1-blick: Schülerzeitung - Wilhelm Wagenfeld Schule
1-blick: Schülerzeitung - Wilhelm Wagenfeld Schule
1-blick: Schülerzeitung - Wilhelm Wagenfeld Schule
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1<strong>blick</strong><br />
<strong>Schülerzeitung</strong> der <strong>Schule</strong>n<br />
<strong>Wilhelm</strong> <strong>Wagenfeld</strong> <strong>Schule</strong><br />
Alexander v. Humbold Gym.<br />
Gedanken umworren versucht man zu retten,<br />
die wiegenden Wogen endlich zu glätten.<br />
Versuche beschreiben nur ewiges Bleiben,<br />
versuche Gedanken in Worten zu schreiben,<br />
beschreibe das Bleiben beschreibe dich selbst.<br />
Erkenne das du dich letzt endlich verstellst<br />
du kannst alles haben aber wenn du nicht mehr bist,<br />
weist du das du nichts behältst.<br />
Alleine gefangen, gemeinsam geblieben<br />
das Leben dem Kapitalismus verschrieben.
Mnemotechnik | Seite X<br />
Endlich Ferien | Seite 6<br />
Fairtrade | Seite X<br />
Mus accusam<br />
suntio beatias simuscil id qui blaut exero mo que<br />
re volorep remquae officit aectaquodis dolorio.<br />
Qui del iur sectur alia voluptus, sapedi cus explignis<br />
auda alicips aniatest, omnisim usapitatum<br />
quidit omniminti untiust, accupta dolupta verae<br />
sim fugit que doloratem a nonsect atibus.<br />
Rugby | Seite 14<br />
Huchting Rcokst! | Seite X<br />
Inhalt<br />
Finnland 4<br />
Endlich Ferien 6<br />
Bei der AugenÄrschiN 10<br />
Rugby 14<br />
Huchting Rockt! 16<br />
Punks sind keine Räuber. Oder doch? 20<br />
Augenschmaus 23<br />
Auf der Müllhalde der Bilder 24<br />
Das Sehen verändert unser Wissen 28<br />
Kultur
Musik<br />
16 | Huchting Rock!<br />
Huchting Rockt!<br />
Huchting rockt? Huchting ist doch eher für Hip Hop oder<br />
selbst gereimte Raps bekannt? Doch sehr begabte Schüler<br />
von unseren <strong>Schule</strong>n taten nicht nur dies, sondern rockten<br />
auch am Abend des dritten Junis unsere <strong>Schule</strong>. Zu sehen<br />
gab es selbst gedrehte Tanz- und Musikvideos, zwei Bands<br />
und einen Rapper. Es gelang uns sogar manchen Mitgliedern<br />
einige Fragen zu stellen.<br />
Autorinnen: Janna Weseloh, Julia Gestigkeit<br />
Nachdem wir die Türsteher<br />
in den roten Jacken hinter<br />
uns gelassen haben mussten<br />
wir vier Euro bezahlen um<br />
in die Aula unserer <strong>Schule</strong> zu<br />
kommen. Umgeräumt zu einer<br />
großen freien Fläche vor<br />
der Bühne und mit einigen<br />
Tischen mit Stühlen hinten,<br />
wirkte sie größer den je. Leider<br />
waren nicht genug Gäste<br />
da, um diese zu füllen. Um 19<br />
Uhr war Einlass, etwas später,<br />
nach einigen Vorbereitungen,<br />
begann die Vorstellung jedoch<br />
erst. Herr Drunkemühle er-<br />
öffnete das Event mit einigen<br />
Worten und stellte uns zuerst<br />
ein Tanzvideo, welches verschiedene<br />
Tanzstile zeigt, vor.<br />
Darauf folgte die erste Band<br />
»Silent Skill«, welche ca 5<br />
Songs spielten, inklusive Covers<br />
aber auch selbstgeschriebenen<br />
Songs.<br />
������ ���� ���� ��� ����<br />
Wir bestehen aus vier Leuten.<br />
Ein Bassist (18) aus Bremen<br />
Nord, der erst seit zwei Wochen<br />
bei uns spielt und auch<br />
nur bei zwei Proben<br />
da war. Ein Schlagzeuger (18)<br />
von der AvH aus dem 12. Jahrgang<br />
aus Huchting. Genauso<br />
wie unser Leadgitarrist (17)<br />
aus der E- Phase der AvH. Ich<br />
(18) bin auch von der AvH aus<br />
dem 12. Jahrgang und singe<br />
und spiel n bisschen Gitarre.<br />
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Ein bisschen weniger als ein<br />
halbes Jahr.<br />
��� ���� ��� ���� ��������-<br />
���������<br />
Das war ganz witzig! Meine<br />
Schwester ist im selben Jahrgang<br />
wie unser Gitarrist und<br />
sie hat mir dann erzählt, dass<br />
er ganz gut spielt und dass er<br />
auch gerne in einer Band spielen<br />
will. Dann hab ich mich<br />
mal mit ihm zusammengesetzt,<br />
mit ihm n bisschen gespielt<br />
und dann hab ich mir
gedacht, als das ziemlich abging,<br />
nehm ich meinen alten<br />
Schlagzeuger, mit dem ich früher<br />
auch immer gespielt hab.<br />
Dann hatten wir auch schon<br />
mal einen Autritt zu dritt.<br />
Danach haben wir uns aber<br />
gedacht, wir brauchen nen<br />
Bassisten, so kurzfristig für<br />
den Auftritt hier. Dann haben<br />
wir nen alten Bassisten genommen,<br />
mit dem ich schon<br />
mal in ner Band gespielt hab<br />
und der kriegt das auch ganz<br />
schön gut hin.<br />
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������� ������ ���������<br />
Nach der ersten Probe im Freizi.<br />
Die ham sich da natürlich<br />
auch gleich beschwert. Da<br />
sind wir dann aufm Rückweg<br />
zu Bürgerking gegangen und<br />
da haben wir dann gedacht,<br />
