich fürchte eher, er spielt jetzt um sein Leben." korrigiert<br />
Isinha die Hexe sanft. "Außer<strong>de</strong>m glaube ich<br />
nicht, dass Phex keine Vorkehrungen getroffen haben<br />
soll, jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r einmal begonnen hat, am Aufhören<br />
zu hin<strong>de</strong>rn, bis das Spiel been<strong>de</strong>t ist. Also wird<br />
Hesan<strong>de</strong>r entwe<strong>de</strong>r unbescha<strong>de</strong>t auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />
ankommen, o<strong>de</strong>r er … äh, wird das nicht." besinnt <strong>de</strong>r<br />
Magier sich schnell, die mögliche Folge <strong>de</strong>s Herabsausens<br />
<strong>de</strong>r Klingen nicht auch noch farbig zu beschreiben.<br />
"Wer versucht so ein Spiel zu spielen, muss mit <strong>de</strong>n<br />
Ergebnis leben - o<strong>de</strong>r sterben, das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Bei Swafnir, es wür<strong>de</strong> uns sicher nicht bekommen<br />
Phexens Spiel gegen Phex und für Hesan<strong>de</strong>r zu<br />
än<strong>de</strong>rn!"<br />
Ingalf zuckt mit <strong>de</strong>n Schultern und wen<strong>de</strong>t sich ab.<br />
Wenn es wenigstens zum Ziel geführt hätte, dann hätte<br />
er das Spiel vielleicht auch gewagt, aber <strong>de</strong>n Weg<br />
zurück. Das ist in seinen Auge nur Dummheit und<br />
wie sagte <strong>de</strong>r Ohm schon immer: Dummheit muss bestraft<br />
wer<strong>de</strong>n! Dabei hatte er sich schon fast an <strong>de</strong>n<br />
Geweihten gewöhnt …<br />
"Warten macht keinen Sinn, o<strong>de</strong>r?" flüstert <strong>de</strong>r Magier<br />
Ingalf im Gehen zu, ohne <strong>de</strong>n Gefährten anzublicken.<br />
Sollte Hesan<strong>de</strong>r das Spiel tatsächlich gewinnen, ist er<br />
immer noch auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s Durchgangs gefangen<br />
und ober er <strong>de</strong>n gleichen Weg zurück kommen<br />
kann, ist ungewiss. Sicher ist nur, dass er <strong>de</strong>n gleichen<br />
Weg <strong>de</strong>r Gruppe nicht erneut nehmen kann, ohne sich<br />
wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Tatzelwürmern anzulegen, die ja nach<br />
<strong>de</strong>m letzten Gefecht unbeeindruckt wie<strong>de</strong>rauferstan<strong>de</strong>n<br />
sind …<br />
"Wenn er nicht schleunigst umdreht, wer<strong>de</strong>n wir ihn<br />
wohl nicht mehr im Ganzen sehen, das wohl!" stimmt<br />
ihm Ingalf ebenfalls flüsternd zu. "Wir wissen nicht,<br />
was in <strong>de</strong>n Räumen ist, die wir nicht kennen. Wenn er<br />
es schafft kommt er vielleicht zur Fettrampe und mit<br />
viel Glück hinauf, aber von da aus bleibt nur <strong>de</strong>r Gang<br />
und <strong>de</strong>r en<strong>de</strong>t bei Pal Adin …" Ingalf zuckt mit <strong>de</strong>r<br />
Schulter.<br />
Während dieses Gesprächs wie<strong>de</strong>rholt Hesan<strong>de</strong>r die<br />
Würfelei, soweit nichts dazwischenkommt, bis er auf<br />
Feld sechs ist. Dort wird er innehalten und überlegen,<br />
ob er das Risiko mit <strong>de</strong>r 7 so einfach eingehen wird<br />
o<strong>de</strong>r ob nicht doch ein Han<strong>de</strong>l mit <strong>de</strong>m Listigen angebracht<br />
wäre.<br />
540<br />
Bis zum 7. Feld geht alles gut. Die Fallbeile glitzern<br />
über Hesan<strong>de</strong>r. Während er noch überlegt ob er einen<br />
Han<strong>de</strong>l versuchen soll, spürt er in sich <strong>de</strong>n Befehl<br />
SPIEL!<br />
Edric mag nicht einfach weitergehen und <strong>de</strong>n Geweihten<br />
zurücklassen. Er hat sicherlich seine Grün<strong>de</strong>,<br />
das Spiel mit Phex zu wagen. Ihm selbst liegen we<strong>de</strong>r<br />
Würfel- noch Kartenspiele beson<strong>de</strong>rs. Er hatte auch<br />
nie Zeit welche zu lernen. 'Wenn man Schafe hütet<br />
kommt man nicht dazu', <strong>de</strong>nkt er bei sich, während er<br />
Hesan<strong>de</strong>r hinterher schaut.<br />
Dann fällt es Hesan<strong>de</strong>r auf einmal schlagartig ein.<br />
'Das ist <strong>de</strong>r falsche Weg! Das ist allenfalls <strong>de</strong>r Rückweg,<br />
aber nicht <strong>de</strong>r Hinweg. Wie konnte ich nur so<br />
geblen<strong>de</strong>t von <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen Phexens sein',<br />
verflucht er seine Impulsivität. 'Da war ich wohl von<br />
allen guten Alveraniaren Hesin<strong>de</strong>s verlassen', ergänzt<br />
er.<br />
"Nein, Herr Phex", ruft er aus. "Wir spielen später<br />
weiter. Fürs Erste muss ich zurück", und mit diesen<br />
Worten will sich Hesan<strong>de</strong>r umdrehen.<br />
Aber es geht nicht. Erstens ist es zu eng, zweitens<br />
kann er nicht an<strong>de</strong>rs als zu würfeln und weiter vorzugehen.<br />
9, 7, 4, 12 und 3 sind seine Werte für das 8. bis<br />
12. Feld. 'Ich bin durch! Und ich lebe!' Er hat <strong>de</strong>n weg<br />
tatsächlich geschafft. Was nun?<br />
Die Entscheidung wird ihm abgenommen, o<strong>de</strong>r ist es<br />
sein Vorhaben in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Fallbeile umzudrehen?<br />
Er ist wie besessen. Aus einem Han<strong>de</strong>l mit <strong>de</strong>n Göttern<br />
kommt man eben nicht einfach so heraus. Das erlebt<br />
Hesan<strong>de</strong>r nun am eigenen Leibe.<br />
Als Edric sieht, wie <strong>de</strong>r Geweihte umkehrt und sich<br />
<strong>de</strong>n Rückweg erwürfelt, drückt er ihm ganz fest die<br />
Daumen und bleibt vor <strong>de</strong>r Gang stehen.<br />
8, 10, 3, 11, 5 und 5. Hesan<strong>de</strong>r hat wie<strong>de</strong>r das 7. Feld<br />
erreicht, wo er vorhin umdrehen wollte. Die Besessenheit<br />
fällt von ihm ab, aber jetzt bleibt ihm nichts an<strong>de</strong>res<br />
übrig als weiter zu würfeln. 10, 9, 7. Es ist fast geschafft.<br />
8, 7 und <strong>de</strong>r letzte Wurf ist egal - 2.<br />
Hesan<strong>de</strong>r tritt von <strong>de</strong>r Platte mit <strong>de</strong>r Zahl zwei auf die<br />
mit <strong>de</strong>r Zahl eins. Sein Gesicht ist krei<strong>de</strong>bleich,<br />
Schweiß läuft ihm von <strong>de</strong>r Stirn. Als er endlich das<br />
letzte Feld hinter sich gelassen hat und wie<strong>de</strong>r sicheren<br />
Bo<strong>de</strong>n betritt, bricht er zusammen, fällt auf <strong>de</strong>n<br />
Bo<strong>de</strong>n und bleibt dort schwer atmend eine Weile liegen.<br />
Sofort ist <strong>de</strong>r junge Hirte bei im um ihn zu Stützen.<br />
"Du hast es geschafft! Du bist aus <strong>de</strong>m Gang raus!"<br />
beruhigt er ihn wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r.<br />
Rovena hockt sich neben <strong>de</strong>m am Bo<strong>de</strong>n liegen<strong>de</strong>n<br />
Geweihten und legt ihm beruhigend eine Hand auf<br />
die Schulter. "Kann ich dir helfen? Ich könnte versuchen,<br />
<strong>de</strong>ine Ängste zu lin<strong>de</strong>rn …", bietet sie ihm leise<br />
an.
Vor seinem geistigen Auge errechnet er die Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Überlebens und kann sich wohl bei<br />
<strong>de</strong>m Listigen bedanken und sich glücklich schätzen,<br />
dass er das überlebt hat.<br />
Falls die Gefährten auf ihn aufmerksam wer<strong>de</strong>n und<br />
ihn ansprechen, reagiert er nicht auf ihre Fragen o<strong>de</strong>r<br />
Kommentare son<strong>de</strong>rn sagt nur "Eins zu dreihun<strong>de</strong>rtvierundzwanzig.<br />
Eine schwarze Perle unter dreihun<strong>de</strong>rtvierundzwanzig<br />
Perlen. Eins zu dreihun<strong>de</strong>rtvierundzwanzig<br />
…"<br />
Den Sinn hinter <strong>de</strong>n Worten kann Edric nicht verstehen,<br />
doch er sieht, dass Hesan<strong>de</strong>rs Geist im Moment<br />
nicht hier im Labyrinth weilt.<br />
Da Hesan<strong>de</strong>r ihr keine sinnvolle Antwort gibt, belässt<br />
sie es dabei, an seiner Seite hocken zu bleiben, bis er<br />
sich wie<strong>de</strong>r beruhigt hat und zum Weitergehen bereit<br />
ist.<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist schneller, als gedacht und nichts weiter<br />
passiert, was hätte zu erwarten sein müssen- also<br />
bleibt Isinha stehen und sieht fasziniert zu, wie <strong>de</strong>r<br />
Geweihte schließlich <strong>de</strong>n Gefahrenbereich verlässt<br />
und vor <strong>de</strong>n Füßen <strong>de</strong>r Gefährten zusammenbricht:<br />
"Ich schätze, Ihr habt alle göttlichen Gefallen für heute<br />
aufgebraucht! Lasst Euch das eine Lehre sein!"<br />
"Das heißt, das wir das nächste Spiel vermutlich verlieren<br />
wer<strong>de</strong>n, das wohl!" stimmt ihm Ingalf zu. "Also<br />
Vorsicht bei <strong>de</strong>n nächsten Spielen!"<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut irgendwann zu <strong>de</strong>r Hexe auf und<br />
meint: "Die Götter und allen voran <strong>de</strong>r Herr Phex waren<br />
mir heute wohlgesonnen. Das wer<strong>de</strong> ich mein Leben<br />
lang nicht vergessen", entgegnet er <strong>de</strong>r Hexe. "Oh<br />
Herr Phex, wenn ich hier lebendig hinaus gelangen<br />
sollte, wer<strong>de</strong> ich Dir zu Ehren eine Queste erfüllen",<br />
gelobt er <strong>de</strong>m göttlichen Bru<strong>de</strong>r seiner Herrin.<br />
ICH WERDE DARAUF ZURÜCKKOMMEN vermeint<br />
er zu hören.<br />
Rovena schüttelt nur vorwurfsvoll <strong>de</strong>n Kopf. "Und ich<br />
dachte, Hesin<strong>de</strong> wäre bei dir und du wür<strong>de</strong>st auf sie<br />
hören …" Sie erhebt sich, streicht ihren Rock glatt und<br />
umfasst fest ihren Stab. "Komm, erheb Dich, damit<br />
wir weiter können. Ingalf meint, dass wir bald da<br />
sind."<br />
"Vielleicht war es eine weitere Prüfung, von Hesin<strong>de</strong><br />
und von Phex. Die meiner Herrin habe ich nicht bestan<strong>de</strong>n<br />
- so muss ich mich nun umso mehr anstrengen",<br />
sieht Hesan<strong>de</strong>r die Lage. "Ich danke Dir, Tochter<br />
Satuarias", und mit diesen Worten erhebt sich Hesan<strong>de</strong>r<br />
und folgt <strong>de</strong>r Hexe.<br />
Edric erhebt sich ebenfalls und hilft <strong>de</strong>m Geweihten<br />
beim Aufstehen.<br />
Als alle Gefährten wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Beinen sind, macht<br />
sich Ingalf wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Gruppe voran zu gehen. Er<br />
geht <strong>de</strong>n Gang ein Stück nach Sü<strong>de</strong>n und biegt dann<br />
541<br />
in <strong>de</strong>n kurzen Durchgang nach rechts ab. Dahinter ist<br />
in <strong>de</strong>r Karte <strong>de</strong>r große Raum eingezeichnet.<br />
Am Ziel<br />
Endlich! Der Orkenhort! Das ist er. In <strong>de</strong>r Westhälfte<br />
<strong>de</strong>s Raumes ist ein gewaltiger, riesiger Schatzhaufen<br />
aufgetürmt. Krüge, Becher, Pokale, Armreifen, Ringe,<br />
Perlenketten, Schmuckwaffen, Figurinen, Kronen und<br />
Dia<strong>de</strong>me schimmern und blinken im Silberlicht. Der<br />
südliche Teil <strong>de</strong>s Schatzberges besteht zum größten<br />
Teil aus "Rä<strong>de</strong>rn" - jenen legendäre Zehndukatenstücken<br />
aus Baliho, die heute als Zahlungsmitteln<br />
nicht mehr gebräuchlich sind. Allein <strong>de</strong>r Wert <strong>de</strong>r Rä<strong>de</strong>r<br />
dürfte mehr als eine Million Dukaten betragen.<br />
Mit einem lauten Schrei <strong>de</strong>s Entzückens rennt Ingalf<br />
mit leuchten<strong>de</strong>n Augen auf <strong>de</strong>n Berg Goldstücke zu.<br />
Staunend bleibt Edric stehen und schaut sich um. Er<br />
nimmt <strong>de</strong>n Eindruck <strong>de</strong>r aufgetürmten Reichtümer in<br />
sich auf.<br />
'Wir haben es geschafft', sind seine Gedanken. 'Wir<br />
haben es tatsächlich geschafft!' freut er sich, am Ziel<br />
angelangt zu sein. Gemeinsam hat die Gruppe allen<br />
Gefahren <strong>de</strong>s Hortes getrotzt. Sie haben Mut, Klugheit<br />
und Freundschaft bewiesen!<br />
Er hört Ingalfs freudigen Ruf und sieht sieht ihm nur<br />
schmunzelnd hinterher. Ihn selbst reizt nichts, mit<br />
diesen Schatz Phex' etwas an<strong>de</strong>res zu tun, als ihn zu<br />
bewun<strong>de</strong>rn.<br />
Die Hexe reißt überwältigt die Augen auf. Welch ein<br />
Vermögen hier angesammelt ist, es ist unfassbar! Der<br />
wun<strong>de</strong>rschönen Schmuck erregt ihre Aufmerksamkeit,<br />
doch längst nicht so sehr, wie etwas an<strong>de</strong>res in diesem<br />
Raum …<br />
Nahe beim Eingang sitzt die graue Marmorstatue, die<br />
<strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n bereits aus <strong>de</strong>m Eingangsbereich bekannt<br />
ist, auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Diesmal bewegt sie sich aber wie<br />
ein Mensch aus Fleisch und Blut. Geistesabwesend,<br />
ohne auf die eintreten<strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n zu achten, scheint<br />
sie etwas zu spielen.<br />
Der Aranier geht auf die Knie und legt seine Waffe neben<br />
sich ab.<br />
"Dank <strong>de</strong>m Herren Phex, und <strong>de</strong>r Göttin <strong>de</strong>r Liebe<br />
und <strong>de</strong>r Leuin, dass sie mich und meine Begleiter sicher<br />
hierher geleitet haben."<br />
Neugierig tritt Rovena näher an die Gestalt heran und<br />
beobachtet <strong>de</strong>ren Tun.<br />
Mit staunen<strong>de</strong>m Blick nimmt Isinha die Szenerie in<br />
sich auf. 'Wir haben es tatsächlich geschafft!' geht ihm<br />
durch <strong>de</strong>n Kopf.<br />
Mit eher mäßigem Interesse betrachtet er die angehäuften<br />
Reichtümer. Aber er sucht eigentlich nach <strong>de</strong>n<br />
magischen Artefakten und Büchern, die dieser Hort<br />
ebenfalls enthalten soll. Aber offenbar ist nichts davon
zu sehen, so dass er sich enttäuscht <strong>de</strong>r Figur zuwen<strong>de</strong>t.<br />
Die leben<strong>de</strong> Statue spielt mit einer Miniaturstadt, die<br />
vor ihm auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n aufgebaut ist. Sie schiebt kleine<br />
Figürchen durch die Straßen. Gelegentlich entfernt<br />
sie eine Figur aus <strong>de</strong>m Spiel und wirft sie beiseite. Solche<br />
Figürchen beginnen während <strong>de</strong>s Fluges wild zu<br />
zappeln. Dort, wo sie auf <strong>de</strong>n Saalbo<strong>de</strong>n prallen, bil<strong>de</strong>t<br />
sich ein kleiner roter Fleck, <strong>de</strong>r rasch verschwin<strong>de</strong>t.<br />
Bei dieser Beobachtung muss Isinha schwer schlucken.<br />
Das erinnert ihn frappierend an <strong>de</strong>n Umgang<br />
gewisser Gruppierungen mit Menschen an<strong>de</strong>rer<br />
Gruppierungen aus seiner "Heimat". - 'Ist das wirklich<br />
noch meine Heimat?' überlegt er dabei.<br />
Mit gerunzelter Stirn beobachtet Rovena das Spiel <strong>de</strong>r<br />
grauen Marmorstatue und es gefällt ihr nicht, was sie<br />
sieht. Sie versucht, zu erkennen, was die Gestalt dazu<br />
bewegt, bestimmte Figürchen aus <strong>de</strong>r Stadt zu entfernen,<br />
die dann offensichtlich vernichtet wer<strong>de</strong>n. Sollte<br />
dies das willkürliche Spiel eines Gottes mit <strong>de</strong>n Menschen<br />
darstellen?<br />
Hesan<strong>de</strong>r betrachtet sich dieses Spiel mit Faszination<br />
und Entsetzen. Einerseits spiegelt es die absolute<br />
Macht über an<strong>de</strong>re, geringere Lebewesen wie<strong>de</strong>r, an<strong>de</strong>rerseits<br />
könnte dies auch die Welt <strong>de</strong>r Götter und ihr<br />
Tun und Han<strong>de</strong>ln auf Dere darstellen.<br />
"Oh Meister Phexens Hort, Hesan<strong>de</strong>r, ein beschei<strong>de</strong>ner<br />
Diener <strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n Mutter grüßt Dich", begrüßt<br />
er die Statue ehrfürchtig.<br />
Dann verneigt sich auch <strong>de</strong>r Magier: "Ich grüße <strong>de</strong>n<br />
Herrn dieser Hallen." spricht er die Statue respektvoll<br />
an.<br />
Die Statue erhebt sich flüssig, dreht sich um und fragt:<br />
"Wisst ihr eigentlich, wo ihr euch befin<strong>de</strong>t?" Je<strong>de</strong>r einzelne,<br />
selbst <strong>de</strong>r völlig in <strong>de</strong>n Schatz vernarrte Ingalf,<br />
sieht die Notwendigkeit, die Frage zu beantworten.<br />
"Aye, in <strong>de</strong>r Schatzkammer, das wohl!" antwortet Ingalf<br />
ohne <strong>de</strong>n Blick von <strong>de</strong>n Rä<strong>de</strong>rn zu wen<strong>de</strong>n.<br />
"Ja." stimmt <strong>de</strong>r Magier seinem gierigen Freund zu.<br />
"Im Hort. Was wollt Ihr uns damit sagen?" stellt Isinha<br />
eine Gegenfrage.<br />
Noch immer kniend schaut <strong>de</strong>r Krieger auf: "Verzeiht,<br />
edler Listiger, <strong>de</strong>r Du bist. Wir betraten ohne es zu ahnen<br />
Alveran, uns ist unsere Unwür<strong>de</strong> bewusst, doch<br />
haben wir alle Deine Aufgaben bewältigt, um uns Dir<br />
zu empfehlen."<br />
"Also für Alveran fühle ich mich nicht tot genug an,<br />
das wohl!" flüstert Ingalf <strong>de</strong>m Magier ins Ohr.<br />
"Wart's ab!" flüstert Isinha zurück. "Vielleicht wissen<br />
wir nur noch nicht, dass wir schon tot sind. O<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />
selbigem geweiht." fügt er hinzu, obwohl die<br />
Situation eigentlich nicht zu <strong>de</strong>rartigen Wortspielerei-<br />
542<br />
en einlädt. Aber was soll's? Schließlich ist Phex doch<br />
immer für ein "Spielchen" zu haben.<br />
Verwun<strong>de</strong>rt und leicht entsetzt weicht die Hexe einen<br />
Schritt zurück. Was soll die Frage? Und warum antwortet<br />
Melachath mit dieser ungeheuerlichen Vermutung?<br />
Als ob die Kin<strong>de</strong>r Los' es ihr gestatten wür<strong>de</strong>n,<br />
ihr Reich zu betreten … und so antwortet sie unter<br />
<strong>de</strong>m Zwang <strong>de</strong>r Frage: "Im Orkenhort, zu <strong>de</strong>m uns<br />
eine Karte geführt hat."<br />
"In <strong>de</strong>r Schatzkammer <strong>de</strong>s Orkenhorts, einem heiligen<br />
Ort <strong>de</strong>s Phex'" antwortet auch Edric.<br />
"Fast richtig, mein Junge", die Statue geht nur auf Edric<br />
ein. "Hier ist nicht nur ein heiliger Ort <strong>de</strong>s Phex,<br />
son<strong>de</strong>rn das Allerheiligste." Die Statue fährt an alle<br />
gewen<strong>de</strong>t fort: "So, nun habt ihr <strong>de</strong>n größten Schatz<br />
Aventuriens, die Augenfreu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gottes Phex erblickt.<br />
REICHT EUCH DAS?"<br />
Bei <strong>de</strong>n letzten Worten verwan<strong>de</strong>lt sich die Stimme<br />
<strong>de</strong>r Statue in einen peitschen<strong>de</strong>n Donnerschlag. Die<br />
Hel<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n von einer Sturmböe erfasst und durch<br />
<strong>de</strong>n Raum gewirbelt.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Aranier aufgestan<strong>de</strong>n ist, verneigt er<br />
sein Haupt. Ohne es zu heben spricht er: "Ja, Herr,<br />
das reicht mir."<br />
Der Graue nimmt Melachaths Äußerung ohne Reaktion<br />
zur Kenntnis. Er wartet anscheinend erst die Entscheidung<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren ab.<br />
Geschmeidig kommt Isinha wie<strong>de</strong>r auf die Füße, als<br />
sei das Ganze nur eine Turnübung gewesen. Demonstrativ<br />
wischt er sich <strong>de</strong>n Staub von seinem Mantelärmel,<br />
ehe er sich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Statue zuwen<strong>de</strong>t. "Je<strong>de</strong>nfalls<br />
ich bin nicht hier, um <strong>de</strong>n weltlichen Schatz zu<br />
sehen, son<strong>de</strong>rn mir zumin<strong>de</strong>st die magischen Artefakte<br />
zu erblicken und einer genaueren Prüfung - und zwar<br />
außerhalb <strong>de</strong>s Hortes - zu unterziehen." antwortet er<br />
auf die Frage <strong>de</strong>r Statue. "Mit einfachen Worten:<br />
nein."<br />
Die Statue verzieht daraufhin keine Miene und blickt<br />
zum nächsten.<br />
"Aye, gut gesprochen, das wohl!" stimmt Ingalf <strong>de</strong>m<br />
Magier zu. "Für die ganze Mühe einen Schatz ansehen,<br />
das is'n bisschen mager!"<br />
War da ein Lächeln bei <strong>de</strong>r Statue? Nein, das kann gar<br />
nicht sein. Die Gestalt wartet immer noch - auf Hesan<strong>de</strong>r<br />
und Rovena.<br />
Nach<strong>de</strong>m Edric zu Bo<strong>de</strong>n gestürzt ist, erhebt er sich<br />
wie<strong>de</strong>r und besinnt sich einen Moment. Diesen weltlichen<br />
Schatz zu sehen be<strong>de</strong>utet ihm nichts. Auch besitzen<br />
will er ihn nicht, da er gar nicht weiß was er damit<br />
anfangen sollte … Er ist seinem Freund und seinen<br />
Gefährten nicht aus Machtgier in <strong>de</strong>n Orkenhort<br />
gefolgt son<strong>de</strong>rn aus Freundschaft und um Ihnen in<br />
<strong>de</strong>r Gefahr beizustehen.
