Klangvergleich eines historischen Spinetts mit einer - Bodo Hartwig
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<strong>Klangvergleich</strong><br />
<strong>eines</strong> <strong>historischen</strong> <strong>Spinetts</strong> <strong>mit</strong> <strong>einer</strong><br />
originalgetreuen Kopie<br />
von<br />
<strong>Bodo</strong> <strong>Hartwig</strong><br />
Diplomarbeit im Studiengang<br />
Ton-und Bildtechnik<br />
an der Fachhochschule Düsseldorf<br />
Januar 1998<br />
Prüfer: Prof. Dr. Dieter Braun<br />
Prof. Dr. Karin Welkert-Sch<strong>mit</strong>t
Vorwort<br />
Zum Beginn m<strong>einer</strong> Ausführungen möchte ich darauf eingehen, was mich dazu bewegt hat,<br />
ein akustisches Thema für die Diplomarbeit zu wählen.<br />
Ausgehend vom griechischen Wort stamm "akustos" = auf das Gehör bezogen, hörbar, anzu -<br />
hören [01] erklärt sich, daß die Aku stik eine Schlüsselposition im Beruf des Toninge nieurs<br />
einnimmt. Das Wesentliche an ihm ist nämlich zu hören, bzw. sich der Vorgänge rund um das<br />
Hören bewußt zu sein, um in der Folge Hörbares kreativ gestalten zu können.<br />
Um mich <strong>mit</strong> dieser Materie einmal intensiv auseinandersetzen zu können, empfand ich es<br />
reizvoll, dies anhand von akustischen Untersuchungen an einem Musikinstrument zu tun, was<br />
gleichzeitig eine Art Reminiszenz zum rein musikalischen Anfang dieses Studiums dar stellt.<br />
Das untersuchte Instrument ist zudem ein historisches, was die Angelegenheit dar über hinaus<br />
pikant macht.<br />
Nicht zuletzt werden im Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Vergleich zu <strong>einer</strong> Kopie dieses Instru -<br />
ments auch ästhetische Aspekte beleuchtet, welche für das Resultat dieser Arbeit als Anrei -<br />
cherung angesehen werden können.<br />
Von der Bedeutung des Hörens für den Toningenieur muß zwangsläufig auf die Bedeutung<br />
des Hörens für den Menschen als solchen geschlußfolgert werden, denn dieser steht in der<br />
Rolle des Zuhörers in <strong>einer</strong> kausalen Beziehung zum Toningenieur als Klangdesigner.<br />
Um so erschreckender muten hierbei die Bilanzen über die Hörfähigkeit junger Generationen<br />
an, welche zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil ihr Hörorgan in überlauten Diskothe -<br />
ken anscheinend bedenkenlos ruinie ren. Wie sensibel und leistungsfähig unser Ohr ist, wird<br />
eindrucksvoll von dem Mitbegründer des Südwestfunks und Autor J OACHIM -E RNST B ERENDT<br />
( geb. 1922) in sei nem auf CD er schiene nen Vortrag "Ich höre, also bin ich" [09] beschrieben.<br />
Trotz zunehmender Visualisierung vieler Bereiche des Lebens sehe ich in <strong>einer</strong> besseren Aus -<br />
schöpfung alles Hörbaren einen Sinn. Es reicht nicht, das Ohr als simplen Nachrichtenemp -<br />
fänger anzusehen, es ist die hochwertigste Schnittstelle zwischen Umwelt und Bewußtsein.<br />
Ausgestattet <strong>mit</strong> den meisten Sinneszellen ist dieses menschliche Organ wohl zu Höherem<br />
bestimmt. Es verdient, daß ihm mehr Beachtung geschenkt wird.<br />
All diese interessanten Aspekte waren für mich Grund genug, diese Arbeit auf ein akustisches<br />
Thema auszurichten, denn ich möchte in der Lage sein, die Sinneswahrnehmung Hören noch<br />
bewußter zu erleben .