wir brauchen irgentwas cooles,<br />
ironisches. Deswegen erstmal<br />
»Silent«, weil unsere Bandproben<br />
immer ziemlich laut sind<br />
und ohne Oropax krieg ich da<br />
immer Kopfschmerzen. Und<br />
»Skill« einfach nur weils stylisch<br />
ist. Skill heißt Fähigkeiten<br />
oder Talent und ich finde<br />
unser Gitarrist verkörpert das<br />
in unserer Band.<br />
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����� ������<br />
Unsern allerersten hatten unser<br />
Gitarrist und ich zusammen<br />
auf nem Geburtstag.<br />
Wir ham für die zwei Mädchen,<br />
die da gefeiert haben<br />
jeweils einen Song gespielt.<br />
Der nächste Auftritt war dann<br />
halt im »Muddys« bei einem<br />
Bandcontest, wo wir den zweiten<br />
Platz gemacht haben. Mit<br />
der Band, die da den ersten<br />
gemacht hat, wollen wir auch<br />
bald auf Tour gehen. Und zwar<br />
wollen wir in Bremen ein paar<br />
Freizis rocken. Und wenn wir<br />
dann ein bisschen bekannter<br />
sind und noch n paar mehr<br />
Fans haben können wir auch<br />
mal den »Tower« oder das<br />
»Zucker« unsicher machen.<br />
Und das hier war jetzt der<br />
dritte Auftrit.<br />
���� ��� ����������<br />
Jeder von uns hat Vorbilder.<br />
Einige Gitarristen und zum<br />
Beispiel Mathew Bellamy von<br />
der Band »Muse«. Weil er einfach<br />
so ein Musikgott ist, er<br />
spielt Klavier, spielt Gitarre<br />
und singt dazu noch und an<br />
Leuten wie ihm orientiere ich<br />
mich.<br />
���� ��� ���� ��������� ���<br />
����� �����������<br />
Vor dem Bandkontest war ich<br />
ziemlich aufgeregt, aber hier in<br />
der <strong>Schule</strong> nicht, weil man hier<br />
alles kennt und weil nicht so<br />
viele Leute da waren.<br />
��� ���� ������ ���� ��� ������<br />
������� ��������� ������<br />
������� �����<br />
Wir wurden von dem Dirigenten,<br />
bei dem ich mal in<br />
den Musicals »89« und »Endstation<br />
Huchting« mitgespielt
Musik<br />
18 | Huchting Rock!<br />
habe, angesprochen. Der hat<br />
dann rausgefunden, dass wir<br />
auch ne private Band haben<br />
und hat uns dann gefragt ob<br />
wir hier mitmachen wollen.<br />
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��� ����� ��� ��� ������ ��-<br />
��������� �����<br />
Das erste heißt »Far Away« und<br />
handelt davon, dass man sich<br />
einfach n bisschen ausruht,<br />
am Strand liegt und ne schöne<br />
Frau beobachtet und am Ende<br />
ziemlich so rausbrüllt, dass es<br />
keinen schöneren Ort gibt als<br />
den, wo man gerade ist. Der<br />
zweite Song, dass war der erste,<br />
den ich je schrieben hab,<br />
nach einer Feier, das hört man<br />
auch am Text. »Don´t know<br />
about last night« heißt er und<br />
ist zu finden auf unserer »myspace«<br />
Seite, der klingt aber live<br />
besser. Der nächste Song »Not<br />
real« handelt davon dass ich irgendwie<br />
verwirrt war von mir<br />
selbst und dass ich das dann<br />
auch rausbringen wollte als<br />
Text um zu versuchen das zu<br />
erklären. Der Song »Time is<br />
running out« ist mein Lieblingssong,<br />
als der fertig war<br />
hab ich mich nur auf den<br />
Boden geschmissen und mich<br />
gefreut!<br />
��� ��� ������ ��� ������<br />
����� ������ �� ���-<br />
������� ��� ������ �� ����<br />
Ich hab mich früher immer<br />
richtig mit solchen Texten<br />
auseinandergesetzt, aber nach<br />
dem ersten Song ging das auch<br />
schon leichter. Und dann hab<br />
ich gemerkt, dass es besser<br />
geht wenn ich n bisschen was<br />
getrunken habe. Zumindest<br />
muss man das üben.<br />
���� ��� ����� ����� �����-<br />
��� �������� ��������<br />
Ne, aber wir wurden schon<br />
von unserem Tontechniker<br />
angesprochen, dass wir mal n<br />
paar vernünftige Lieder aufnehmen<br />
können, außerdem<br />
noch von einer, die mit uns<br />
dann richtige Musikvideos<br />
drehen will.<br />
���� ��� ��������� ��� �����<br />
���������<br />
Ja total, mit den Auftritten<br />
und das alles so schnell geht<br />
und mit unserer Leistung natürlich.<br />
���� ��� ��� �����<br />
Ja natürlich berühmt werden<br />
und wir haben mal so gesagt,<br />
dass wir spätestens in fünf Jahren<br />
bei »Rock am Ring« auftreten,<br />
als Headliner.<br />
���� ��� ��� ������ ����� ���<br />
�����������<br />
Ich seh alle Musiker als Freunde!<br />
Mit diesem schönen Schlusssatz<br />
beendeten wir das Interview<br />
mit dem Liedsänger und<br />
Gittaristen von »Silent Skill«.<br />
Nach dem Auftritt von »Silent<br />
Skill« gab es einen kleinen<br />
Wettbewerb zwischen verschiedenen<br />
Musikvideos, die<br />
einige Schüler der WWS selbst<br />
gedreht und geschnitten hatten.<br />
Nach einer kurzen Pause<br />
bekamen wir dann ca 3 Stücke<br />
von »Justus Beatz« zu hören,<br />