"Nein, es reicht mir nicht." erwi<strong>de</strong>rt er mit trauriger<br />
Stimme. Von <strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>r Nacht, <strong>de</strong>r Diebe, Händler<br />
und Halunken hätte er sich etwas an<strong>de</strong>res erhofft o<strong>de</strong>r<br />
erwünscht.<br />
Unbewegt hört die Statue Edric an.<br />
Die Böe reißt die Hexe von <strong>de</strong>n Füßen und wirft sie<br />
gegen die Wand <strong>de</strong>s Raumes. Schmerz durchzuckt<br />
ihre Schulter, mit <strong>de</strong>r sie gegen <strong>de</strong>n Stein schlägt.<br />
Ängstlich tastet sie nach <strong>de</strong>m Tragebeutel und vergewissert<br />
sich, dass Surnia bei <strong>de</strong>m Aufprall nichts zugestoßen<br />
ist.<br />
Dann rappelt sie sich wie<strong>de</strong>r auf und erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r<br />
grauen Marmorstatue, die eine Antwort zu erwarten<br />
scheint: "Nein, es reicht mir nicht, <strong>de</strong>n angeblich<br />
größten Schatz nur gesehen zu haben, <strong>de</strong>nn woher<br />
weiß ich, dass es nicht nur ein Trugbild ist, ein Blendwerk,<br />
um von <strong>de</strong>m wahren Hort abzulenken?" Trotzig<br />
stellt sie sich neben Elgar und Ingalf und schaut die<br />
Statue, die tatsächlich Los' Sohn Phex zu sein scheint,<br />
entschlossen und mit funkeln<strong>de</strong>n Augen an. Wie auch<br />
immer sich das Blatt wen<strong>de</strong>n mag, sie weiß, dass ihr<br />
Leben in seiner Hand liegt. In Demut vor <strong>de</strong>n Verfolgern<br />
ihrer Mutter mag sie ihr Dasein jedoch nicht been<strong>de</strong>n<br />
wollen.<br />
Jetzt ist nur noch Hesan<strong>de</strong>r gefragt. Ausdruckslos<br />
schaut ihn die Statue an.<br />
"Nun, werter Hüter dieses Hortes, ich strebe nicht<br />
nach weltlichen Dingen. Ich bin ein Diener <strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n<br />
Schwester <strong>de</strong>s Listigen. Ich suche nach wissen,<br />
ich suche nach Erkenntnis. Wenn es hier altes<br />
Wissen o<strong>de</strong>r verloren gegangenes Wissen geben sollte,<br />
so suche ich dies. Doch nicht für mich o<strong>de</strong>r meinen<br />
Ruhm son<strong>de</strong>rn für <strong>de</strong>n Ruhm meiner Herrin und<br />
meiner Kirche", antwortet Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Heißt das nun ja o<strong>de</strong>r nein?" will <strong>de</strong>r Magier von<br />
<strong>de</strong>m Geweihten wissen.<br />
"Das heißt: Ich hab' die Hose vom Würfeln gestrichen<br />
voll und sach' am Besten gar nix!" raunt Ingalf <strong>de</strong>m Magier<br />
ins Ohr.<br />
Isinha wirft Hesan<strong>de</strong>r einen Seitenblick zu und zieht<br />
die linke Augenbraue hoch. Zu einem verbalen Kommentar<br />
lässt er sich aber nicht hinreißen. Für Ingalf<br />
gibt es ein knappes Nicken.<br />
"Da ich nach verborgenem Wissen suche und <strong>de</strong>r Anblick<br />
<strong>de</strong>s Schatzes für mich unwichtig ist und ich das,<br />
wonach ich für meine Herrin suche, noch nicht gefun<strong>de</strong>n<br />
habe, heißt auch meine Antwort nein", präzisiert<br />
Hesan<strong>de</strong>r.<br />
"Geht doch." meint <strong>de</strong>r Magier befriedigt. "Klare Frage<br />
und eine über Umwege im Ergebnis klare Antwort."<br />
Alle Hel<strong>de</strong>n bis auf Melachath haben auf die Frage<br />
<strong>de</strong>r Staue mit 'nein' geantwortet. Wohl <strong>de</strong>swegen wen<strong>de</strong>t<br />
sich die Gestalt nun Melachath als erstem zu. "Du<br />
bist geschickt und pfiffig, sonst wärst Du nicht heil<br />
543<br />
hier angekommen, aber zu einem außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
Dieb wirst Du es nie bringen - dazu fehlt Dir die<br />
Dreistigkeit. Nun <strong>de</strong>nn, geh' in Frie<strong>de</strong>n! Du kannst<br />
aber gern noch mit anschauen, was ich Deinen Gefährten<br />
zugedacht habe."<br />
"Nun zu euch!" Das ausdruckslose Gesicht <strong>de</strong>r Statue<br />
wen<strong>de</strong>t sich nacheinan<strong>de</strong>r Rovena, Hesan<strong>de</strong>r, Edric,<br />
Isinha und Ingalf. "Ihr lasst euch nicht so leicht ins<br />
Bockshorn jagen, ihr besitzt offenbar, was ein Dieb vor<br />
allem braucht: kaltes Blut. Hier, ich habe für je<strong>de</strong>n<br />
von euch ein Geschenk."<br />
'Ein Dieb?' Edric schaut sich erschrocken um. Er<br />
wollte nie ein Dieb sein! 'Aus Freundschaft bin hergekommen,<br />
nicht um zu Rauben!'<br />
Doch angesichts einer solchen Unterstellung kann er<br />
darauf nichts erwi<strong>de</strong>rn. Auch scheint <strong>de</strong>r Wächter<br />
(o<strong>de</strong>r ist es Phex höchstpersönlich?) ihnen nicht zu<br />
zürnen …<br />
Der Bo<strong>de</strong>n vibriert unter <strong>de</strong>n schweren Schritten <strong>de</strong>r<br />
Statue, als diese zum Schatzhaufen geht, um einige<br />
Gegenstän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m blinken<strong>de</strong>n, flimmern<strong>de</strong>n Wirrwarr<br />
zu ziehen.<br />
Als erstes reicht sie dann Ingalf eine Wurfaxt. "Sternenschweif<br />
- das sollte doch etwas für einen Thorwaler<br />
sein", erläutert die Statue. "Wenn Du die Axt wirfst,<br />
trifft sie je<strong>de</strong>s sichtbare würdige Ziel. Ein Treffer kann<br />
einen Menschen in Borons Reich beför<strong>de</strong>rn. Sei aber<br />
vorsichtig! Je<strong>de</strong>r kann die Axt benutzten."<br />
"Aye, danke!" meint Ingalf und wiegt die Axt in <strong>de</strong>r<br />
Hand. "Ein Geschenk ist besser als kein Geschenk,<br />
das wohl!" Er schaut erwartungsvoll zu, was die an<strong>de</strong>ren<br />
Gefährten vom Gott <strong>de</strong>r Diebe erhalten.<br />
Rovena bekommt einen unscheinbaren verkorkten<br />
Tonkrug. "Trink' ihn aus!" for<strong>de</strong>rt sie die Statue auf.<br />
"Deine Dir von Satuaria verliehenen Kräfte wer<strong>de</strong>n<br />
sich <strong>de</strong>utlich vermehren."<br />
Beinahe ein wenig ungläubig nimmt die Hexe <strong>de</strong>n<br />
Krug entgegen, entfernt <strong>de</strong>n Korken und schnuppert<br />
an <strong>de</strong>m Inhalt. Ihr wird von einem Sohn <strong>de</strong>s Los' ein<br />
solches Geschenk gemacht, obwohl Phex genau weiß,<br />
wer und was sie ist? Sie kann es kaum glauben. Soll<br />
sie <strong>de</strong>n Trank wirklich zu sich nehmen? Sie wirft Elgar<br />
einen Blick zu, bemerkt seine Freu<strong>de</strong> über das Geschenk,<br />
das sie erhalten hat und schaut wie<strong>de</strong>r prüfend<br />
die graue Marmorstatue an. Wenn sie <strong>de</strong>n Gott<br />
richtig verstan<strong>de</strong>n hat, soll sie <strong>de</strong>n Krug gleich leeren<br />
…<br />
Nun, Phex wird eine Grund haben, warum er gera<strong>de</strong><br />
jetzt ihre Kräfte, die ihr durch Satuaria von Sumu gegeben<br />
wur<strong>de</strong>n, gestärkt und vermehrt sehen will, was<br />
auch immer dieser sein mag. Sie sucht in ihrer Gürteltasche<br />
nach <strong>de</strong>m kleinen Beutel mit <strong>de</strong>r roten Pille<br />
und <strong>de</strong>m Rosenquarz, nimmt bei<strong>de</strong>s in die Hand. Wer
weiß … Langsam setzt sie dann <strong>de</strong>n Krug an die Lippen<br />
und trinkt ihn zur Gänze leer …<br />
… und steht reglos da, mit <strong>de</strong>m ir<strong>de</strong>nen Gefäß in <strong>de</strong>r<br />
Hand und geschlossenen Augen. Sie meint, von einer<br />
Hitzewelle erfasst zu wer<strong>de</strong>n, die sie durchströmt,<br />
fühlt die astralen Kräfte, die je<strong>de</strong> Faser ihres Körpers<br />
erfüllen. Eine solche Macht hat sie noch nie in sich<br />
gespürt! Wie gut sich das anfühlt, diese Kraft in sich<br />
zu haben! Als sie ihre smaragdgrünen Augen öffnet,<br />
sprühen diese förmlich vor Energie und Selbstbewusstsein,<br />
und ein dankbares Lächeln liegt auf ihren<br />
Lippen, als sie <strong>de</strong>n Kopf vor <strong>de</strong>r Marmorstatue neigt.<br />
Wie mag es sich dann wohl anfühlen, von Ihm erwählt<br />
und erfüllt zu wer<strong>de</strong>n? Vielleicht wird sie es ja<br />
bald wissen … wenn sie es wie<strong>de</strong>r singt und dazu<br />
tanzt, das Lied von dunklen Mächten und wil<strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>nschaft<br />
…<br />
Mit Freu<strong>de</strong> für seine Gefährtin sieht <strong>de</strong>r Magier, dass<br />
Rovena etwas erhält, das in seinen Augen ein Trank<br />
purer Astralkraft sein muss. 'Vielleicht hilft es ihr, sich<br />
<strong>de</strong>m wahren Pfad <strong>de</strong>r Magie zuzuwen<strong>de</strong>n.'<br />
Isinha erhält einen Handschuh aus grauem Rauhle<strong>de</strong>r.<br />
"Zieh ihn über! Einmal je<strong>de</strong>n Tag wirst Du Deine<br />
Finger so geschickt benutzen können, wie sonst kaum<br />
ein Mensch."<br />
Mit einer wortlosen Verbeugung nimmt Isinha das Artefakt<br />
entgegen. 'Ein Handschuh, <strong>de</strong>r die Fingerfertigkeit<br />
erhöht?! Das wird mir in brenzligen Situationen<br />
beim Zaubern sicher sehr behilflich sein.' freut er sich<br />
über sein Geschenk und steckt <strong>de</strong>n Handschuh in<br />
eine Innentasche seines Mantels.<br />
Hesan<strong>de</strong>r bekommt eine faustgroße Glashalbkugel.<br />
"Bei Deiner Suche nach Wissen sollte Dir das Spielzeug<br />
nützen. Leg das Glas auf einen geschriebenen<br />
Text in Dir unbekannter Schrift o<strong>de</strong>r Sprache. Du<br />
wirst ihn lesen können!"<br />
"Ich danke Euch, Hüter <strong>de</strong>s Hortes", sagt Hesan<strong>de</strong>r,<br />
als er das Geschenk in Empfang nimmt. 'Selbst die<br />
Diener <strong>de</strong>s Nandus dürften angesichts dieses Artefaktes<br />
vor Neid erblassen', <strong>de</strong>nkt er sich. 'Für <strong>de</strong>n Ruhm<br />
und die Ehre meiner Kirche will ich dies Geschenk<br />
wür<strong>de</strong>voll einsetzen', gelobt er seiner Herrin.<br />
Edric bewun<strong>de</strong>rt seine Gefährten für ihre Geschenke.<br />
Den Worten nach muss eine große Macht in ihnen liegen.<br />
Mögen sie weise gebraucht wer<strong>de</strong>n.<br />
Doch ist er nicht hier um ein Geschenk entgegenzunehmen.<br />
Aus Freundschaft steht er hier an <strong>de</strong>r Seite<br />
seiner Gefährten, auch wenn sein aranischer Freund<br />
abseits steht. Er wür<strong>de</strong> sofort mit ihm tauschen, wenn<br />
sich die Möglichkeit böte. Er hätte ein solches Geschenk<br />
mehr verdient als ein unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Hirte.<br />
Für ihn steht die Freundschaft über allen weltlichen<br />
Dingen.<br />
544<br />
Zum Schluss ist da noch Edric. Er bekommt eine gol<strong>de</strong>ne<br />
Pfeife. "Blas in sie draußen vor <strong>de</strong>m Hort!" wird<br />
er aufgefor<strong>de</strong>rt. "Du wirst Dich freuen!"<br />
Mit zittern<strong>de</strong>n Fingern nimmt Edric die gol<strong>de</strong>ne Pfeife<br />
in die Hand und betrachtet sie eingehend. Noch<br />
niemals wur<strong>de</strong> ihm ein solches Geschenk gemacht!<br />
'Was ihr Pfiff wohl bewirken mag?' fragt er sich neugierig.<br />
"Ich danke Dir" sagt er mit beben<strong>de</strong>r Stimme und fällt<br />
vor <strong>de</strong>r Statue auf die Knie - wie damals vor Garhelt.<br />
Nach<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gefährten - außer Melachath -<br />
sein Geschenk erhalten hat, sieht Isinha erwartungsvoll<br />
in die Gesichter seiner, ja, seiner Freun<strong>de</strong>. Sogar<br />
<strong>de</strong>n streitbaren Geweihten sieht er mittlerweile als<br />
eine Art Freund an, auch wenn dieses Eingeständnis<br />
vor sich selbst nicht leicht ist. Sie haben einfach zu<br />
viele Gefahren gemeinsam durchgestan<strong>de</strong>n. Etwas<br />
mitleidig bleibt sein Blick schließlich an <strong>de</strong>m aranischen<br />
Krieger hängen: "Ich bewun<strong>de</strong>re Eure Beschei<strong>de</strong>nheit,<br />
das ehrenhafte Verhalten und die Selbstlosigkeit<br />
<strong>de</strong>r bisherigen Gefolgschaft." Mit leicht schräg gelegtem<br />
Kopf nickt Isinha <strong>de</strong>m Krieger zu. "Ich fühle,<br />
dass wir noch die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re große Gefahr gemeinsam<br />
meistern wer<strong>de</strong>n."<br />
Melachath erhebt sich wie<strong>de</strong>r zu voller Größe und<br />
schaut offen in Phexens Gesicht, <strong>de</strong>nn kein an<strong>de</strong>rer<br />
als <strong>de</strong>r Listige selbst kann es sein.<br />
"Das größte Geschenk, das einer <strong>de</strong>r Zwölfe mir machen<br />
kann, ist mir zu erscheinen und ob meiner Taten<br />
loben, <strong>de</strong>nn nein, ein Dieb will ich nicht sein, so ehrt<br />
Deine Aussage mich mehr und ist das größte Geschenk,<br />
das Du mir geben konntest."<br />
Danach schaut <strong>de</strong>r Aranier zum Magier hinüber und<br />
verbeugt sich leicht. "Mein Weg ist <strong>de</strong>r ehrliche, direkte,<br />
von Rondra ge- und Rahja begleitet. So ergänzen<br />
wir uns in unseren Taten und wer<strong>de</strong>n es gewiss auch<br />
weiterhin tun."<br />
Isinha erwi<strong>de</strong>rt schmunzelnd: "So sei es."<br />
Ingalf schaut seine Gefährten mit offenem Mund an.<br />
'Ob sie mit <strong>de</strong>m Kopf gegen die Wand geknallt sind,<br />
dass die alle so geschwollen re<strong>de</strong>n müssen?'<br />
Er schaut sich schweigend das Wurfbeil an und hofft,<br />
dass das alles nicht noch schlimmer wird.<br />
Auch Rovena empfin<strong>de</strong>t tiefes Mitleid mit <strong>de</strong>m mutigen<br />
und ihr so unverständlich <strong>de</strong>mütigen Aranier, sie<br />
kann nicht mit ansehen, wie sie und die an<strong>de</strong>ren von<br />
<strong>de</strong>m Listigen belohnt wer<strong>de</strong>n und er leer ausgehen<br />
soll …<br />
Also tritt sie an seine Seite, da kein an<strong>de</strong>rer für ihn<br />
sprechen will, ihr Gesicht <strong>de</strong>r Statue zugewandt. Sie<br />
atmet tief durch und erhebt dann das Wort. "Höre<br />
mich, Phex, Sohn <strong>de</strong>s Los, <strong>de</strong>r du weißt, wessen Tochter<br />
ich bin. In diesem unserem Gefährten hier fließt<br />
kein kaltes Blut, es fließt heiß durch seine A<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>nn
er ist ein Mann <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns …", bewusst betont sie<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Aspekt <strong>de</strong>s listigen Gottes, "… und er<br />
han<strong>de</strong>lt stets so, dass er immerdar bereit ist, sein Blut<br />
und sein Leben für das unsere zu geben. Be<strong>de</strong>nke,<br />
dass ihm sein Gelüb<strong>de</strong> an <strong>de</strong>ine Schwester davon abhalten<br />
muss, ganz in <strong>de</strong>inem Sinne zu han<strong>de</strong>ln und er<br />
es ungleich schwerer hat, vor <strong>de</strong>inen Augen zu bestehen.<br />
Und darum ich bitte dich, erweise auch ihm, <strong>de</strong>r<br />
sich dir und <strong>de</strong>inen Aufgaben mutig gestellt hat, <strong>de</strong>ine<br />
Anerkennung." Leicht neigt sie <strong>de</strong>n Kopf, ihr Herz<br />
klopft, weiß sie doch nicht, wie <strong>de</strong>r Gott ihre vielleicht<br />
anmaßen<strong>de</strong> Bitte aufnehmen wird.<br />
'Hmm', <strong>de</strong>nkt Ingalf, 'noch stehen wir im Orkenhort<br />
und sind noch nicht draußen. Wer weiß, was wir hier<br />
noch für Gefahren meistern müssen, das wohl!'<br />
Er wartet darauf, wie Phex - <strong>de</strong>n die Figur kein<br />
Mensch sein kann, ist Ingalf auch klar - jetzt weiter<br />
verfährt.<br />
Die Statue macht das, was Götter meistens tun, wenn<br />
Sie von Menschen ungefragt um etwas gebeten wer<strong>de</strong>n:<br />
Sie ignoriert Rovena.<br />
Die Hexe verzieht die Mundwinkel. So sind sie, die<br />
Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Los … doch sie behält ihre Gedanken für<br />
sich. Einen Versuch war es wert …<br />
Statt<strong>de</strong>ssen spricht sie alle an: "Nun habt ihr <strong>de</strong>n Orkenhort<br />
gesehen und einen Teil von ihm zum Geschenk<br />
erhalten, und ich frage wie<strong>de</strong>r: REICHT<br />
EUCH DAS?"<br />
Wie<strong>de</strong>rum fliegen die Hel<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Donnerstimme<br />
erschüttert durch die Luft, aber es sind nicht alle Hel<strong>de</strong>n,<br />
die fliegen, und auch nicht alle Hel<strong>de</strong>n haben<br />
überhaupt die Stimme gehört. Melachath ist unberührt.<br />
"Verdammter Mist!" flucht Ingalf als <strong>de</strong>r das zweite<br />
Mal in so kurzer Zeit durch die Gegend fliegt. Er rappelt<br />
sich mit einem "Jetzt reicht's mir aber …" hoch.<br />
Leise stöhnt Rovena auf, als ihr <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n<br />
Füßen weggezogen wird und sie unsanft auf <strong>de</strong>m<br />
Steinbo<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>t. Was kann man von Phex<br />
erwarten? Sicher nicht mehr, als er schon gegeben hat,<br />
und bevor man ihn mit weiterem Verlangen erzürnt<br />
… sie bleibt einen Moment sitzen und hört Ingalf fluchen.<br />
Vielleicht hat er so unbewusst genau das richtige<br />
gesagt? Wer kann es wissen … "Da sagst du was", bemerkt<br />
sie zu Ingalfs Ausruf und rappelt sich wie<strong>de</strong>r<br />
auf. Sie schaut zu <strong>de</strong>r grauen Marmorstatue hinüber<br />
und antwortet ihr fest: "Ja, <strong>de</strong>nn ich habe nun genug<br />
erfahren, um sicher zu sein, dass dieser Hort wirklich<br />
existiert. Jetzt will ich nur noch diesen Ort wie<strong>de</strong>r unbehelligt<br />
verlassen dürfen."<br />
Als die Hexe Ingalf antwortet, merkt dieser erst, dass<br />
er mit seinem Fluch anscheinend schon seine Entscheidung<br />
gefällt hat. Seine Wut gegen die Behandlung<br />
durch <strong>de</strong>n Gott ist auf einmal verpufft und er be-<br />
545<br />
ginnt herzhaft zu Lachen. "Haha … jetzt reicht's mir<br />
… haha … Mann, <strong>de</strong>r war gut … haha … das wohl!"<br />
"Was … ughh!" ist alles, was von Isinha zu hören ist.<br />
Diesmal ist er etwas unsanfter aufgekommen. "Muss<br />
das immer sein?" führt er wie<strong>de</strong>r ein Selbstgespräch,<br />
während er sich weniger geschmeidig erhebt.<br />
Als die Donnerstimme und <strong>de</strong>r Windstoß Edric wie<strong>de</strong>r<br />
von <strong>de</strong>n Beinen reißen, hätte er fast sein Geschenk<br />
verloren. So sind es nur seine bei<strong>de</strong>n Stäbe, die polternd<br />
neben ihm zu Bo<strong>de</strong>n fallen …<br />
Etwas schwerfällig richtet er sich wie<strong>de</strong>r auf. Götter<br />
scheinen keine Freundschaft zu kennen. Sie kennen<br />
nur Diebe! Und da er we<strong>de</strong>r einer ist noch einer sein<br />
will, hat er genug von <strong>de</strong>m Orkenhort.<br />
"Ja, es reicht", antwortet er mit mü<strong>de</strong>r Stimme.<br />
Als <strong>de</strong>m Magier gewahr wird, dass Melachath nicht<br />
betroffen ist, kombiniert er: 'Ah, er wollte kein Teil <strong>de</strong>s<br />
Hortes haben, wird also seither ignoriert.'<br />
Auf die Frage <strong>de</strong>r Statue antwortet er: "Ich habe <strong>de</strong>n<br />
Hort gesucht, ich habe ihn gefun<strong>de</strong>n und sogar einen<br />
Teil davon erhalten. Ich bin kein Dieb, also benehme<br />
ich mich auch nicht so und begnüge mich mit <strong>de</strong>m,<br />
was mir freimütig geschenkt wor<strong>de</strong>n ist." - 'Außer<strong>de</strong>m<br />
wer<strong>de</strong> ich dann nicht von <strong>de</strong>m nächsten Windstoß<br />
wie<strong>de</strong>r umgerissen.'<br />
Hesan<strong>de</strong>r überlegt kurz. Im Grun<strong>de</strong> kann eine positive<br />
wie negative Antwort auf die Frage von <strong>de</strong>r Statue<br />
ebenso positiv o<strong>de</strong>r negativ - o<strong>de</strong>r umgekehrt aufgefasst<br />
wer<strong>de</strong>n. Beschei<strong>de</strong>nheit und Demut wur<strong>de</strong>n ihm<br />
im Heimattempel gelehrt. Als Diener <strong>de</strong>r allwissen<strong>de</strong>n<br />
Mutter kann er somit <strong>de</strong>n Listigen nicht noch mehr<br />
herausfor<strong>de</strong>rn, ganz gleich, was er noch an möglichen<br />
Geschenken erhalten könnte.<br />
"Ja, mir reicht es", sagt Hesan<strong>de</strong>r kurz und knapp.<br />
"Ich danke <strong>de</strong>m listigen Bru<strong>de</strong>r meiner allwissen<strong>de</strong>n<br />
Herrin", fügt er hinzu.<br />
"Dann geht!" Die Stimme <strong>de</strong>r Statue klingt wie<strong>de</strong>r<br />
mil<strong>de</strong>.<br />
Mit erhobenem Finger - als ob er in <strong>de</strong>r Schule eine<br />
Frage stellen wollte - mel<strong>de</strong>t sich Isinha: "Eine Bitte<br />
hätte ich noch: Zeigt uns <strong>de</strong>n kürzesten und gefahrlosen<br />
Weg hinaus. Und schon sind wir weg."<br />
Dieser Bitte kann sich Rovena mit ganzen Herzen anschließen.<br />
Bloß raus hier aus <strong>de</strong>m Reich <strong>de</strong>s Listigen<br />
und zurück an die frische Luft, und <strong>de</strong>n warmen Bo<strong>de</strong>n<br />
unter sich und über sich <strong>de</strong>n weiten Himmel zu<br />
spüren …<br />
Die Statue setzt sich wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zu ihrem<br />
Spiel.<br />
"Das überlässt er wohl uns", kommentiert Hesan<strong>de</strong>r<br />
das Verhalten <strong>de</strong>r Statue. "Dann lots uns doch mal<br />
hier raus", bittet Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Thorwaler.
