Festschrift Salatkirmes 2017
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289. <strong>Salatkirmes</strong> Ziegenhain <strong>2017</strong><br />
289. <strong>Salatkirmes</strong> Ziegenhain <strong>2017</strong><br />
Hier erzählt Otti Schwalm (91)<br />
Ich heiße so wie unsere Region –<br />
und das seit 1951<br />
Ja, sie ist wirklich 91 Jahre alt. Und, nein,<br />
man merkt es ihr nicht an. Otti Schwalm führt<br />
zur Begrüßung erst mal ihren neuen, digitalen<br />
Bilderrahmen vor. „Hier“, sagt sie, „Blumen<br />
aus meinem Garten. Die Bilder habe<br />
ich letztens selber gemacht. Meine Enkelin<br />
Anna Lena hat mir ein Handy geschenkt und<br />
drei Nummern einprogrammiert – für den<br />
Notfall. Ich finde aber vor allem die Kamera<br />
interessant.“ Natürlich hortet Otti nicht<br />
nur Fotos aus dem eigenen Garten. Sie hat<br />
über die Jahre einen kleinen historischen<br />
Goldschatz angesammelt, Zeitungsberichte<br />
über Ziegenhain, Fotos in Schwarz-Weiß<br />
aus einer Zeit, in der Autos in den Straßen<br />
der Schwalm die Ausnahme und Pferde und<br />
Kühe die Regel waren, Kirchenbriefe, Auszeichnungen<br />
und <strong>Festschrift</strong>en. Den größten<br />
Schatz hat Otti Schwalm aber im Kopf: Sie ist<br />
das Ziegenhainer Gedächtnis. Hier erzählt<br />
sie, wie sie 1951 ihren Nachnamen von Haner<br />
zu Schwalm gewechselt hat und wie zu<br />
dieser Zeit <strong>Salatkirmes</strong> gefeiert wurde.<br />
Die Geschichte könnte am 28. April 1951<br />
beginnen, dem Hochzeitstag von Otti Haner<br />
und ihrem Karl Schwalm. Wir starten ein paar<br />
Jahre früher, auf der Schulbank in der alten<br />
Volksschule an der Landgraf-Philipp-Straße,<br />
errichtet in den Jahren von 1842 bis 1846.<br />
Einhundert Jahre lang gingen Ziegenhainer<br />
Kinder dort zur Schule, es gab vier Lehrer,<br />
vier Klassen mit je zwei Jahrgängen und 200<br />
bis 250 Schüler. Von 1932 bis 1940 gehörten<br />
Otti und Karl dazu, lernten acht Jahre<br />
zusammen Rechnen und Schreiben. Und sahen<br />
sich auch nach der Schule. „Es gab ein<br />
Kino im Rosengarten, mittwochs, samstags<br />
und sonntags wurden dort Filme gezeigt“,<br />
sagt Otti. Aber viel war damals nicht los in<br />
Ziegenhain, der Krieg. „Wir hatten schlechte<br />
Zeiten.“ Nach der Schule begann Karl eine<br />
Ausbildung zum Verwaltungsangestellten<br />
beim Kreis Ziegenhain. Mit 14 Jahren! Dass<br />
er mal beim Kreis anfangen würde, war eigentlich<br />
klar: Sein Vater Heinrich, geboren<br />
1899, arbeitete als Chauffeur beim Kreis Ziegenhain,<br />
hat die Dienst-Karossen von vier<br />
Landräten gefahren, 40 Jahre lang, von 1924<br />
bis 1964. Die Familie Schwalm wohnte damals<br />
sogar ganz nah beim Arbeitsmaterial,<br />
über den Garagen der Dienstwagen am Großen<br />
Wallgraben.<br />
Zurück zu Otti. Sie hieß damals noch Haner<br />
mit Nachnamen, wohnte in der Wiederholdstraße,<br />
wo ihr Vater eine Klempnerei betrieb.<br />
1940, nach dem Ende der Schulzeit, stand<br />
für die Mädchen damals das obligatorische<br />
Pflichtjahr an. Die beiden Optionen: Entweder<br />
in einer kinderreichen Familie arbeiten<br />
oder in der Landwirtschaft. Otti schwante<br />
schon Schlimmes: „Meine Mutter kam ja aus<br />
Thüringen, sie hatte viele Kontakte zur dortigen<br />
Verwandtschaft. Eine Cousine von mir<br />
hatte drei kleine Kinder, dort hätte ich mein<br />
Pflichtjahr machen können. Aber das konnte<br />
ich nicht machen, war ja noch nie von zu<br />
Hause weg.“ So ergab es sich, dass Otti Ihren<br />
Dienst bei der Familie des Gasthauses<br />
und Fleischerei Adolf Auffahrt, und zwar in<br />
dem Haus in dem jetzt die Fleischerei Bechtel<br />
ansässig ist. Zwei Jahre ist sie geblieben,<br />
Landrat Wilhelm Wisch erkannte das als<br />
Pflichtjahr an.<br />
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