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Hilla von Rebay und Rudolf Bauer - Theodor-Frank-Schule

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<strong>Hilla</strong> <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong><br />

Ein Projekt der <strong>Theodor</strong>- <strong>Frank</strong>- <strong>Schule</strong> Teningen<br />

Teilnehmer: Irina Horne, Milena Weber, Mathias Danzeisen, Moritz Flösch, Sebastian<br />

Held, Jenny Kleißler, Elisa Krahl, Nico Hauser<br />

Projektleiterinnen: Martha Putz <strong>und</strong> Brigitte Scheelen


<strong>Hilla</strong> mit ihrem Bruder<br />

Selbstportrait 1905<br />

„Ich will bis 2004 leben!“ sagte <strong>Hilla</strong> in einem<br />

Interview mit Gerd Ruge im Jahr 1966. Warum sie<br />

gerade diese Jahreszahl gewählt hat, wissen wir<br />

nicht.<br />

Ihr Wunsch, den sie laut ihrer Aussage schon als<br />

Kind gehegt hat, ist in Erfüllung gegangen.<br />

Heute schreiben wir das Jahr 2005 <strong>und</strong> <strong>Hilla</strong> lebt ! Wir<br />

haben <strong>Hilla</strong> <strong>und</strong> ihr Lebenswerk wieder entdeckt. In<br />

Teningen erinnern wir an sie in ihrem Elternhaus.<br />

Auch in Freiburg gedachte man im letzten Jahr ihrer<br />

<strong>und</strong> widmete ihr eine kleine Ausstellung.<br />

Entsprechend ihrem Lebensweg aus dem kleinen<br />

Teningen hinaus in die große weite Welt des<br />

Glamours werden ihre Bilder dieses Jahr im<br />

Guggenheim in N.Y. gezeigt werden, dann 2006 in<br />

München. <strong>Hilla</strong>s Wunsch - 1966 ausgesprochen - ist<br />

also in Erfüllung gegangen. Sie hätte sich darüber<br />

gefreut!<br />

Sie glaubte<br />

fest daran,<br />

dass ihr<br />

Lebenswerk<br />

Geschichte<br />

machen<br />

würde <strong>und</strong><br />

sammelte<br />

deshalb alle<br />

Korrespondenz,<br />

alles<br />

Geschriebene:Telefonrechnungen,<br />

Geschäfts-<br />

Selbstportrait<br />

briefe <strong>und</strong> die gesamte private Post <strong>von</strong> 1902 - 1967, eingeschlossen ihre eigenen Briefe<br />

an <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>, die sie 1940 <strong>von</strong> ihm zurückforderte. Vor ihrem Tod richtete <strong>Hilla</strong> eine<br />

Fo<strong>und</strong>ation ein, wo alle ihre Papiere <strong>und</strong> Kunstwerke verwahrt werden sollten. So kommt<br />

es, dass man so viel über sie erfahren kann.<br />

<strong>Hilla</strong> war ein vielschichtiger Mensch: begabt, beliebt, geliebt, hilfsbereit, intelligent,<br />

überschwänglich, idealistisch, sensibel, extravagant, tatkräftig, mitunter herrschsüchtig<br />

<strong>und</strong> überheblich - aber auch hysterisch, dann - eine sehr moderne, eigenständige Frau,<br />

die aber lebenslänglich abhängig <strong>von</strong> einem Mann war, der ebenso viele Facetten hatte,<br />

wie sie selbst: <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>. Wer weiß, wie ihr Leben verlaufen wäre, hätte sie sich nicht<br />

- 1 -


<strong>von</strong> ihm derart stark beeinflussen lassen. Ihm schrieb sie in guten <strong>und</strong> in schlechten<br />

Zeiten, unendlich oft - Dokumente, wie man sie sonst nur in Tagebüchern findet. Er<br />

antwortete regelmäßig. Als Geliebter fesselte er sie, als Künstler hielt sie ihn für genial -<br />

<strong>und</strong> das auch in den Zeiten, als sich ihre Liebe in Hass gekehrt hatte. Der komplette<br />

Briefwechsel zwischen <strong>Bauer</strong> <strong>und</strong> <strong>Rebay</strong> liegt im Guggenheim in N.Y., wo ihn die<br />

Historikerin Dr. Sigrid Faltin für ihren Film “Die Baroness <strong>und</strong> das Guggenheim“ sichtete<br />

<strong>und</strong> ihn uns für diese Arbeit zur Verfügung stellte.<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong><br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong><br />

<strong>Bauer</strong>: Karikatur, 1911<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>: The holy one<br />

<strong>Hilla</strong> behauptete, dass das US<br />

Pavillon bei der New Yorker Welt-<br />

ausstellung (1936) nach diesem Bild<br />

entworfen wurde.<br />

<strong>Bauer</strong> wurde am 17. Februar 1889 in Lindenwald in<br />

Schlesien geboren. Er wuchs in Berlin auf <strong>und</strong> lebte<br />

dort, bis er im Sommer 1939 in die USA emigrierte.<br />

<strong>Bauer</strong> studierte Kunst <strong>und</strong> veröffentlichte schon vor<br />

dem 1. Weltkrieg in verschiedenen satirischen<br />

Blättern Witze <strong>und</strong> Karikaturen.<br />

- 2 -


1915 bot ihm Herwarth Walden, führender Galerist in Berlin <strong>und</strong> Herausgeber des<br />

Magazins „Der Sturm“, an, in dieser Zeitschrift mitzuarbeiten. Von nun an erschienen<br />

seine Werke <strong>und</strong> Artikel regelmäßig im „Sturm“. Ab 1917 war er Waldens Assistent.<br />

Er organisierte Ausstellungen <strong>und</strong> kaufte für Walden auf Auktionen ein.<br />

<strong>Hilla</strong> lernte <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong> 1917 in der Galerie Walden in Berlin kennen - zwei junge<br />

Menschen, die sich sehr für Musik <strong>und</strong> die Kunst interessierten. Beide waren gute<br />

Musiker - sie spielte hervorragend Klavier <strong>und</strong> er die Violine <strong>und</strong> beide hatten Kunst<br />

studiert <strong>und</strong> liebten die Nicht- gegenständliche Kunst. <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong> bemühte sich sehr um<br />

<strong>Hilla</strong> <strong>und</strong> so wurden sie Ende 1917 ein Liebespaar.<br />

<strong>Hilla</strong> schrieb 1918 an <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

(o.D. 1918?)<br />

Guten Morgen Pappi,<br />

Lieber Liebling, ich denke an Dich <strong>und</strong> liebe Dich, Dein Baby <strong>Hilla</strong><br />