"Ich glaub' ja nich', dass Du mich meinst, aber zweimal<br />
rechts und wir sind draußen - nach <strong>de</strong>r Karte!"<br />
meint Ingalf, steckt Sternenschweif in <strong>de</strong>n Gürtel,<br />
schultert <strong>de</strong>n Seesack und ruft <strong>de</strong>n armen Welpen zu<br />
sich. Aber zum Glück hat Randi keine Fragen beantworten<br />
müssen.<br />
"Bis dann, alter Knauserkopp!" Mit diesem Gruß verlässt<br />
Ingalf die Schatzhöhle - falls ihn Phex gehen<br />
lässt.<br />
Keine Antwort.<br />
"Das ist auch eine Antwort." meint Isinha trocken.<br />
"Dann bringe uns hier raus", for<strong>de</strong>rt Edric seinen<br />
Freund auf, nach<strong>de</strong>m er aufgestan<strong>de</strong>n ist und seine<br />
bei<strong>de</strong>n Waffen aufgenommen hat. Die Pfeife hat er<br />
<strong>de</strong>rweil sicher in <strong>de</strong>r Tasche verstaut.<br />
"Aye, mein Freund, das tu' ich, komm' einfach mit, das<br />
wohl!" antwortet Ingalf, <strong>de</strong>r immer noch bester Laune<br />
ist. Er legt seinen Arm auf Edrics Schulter und geht<br />
los.<br />
Ingalfs Vermutung bezüglich <strong>de</strong>s Weges stimmt größtenteils.<br />
Kurz vor <strong>de</strong>m vermeintlichen Ausgang wird<br />
<strong>de</strong>r Gang aber durch silbernen Vorhang unterbrochen.<br />
"Tja, wenn er uns nicht gehen lassen wollen wür<strong>de</strong>,<br />
hätte er alle Möglichkeiten gehabt. Das sollte uns daher<br />
nicht hier drin halten." Mit diesen Worten schreitet<br />
<strong>de</strong>r Magier furchtlos durch <strong>de</strong>n Vorhang hindurch,<br />
wie durch einen Wasserfall.<br />
"Aye, das wohl!" stimmt ihm Ingalf zu und folgt Isinha.<br />
Hesan<strong>de</strong>r beobachtet Elgars Durchschreiten <strong>de</strong>s Vorhangs<br />
genau und wird, sofern <strong>de</strong>r Magus offensichtlich<br />
ungehin<strong>de</strong>rt und unverän<strong>de</strong>rt durchgeht, ebenfalls<br />
hindurchgehen.<br />
Auch Rovena zögert. Sie traut <strong>de</strong>m Gott Phex durchaus<br />
zu, dass er sie daran hin<strong>de</strong>rn könnte, die Kun<strong>de</strong><br />
von dieser Schatzkammer nach Dere zu tragen …<br />
ängstlich beobachtet sie, wie ihr Gefährte so furchtlos<br />
auf <strong>de</strong>n Vorhang zu geht.<br />
"Nun, es ist wohl keine gute I<strong>de</strong>e, die Großzügigkeit<br />
<strong>de</strong>s Listigen auf eine weitere Probe zu stellen. Wir<br />
sollten wirklich gehen", pflichtet Hesan<strong>de</strong>r bei.<br />
Da Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Eindruck hat, dass Elgar nichts passiert<br />
ist, folgt er <strong>de</strong>m A<strong>de</strong>pten.<br />
Acht Schritt voraus wird <strong>de</strong>r breite Gang durch eine<br />
Eisentür mit Klinke abgeschlossen. In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r<br />
rechten Wand befin<strong>de</strong>t sich noch ein Vorhang wie <strong>de</strong>r,<br />
durch <strong>de</strong>n Isinha getreten ist.<br />
Als nun auch Ingalf unbehelligt <strong>de</strong>n Vorhang passiert,<br />
beeilt sich Rovena, ihren Gefährten zu folgen. Neugierig<br />
nähert sie sich <strong>de</strong>r rechten Wand. "Was da wohl<br />
dahinter liegt?" fragt sie sich leise. "Ist auf <strong>de</strong>inem<br />
Plan ein weiterer Raum eingezeichnet, Ingalf?"<br />
546<br />
Einen letzten langen Blick warf <strong>de</strong>r Aranier <strong>de</strong>m Listigen<br />
zu, eher <strong>de</strong>n Raum verließ und seinen Gefährten<br />
folgte. Auch er tritt nun durch <strong>de</strong>n Vorhang.<br />
"Wenn ich die Karte richtig in Erinnerung habe,<br />
müsste hier ein Gang mün<strong>de</strong>n. Allerdings wür<strong>de</strong> uns<br />
dieser Gang zurück in das Labyrinth <strong>de</strong>s Hortes führen<br />
und die Statue sagte, wir sollten <strong>de</strong>n Hort verlassen.<br />
Ich für meinen Teil wer<strong>de</strong> das auch tun." beantwortet<br />
Isinha die Frage Rovenas und nähert sich <strong>de</strong>r<br />
Tür, um diese in Augenschein zu nehmen. "Demnach<br />
müsste er hier hinaus gehen."<br />
"Aye, Du hast das ganz gut in Erinnerung, das wohl!"<br />
stimmt Ingalf <strong>de</strong>m Magier zu. "Dann mach' doch mal<br />
die Tür auf!"<br />
"Genau", bekräftigt auch Edric, <strong>de</strong>r inzwischen hinzugetreten<br />
ist.<br />
Nach kurzem Zögern und einem "Na, an <strong>de</strong>r Tür<br />
nach draußen wird doch wohl keine Falle sein?!" ergreift<br />
Isinha beherzt die Türklinke und betätigt sie,<br />
öffnet die Tür und tritt hindurch.<br />
Ein wenig wird Isinha vom Sonnenlicht geblen<strong>de</strong>t, als<br />
er nach wenigen Schritten durch eine Felsspalte hinter<br />
<strong>de</strong>r Tür ins Freie tritt. Aber er ist sich sicher. Es ist<br />
vollbracht. Das bislang größte Abenteuer seines Lebens<br />
ist überstan<strong>de</strong>n.<br />
Mit <strong>de</strong>r freien rechten Hand überschattet er seine Augen<br />
und tritt weiter ins Freie. Tief zieht er die frische<br />
Luft in die Lungen, atmet zum ersten Mal seit Stun<strong>de</strong>n<br />
- o<strong>de</strong>r waren es Tage - wie<strong>de</strong>r frei durch.<br />
Die Tragweite diese kleinen Schritts aus <strong>de</strong>m Orkenhort<br />
hinaus kann er kaum fassen. Freu<strong>de</strong> erfasst ihn,<br />
Freu<strong>de</strong> über das Bestehen eines solchen Unternehmens,<br />
<strong>de</strong>n Gott <strong>de</strong>r Diebe und Händler ein, wenn<br />
auch nur kleines und offensichtlich mit seinem Wohlwollen<br />
gesegnetes, Schnippchen geschlagen zu haben.<br />
Dann dreht er sich um und ruft seinen Gefährten zu:<br />
"Kommt heraus, es ist ein wun<strong>de</strong>rvoller Tag!"<br />
Ingalf, <strong>de</strong>r kurz hinter ihm durch die Tür getreten ist,<br />
schaut erstaunt auf <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r Sonne. "Ich hätte<br />
schwören können, das viel mehr Zeit vergangen ist …<br />
Aber wir sind draußen, das wohl, und das alleine<br />
zählt. Wir sind alle draußen, das wohl!"<br />
"Wie viel Zeit mag vergangen sein?" fragt Rovena <strong>de</strong>n<br />
Thorwaler, beunruhigt durch seinen Ausruf.<br />
"Hmm, also ich wür<strong>de</strong> sagen so ungefähr vier Stun<strong>de</strong>n,<br />
das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
Rovena schaut zum Stand <strong>de</strong>r Sonne und wiegt <strong>de</strong>n<br />
Kopf. "Ich hatte in <strong>de</strong>m Labyrinth je<strong>de</strong>s Zeitgefühl<br />
verloren …", gesteht sie ein.<br />
In diesem Moment schlägt die Eisentür mit lautem<br />
Krach zu.<br />
"Und?" fragt <strong>de</strong>r Magier Ingalf. "Wohin <strong>de</strong>nn dann<br />
jetzt?"
Der Aranier legt zum ersten Mal seit langem ein Lächeln<br />
auf sein Gesicht. "Dorthin, wo es einen guten<br />
Wein gibt."<br />
"Das ist gut, sehr gut, das wohl! Und damit schei<strong>de</strong>t<br />
Ohort schon mal aus!" antwortet Ingalf fröhlich. Er<br />
betrachtet sich unter<strong>de</strong>ssen Sternenschweif.<br />
Hesan<strong>de</strong>r ist erleichtert, wie<strong>de</strong>r draußen zu sein.<br />
"Lasst uns <strong>de</strong>n Zwölfen danken, <strong>de</strong>nn sie haben uns<br />
auf unserem Weg begleitet und beschützt", und mit<br />
diesen Worten hält er eine spontane Predigt.<br />
Edric nimmt an Hesan<strong>de</strong>rs Predigt teil, hört seine<br />
Worte und dankt <strong>de</strong>n Göttern für <strong>de</strong>n Weg aus <strong>de</strong>m<br />
Hort.<br />
"Jetzt geht das wie<strong>de</strong>r los!" verdreht <strong>de</strong>r Magier die<br />
Augen. Aber ob <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Hochstimmung kann<br />
er <strong>de</strong>m Geweihten heute einfach nicht böse sein.<br />
Erleichtert, <strong>de</strong>n Himmel und das Sonnenlicht wie<strong>de</strong>r<br />
zu sehen, lehnt sich die Hexe nun gegen die Felswand<br />
und atmet tief durch. Sie ist wie<strong>de</strong>r frei, hat die Begegnung<br />
mit einem <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Los unbescha<strong>de</strong>t<br />
überstan<strong>de</strong>n und ist überdies noch reich beschenkt<br />
wor<strong>de</strong>n. Vor Freu<strong>de</strong> über ihre wie<strong>de</strong>rerlangte Freiheit<br />
wür<strong>de</strong> sie jetzt am liebsten ihren Stab besteigen und<br />
sich <strong>de</strong>m Rausch <strong>de</strong>s Fliegens hingeben … sie schließt<br />
die Augen und bezähmt ihre Gefühle, lässt sich das<br />
Licht <strong>de</strong>r Sonne wärmend auf ihr Gesicht scheinen.<br />
Hesan<strong>de</strong>rs Predigt nimmt sie kaum wahr.<br />
'Dem einzigen, <strong>de</strong>m wir unseren Weg nach draußen<br />
und unser Überleben verdanken, ist doch Phex. Die<br />
an<strong>de</strong>ren elf haben sich doch einen feuchten … um<br />
uns geschert, das wohl!' <strong>de</strong>nkt Ingalf und ignoriert <strong>de</strong>n<br />
Geweihten und versucht, sich im Gelän<strong>de</strong> zu orientieren.<br />
Die Hel<strong>de</strong>n befin<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>r Westseite <strong>de</strong>r Felsklippe<br />
<strong>de</strong>s Orkenhorts. Linker Hand ist eine kleine<br />
Felsnase. Wenn man dort herum geht, sollte man zum<br />
südlichen Eingang mit <strong>de</strong>n zwei Baumwächtern kommen.<br />
Nach<strong>de</strong>m Ingalf weiß, wo sie sind, wartet er geduldig<br />
bis Hesan<strong>de</strong>r mit seinem Gebete fertig ist, dann wen<strong>de</strong>t<br />
er sich an die Gefährten: "Wat nu? Zurück nach<br />
Ohort o<strong>de</strong>r weiter nach Enqui o<strong>de</strong>r was weiß ich wohin?"<br />
"Nach Ohort", antwortet Rovena spontan. "Wir müssen<br />
doch <strong>de</strong>n erkrankten Holberkern dort noch helfen."<br />
"Und du weißt auch noch, wie wir das anstellen wer<strong>de</strong>n?"<br />
fragt <strong>de</strong>r Magier interessiert nach.<br />
Die Hexe schaut Elgar von <strong>de</strong>r Seite an. "Der kranken<br />
Frau hat mein Tee sehr gut getan, sie hatte sich etwas<br />
erholt", antwortet sie, wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n dankbaren Blick <strong>de</strong>r<br />
Holberkerin vor Augen. "Dieser Kar Krinak kann sich<br />
das Rezept wie<strong>de</strong>r besorgen, solange die Kugel dort in<br />
547<br />
Nahemas Kontor steht, und es wer<strong>de</strong>n weitere Holberker<br />
sterben …"<br />
"Dann sollten wir auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m Wein kurz<br />
bei ihm vorbeischauen, allein, dass wir <strong>de</strong>n Orkenhort<br />
überstan<strong>de</strong>n haben, mag Einfluss auf sein weiteres<br />
Tun haben."<br />
"Wollen wir da wirklich nochmal hin? Den komischen<br />
Holberker-Zaubertrankbrauer haben wir doch eigentlich<br />
die Tour vermasselt und <strong>de</strong>r wird nich' wie<strong>de</strong>r anfangen<br />
- schließlich könnten wir ja wie<strong>de</strong>r kommen.<br />
Und daher wer<strong>de</strong>n sich die Kranken doch auch so erholen,<br />
o<strong>de</strong>r? Und <strong>de</strong>r Statter hat uns doch rausgeschmissen<br />
…"<br />
'Und die haben nur ein lausiges Bier, das wohl!'<br />
schiebt er noch in Gedanken hinterher.<br />
"Gutes Argument. Falls wir nicht in <strong>de</strong>r Lage sein sollten,<br />
eine mögliche Drohung gegen <strong>de</strong>n Statter auch<br />
durchzusetzen, sehe ich in <strong>de</strong>r Tat wenig Erfolgsaussicht,<br />
dort noch etwas zu bewirken. Tut mir leid." Der<br />
letzte Satz richtet sich direkt an Rovena und klingt<br />
sehr bedauernd, die Hexe nicht in ihrer Absicht erfolgreich<br />
unterstützen zu können. "Die Kranken wer<strong>de</strong>n<br />
sich sicher erholen. Ganz bestimmt." versichert er ihr<br />
sanft.<br />
Rovena hat bei Elgars Worten ein wenig die Schultern<br />
hängen lassen. Doch bevor sie antworten kann, mel<strong>de</strong>t<br />
sich Melachath zu Wort.<br />
"Wir sollten uns trotz<strong>de</strong>m noch an <strong>de</strong>n Statter o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Verbrecher wen<strong>de</strong>n, es ist unsere Pflicht, <strong>de</strong>n<br />
Schutzbedürftigen zu helfen, sie können nichts für Ihr<br />
Schicksal."<br />
"Und ich wür<strong>de</strong> gerne noch herausfin<strong>de</strong>n, was es mit<br />
diesem Daimon und <strong>de</strong>m Rattensymbol auf sich hat.<br />
Wir wissen doch so gut wie gar nichts über dieses geheimnisvolle<br />
Volk <strong>de</strong>r Holberker, woher sie kamen<br />
und welche Götter sie verehren, um davon zu berichten",<br />
lässt sich die Hexe vernehmen. "Die Einträge im<br />
Buch <strong>de</strong>r Stadtherren haben mehr Fragen aufgeworfen,<br />
als sie beantwortet haben."<br />
"Schon richtig." meint Isinha dazu. "Aber Krinak ist<br />
kein Dummkopf. Er weiß auch, dass wir ihm nichts<br />
tun können, wenn wir nicht hier sind und so schnell<br />
kehrt hierher keiner zurück … An<strong>de</strong>rerseits hatte ich<br />
schon <strong>de</strong>n Eindruck, dass er ein wenig zur Einsicht<br />
gelangt war, als er mit uns <strong>de</strong>n Vorraum hinter <strong>de</strong>n<br />
Bäumen betreten hatte. Vielleicht müssen wir ihn nur<br />
daran erinnern und seinen Fehler in Ohort allgemein<br />
bekannt machen, um <strong>de</strong>m Treiben ein En<strong>de</strong> zu setzen."<br />
Der Magier <strong>de</strong>nkt nach. "Und wenn wir schon<br />
das Auge nicht von seinem Platz schaffen können,<br />
vielleicht können wir es für die Holberker unbenutzbar<br />
wer<strong>de</strong>n lassen." schlägt er eine mögliche Lösung<br />
vor.