der ebenfalls Bassspieler in der<br />
darauf folgenden Band »Art<br />
Nouveau« ist. »Árt Nouveau«<br />
spielte einige selbst geschriebene<br />
und komponierte Songs<br />
aber auch einige Coverversionen,<br />
die teils auch aus dem<br />
Publikum gewünscht wurden.<br />
Dies zeigte die Nähe zum Publikum<br />
und sie bewiesen, da einige<br />
Absprachen zwischen den<br />
Songs noch nötig waren, auch<br />
ihr Entertainmenttalent auf<br />
der Bühne. Nach der Show<br />
bekamen die das Intview von<br />
»Silent Skill« mit und waren<br />
geradezu begeistert von dem<br />
Gedanken auch in unserer
[Name der <strong>Schülerzeitung</strong>]<br />
erwähnt zu werden. Bei dem<br />
Interview fieln sie nicht aus ihrer<br />
Rolle als Entertainer, sodass<br />
uns nichts anderes übrig bleibt<br />
als das amüsante Interview mit<br />
zwei Bandmitglieder erheblich<br />
zu kürzen. Die beiden aufgeweckten<br />
jungen Männer begannen<br />
selbst bei der ersten<br />
Frage, nach den Bandmitgliedern,<br />
ein langes Gespräch miteinander,<br />
wie alt denn wer aus<br />
ihrer achtköpfigen Band wäre.<br />
Die Band im Alter zwischen<br />
17-23 Jahren besteht aus zwei<br />
Gitarristen, einem Bassspieler,<br />
einem Schlagzeuger und<br />
4 Chorsängern. Schlagzeuger<br />
und ein Gitarrist sowie 2<br />
Mädchen des Chors zählen zu<br />
den Hauptsängern der Songs.<br />
»Art Nouveau« bedeutet so<br />
viel wie »neue Kunst« was die<br />
Schlagzeuger und Gitarrist,<br />
die biden die wir Interviewten<br />
für selbsterklährent befanden.<br />
Wie nicht anders zu erwarten<br />
antworteten sie auf die Frage,<br />
wie sie entstanden seien mit einem<br />
»Puff und wir waren da«.<br />
Sie selber bekannten sich zu den<br />
Mitgründern von »Huchting<br />
Rockt!« und baten uns euch<br />
dazu aufzufordern dies einmal<br />
jährlich mit<br />
folgenden Schülerbands fortzuführen.<br />
Auf die Frage ob<br />
sie einmal berühmt werden<br />
wollen waren sie zum ersten<br />
mal geteilter Meinung, wobei<br />
sie ihre Scherzerein aber nicht<br />
aufgaben. Entschlossen gaben<br />
sie dann allerdings gemeinsam<br />
Helge Schneider als ihr Vorbild<br />
an, von dessen Humor sie<br />
sich anscheinend eine Scheibe<br />
abgeschnitten hatten. Des weiteren<br />
sagten sie, dass sie von<br />
der Idee einer <strong>Schülerzeitung</strong><br />
begeistert sein, es super von<br />
uns fanden das wir uns Zeit für<br />
sie genommen hatten und uns<br />
baten dies auch wirklich in die<br />
[Name der Zeitung] zu schreiben.<br />
Ihr Abschließenden Worte<br />
waren, das sie den Abend,<br />
trotz weniger Zuschauer, sehr<br />
schön fanden.<br />
Wenn ihr von mehr von »Art<br />
Nouveau« hören wollt dann<br />
seht doch einfach auf ihrer<br />
»myspace« seite unter<br />
www.myspace.com/artnouveaumusic<br />
nach.<br />
Auch uns hat der Abend mit<br />
seinen Musikauftritten und<br />
den Interviews sehr gefallen<br />
und auch das<br />
Plakat von »Huchting Rockt«<br />
gute Klima zwischen Musikern<br />
und Zuschauern, die teilweise<br />
direkt am vorderen Bühnenrand<br />
mitgerockt hatten, würden<br />
wir immer wieder erleben<br />
wollen und können euch dies<br />
nur empfehlen.<br />
Wir hoffen auf ein nächstes<br />
mal 2011.
Augenschmaus<br />
Good Will Hunting<br />
1998<br />
Being John<br />
Malkovich<br />
1999<br />
Sieben<br />
1995<br />
The Game<br />
1997<br />
The Sixth Sense<br />
1999<br />
Die Truman Show<br />
1998<br />
The Green Mile<br />
1999<br />
12 Monkeys<br />
1996<br />
Reservoir Dogs<br />
1992<br />
Braveheart<br />
1995<br />
Der blutige Pfad<br />
Gottes<br />
1999<br />
American Beauty<br />
1999<br />
Der Pate<br />
1972<br />
Evel molora desequam<br />
quiam volori dollitaest voluptatem<br />
volorecae prepudanimus<br />
volorit estem autem eatur apicil<br />
in pa nume offictendi conectus.<br />
Ditio. Et magnatur as ideribus<br />
rem aria cus audant, utem ullabo.<br />
Archill uptaecto voluptatur<br />
am, vidus inisseq uunduntis<br />
dunt.<br />
Fuga. Qui optaque dollatur,<br />
cusci quiaspicab ipsum nobis<br />
vere dolum eum fuga. Ibuscim<br />
endantorro vitia nonserum volorionecta<br />
veribus nus eosapis<br />
quid quiatur maximusape iur,<br />
cum et que non cuptatusae velestem<br />
quametur, quidus, sum<br />
invel invellu ptatem doluptatum<br />
quid que volore natisimil<br />
explibus eaque nullaudis repuda<br />
nobiti alic to tem quam<br />
aditasitat omnihilitae voluptatur<br />
alia into volupic imaximus<br />
viducit iasped que et as ad ma<br />
coria dolor min es nis rem fugit<br />
faccum ipis aut occuptat.<br />
At. Qui rest, ulpa secus, ium<br />
fugit autem quatibeat.<br />
Vellorp orepudit volore venihilitas<br />
ipsa volecaborum quam<br />
quunto et lanit, que conseque<br />