An dieser Stelle gilt all jenen besonderer Dank, die mir dabei geholfen haben, diese Arbeit<br />
am Ende m<strong>eines</strong> Studiums zu ermöglichen. Zu nennen wären hierbei in erster Linie meine<br />
Eltern, die mich in jeder Hinsicht unterstützten, Pro fessor Dr. Dieter Braun, der mir sowohl<br />
wis senschaftlich als auch menschlich sehr kon struktiv zur Seite stand, Dipl.-Ing. Frank<br />
Meuter, der sich in allen Fragen labortech ni scher Art stets kompetent und auskunftsbereit<br />
zeigte und für eine angenehme Ar beitsatmo sphäre sorgte, Pro fessorin Dr. Karin Welkert-<br />
Sch<strong>mit</strong>t, die sich als Zweitprüferin zur Verfü gung stellte, Di rektorin Dr. Esther Fontana,<br />
Diplomrestaura tor Klaus Gernhard sowie Samm lungskonservator Wie land Hecht vom<br />
Musikinstru menten museum der Universität Leipzig für ihre freundliche Hilfe und<br />
Unterstützung bei der Einbe ziehung des originalen <strong>Spinetts</strong> von Floriani, Seba stian Kne bel,<br />
der sich als Cembalist selbstlos und talentiert bei der Realisation der Aufnah men zur Ver fü -<br />
gung stellte, Dipl.-Ing. und Dipl.-Restaurator Thilo Viehrig, in des sen Werk statt in Kaulsdorf<br />
bei Saalfeld die Kopie des <strong>Spinetts</strong> entstand und der mir wichtige Hinweise zur Realisation<br />
des Themas dieser Di plomarbeit gab, Kanzler Werner Kowal und Frank Stadler M.A. von der<br />
Robert-Schumann-Hochschule Düs seldorf für ihre Unterstüt zung bei der Einbe ziehung der<br />
Kopie, welche Ei gentum der Musik hochschule ist, Professor Dr. Win frie d Schram mek,<br />
Museums di rek tor i.R., alle Hörversuchsteilnehmer, sowie viele mehr.<br />
<strong>Bodo</strong> <strong>Hartwig</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
I. Einleitung ................................ ................................ ................................ ...... ..1<br />
II. Das Spinett als Klangerzeuger ..................................................................... ..4<br />
1. Historie ................................ ................................ .......................... ..4<br />
2. Tonerzeugung ................................ ................................ ................ ..5<br />
3. Saitenschwingung ................................ ................................ .......... ..6<br />
4. Teiltöne ................................ ................................ .......................... ..9<br />
5. Hüllkurve ....................................................................................... 10<br />
6. Klaviatur und Stimmung ................................ ................................ 12<br />
III. Analyseverfahren ....................................................................................... 14<br />
1. Frequenzanalyse ............................................................................. 14<br />
1.1. Analyse von Schwingungen ................................ ........................ 14<br />
1.2. Diskrete Fourier-Transformation (DFT) ..................................... 19<br />
1.3. Fast Fourier-Transformation (FFT) ............................................. 19<br />
1.3.1. FFT-Analyse <strong>mit</strong> dem Programm Soundforge ......................... 20<br />
2. Lautheitsanalyse ............................................................................. 25<br />
2.1. Die Wahrnehmung der Lautstärke ................................ .............. 25<br />
2.2. Lautheit ....................................................................................... 28<br />
2.2.1. Lautheitsanalyse <strong>mit</strong> dem B&K Signal-Analysator 2148 ........ 32<br />
IV. Durchführung der Messungen ................................ ................................ .... 34<br />
1. Grundkonzept ................................................................................. 34<br />
2. Aufnahmen <strong>mit</strong> dem Meßmikrofon ............................................... 34<br />
2.1. Geräte und Hilfs<strong>mit</strong>tel ................................ ................................ 34<br />
2.2. Durchführung der Aufnahmen ................................ .................... 36<br />
3. Durchführung der Analysen ........................................................... 40<br />
3.1. FFT-Analyse ................................ ................................ ................ 40<br />
3.2. Lautheitsanalyse ................................ ................................ .......... 41
V. Hörversuch ................................ ................................ ................................ .. 42<br />
1. Grundgedanke ................................ ................................ ................ 42<br />
2. Skalen ................................ ................................ ............................ 42<br />
3. Bedingungen ................................ ................................ .................. 43<br />