- 3 -


<strong>Bauer</strong> schrieb:<br />

<strong>Bauer</strong><br />

Beide liebten einander sehr.<br />

Sie malte teilweise noch gegenständlich, aber ihre Vorliebe galt der Nicht-<br />

gegenständlichen Kunst, sehr zum Leidwesen ihres Vaters. Aus Teningen, also<br />

getrennt <strong>von</strong> <strong>Bauer</strong>, ihren Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> der Kunstszene, schreibt sie1918:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

5.12.1918<br />

<strong>Hilla</strong> süßi!<br />

Meine Trauer, daß ich nicht Deinen Kopf in meinen Händen halten<br />

<strong>und</strong> in Deine Augen schauen kann, so lang <strong>und</strong> so tief, so tief, so<br />

tief, daß ich in ihren Tiefen untergehen, ertrinken könnte, bis ich vor<br />

Glück die Besinnung verliere <strong>und</strong> nicht mehr zurückkehren brauch<br />

in diese Welt. Diese Auflösung wünsch ich mir. Aber dann würd ich<br />

Dich ja nicht mehr wiedersehen; also wünscht ich sie mir doch<br />

lieber nicht.<br />

Gestern hat mein Vater sich d. Sturm<br />

mitgenommen <strong>und</strong> unten daraus meiner<br />

Mutter vorgelesen <strong>und</strong> mit welchem Hohn!<br />

Er sagt mir keinen Ton, aber wie ich merkte,<br />

dass er das machte, war ich erledigt. Mein<br />

Vater mischt sich in alles ich kann keine<br />

Zeichnung, kein Buch liegen haben, in alles<br />

schaut er, lächelt höhnisch – <strong>und</strong> schimpft<br />

bei meiner Mutter drüber, an der ich`s<br />

gleich merke; für ihn ist Kunst eine Form<br />

<strong>und</strong> zwar!! eine korrekte!!<br />

Die Eltern waren überhaupt nicht mit <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong> einverstanden: zu Recht, wie sich im<br />

Laufe der Zeit herausstellen sollte.<br />

Antonie <strong>und</strong> Franz Josef <strong>Rebay</strong> <strong>von</strong> Ehrenwiesen<br />

- 4 -


<strong>Hilla</strong><br />

April 1921<br />

<strong>Bauer</strong><br />

1.5.1921<br />

Ein anderes Mal schreibt er:<br />

<strong>Bauer</strong><br />

15.4.1921<br />

Ich hatte eine böse Scene neulich mit<br />

Toni, ach es war so furchtbar, <strong>und</strong> der<br />

Erfolg, dass ich so krank wurde, ich<br />

sagte ihr, sie soll mich nie mehr<br />

besuchen, aber den nächsten Tag, ich<br />

war halt bewusstlos, kam sie doch mit<br />

Milch <strong>und</strong> jeden Tag wieder, als sei<br />

nichts gewesen <strong>und</strong> jetzt tut sie alles<br />

Gute. Papa hätte gesagt, wenn ich zu<br />

Dir ging, erschösse er Dich u. wenn er<br />

ins Zuchthaus käme.<br />

Das Wohnzimmer in Teningen<br />

Das darf ein Mensch sagen, der uns auf den Knien danken sollte,<br />

daß wir ihn nicht am 9. November 1918 kaltschnäuzig über den<br />

Haufen geschossen haben.<br />

<strong>Hilla</strong> <strong>Rebay</strong>: <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>, Bleistiftzeichnungen<br />

Armes Kind! Bis jetzt war mir Erfolg immer sehr egal. Jetzt wünsch<br />

ich mir aber doch, daß ich endlich welchen habe. Deinetwegen.<br />

Denn hier scheint nur Geld aufzuräumen <strong>und</strong> Ruhe zu bringen. Alles<br />

andere ist wirkungslos. Ich bin mehr Dein Fre<strong>und</strong>, als Du denkst,<br />

sonst würde ich mich mit Dir ebensowenig auseinandersetzen wie<br />

mit Deinen Eltern. Nicht ich wollte Dich mit Deinen Eltern<br />

auseinanderbringen, aber diese wollen uns auseinanderbringen.<br />

Denn sie haben gemerkt, daß sie mich nicht kleinkriegen, solange<br />

wir nicht auseinander sind. Wenn sich die klimakterischen Jahre<br />

Deiner Mutter so äußern, daß sich ihre Menstruation, statt zu<br />

- 5 -


verschwinden, in den Kopf steigt, so daß sie geistig unwohl wird,<br />

<strong>und</strong> zwar alle 8 Tage statt 4 Wochen, so ist das schon für sie<br />

schlimm; aber es ist gemein, wenn diese geistige Menstruation<br />

andere Leute mitmachen sollen. „Sie hat auch ihre guten<br />

Momente“!! Lieber Himmel, die hat jeder Spießer.<br />

Kitschsentimentalität, Familiensentimentalität.<br />

Dazu kam, dass <strong>Bauer</strong> immer in Geldschwierigkeiten war. <strong>Hilla</strong> unterstützte ihn während<br />

ihrer ganzen Beziehung finanziell. Wann immer sie konnte, schickte sie ihm Geld, aber<br />

auch die Eltern gaben ihm welches. Später wurde er sehr großzügig <strong>von</strong> Guggenheim<br />

unterstützt.<br />

1920 schreibt <strong>Hilla</strong>:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

(24.1.1919)<br />

<strong>Hilla</strong><br />

(1920)<br />

Mein guter lieber Bär!... ich habe wieder tausend Mark bekommen,<br />

ich schicke sie Dir, verwende Du es statt meiner, das ist jetzt Deine<br />

Pflicht <strong>und</strong> im Übrigen reden wir nie mehr da<strong>von</strong>, weil es zu<br />

unwichtig ist...Du bist Deiner Begabung mehr schuldig als ich der<br />

meinen. Deine <strong>Hilla</strong><br />

Lieber, lieber Pappi, Ja, wir gehen ganz bald in die Berge, Du u. ich –<br />

Und dann wird alles gut, car je t’aime. Ich schicke Dir 300 Mark,<br />

damit Du alle Kohlen bezahlst <strong>und</strong> Geld hast u. gut isst u. Dich wohl<br />

fühlst, damit Du Dich freust, wenn ich komme – Ich bin immer lieb<br />

zu Dir, viele Liebe <strong>und</strong> bald sehe ich Dich, Deine <strong>Hilla</strong><br />

Berliner Atelier 1914<br />

Zuerst hatte <strong>Hilla</strong> in Berlin ein eigenes Atelier, aber 1919 mietete sie in Berlin-<br />