liquostrum nus ut voloruptate<br />
eossimus doluptiures dolo doluptat.<br />
Ne vendign atiore intur? Sunt.<br />
Evenda volumquisque ium eaquis<br />
essit hillenihil ius coriam,<br />
omnim samet parum haruptam,<br />
odia denditibus audions<br />
equisqu isimeni hiciet autem<br />
as et andis quia veruntibus.<br />
American History X<br />
1999<br />
Pulp Fiction<br />
1994<br />
Léon - Der Profi<br />
1995<br />
Forrest Gump<br />
1994<br />
Fight Club<br />
1999<br />
Fargo<br />
1996<br />
Cube<br />
1997<br />
The Big Lebowski<br />
1998<br />
Psycho<br />
1960<br />
From Dusk till Dawn<br />
1996<br />
Titanic<br />
1998<br />
Dead Man<br />
1996<br />
Gattaca<br />
1997
Augenschmaus<br />
24 | Auf der Müllhalde der Bilder<br />
Auf der Müllhalde<br />
der Bilder<br />
Eine feuilletonistische Kritik zu Wim Wenders<br />
Film ‘Bis ans Ende der Welt’<br />
In dem 1992 gedrehten Film ‘Bis ans Ende der Welt’ entwirft<br />
der deutsche Regisseur Wim Wenders in dreieinhalb Stunden<br />
ein futuristisches Szenario von unserer Welt.<br />
J.Timm, Mai 1992<br />
»Die Handlung spielt im Jahr<br />
1999. Ein indischer Satellit mit<br />
nuklearem Material an Bord<br />
verlässt den Orbit und nähert<br />
sich der Erde. Claire Tourneur<br />
macht in Venedig Schluss mit ihrem<br />
Freund, einem Briten. Sie<br />
fährt auf einer Straße in Frankreich,<br />
dort kollidiert ihr Auto<br />
mit dem Wagen zweier Männer.<br />
Sie erweisen sich später als<br />
Räuber, die eine Bank auf dem<br />
Flughafen Nizza ausgeraubt haben.<br />
Tourneur soll einen Teil des<br />
Geldes bekommen, wenn sie es<br />
nach Paris bringt.<br />
Unterwegs lernt Tourneur Sam<br />
Farber kennen, der mit einer<br />
Spezialkamera Bilder für seine<br />
blinde Mutter Edith aufnimmt.<br />
Die Bilder können direkt ins<br />
Gehirn übertragen werden.<br />
Tourneur nimmt ihn in ihrem<br />
Auto mit, er stiehlt einen Teil<br />
des Geldes.<br />
Tourneur folgt Farber, bis sie<br />
den Familiensitz in Australien<br />
findet, wo Sams Vater Henry<br />
ein Labor unterhält. Der Satellit<br />
explodiert, doch die Menschheit<br />
überlebt. Zur Neujahrsfeier<br />
stirbt Edith, die von ihrem Ehemann<br />
und von ihrem Sohn beweint<br />
wird. Henry widmet sich<br />
– trotz des Widerstandes seiner<br />
Mitarbeiter aus einem Stamm<br />
der Aborigines – den Experimenten<br />
mit der Gedankenübertragung.<br />
Sam hilft ihm als eine<br />
Versuchsperson.« (Wikipedia)<br />
Was man nach der ersten<br />
Hälfte(oder gar den ersten<br />
zwei Dritteln?) nicht mehr<br />
für möglich hält:der Film hat<br />
doch etwas zu sagen.Aber der<br />
Weg dahin ist nicht nur dornenreich,<br />
sondern führt den<br />
Betrachter in Irrwege und<br />
Labyrinthe, in denen sich die<br />
Autoren des Films offenbar<br />
selbst verstrickt hatten.Es gibt<br />
eine Zweiteiligkeit des Films<br />
und sie ist ein Bruch, der<br />
schwer nachvollziehbar ist.<br />
Es hat den Anschein,als habe<br />
Wenders die Idee mit dem Laboratorium<br />
der Bilder in der<br />
Wüste Australiens erst bekommen,<br />
nachdem er seine Gaunerkomödie<br />
schon fast fertig<br />
hatte, zu sehr unterscheiden<br />
sich die beiden Teile und das<br />
nicht nur wegen der schwar-<br />
zen Perücke, die die Heldin<br />
im ersten Teil trägt und damit<br />
einen anderen Typ markiert<br />
als im zweiten.Gott sei Dank<br />
hat Wenders sich nicht allein<br />
auf die Gangsterkomödie verlassen,<br />
obwohl auch die heutzutage<br />
einen gewissen Sinn<br />
macht. Der Umstand nämlich,<br />
genügend Geld zu haben, um<br />
gelangweilt durch die Welt<br />
rasen zu und hemmungslos<br />
Geld für Verkehrsmittel und<br />
Hotels (war der Film letztlich<br />
von TUI und nicht nur<br />
von BOSS gesponsert?) ausgeben<br />
zu können, trifft schon<br />
den Nerv unserer Zeit.Trotz<br />
des berechtigten ÖTV-Streik<br />
darf man vermuten, dass die<br />
meisten Menschen in unserem<br />
und in anderen Ländern<br />
der nördlichen Erdhalbkugel<br />
genug Geld haben, diesen<br />
Reisesport zu betreiben - die<br />
ständig steigenden Raten an<br />
Flugbuchungen beweisen das.<br />
Also braucht man sich in solch<br />
einem monumentalem Werk,<br />
wie Wenders Film, nicht mehr<br />
die Frage stellen: wovon leben<br />
die Personen eigentlich, die ich<br />
darstelle, wie verdienen sie sich<br />
ihren Lebensunterhalt? Früher<br />
war man immer noch der<br />
Meinung, dass die Arbeit den<br />
Menschen und seine Lebensbedingungen<br />
entscheidend<br />
prägen, heute scheint das eher<br />
auf die Freizeit zuzutreffen.<br />
Deswegen konzentrieren sich<br />
die Filmemacher heutzutage<br />
nur auf das Wesentliche, und<br />
Wenders hatte ja schließlich<br />
auch nur drei Stunden Zeit.<br />