4. Erstellung ....................................................................................... 44<br />
4.1.Durchführung der Musikaufnahme ................................ .............. 44<br />
4.1.1. OSS-Verfahren ......................................................................... 45<br />
4.1.2. ORTF-Verfahren ................................ ................................ ...... 46<br />
4.1.3. AB-Verfahren ................................ ................................ .......... 47<br />
4.2. Bearbeitung der Musikaufnahmen ................................ .............. 49<br />
4.3. Formuli erung von Frage und Antwortskala ................................ 51<br />
4.4. Entwurf des Fragebogens, weitere Vorkehrungen ...................... 52<br />
5. Durchfürung ................................................................................... 57<br />
5.1. Geräteaufbau ............................................................................... 58<br />
VI. Auswertung der Meßergebnisse ................................................................. 60<br />
1. Ergebnisse der FFT-Analyse ................................ .......................... 60<br />
1.1.Darstellung der Frequenzspektren ............................................... 60<br />
1.1.1. Das Dezibel (dB) ..................................................................... 61<br />
1.2. Auswertung ausgewählter Frequenzspektren ............................. 63<br />
1.2.1. Ton C/E ................................ ................................ .................... 63<br />
1.2.2. Ton D/Fis ................................................................................. 65<br />
1.2.3. Ton F ................................ ................................ ........................ 66<br />
1.2.4. Ton G ....................................................................................... 67<br />
1.2.5. Ton c ................................ ................................ ........................ 69<br />
1.2.6. Ton f ......................................................................................... 70<br />
1.2.7. Ton g ................................ ................................ ........................ 71<br />
1.3. Fazit ................................ ................................ ............................ 74<br />
2. Ergebnisse der Lautheitsanalyse ................................ .................... 75<br />
2.1. Da rstellung der Lautheitsspektren ................................ .............. 75<br />
2.2. Auswertung einzelner Lautheitsspektren ................................ .... 77<br />
2.2.1. Ton C/E ................................ ................................ .................... 77<br />
2.2.2. Ton D/Fis ................................................................................. 78<br />
2.2.3. Ton F ................................ ................................ ........................ 79
2.2.5. Ton c ................................ ................................ ........................ 81<br />
2.2.6. Ton f ......................................................................................... 82<br />
2.2.7. Ton g ................................ ................................ ........................ 83<br />
2.3. Vergleich der Gesamtlautheiten und Gesamt-Schalldruckpegel<br />
sämtlicher Töne.......................................................................... 8 4<br />
2.4. Fazit ................................ ................................ ............................ 85<br />
VII. Auswertung des Hörversuchs ................................................................... 86<br />
1. Statistische Grundlagen ................................................................. 86<br />
1.2. Beschreibende Statistik ............................................................... 86<br />
1.2.1. Häufigkeit ................................ ................................ ................ 87<br />
1.2.2. Median und Quartil ................................ ................................ .. 87<br />
1.2.3. Dispersionsindex ................................ ................................ ...... 90<br />
2. Berechnung der Daten ................................................................... 91<br />
3. Verwendete Abkürzungen ............................................................. 91<br />
4. Aufbau der Versuchsreihen ........................................................... 92<br />
4.1. Monopaare ................................ ................................ .................. 92<br />
4.2. Stereopaare ................................................................................. 93<br />
5. Auswertung der Fragebögen ................................ .......................... 94<br />
5.1. Fazit Nr. 1 ................................................................................... 105<br />