"Irre ich mich, o<strong>de</strong>r erwartet keiner <strong>de</strong>r Holberker von<br />
uns, dass wir zurückkehren?", bringt Hesan<strong>de</strong>r das<br />
Thema Ohort wie<strong>de</strong>r auf.<br />
"Ich meine, die Holberker gehen doch sicherlich davon<br />
aus, dass wir umgekommen sind. Wür<strong>de</strong>n wir<br />
also bei Nacht uns dorthin begeben, wür<strong>de</strong>n sie uns<br />
zum einen nicht kommen sehen und zum an<strong>de</strong>ren<br />
ohnehin nicht mit unserer Rückkehr rechnen. Wir haben<br />
dort bei Peraine noch etwas zu erledigen. Auch<br />
ich möchte <strong>de</strong>m Rattensymbol und diesem 'Daimon'<br />
auf <strong>de</strong>n Grund gehen."<br />
"Ihr wollt Euch in Ohort einschleichen und <strong>de</strong>m Statter<br />
mitsamt seiner Gar<strong>de</strong> erneut auf <strong>de</strong>n fauligen Zahn<br />
fühlen?" fragt Isinha ge<strong>de</strong>hnt. "Warum <strong>de</strong>nkt hier eigentlich<br />
je<strong>de</strong>r, wir wären durch die Ausbildungsschleiferei<br />
von Baron Nemrod gegangen und könnten uns<br />
so mir nichts, dir nichts dorthin begeben, nur weil wir<br />
gera<strong>de</strong> lebend ein Spiel gegen Phex überstan<strong>de</strong>n haben?"<br />
wun<strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r Magier weiter. "So leid mir die<br />
Opfer <strong>de</strong>s finsteren Giftmischers auch tun. Aber nur<br />
wenn wir uns hier auf Dauer nie<strong>de</strong>rlassen und die<br />
Macht an uns reißen, wer<strong>de</strong>n wir ähnlichen Szenen<br />
sicher verhin<strong>de</strong>rn können. Die Welt ist nun mal nicht<br />
perfekt." verkün<strong>de</strong>t er seine - wenig überraschen<strong>de</strong> -<br />
Meinung. "Lassen wir es dabei bewen<strong>de</strong>n und unseren<br />
Auftrag gegenüber Garhelt zu En<strong>de</strong> ausführen."<br />
"Aye, das wohl!" stimmt ihm Ingalf kurz zu.<br />
"Edler Weiser <strong>de</strong>r arkanen Künste, ich sagte Dir und<br />
<strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren meine Hilfe zu, und wir versprachen<br />
diesen Chimären zu helfen, also wer<strong>de</strong>n wir das auch<br />
tun, zumin<strong>de</strong>st ich, und ich <strong>de</strong>nke," <strong>de</strong>r Blick <strong>de</strong>s Araniers<br />
fällt auf Rovena, "sie sieht es genauso und wird<br />
mich begleiten."<br />
"Ich wie<strong>de</strong>rhole mich gern: Wenn hier jemand, irgend<br />
jemand, einen brauchbaren Plan hat, wie das durchzusetzen<br />
ist, dass sollte er - o<strong>de</strong>r sie - jetzt damit herausrücken!"<br />
Der Blick <strong>de</strong>r roten Augen <strong>de</strong>s Magiers wan<strong>de</strong>rt<br />
langsam von einem <strong>de</strong>r Gefährten zum nächsten,<br />
bleibt kurz an Rovena hängen, verschärft sich und<br />
wan<strong>de</strong>rt dann weiter, bis er zuletzt bei Hesan<strong>de</strong>r en<strong>de</strong>t.<br />
"Dachte ich mir's doch." meint er schließlich resignierend.<br />
'Was dachtest du dir?' <strong>de</strong>nkt sich die Hexe und erwi<strong>de</strong>rt<br />
funkelnd <strong>de</strong>n scharfen Blick <strong>de</strong>s Magiers. 'Er hat<br />
sich mit Frajo Krinak angelegt, hat er vielleicht<br />
Angst?'<br />
Dann richtet er das Wort wie<strong>de</strong>r an die Gruppe: "Wir<br />
können da nicht einfach einmarschieren und die Regentschaft<br />
<strong>de</strong>s Statters für been<strong>de</strong>t erklären. Und als<br />
wir die Chance hatten, <strong>de</strong>m Giftmischer für alle Zeit<br />
das Handwerk zu legen, seid ihr weich gewor<strong>de</strong>n -<br />
aber jetzt jammert ihr wie die Waschweiber!"<br />
"Ich jammere nicht! Und <strong>de</strong>r Plan ist sehr einfach,<br />
<strong>de</strong>m Statter wird Nahemas Kontor und <strong>de</strong>r verant-<br />
548<br />
wortliche Holberker gezeigt, er wird schon seine<br />
Schlüsse ziehen."<br />
"Ja, bestimmt. Und genau davor habe ich Angst!" gibt<br />
<strong>de</strong>r Magier unumwun<strong>de</strong>n zu.<br />
Rovena hat nachgedacht, während sie ihren Gefährten<br />
zuhört. "Wir könnten Kar Krinak helfen, mit diesem<br />
ungeschlachten Frajo fertig zu wer<strong>de</strong>n, damit <strong>de</strong>r weitere<br />
Nie<strong>de</strong>rgang dieses Volkes verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />
kann", meint sie. "Kar hatte uns doch erzählt, dass er<br />
verhin<strong>de</strong>rn will, dass weiterhin nur die Stärke zählt,<br />
die einen Anführer ausmacht. Und <strong>de</strong>m kann ich nur<br />
zustimmen. Vielleicht erlaubt er uns, uns in <strong>de</strong>r Burg<br />
umzusehen, um mehr über die Vorfahren <strong>de</strong>r Holberker<br />
herauszufin<strong>de</strong>n, warum sie ihre Heimat verlassen<br />
haben und wer ihr Gott ist."<br />
"Und Du glaubst, dass dieser tumbe Schä<strong>de</strong>l irgen<strong>de</strong>twas<br />
von <strong>de</strong>m begreift, was er da zu sehen bekommt?"<br />
fragt Ingalf skeptisch.<br />
"Das ist ein guter Einfall", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n<br />
Vorschlag Rovenas. "Das Problem dabei ist nur, dass<br />
wir bereits <strong>de</strong>r Stadt verwiesen wur<strong>de</strong>n und unsere offizielle<br />
Rückkehr sicherlich nicht unbedingt auf Gegenliebe<br />
stoßen wird. Wir können allenfalls versuchen<br />
<strong>de</strong>n Wachposten klarzumachen, dass wir die Ursache<br />
<strong>de</strong>r Krankheit gefun<strong>de</strong>n haben und sie nur dann beseitigen<br />
können, wenn wir uns in <strong>de</strong>r Burg genauer<br />
umsehen dürfen. Offenbar hat ja auch <strong>de</strong>r Glaube <strong>de</strong>r<br />
Holberker damit zu tun. Und wenn es hier etwas Unheiliges<br />
geben sollte, dann haben wir die Pflicht, etwas<br />
dagegen zu unternehmen. Bei <strong>de</strong>n Zwölfen!"<br />
"Für das Überzeugen seid Ihr ja hier genau <strong>de</strong>r Richtige."<br />
spricht Isinha <strong>de</strong>n Geweihten direkt an. "Aber bei<br />
<strong>de</strong>m soeben geschil<strong>de</strong>rten Vorhaben sehe ich nur zwei<br />
Möglichkeiten, die vielleicht von Erfolg gekrönt sein<br />
mögen - o<strong>de</strong>r auch nicht.<br />
Erstens: Wir schleichen wirklich unerkannt hinein,<br />
überzeugen Kar im Verborgenen und stehlen uns genau<br />
so wie<strong>de</strong>r heraus. Mag er <strong>de</strong>n Erfolg doch als seinen<br />
eigenen verbuchen.<br />
Zweitens: Wir marschieren mit wehen<strong>de</strong>n Fahnen<br />
durchs Haupttor, prangern - sofern man uns nicht unverzüglich<br />
vorlässt - öffentlich und lautstark - auch<br />
dafür dürftet Ihr wie geschaffen sein - die Missstän<strong>de</strong><br />
an und erklären, dass die Heilung <strong>de</strong>r Betroffenen nur<br />
durch was-auch-immer möglich wäre." Kurz zieht <strong>de</strong>r<br />
Magier die farblosen Augenbrauen zusammen und<br />
fährt fort: "Ich halte bei<strong>de</strong>s nicht für wirklich erfolgreich<br />
durchführbar, belassen wir es dabei."<br />
"Warum sollten wir nicht ungesehen die Stadt betreten<br />
können, wenn Nahema das anscheinend auch kann,<br />
ohne an <strong>de</strong>n Wachen vorbei zu müssen?" fragt Rovena<br />
nach, dann wird ihre Stimme sanfter. "Wenn wir jetzt<br />
weiter reisen, brauchen wir noch Proviant … und ich<br />
eine neue Decke. Unsere Ausrüstung ist bei <strong>de</strong>n Grol-
men geblieben, vergiss das nicht. Wenn wir Kar unterstützen,<br />
kommen wir vielleicht an die benötigten Dinge."<br />
"O<strong>de</strong>r wir 'empfehlen' uns bei <strong>de</strong>n Grolmen noch mal<br />
mit <strong>de</strong>r notwendigen Nachdrücklichkeit. Über eine<br />
einstürzen<strong>de</strong> Höhle kann man mit mir immer re<strong>de</strong>n<br />
… An<strong>de</strong>rerseits wird nichts von all<strong>de</strong>m, wenn wir hier<br />
herumstehen und zanken." wirft <strong>de</strong>r Magier ein.<br />
Kopfschüttelnd betrachtet Rovena <strong>de</strong>n Magier und<br />
meint nur: "Mich bringst du nicht freiwillig zu <strong>de</strong>n<br />
Grolmen zurück, <strong>de</strong>nn ich habe kein Interesse daran,<br />
mein Leben in ihren Diensten auf <strong>de</strong>n Fel<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Minen zu been<strong>de</strong>n …"<br />
"Aye!" stimmt Ingalf <strong>de</strong>r Hexe zu. "Da sind mir ja die<br />
Holberker lieber, die sind wenigstens nur blöd, das<br />
wohl!"<br />
"So war das auch nicht gemeint - und das weißt du!"<br />
erwi<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier Rovena, vielleicht etwas grober,<br />
als ursprünglich gewollt. Aber schließlich winkt er ab<br />
und setzt sich mü<strong>de</strong> in das weiche Gras auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n.<br />
Mit geschlossenen Augen wen<strong>de</strong>t er sich <strong>de</strong>r<br />
Praiosscheibe zu und atmet tief ein. Nach einiger Zeit<br />
fragt er nach: "Was sollen wir eurer Meinung nach also<br />
tun?"<br />
Schließlich gesellt Ingalf sich zu Edric. "Na, willste<br />
nicht mal pusten?"<br />
"Es ist einen Versuch wert. Wir sollten ihm eine Chance<br />
geben. Edric, solltest Du nicht in die Pfeife blasen?"<br />
fragt auch Melachath.<br />
"Ich glaube nicht mal, dass die Blödschä<strong>de</strong>l uns überhaupt<br />
zum Statter lassen, das wohl!" gibt Ingalf zu be<strong>de</strong>nken.<br />
"Wir sind da schließlich rausgeflogen …"<br />
Dann blickt auch Ingalf zu Edric und wartet auf das<br />
Pfeifen.<br />
"Ja … gleich", antwortet Edric zögernd. Er hat das<br />
Gefühl <strong>de</strong>r Erleichterung, <strong>de</strong>m Hort entkommen zu<br />
sein noch nicht überwun<strong>de</strong>n. Die Sonne, die warm<br />
sein Gesicht wärmt, die Luft und die Geräusche um<br />
ihn herum … alles versucht er in sich aufzunehmen,<br />
nach <strong>de</strong>n dunklen, und engen Gängen.<br />
Doch ihn erfüllt nicht nur Erleichterung und Freu<strong>de</strong>,<br />
da ist noch ein an<strong>de</strong>res Gefühl: Zweifel und Trauer.<br />
Er hat <strong>de</strong>n Hort nicht betreten um Reichtümer zu erlangen,<br />
um das Heiligtum Phex zu entweihen, son<strong>de</strong>rn<br />
aus Freundschaft zu seinen Gefährten. Doch<br />
Phex scheint darauf wenig zu geben … Vielleicht sind<br />
die Zwölf zu keinem Gefühl wie Freundschaft fähig?<br />
Für ihn ist es jedoch das höchste Gut, <strong>de</strong>r höchst<br />
Lohn, <strong>de</strong>n er von jeman<strong>de</strong>m erhalten kann!<br />
Nach<strong>de</strong>m er seine aufgewühlten Gefühle ein wenig<br />
beruhigt hat, holt er die Pfeife hervor. Einen Moment<br />
lang betrachtet er sie, fühlt sie noch einmal in <strong>de</strong>n<br />
Fingern.<br />
549<br />
'Was mag sie bewirken?' fragt er sich, weiß aber dass er<br />
es nie erfahren wird, wenn er nicht tut, wie ihm das<br />
Abbild Phex' geheißen hat. So setzt er sie an die Lippen<br />
und bläst kräftig hinein.<br />
Im ersten Moment passiert nichts, dann sind von Südosten<br />
um die Felsecke herum Geräusche zu vernehmen<br />
- Schnauben, Hufgetrappel. Und dann kommen<br />
zwei wohlbekannte Maultiere um die Ecke – voll bela<strong>de</strong>n.<br />
"Kommen euch die bei<strong>de</strong>n nicht auch bekannt vor<br />
…?" bringt Isinha beim Anblick <strong>de</strong>r Maultiere hervor,<br />
springt auf und eilt ihnen entgegen.<br />
Fieberhaft wühlt er im Gepäck, bis er ein sorgsam verschnürtes<br />
Paket an die Brust drückt wie ein kleines<br />
Kind. "Da bist du ja wie<strong>de</strong>r!" ruft er freudig aus, während<br />
er das eingewickelte Buch auspackt.<br />
"Mensch, Edric, schau Dir das an!" Ingalf umarmt<br />
freudig seinen Freund. "Ist doch Klasse, o<strong>de</strong>r? Jetzt<br />
sind wir wie<strong>de</strong>r komplett, das wohl! Und Kochen können<br />
wir auch wie<strong>de</strong>r!"<br />
Ob <strong>de</strong>r seltsamen Geräusche schaut Edric misstrauisch<br />
zu <strong>de</strong>n Felsen. Als er dann die bei<strong>de</strong>n Maultiere<br />
erkennt jauchzt er erfreut auf und eilt ihnen entgegen,<br />
begrüßt sie freudig, umarmst ihre Hälse, streichelt<br />
ihre weichen Nasen und krault sie an Stirn und Ohren.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Grauen lassen sich das gern gefallen.<br />
Edric scheint alles um sich herum vergessen zu haben.<br />
Für ihn zählen im Moment nur die zurückgekehrten<br />
Maultiere. Er ist erfüllt von einem Glücksgefühl,<br />
welches er noch nie erlebt hat. "Danke Phex!",<br />
kann er nur hauchen. Er schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>m listigen Gott<br />
<strong>de</strong>r Diebe und Händler seinen Dank.<br />
'Und ich hab' meinen alten Schlafsack wie<strong>de</strong>r!' fügt er<br />
in Gedanken hinzu. 'Also wird die nächste Nacht<br />
doch nicht so kalt, wie ich dachte!'<br />
Erfreut folgt Rovena <strong>de</strong>m Magier. Nun hat sich ihr<br />
Problem <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Ausrüstung doch noch glücklich<br />
aufgelöst. Sie schaut Elgar grinsend zu, wie er<br />
sein vermisstes Buch auspackt. 'Es muss ihm viel be<strong>de</strong>uten',<br />
<strong>de</strong>nkt sie sich und kontrolliert dabei, ob auch<br />
ihre Sache alle noch da sind. "Wie kommen die bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>nn genau zur rechten Zeit von <strong>de</strong>n Grolmen hierher?"<br />
fragt sie, doch etwas verwun<strong>de</strong>rt.<br />
"Da offenbar Phexens Pfeife eine Rolle dabei spielt,<br />
wür<strong>de</strong> ich auf Magie o<strong>de</strong>r gar ein göttliches Wun<strong>de</strong>r<br />
tippen - aber letzteres ist eher Hesan<strong>de</strong>rs Spezialgebiet."<br />
antwortet Isinha.<br />
"Ich hatte wirklich nicht damit gerecht, die bei<strong>de</strong>n<br />
wie<strong>de</strong>rzusehen", meint die Hexe kopfschüttelnd und<br />
streichelt <strong>de</strong>m Maultier, das ihre Sachen trägt, die<br />
samtenen Nüstern.
Mit einem leisen Lächeln wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Aranier<br />
<strong>de</strong>m Hirten zu. "Sagte ich Dir nicht, dass Freundschaft,<br />
Treue und Zusammenhalt belohnt wer<strong>de</strong>n?<br />
Phex hat je<strong>de</strong>n von Euch beschenkt, und jetzt auch<br />
mich, er schenkte mir das Wertvollste … Ich konnte<br />
bei Dir, meinem Freund, mein Versprechen einhalten,<br />
dass Du die Tiere zurückbekommst."<br />
Kurz hält <strong>de</strong>r Krieger inne, dann dreht er sich so, dass<br />
alle ihm ins Gesicht schauen können: "Und nun ist es<br />
an <strong>de</strong>r Zeit, unser letztes Versprechen zu halten, wir<br />
haben einigen Bewohnern versprochen, ihnen zu helfen,<br />
lasst uns nicht die Zwölfe erzürnen und es einlösen."<br />
"Die Wege <strong>de</strong>s Phex sind unergründlich", kommentiert<br />
Hesan<strong>de</strong>r die Rückkehr <strong>de</strong>r Maultiere.<br />
"Aber Melachath hat Recht, wir können die Bewohner<br />
Ohorts nicht ihrem unrühmlichen Schicksal überlassen.<br />
Das sind wir <strong>de</strong>n Zwölfen schuldig", wen<strong>de</strong>t er<br />
zugunsten <strong>de</strong>s Marsches nach Ohort ein.<br />
"Dann lass uns zurück gehen und Kar Krinak auf <strong>de</strong>n<br />
rechten Weg bringen ", meint Rovena, die die Vorräte<br />
auf <strong>de</strong>n Maultieren überprüft hat.<br />
Sie sind alle noch gut. Für zwei Tage reichen sie noch.<br />
Und dann fügt sie noch an: "Von <strong>de</strong>n Holberkern <strong>de</strong>s<br />
Statters sollte uns heute noch keine Gefahr drohen, er<br />
hat uns für <strong>de</strong>n heutigen Tag <strong>de</strong>n Aufenthalt in <strong>de</strong>r<br />
Stadt erlaubt, erst morgen müssen wir Ohort verlassen.<br />
So können wir noch eine Nacht geschützt dort<br />
verbringen und uns Essen besorgen, bevor wir morgen<br />
weiterziehen."<br />
'Geht das schon wie<strong>de</strong>r los?' <strong>de</strong>nkt Ingalf. 'Ich dachte,<br />
wir wären fertig, das wohl!'<br />
Er setzt sich in das Gras, genießt die Sonne und wartet<br />
darauf, dass seine Gefährten endlich zu Potte kommen<br />
mit ihrer Entscheidung.<br />
Isinha setzt sich neben <strong>de</strong>n Thorwaler. Mit <strong>de</strong>m Buch<br />
auf <strong>de</strong>n Knien, in <strong>de</strong>m er gedankenverloren blättert,<br />
fragt er leise: "Was <strong>de</strong>nkst Du? Meinst Du nicht auch,<br />
es macht keinen Sinn, noch einmal in die Geschicke<br />
Ohorts eingreifen zu wollen?"<br />
"Mehr als 'ne Tracht Prügel wer<strong>de</strong>n wir da nicht ernten,<br />
das wohl!" stimmt ihm <strong>de</strong>r Thorwaler zu. "Und<br />
das sind 'n Haufen mehr als wir. Und, bei Swafnir, im<br />
Moment hab' ich auch keine Lust auf Prügel!" Er<br />
schaut auf die frischen Wun<strong>de</strong>n, die er sich im Orkenhort<br />
zugezogen hat. "Das war erstmal wie<strong>de</strong>r genug,<br />
das wohl!"<br />
"Brauchst Du Hilfe?" fragt Isinha mitfühlend. Die<br />
Wun<strong>de</strong>n Ingalfs hatte er bislang gar nicht recht wahrgenommen.<br />
Aber er - und die an<strong>de</strong>ren Kämpfer auch -<br />
550<br />
hatten or<strong>de</strong>ntlich einstecken müssen. "O<strong>de</strong>r sonst irgend<br />
jemand noch ohne Verband?" fragt er in die<br />
Run<strong>de</strong>.<br />
"Rovena hat ja das meiste schon verbun<strong>de</strong>n, das<br />
wohl!" antwortet Ingalf. "Und <strong>de</strong>r Rest ist nach 'ner<br />
ruhigen Nacht fast wie<strong>de</strong>r wie neu."<br />
"Ruhige Nacht …" meint <strong>de</strong>r Magier nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Das wär' schon was. Und Hunger hätte ich auch."<br />
Fügt er hinzu. "Das Stück Hartwurst war ganz nett,<br />
aber richtig satt macht das nicht. Na ja, außer Kawi<br />
vielleicht." lächelt Isinha <strong>de</strong>m kleinen Hund zu, <strong>de</strong>r<br />
sich an <strong>de</strong>r frischen Luft wie<strong>de</strong>r sichtlich wohler fühlt.<br />
"Was haben wir noch für ein or<strong>de</strong>ntliches Mahl?" fragt<br />
er, ohne aufzusehen.<br />
"Hmm", antwortet Ingalf, "ich hab' nix … Außer das<br />
ich jetzt auch Hunger kriege, das wohl!"<br />
"Ihr drei" - Ingalf schaut Rovena, Hesan<strong>de</strong>r und Melachath<br />
an - "seid also wirklich <strong>de</strong>r Meinung wie<strong>de</strong>r in<br />
die Höhle <strong>de</strong>r Holberker zu wollen, Isinha und ich<br />
wollen nicht, also ist Edric, das Zünglein an <strong>de</strong>r Waage,<br />
das wohl!" Er schaut seinen Freund erwartungsvoll<br />
an.<br />
"Ich fin<strong>de</strong>, wir sollten zu <strong>de</strong>n Holberkern zurückgehen."<br />
entschei<strong>de</strong>t sich Edric nach einem Moment.<br />
Noch immer krault er die bei<strong>de</strong>n Maultiere.<br />
"Aye, dann isses wohl so, das wohl!" meint Ingalf<br />
schulterzuckend. "Die Mehrheit will, dann machen<br />
wir's!" Er geht zu <strong>de</strong>n Maultieren und schaut, ob auch<br />
wirklich noch alles da ist, dann zieht er seine Fellweste<br />
über, nimmt seinen Schild, steckt seinen Schneidzahn<br />
und Sternenschweif in <strong>de</strong>n Gürtel und bin<strong>de</strong>t dann<br />
<strong>de</strong>n Seesack auf <strong>de</strong>m Maultier fest.<br />
So gewappnet steht er vor <strong>de</strong>n Gefährten und sagt:<br />
"Na, <strong>de</strong>nn wollen wir jetzt auch keine Zeit mehr verlieren.<br />
Ich habe Hunger und in Ohort gibt's wenigstens<br />
was zu Essen, das wohl!"<br />
"Also schön …" Isinha erhebt sich schwerfällig, nach<strong>de</strong>m<br />
er das Buch wie<strong>de</strong>r sorgsam eingewickelt hat.<br />
Während er das Paket in seinen Sachen auf <strong>de</strong>m<br />
Maultier verstaut, fügt er noch grimmig hinzu: "Aber<br />
erwartet we<strong>de</strong>r Mil<strong>de</strong> noch Nachsicht von mir, sollte<br />
es zu einer entsprechen<strong>de</strong>n Situation kommen. Ingalf,<br />
in welcher Richtung genau liegt Enqui von hier aus?<br />
Müssen wir nicht ohnehin durch Ohort?" fragt Isinha<br />
schließlich beim Thorwaler nach.<br />
"Wenn ich unseren Freund Theires richtig verstan<strong>de</strong>n<br />
habe, dann müssen wir hier von <strong>de</strong>m Hügel runter<br />
und dann die Straße nach Backbord folgen. Dann<br />
kommen wir nach Enqui, das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Und wenn wir nach Steuerbord <strong>de</strong>r Straße folgen,<br />
dann sind wir wie<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Grolmen …"
A<br />