Charlottenburg ein Studio <strong>und</strong> zog mit <strong>Bauer</strong> zusammen, obwohl sich schon bald<br />

Schwierigkeiten in der Beziehung einstellten. Sie setzten sich über alle gesellschaftlichen<br />

Konventionen hinweg <strong>und</strong> heirateten nicht. Typisch <strong>Hilla</strong>: Sie wollte ihre Unabhängigkeit<br />

demonstrieren <strong>und</strong> zahlte die gesamten Mietkosten, für die sie auch weiter aufkam, lange<br />

nachdem sie nicht mehr in Deutschland lebte.<br />

- 6 -


Nun lebte sie in Berlin, den Winter jedoch verbrachte sie bei ihren Eltern in Teningen, wo<br />

sie ihren Lebensunterhalt (vielleicht auch den <strong>Bauer</strong>s?) mit Porträtmalerei bestritt.<br />

Dazu sagt <strong>Bauer</strong>:<br />

<strong>Bauer</strong><br />

3.8.1920<br />

<strong>Bauer</strong><br />

7.8.1920<br />

Wegen der Portraits bedaure ich Dich, daß Du soviel Arbeit <strong>und</strong><br />

Anstrengung hast. Ich dachte, man kann so einen Schmarrn so in 3<br />

bis 4 Sitzungen herunterhauen. Doch ist es ja bald vorüber, mein<br />

Liebling, <strong>und</strong> dann sollst Du Dich in Berlin ausruhen. Ich werde es<br />

Dir nicht schwer machen. Denn da Du mein süßes Lieb bist, will ich<br />

sehen, daß Du lächelst. Mein Hildegardchen soll lächeln, zufrieden<br />

wie ein Heiligenbild. Du wirst auch nicht putzen <strong>und</strong> nichts<br />

dergleichen tun dürfen, denn wie ichs bis jetzt getan, werd ichs<br />

selbstverständlich weiter tun. Nur darfst Du über den putzenden<br />

Künschtler nicht die Nase rümpfen. Denke daran, daß hier in Berlin<br />

Dein Pappi sitzt <strong>und</strong> sich auf sein Lieb freut.<br />

Meinst Du nicht, daß man Dir die Portraiterei verschafft hat, um uns<br />

zu entzweien, weil man vermutete, Du würdest eine angemessene<br />

Bekanntschaft finden? Meinst Du das nicht? Und nun unterliegst Du<br />

ihnen. Du kannst felsenfest überzeugt sein, daß ich inbrünstig auf<br />

den Tag gehofft hab, Dir ein schönes Leben nach unserer Weise <strong>und</strong><br />

Art bieten zu können (zuweilen hatte ich immer wieder das Gefühl,<br />

als könnte es nicht mehr allzu lange dauern, bauend auf meine<br />

Kunst).<br />

Herwarth <strong>und</strong> Nell Walden, Berlin 1918<br />

1921 kam es zwischen <strong>Bauer</strong> <strong>und</strong> seinem Arbeitgeber Walden zu einem Streit. Er gab<br />

seine Arbeit bei ihm auf <strong>und</strong> war jetzt ohne jedes festes Einkommen. Finanzielle Hilfe war<br />

- 7 -


jetzt gefragt: <strong>Hilla</strong> machte ihn mit zahlungsfähigen Leuten bekannt. Einige <strong>von</strong> ihnen -<br />

auch Tscheulin - kauften. Dennoch reichte der Erlös seiner Bilderverkäufe nicht, seinen<br />

Lebensstandard zu halten. <strong>Hilla</strong> unterstützte ihn weiterhin finanziell.<br />

In Teningen gab es wohl üble Auseinandersetzungen über die Beziehung: Gegenüber<br />

ihren Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verwandten verteidigte sie <strong>Bauer</strong> vehement <strong>und</strong> das zerrte schwer an<br />

ihren Nerven. Im Jahr 1925 schreibt <strong>Hilla</strong>:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

13.6.1925<br />

<strong>Hilla</strong> in ihrem Studio in Berlin 1914<br />

Liebes Rüdchen!<br />

Du kannst Dir nicht denken, was für niederträchtige Briefe ich hier<br />

bekomme Deinetwegen <strong>von</strong> dieser Toni, die ich nachgrade hasse –<br />

Das Weib gönnt mir keine Ruhe – es ist doch sehr schwer für mich –<br />

kannst Du gar nichts tun um auf eigenen Füßen zu stehen, damit ich<br />

aus diesen schrecklichen Sorgen herauskomme? Auf der einen<br />

Seite zerren die Teninger, auf der Andern tobst Du u. helfen tut Ihr<br />

mir alle nicht, sondern ich soll Euch helfen u. kann kaum selbst<br />

meine schwachen Nerven beherrschen. Ein edles Rennpferd kann<br />

nicht einen schweren Bierwagen ziehen wie`n belgischer Ackergaul,<br />

aber das habt Ihr erbarmungslos in der Ordnung gef<strong>und</strong>en, jetzt will<br />

ich nicht mehr.<br />

Durch diese ständigen Querelen war ihr Selbstbewusstsein auf dem Nullpunkt angelangt.<br />

Außerdem kritisierte <strong>Bauer</strong> <strong>Hilla</strong>s Arbeiten <strong>und</strong> er erkannte nicht ihre beachtlichen<br />

beruflichen Erfolge. <strong>Bauer</strong> war ja nach wie vor finanziell völlig <strong>von</strong> <strong>Hilla</strong> abhängig <strong>und</strong><br />

wahrscheinlich auf ihre Erfolge neidisch. Die Situation war unerträglich geworden, so<br />

nahm <strong>Hilla</strong> dankbar eine Einladung nach Italien an. Obwohl sie im Streit auseinander<br />

gingen, hoffte <strong>Hilla</strong> wohl doch, dass die Beziehung zu <strong>Bauer</strong> bestehen bleiben würde.<br />

Einen schweren Bruch erlitt die Beziehung aber, als <strong>Bauer</strong> ihr auch während ihrer<br />

schweren Krankheit in Italien kein einziges Mal schrieb. Erst als <strong>Bauer</strong> bei den Eltern die<br />

Miete für die Berliner Wohnung einforderte, hörte sie über ihre Eltern <strong>von</strong> ihm. Sie war<br />

zutiefst verletzt. Diese schwere Kränkung führte sicherlich zu ihrem nächsten Schritt.<br />

<strong>Hilla</strong> wollte sich <strong>von</strong> <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong> trennen. Eine Einladung nach Amerika kam ihr jetzt<br />