5.2. Fazit Nr. 2 ................................................................................... 108<br />
5.3. Zusammenstellung aller subjektiven Bemerkungen zu den Klang-<br />
beispielen ................................ ................................ .................... 109<br />
5.3.1. Einzeltöne (mono) ................................................................... 109<br />
5.3.2. Musikbeispiel e (stereo) ................................ ............................ 111<br />
5.4. Einzelentscheidungen ................................................................. 113<br />
5.5. Urlisten ....................................................................................... 118<br />
VIII. Abschließendes Resümee ................................ ................................ ........ 120<br />
IX. Literaturverzeichnis ................................................................................... 122<br />
CD<br />
Anhang
Kapitel I Einleitung<br />
I. Einleitung<br />
Das Kopieren von <strong>historischen</strong> Instrumenten hat eine lange Tradition. Meistens verbindet sich<br />
<strong>mit</strong> den Originalen ein besonders schöner Klang, der Name <strong>eines</strong> Musikinterpreten oder<br />
Kom ponisten oder andere historische Bedeutsamkeiten, die es berühmt werden ließen.<br />
Das Spinett von B ENEDICTI F LORIANI (16. Jhd.), welches 1571 in Venedig gebaut wurde, ist<br />
<strong>eines</strong> der ältesten erhaltenen Spinette der Welt und berühmt für seinen Klang und seine Aus -<br />
strahlung. Um dieses für seine Zeit typische Instrument zur Aufführung Alter Musik nutzen<br />
zu können, müßte es den Risiken und Belastungen des Spiel- und Konzertbetriebes ausgesetzt<br />
werden, was in keinster Weise ver antwortbar wäre.<br />
Das Beispiel läßt sich auf eine Vielzahl wichtiger Instrumente aus verschiedenen Stilepo chen<br />
übertragen. Außerdem könnte nicht jeder, der Interesse an <strong>einer</strong> solchen Auf führungspraxis<br />
hat, in den Genuß kommen, originale Instrumente dafür zu nutzen, einfach, weil es zu wenige<br />
da von gibt.<br />
Um diesem Bedarf gerecht zu werden, versuchen Instrumentenbauer und Restauratoren auf<br />
der ganzen Welt, die Geheimnisse und Besonderheiten überlieferter Instrumente zu lüften und<br />
in den Bau von Kopien einfließen zu lassen. Oftmals müssen dazu die Originale auseinander -<br />
ge nom men und vollständig vermessen und analysiert werden, da selten genauere Informa tio -<br />
nen über sie existieren. Manchmal wird diese Prozedur bei <strong>einer</strong> fälligen Restauration gleich<br />
<strong>mit</strong>erle digt und die Kopie parallel dazu gefertigt, wie es z.B. im Falle der S ILBERMANN -Orgel<br />
des Bremer Domes 1993/94 geschah.<br />
Ein Hauptproblem beim Kopieren historischer Instrumente sind die Veränderungen des<br />
Werk stof fes Holz , welche sich aufgrund des meist hohen Alters zwangsläufig einstellen und<br />
es na hezu unmöglich machen, auch durch noch so prä zise Übernahme der Konstruktion<br />
ebenso ge nau den Klang des Originals zu übernehmen.<br />
Ist es jedoch nicht unbedingt das Ziel, einen 300 oder 400 Jahre alten Klang zu kopieren, son -<br />
dern jenen, den das begehrte Instrument vielleicht in jüngeren Jahren einmal gehabt hat,<br />
kommt eine große Unbekannte ins Spiel, und es ist an den Musikern und Musikliebhabern zu<br />
beurtei len, wie gut oder schlecht eine Kopie im Vergleich zum Original klingt. Oftmals stel -<br />
len sich überra schende Ergebnisse in dieser oder jener Hinsic ht ein.<br />
1
Kapitel I Einleitung<br />
Möglichkeiten, ein historisches Originalinstrument klanglich <strong>mit</strong> <strong>einer</strong> Kopie zu vergleichen,<br />
sind denk bar selten. Manchmal steht das Original irgendwo in der Welt in einem Museum,<br />
darf dort nicht hinausbewegt werden, ist aus ir gendwelchen Gründen schlecht zu gänglich<br />
oder spielbar, oder mußte, wie zu DDR-Zeiten, vielleicht sogar nur anhand von Zeichnungen<br />
nachempfunden wer den, da der Kunsthandwerker vom Staat keine Ausreisegenehmigung<br />
erhielt.<br />
Hat man beide Instrumente zur Verfügung, stellt sich die Frage, in welchem Rahmen man den<br />
<strong>Klangvergleich</strong> durchführt. In einem Konzert, als einmalige Angelegenheit und vor <strong>einer</strong> be -<br />
grenzten Zahl an Zu hö rern? Mit einem oder mehreren Interpreten? Sind beide Instrumente<br />
überhaupt trans portabel, wel che Räumlichkeiten werden benutzt? Mit all diesen Punkten steht<br />
und fällt schließ lich auch die Qualität <strong>eines</strong> solchen Vergleiches.<br />
In jedem Fall aber kann die Tonaufnahme einen entscheidenden Beitrag dazu liefern, den<br />
Ver gleich zumindest zu dokumentieren. Doch die Tonaufnahme kann noch mehr. Sie kann<br />
den Vergleich optimieren, sogar objektivieren und einem breiten Publikum zugänglich ma -<br />
chen.<br />