Ärgerlich bei dieser Gaunerkomödie<br />
- wie anders als komödienhaft<br />
sollen wir den Privat-
detektiv (Ich bin Detektiv-da<br />
geht nichts schief) verstehen,<br />
obwohl die Gags spärlich sind<br />
und nur selten zum Lachen<br />
verführen- ist nur, dass sich<br />
ein Mann ,der so wunderbare<br />
Bilder schaffen kann, nicht darauf<br />
verzichtet, die gängigsten<br />
Klischees zu verwenden - ob<br />
das nun das unter der Decke<br />
als Pistole getarnte Kruzifix<br />
ist, oder ob das ikonographische<br />
Klischees sind, wie zum<br />
Beispiel die im Mundwinkel<br />
hängende Zigarette von<br />
Jeanne Moreau, und selbst in<br />
der Schluss-Sequenz hat man<br />
den Eindruck, dass sie eine<br />
Anleihe bei Stanley Kubricks<br />
Space Odyssee 2001 ist. Auf<br />
Kubrik deutet ja auch schon<br />
dieser merkwürdige Pygmäen-<br />
Gesang aus Kamerun hin, der<br />
verdammt viel Ähnlichkeit<br />
mit Ligetis Musik hat,die Kubrik<br />
in Verbindung mit dem<br />
Monolithen verwendet.<br />
So hat man im ersten Teil<br />
den Eindruck: die Menschen<br />
reisen gelangweilt um den<br />
Globus, haben sich nicht viel<br />
zu sagen, sind stumpf und<br />
empfindungsarm. Denn wenn<br />
Claire schon nicht zu großen<br />
Emotionen bei der Trennung<br />
von ihrem Dichterfreund fähig<br />
ist, so hätte sie als Mensch<br />
unseres Jahrzehnts doch mindestens<br />
bei dem Stau auf der<br />
Straße ausrasten müssen. Sie<br />
tut es nicht, nicht nur, weil sie<br />
schläfrig ist, sondern weil offensichtlich<br />
alle Lebenselixiere<br />
eingefroren sind. Tatsächlich<br />
macht diese Beschreibung noch<br />
die Stärke dieses ersten Teils<br />
aus: um die Menschen herum<br />
tost und brodelt es, aber ihnen<br />
fehlt Leben, die Lebensströme<br />
sind herabgesetzt, low energy.<br />
Deswegen muss auch so etwas<br />
wie Bongee-Jumping her. Bloß<br />
in dieser Hexenküche, in der<br />
die narkotisierenden Dämpfe<br />
zusammengebraut werden,die<br />
die Menschen lähmen, steht<br />
auch der Koch Wenders. Seine<br />
Zutaten: Bilder. Nach dem<br />
Motto: wir machen einfach<br />
Bilder, der Inhalt kommt<br />
dann schon von selbst. In Abwandlung<br />
an ein Wittgenstein<br />
- Zitat fiel mir zum ersten Teil<br />
deswegen ein: Wer nichts zu<br />
sagen hat, der soll schweigen.<br />
Man nehme eine schöne Frau,<br />
einen schönen Mann (dass<br />
Hüte wieder gefragt sind, wissen<br />
wir ja bereits spätestens<br />
seit Schlöndorfs HOMO FA-<br />
BER, von dem sich Wenders<br />
auch so einige Dinge ausborgt<br />
- man denke an den Flugzeugabsturz).<br />
Männer mit Hüten<br />
im Stile der 30er, Flugzeuge,<br />
Wüsten und Kreditkarten<br />
- viel mehr braucht man anscheinend<br />
schon gar nicht<br />
mehr, um dem Publikum zu signalisieren,<br />
dass man im Trend<br />
liegt und Deutschland mitten<br />
in Amerika.<br />
Im Möbel-Design (Was für<br />
ein Wort!) gab es mal die Losung,<br />
die aus dem praktisch<br />
orientiertem Skandinavien<br />
kam, das ja auch seine Filme<br />
so dreht,: form follows function!<br />
Das Gegenteil ist heute<br />
angesagt. Wir wollen mal für<br />
function content (Inhalt) ersetzen,<br />
und die Zauberformel<br />
heißt:content follows form.<br />
Das Design bestimmt das Be-<br />
Filmposter »Bis ans ende der Welt«<br />
wusstsein und die Inhalte sowieso.<br />
Auch da trifft Wenders<br />
(unbeabsichtigt) mit seiner<br />
Beschreibung unserer Zeit, ist<br />
er ungewollt(?) Chronist.<br />
Also, es gehen dem (Alt)<br />
Meister einige Bilder daneben.<br />
Aber nicht nur die:Man<br />
bringe sich die Dialoge(sofern<br />
vorhanden) noch einmal in<br />
Erinnerung:still love you-my<br />
broken ladder. Da geht auch<br />
das sprachliche Bild in die<br />
Hose. Oder, zweites Beispiel:<br />
Der Motor des Flugzeuges<br />
bleibt stehen, die Cessna segelt<br />
zwangsläufig der Erde<br />
entgegen. Sam:«Schnall‘ dich<br />
an, wir müssen runter.« Man<br />
stelle sich das mal vor,wir müssen<br />
runter, als wenn es eine Alternative<br />
gäbe. Aber es scheint<br />
ja überhaupt keine vernünftige<br />
Dialoge mehr in Filmen zu geben.<br />
Die Schauspieler müssen
Augenschmaus<br />
26 | Auf der Müllhalde der Bilder<br />
heute gar nicht mehr viel sprechen,<br />
die Zeiten sind vorbei.<br />
Daraus folgt auch das trügerische<br />
Bewusstsein, man verstehe<br />
die Filme alle. Man muss<br />
nicht mehr komplizierten Gedankengängen<br />
folgen. Heute<br />
kann man während eines Film<br />
ruhigen Gewissens rausgehen,<br />
sein Bier holen, und wiederkommen,<br />
man kann jederzeit<br />
wieder einsteigen.Trügerisch<br />
ist das, weil ja die Bilder auch<br />
etwas sagen,aber sie reden eben<br />
ganz anders mit den Menschen<br />
als es die Worte tun. Dieses<br />