- 8 -


gerade recht. So reiste sie mit ihrer amerikanischen Fre<strong>und</strong>in Thorold Croasdale im<br />

Januar 1927 nach Amerika, wo sie bis zu ihrem Tode lebte.<br />

Dort änderte sich ihre persönliche Lage sehr. Weit weg <strong>von</strong> <strong>Bauer</strong> ging es ihr jetzt besser:<br />

Sie wurde wieder selbstbewusst, fühlte sich wohl <strong>und</strong> befreite sich innerlich zunehmend<br />

<strong>von</strong> ihm. Sie blieb weiterhin mit ihm im Kontakt, versuchte ihn sogar am Anfang nach<br />

Amerika zu locken, aber in ihren Briefen wird deutlich, dass sich ihre Einstellung zu ihm<br />

geändert hatte: Aus dem einstigen Liebesverhältnis wurde jetzt eine zwar<br />

fre<strong>und</strong>schaftliche, aber eher eine berufliche, geschäftliche Beziehung. Auch aus den USA<br />

unterstützte <strong>Hilla</strong> <strong>Bauer</strong> weiterhin finanziell <strong>und</strong> künstlerisch, so gut sie konnte.<br />

<strong>Hilla</strong><br />

28.1.1927<br />

<strong>Bauer</strong><br />

(1927)<br />

26.2.1927<br />

New York circa 1930<br />

Lieber <strong>Rudolf</strong>!<br />

Zu Deinem Geburtstag schicke ich Dir 5 Dollars, hoffentlich kommen<br />

sie an. Wenn Du mir eine Zeichnung schickst, schicke ich Dir nochmal<br />

5 Dollars, denn ich entbehre das Geld selbst zu sehr, um es<br />

verschenken zu können, da Du es ja doch nicht anerkennst –Ein<br />

Amerikaner würde Dir zwar keine 5 oder 10 Dollar geben, ehe er<br />

gesehen, was er dafür bekommt u. dann erst recht nicht, weil es<br />

„bloß“ Kunst ist, u. das geht hier nicht u. interessiert niemand –<br />

Amerika ist das Grauen selbst, das dreckigste, ekelhafteste Land,<br />

was ich bis jetzt je gesehen u. für menschenunmöglich gehalten<br />

hätte... alles unorganisch u. Talmi – so billig wie möglich..<br />

Liebe <strong>Hilla</strong>,<br />

Deine Briefe mit Inhalten (zweimal 25$ <strong>und</strong> vorher 6$) kamen<br />

glücklich an. Ich rechne sie Dir zugute, zumal da Du das Geld<br />

entbehrst, wie Du schreibst. Hoffentlich empfindest Du die Freude<br />

an den Aquarellen ebenso stark wie die Entbehrung des Geldes.<br />

Wenn ich das Geld dazu hätte, würde ich sämtliche neuen Bilder<br />

Kandinskys der letzten Jahre aufkaufen. Ich bin überzeugt, dass sie<br />

plötzlich rapid steigen werden eines Tages. Ich würde mit diesen<br />

Bildern den Gr<strong>und</strong>stock zum Museum der nächsten Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

legen. Wie ich glaube, bist Du auch zum Schminken übergegangen,<br />

wenn Du es auch mit Pudern umschreibst. Ich würde das nicht<br />

mitmachen, was Miss Nobody tut.<br />

Viel kulturliebe Grüße mit guten Wünschen! <strong>Rudolf</strong><br />

- 9 -


In ihren Briefen schreibt sie <strong>Bauer</strong>, wie gut es ihr geht.<br />

<strong>Hilla</strong><br />

8.8.1927<br />

Vom 1. Oktober habe ich ein Atelier in Carnegie Hall New York,<br />

das ist das Haus, in dem ich die 9. Symphonie gehört habe wie<br />

nie zuvor. So bin ich unter einem Dach mit der w<strong>und</strong>ervollsten<br />

Musik d. Welt, aber nur um die Miete zu verdienen, man<br />

braucht einige Jahre, um richtig zu verdienen, d. h. mehr als<br />

man braucht – ich bin wieder ges<strong>und</strong> jung u. stark geworden u.<br />

lasse mich <strong>von</strong> niemand mehr zu Gr<strong>und</strong>e richten, denn dies ist<br />

keiner Wert.<br />

<strong>Hilla</strong> kann es <strong>Bauer</strong> nicht recht machen. Ständig kritisiert er an ihr herum. Ob er wohl<br />

neidisch ist? Schließlich stammt sie aus gutem Haus, hat eine gute Erziehung <strong>und</strong> nach<br />

einer Bildungsreise nach Italien, findet sie jetzt ihren Weg in den USA? Seine Herkunft ist<br />

einfach <strong>und</strong> über seine Ausbildung wissen wir wenig. Er selbst ist in Deutschland beruflich<br />

<strong>und</strong> künstlerisch immer noch erfolglos.<br />

<strong>Bauer</strong><br />

Dez. 1927<br />

Mit dem zehnten Teil der Amerika-Unkosten <strong>und</strong> Schiffskarten etc.<br />

hättest Du hier viel mehr ausstellen können: bei Flechtheim, bei<br />

Nierendorf, mit denen ich Dich aber rasch hätte bekannt machen<br />

können, dann in der großen Berliner Szene, bei den Abstrakten. Es<br />

imponiert aber keinem, daß Du in New York City bist. Jedenfalls ist<br />

mein Interesse für Amerika dahin. Und während ich früher einst die<br />

Absicht hatte, mal New York kennen zu lernen, so werde ich diese<br />

Absicht nicht ausführen, so wenig wie die kitschigen Italienreisen,<br />

selbst wenn ich das Geld dazu hätte. Ich werde also sagen können,<br />

ich gehörte zu den wenigen, die nie in Italien <strong>und</strong> nie in Amerika<br />

waren, wie die H<strong>und</strong>erttausende.<br />

<strong>Hilla</strong> schreibt weiterhin unbeirrt über ihre Erlebnisse. Ihr Bekanntenkreis wird immer<br />

größer.<br />

<strong>Hilla</strong><br />

27.3.1929<br />

Carnegie Hall<br />

Lieber <strong>Rudolf</strong>,<br />

ich bin mit reichen Fre<strong>und</strong>en in deren Salonwagen mit gefahren, der<br />

am Zuge anhing u. eine Terrasse hatte hinten auf der man liegen<br />

- 10 -


<strong>und</strong> die Bäume <strong>und</strong> Flüsse betrachten konnte, nie habe ich etwas so<br />