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich <strong>mit</strong> dem <strong>Klangvergleich</strong> zweier gleichartiger Instru -<br />
mente unter nahezu iden tischen Bedingungen , <strong>mit</strong> dem Ziel, einen Weg aufzuzeigen, wie sich<br />
durch An wen dung moderner ton technischer Aufnahme- und Meßverfahren klangliche Unter -<br />
schiede zwi schen ori ginalen und kopierten Musikinstrumenten erstens besser feststellen und<br />
beschreiben lassen, zweitens <strong>mit</strong> Hilfe <strong>eines</strong> Hörversuchs statistisch untermauert werden<br />
können.<br />
Hierzu werden im ersten Teil die Meßverfahren Frequenz- und Lautheits ana lyse und deren<br />
praktische Durchführung am Beispiel des F LORIANI-<strong>Spinetts</strong> und s<strong>einer</strong> Kopie näher be schrie -<br />
ben. Anschließend wird auf die Bedeutung und das Prinzip des Hör ver su ches einge gangen<br />
sowie seine Durchführung erläutert. Danach sollen exemplarisch einige interessante Meß-<br />
und Analyse- Ergebnisse und der komplette Hörversuch ausgewertet werden, um schließ lich<br />
ein Resümee über den <strong>Klangvergleich</strong> der beiden Instrumente ziehen zu können.<br />
Zu <strong>einer</strong> Arbeit, die sich <strong>mit</strong> Klangunterschieden befaßt, gehört in jedem Fall ein begleitender<br />
Tonträger. Dem Leser werden daher sämtliche in die Untersuchungen einbezogenen Aufnah -<br />
men sowie der komplette Hörversuch auf <strong>einer</strong> CD zugänglich gemacht. Darüberhinaus sind<br />
alle Analyse-Ergebnisse in einem Anhang nachschlagbar.<br />
2
Kapitel I Einleitung<br />
Die Instrumente<br />
Das Original steht im Musikinstrumenten-Museum der Univer sität Leipzig und wur de 1994<br />
von dem thüringischen Instrumentenbauer und Dipl.-Restaurator T HILO V IEHRIG und seinem<br />
Mit arbeiter G ÜNTER T ROBISCH als Auf tragswerk für die Robert-Schu mann-Hoch schule Düs -<br />
seldorf zum Zwecke des praktischen Ge brauchs kopiert.<br />
Im Rahmen <strong>einer</strong> Diplomarbeit des Studienganges Ton- und Bildtechnik kann der Be reich des<br />
Instrumentenbaus nur am Rande berührt und auch im Hinblick auf Klangunterschiede keine<br />
Ursa chenforschung betrieben werden.<br />
3
Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
II. Das Spinett als Klangerzeuger<br />
1. Historie<br />
Das Spinett zählt zur Gattung der sogenannten Kielklaviere . Der Begriff Kiel bezieht sich auf<br />
die Verwendung von Rabenfeder kiel en zum Anreißen der Saiten.<br />
Der Terminus Kielklavier ist heute üblich, um Instrumente in Flügelform, also Cembali und<br />
kl<strong>einer</strong>e, quer vor dem Spieler liegende Formen wie Spinette und Virginale zusammenfas send<br />
zu benennen [16]. Ihren Ursprung haben Kielklaviere in der Form des Cembalos im 15. Jahr -<br />
hun dert. Zur Klan gerzeugung bedient es sich <strong>einer</strong> mechanischen Zupftechnik. Das Cembalo<br />
stellt im Prin zip ein mechanisiertes Psalterium dar [17], wobei das Psalterium ein <strong>mit</strong>telalter -<br />
li ches In stru ment, ähnlich der Zi ther ist, von dem auch die Rosette (Verzierung des Schall -<br />
lochs) über nommen wurde. Später kamen die etwas abgewandelten und platzsparenderen<br />
Bauformen des <strong>Spinetts</strong> und des Virginals hinzu, wel che alle dasselbe Prinzip der Klanger -<br />
zeugung benut zen. Unter dem Spinett versteht man meistens die italienische Bauform, welche<br />
einen polygo nalen Schallkör per aufweist, während das Virginal, meist flämischer Herkunft,<br />
vorwiegend in rechtecki ger Form ge baut wurde.<br />
Abb. 2.1. Skizze<br />
aus Michael Praetorius´<br />
Syntagma Musicum ,<br />
1618 [22]<br />
Spinett (<strong>mit</strong>te),<br />
Virginal <strong>mit</strong> zentraler<br />
Klaviatur (unten),<br />
Octavina (oben) daneben<br />
verschiedene<br />
Zubehörteile:<br />
oben einige Federkiele,<br />
links zwei Drahtrollen,<br />
der Stimmhammer,<br />
ein Kielmesser und<br />
ein Haken, um in die<br />
Saiten Ösen zu machen,<br />
rechts eine Zwinge oder<br />
Klammer [17]<br />
4
Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
Für den Ursprung des Wortes Spinett, das bereits 1496 auftaucht, gibt es verschiedene Erklä -<br />
rungen. Der italienische Komponist Banchieri vermutet in seinen "Conclusioni" (1609), daß<br />
es sich von Giovanni Spina herleitet, dem Erbauer <strong>eines</strong> Instruments aus dem Jahre 1501, das<br />
Banchieri gesehen hatte. Nach <strong>einer</strong> anderen Theorie geht es auf die dornenähnlichen Plektra<br />
des Instruments zurück, wobei spinetta Diminutiv von italienisch spina (Dorn) ist. Praetorius<br />
und andere halten das Spinett für ein kl<strong>eines</strong> Instrument, das eine Quinte oder Oktave höher<br />
als nor mal gestimmt war [17].<br />
2. Tonerzeugung<br />
Der Tonerzeugungsmechanismus der Kielklaviere ist folgender:<br />
Abb. 2.2. Mechanismus zur Tonerzeugung der Kielklaviere, hier in doppelter Ausführung [18]<br />