ls die Hel<strong>de</strong>ngruppe sich <strong>de</strong>r Stadt Ohort nähert,<br />
ist bereits aus einiger Entfernung zu sehen,<br />
dass sich vor <strong>de</strong>m Tor eine or<strong>de</strong>ntliche Menge<br />
Holberker versammelt hat - bewaffnete Holberker.<br />
"Ob die was von uns wollen?" fragt Ingalf seine Gefährten<br />
und bleibt erstmal stehen, um sich einen besseren<br />
Überblick zu verschaffen. "Wenn ja, dann sind<br />
das reichlich viele und wir sollten dann doch in die<br />
an<strong>de</strong>re Richtung gehen, das wohl!"<br />
"Aber warum sollten Sie vor <strong>de</strong>m Tor auf uns warten?"<br />
fragt Isinha. "Um uns draußen zu halten, müssten sie<br />
doch das Tor nur geschlossen halten, o<strong>de</strong>r? - Ich gehe<br />
eher davon aus, dass es da einen kleinen Aufstand<br />
o<strong>de</strong>r etwas in <strong>de</strong>r Art gegeben hat. Lasst uns das mal<br />
ansehen. Schließlich ist uns nur das Betreten <strong>de</strong>r Stadt<br />
verboten wor<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>n Auflauf davor können wir getrost<br />
in Augenschein nehmen!" for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Magier seine<br />
Gefährten neugierig auf und setzt sich wie<strong>de</strong>r langsam<br />
in Bewegung.<br />
Auch Hesan<strong>de</strong>r betrachtet die Szenerie mit Interesse.<br />
"Was es damit wohl auf sich hat", fragt er in die Run<strong>de</strong>,<br />
ohne eine wirkliche Antwort zu erwarten. "Gehen<br />
wir näher ran und sehen, was dort los ist", schlägt er<br />
ebenfalls vor.<br />
"Vielleicht geht das Tor gar nicht mehr zu", antwortet<br />
Ingalf <strong>de</strong>m Magier. "Das war irgendwie schon ziemlich<br />
hin, das wohl!"<br />
Edric führt eines <strong>de</strong>r treuen Maultiere am Zügel und<br />
blickt <strong>de</strong>r Gruppe Holberker hinüber und fragt sich<br />
welches Interesse diese haben könnten.<br />
Da Isinha aber weiter geht, folgt ihm Ingalf, <strong>de</strong>n<br />
Schild über <strong>de</strong>m einen Arm, die Orknase in <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Hand.<br />
Rovena begibt sich mit einem <strong>de</strong>r Maultiere am Zügel<br />
an Elgars Seite und geht ruhig auf die versammelte<br />
Holberker-Gruppe zu, ihren Stab in <strong>de</strong>r rechten<br />
Hand.<br />
Der Aranier lässt seine Waffe im Waffengurt und folgt.<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg zur Stadt schaut <strong>de</strong>r Hirte auch ab und<br />
zu auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. Dort sucht er nach Kieseln,<br />
schließlich sind seine ja im Orkenhort geblieben.<br />
Stück für Stück sammelt er sie zusammen, bis er ein<br />
Dutzend gefun<strong>de</strong>n hat.<br />
Die Hel<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>m Tor vom Statter und seiner<br />
Leibwache erwartet. "Gut!" tönt <strong>de</strong>r. "Ihr seht reisefertig<br />
aus. Dann könnt ihr euch ja gleich auf <strong>de</strong>n<br />
Weg machen."<br />
"Wohin?" fragt Ingalf kurz. 'Immer schön einfache<br />
Fragen, so dass die Torfköppe das auch verstehen, was<br />
man will!'<br />
Auf zu neuen Abenteuern<br />
551<br />
'Mann, <strong>de</strong>r kann Fragen stellen!' stöhnt <strong>de</strong>r Magier innerlich,<br />
kennt er doch die Antwort mit an Sicherheit<br />
grenzen<strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit bereits: Weg von hier,<br />
egal wohin.<br />
"Nach Nor<strong>de</strong>n, Sü<strong>de</strong>n, Osten, Westen - das ist uns<br />
egal. Nur weg von hier!" Der Statter verschränkt die<br />
Arme vor <strong>de</strong>r Brust.<br />
"Nach Osten nicht, da ist nur Dummheit, das wohl!"<br />
murmelt Ingalf halblaut.<br />
"Ja, das können wir tun", erwi<strong>de</strong>rt Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Statter.<br />
"Wir haben allerdings einiges über die Krankheit<br />
Eurer Leute herausgefun<strong>de</strong>n. Vermutlich sollen wir<br />
dieses Wissen ebenso mitnehmen und nicht mit Euch<br />
teilen", fügt Hesan<strong>de</strong>r beiläufig hinzu.<br />
Und um <strong>de</strong>m Statter die Entscheidung etwas zu erleichtern,<br />
meint Isinha ergänzend: "Wie ich es Euch<br />
bereits bei unserem letzten Treffen vorausgesagt habe,<br />
bleibt uns vor unserer Abreise eigentlich nur noch eins<br />
zu tun, nämlich Euch folgen<strong>de</strong>s zu wünschen: Sterbt<br />
wohl! Denn das ist Euer aller Schicksal."<br />
"Jaja", ist die einzige Reaktion <strong>de</strong>s Statters dazu.<br />
"Ich hab's euch gleich gesagt!" erwi<strong>de</strong>rt Isinha, sowohl<br />
an <strong>de</strong>n Statter, als auch an die Gefährten gerichtet.<br />
"Weißt Du, Statter …" - <strong>de</strong>r Magier geht in das persönlichere<br />
und vielleicht auch beleidigen<strong>de</strong> Du über -<br />
"… mir persönlich ist völlig gleich, was aus Dir und<br />
Deinesgleichen wird. Allerdings sind einige von uns<br />
nicht so gleichgültig. Aber ich verstehe Dich, sterben<br />
müssen wir alle irgendwann. Und soweit es Dich betrifft:<br />
warum nicht gleich jetzt?!" unvermittelt reißt<br />
<strong>de</strong>r Magier die Hand hoch und <strong>de</strong>utet mit zwei Fingern<br />
auf <strong>de</strong>n Statter.<br />
Ein böses Gemurmel <strong>de</strong>r Holberker ist zu hören und<br />
dann das Geräusch, das Klingen machen, wenn sie<br />
aus <strong>de</strong>r Schei<strong>de</strong> gezogen wer<strong>de</strong>n. Der Statter erstarrt.<br />
Da die Formel <strong>de</strong>s Zaubers nicht intoniert wird, passiert<br />
jedoch nichts.<br />
Auch auf Seiten <strong>de</strong>r Holberker passiert nicht. Der<br />
Statter entspannt sich.<br />
Nur ein böses Grinsen im Gesicht <strong>de</strong>s Magiers zeigt,<br />
wie einfach es für ihn wäre, wenn er nur wollte. "Seht<br />
hin, sie sind es nicht wert!" stellt er für seine Gefährten<br />
statt <strong>de</strong>ssen klar, dass ihre Hilfe hier nicht erwünscht<br />
ist.<br />
Der Statter sagt nichts.<br />
"Lasst uns gehen!" for<strong>de</strong>rt er sie auf.<br />
"Aye, dann wollen wir mal, o<strong>de</strong>r?" stimmt ihm Ingalf<br />
zu. 'Ich hab' ja gleich gesagt, dass wir gehen sollten,<br />
das wohl!'<br />
"Ja, das sollten wir tun. Nur wieso folgen diese Holberker<br />
ihrem Anführer, <strong>de</strong>r ihnen ein Heilmittel gegen
die Krankheit verwehrt und sie statt<strong>de</strong>ssen lieber sterben<br />
lassen will? Also so ein Anführer wäre bei uns abgesetzt<br />
und durch einen neuen ersetzt wor<strong>de</strong>n", fügt<br />
Hesan<strong>de</strong>r hinzu.<br />
"Aber vielleicht sind diese Leute hier auch einfach zu<br />
dumm zu begreifen, dass sie alle sterben wer<strong>de</strong>n …"<br />
"O<strong>de</strong>r er wird Kaiser …" ist <strong>de</strong>r lakonische Kommentar<br />
Ingalfs.<br />
"We<strong>de</strong>r sind wir gekommen um zu töten, noch zu<br />
streiten, wir nahmen diese Reise auf uns, um zu erkun<strong>de</strong>n.<br />
Nicht nur hier dachten wir, dass wir vielleicht<br />
helfen können, im Namen <strong>de</strong>r Götter, wir versuchten<br />
es. Jetzt lasst Ihr uns nicht mal mehr die Ehre, würdig<br />
zu gehen, ist das die Art und Weise eines Herrschers?"<br />
Das Gesicht <strong>de</strong>s Araniers wirkt verzweifelt.<br />
"Ehre, Wür<strong>de</strong>? Was soll <strong>de</strong>r Scheiß?" Der Statter<br />
spuckt aus.<br />
"Ich wer<strong>de</strong> Euch zeigen, was Ehre und Wür<strong>de</strong> sind<br />
und for<strong>de</strong>re die leuische Bewertung!"<br />
Ingalf schaut <strong>de</strong>n Aranier verwirrt an, sagt aber nichts.<br />
'Was will er <strong>de</strong>nn jetzt? Meint er uns o<strong>de</strong>r die Holberker?<br />
Irgendwie ist ihm <strong>de</strong>r Hort nicht bekommen, das<br />
wohl!'<br />
Der Statter stutzt, dann besinnt er sich. "Du hast hier<br />
gar nichts zu for<strong>de</strong>rn!" entgegnet er.<br />
Isinha legt <strong>de</strong>m Krieger sanft, aber bestimmt, die<br />
Hand auf die Schulter. "Soweit ich mich erinnere,<br />
könnt Ihr Ehre und Vergeltung im Namen <strong>de</strong>r Göttin<br />
nur von jeman<strong>de</strong>m for<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>r - zumin<strong>de</strong>st theoretisch<br />
- ebenfalls diesen rondrianischen Tugen<strong>de</strong>n zugeneigt<br />
sein müsste. So wie ich das sehe, könnt Ihr gar<br />
keine Satisfaktion vom Statter o<strong>de</strong>r irgend einem an<strong>de</strong>ren<br />
<strong>de</strong>r Holberker for<strong>de</strong>rn. Sie sind Eurer gar nicht<br />
würdig. Also kommt!" Der Griff <strong>de</strong>s Magiers ist überraschend<br />
fest und zwingend. Ohne größere Kraftanstrengung<br />
wird Melachath sich nicht einfach losreißen<br />
können …<br />
"Eure Motive sind e<strong>de</strong>l und gereichen <strong>de</strong>r Leuin zur<br />
Ehre", lobt Hesan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Aranier. "Doch Elgar hat<br />
hier Recht. Die Holberker achten nicht die Gesetze<br />
<strong>de</strong>r Zwölfe, im Gegenteil, sie scheinen einen Götzen<br />
zu verehren, <strong>de</strong>ssen Namen mehr Unheil in sich birgt<br />
als <strong>de</strong>n meisten Menschen in dieser Sphäre lieb sein<br />
dürfte. Und selbst wenn sich <strong>de</strong>r Holberker auf ein<br />
Duell bis zum dritten Blut einließe, so heißt das noch<br />
nicht, dass er mit <strong>de</strong>nselben Mitteln kämpft", versucht<br />
<strong>de</strong>r Geweihte <strong>de</strong>n Aranier zu beschwichtigen.<br />
"Kar Krinak ist vorhin auf <strong>de</strong>m Bauch angerutscht gekommen.<br />
Zieht ab! Wir kriegen unseren Kram auch<br />
ohne euch hin."<br />
"Ach schau an", sagt Hesan<strong>de</strong>r ein klein wenig erstaunt,<br />
"das erklärt einiges." Dann meint er zur Gruppe:<br />
"Nun, ich <strong>de</strong>nke, jetzt können wir wirklich weiterziehen."<br />
552<br />
Rovena schüttelt <strong>de</strong>n Kopf. "Nein, wir brauchen noch<br />
Proviant, unserer reicht gera<strong>de</strong> mal für zwei Tage",<br />
verlangt sie von Frajo. "Kar kam nicht ohne Grund zu<br />
Euch, nicht wahr?"<br />
"Proviant ist euer Problem. Könnt ihr nicht sammeln<br />
und jagen?" Auf Rovenas Nachfrage zu Kar Krinak<br />
geht <strong>de</strong>r Statter nicht ein.<br />
"Wir haben unsere Esel, unser Gepäck und all unsere<br />
Sachen", beginnt Ingalf, "ich wür<strong>de</strong> lieber jagen, als<br />
von <strong>de</strong>n Blödbacken was zu nehmen, das wohl!"<br />
"Recht hast Du, Ingalf." stimmt ihm <strong>de</strong>r Magier zu.<br />
"Wir kommen schon zurecht - das kommen wir immer.<br />
Und wenn es wegen Deiner Decke ist … da lasse<br />
ich mir schon was einfallen." lächelt er Rovena zu und<br />
streicht sich geistesabwesend über seine Robe.<br />
"Es geht nicht um meine Decke, ich habe doch <strong>de</strong>n<br />
Schlafsack zurückerhalten", erwi<strong>de</strong>rt die junge Frau<br />
und funkelt Frajo böse an. Dann schaut sie Elgar von<br />
<strong>de</strong>r Seite an und meint leise und wie zur Entschuldigung:<br />
"Ich brauche frisches Fleisch für Surnia, sie<br />
wird sich bald wie<strong>de</strong>r mel<strong>de</strong>n." In ihrem Tragbeutel ist<br />
eine leichte Bewegung zu bemerken.<br />
"Wir könnten einen von ihnen als Frischfleischreserve<br />
mitnehmen …" spricht Isinha leise <strong>de</strong>n eigentlich absur<strong>de</strong>n<br />
Gedanken aus. Aber wegen <strong>de</strong>s Flüstertons ist<br />
Rovena sich nicht sicher, ob es tatsächlich ernst gemeint<br />
ist, bis sie ein Glitzern in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Magiers<br />
zu ent<strong>de</strong>cken glaubt. "Wir fin<strong>de</strong>n schon eine Lösung."<br />
muntert er die Hexe schließlich auf und lächelt.<br />
"Aber diese Lösung liegt nicht hier in Ohort. Nicht<br />
heute je<strong>de</strong>nfalls." bekräftigt er.<br />
'Das bringt doch alles nichts!' - Isinha wen<strong>de</strong>t sich an<br />
alle seine Gefährten: "Lasst uns gehen! Wir folgen<br />
<strong>de</strong>m uns bestimmten Weg, sie folgen <strong>de</strong>m ihren; bei<strong>de</strong><br />
Wege sind inkongruent."<br />
Wortlos spuckt Melachath vor <strong>de</strong>n Holberkern auf <strong>de</strong>n<br />
Bo<strong>de</strong>n, wen<strong>de</strong>t sich wortlos ab und geht Richtung<br />
Kreuzung.<br />
So wen<strong>de</strong>t sich auch Isinha ab und meint zu Ingalf:<br />
"Ich wäre für eine grob nördliche Richtung, stimmt<br />
das in etwa?"<br />
"Wie Theires schon sagte, die Straße dahinten" - er<br />
<strong>de</strong>utet auf die Kreuzung im Westen Ohorts - "führt<br />
nach Enqui und das ist unser Ziel, das wohl!"<br />
"Dann lass uns gehen. Hier zu streiten macht keinen<br />
Sinn", antwortet Edric enttäuscht. Gerne hätte er <strong>de</strong>n<br />
Holberkern noch etwas über Viehhaltung und Ackerbau<br />
gelehrt. Seine Kenntnisse wür<strong>de</strong>n ihnen die Zukunft<br />
erleichtern. Er kann sich gut vorstellen, was Kar<br />
Krinak <strong>de</strong>m Statter erzählt hat und weshalb sie hier<br />
nicht länger gedul<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Wenn ihre Hilfe hier<br />
nicht erwünscht ist, können sie auch weiterziehen,<br />
<strong>de</strong>nkt er traurig.
Ingalf nickt nur stumm, dann dreht er sich um ruft<br />
Kawi zu sich und geht mit <strong>de</strong>m Hirten zusammen<br />
zurück zu <strong>de</strong>r Kreuzung - in Hoffnung, dass die an<strong>de</strong>ren<br />
Gefährten dann folgen und nicht noch länger<br />
mit <strong>de</strong>n vernagelten Holberkern diskutieren.<br />
Da Edric eines <strong>de</strong>r Maultiere mit sich führt, wird das<br />
zweite nach kurzer Zeit auch mitwollen.<br />
Der Magier nickt Rovena zu: "Es ist besser so, komm!"<br />
und folgt <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zur Straße.<br />
Rovena zuckt mit <strong>de</strong>n Achseln und wen<strong>de</strong>t sich von<br />
<strong>de</strong>n Holberkern ab, über die sie gerne noch mehr erfahren<br />
hätte. Wie lange wer<strong>de</strong>n sie unterwegs sein, bis<br />
sie Enqui erreichen, fragt sie sich, während sie mit<br />
<strong>de</strong>m Maultier am Zügel hinter Elgar und Ingalf hinterher<br />
trottet. Was wer<strong>de</strong>n sie hier im Orkland noch<br />
antreffen auf ihrem Weg nach Nor<strong>de</strong>n? Sie hält kurz<br />
an und holt Surnia aus <strong>de</strong>m Tragebeutel. Ganz so<br />
kindlich sieht die Jungeule nicht mehr aus, seit sie bei<br />
Rovena ist, ein Teil ihrer Nestlingsdunen bil<strong>de</strong>t sich<br />
langsam zu einem Altvogel-Gefie<strong>de</strong>r um, feste Fe<strong>de</strong>rkiele<br />
fangen an zu sprießen. Neugierig lässt sich die<br />
Jungeule auf Rovenas Schulter nie<strong>de</strong>r, streckt die Flügel<br />
und blinzelt in das helle Tageslicht, während die<br />
Hexe sich wie<strong>de</strong>r in Bewegung setzt.<br />
Und damit ist das Abenteuer in Ohort überstan<strong>de</strong>n.<br />
Nach Enqui<br />
Der Rest <strong>de</strong>r Reise nach Enqui ist im Vergleich zu <strong>de</strong>n<br />
bisherigen Erlebnissen im Orkland so unaufregend,<br />
dass hier auf die Beschreibung verzichtet wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Wir Beobachter <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n erst wie<strong>de</strong>r<br />
zu ihnen stoßen, nach<strong>de</strong>m sie Enqui verlassen haben,<br />
<strong>de</strong>nn dort wartet das nächste Abenteuer auf sie.<br />
Eine Beson<strong>de</strong>rheit ist aber noch zu erwähnen. Im<br />
Laufe <strong>de</strong>r nächsten Tage verschwimmen die Erlebnisse<br />
im Orkenhort immer mehr, so dass sich bei Ankunft<br />
in Enqui kein einziger mehr an <strong>de</strong>n Orkenhort<br />
erinnert. Auch alle schriftlichen Aufzeichnungen verschwin<strong>de</strong>n,<br />
so dass die Hel<strong>de</strong>n nicht einmal wissen,<br />
dass sie etwas vergessen haben.<br />
Die magischen Gegenstän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Schatz haben<br />
sie beim Durchsuchen <strong>de</strong>r Stadt Ohort gefun<strong>de</strong>n, da<br />
sind sich alle ganz sicher. Über Details verschwen<strong>de</strong>t<br />
keiner auch nur einen Gedanken.<br />
Nach <strong>de</strong>r ganzen Erkundung <strong>de</strong>s Hortes und <strong>de</strong>n vielen<br />
- teilweise recht beengten - Gänge und Kammern,<br />
macht es Isinha weniger aus, nicht an <strong>de</strong>r frischen<br />
Luft sein und viel Platz zur freien Entfaltung zu haben.<br />
Darüber hinaus haben die vielen kleinen und<br />
großen Rätsel <strong>de</strong>r letzten Zeit dazu geführt, dass seine<br />
grauen Zellen richtig auf Trab gekommen sind. Die<br />
gesamte Durchquerung <strong>de</strong>s Orklan<strong>de</strong>s hat zu<strong>de</strong>m seine<br />
Fähigkeiten, in freier Wildbahn zu überleben, wie-<br />
553<br />
<strong>de</strong>r aufgefrischt und Dank Edrics Gegenwart sogar<br />
noch verbessert und seinen Körper gestählt.<br />
Die langen Aben<strong>de</strong> am Lagerfeuer sind durch Gespräche<br />
mit Hesan<strong>de</strong>r und Rovena über Magie und allgemein<br />
wissenschaftliche Themen nicht wirklich langweilig<br />
gewesen. Die ruhigen Stun<strong>de</strong>n konnte Isinha<br />
sogar gewinnbringend nutzen und sich mit <strong>de</strong>n Zaubern<br />
genauer auseinan<strong>de</strong>rsetzen, die ihm während <strong>de</strong>r<br />
letzten Zeit beson<strong>de</strong>ren Nutzen gebracht haben.<br />
Insgesamt sieht er mit größerer Erfahrung und frischem<br />
Mut <strong>de</strong>n neuen Abenteuern entgegen.<br />
Während <strong>de</strong>r gesamten weiteren Reise nach Enqui<br />
holt Isinha <strong>de</strong>n Handschuh hervor und versucht, <strong>de</strong>ssen<br />
Wirkungsweise zu ergrün<strong>de</strong>n. Nach und nach verblasst<br />
<strong>de</strong>ssen Herkunft, bis er fest davon ausgeht, ihn<br />
in Nahemas Haus in Ohort zwischen all <strong>de</strong>n wertlosen<br />
Resten dort gefun<strong>de</strong>n zu haben.<br />
Der Handschuh ist <strong>de</strong>finitiv magischer Natur, das ergibt<br />
ein einfacher O<strong>de</strong>m Arcanum, aber <strong>de</strong>m Analüs<br />
entzieht sich <strong>de</strong>r Gegenstand. Man müsste ihn schon<br />
anziehen und ausprobieren …<br />
Da er <strong>de</strong>rzeit keine gesteigerte Fingerfertigkeit benötigt<br />
und <strong>de</strong>n Handschuh nicht in die Gefahr bringen<br />
will, beschmutzt o<strong>de</strong>r einfach "abgenutzt" zu wer<strong>de</strong>n,<br />
belässt es Isinha bei dieser Erkenntnis bewen<strong>de</strong>n.<br />
Durch die Wan<strong>de</strong>rungen und die Erlebnisse im Orkland<br />
hat Ingalf zum einen an körperlicher Kraft und<br />
Ausdauer gewonnen und durch die Erfahrungen mit<br />
Rovena (und Phex) an Aberglaube verloren.<br />
Sein kämpferischer Umgang mit <strong>de</strong>r Orknase hat sich<br />
ebenso verbessert wie sein Orientierungssinn und seine<br />
Fähigkeiten die Umwelt in Form von Karten und<br />
Bil<strong>de</strong>rn darzustellen. Durch die weiten und neuen<br />
Strecken, die sie auf ihrer Reise zurückgelegt haben,<br />
hat sich ihm auch ein weiterer Puzzlestein auf <strong>de</strong>r<br />
großen weiten Karte Aventuriens gezeigt.<br />
In <strong>de</strong>n Nächten sucht <strong>de</strong>r Aranier auffällig oft das Gespräch<br />
mit <strong>de</strong>r Hexe, um mit Ihr über rauschen<strong>de</strong> Feste,<br />
lange Nächte und <strong>de</strong>n Duft frischen Laven<strong>de</strong>ls zu<br />
re<strong>de</strong>n.<br />
Der Hexe genießt die Geschichten und Gesellschaft<br />
<strong>de</strong>s Kriegers sichtlich. In <strong>de</strong>n kühlen Nächten, wenn<br />
sich Elgar und Hesan<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r in heftigen Disputen<br />
verstricken, sucht sie Melachaths Nähe und rückt eng<br />
an das lo<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Feuer, um verträumt <strong>de</strong>n Erzählungen<br />
aus seiner Heimat zu lauschen. Neugierig fragt<br />
sie ihn aus, über die Frauen Araniens und die duften<strong>de</strong>n<br />
Rosen- und Kräutergärten, doch wie es auf <strong>de</strong>n<br />
Hexenfesten zugeht, wird er ihr nicht erzählen können,<br />
nimmt sie an. Und sie bittet <strong>de</strong>n Aranier, ihr ein<br />
wenig seiner melodischen Sprache nahe zu bringen,<br />
übt sich mit ihm in einfachen Sätzen, Re<strong>de</strong>wendungen<br />
und Vokabeln.
