WIP Stadtteil-Magazin Nr. 1/14
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Das Leben an der Ecke<br />
Sind wir nicht alle schon einmal daran vorbeigelaufen?<br />
Da vorne an der Ecke-Kreuzung<br />
Georg-Wilhelm-Straße und Fährstraße? Haben wir<br />
uns nicht alle schon einmal gefragt, wie es so ist,<br />
dort sein Bier zu trinken? Am Freitag vor ein paar<br />
Wochen war ich da. Das erste Mal. Auf dem Nachhauseweg<br />
vom Feiern habe ich noch Freunde getroffen<br />
und beschlossen, dass 6 Uhr morgens wohl<br />
noch nicht zu spät für einen Absacker im Milan sei.<br />
So heißt die Kneipe, die 24h – sieben Tage in der<br />
Woche aufhat. Im dämmrigen Morgenlicht betreten<br />
wir die Bar. Die letzten umgekippten Alkoholiker erwartend,<br />
schaue ich mich verdutzt im Raum um. Er<br />
ist überraschend leer. Die Musik läuft nur leise. Vielleicht<br />
weil es schon so früh ist? Vielleicht auch nicht.<br />
Ein süßer Geruch von Rauch steigt mir in die Nase<br />
und ich beschließe sofort, hier fühle ich mich wohl!<br />
Den Raum zieren alte Tische und Bänke, ein Billardtisch,<br />
diverse Spielautomaten, zwei Dartautomaten<br />
und mein Lieblingsstück: eine Jukebox.<br />
Einladend warmes Licht. Alle werfen noch ihre<br />
letzten Münzen zusammen auf die Theke. Es reicht<br />
für vier Bier. Ein Euro sechzig das Stück – fast so wie<br />
am Kiosk. Wir lassen uns an einem der Tische nieder,<br />
sehen uns um, betrachten das langsam einbrechende<br />
Tageslicht. Suchen unsere nun allerletzten<br />
Münzen zusammen und versuchen, uns, solange es<br />
geht, mit alten Songs aus längst vergangenen Jahrzehnten<br />
zu unterhalten. Und da kommt es mir. Es ist<br />
die Nostalgie, die hieraus spricht. Alles ist einfach,<br />
unmodern und grimassenhaft. Nicht schön. Und dennoch<br />
möchte ich es genau in diesem Moment nicht<br />
anders haben. Die Nostalgie, so schön wie noch nie.<br />
Müde geworden betreten wir schließlich das grelle<br />
Morgenlicht – Der Besuch endet.<br />
Zu einem anderen Zeitpunkt kehre ich aber in die<br />
Bar zurück. Es ist Anfang der Woche und Vormittag.<br />
Ich bestelle eine Apfelschorle und unterhalte mich<br />
mit der Kellnerin, die mir erzählt, dass alle Bedienungen<br />
ehrenamtlich und immer nur für ein paar Stunden<br />
hier sind. Ein etwas älterer Mann, der aussieht,<br />
als verbringe er hier seine Vormittage, setzt sich zu<br />
mir. Er erzählt mir von der Kultur in diesem Laden.<br />
Davon, dass hier ein jeder sein kann. Es kommen alte<br />
Menschen, es kommen junge Menschen. Es kommen<br />
Menschen jeder Nationalität und Bildungsschicht. Er<br />
sagt, dies sei keine Bar, wo es Streit gibt oder Aggressivität.<br />
Ich trinke aus, verlasse die Kneipe. Der Tag hat<br />
mich wieder. Die Sonne scheint. Ich betrachte<br />
die Bar von außen. Hier komme ich, glaub ich,<br />
öfter her.<br />
Bernadette@<strong>WIP</strong><br />
20 <strong>WIP</strong> – Wilhelmsburg Important Person