Herrliches mit gemacht. Ich habe Dir dabei ein Aquarell verkauft,<br />

aber leider das, das ich am liebsten habe, das lila-graue mit weiß u.<br />

etwas rosa, etwas blau. Ich werde das Geld Dir schicken lassen, es<br />

werden einige h<strong>und</strong>ert Dollars sein; es war ein weiter Weg, sie so<br />

weit zu bringen, daß sie es wirklich wollten <strong>und</strong> es soll ihnen auch<br />

mehr u. mehr bedeuten können.<br />

Guggenheim 1929 oder 1930<br />

Solomon Guggenheim lernte sie wahrscheinlich schon 1927 kennen.<br />

Sie portraitierte ihn <strong>und</strong> dabei überzeugte sie ihn, dass er Nicht- gegenständliche Kunst<br />

sammeln sollte.<br />

Solomon Guggenheim, Antonie <strong>Rebay</strong> <strong>von</strong> Ehrenwiesen, Irene<br />

Guggenheim, unbekannte Person, <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>, Franz Josef <strong>Rebay</strong> <strong>von</strong><br />

Ehrenwiesen <strong>und</strong> <strong>Hilla</strong> vor ihrem Elternhaus in Teningen im Juli 1930<br />

- 11 -


In den Jahren 1929-1936 war <strong>Hilla</strong> mit Guggenheim in Europa, um Nicht- gegenständliche<br />

Kunst aufzukaufen. Bei einer dieser Reise lernte Guggenheim <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong> kennen, <strong>von</strong><br />

dessen Bildern er sich schnell begeistern ließ.<br />

Über das geplante Museum schreibt <strong>Hilla</strong>:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

5.8.1929,<br />

Später stellt sie fest:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

16.4.1930<br />

Lieber <strong>Rudolf</strong>,<br />

Mr. G(uggenheim) will eine gegenstandslose Sammlung<br />

anlegen u. sie dem Metropolitan Museum hinterlassen später.<br />

Mr. Guggenheim versprach es, <strong>und</strong> der hält, was er sagt – wir<br />

können Gott danken mit so einem großzügigen, sensiblen <strong>und</strong><br />

klugen Mann zu tun zu haben.<br />

Ich finde ein Museum muß gebaut werden <strong>von</strong> fabelhaftem Styl, mit<br />

einem Ruheraum, einen großen Raum, wo die Bilder schön<br />

verwahrt werden, damit nur immer wieder wenige aufgehängt in<br />

Wechsel werden u. nur wenige große Künstler gezeigt u. nicht<br />

vieles auf einmal. Wer wäre der beste Architekt für einen Plan<br />

dieser Art? Schreibe alles auf, wie es sein müßte, wie viel Räume u.<br />

wie im Styl. Es muß wohl ein Niveau haben, daß es das Jahr 2000<br />

überragend übersteht. Der Tempel der Gegenstandlosigkeit u.<br />

Andacht – „Tempel“ ist schöner als „Kirche“. Mr. Guggenheim ist<br />

ein so w<strong>und</strong>ervoller Mensch, daß wir unser Gehirn benutzen wollen<br />

u. unsere geistige Erfahrung, etwas so Großes hinzustellen, daß es<br />

über die ganze Welt Segen bringt. Sehr wichtig ist, daß dieses<br />

Museum klug gebaut ist, Raum ist irrsinnig kostspielig in New York<br />

– <strong>und</strong> es muß central sein. Frohe Ostern. Alles Gute, <strong>Hilla</strong><br />

Sie hatte also schon damals klare Vorstellungen <strong>von</strong> einem Museum.<br />

Guggenheim Museum<br />

Sie sorgte aber auch dafür, dass Guggenheim <strong>Bauer</strong> finanziell unterstützte, indem er<br />

<strong>Bauer</strong>s Bilder kaufte, <strong>und</strong> ihm dadurch einen unerhört hohen Lebensstandard in Berlin<br />

ermöglichte. <strong>Bauer</strong> schwelgte im Luxus <strong>und</strong> lebte weit über seine Verhältnisse.<br />

- 12 -


<strong>Hilla</strong><br />

16.4.1930<br />

25.12.1929<br />

Mr. Guggenheim hat jetzt viel Freude an d. Bildern u. wird sein<br />

Schlaf- <strong>und</strong> Wohnzimmer modern umbauen lassen, damit sie<br />

hinein passen - Außerdem scheint es nicht unmöglich, daß er<br />

das neue Museum, <strong>von</strong> dem Du träumst, selbst bauen wird,<br />

aber in New York. Die Fre<strong>und</strong>e <strong>von</strong> Mrs. Guggenheim (<strong>von</strong> ihr)<br />

arbeiten sowieso gegen mich <strong>und</strong> reden ihnen vor, diese Kunst<br />

hielte sich nicht, sei Geometrie, sei wertlos <strong>und</strong> käme nur aus<br />

dem verhassten, geschmacklosen Deutschland.<br />

Auch <strong>Bauer</strong> plante ein Museum <strong>und</strong> zwar in Berlin.<br />

<strong>Bauer</strong><br />

Sept. 1930<br />

Liebe <strong>Hilla</strong>,<br />

je länger ich mir den Plan mit dem eigenen Kunstsalon überlege,<br />

umso sicherer steht es für mich fest, daß es das Beste ist, was ich<br />

tun kann. Ich habe also per 15. Oktober (erst per 15., weil ich ja<br />

vorher nicht das Geld <strong>von</strong> Guggi haben werde) für drei Jahre eine<br />

Villa in der Heerstraße gemietet. Die Mietsumme hört sich hoch an,<br />

ist aber im Verhältnis zu den Wirkungen, die erreicht werden<br />

können, angemessen. Sie kostet monatlich 2000,00 Mark Miete.<br />

Aber wenn ich mir meine Bilder angucke, wie die in den Räumen<br />

großartig wirken werden, dazu die Kandinskys, die ich mir kommen<br />

lassen werde, <strong>und</strong> daran denke,<br />

daß es so einen Kunstsalon noch<br />

nirgendwo gibt, <strong>und</strong> der in zwei,<br />

höchstens drei Jahren so bekannt<br />

<strong>und</strong> besucht werden wird, wie der<br />

Louvre. Der eine Raum ist<br />

schwarzvioletter Velour oben he-<br />

rum hinter Goldleiste indirekte<br />

Deckenbeleuchtung, <strong>von</strong> starker<br />

Wirkung. Die Villa hat 12 Räume.<br />

Der Kunstsalon könnte innerhalb<br />

<strong>von</strong> vierzehn Tagen das bekanntes-<br />

te Gebäude <strong>von</strong> Deutschland sein,<br />

wenn ich das Haus schwarz an-<br />

streichen lassen tät, die Fenster-<br />

rahmen <strong>und</strong> Türen in Aluminium,<br />

die Wege mit zinnoberrot gefärbten<br />

Kies, etc. Der Gedanke, wie Guggi<br />

strahlen wird, wenn er durch den<br />

Kunstsalon geht, macht mir Freu-<br />

de. Ich hab ihn so gern, daß mir der<br />

Kunstsalon schon deshalb Freude<br />

macht, weil er ihm Freude bereiten<br />

wird.<br />

Eingang zu <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>s Das Geistreich 1930<br />