Mit einfachen, grundsätzlichen Vokabeln <strong>de</strong>s täglichen<br />
Lebens und einfachen Drei-Wort-Sätzen fängt<br />
<strong>de</strong>r Aranier an. Da er merkt, dass das Lernen <strong>de</strong>r Hexe<br />
schwer fällt, überfor<strong>de</strong>rt er sie auch nicht.<br />
Bei <strong>de</strong>n Erzählungen aus seiner Heimat fängt er öfter<br />
an, elegisch zu schwärmen, mehr als einmal vermutet<br />
Rovena dabei eine Träne in seinem Auge glitzern zu<br />
sehen …<br />
Die Schwermut Melachaths berührt Rovena sehr, und<br />
sie hegt <strong>de</strong>n starken Wunsch, ihn trösten zu müssen.<br />
Doch wie soll sie das anstellen, außer ihm durch ihre<br />
Nähe und Gesellschaft ein wenig die Sehnsucht nach<br />
seiner Heimat zu mil<strong>de</strong>rn. Vorsichtig versucht sie herauszufin<strong>de</strong>n,<br />
warum er so wehmütig ist, wenn er von<br />
seinem Land, diesem traumhaften Aranien, erzählt.<br />
Der Aranier schaut lange in ihre glitzern<strong>de</strong>n Augen<br />
bevor er <strong>de</strong>n Blick zu Bo<strong>de</strong>n senkt und leise flüstert:<br />
"Es ist lange her …"<br />
Dann steht er auf und legt Holz im Feuer nach.<br />
Rovena wartet, bis Melachath sich wie<strong>de</strong>r zu ihr setzt,<br />
dann rückt sie näher an ihn heran und fragt ihn leise:<br />
"Was ist lange her? Erzählst du es mir?" Neugierig<br />
funkeln ihre Augen ihn an und ihre Sinne vibrieren.<br />
Surnia auf ihrer Schulter knabbert zärtlich an ihrem<br />
Ohr.<br />
Melachath setzt sein gewinnenstes Lächeln auf, er<br />
wirkt gelöster als eben noch. "Nicht heute, Rose <strong>de</strong>r<br />
Nacht, vielleicht auch nicht in diesem Leben."<br />
Nach diesen Worten fängt er mit einer alten Märchenerzählung<br />
aus seiner Heimat an.<br />
Schmollend verzieht Rovena <strong>de</strong>n Mund, sie kann <strong>de</strong>m<br />
Aranier aber nicht wirklich böse sein, dass er sein Geheimnis<br />
für sich behalten will. "Dann ein an<strong>de</strong>res<br />
Mal, aber vergiss nicht, dass unsere Geschicke einen<br />
an<strong>de</strong>ren Lauf haben", antwortet sie und erwi<strong>de</strong>rt sein<br />
Lächeln. In ihren Augen blitzt es ein wenig amüsiert<br />
auf, und entspannt lässt sie sich von ihm weiter mit<br />
seinen Märchen unterhalten.<br />
Tagsüber versucht Melachath 1-2 Mal mit Ingalf <strong>de</strong>n<br />
Waffenkampf zu üben o<strong>de</strong>r macht Übungen für sich<br />
alleine.<br />
Ingalf ist natürlich immer bereit sich im Kampf Hammer<br />
gegen Beil zu messen. Er über sich dabei im einhändigen<br />
Kampf mit Orknase und Schild.<br />
Nicht zuletzt hat Ingalf durch <strong>de</strong>n Umgang mit Kawi<br />
ein ganz neues Talent gelernt, nämlich das Abrichten<br />
seines Bornlän<strong>de</strong>rwelpen. Allerdings wird wohl noch<br />
eine ganze Menge Wasser <strong>de</strong>n Bodir hinab geflossen<br />
sein, bis aus <strong>de</strong>m verspielten schwarzen Knäuel ein<br />
ausgebil<strong>de</strong>ter Hund wird.<br />
Gerne leistet Rovena <strong>de</strong>m Thorwaler Gesellschaft,<br />
wenn er versucht, <strong>de</strong>n jungen, ungestümen Hund abzurichten<br />
und zu bändigen. Surnia, die so langsam<br />
554<br />
nicht mehr in ihren Tragebeutel passt, sitzt dabei blinzelnd<br />
auf ihrer Schulter und kommentiert die wil<strong>de</strong>n<br />
Sprünge und kläffen<strong>de</strong>n Laute <strong>de</strong>s Bornlän<strong>de</strong>rs mit<br />
altklugen "Schuuhuu" und "Chätchät"-Rufen und<br />
aufgeregtem Zischen. Übermütig breitet sie immer öfter<br />
ihre Flügel aus, an <strong>de</strong>nen sich die Schwungfe<strong>de</strong>rn<br />
zu entwickeln beginnen. Bald wird Rovena nachts mit<br />
ihr fliegen und sie so an die Lüfte und das lautlose<br />
Gleiten in <strong>de</strong>r Dunkelheit gewöhnen …<br />
Als die Hexe wie<strong>de</strong>r ein Mal allein in <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
<strong>de</strong>s Thorwaler seinem Treiben zusieht, fährt sie sich<br />
versonnen mit <strong>de</strong>n Fingern über das gut verheilte und<br />
hübsch anzusehen<strong>de</strong> Hautbild, das er ihr an <strong>de</strong>r Fessel<br />
und Wa<strong>de</strong> ihres Beines gestochen hat. Und das erinnert<br />
sie daran, dass sie gerne noch ein weiteres<br />
Hautbild von ihm gemacht bekommen möchte, eines,<br />
das sie an ihre Gefährten erinnern soll, wenn sich ihre<br />
Wege eines Tages trennen sollten …<br />
"Ingalf?" spricht sie ihn zögernd an. "Ich möchte dich<br />
um etwas bitten." Sie schaut <strong>de</strong>n kräftigen Thorwaler<br />
fragend und gleichzeitig bittend an.<br />
"Klar, Mä<strong>de</strong>l, nur zu!" for<strong>de</strong>rt sie Ingalf fröhlich auf.<br />
"Ich möchte noch ein Hautbild von dir gestochen bekommen,<br />
es soll auf meiner linken Schulter und <strong>de</strong>m<br />
Oberarm zu sehen sein und etwas von je<strong>de</strong>m von euch<br />
fünf darstellen."<br />
"Hmm, das wird schwierig, hast Du schon eine I<strong>de</strong>e?"<br />
fragt er. "Sollen ja wohl nicht unsere Gesichter wer<strong>de</strong>n,<br />
das wohl!"<br />
Sie lächelt versonnen, streicht <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>leule sanft<br />
über das Gefie<strong>de</strong>r, die sich aufplustert, und spricht<br />
weiter: "Eine Rose für Melachath und einen roten Fingerhut<br />
für Edric, eine Schlange für Hesan<strong>de</strong>r und ein<br />
rotes Auge für Isinha, verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Ornamenten<br />
<strong>de</strong>iner Heimat Thorwal als Erinnerung an dich.<br />
Meinst du, du könntest mir so ein Bild auf meine<br />
Haut malen?" Gespannt wartet sie auf seine Antwort.<br />
"Hmm", brummelt Ingalf und überlegt eine Weile.<br />
"Rose, Schlange, Auge passt zu <strong>de</strong>n dreien, aber wieso<br />
ein Fingerhut für Edric? Wäre da ein Schaf nicht besser?"<br />
Rovena lacht kichernd. Dann grinst sie verschmitzt<br />
und dreht spielerisch eine Haarlocke um ihren Finger.<br />
"Hesan<strong>de</strong>r hat mir davon erzählt, dass <strong>de</strong>r Rote Fingerhut<br />
eine heilige Pflanze dieser Travia ist. Und das<br />
ist doch eure Göttin <strong>de</strong>r Treue, <strong>de</strong>r Reisen<strong>de</strong>n und vieles<br />
mehr, das zu Edric passt, nicht wahr?" Sie senkt<br />
geheimnisvoll die Stimme und spricht weiter: "Für<br />
mich stellt diese Pflanze noch mehr dar, aber sie wird<br />
mich immer an unseren treuen Gefährten erinnern."<br />
"Wenn <strong>de</strong>r Pfaffe das sagt", meint Ingalf schulterzuckend,<br />
"das ist sein Beruf nicht meiner. Mir und <strong>de</strong>n<br />
meisten Thorwalern reicht Swafnir, die Zwölfe sind<br />
nicht so unser Ding, das wohl! Aber wenn Du 'nen
Fingerhut haben willst, dann sollst Du 'nen Fingerhut<br />
haben …"<br />
Rovena lächelt vielsagend. "Ja, ich will diese Fingerhutblüte<br />
in <strong>de</strong>m Bild. Ich weiß, dass es hübsch aussehen<br />
wird."<br />
An einem <strong>de</strong>r nächsten Aben<strong>de</strong> beginnt Ingalf dann<br />
Rovenas I<strong>de</strong>e auf Pergament zu skizzieren und zeigt<br />
ihr dann seinen Entwurf.<br />
Begeistert über das Schmuckstück aus Abbil<strong>de</strong>rn,<br />
Mustern und Linien jauchzt Rovena leise auf. "Ja, das<br />
gefällt mir! Sehr hübsch sieht es aus", ruft sie erfreut<br />
aus. "Wie das Auge zwischen <strong>de</strong>n Blüten funkelt! Und<br />
die Schlange sich um sie win<strong>de</strong>t! Und wie dieses Muster<br />
aus verschlungenen Linien alles umfasst und<br />
durchdringt! Wann kannst du anfangen?" fragt sie <strong>de</strong>n<br />
Thorwaler aufgeregt.<br />
"Bald", antwortet Ingalf grinsend. "Hoffentlich reicht<br />
meine Tinte noch aus …"<br />
Die Reise durch das Orkland hat Edrics Verbun<strong>de</strong>nheit<br />
weiter gestärkt. Er hat neue Gefährten kennengelernt,<br />
und trotz ihrer Unterschie<strong>de</strong> und Eigenheiten<br />
schätzen gelernt. Obwohl sie lange im Orkland unterwegs<br />
waren, hatten sie nur selten Kontakt zu <strong>de</strong>n einheimischen<br />
Völkern, lediglich zu ihren Abkömmlingen,<br />
<strong>de</strong>n Holberkern hatten sie länger Kontakt. Vielleicht<br />
hatten sie nur Glück, nicht auf marodieren<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r feindlich gesinnte Orks zu treffen, vielleicht sind<br />
auch die Geschichten über <strong>de</strong>nen Zahl reiche Erfindung<br />
und Spekulation. Er ist froh, das Mensch und<br />
Tier dieses Abenteuer unbescha<strong>de</strong>t überstan<strong>de</strong>n haben.<br />
Oft noch dreht er grübelnd die Pfeife in seinen<br />
Hän<strong>de</strong>n und fragt sich, woher sie wohl stammen mag<br />
…<br />
Hesan<strong>de</strong>r hat während <strong>de</strong>r Reise durchs Orkland eine<br />
Menge über sich, seinen Glauben und <strong>de</strong>n seiner Gefährten<br />
sowie an<strong>de</strong>rer Wesenheiten gelernt. Die Geschichte<br />
Ohorts sowie die Erkundung ihm unbekannter<br />
Gebiete haben Hesan<strong>de</strong>r etwas welterfahrener gemacht<br />
und das theoretisch Wissen mit ein wenig Praxis<br />
ergänzt.<br />
Auch im Kampf ist Hesan<strong>de</strong>r etwas geschickter gewor<strong>de</strong>n,<br />
die Eisendrachen haben ihm immerhin kaum<br />
etwas anhaben können.<br />
Die lange, teilweise mit leichten Entbehrungen versehene<br />
Reise brachte Hesan<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>r Natur ein wenig<br />
näher - vor allem aber auch aufgrund <strong>de</strong>r Anwesenheit<br />
Rovenas, die eine starke Verbun<strong>de</strong>nheit zu<br />
Sumu besitzt.<br />
Rovena hat auch eine Menge Vorurteile <strong>de</strong>r Bauern<br />
und Kleinbürger wi<strong>de</strong>rlegt, <strong>de</strong>nn sie ist zwar eine<br />
Hexe, aber sie wen<strong>de</strong>t ihre Kraft und Macht mit Bedacht<br />
an.<br />
555<br />
Die Disputationen mit Elgar haben Hesan<strong>de</strong>r ebenfalls<br />
bereichert, wenngleich das persönliche Verhältnis<br />
zu Elgar nicht davon profitiert haben mag.<br />
Hesan<strong>de</strong>rs Frotzeleien mit Ingalf haben ihn auf alle<br />
Fälle ein wenig im Umgang mit frem<strong>de</strong>n bzw. 'beson<strong>de</strong>ren'<br />
Kulturen und Lebensarten geschult.<br />
Zu hören, dass man beständig seine Augen offen halten<br />
muss, ist eine Sache. Es zu 'leben' eine an<strong>de</strong>re.<br />
Viel gibt Rovena über die Art, ihre Kraft einzusetzen,<br />
nicht Preis. Wie sollte sie auch, da die Macht, die Satuaria<br />
ihre verliehen hat, nur durch die Nähe zu ihrer<br />
Aller Mutter, Sumu, genährt wird und Ausdruck ihrer<br />
innersten Gefühle ist. Doch sie folgt <strong>de</strong>n Gesprächen<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Gelehrten über die Magie sehr aufmerksam<br />
und versucht, von ihnen zu lernen. Sie lässt sich von<br />
Hesan<strong>de</strong>r die Aufzeichnungen zeigen, die er von ihrer<br />
Reise und über sie, wenn er es zulässt, macht und übt<br />
sich dabei im Lesen seiner Handschriften.<br />
Etwas ist seltsam … sie meinte eine Begegnung mit<br />
einem <strong>de</strong>r Söhne Los' gehabt zu haben, doch kann sie<br />
sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wo und<br />
wer es war. Zu ihrem Erstaunen wur<strong>de</strong>n ihr zusätzliche<br />
Kräfte verliehen, die sie mit Gefallen in sich verspürt.<br />
Und die ihr sehr gelegen kommen, hat sie doch<br />
spüren müssen, wie schnell ihre vormaligen Energien<br />
sich aufbrauchen im Affekt ihrer Emotionen. Sie wird<br />
wohl in Nahemas Kontor auf etwas gestoßen sein, was<br />
diese Kraft in ihr vermehrt hat … davon ist sie nach<br />
einiger Zeit fest überzeugt.<br />
Mit Edric, <strong>de</strong>m schüchternen Hirten, Hesan<strong>de</strong>r und<br />
Elgar übt sie sich spielerisch im Kampf mit <strong>de</strong>m Stab,<br />
<strong>de</strong>nn sollte sie sich wie<strong>de</strong>r erschöpfen, will sie doch<br />
nicht wehrlos einem En<strong>de</strong> entgegensehen müssen.<br />
Mit blitzen<strong>de</strong>n smaragdgrünen Augen und schwarzsilbern<br />
wirbeln<strong>de</strong>n Haaren, hell lachend und um<br />
Atem ringend, wenn sie bezwungen, gewinnen ihre<br />
Bewegungen an Kraft, Geschmeidigkeit und Eleganz.<br />
Und Isinha bittet sie erneut, mit ihr seine waffenlose<br />
Kampftechnik zu üben, die sie nach wie vor fasziniert,<br />
diese kontrollierten, schnellen Bewegungen, einem<br />
Tanz gleich, die einem Gegner mit einem schnellen<br />
Tritt das Leben kosten können … früh im Morgengrauen,<br />
wenn die Geschöpfe <strong>de</strong>r Nacht sich zur Ruhe<br />
begeben und die Vögel mit ihrem Gesang <strong>de</strong>n neuen<br />
Tag begrüßen, steht sie dazu mit ihm auf. Und da nun<br />
die Vertrautheit zwischen ihnen tiefer gewor<strong>de</strong>n ist,<br />
fährt sie eines morgens neckend über seine glatte<br />
Wangenhaut und fragt sie ihn neugierig danach,<br />
warum seine Barthaare nicht wie bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gefährten<br />
ihrer Natur folgend <strong>de</strong>s Nächtens auf Wangen<br />
und Kinn sprießen wollen.<br />
Auch Isinha übt gern mit Rovena das Stockfechten -<br />
auch wenn er darin bei weitem nicht so gut ist, wie im<br />
waffenlosen Kampf. Mehr als einmal muss Rovena<br />
sich fragen, ob so ein Meister dieses Stils kämpft, o<strong>de</strong>r
ob <strong>de</strong>r Magier noch nicht ganz so weit ist. Aber viel,<br />
daran besteht für die Hexe kein Zweifel, kann zur<br />
Meisterschaft nicht fehlen.<br />
Als Rovena schließlich die unsichtbare Grenze überschreitet<br />
und <strong>de</strong>m Magier mit <strong>de</strong>r Hand über die<br />
Wange streicht, weicht dieser im erstem Moment instinktiv<br />
zurück. Kurz flackern seine roten Augen, ehe<br />
er mit <strong>de</strong>r eigenen Hand sacht über die gleiche Stelle<br />
fährt, die Rovena soeben berührt hat. "Ja, interessant,<br />
nicht wahr?" lächelt er verschlossen. Aber als Rovena<br />
nicht locker lässt, offenbart er ihr, dass das <br />
für seine Initiation ins Mannesalter diesen Effekt gezeigt<br />
hat, ohne dass dies erklärbar gewesen wäre.<br />
Schließlich sei dies als Wille <strong>de</strong>r Ahnen akzeptiert wor<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>r Schamane hat ihm daraufhin bei <strong>de</strong>r<br />
Strafe <strong>de</strong>s Ausstoßes aus <strong>de</strong>m Stamm verboten, je wie<strong>de</strong>r<br />
ein an<strong>de</strong>res zu tragen. "We<strong>de</strong>r sehr wissenschaftlich,<br />
noch vermutlich nahe an <strong>de</strong>r Wahrheit."<br />
schließt Isinha seine Erklärung ab. "Ich bin immer<br />
noch auf <strong>de</strong>r Suche."<br />
Lächelnd über sein Zurückweichen, wie sie es schon<br />
einmal erlebt hat, als sie ihn bei einer Heilung berührte,<br />
legt die Hexe <strong>de</strong>n Kopf schief.<br />
Sie beugt sich hinab, um Surnia aufzunehmen, die<br />
während <strong>de</strong>r körperlichen Übungen ihrer zukünftigen<br />
Meisterin ungeduldig bei ihren Sachen gewartet hat<br />
und nun heran hüpft und mit vorwurfsvollen Lauten<br />
ihre Aufmerksamkeit for<strong>de</strong>rt. "Was ist das für ein Ritual,<br />
das dich zum Manne machte?" will sie neugierig<br />
wissen und ihr Blick versucht, in ihn einzudringen.<br />
"Und was be<strong>de</strong>utet ? Ich habe von so etwas<br />
noch nicht gehört, erzählst du mir davon?"<br />
"Ich kenne kein Wort dafür in eurer Sprache." erwi<strong>de</strong>rt<br />
<strong>de</strong>r Magier. "Aber es sind Hautbemalungen aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Extrakten von Pflanzen und Er<strong>de</strong>, die länger<br />
halten, als je<strong>de</strong> Farbe, die ich kenne, aber nicht<br />
permanent sind, wie Ingalfs Hautbil<strong>de</strong>r." erklärt er<br />
und geht auf <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Frage gar nicht weiter ein.<br />
Bei <strong>de</strong>r Erwähnung <strong>de</strong>r Hautbil<strong>de</strong>r zuckt ein Lächeln<br />
um Rovenas Mund, doch gleich zieht sie interessiert<br />
die Augenbrauen hoch. "Extrakte von Pflanzen?" wie<strong>de</strong>rholt<br />
sie sinnierend. "Welche Pflanzen verwen<strong>de</strong>t<br />
ihr dafür? Hast du diese Farbe bei dir, um Dein <br />
je<strong>de</strong>rzeit erneuern zu können?" fragt sie neugierig<br />
weiter und hofft, ihm doch noch mehr über dieses<br />
Ritual entlocken zu können.<br />
"Nein." antwortet ihr Isinha schlicht. Dann fährt er erklärend<br />
fort: "Ich muss es nicht erneuern, bis auf die<br />
Verfärbung hält die Wirkung nun seit mehr als 10<br />
Sommern und Wintern an. Die verwen<strong>de</strong>ten Pflanzen<br />
wachsen ausschließlich in <strong>de</strong>n Tiefen <strong>de</strong>r tropischen<br />
Dschungel meiner Heimat."<br />
"So sind sie uns im Nor<strong>de</strong>n also unbekannt", bemerkt<br />
die junge Frau, und lächelnd beherrscht sie sich, erneut<br />
seine glatte Gesichtshaut berühren zu wollen, als<br />
556<br />
sie ihn ansieht. "Dieses hat je<strong>de</strong>nfalls einen<br />
großen Vorteil, erspart es dir doch das tägliche Entfernen<br />
<strong>de</strong>r Barthaare und lässt Deine Haut sich immer<br />
jungenhaft anfühlen", stellt sie schmunzelnd fest.<br />
"So kann man es auch sehen. Aber dies ist nur ein unvorhergesehenes<br />
Nebenergebnis gewesen - Sinn und<br />
Zweck war die Bemalung, nicht <strong>de</strong>r Haarausfall." gibt<br />
Isinha zu be<strong>de</strong>nken.<br />
"Du bist meiner Frage nach <strong>de</strong>m Ritual ausgewichen",<br />
meint Rovena leise und betrachtet <strong>de</strong>n bleichen Magier<br />
mit <strong>de</strong>n roten Augen nach<strong>de</strong>nklich. "Ist es dir verboten,<br />
darüber zu sprechen?"<br />
"Nein, ich bin Dir nicht ausgewichen. Ich habe sie<br />
schlicht nicht beantwortet." ist das einzige, das Isinha<br />
dazu sagt. Auch er betrachtet die Hexe nach<strong>de</strong>nklich.<br />
"Dann willst du es mir nur nicht sagen?" Rovena<br />
wun<strong>de</strong>rt sich über Isinhas Antworten, die so unbefriedigend<br />
klingen und versucht, in seiner Miene zu lesen.<br />
'Was geht ihm durch <strong>de</strong>n Kopf?'<br />
"Vielleicht später einmal." weicht ihr <strong>de</strong>r Magier mit<br />
einem entschuldigen<strong>de</strong>n Lächeln weiter aus.<br />
"Später … wer weiß, was später sein wird … Du<br />
weichst mir also doch aus." Ein wenig traurig verzieht<br />
Rovena enttäuscht ihren hübschen Mund und wen<strong>de</strong>t<br />
sich von <strong>de</strong>m Magier ab. 'Das hat mir Melachath auch<br />
schon erzählt. Sollen sie es doch für sich behalten, was<br />
kümmert es mich, …' <strong>de</strong>nkt sie dabei trotzig und<br />
spricht leise: "Ich wür<strong>de</strong> dich gerne besser kennenlernen,<br />
so vieles an dir ist mir rätselhaft … doch wenn du<br />
es nicht zulassen willst, soll es so sein. Ich kann es<br />
wohl nicht än<strong>de</strong>rn."<br />
"Du bist doch nicht etwa eingeschnappt?" fragt <strong>de</strong>r<br />
Magier und gibt seiner Stimme dabei einen naiven<br />
Unterton. "Ist es nicht genau das, was Frauen von <strong>de</strong>n<br />
Männern erwarten? Rätselhaft und geheimnisvoll zu<br />
sein? - So hat man mir berichtet." fügt Isinha schnell<br />
hinzu. "Aber so ist das nun mal - ich freue mich natürlich,<br />
dass Dich mein Vorleben interessiert. Viele<br />
Dinge, die ich erlebt habe, sind nicht geeignet, an<strong>de</strong>ren<br />
Ohren zugetragen zu wer<strong>de</strong>n, nicht einmal <strong>de</strong>n<br />
Deinen." fügt er entschuldigend hinzu. "Ich hoffe<br />
sehr, dass Du mich irgendwann verstehen wirst."<br />
"Ich versuche ja schon, es zu verstehen, auch wenn es<br />
schwer fällt", entgegnet die junge Frau und schaut ihn<br />
vorsichtig an. "Und nein, ich bin nicht eingeschnappt<br />
o<strong>de</strong>r gekränkt … wärst du nur ein Magier, müsste ich<br />
dir misstrauen. Doch du gibst vor, mehr als das zu<br />
sein, und … ach, wie soll ich mir sicher sein?" Sie unterbricht<br />
sich und lächelt bitter. "Ich wollte doch nur<br />
etwas über die Gebräuche <strong>de</strong>ines Stammes erfahren,<br />
Isna-Inti Hapa. Du hast mir, als wir uns kaum kannten,<br />
so vieles über dich berichtet, dass ich immer für<br />
mich behalten wer<strong>de</strong>, als du noch nicht gewusst hast,<br />
dass ich eine Tochter Satuarias bin. Hat dieses Be-
wusstsein etwas an <strong>de</strong>inem Zutrauen geän<strong>de</strong>rt?" Prüfend<br />
schaut sie ihm in die Augen.<br />
"Nein, <strong>de</strong>nn es spielt für mich keine Rolle. Es ist nur<br />
so, dass es mir mehr als schwer fällt, mehr über mich<br />
nicht zu erzählen, als Du schon weißt. Einige Dinge<br />
aus meiner Vergangenheit wer<strong>de</strong> ich mit mir auf die<br />
große Reise nehmen, wenn meine Zeit hier auf Dere<br />
abgelaufen sein wird. Das habe ich bei <strong>de</strong>n Ahnen geschworen<br />
und diesen Schwur wer<strong>de</strong> ich auch halten.<br />
An<strong>de</strong>re Dinge sind ebenfalls nicht für frem<strong>de</strong> Ohren<br />
bestimmt. Aber das ist alles nur langweiliger Aka<strong>de</strong>mie-Krams,<br />
nicht <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> wert!" tut er Rovenas eindringliches<br />
Nachfragen schließlich mit einer wegwerfen<strong>de</strong>n<br />
Handbewegung ab.<br />
Nach<strong>de</strong>nklich hört Rovena Isinha zu. 'Warum hat er<br />
mir das nur nicht gleich so zu erklären versucht?'<br />
<strong>de</strong>nkt sie bei sich. Auch sie hat Geheimnisse, die er<br />
besser nicht wissen darf …<br />
"Und über die an<strong>de</strong>ren Sitten und Gebräuche meines<br />
Stammes kann ich nicht so viel berichten, da erst die<br />
Aufnahme in die Reihen <strong>de</strong>r Männer bzw. <strong>de</strong>r Frauen<br />
berechtigt, daran teilzunehmen. Und da ich bereits<br />
kurz darauf - nun sagen wir mal nicht ganz freiwillig -<br />
abgereist bin, kenne ich nicht allzu viele davon. Eher<br />
gar keine <strong>de</strong>r wichtigen."<br />
Zärtlich krault sie nun <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>leule das schwarzbraune<br />