Arsenal an Mimik und Gestik<br />
muss heute ein Schauspieler<br />
beherrschen (und sein Regisseur)<br />
mehr als Artikulation.<br />
Und noch eines muss ein heutiger<br />
Regisseur: er muss sich<br />
auskennen in den Hit-Paraden.<br />
Unerträglich und auch<br />
völlig funktionslos dudelt die<br />
ganze Zeit ein Musik-Stück<br />
nach dem nächsten im Hintergrund.<br />
Vorbei die Zeiten eines<br />
Eric Rhomer,in denen es still<br />
war, wenn keiner was sagte,<br />
oder nur Geräusche zu hören<br />
waren. Heute schweigen die<br />
Schauspieler, damit man die<br />
Musik hören kann.Und die<br />
dröhnt einem unablässig die<br />
Birne voll. Die Musik - Junkies<br />
brauchen ihren Stoff halt auch<br />
für die drei Stunden. Ich frage<br />
mich bloß immer wieder, ob<br />
das nicht auch heißt, dass die<br />
Regisseure der Aussagekraft ihrer<br />
Bilder nicht mehr trauen,<br />
dass sie alles mit Musik ‚stützen‘<br />
müssen. Offensichtlich<br />
kann man in den 90er Jahren<br />
nicht mehr sehen, ohne dabei<br />
zu hören. Musik mag ja durchaus<br />
eine Funktion haben - damit<br />
haben sich ja nicht nur so<br />
kluge Leute wie Hanns Eisler<br />
und Charlie Chaplin schon in<br />
den 30er Jahren ausgiebig beschäftigt<br />
- aber hier ist sie völlig<br />
funktionslos. Sie ist weder<br />
leitmotivisch eingesetzt, noch<br />
ergibt sie Sinn in den einzelnen<br />
Szenen - vielleicht mit Ausnahme<br />
der Silvesterszene, wo<br />
die Feiernden »Thank you for<br />
the Day« singen, einen alten<br />
Kinks(!)-Titel und der alternde<br />
Rezensent dieser Zeilen horcht<br />
noch einmal gerührt auf.<br />
E.A.Rauter hat einmal in seinem<br />
Buch »Vom Umgang mit<br />
Wörtern« geschrieben, dass<br />
man misstrauisch wird, wenn<br />
der Gemüsehändler in fünf<br />
Minuten zweimal seine Radieschen<br />
die besten nennt. Ich<br />
werde misstrauisch, wenn die<br />
ganze Zeit Musik dudelt.<br />
Der zweite Teil. Endlich beginnt<br />
der Film, endlich verlassen<br />
wir das kurzweilige Werbefilm<br />
- Szenario. Im zweiten Teil<br />
bekommt der Film endlich ein<br />
Thema: die Krankheit der Bilder.<br />
Fast muss man befürchten<br />
,dass das Augenreiben von<br />
Sam nicht nur gespielt ist.<br />
Zwar wird hier eine nun mittlerweile<br />
sentimentale Kitsch<br />
- Story fortgeführt (Sohn will<br />
der blinden Mutter Bilder vermitteln<br />
und Vater zum wissenschaftlichen<br />
Ruhm verhelfen)<br />
,aber jetzt geht es doch um ein<br />
relevantes Thema. Im Zusammenhang<br />
mit der Erfindung<br />
des Walkman haben Kritiker<br />
ob seiner isolatorischen Auswirkungen<br />
auf seine Träger<br />
einmal von den Walls of Sound<br />
gesprochen, die durch ihn<br />
geschaffen würden. Analog<br />
könnte man<br />
sagen, dass die<br />
Bild-Medien<br />
Walls of Picturesschaffen.<br />
Das wird<br />
in dem Film<br />
auch ganz gut<br />
ausgedrückt,<br />
indem Sam,<br />
sein Vater und<br />
Claire als Bild-<br />
Junkies dargestellt<br />
werden.<br />
Wenders zeigt
hier sehr schön, dass die Sucht<br />
nach den Bildern beginnt,<br />
eine Sucht, nach der das einzelne<br />
oder einzelne wenige<br />
Bilder nicht mehr genügen.<br />
Ein quantitatives Moment<br />
kommt ins Spiel. Und dieser<br />
Gedanke hat wirklich etwas<br />
Apokalyptisches. Denn noch<br />
haben wir ein Regularium<br />
(Erinnerungsvermögen), das<br />
die Bilder aussortiert, auswählt<br />
und entscheidet, welches erhalten<br />
und welches gelöscht<br />
werden soll, oder zumindest<br />
im Unterbewusstsein abgelagert<br />
werden soll. Wenn dieses<br />
Regularium ausgeschaltete<br />
wird - etwa durch die Sucht-<br />
dann allerdings Gute Nacht.<br />
Denn schon jetzt müssen wir<br />
uns fragen,wo denn eigentlich<br />
die ganzen Bilderberge<br />
bleiben, die alltäglich auf uns<br />
einstürzen. Welches Gehirn<br />
soll das denn noch alles verarbeiten?<br />
Und vor allen Dingen:<br />
wo bleiben die Bilder, die<br />
Eindrücke, da wir doch keine<br />
öffentliche Müll-Deponie für<br />
sie haben?<br />
Leider verwechselt Wenders<br />
auch hier wieder einiges.Es<br />
stimmt, ein Foto ist immer<br />
Vergangenheit, ein Foto ist nie<br />
Jetzt.Wenn etwas abgebildet<br />
ist, dann ist es immer schon<br />
vorbei. Insofern hat er Recht,<br />
wenn er die Verarbeitung ‚vergangener‘<br />
Bilder mit dem Bewusstsein<br />
der Menschen über<br />
ihre Vergangenheit verbindet.<br />
Nur ist er in den Kategorien der<br />
Psychoanalyse nicht sattelfest,<br />
obwohl er sich ausdrücklich<br />
im Film darauf beruft. Aber<br />
mit dieser Art von Traumbil-<br />
dern wären weder Freud noch<br />
Jung wohl einverstanden. Der<br />
Traum ist nämlich nicht mit<br />
dem fotografischen Bild vergleichbar,<br />
der Traum ist eine<br />