Am Hebelende jeder Taste der Klaviatur sitzt lose eine Docke auf (auch Springer genannt),<br />
die <strong>mit</strong> einem an <strong>einer</strong> beweglichen Zunge befestigten kleinen Plektrum versehen ist (aus<br />
Leder oder Federkiel). Wenn der Spieler eine Taste drückt, springt die Docke nach oben und<br />
reißt <strong>mit</strong> dem Plektrum die Saite an. Wird die Taste losgelassen, fällt die Docke zurück und<br />
die Zunge weicht dank <strong>einer</strong> geschickt angebrachten Feder (Schweinsborste) aus, so daß das<br />
Plek trum bei seinem Rückweg die Saite ohne Berührung passiert.<br />
5
Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
Wenn die Docke in ihre Ausgangsstellung zurückkehrt, bringt ein Dämpfer (aus Filz) die<br />
Saite zum Stillstand. Eine geschlitzte Dockenleiste (Springerrechen) gewähr leistet die senk -<br />
rechte Führung der Docken beim Tastenanschlag [17].<br />
Diese Art von Mechanik gestattet es dem Spieler jedoch nicht, in irgend<strong>einer</strong> Weise dyna -<br />
misch auf den zu erzeugenden Ton einzuwirken, da der un<strong>mit</strong>telbare Kontakt zur Saite, im<br />
Gegen satz zum damals ebenso verbreiteten Klavichord, verhindert wird. Sie erfordert viel -<br />
mehr eine Spiel weise, di e ihren Ausdruck durch entsprechende Artikulation und Agogik ge -<br />
winnt.<br />
3. Saitenschwingung<br />
Voraussetzung für das Schwingen <strong>einer</strong> Saite ist ihre Spannung. Diese wird erreicht, indem<br />
man sie an den Enden befestigt. Durch das Aufwickeln des einen Endes auf den Wirbel läßt<br />
sich der Grad der Spannung variieren (Tonhöhe).<br />
Eine Saite schwingt als Ganzes (Grundfrequenz) und in Teilen (Obertöne), wobei die Ton -<br />
höhe und auch ihr Klang von ihrer schwingenden Länge (Mensur), der Saitenspannung und<br />
dem Pro dukt aus Querschnitt und spezifischem Gewicht (= Dichte) des Saitenmaterials ab -<br />
hän gen.<br />
Der Zusammenhang zwischen den genannten Größen in Bezug auf die Frequenz <strong>einer</strong><br />
schwin genden Saite wird durch die T AYLORSCHE Formel ausgedrückt [19]:<br />
Gerät eine Saite in Schwingung, entsteht eine Vielzahl an Schwingungsbäuchen (Orte maxi -<br />
ma ler Auslenkung) und Schwingungsknoten (Punkte ohne Auslenkung). (Siehe Abb. 2.3)<br />
6
Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
Abb. 2.3. Auftreten von Teilschwingungen bei <strong>einer</strong> Saite [19]<br />
Die Anregung der Saiten erfolgt beim Spinett durch das Anzupfen (Anreißen) <strong>mit</strong> einem<br />
Plek trum (Federkiel). Das bedeutet: Sie wird zunächst langsam aus ihrer Ruhelage gebracht,<br />
um ab einem gewissen Grad der Auslenkung sich selbst überlassen zu bleiben. Je nach Breite<br />
des Plek trums ergibt sich eine entsprechend geformte Auslenkstelle (Knick) an der Saite, die<br />
in ihrer Form bis zum Ende der Schwingung erhalten bleibt. Man spricht von einem soge -<br />
nannten Schat tenbild [19] des Plektrums, welches sich in der Art und Breite des i n der Saite<br />
er zeugten Fre quenz spek trums äußert. Es gilt: Je breiter das Plektrum ist und je näher die An -<br />
zupfstelle an der Saiten <strong>mit</strong>te liegt, desto schwächer fallen die Teilschwingungen aus.<br />
Da die Saite selbst nur eine geringe Fläche hat, ist sie nicht imstande, genügend Schwin -<br />
gungse nergie in die für das Zustande kommen von Schall notwendige Luftverdrängung flie ßen<br />
zu las sen. Ihre Energie muß deshalb <strong>mit</strong> Hilfe <strong>eines</strong> Resonators (Resonanzboden) ent -<br />
sprechend trans formiert werden, so daß aus Schwingungen <strong>mit</strong> kl<strong>einer</strong> Fläche aber großer<br />
Amplitude solche <strong>mit</strong> großer Fläche und geringerer Amplitude werden. Von seinen Übertra -<br />
gungseigen schaften hängt es letztlich ab, welche der Teil schwingungen <strong>einer</strong> angeregten Saite<br />
wie stark in die jeweiligen Schallwellen einfließen. Der Re sonator wirkt so<strong>mit</strong> als Filter für<br />
die von der Saite erzeugten Teilschwingungen. Er kann Fre quenzen mehr oder weniger<br />
"verstärken" bzw. hervorheben und formt so<strong>mit</strong> den Klang des In strumentes. Können sich<br />
einzelne Frequenzen oder Frequenzberei che besonders stark entfalten, spricht man von<br />
Formanten . Diese existieren unabhängig von den gespielten Tönen und färben das Gesamt -<br />
klangbild immer auf dieselbe Weise. Die Vokale der menschlichen Sprache basieren auf For -<br />
manten, die durch den Mund- und Rachenraum in s<strong>einer</strong> Funktion als Resonator und Filter<br />
sogar auf variable Weise er zeugt werden können. Bei Musik instrumenten sind die Formanten<br />
jedoch meist fest.<br />
7
Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
Abb. 2.4. Saitenbezug-Tabelle des Originalinstrumentes, (eine Saitenbezug-Tabelle der Kopie lag nic ht vor)<br />
