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Oase - BÄDERWELT

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Rollenspiele auf dem Klo<br />

Papier ist geduldig<br />

KOLUMNE<br />

Über zart beseelte Falter, echte Knüller und so manche „geschäftliche“ Verwicklungen.<br />

Ob man darauf Sudokus löst oder dem Nachfolger eins damit auswischt:<br />

Was das Klopapier betrifft, sollte man jedenfalls kein Blatt vor den Mund nehmen ...<br />

Manchmal bin ich echt von der Rolle! Im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

Auf der Toilette sitzend, muss ich regelmäßig feststellen, dass da nur eine<br />

leere Papphülse hängt – allenfalls mit einem kargen Mitleidsblättchen<br />

dran ...! Und das nur, weil mein Vorgänger sich selbst am nächsten war<br />

und mich buchstäblich sitzen gelassen hat. Während ich überlege, wie<br />

ich möglichst schadlos an eine neue Rolle Klopapier komme (der Vorrat<br />

liegt in der Putzkammer), gerate ich ins Grübeln ...<br />

Wie war das noch? Im 6. Jahrhundert war es das Privileg des Kaisers<br />

von China, sich den Allerwertesten mit feinstem Papier abzuwischen. Die<br />

Chinesen haben das Toilettenpapier erfunden und im Laufe der Zeit wurde<br />

es zum Volkseigentum. Im 14. Jahrhundert sind allein in der Provinz<br />

Zhejiang jährlich 10 Millionen Packungen mit je 1.000 bis 10.000 Blatt<br />

Toilettenpapier hergestellt worden. Die alten Griechen verwendeten zunächst<br />

Ton, Steine und Scherben. Sie und auch die Römer, die sich mit<br />

Schwamm und Bürste reinigten, die Germanen, die kratziges Stroh und<br />

Blätter verwendeten und die amerikanischen Siedler, die sich mit Maiskolben<br />

behalfen, wurden nach und nach eines Besseren belehrt.<br />

ILLUSTRATION Sonja Gagel<br />

Heute ist Toilettenpapier ein globales Gut und eine Errungenschaft der<br />

Zivilisation: sanft zum Po und mehrlagig mit Perforation gerollt, damit<br />

es immer zur Hand ist (falls der Vorgänger Rücksicht walten ließ). Jeder<br />

Deutsche verbraucht laut Statistik einen Kilometer Toilettenpapier pro<br />

Jahr, das entspricht etwa 20 Blättchen pro Tag. Haben Sie gewusst, dass<br />

es sogar so eine Art Typologie der Klopapier-„User“ gibt? Demnach sind<br />

wir als notorische „Falter“ bekannt. Denn Deutsche (aber auch Schweizer<br />

und Engländer) falten das Toilettenpapier akribisch, bevor sie es benutzen,<br />

während Italiener und Amerikaner als beherzte „Knüller“ gelten.<br />

Es soll auch penible „Einzelblatt-Abreisser“ und so verschwenderische<br />

„Wickler“ geben. Inwieweit das Ganze von den jeweiligen Mentalitäten<br />

oder psychischen Prädispositionen abhängt, ist nicht erforscht. Vielmehr<br />

lässt es sich auf die Qualität des Papiers zurückführen. Ist es fl ach, dünn<br />

und strukturlos, wird lieber geknüllt. Ist es weich und hat Profi l, wird<br />

eher gefaltet. Während Frauen zur Intimhygiene gern feuchte Toi-lettenpapiere<br />

verwenden, schwören Männer auf weiches, mehrlagiges Papier<br />

von der Rolle. Früher wurde in Ermangelung auch gerne schnödes<br />

Zeitungspapier verwendet, seitenweise gelocht und mit Paketschnur an<br />

einen Haken gehängt. Vielleicht rührt es daher, dass Männer bei ihren<br />

„Sitzungen“ vorzugsweise Zeitung lesen, Magazine durchblättern und<br />

bei ihren „Geschäften“ gern Fachliteratur studieren oder Sudokus lösen.<br />

Ich konnte mir den vielen Papierkram meines Mannes auf dem Klo nie<br />

wirklich erklären. Dass er es trotzdem nie schafft, die aufgebrauchte Rolle<br />

durch eine neue zu ersetzen, steht auf einem anderen Blatt.<br />

Welch wichtige soziokulturelle Rolle das Toilettenpapier spielt, beweist<br />

nicht nur das Angebot originell bedruckter Exemplare (zu Weihnachten,<br />

zu Ostern oder zur Hochzeit; für Fußball-Fans, Geburtstagskinder oder<br />

Autofreaks; mit Blümchen, Basteltipps oder Kreuzworträtseln), sondern<br />

auch Ausstellungen und Sammlungen ästhetisch bedeutender Papiere,<br />

wie z. B. im Archiv von www.klopapier.org, wo kunsthistorisch relevante<br />

Blätter nach Farben, Prägungen und Drucken sortiert sind. Sie können<br />

sich den musikalischen Kult-Beitrag zum „Klopapier-Song“ auf YouTube<br />

herunterladen oder sich nach den Anleitungen des gleichnamigen Buches<br />

meditativ mit „Toilettenpapier-Origami“ beschäftigen. Es gibt sogar<br />

wissenschaftliche Analysen darüber, wann und warum die Toilettenpapierrolle<br />

mit dem griffbereiten Papier nach hinten oder nach vorne aufgehängt<br />

ist. Ob das Klopapier letztlich darüber zu entscheiden hat, ob Sie<br />

dem Leben nur wegen der Aufhängung ab- oder zugewandt sind, bleibt<br />

allerdings fraglich. Sie dürfen sich unbesorgt ein tiefschwarzes aussuchen<br />

und trotzdem Optimist bleiben. Und Sie dürfen es nach Herzenslust<br />

knüllen, falten oder wickeln. Denn Papier ist ja bekanntlich geduldig. Ich<br />

nicht. Hoffentlich kommt jetzt bald mal jemand mit einer Ersatzrolle!<br />

<strong>Oase</strong> 13

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