Gefie<strong>de</strong>r, mit <strong>de</strong>n Fingern, die zuvor sanft das<br />
bleiche Gesicht <strong>de</strong>s Magiers berührt haben. Sie hat jenes<br />
Ritual noch vor sich, dass sie zu einem vollwertigen<br />
Mitglied ihrer Schwesternschaft machen wird, erst<br />
dann wird sie sich Ganz fühlen können, als das, was<br />
sie ist, eine wahre Tochter Satuarias …<br />
Verstehend nickt sie und ta<strong>de</strong>lt ihn spielerisch mit einem<br />
schwachen Lächeln: "Dann re<strong>de</strong> das nächste Mal<br />
nicht drumherum, son<strong>de</strong>rn sage mir gleich, warum du<br />
mir nichts erzählen kannst, ja?" Und mit hochgezogenen<br />
Augenbrauen fügt sie noch leise warnend an:<br />
"Rätselhaft und geheimnisvoll sein zu müssen, ist eine<br />
Mär, es signalisiert auch Gefahr, <strong>de</strong>r man wohlweislich<br />
aus <strong>de</strong>m Weg gehen sollte, solange man es kann."<br />
"Das magst Du laut sagen!" stimmt ihr Isinha zu.<br />
Mit einem schiefen Grinsen nickt sie ihm zwinkernd<br />
zu und meint mit einem Blick auf das heruntergebrannte<br />
Lagerfeuer: "Ich setze Wasser auf, damit wir<br />
noch etwas essen, bevor es weiter geht." Sie macht sich<br />
sogleich am Feuer zu schaffen.<br />
"Solange Du kochst, esse ich gern etwas mit." antwortet<br />
er ihr mit einem gespielt ängstlichen Blick zu Ingalf.<br />
"Ich suche noch etwas Feuerholz, damit die Suppe<br />
auch heiß wird."<br />
Ein verhaltenes Lachen begleitet ihn, während Rovena<br />
<strong>de</strong>n Kessel mit Wasser füllt und in die Glut stellt.<br />
Damit auch ihre Kochkünste verbessert wer<strong>de</strong>n, sorgt<br />
sie zusammen mit ihren Gefährten für die Mahlzei-<br />
557<br />
ten, lässt sich von Melachath die Kunst <strong>de</strong>r Teezubereitung<br />
zeigen und achtet darauf, dass die Gerichte<br />
mit verschie<strong>de</strong>nen Kräutern, die sie zusammen mit<br />
Edric auf ihren Streifzügen abseits ihres Weges sucht,<br />
wohlschmeckend angerichtet wer<strong>de</strong>n. Sie spürt das<br />
allgegenwärtige Leben in <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn und Grassteppen<br />
dieses Lan<strong>de</strong>s, achtet auf die großen und kleinen<br />
Tiere, die ihre Wege kreuzen und tauscht sich mit Edric<br />
über ihre Arten und Lebensweisen aus. Dabei genießt<br />
sie auch die Ruhe, die dieser junge Mann verströmt,<br />
und das vertrauliche Schweigen, wenn sie miteinan<strong>de</strong>r<br />
auf die Jagd nach frischem Fleisch für die gemeinsamen<br />
Mahlzeiten und die ihrer tierischen Begleiter<br />
gehen.<br />
Oft genug muss sie an die untoten Krähen <strong>de</strong>nken,<br />
die ihr im Purpurturm begegnet sind. Und auch an<strong>de</strong>re<br />
Gefühle verleiten sie immer wie<strong>de</strong>r dazu, zu verspüren,<br />
wie sie diese in Aktionen umsetzen kann, angenehme,<br />
lustvolle, nützliche und gefährliche …<br />
Edric ist gerne mit Rovena zusammen. Egal ob sie<br />
sich im Kampf üben, Kräuter für die nächste Mahlzeit<br />
suchen o<strong>de</strong>r schweigend auf die Jagd gehen, er achtet<br />
die Hexe und es erfüllt ihn mit Stolz ihr Bekanntheit<br />
gemacht zu haben. Sie ist wortgewandter als er, kann<br />
selbst Elgar Paroli bieten, doch sie weiß auch wann es<br />
an <strong>de</strong>r Zeit ist zu schweigen. Manchmal hat er das<br />
Gefühl, sie wären sich recht ähnlich, doch er ist nur<br />
ein einfacher Hirte, <strong>de</strong>r sich fürsorglich um eine Her<strong>de</strong><br />
kümmert, uns sie … Rovena ist eine Hexe, über die<br />
in Geschichten viel Böses, aber auch Gutes erzählt<br />
wird.<br />
Am nächsten Rastplatz <strong>de</strong>r Gruppe beginnt er mit <strong>de</strong>n<br />
Vorbereitungen. Er mischt die Farben an und <strong>de</strong>sinfiziert<br />
die Na<strong>de</strong>ln, dann wen<strong>de</strong>t es sich an Rovena:<br />
"Meinetwegen kann's losgehen, das wohl! Du kennst<br />
es ja: Schön die Zähne zusammenbeißen!"<br />
Rovena nickt und lächelt nervös. "Ich habe etwas bei<br />
mir, was mir helfen wird, die Prozedur besser zu ertragen",<br />
meint sie und holt aus ihrem Tuchbeutel vier <strong>de</strong>r<br />
dreißig Bleichmohnkapseln, die sie sich trägt und kaut<br />
sie bedächtig, während sie ihren Oberkörper unbefangen<br />
entblößt und sich entspannt Ingalf zugewandt<br />
hinsetzt.<br />
Der helle Oberkörper und Rücken <strong>de</strong>r Hexe, <strong>de</strong>r von<br />
<strong>de</strong>n sonnengebräunten Armen und Nacken umrahmt<br />
wird, liegt vor Ingalf wie ein weiches Pergament. Und<br />
da er zu arbeiten hat, lässt er sich auch nicht von <strong>de</strong>n<br />
weiblichen Reizen <strong>de</strong>r Hexe ablenken.<br />
Ingalfs Blick wechselt von seiner Skizze und <strong>de</strong>r<br />
Schulter <strong>de</strong>r Hexe hin und her und konzentriert und<br />
bedächtig, beginnt er die Formen vom ebenen Pergament<br />
auf <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>r Hexe zu übertragen.<br />
Da die Ergebnisse seiner Arbeit immer auch ein Aushängeschild<br />
für neue Kun<strong>de</strong>n sind, lässt er sich auch<br />
nicht durch die Gespräche <strong>de</strong>r Gefährten o<strong>de</strong>r die
summen<strong>de</strong>n Mücken aus <strong>de</strong>r Ruhe bringen, son<strong>de</strong>rn<br />
setzt einen Farbpunkt neben <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren.<br />
Nach einer guten Stun<strong>de</strong> konzentrierter Arbeit, steht<br />
er kurz auf, wischt sich <strong>de</strong>n Schweiß von <strong>de</strong>r Stirn,<br />
nimmt einen Schluck aus <strong>de</strong>m Wasserschlauch und<br />
beginnt nach kurzem Ausschütteln <strong>de</strong>r Hand von<br />
Neuem.<br />
Die Wirkung <strong>de</strong>s betäuben<strong>de</strong>n Mohns tut ihren<br />
Zweck, benommen lässt sie die schmerzhafte und<br />
langwierige Behandlung über sich ergehen. Kein Laut<br />
dringt über ihre leicht geöffneten Lippen, ihre Augen<br />
sind geschlossen, während Ingalf Stich um Stich das<br />
Bild auf ihre Haut überträgt, willig und ohne zu zucken<br />
lässt sie ihn bei <strong>de</strong>m gewähren, was an<strong>de</strong>ren als<br />
Folter gleichkommen mag. Lange hält die Wirkung<br />
<strong>de</strong>s Bleichmohns vor, so dass Ingalf auch nach einer<br />
mehrstündigen Ruhepause weiter machen kann, ohne<br />
dass seine Arbeit bei ihr mehr als ein sinnliches Erschauern<br />
hervorruft.<br />
Und so arbeitet Ingalf noch ein Stündchen weiter, aber<br />
dann kurz bevor es zu Dunkel wird und das flackern<strong>de</strong><br />
Feuer die Konturen <strong>de</strong>r bereits fertigen Bil<strong>de</strong>r auf<br />
Rovenas Haut nicht mehr erkennen lässt, kommt von<br />
Ingalf <strong>de</strong>r erlösen<strong>de</strong> Aufruf: "So, Mä<strong>de</strong>l, das war's!"<br />
Erlöst von <strong>de</strong>r Tortur und <strong>de</strong>m reglosen Verharren atmet<br />
die Hexe mit einem leisen Seufzer erleichtert auf,<br />
bewegt sich und reckt vorsichtig ihre Glie<strong>de</strong>r, wen<strong>de</strong>t<br />
<strong>de</strong>n Kopf Ingalf zu und schenkt <strong>de</strong>m Künstler ein<br />
dankbares Lächeln.<br />
Er tupft mit einem sauberen Lappen das Blut von <strong>de</strong>r<br />
Haut und betrachtet das frische Werk. Die Schlange<br />
scheint sich im Feuer zu bewegen und das Auge seinem<br />
Blick zu folgen. Der Fingerhut und die Rose<br />
scheinen frisch gepflückt zu sein. Zusammengehalten<br />
wird alles von <strong>de</strong>n endlosen Ringen und Spiralen <strong>de</strong>r<br />
thorwalschen Ornamente.<br />
"Jau", meint Ingalf nach eingehen<strong>de</strong>r Betrachtung,<br />
"sieht gut aus, das wohl!"<br />
Noch immer im Rausch <strong>de</strong>s Bleichmohns streicht Rovena<br />
benommen und zart über das Hautbild, das sich<br />
nun auf ihrer linken Schulter ausbreitet.<br />
Noch kann sie es selber nicht betrachten, doch sie<br />
weiß, aus <strong>de</strong>r Zufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>s Thorwalers schließend,<br />
dass es gelungen sein muss. "Ich danke dir, Ingalf",<br />
haucht sie leise und zieht ihre Bluse vorsichtig<br />
über die an<strong>de</strong>re Schulter, die Haut, die geschun<strong>de</strong>n<br />
und gleichzeitig verziert ist, lässt sie frei, sie kribbelt<br />
leicht. Sie lässt sich von Ingalf <strong>de</strong>n Wasserschlauch geben<br />
und nimmt einen tiefen Schluck. Lächelnd reicht<br />
sie <strong>de</strong>n Wasserschlauch an ihn zurück. "Du weißt,<br />
dass du etwas gut bei mir hast", sagt sie mit leiser,<br />
sanfter Stimme.<br />
"Aye, ich wer<strong>de</strong>n Dich beim Wort nehmen, das wohl!"<br />
meint Ingalf. Rovena kann aber aus seiner Stimme<br />
558<br />
und seinen Gesichtszügen, die vom Feuer nur seitlich<br />
und flackernd beleuchtet wer<strong>de</strong>n, ob er das ernst<br />
meint o<strong>de</strong>r nur so dahin sagt.<br />
Müdigkeit breitet sich in ihr aus, schläfrig senkt sie die<br />
Augenli<strong>de</strong>r und gähnt leise. "Mal sehen, was die an<strong>de</strong>ren<br />
dazu sagen …" murmelt sie noch versonnen, während<br />
sie sich am Feuer in ihren Schlafsack wickelt und<br />
sich auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Schulter ruhend zum Schlafen<br />
nie<strong>de</strong>rlegt. Sie ist schrecklich mü<strong>de</strong>, spürt keinen<br />
Hunger, sehnt sich nur noch nach Schlaf, traumlos<br />
und tief, fest, in <strong>de</strong>r Wildnis sicher unter <strong>de</strong>m Schutz<br />
ihrer wachsamen Gefährten … <strong>de</strong>r flackern<strong>de</strong> Schein<br />
<strong>de</strong>s Feuers lässt das freiliegen<strong>de</strong> Hautbild lebendig erscheinen.<br />
Aufmerksam hockt die Schä<strong>de</strong>leule neben<br />
ihrem Kopf, mit aufgeplustertem Gefie<strong>de</strong>r, nichts entgeht<br />
ihren rötlich-gol<strong>de</strong>nen Augen, die wachsam die<br />
das Lager umgeben<strong>de</strong> Dunkelheit durchforschen.<br />
Ingalf schaut während seiner Wache immer wie<strong>de</strong>r zur<br />
Schulter <strong>de</strong>r Hexe und tupft das Blut von <strong>de</strong>n Wun<strong>de</strong>n.<br />
Jetzt wo die Stiche beginnen zu verschorfen, verliert<br />
das Bild natürlich an Farbkraft, aber in ein paar<br />
Tagen wird es dann richtig erstrahlen.<br />
Irgendwann auf <strong>de</strong>r Reise nach Enqui, an einem ruhigen<br />
Abend will Hesan<strong>de</strong>r Elgar unter vier Augen sprechen<br />
und fragt ihn: "Sagt einmal, Elgar, es ist mir<br />
nicht entgangen, dass Ihr Euer Vertrauen in die Zwölfe<br />
weitgehend verloren habt. Da ich <strong>de</strong>n Grund dafür<br />
nicht kenne, kann ich Euch nicht dafür ta<strong>de</strong>ln, jedoch<br />
wür<strong>de</strong> ich gerne erfahren, was Euch soweit gebracht<br />
hat. Für mich ist gab es nie einen Zweifel an <strong>de</strong>r Güte,<br />
<strong>de</strong>r Gerechtigkeit, aber auch <strong>de</strong>r Strenge und <strong>de</strong>r<br />
Macht <strong>de</strong>r Zwölfe. Ich hatte <strong>de</strong>n Eindruck, dass unsere<br />
unterschiedlichen Auffassungen diesbezüglich in<br />
nicht seltenen Fällen ein Grund für unsere teils erheblichen<br />
Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten waren.<br />
Mein Vertrauen in die Zwölfe und meinen Glauben<br />
habt Ihr auf unserer Reise kennengelernt. Nun möchte<br />
ich lernen, was einen mit Madas Gabe Gesegneten<br />
dazu brachte, an <strong>de</strong>r Güte <strong>de</strong>r Zwölfe zu zweifeln."<br />
"Wie immer seht Ihr die Welt mit Euren Augen aus<br />
<strong>de</strong>r falschen Perspektive: Ich habe mich nicht von <strong>de</strong>n<br />
Zwölfen abgewandt, son<strong>de</strong>rn mich ihnen nicht so weit<br />
zugewandt, wie Ihr es vielleicht erwartet. Mehr als<br />
mein halbes Leben habe ich zu wissen geglaubt, dass<br />
die Ahnen und leiten und wir ihre Führung erbitten<br />
können. Diesen unumstößlichen Glauben meines Volkes<br />
habe ich zum großen Teil hinter mir gelassen,<br />
ohne mich sofort <strong>de</strong>n nächsten Götzen o<strong>de</strong>r Göttern<br />
zuzuwen<strong>de</strong>n. Beantwortet mir eine Frage - nicht unbedingt<br />
sofort - aber zufrie<strong>de</strong>nstellend: Sind die Zwölfe,<br />
weil ihr an sie glaubt, o<strong>de</strong>r sind sie einfach und lassen<br />
sich euren Glauben an sie gefallen? Und wenn ja,<br />
welchen Sinn hat es dann, an sie zu glauben?" verwickelt<br />
Isinha <strong>de</strong>n Geweihten in eine Diskussion.
"Ich kenne die Grundsatzdisputatio um <strong>de</strong>n halb leeren<br />
o<strong>de</strong>r halb vollen Humpen Bier. Auf mich macht<br />
Ihr <strong>de</strong>n Eindruck, dass Ihr <strong>de</strong>n Zwölfen alles an<strong>de</strong>re<br />
als zugewandt seid, obwohl Ihr die Gabe Madas in<br />
Euch tragt.<br />
Zu Eurer Frage kann ich nur antworten, dass die<br />
Zwölfe sind.<br />
Dies in <strong>de</strong>r Form, in <strong>de</strong>r Ihr es tut, zu bestreiten, wäre<br />
Ketzerei - in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Praioskirche wäre das genug<br />
für <strong>de</strong>n Scheiterhaufen mit zuvor durchgeführter<br />
hochnotpeinlicher Inquisitio."<br />
"Än<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n sie damit nichts. Und bessere Metho<strong>de</strong>n,<br />
einen Gefangenen zum Re<strong>de</strong>n zu bringen, als die<br />
Wotapawqu's haben die Praioten sicher auch nicht.<br />
Aber das soll hier und heute nicht unser Thema sein."<br />
antwortet <strong>de</strong>r Magier.<br />
Hesan<strong>de</strong>r schaut <strong>de</strong>n A<strong>de</strong>ptus für einen kurzen Augenblick<br />
ernst an. Dann erhellt sich seine Miene.<br />
"Meine Kirche setzt sich mit <strong>de</strong>njenigen, die nicht an<br />
die Zwölfe glauben, auseinan<strong>de</strong>r, versucht ihren Glauben<br />
zu ergrün<strong>de</strong>n.<br />
Ich ta<strong>de</strong>le Euch nicht ob Eures mangeln<strong>de</strong>n Glaubens<br />
in die Zwölfe. Ihr mögt zweifeln, ich lasse Euch zweifeln.<br />
Doch erweist mir <strong>de</strong>n nötigen Respekt in <strong>de</strong>r<br />
Form, dass Ihr mich und meinen Glauben nicht hinterfragt.<br />
Ich habe die Nähe Hesin<strong>de</strong>s, ihre Allgegenwärtigkeit<br />
erfahren - am eigenen Leib. Und Ihr solltet<br />
es mit Eurer Gabe eigentlich nicht min<strong>de</strong>r oft erfahren<br />
haben."<br />
"Es ist ja nicht so, dass ich zweifeln wür<strong>de</strong>, wie das ungläubige<br />
Geister tun, son<strong>de</strong>rn ich habe lediglich einen<br />
an<strong>de</strong>ren Standpunkt, einen an<strong>de</strong>ren Blickwinkel auf<br />
die Dinge, wenn Ihr so wollt. Und wenn Ihr sagt, die<br />
Zwölfe sind um ihrer selbst willen, dann glaube ich<br />
Euch, dass Ihr nicht daran zweifelt. Meine magischen<br />
Fertigkeiten haben damit nichts zu tun. Generationen<br />
von Schamanen und Seher, heiligen Frauen und Geisterjäger<br />
meines Volkes haben nie von <strong>de</strong>n Zwölfen gehört,<br />
noch glauben sie an <strong>de</strong>rartige Götter. Und trotz<strong>de</strong>m<br />
haben auch sie diese Gabe. Allerdings glaube ich<br />
nicht, dass wir bei<strong>de</strong> dieses Problem am heutigen<br />
Abend lösen können, also sollten wir uns - und <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren - etwas Gutes tun, und schlafen." schließt <strong>de</strong>r<br />
Magier mit einem Seitenblick auf <strong>de</strong>n vor Langeweile<br />
apathisch wirken<strong>de</strong>n Thorwaler das Gespräch. "Wäre<br />
ich ein Händler, wür<strong>de</strong> ich überlegen, wie wir unsere<br />
Dispute in Flaschen füllen und verkaufen könnten -<br />
wir wür<strong>de</strong>n sicher ein Vermögen als Schlafmittel damit<br />
verdienen!" lacht Isinha <strong>de</strong>m Geweihten zu und<br />
rollt sich in seine Decke.<br />
"Aye, das wohl!" kommt es stöhnend von Ingalf. Und<br />
auch Kawi ist froh, dass die Diskussion zu En<strong>de</strong> ist,<br />
<strong>de</strong>nn seit ihrem Beginn ist Ingalf dabei die immer<br />
559<br />
gleiche Stelle im Fell zu streicheln und nun kann <strong>de</strong>r<br />
Hund sich endlich wegdrehen.<br />
Auf <strong>de</strong>m langen Weg nach Enqui vergeht die Zeit und<br />
die Entwicklung <strong>de</strong>r kleinen Schä<strong>de</strong>leule zu einem<br />
prächtigen Nachtjäger schreitet voran. Herrlich ist sie<br />
anzuschauen, die Eule mit <strong>de</strong>m schwarzbraunen Gefie<strong>de</strong>r<br />
und <strong>de</strong>r unheimlichen, an einen Totenschä<strong>de</strong>l<br />
erinnern<strong>de</strong>n Gesichtsmaske, die rötlich-gol<strong>de</strong>nen Augen<br />
blicken stets wachsam aus <strong>de</strong>n großen, schwarzen<br />
Augenflecken in <strong>de</strong>m ansonsten weiß befie<strong>de</strong>rten Gesichtsschleier<br />
mit <strong>de</strong>m scharfen, schwarzen, gekrümmten<br />
Schnabel und <strong>de</strong>m weißen Fe<strong>de</strong>rbart. Bei<br />
<strong>de</strong>n ruckartigen Bewegungen ihres Kopfes erzittern je<strong>de</strong>s<br />
Mal die bei<strong>de</strong>n Fe<strong>de</strong>rohren seitlich am Kopf. Vier<br />
Spann ist sie bald groß, und wenn sie ihre Schwingen<br />
ausbreitet, weist alles darauf hin, dass die bald erreichten<br />
15 Spann diesen mächtiger Raubvogel nachts lautlos<br />
durch die Lüfte gleiten lassen.<br />
Als Surnias Versuche immer häufiger wer<strong>de</strong>n, ihre<br />
Flügel zu benutzen, sieht Rovena die Zeit gekommen,<br />
ihrer künftigen Vertrauten das Fliegen zu ermöglichen,<br />
und sie unternimmt alsbald nächtliche Ausflüge<br />
mit <strong>de</strong>r Eule auf ihrer Schulter. Je<strong>de</strong>s Mal ist es für die<br />
Hexe ein berauschen<strong>de</strong>s Gefühl und ein sinnliches<br />
Vergnügen, sich in <strong>de</strong>r Dämmerung auf <strong>de</strong>n Stab zu<br />
setzen, mit einem kräftigen Stoß von Sumu zu lösen<br />
und die Freiheit <strong>de</strong>r Lüfte zu genießen.<br />
Der Wind zaust nun nicht nur ihr blauschwarzes<br />
Haar, er fährt auch unter die Flügel <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>leule,<br />
die sich anfangs unsicher und ängstlich in <strong>de</strong>m wollenen<br />
Umhang <strong>de</strong>r Hexe festkrallt. Doch instinktiv breiten<br />
sich die Schwingen aus und fangen die Luftströmungen<br />
auf, vorsichtig übt sich Surnia so in <strong>de</strong>r Kunst<br />
<strong>de</strong>s Dahingleitens. Und in <strong>de</strong>r nächsten Nacht lösen<br />
sich die Fänge, die Schä<strong>de</strong>leule erhebt sich von Rovenas<br />
Schultern und fliegt zum ersten Mal, zuerst unsicher,<br />
doch bald genießt auch sie die Freiheit <strong>de</strong>r Lüfte.<br />
Vor Freu<strong>de</strong> leise jauchzend folgt Rovena ihr nach,<br />
die bei<strong>de</strong>n jagen sich vergnügt im Dämmerlicht <strong>de</strong>r<br />
Sterne.<br />
Bald schon beginnt die Eule, ihrem Instinkt folgend,<br />
auf die Jagd zu gehen, und <strong>de</strong>m Wild auf ihre Art<br />
nachzustellen, herangleiten, zustoßen, ein Stück<br />
Fleisch aus ihrer Beute reißen und sich damit sogleich<br />
zurückziehen. Die Hexe beobachtet sie dabei zufrie<strong>de</strong>n,<br />
wird sich <strong>de</strong>r große Vogel damit bald allein versorgen<br />
können und ist nicht mehr auf die Nahrungsbeschaffung<br />
durch sie angewiesen.<br />
Kurz vor Enqui dann, die Nächte sind bereits mild,<br />
<strong>de</strong>r Kelch <strong>de</strong>s Madamal ist beinahe gefüllt und in <strong>de</strong>r<br />
nächsten Nacht wird das Rad am Firmament erscheinen,<br />
überfällt Rovena eine eigenartige Unruhe, die<br />
auch Surnia zu teilen scheint. Eifersüchtig wacht die<br />
Schä<strong>de</strong>leule darüber, dass sich niemand zu sehr in die<br />
Nähe <strong>de</strong>r Hexe begibt, fauchend und flügelschlagend
versucht sie, die junge Frau ganz für sich zu vereinnahmen.<br />
'Es ist also so weit, meine kleine Seelenfreundin',<br />
<strong>de</strong>nkt sie lächelnd, während sie versucht,<br />
Surnia zu beruhigen. 'Heute Nacht wer<strong>de</strong>n wir uns<br />
vereinen …' Doch sie muss ihren Gefährten Bescheid<br />
geben, die sich sicher sorgen wür<strong>de</strong>n, wenn sie von ihren<br />
nächtlichen Ausflügen nicht zeitig genug zum Lager<br />
zurückkehren wird.<br />
Am frühen Abend, die Sonne berührt beinahe <strong>de</strong>n<br />
Horizont und das gemeinsame Essen am Lagerfeuer<br />
wird gera<strong>de</strong> eingenommen, teilt sie ihren Gefährten<br />
mit, dass sie heute Nacht nicht zurückkommen wird.<br />
Den Grund dafür nennt sie nicht, bittet ihre Freun<strong>de</strong><br />
nur darum, sich keine Sorgen zu machen, es sei <strong>de</strong>nn,<br />
sie wür<strong>de</strong> am nächsten Morgen nicht zurück sein.<br />
Sie nimmt nichts mit außer <strong>de</strong>m, was sie am Körper<br />
trägt, lässt Surnia auf ihre Schulter steigen und erhebt<br />
sich in die Lüfte. Die innere Anspannung kann sie<br />
kaum noch ertragen, freudig sieht sie diesem großartigen<br />
Moment ihres Lebens entgegen. In geringer Höhe<br />
fliegend suchen sie gemeinsam einen geeigneten Platz<br />
für die Nacht und Surnia führt sie zu einem kleinen<br />
Wäldchen in einiger Entfernung von ihrem Lagerplatz.<br />
Auf einer Lichtung streicht die Eule lautlos nie<strong>de</strong>r,<br />
lan<strong>de</strong>t auf einer alten Wei<strong>de</strong> an einem stillen Weiher<br />
und ruft verlangend nach ihrer Meisterin. Rovena<br />
ist so voll <strong>de</strong>r ungeduldigen Erregung, sie kann es<br />
kaum noch erwarten, will die Vereinigung mit je<strong>de</strong>r<br />
Faser ihres Körpers erfahren und erleben. Sie lan<strong>de</strong>t<br />
am Rand <strong>de</strong>s Ufers und entledigt sich ihrer Stiefel und<br />
Klei<strong>de</strong>r, presst die nackten Zehen in <strong>de</strong>n Waldbo<strong>de</strong>n<br />
und hockt sich hin, um auch mit ihren Fingern Sumus<br />
Leib zu spüren. Tief atmet sie die würzige Frühsommerluft<br />
ein, fühlt mit allen Sinnen das Leben um<br />
sich herum, während die Schä<strong>de</strong>leule neben ihr lan<strong>de</strong>t.<br />