8
Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
4. Teiltöne<br />
Die bei der Anregung <strong>einer</strong> Saite erzeugten Teilschwingungen unterliegen, wie auch andere<br />
Schwingungssysteme, dem Ord nungs prinzip der Natur- bzw. Teiltonreihe.<br />
P YTHAGORAS (ca. 582-507 vor Chr.) entdeckte bei seinen Experimenten <strong>mit</strong> dem Monochord ,<br />
daß sich bei Teilung der Saitenlänge im Verhältnis ganzer Zahlen konsonante Töne ergeben.<br />
So resultiert aus dem Ver hältnis 2 : 1 die Oktave, aus 3 : 2 die Quinte, aus 4 : 3 die Quarte,<br />
aus 5 : 4 die große Terz usw. [20].<br />
Abb. 2.5. Teiltonaufbau des Tones C [21] (bei a1 = 440 Hz), das Verhältnis der Ordnungszahlen reprä sentiert<br />
das jeweilige Intervall<br />
Diese Natur- bzw. Teiltöne, auch Harmonische oder Partialtöne genannt, sind sozusagen der<br />
Grundstoff aller Töne und Musik, wobei unter Ton bereits das beim Anschlagen <strong>einer</strong> Taste<br />
erzeugte Teiltonge misch zu verstehen ist.<br />
Die in Abb. 2.5 dargestellte Naturtonreihe läßt sich z.B. hörbar machen, in dem man eine<br />
Sägezahnschwingung <strong>mit</strong> einem schmalbandigen Filter "durchfährt". � CD, Track 79<br />
Am Klang <strong>einer</strong> ungefilterten Sägezahnschwingung ( � CD, Track 78) wird deutlich, wie<br />
wichtig die Filtereigenschaften natürlicher Resonanzsysteme für das Entstehen harmoni scher<br />
Klänge sind. Eine in allen Teilschwingungen gleichartig von einem Resonanzboden in<br />
Schallwellen transformierte <strong>Spinetts</strong>aite würde wahrscheinlich alles andere als schön klingen.<br />
Linearität ist kein Garant für guten Klang.<br />
9
Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
5. Hüllkurve<br />
Die Schwingung der <strong>Spinetts</strong>aite wird durch das Anreißen <strong>mit</strong> dem Federkiel hervorgerufen.<br />
Ihre Teilschwingungen werden vom Resonanzboden in deutlich hörbare Schallwellen trans -<br />
for miert. Es treten Reibungsverluste auf, die zum Ende aller Schwingungen führen (so fern der<br />
Spieler die Saite nicht vorher abdämpft). Da<strong>mit</strong> handelt es sich um ein gedämpftes Schwin -<br />
gungssystem, dessen zeitlicher Amplitudenverlauf durch physikalische, auf das je weilige In -<br />
strument bezogene Gesetzmäßigkeiten vorgeschrieben ist.<br />
Das bei Synthesizern verwendete Modell zur Beeinflussung des zeitlichen Ablaufs von<br />
Schwin gungen ist die sogenannte ADSR-Hüllkurve. Sie gestattet dem Musiker, z.B. zur Imi -<br />
tation natürlicher Klang muster den zeitlichen Amplituden verlauf <strong>mit</strong> Hilfe der vier Para me ter<br />
A ttack, D ecay, S ustain, R elease selbst zu bestimmen. Sie ist so<strong>mit</strong> auch hervorragend dazu<br />
geeignet, natürli che Schwingungsvorgänge wie beispielsweise einen Spinetton zu erklä ren<br />
und zu verstehen.<br />
Abb. 2.6. ADSR-Hüllkurve [15] als Modell für den Spinetton<br />
Der Inhalt obenstehender Abbildung erklärt sich wie folgt:<br />
Durch den Tastendruck wird ein Spannungsimpuls an den Oszillator geschickt, worauf dieser<br />
zu schwingen anfängt. Seine Amplitude erreicht dabei in der Attack-time (Einschwingdauer)<br />
einen zu bestimmenden Wert (Attack-level), welcher in der Decay-time logarithmisch auf den<br />
zu bestimmenden Wert des Sustain-level abfällt, auf dem er dann so lange verharrt, bis die<br />
Ta ste losgelassen wird, worauf die Oszillation innerhalb der Release-time verklingt.<br />
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Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
Hieran lassen sich logische Parallelen zum Amplitudenverlauf <strong>eines</strong> Spinett ones ziehen:<br />
Der Spieler schlägt die Taste an, durch den Mechanismus wird die Saite in kürzester Zeit auf<br />
die maximale Amplitude gebracht, vereinfacht ausgedrückt:<br />
Attack-time = 0 ; Attack-level = max.<br />
Da eine weitere Energiezufuhr ausbleibt, verklingt der Ton nach den Gesetzen der gedämpf -<br />
ten Schwingung bzw.:<br />
Decay-time = beliebig ; Sustain-level = 0<br />
Läßt der Spieler die Taste los, fällt die Docke nach unten und der Dämpfer stoppt die Saiten -<br />
schwin gung in kurzer Zeit oder:<br />
Release-time = min.<br />
Die Universalität und Begrifflichkeit der ADSR-Hüllkurve erlaubt, eine Vielzah l * von Ampli -<br />
tudenverläufen <strong>mit</strong> einfachen Worten modellhaft-eindeutig zu beschreiben, was auch bei der<br />
Thematik dieser Arbeit von hohem Nutzen sein kann. Im Kapitel VI, Auswertung der Me ß -<br />
ergebnisse, soll davon Gebrauch gemacht werden.<br />
Wie wichtig die Einschwingvorgänge für die Wiedererkennung beispielsweise <strong>eines</strong> Instru -<br />
men tenklanges sind, läßt sich eindrucksvoll an Klangbeispielen erkennen, bei denen si e feh -<br />
len. Aber auch die Release-time (im Falle des Spinettes das Loslaßgeräusch der Taste <strong>mit</strong> der<br />