- 13 -


<strong>Hilla</strong> ihrerseits warnte ihn wegen seines verschwenderischen Lebensstils.<br />

<strong>Hilla</strong><br />

Anf. Feb. 32<br />

In einem anderen Brief :<br />

<strong>Hilla</strong><br />

15.3.1933<br />

<strong>Hilla</strong><br />

1.2.1932<br />

Du hast weiß Gott nicht ein Bild verkauft, der Guggi findet es<br />

sonderbar, dass niemand ausser ihm kauft, niemand solche Preise<br />

zahlt, <strong>und</strong> da doch der Kandinsky an so viele verkauft <strong>und</strong> verkaufte,<br />

<strong>und</strong> kein Museum <strong>von</strong> Dir was will jemals. – Jetzt kann ich wieder<br />

diese neue Last auf mich nehmen, u. es wird doch noch damit<br />

enden, dass Du mich mit Guggenheim auseinander bringst wie<br />

früher mit jedem mit dem ich Dich bekannt machte, denn sowie Du<br />

Dein Geld verpulvert hast, sind doch die Anderen, nicht Du, am<br />

Misserfolg schuld – Ich hab so Sorgen!<br />

In <strong>Bauer</strong>s Museum circa 1930<br />

Begreife doch endlich, was mich so erschreckt <strong>und</strong> Dir so schadet –<br />

Der Guggi ist ein Mann <strong>von</strong> Begeisterungsfähigkeit aber umgeben<br />

vom Geschäft u. Verantwortung, die Du nie begreifen kannst – <strong>und</strong><br />

doch kein Gott, wo denn sollte er es herhaben? – Wenn ich nicht<br />

reiste <strong>und</strong> hier lebte, wäre ich schon längst verreckt, Du hättest mir<br />

nicht geholfen <strong>und</strong> Du wärst ohne meine Reise! (haha) welch<br />

schöne sorglose heitere Reisen!!! (die Nerven Sorgen Unruhe, Opfer<br />

u. d. Aufrechterhalten des Scheines reich zu sein, wo ich es nicht<br />

bin, erfordern) heute nicht im Geistreich, nirgends als in einer<br />

Dachstube frierend u. hungernd – (ohne mich!) – <strong>und</strong> wer wirklich<br />

das Schwierigste erreichte für Dich <strong>und</strong> getragen, bin ich! Deine<br />

Rücksicht auf mich kennen wir ja <strong>von</strong> jeher!<br />

Sei ja vorsichtig mit Deinen Ausgaben, gib die Wohnung Ahornallee<br />

auf unter allen Umständen <strong>und</strong> überzahle nicht Deinen Chauffeur, so<br />

fabelhaft ist der nicht.<br />

Aber <strong>Bauer</strong> ließ sich nicht dreinreden, er glaubte sowieso, dass er alles besser wisse. Die<br />

politische Situation in Deutschland schätzte er völlig falsch ein. Er fühlte sich sicher <strong>und</strong><br />

war unbekümmert, obwohl er als entarteter Künstler verdächtig war. So kam es für ihn<br />

völlig überraschend, dass er verhaftet wurde, als er auf dem Schwarzmarkt mit<br />

- 14 -


amerikanischen Dollars handelte. Guggenheim kaufte ihn frei <strong>und</strong> er kam1939 mit allen<br />

Besitztümern nach Amerika.<br />

<strong>Bauer</strong><br />

3.8.1938<br />

<strong>Hilla</strong><br />

12.9.1938<br />

13.9.1938<br />

Die Antwort:<br />

<strong>Bauer</strong><br />

Dez. 1938<br />

Liebe <strong>Hilla</strong>, herzlichste Grüße <strong>von</strong> „The open door“, denn ich bin<br />

<strong>von</strong> meiner Vergnügungsreise wieder zurück. Tausend Dank für<br />

Hilfe <strong>und</strong> Mitgefühl. Alles, was für mich ausgelegt wurde <strong>und</strong> wird<br />

(Rechtsanwalt etc. etc.) bezahle ich mit Bildern, zum Glück bin ich in<br />

dieser Hinsicht reich <strong>und</strong> gut genug. Viel Tausend, ja<br />

h<strong>und</strong>erttausend herzlichste Grüße Dir <strong>und</strong> Guggi. <strong>Rudolf</strong>.<br />

Lieber Rudibums,<br />

Wir sind alle entsetzlich froh, daß Du heraus bist, sei ja ja vorsichtig,<br />

wärst Du blos schon in New York. Inzwischen habe ich mein<br />

Connecticut Haus ausgebaut <strong>und</strong> eingerichtet <strong>und</strong> habe jetzt ein<br />

Heim dort, was auch hilft – mit dem neuen Parkweg ist es eine<br />

St<strong>und</strong>e zehn Minuten Fahrt <strong>von</strong> New York. Ich will in einer großen<br />

Scheuer ein Zimmer, Bad u. Atelier für Dich einrichten, damit Du<br />

was Riesiges malen kannst - wenn Du kommst - in Ruhe. Du wärst<br />

Dein eigner Herr mit Blick in Park u. auf Gemüsegarten u. Bäume –<br />

Dann in der Stadt eine Wohnung im Museum <strong>und</strong> das nähme Dir<br />

jede Sorge ab.<br />

<strong>Bauer</strong>s Museum circa 1930<br />

Eine Scheune? Hm. Eine Scheune könnt ich mir zu Not auch hier<br />

kaufen. Ohne große Umstände. O ha. Deifi deifi. In der Arbeitsecke<br />

möglichst einen Waschanschluß, da ich z. B. beim Zeichnen <strong>und</strong><br />

