Lernpaket Mel Ramos - Völklinger Hütte
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Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />
Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />
Generaldirektor Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig<br />
Girls, Candies, and the Art- die Welt von <strong>Mel</strong> <strong>Ramos</strong><br />
von Klaus Honnef<br />
Da er sein ästhetisches Repertoire zuweilen aus den Medien der populären Bildwelten bezog,<br />
findet sich <strong>Mel</strong> <strong>Ramos</strong> in der einschlägigen Literatur meist unter dem Stichwort der PopArt<br />
wieder. Gleichwohl zeugt sein stilistisches Konzept, gemessen an den Werken, die so<br />
bedeutende Künstler wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein, James Rosenquist oder Tom<br />
Wesselmann realisiert haben, von tendenziellen und auch prinzipiellen Unterschieden. Denn<br />
anders als den genuinen PopArt-Künstlern („Hardcore Pop Artists“) kam es <strong>Ramos</strong> nie<br />
darauf an, die Zeichen und Produkte der kommerziellen Massenmedien ins Feld der Kunst zu<br />
spielen und sie ästhetisch aufzuwerten.<br />
Während Warhol die Fotografien der Massenmedien durch ständige Wiederholungen in<br />
moderne Bildikonen verwandelte, Lichtenstein die visuelle Sprache der populären<br />
Comiczeichner aufblies und vereinfachte, Rosenquist Details aus Reklamebildern zu<br />
gewaltigen Montagen verschmolz und Wesselmann das kosmetische Frauenbild der<br />
Amerikaner zugleich ver- und enthüllte, indem er es auf Kontur und symptomatische<br />
Signalreize reduzierte, verwendete <strong>Ramos</strong> ausgewählte Elemente der industriell fabrizierten<br />
Idiome allein im Sinne traditioneller Verfahren der Kunst. Mit signifikanten Variationen der<br />
erkorenen Vor-Bilder verlieh er seinen Gemälden und Papierarbeiten eine eigenständige,<br />
kunstimmanente Gestalt.<br />
Die Bilder, die er malt und zeichnet, orientieren sich an den überlieferten Kriterien der Kunst<br />
stärker als an der ausgesprochenen und unausgesprochenen Absicht der PopArt, die Kluft<br />
zwischen Kunst und Realität einzuebnen. Performative Künste wie Happening und Fluxus<br />
haben dieser Tendenz den Boden bereitet. Als Warhol im Kielwasser Marcel Duchamps<br />
handelsübliche Kartons für das Waschmittel Brillo vom Warenhaus in eine Kunstgalerie<br />
verpflanzte, öffnete er den Horizont der Kunst für einfache Gebrauchsgegenstände, für die<br />
Dinge der Alltagskultur. Im Gegensatz zu dem Franzosen Duchamp, den der Protest gegen<br />
eine bürgerliche Kultur antrieb, die seiner Meinung nach in den Materialschlachten des<br />
Ersten Weltkriegs untergegangen und nur als falscher Schein übrig geblieben war, liegt dem<br />
Amerikaner <strong>Ramos</strong> jeder Gedanke an Provokation fern. Ihm gelang durch seine Aktion<br />
vielmehr die Aufhebung eines eingewurzelten Widerspruchs der autonomen Kunst. Einerseits<br />
gab er seiner Faszination der industriellen Alltagskultur Ausdruck, zugleich bekräftigte er die<br />
unverminderte Definitionsmacht der durch Museen und Galerien institutionalisierten Kunst.<br />
Denn im Warenhaus wären die Kartons nicht als sie selbst, als formale Gegenstände<br />
wahrgenommen worden, sondern als Verpackungsmaterial; nur in den Räumen der Kunst war<br />
der Perspektivwechsel möglich. Es ist überflüssig, festzustellen, dass Warhols<br />
Waschmittelkartons täuschend echt nachgeahmt und aus Holz gefertigt waren.<br />
Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />
Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />
66302 Völklingen / Saar<br />
Redaktion: Peter Backes, Frank Krämer, Jeanette Wagner<br />
Tel. 06898/9100-159, Fax 06898/9100-111<br />
mail@voelklinger-huette.org Seite 64