au tomati schen Abdämpfung der Saiten) enthält <strong>mit</strong>unter wichtige, für den Instrumenten klang<br />
typische Charakteri stika, die bei der Tonaufnahme unter keinen Umständen ausgeblen det<br />
oder ander weitig ent fernt werden sollten.<br />
Im Falle der meßtechnischen Analyse kann dies zur Erzielung bestimmter Ergebnisse jedoch<br />
notwendig werden.<br />
* Ein anderes Beispiel: Um einen Orgelklang zeitlich zu beschreiben, würde man die Attack-time auf einen kleinen<br />
Wert setzen, den Attack level auf maximal, die Decay-time auf Null und den Sustain-level auf maximal. Die<br />
Release-time wäre ebenfalls kurz zu wählen. Durch das Heraufsetzen des Sustain-level wird man auch sta tionären<br />
Vorgängen gerecht.<br />
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Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
6. Klaviatur und Stimmung<br />
Die in dieser Arbeit untersuchten Instrumente sind einmanualig und haben den Tastenumfang<br />
von E bis f 3 , jedoch einen Tonumfang von C bis f 3 . Diese Besonderheit wird ermöglicht durch<br />
die sogenannte kurze Oktave , bei der die eigentliche E -Taste als C , die Fis -Taste als D und<br />
die Gis -Taste als E gestimmt werden. Man bezeichnet sie entsprechend <strong>mit</strong> C/E , D/Fis und<br />
E/Gis . Durch diese technische Raffinesse erreicht man einen tatsächlichen Tonumfang von<br />
mehr als vier Oktaven, wenn man berücksichtigt, daß die fehlenden chromatischen Töne Cis ,<br />
Dis und Gis in der Praxis Alter Musik selten gebraucht werden.<br />
D<br />
E<br />
C F G A<br />
B<br />
H<br />
Abb. 2.7. Tonanordnung bei der 'Kurzen Oktave'<br />
Hinsichtlich der Stimmtonhöhe des F LORIANI-<strong>Spinetts</strong> gibt es keine sicheren Angaben. Es<br />
wird vermutet, daß aufgrund <strong>einer</strong> verhältnismäßig langen Mensur (effektiv schwingende<br />
Länge der Saite) das Instrument als sogenanntes Transponierinstrument benutzt wurde, wo bei<br />
es bis zu <strong>einer</strong> Quarte unter dem heutigen Kammerton a 1 = 440 Hz gelegen haben muß. Über -<br />
liefert ist diese Funktion von doppelmanualigen Instrumenten, deren unteres Manual diese<br />
Merkmale aufwies, wobei es beispielsweise der Begleitung <strong>einer</strong> Altstimme diente, wel che<br />
eine für Sopran geschriebene Stimme singen wollte.<br />
Ein weiteres Indiz für diese Verwendung wäre der oben genannte Tonumfang, der im Falle<br />
<strong>einer</strong> Transposition als höchsten Ton ein c 3 hätte, was dem erforderlichen Tonumfang der da -<br />
maligen Literatur genügte. Zudem wird der Klang des Instrumentes von Fachleuten in der tie -<br />
feren Stimmung subjektiv für schöner befunden als in der hohen, was ebenso für die Be stim -<br />
mung des Instrumentes zu Transponierzwecken spräche.<br />
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Kapitel II DasSpinett alsKlangerzeuger<br />
Die beiden in dieser Arbeit untersuchten Instrumente wurden zum Zwecke der Aufnahmen in<br />
eine sogenannte <strong>mit</strong>teltönige Stimmung versetzt, welche in der Renaissance am verbreitetsten<br />
war.<br />
Die Problematik der verschiedenen Tonsysteme und Stimmungen soll hier nur kurz ange -<br />
schnitten werden: P YTHAGORAS erkannte, daß das Aufaddieren von zwölf Quinten nicht wie<br />
erwartet zum entsprechend oktavierten Grundton führt, sondern in der Frequenz um einen<br />
kleinen Betrag höher liegt, der als pythagoräisches Komma bezeichnet wird und fast einen<br />
viertel Halbton ausmacht. Die Aufaddierung anderer Intervalle führt zu ähnlichen Diskrepan -<br />
zen, die in der Natur der Teiltöne liegen.<br />
In der Geschichte hat man sich verschiedentlich daran versucht, diesen Differenzbetrag durch<br />
geschickte Aufteilung auf weniger benutzte Töne <strong>einer</strong> Oktave in s<strong>einer</strong> störenden Wirkung<br />
zu umgehen, was jedoch immer nur zu Kompromissen führte. Erst die sogenannte Temperie -<br />
rung , das gleichmäßige Aufteilen auf alle zwölf Halbtöne brachte im 18. Jhd. ein Ergebnis,<br />
das als revolutionär angesehen wurde. J OHANN S EBANSTIAN B ACH (1685-1750) widmete ihm<br />
einen kompletten Stücke-Zyklus, das Wohltemperierte Klavier .<br />
Die gleichschwebend temperierte Stimmung ist heutzutage Standard und findet auf den mei -<br />
sten Tasteninstrumenten Verwendung. Dennoch bilden ungleichstufige Temperierungssy -<br />
steme, wie die <strong>mit</strong>teltönige Stimmung, die Grundlage für (von Kennern) sehr geschätzte Ton -<br />
artencharakteristiken [20]. Die da<strong>mit</strong> ver bundenen Hörein drücke mögen in der heutigen Zeit<br />
etwas befremdlich sein, sie entsprechen jedoch der Vorstellung des Komponisten der jeweili -<br />
gen Epoche und sollten in jedem Falle Be standteil der Aufführungspraxis Alter Musik sein.<br />
Diplomarbeit ©<strong>Bodo</strong><strong>Hartwig</strong>1998<br />
EndeTeil1<br />
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