Aquarellen viel Wasser brauche. Ja, wann ich komme, das kann ich<br />

nicht sagen.<br />

- 15 -


Er wohnte nur kurz bei <strong>Hilla</strong> <strong>und</strong> zog dann in eine prachtvolle Villa in Deal <strong>und</strong> lebte in<br />

großem Luxus, alles <strong>von</strong> Guggenheim bezahlt. Er malte nie wieder. Zu Weihnachten<br />

schickte <strong>Bauer</strong> <strong>Hilla</strong> einen Brief.<br />

<strong>Bauer</strong><br />

Weihnachten<br />

1939<br />

Das Beste was ich geben kann: diesen Gutschein für ein neues<br />

Bild aus Deal, Rudibums <strong>Bauer</strong>s Villa<br />

Aber schon bald änderte sich der Umgangston:<br />

<strong>Bauer</strong><br />

o.D.,<br />

ca. 1943<br />

<strong>Bauer</strong>s Villa<br />

<strong>Bauer</strong>s Villa<br />

Liebe <strong>Hilla</strong>,<br />

Wie alle Deine Statements verbogen oder gänzlich falsch sind, so<br />

auch jetzt wieder dies kleinstbürgerlich, daß ich wie ein Prinz leben<br />

<strong>und</strong> wie kein Maler sonst. Du hast halt keine Ahnung <strong>von</strong> der großen<br />

Welt, sonst müßtest Du wissen, daß die meisten Maler, wenn sie<br />

- 16 -


<strong>Bauer</strong>, o. D.<br />

ca. 1943<br />

halbwegs tüchtig <strong>und</strong> über ihre Anfängerjahre hinaus waren, denn<br />

doch noch besser gelebt haben als ich, trotzdem ihre Arbeiten<br />

weniger sehenswert sind als die meinigen. Memling, van Eick, u. a.<br />

waren die reichsten Leute ihrer Society, als sie noch nicht so<br />

heruntergekommen war, wie die heutige, verdienten Millionen, weil<br />

sie <strong>von</strong> Königen bezahlt wurden, die damals noch majestätisch<br />

waren im Gegensatz zu dem hornhäutigen Monarchengesindel.<br />

Wenn man Dich hört <strong>und</strong> sieht <strong>und</strong> liest, ist es also geradezu ein<br />

Skandal sondergleichen, daß ich nach einem umfangreichen<br />

Lebenswerk <strong>und</strong> mit 50 Jahren in einem „großen Haus“ wohne <strong>und</strong><br />

noch dazu eine Garage habe mit richtigen Autos drin. Aber how<br />

about your house? Ha? Hm? Immerhin, wie Du es <strong>und</strong> Dich auch<br />

drehen magst, denn was Kandinsky <strong>und</strong> ich zu wenig bekommen,<br />

das kriegst Du zuviel. Und Du lebst <strong>und</strong> giebst aus <strong>und</strong> stellst an,<br />

als ob DU die Nonobjektivity erf<strong>und</strong>en, als ob DU die vielen<br />

Kandinskys <strong>und</strong> <strong>Bauer</strong>s gemalt hast. Wenn die Fo<strong>und</strong>ation richtig<br />

organisiert <strong>und</strong> großzügig geleitet würde, müßte sie heute schon so<br />

viel Einfluß haben, daß sie nur den Telephonhörer abnehmen<br />

brauchte, um mit Washington zu telefonieren, daß alle <strong>von</strong> ihr<br />

vorgeschlagenen Künstler sofort Bürger werden. Statt dessen muß<br />

man sich fingerprinten lassen. Das ist mir ja nicht mal bei der<br />

Gestapo passiert.<br />

Auch im Guggenheim Museum war es schwieriger geworden. Es wurden Intrigen gegen<br />

sie geschmiedet, nicht zuletzt <strong>von</strong> <strong>Bauer</strong> selbst, der jetzt endlich ein Museumsdirektor<br />

werden wollte. Sie musste jetzt feststellen, dass <strong>Bauer</strong>, den sie so viele Jahre gefördert<br />

<strong>und</strong> unterstützt hatte, ihr größter Feind geworden war. Das war schmerzlich für <strong>Hilla</strong> <strong>und</strong><br />

die ganze Affäre gipfelte darin, dass <strong>Bauer</strong> seine Haushälterin heiratete. <strong>Hilla</strong> war zutiefst<br />

verletzt <strong>und</strong> enttäuscht.<br />

Luise <strong>Bauer</strong><br />

- 17 -


Ein anderes Mal:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

(ca. 1942)<br />

Lieber <strong>Rudolf</strong>,<br />

solange Du dieses Weib im Haus hast, werden wir keinen<br />

Finger mehr für Dich rühren. Nur wer gesehen hat, was ich in<br />

13 Jahren New York für Dich getan habe, ehe Du das Glück<br />

hattest, gerettet zu werden, der ist angeekelt <strong>von</strong> der<br />

Erbärmlichkeit eines Menschen wie Du. Wo jetzt alles ruiniert<br />

<strong>und</strong> sabotiert wird, blos aus Neid, Missgunst, Verlogenheit <strong>und</strong><br />

Intrigue eines dummen, ungebildeten, hergelaufenen Frauenzimmers.<br />

Luise <strong>Bauer</strong><br />

Fragen betreffs Fräulein Huber:<br />

Was hat Fräulein Huber jemals getan, um Dich berühmt zu machen?<br />

Wurden nicht jahrelang Deine Zahnarztrechnungen, Deine<br />

Bahnfahrkarten, Deine Schneiderrechnungen, die Rechnungen für<br />

Deine Malutensilien <strong>von</strong> der Familie <strong>von</strong> Baroness <strong>Rebay</strong> bezahlt,<br />

um Dir zu helfen?<br />

Hast Du jemals woanders Geld her bezogen als <strong>von</strong> der Familie<br />

<strong>Rebay</strong> zwischen 1918 <strong>und</strong> 1929?<br />

Wenn Du nicht Baroness <strong>Rebay</strong> getroffen hättest, hättest Du jemals<br />

Berlin verlassen <strong>und</strong> Bayern gesehen, den Schwarzwald, die<br />

Schweiz, <strong>Frank</strong>reich, Amerika oder die deutschen Seebäder?<br />

Bist Du nicht zu Baroness <strong>Rebay</strong> gekommen <strong>und</strong> hast um 1000<br />

Dollar gebeten, um Dir einen gebrauchten Düsenberg zu kaufen?<br />

Hat sie Dir nicht das Geld geliehen? Hast Du es ihr jemals<br />

zurückgegeben?<br />

- 18 -


Hast Du jemals einen anderen Menschen oder eine andere Familie<br />

getroffen, die nur halb so viel für Dich getan hat wie die Familie<br />

<strong>Rebay</strong>?<br />

Der Stiftung gegenüber hast Du gesagt, Du brauchst ein großes<br />

Haus, um die Kunst richtig repräsentieren zu können, aber Du hast<br />

ein Hausmädchen eingestellt, die jeder Luise nennt <strong>und</strong> hast mit ihr<br />