Rovena überkommt das Bedürfnis, sich in das<br />
kühle Wasser gleiten lassen zu müssen, sie schwimmt<br />
und taucht ausgelassen unter <strong>de</strong>m stillen Licht <strong>de</strong>s<br />
Ra<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Madamals. Prustend taucht sie am Ufer auf<br />
und spritzt das Nass neckend auf ihre Seelenfreundin,<br />
die sich scheinbar empört schüttelt.<br />
Als Rovena aus <strong>de</strong>m Wasser steigt, schimmern die<br />
Wassertropfen wie Perlen auf ihrer Haut und die fünf<br />
silbernen Haarsträhnen glänzen im Mondlicht, <strong>de</strong>nn<br />
die Dunkelheit <strong>de</strong>r Nacht hat mittlerweile das Licht<br />
<strong>de</strong>s Tages verdrängt.<br />
In ihren Umhang gehüllt lässt sie sich am Fuß <strong>de</strong>r alten<br />
Wei<strong>de</strong> im moosigen Gras nie<strong>de</strong>r, öffnet die Arme<br />
und lockt Surnia zärtlich zu sich. Die Schä<strong>de</strong>leule<br />
hüpft und schreitet in ihre ausgebreiteten Arme und<br />
schmiegt sich mit ihrem Körper an die junge Hexe,<br />
die liebevoll ihre Arme um sie schließt. Wie weich das<br />
Gefie<strong>de</strong>r auf ihrer Haut zu spüren ist, wie herrlich <strong>de</strong>r<br />
warme Eulenkörper ihre kühle Haut erwärmt! Ein<br />
Schauer <strong>de</strong>r Erregung durchfährt Rovena und sie legt<br />
560<br />
ihren Kopf an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Eule. Still verharren die bei<strong>de</strong>n<br />
in dieser Umarmung, das Mondlicht taucht die Wei<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>n Weiher und die bei<strong>de</strong>n Freundinnen in ein silbernes,<br />
geheimnisvolles Licht.<br />
Die junge Frau öffnet ihren Geist und ihr Herz und<br />
lässt ihre Kraft verströmen, überwältigt stöhnt sie auf,<br />
mächtig und innig dringt die ungestüme, <strong>de</strong>n Emotionen<br />
entspringen<strong>de</strong> Kraft in <strong>de</strong>n Körper und Geist <strong>de</strong>r<br />
Vertrauten, macht diese empfänglich für die Strömungen<br />
<strong>de</strong>r Zauberei, verän<strong>de</strong>rt ihr tierisches Bewusstsein<br />
und öffnet ihren Geist, um ihn mit <strong>de</strong>m ihrer Meisterin<br />
verschmelzen zu lassen. Der Umhang rutscht Rovena<br />
von <strong>de</strong>n Schultern, entblößt das neue Hautbild<br />
auf <strong>de</strong>r weißen Haut, doch sie spürt die Kühle <strong>de</strong>r<br />
Nacht nicht, hört nicht die Stimmen <strong>de</strong>r Natur, sieht<br />
nicht die Schatten zwischen <strong>de</strong>n Bäumen, in <strong>de</strong>n<br />
Zweigen und Büschen. Sie ist nun Ganz, verbun<strong>de</strong>n<br />
mit ihrer Seelenfreundin, ihrer Vertrauten, mit <strong>de</strong>r sie<br />
von nun an alles teilen wird, Freu<strong>de</strong> und Schmerz,<br />
Kummer und Glück, Liebe und Hass …<br />
Gedankenbil<strong>de</strong>r tauchen in ihrem Geist auf, die Welt<br />
mit <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Eule gesehen, die Dunkelheit, die<br />
keine mehr ist und kaum noch etwas verborgen hält,<br />
unbezähmte Triebe <strong>de</strong>s Jagens und <strong>de</strong>s Tötens, lustvolles,<br />
lautloses Gleiten über <strong>de</strong>n Wipfeln <strong>de</strong>r Bäume,<br />
zärtliche Gefühle <strong>de</strong>s Vertrauens und <strong>de</strong>r respektvollen<br />
Achtung für ihre menschliche Seelenfreundin …<br />
Und auch Rovena lässt ihre Vertraute ihre Gefühle<br />
spüren, unbändige Freu<strong>de</strong> und tiefe Verbun<strong>de</strong>nheit,<br />
Liebe und Respekt vor Wildheit <strong>de</strong>r majestätischen<br />
Nachtjägerin, <strong>de</strong>r sie in ihrem Können nacheifern<br />
wird. Das Band ist geknüpft, wortloses Verstehen eint<br />
die bei<strong>de</strong>n Seelen, unlösbar sind sie nun geistig miteinan<strong>de</strong>r<br />
verbun<strong>de</strong>n, nur <strong>de</strong>r Tod kann dieses Band<br />
trennen … und keine von bei<strong>de</strong>n bemerkt, wie die<br />
Zeit vergeht, unendlich, scheint es ihnen, verharren<br />
sie schon, eng an einan<strong>de</strong>r geschmiegt, bis sich die<br />
Morgendämmerung durch einen rötlichen Schimmer<br />
und die Stimmen <strong>de</strong>r gefie<strong>de</strong>rten Sänger bemerkbar<br />
macht.<br />
Fast ein wenig wehmütig lockert Rovena ihre Umarmung,<br />
vergräbt ihr Gesicht in <strong>de</strong>n Halsfe<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />
Schä<strong>de</strong>leule, die zärtlich an ihrem Ohr knabbert und<br />
leise, zarte Töne von sich gibt. Doch sie müssen sich<br />
nun voneinan<strong>de</strong>r lösen, um die Morgendämmerung<br />
für ihren Rückflug zu nutzen. Als Rovena sich erhebt,<br />
taumelt sie leicht und die Schä<strong>de</strong>leule legt <strong>de</strong>n Kopf<br />
schief, ihr besorgter Blick scheint zu fragen: 'Geht es<br />
dir nicht gut?' Rovena gluckst leise und beugt sich zu<br />
ihr hinab. "Keine Sorge, meine Hübsche, mir geht es<br />
besser <strong>de</strong>nn je, nur ein wenig schwach fühle ich mich<br />
nun, dafür ist unsere Vereinigung um so heftiger geschehen."<br />
Gefühle <strong>de</strong>r Stärke und Schwäche gehen in<br />
<strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>r Eule über, tiefe Verbun<strong>de</strong>nheit und<br />
überströmen<strong>de</strong>s Glücksempfin<strong>de</strong>n. Die Tochter Satuarias<br />
zieht sich ihre Kleidung über und legt <strong>de</strong>n
Umhang an, lässt Surnia auf ihre Schulter steigen und<br />
setzt sich rittlings auf ihren Stab, um sich, mit bei<strong>de</strong>n<br />
Beinen vom Bo<strong>de</strong>n abstoßend, in <strong>de</strong>n Morgenhimmel<br />
zu schwingen. Den Wind unter ihren Flügeln hebt<br />
Surnia ab und gleitet vor ihr auf <strong>de</strong>n Lagerplatz <strong>de</strong>r<br />
Gefährten zu. Rovena empfin<strong>de</strong>t die Wachsamkeit <strong>de</strong>r<br />
Eule wohltuend in ihren Sinnen, vertraut ihrer Fähigkeiten<br />
und lässt sich vertrauensvoll zurückführen.<br />
In direkter Nähe zum Lager lan<strong>de</strong>t Rovena sicher auf<br />
<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n und geht mü<strong>de</strong> zu ihrer Lagerstätte, während<br />
Surnia sich gleich dort nie<strong>de</strong>rlässt, ihr Gefie<strong>de</strong>r<br />
schüttelt und aufgeplustert auf ihre Meisterin wartet.<br />
Diese legt sich, nach<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n wachen<strong>de</strong>n Gefährten<br />
ohne Worte mit einem Lächeln begrüßt hat, in ihren<br />
Schlafsack und fällt in einen tiefen, traumlosen<br />
Schlaf.<br />
Stumm und lächelnd nickt ihr <strong>de</strong>r Aranier zu.<br />
Ratlos und verwirrt schaut sie <strong>de</strong>r Thorwaler an.<br />
Enqui<br />
Als Enqui in Sicht kommt, betrübt sich Edrics Gesicht.<br />
Wie<strong>de</strong>r wird er sich zwischen Mauern aus Stein<br />
eingesperrt vorkommen.<br />
In Enqui angekommen, macht sich Ingalf auf die Suche<br />
nach einem Schiff, dass sie nach Thorwal zurückbringt.<br />
Schließlich haben sie zwar das Orkland durchquert,<br />
aber ihre Aufgabe war es die Aufzeichnungen<br />
zu Garhelt zu bringen und die Hetfrau ist weit, weit<br />
weg.<br />
"Meinst Du, Garhelt for<strong>de</strong>rt die Maultiere zurück?"<br />
fragt er Ingalf, als dieser von seiner Suche nach <strong>de</strong>m<br />
Thorwalerschiff zurückkehrt. Er hat die bei<strong>de</strong>n treuen<br />
Tiere in sein Herz geschlossen und wür<strong>de</strong> sich nur<br />
ungern von ihnen trennen.<br />
Da die Suche nach einer Rückfahrtmöglichkeit erfolglos<br />
ist Ingalf etwas mürrisch und antwortet nur knapp:<br />
"Nee, aber wir müssen ja auch erstmal 'n Schiff fin<strong>de</strong>n,<br />
das uns sechs mitnimmt und dann noch die<br />
Maultiere, bei Swafnir, da sehe ich schwarz!"<br />
Es ist sogar noch schlimmer. Keines <strong>de</strong>r Schiffe ist auf<br />
Tiertransport eingerichtet. Es wird wohl nötig sein, die<br />
Maultiere zu verkaufen. Aber das ist <strong>de</strong>r Lauf <strong>de</strong>r<br />
Welt: Man trifft sich, geht eine Zeit lang seinen Weg<br />
gemeinsam, und dann trennt man sich wie<strong>de</strong>r.<br />
Ingalf versucht seinen Freund zu trösten: "Sie wer<strong>de</strong>n<br />
es hier sicherlich besser haben als bei <strong>de</strong>n Grolmen<br />
und vielleicht macht sich ja ein Händler auf <strong>de</strong>n Weg<br />
zurück und wir treffen die bei<strong>de</strong>n in Thorwal wie<strong>de</strong>r.<br />
Und auf je<strong>de</strong>n Fall kriegen wir alle mal wie<strong>de</strong>r ein<br />
bisschen Geld, das wohl!"<br />
"Können wir dann nicht noch auf ein an<strong>de</strong>res Schiff<br />
warten? O<strong>de</strong>r von einer an<strong>de</strong>ren Stadt aus fahren?<br />
O<strong>de</strong>r wir gehen zurück durch das Orkland." schlägt<br />
Edric vor. Die Aussicht seine treuen Tiere wie<strong>de</strong>r zu<br />
561<br />
verlieren, lässt ihn verzweifelt nach an<strong>de</strong>ren Möglichkeiten<br />
suchen. War es doch ein göttliches Wun<strong>de</strong>r, das<br />
die Tiere <strong>de</strong>n Grolmen entkommen sind! Es kann<br />
jetzt nicht Wille <strong>de</strong>r Götter sein, die Tiere hier zurückzulassen<br />
- davon ist Edric überzeugt.<br />
"Viel Zeit haben wir nicht, um mit <strong>de</strong>m Schiff zurück<br />
zu kommen", gibt Ingalf zu be<strong>de</strong>nken, "ich hab' im<br />
Hafen gefragt und da sagte man mir, das wir im Moment<br />
echt Glück haben, dass es Hochsommer ist,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Seeweg ist nur ein paar Wochen eisfrei, das<br />
wohl!"<br />
Am zweiten Abend nach <strong>de</strong>r Ankunft in Enqui zieht<br />
Isinha sich mit einer fa<strong>de</strong>nscheinigen Entschuldigung<br />
kurz nach <strong>de</strong>m Mittag zurück. In <strong>de</strong>r Abgeschie<strong>de</strong>nheit<br />
seiner Kammer schiebt er das Mobiliar soweit als<br />
möglich an die Wän<strong>de</strong> und lässt sich in <strong>de</strong>r Raummitte,<br />
lediglich mit seiner Hose beklei<strong>de</strong>t, auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n<br />
und meditiert, <strong>de</strong>n Zauberstab quer über <strong>de</strong>n Knien.<br />
Während <strong>de</strong>r Nacht bannt Isinha <strong>de</strong>n dritten Stabzauber<br />
in <strong>de</strong>n Stecken.<br />
Am dritten Tag in Enqui trifft Edric einen norbardischen<br />
Händler, ein netter Kerl und in verzweifelter<br />
Lage. Seine bei<strong>de</strong>n Packpfer<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>nen er in die<br />
Nivesenlan<strong>de</strong> ziehen wollte, lahmen bei<strong>de</strong> und er<br />
muss unbedingt los, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Sommer ist kurz. Er hat<br />
sie auch noch gut verkaufen können, da sie in ein paar<br />
Wochen sicher wie<strong>de</strong>r gut auf Damm sind. Und jetzt<br />
braucht er unbedingt ein neues Pärchen Tiere. Am<br />
besten Maultiere, <strong>de</strong>nn die sind trittsicherer als Pfer<strong>de</strong>.<br />
Als er sich, völlig unverbindlich, die Tiere anschaut,<br />
erkennt Edric, dass <strong>de</strong>r Händler sich offensichtlich gut<br />
mit Vierbeinern auskennen. Und die bei<strong>de</strong>n Maultiere<br />
scheinen auf ihn gut anzusprechen.<br />
Schweren Herzens entschei<strong>de</strong>t sich Edric schließlich<br />
von <strong>de</strong>n treuen Tieren Abschied zu nehmen. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
es bei <strong>de</strong>m Händler sicherlich besser haben als bei<br />
<strong>de</strong>n Grolmen! Er hat sich lange mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Händler<br />
unterhalten, über <strong>de</strong>ssen Erfahrung, seine Waren<br />
und Han<strong>de</strong>lswege. Eine Nacht lang <strong>de</strong>nkt er sogar<br />
darüber nach, mit <strong>de</strong>m Händler und <strong>de</strong>n Maultieren<br />
zu ziehen … Aber das kann er nicht, steht er noch in<br />
<strong>de</strong>r Pflicht Garhelts! Er ist sich sicher, dass er die Tiere<br />
irgendwann wie<strong>de</strong>r sieht.<br />
So verabschie<strong>de</strong>t er sich lange von <strong>de</strong>n Maultieren,<br />
und flüstert ihnen noch etwas ins Ohr, bevor er seine<br />
wenigen Habseligkeiten nimmt und <strong>de</strong>n Händler mit<br />
Handschlag verabschie<strong>de</strong>t. Das geschäftliche soll Ingalf<br />
übernehmen, er bringt es nicht übers Herz.<br />
Und Ingalf versucht sein bestes, um <strong>de</strong>m Händler<br />
noch <strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Silbertaler aus <strong>de</strong>r Börse<br />
zu locken. Er wirf mit <strong>de</strong>n Begriffen um sich, die er<br />
damals von Sephyra und Randirion beim Kauf von<br />
Leif in Khunchom gehört hat. Aber <strong>de</strong>r Händler bleibt
eisern und so schlägt Ingalf letztendlich ein. Das Geld<br />
gibt er dann Edric, soll er es behalten o<strong>de</strong>r verteilen.<br />
Die nächsten Tage wan<strong>de</strong>rt Edric ziellos durch Enqui,<br />
<strong>de</strong>nn eine Aufgabe hat er nicht. Er sitzt ebenso am<br />
Hafen und schaut auf sie See, wie er vor <strong>de</strong>n Toren<br />
steht und auf die Steppe hinaus schaut. Seine Erinnerungen<br />
sind bei <strong>de</strong>r Reise durch das Orkland und bei<br />
<strong>de</strong>n Erlebnissen, die sie überstan<strong>de</strong>n haben. Beson<strong>de</strong>rs<br />
an <strong>de</strong>n Riesen Neunfinger muss er <strong>de</strong>nken.<br />
Ingalf nutzt die Gelegenheit und versucht die ganzen<br />
Sachen, die ihr nicht mehr tragen kann an <strong>de</strong>n Mann<br />
zu bringen. Schließlich hatte er auf <strong>de</strong>n Maultieren<br />
Pfannen, Töpfe, Schlafsack und die geschenkten Waffen<br />
von Garhelt untergebracht.<br />
Als die Händler, die er abklappert die gebrauchten<br />
Utensilien <strong>de</strong>r Orkland-Fahrt sehen, drücken sie zwar<br />
die Preise, aber für die Schneidzähne und die Orknase,<br />
die von ausgezeichneter Qualität sind, bekommt er<br />
doch ein gutes Sümmchen.<br />
Von seinem Ertrag kauft er sich neues Pergament und<br />
Tinte, <strong>de</strong>nn viel ist ihm nach <strong>de</strong>r Reise nicht mehr übrig<br />
geblieben. Dann füllt er seinen Weinschlauch auf<br />
und kauft für Kawi noch eine stabile Hun<strong>de</strong>leine. Die<br />
ganzen Stricke und Seile, die Ingalf immer wie<strong>de</strong>r<br />
aufs Neue zusammengeknotet hat, sind doch etwas<br />
unansehnlich gewor<strong>de</strong>n.<br />
Der Aranier begleitet <strong>de</strong>n Nordmann und verkauft dabei<br />
<strong>de</strong>n Hammer, 50 Nägel, Beil und Säge, eine<br />
Schaufel und ein kleines Fischernetz für zusammen 2<br />
Silberstücke.<br />
Rovena ge<strong>de</strong>nkt nicht, ihre wichtigen Kräuter und<br />
Arzneien zu verkaufen, auch hat sie sonst nichts, das<br />
sie veräußern könnte, daher freut sie sich über <strong>de</strong>n<br />
funkeln<strong>de</strong>n Stein, <strong>de</strong>n Ingalf ihr gibt und verstaut ihn<br />
erst einmal sorgsam in <strong>de</strong>m kleinen Beutel zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m Rosenquarz und <strong>de</strong>r roten Pille. Geld wäre<br />
ihr zwar auch nicht unrecht gewesen, <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>m,<br />
was sie bei sich trägt, wird sie sich von ihren Gefährten<br />
aushalten lassen müssen … so versucht sie, ihre<br />
Heilkun<strong>de</strong> an Mensch und Tier als Dienste anzubieten,<br />
um sich damit Essen und Unterkunft in Enqui<br />
leisten zu können.<br />
Zwar ist Isinha wirklich knapp bei Kasse, aber <strong>de</strong>swegen<br />
zu "arbeiten" und seine Fähigkeiten wie Rovena<br />
in <strong>de</strong>n Dienst <strong>de</strong>r Bevölkerung zu stellen, kommt ihm<br />
nicht in <strong>de</strong>n Sinn. Auch seine Gefährten zu bitten, ihn<br />
auszuhalten, kommt gar nicht in Frage, wür<strong>de</strong> das<br />
doch gegen <strong>de</strong>n Verhaltensko<strong>de</strong>x <strong>de</strong>s reisen<strong>de</strong>n A<strong>de</strong>pten<br />
verstoßen.<br />
Dagegen nimmt er <strong>de</strong>n von Ingalf eingetauschten<br />
Diamanten von einem Karat gern an und bedankt<br />
sich. Dieser Stein wird ihn sicher ausreichend lange<br />
ernähren können.<br />
562<br />
Hesan<strong>de</strong>r wird sich in Enqui ein wenig umsehen und<br />
ggf. <strong>de</strong>n hiesigen Tempel o<strong>de</strong>r Schrein eines (o<strong>de</strong>r<br />
mehrerer) <strong>de</strong>r Zwölfe besichtigen bzw. besuchen. Obwohl<br />
ihm die Erfahrung mit <strong>de</strong>m Orkenhort nicht<br />
mehr im Gedächtnis ist, so spürt er doch merkwürdigerweise,<br />
dass er sich nicht so weit weg von <strong>de</strong>n Göttern<br />
fühlt, wie er es eigentlich nach einer so langen<br />
Reise tun müsste.<br />
Er wird sich neues Ölpapier, sofern vorrätig, kaufen,<br />
ein wenig Schreibzeug und ansonsten <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
beim Aufstocken <strong>de</strong>r Vorräte helfen.<br />
Sofern ein Schnei<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r so dort ansässig sein sollte,<br />
wird er seine Kleidung ausbessern lassen.<br />
Da er das restliche Geld nicht in schwerer Münze mit<br />
sich herumtragen will, tauscht <strong>de</strong>r die Dukaten gegen<br />
Diamanten ein. Und siehe da, es sind genau sechs Karat<br />
Diamanten, die übrig bleiben. Und so gibt er je<strong>de</strong>m<br />
seiner Gefährten einen gleichen Anteil von <strong>de</strong>n<br />
Diamanten, schließlich waren es ja die Geschenke<br />
Garhelts, die er verkauft hat und somit gehört <strong>de</strong>r Rest<br />
allen.<br />
Edric nimmt <strong>de</strong>n funkeln<strong>de</strong>n Stein dankbar an sich.<br />
Für ihn spielen sich in seinen Facetten die Erlebnisse<br />
dieser Reise wie<strong>de</strong>r – niemals wird er ihn weggeben,<br />
ist es doch eine Erinnerung an alles was sie erlebt haben.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Magier sich von <strong>de</strong>r anstrengen<strong>de</strong>n<br />
Nacht <strong>de</strong>s Stabzauber-Rituals erholt hat, schlen<strong>de</strong>rt er<br />
am nächsten Morgen durch die Ortschaft Enqui.<br />
Beim Mittagessen mit <strong>de</strong>n Gefährten erkundigt er sich<br />
sodann bei Ingalf nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r geplanten<br />
Abreise.<br />
"Hmm", kommt es mürrisch von Ingalf zurück. "Gibt<br />
kein Schiff zurück. Wir könnten laufen, aber dazu<br />
hab' ich keine Lust, das wohl! Aber, bei Swafnir, in<br />
<strong>de</strong>n nächsten Tagen kommt ja vielleicht was …"<br />
"Und woan<strong>de</strong>rs hin?" bohrt Isinha nach.<br />
"Der nächste Hafen, <strong>de</strong>r seinen Namen verdient und<br />
in Richtung Westen liegt ist Olport, alles davor ist<br />
noch schlimmer als Enqui, das wohl!" antwortet Ingalf.<br />
"Und da gibt's nix. Es sei <strong>de</strong>nn wir wollen weiter<br />
nach Osten, da wäre als nächstes Riva - aber je<strong>de</strong>s<br />
Schiff, das von Riva nach Thorwal fährt, kommt hier<br />
vorbei. Aber wir wollen ja zu Garhelt, o<strong>de</strong>r?"<br />
"Muss ja nicht direkt nach Thorwal sein. Es reicht<br />
doch aus, wenn das Ziel nicht zu klein ist und mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger auf <strong>de</strong>m richtigen Weg dahin liegt, o<strong>de</strong>r?<br />
Dann könnten wir von dort aus weiter - o<strong>de</strong>r zur Not<br />
auch zu Fuß zurück laufen, wenn die Strecke kürzer<br />
gewor<strong>de</strong>n ist." schlägt <strong>de</strong>r Magier vor. "Hier will ich je<strong>de</strong>nfalls<br />
nicht überwintern müssen."<br />
"Der Sommer hat doch gera<strong>de</strong> erst angefangen", erinnert<br />
ihn Rovena schmunzelnd. "Es wird sich schon<br />
noch ein Schiff fin<strong>de</strong>n lassen, das uns Richtung Thor-
wal bringt." Hungrig löffelt sie ihren Eintopf. Surnia<br />
hat sie geheißen, sich außerhalb Enquis aufzuhalten.<br />
Regelmäßig treffen sich die bei<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Dämmerung<br />
<strong>de</strong>s frühen Abends, um ihre Erlebnisse <strong>de</strong>s Tages auszutauschen.<br />
"Ich bin schon mal mehr als sechs Durchläufe <strong>de</strong>s Madamals<br />
mit einer Rotte dieser Ureinwohner hier unterwegs<br />
gewesen." erinnert sie <strong>de</strong>r Magier. "Ich wollte mit<br />
dieser kleinen Übertreibung <strong>de</strong>r uns zur Verfügung<br />
stehen<strong>de</strong>n Zeit nur meinen Befürchtungen allgemein<br />
Ausdruck verleihen." Schließlich schleicht sich aber<br />
auch auf Isinhas Züge ein Schmunzeln.<br />
Rovena schielt verstohlen zu Ingalf, aber <strong>de</strong>r scheint<br />
sich nicht son<strong>de</strong>rlich an Elgars abwertend klingen<strong>de</strong>r<br />
Bemerkung zu stören. "Du hattest mir davon erzählt",<br />
murmelt sie kauend und nickt. "Aber diesmal bist du<br />
ja nicht allein", fügt sie lächelnd leise hinzu.<br />
"Und du glaubst, das macht es besser?" fragt Isinha<br />
skeptisch, aber offensichtlich rhetorisch, nach. "Gut,<br />
für mich vielleicht, aber für die an<strong>de</strong>ren armen Tropfe,<br />
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die mit mir im gleichen Boot sitzen wer<strong>de</strong>n - wie die<br />
Thorwaler sagen - sicher nicht." fügt er dann hinzu<br />
und widmet sich ebenfalls seinem Essen.<br />
Rovena grinst nur und löffelt weiter. Dass sich dieser<br />
Mann immer so bissig geben muss … so schlimm<br />
wird es schon nicht sein, im Orkland sind sie ja auch<br />
miteinan<strong>de</strong>r ausgekommen.<br />
Und dann hat Ingalf eines Tages ein Schiff gefun<strong>de</strong>n,<br />
dass die Gruppe nach Thorwal bringen wird. Makrele<br />
heißt es, ein kleiner Han<strong>de</strong>lssegler. Der Kapitän ist<br />
entzückt, sechs Passagiere mitnehmen zu können.<br />
Guten Mutes schiffen sich die Hel<strong>de</strong>n ein. Bald wer<strong>de</strong>n<br />
sie ihre Reise vollen<strong>de</strong>t haben.<br />
- Finis -<br />
Wir sehen unsere Hel<strong>de</strong>n im Abenteuer [Olachtai]<br />
wie<strong>de</strong>r.