wunderbare Verdichtung lebensbiografischer<br />
Erlebnisse<br />
und Fakten, die er ausdrückt.<br />
Er ist nicht wie im Film als<br />
ein Fotoalbum zu verstehen,<br />
in dem man blättert (auffallend<br />
auch, dass die Personen<br />
im Film immer von anderen<br />
gesehen werden und nicht<br />
subjektiv durch ihre Augen<br />
sehen, wie es im Traum meistens<br />
der Fall ist.) Man möchte<br />
es Wenders nachsehen, wenn<br />
es nicht doch auch dokumentierte,<br />
dass er am Wesen des<br />
Bildes vorbeiredet bzw. den<br />
Bereich des Bildes überdehnt.<br />
Er ist halt ein Filmemacher<br />
nur. Und die können nur in<br />
Bildern denken.Wie sagt Neil<br />
Postman so schön: Der Mann<br />
mit dem Hammer denkt nur<br />
in Nägeln, der Mann mit dem<br />
Computer denkt nur in Daten,<br />
der Mann mit dem Fernseher<br />
denkt nur in Werbespots<br />
- Und in welchen Kategorien<br />
denken die Filmemacher?<br />
Natürlich dürfen wir von Wim<br />
Wenders und Robby Müller<br />
erwarten, dass sie ihr Handwerk<br />
verstehen und natürlich<br />
gelingen ihm starke aussagekräftige<br />
Sequenzen und Passagen.<br />
Australien als Handlungsort<br />
ist gut gewählt. Hier zum<br />
Beispiel malt er vortreffliche<br />
Bilder, Zukunftsbilder, die<br />
die Elemente der Gegenwart<br />
in sich tragen. Die mystische<br />
für uns Europäer so entfernte<br />
Welt der Aborigies mag zu<br />
einem späteren Zeitpunkt der<br />
Erdgeschichte vielleicht wirklich<br />
mal der Rückbesinnungspunkt<br />
werden und in einer<br />
kuriosen Mischung von Apologeten<br />
der Zukunft (Sam‘s<br />
Vater) und den Felsen der<br />
Erdgeschichte (die Ureinwohner)<br />
kauern sich die Menschen<br />
angesichts einer drohenden<br />
Katastrophe (der abgestürzte<br />
Atom-Satellit ) zusammen<br />
und überleben in der Wüste<br />
und in der Wüste,diesem lebensfeindlichen<br />
Raum, eher<br />
als in den Städten.<br />
Es mag den Deutschlehrer in<br />
mir versöhnlich stimmen, dass<br />
Wenders zum Schluss das geschriebene<br />
Wort hochhält<br />
und das wieder im allerbesten<br />
Klischee: der Mann mit der<br />
Schreibmaschine (der denkt<br />
übrigens in den Kategorien<br />
von Romanen - jedenfalls in<br />
Filmen immer). Aber, was sind<br />
das für Zeiten, in denen die<br />
Filmemacher das Wort verteidigen<br />
müssen mit Filmen,die<br />
das Wort zerstören!<br />
Nachtrag<br />
A. Timm, Juni 2010<br />
Den obenstehenden Artikel<br />
habe ich vor 8 Jahren geschrieben.<br />
Heute lese ich in der Zeitung:<br />
»Die besten WM- Sprüche: Zur<br />
WM haben Spieler und Trainer<br />
viele witzige Weisheiten<br />
parat. Eine Fotostrecke stellt<br />
die schönsten Sprüche vor.«<br />
Wie geht das?
Silouhetten<br />
28<br />
Das Sehen verändert unser Wissen.<br />
Das Wissen verändert unser Sehen.<br />
Der Star-Fotograf Manfred Baumann wurde 1968 in Wien geboren. Seine<br />
Leidenschaft für die Fotografie begann bereits in Kindheitstagen, mit 21<br />
Jahren folgte die Profession.<br />
Manfred Baumann bezeichnet seinen Großvater, der während des zweiten<br />
Weltkrieges als Kriegsberichterstatter tätig war, als eine seiner größten<br />
Inspirationsquellen. Er war es auch, der sein Talent unterstützte, indem<br />
er ihm seine erste Kamera, eine PRAKTIKA zum Geschenk machte.<br />
Anna Doraziska, .psd 06/2010 | www.psdmag.org/de<br />
Mit freundlicher Genehmigung von .psdphotoshop<br />
Heute sind Manfred Baumanns<br />
Werke sowohl in<br />
renommierten Hochglanz-<br />
Magazinen, als auch in Werbestrecken<br />
internationaler Unternehmen<br />
zu sehen.<br />
Er versteht es wie kein zweiter<br />
die schönsten Frauen erotisch<br />
in Szene zu setzen, ihre<br />
Ausstrahlung und Schönheit<br />
zu unterstreichen und dabei<br />
eine Geschichte zu erzählen.<br />
Der Betrachter fühlt die Erotik<br />
und Spannung, die Manfred<br />
Baumann in jedem einzelnen<br />
seiner Bilder einfängt.<br />
Seit einigen Jahren widmet<br />
sich der Künstler vermehrt<br />
der Porträtfotografie. Beinahe<br />
endlos ist die Liste der Persönlichkeiten,<br />
die bereits vor Baumanns<br />
Linse posiert haben. Sir<br />
Roger Moore, Bruce Willis,<br />
John Malkovich oder Sylvester<br />
Stallone ließen sich ebenso<br />
ins rechte Licht rücken, wie<br />
Tommy Haas oder Lionel Richie.<br />
Um zu entspannen und<br />
neue Kraft zu tanken zieht<br />
es Baumann immer wieder in<br />
ferne Länder, die er natürlich<br />
niemals ohne seine Kamera<br />
bereist. Dem Betrachter der<br />
beeindruckenden Fotos überkommt<br />
dabei schnell Fernweh:<br />
Die schönsten Plätze der Erde,<br />
aus teilweise ungewöhnlichen,<br />
imposanten Blickwinkeln aufgenommen,<br />
laden zum Träumen<br />
ein und verführen in<br />
fremde Welten.