Tisch <strong>und</strong> Bett geteilt, was jeder Metzger in Deal weiß, <strong>und</strong> deshalb<br />

haben Deine Nachbarn Dich auch gemieden.<br />

Als Du 1940 fünfzig bis h<strong>und</strong>ert Leute eingeladen hast zum Essen<br />

<strong>und</strong> Du <strong>und</strong> Dein Hausmädchen in Abendgarderobe vergebens auf<br />

sie warteten, war das etwa auch das Verdienst <strong>von</strong> Baroness<br />

<strong>Rebay</strong>’s?<br />

Gibt es einen Künstler außer Baroness <strong>Rebay</strong>, der Dich für einen<br />

großen Künstler hält?<br />

Warum besitzt der wesentlich berühmtere Kandinsky weder Haus<br />

noch Autos?<br />

Glaubst Du nicht, daß all dies zusammen mit Deiner Undankbarkeit,<br />

Deiner Unehrlichkeit, Deinem Privatleben <strong>und</strong> Deiner Affäre mit<br />

Deinem Hausmädchen ausreichend Material ist für die Regierung?<br />

Auch zwischen den Frauen entbrannte ein Krieg, der öffentlich ausgetragen wurde.<br />

The American Weekly, 9. Januar 1944<br />

- 19 -


Als <strong>Bauer</strong> 1955 starb, schickte Luise <strong>Bauer</strong> folgenden Brief:<br />

Luise <strong>Bauer</strong><br />

7.2.1955<br />

<strong>Hilla</strong> antwortete:<br />

<strong>Hilla</strong><br />

(1955)<br />

Liebe Miss <strong>Rebay</strong>,<br />

Dieser Brief ist womöglich diktiert <strong>von</strong> dem großen Geist, der<br />

einst „<strong>Bauer</strong>“ hieß. Er starb am gebrochenen Herzen,<br />

Enttäuschung, aber es gab auch Zeiten, da war er fre<strong>und</strong>lich<br />

<strong>und</strong> mild. Dann sprach er <strong>von</strong> Ihnen. Dieser große Meister muß<br />

Sie sehr geliebt haben – es ist schade, daß dies zerstört wurde.<br />

Das kam nicht durch mich, glauben Sie mir. Ich wollte wirklich<br />

Frieden haben. Es waren die herzzerreißenden Umständen, die<br />

uns prüften. Niemand <strong>von</strong> uns bestand diese Prüfung. Wir sind<br />

gescheitert, als er noch lebte. Lassen Sie nicht uns jetzt auch<br />

wieder scheitern. Im Geist <strong>von</strong> <strong>Bauer</strong> verbleibe ich<br />

hochachtungsvoll, Louise R. <strong>Bauer</strong><br />

1955<br />

Liebe Mrs. <strong>Bauer</strong>,<br />

ich erhielt Ihren Brief heute morgen <strong>und</strong> wollte Sie anrufen, konnte<br />

aber Ihre Nummer nicht bekommen – vielleicht könnten Sie mich<br />

einmal anrufen. Seien Sie versichert, daß ich nie in meinem Leben<br />

jemanden gehaßt habe <strong>und</strong> ich war in der Tat dankbar dafür, daß Sie<br />

sich so w<strong>und</strong>erbar um diesen großen einsamen <strong>und</strong> verbitterten<br />

Künstler gekümmert haben. Er sah nicht, was seine wahren Fre<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> Probleme waren, sondern vertraute blind neidischen <strong>und</strong><br />

höchst verbrecherischen Feinden. Das war seine Tragödie – Ich bin<br />

froh, daß Sie mir geschrieben haben, <strong>und</strong> ich weiß, daß er es war,<br />

der dazu gedrängt hat, sonst wäre es nicht zu genau diesem<br />

Zeitpunkt geschehen. Meine Hochachtung, Ihre <strong>Hilla</strong> <strong>Rebay</strong><br />

- 20 -


Quellen<br />

Abbildungen:<br />

Briefe, Guggenheim Museum, New York<br />

Der Sturm, Leihgabe Roland <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

Fotos:<br />

<strong>Hilla</strong> <strong>und</strong> ihr Bruder Hugo, Leihgabe Roland <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>, Joan M. Lukach, In Search of the Spirit in Art, New York, 1983, S.144 ff<br />

Antonie <strong>und</strong> Franz Josef <strong>Rebay</strong> <strong>von</strong> Ehrenwiesen, dit<br />

Das Wohnzimmer in Teningen, Leihgabe Roland <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

Berliner Atelier, Leihgabe Roland <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

Herward <strong>und</strong> Nell Walden, Joan M. Lukach, In Search of the Spirit in Art, New York, 1983,<br />

S.144 ff<br />

<strong>Hilla</strong> in ihrem Studio in Berlin, dito<br />

Solomon Guggenheim in Teningen, dito<br />

Eingang zu <strong>Bauer</strong>s “Geistreich”, dito<br />

<strong>Bauer</strong>s Museum, dito<br />

<strong>Bauer</strong>s Museum circa 1930, dito<br />

<strong>Bauer</strong>s Villa (2x), Leihgabe Dr. Sigrid Faltin<br />

Luise <strong>Bauer</strong> (3x), Leihgabe Dr. Sigrid Faltin<br />

The American Weekly, 9.Januar 1944, Public Library, New York<br />

<strong>Bauer</strong> 1955, Leihgabe Dr. Sigrid Faltin<br />

<strong>Hilla</strong> <strong>Rebay</strong>, Guggenheim, Joan M. Lukach, In Search of the Spirit in Art, New York, 1983,<br />

S.144 ff<br />

Gemälde<br />

<strong>Hilla</strong> <strong>Rebay</strong>, Selbstporträt (2x), Leihgabe Roland <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>, Karikatur, Witzige Blätter, Leihgabe Roland <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>, The holy one, Leihgabe Roland <strong>von</strong> <strong>Rebay</strong><br />

<strong>Hilla</strong> <strong>Rebay</strong>, <strong>Rudolf</strong> <strong>Bauer</strong>, Bleistiftzeichnungen, Leihgabe Dr. Sigrid Faltin<br />

Die Briefe wurden transkribiert, Fehler in Rechtschreibung <strong>und</strong> Interpunktíon wurden <strong>von</strong><br />

den Originalbriefen übernommen.<br />

Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung fanden wir bei Frau Dr. Sigrid Faltin, die uns Bildmaterial <strong>und</strong> den<br />

Briefwechsel zur Verfügung stellte.<br />

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