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������� �������� Porträtfotografie war<br />
und ist einer meiner Lieblingsbereiche der Fotografie.<br />
Nicht nur, dass man hier die interessantesten<br />
und unterschiedlichsten Menschen<br />
kennenlernen kann, aus den verschiedensten<br />
Bereichen; es ist das Faszinierende, die unterschiedlichen<br />
Charaktere mit verschiedenen<br />
Techniken zu fotografieren und so zu zeigen.<br />
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������� �������� Ein gewisses Talent ist wie<br />
in jedem Beruf sehr wichtig. Man kann viel<br />
erlernen und sich viel Wissen aneignen, doch<br />
ein technisch einwandfreies Foto muss noch<br />
lange kein gutes Bild sein. Es steckt auch viel<br />
Fleiß und Arbeit dahinter und es bleibt nicht<br />
viel Freizeit; man kann sagen, die Fotografie<br />
bestimmt mein Leben.<br />
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������� �������� Mit 10 Jahren habe ich<br />
meine erste Kamera von meinem Großvater<br />
geschenkt bekommen, eine Praktika. Ich wollte<br />
immer Fotograf werden. Als ich dann einer war,<br />
wollte ich Künstler werden. Wer weiß, was ich<br />
werden will, wenn ich Künstler bin.<br />
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������� �������� Es sind viele Steine, die das<br />
gesamte Kunstwerk bauen, und daher kann ich<br />
nicht nur ein einzelnes Ereignis nennen. Ein bedeutender<br />
Moment war sicherlich, als Sir Roger<br />
Moore eines meiner Kunstwerke kaufte und<br />
ich ihn so persönlich kennenlernen konnte.<br />
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Silouhetten<br />
30 | Das Sehen verändert unser Wissen.<br />
Das Wissen verändert unser Sehen.<br />
������� �������� Ich habe meine Sujets<br />
oder Bildideen schon vorab im Kopf. Ich skizziere<br />
und zeichne meine Ideen für jede meiner<br />
Fotografien. Dabei setze ich unterschiedliche<br />
Typen von Models ein. Diese werden vorab<br />
gecastet oder bei einem Go & See ausgesucht.<br />
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������� �������� Ich sehe nach 20 Jahren<br />
der Aktshootings für internationale Magazine<br />
wie den Playboy und Penthouse keinen Unterschied<br />
mehr zwischen Fashion und Akt.<br />
Meine Frau und ich lieben die Erotik und<br />
haben Freude daran, diese fotografisch umzusetzen.<br />
Am Set geht alles sehr professionell zu,<br />
bei meinem Kunstsujet „Life „ zum Beispiel<br />
waren über 40 Leute am Set. Wie ein Regisseur<br />
zu arbeiten, macht mir viel Spaß, die Models<br />
werden dabei immer wie Stars behandelt.<br />
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������� �������� Sehr wichtig ist für<br />
mich, egal, ob es sich um Prominente oder<br />
Models handelt, dass es vor dem Shooting<br />
ein Warm-up gibt. Das bedeutet, ich möchte<br />
vorab gerne ein gemeinsames Treffen, damit<br />
man sich kennenlernen kann. Ich mache mir<br />
dann recht schnell einen über<strong>blick</strong> über sein<br />
Aussehen/Charakter und versuche dann, dies<br />
fotografisch umzusetzen. Wenn man dann,so<br />
wie ich, des Öfteren mit Prominenten zu tun<br />
hat, kommt es schon mal vor, dass hier Freundschaften<br />
entstehen. Wie überall im Leben gibt<br />
es Menschen, mit denen man kann, und welche,<br />
mit denen man nicht unbedingt auf einer<br />
Wellenlänge ist.<br />
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������� �������� Photoshop ist heute die<br />
digitale Dunkelkammer und für mich ebenso<br />
wichtig wie die Wahl des Objektivs. Ich bin<br />
allerdings kein Technik- und Grafik-Fanatiker;<br />
ich konzentriere mich eher auf die Bildsprache<br />
meiner Fotografien. Ein perfektes Foto entsteht<br />
im Kopf und nicht in Photoshop oder mit<br />
der Kamera. Für die Umsetzung benötigt man<br />
natürlich beides. Ich bearbeite alles selbst; dies<br />
sind meine Fotos und das soll auch so bleiben.<br />
Ist mein Foto und es soll so bleiben.<br />
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������� �������� Location, Accessoires,<br />
Models, Licht, Stimmung. Visagist, Stylist und<br />
meine Assistenten. Mein ganzes Team spielt<br />
hier eine große Rolle!<br />
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������� �������� Es gibt Fotografen und<br />
Künstler. Jedoch gibt es viele Fotografen und<br />
nur wenige Künstler. Man muss richtig sehen<br />
können, und dies können wirklich nur wenige,<br />
und wie bereits erwähnt, ist ein technisch<br />
einwandfreies Foto noch lange kein gutes Bild.<br />
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Manfred Baumann: Nein, bin ich sicher nicht.<br />
Sehr geprägt haben mich Ansel Adams, Helmut<br />
Newton, Alfred Eisenstedt wie auch Maler wir<br />
Dirck van Baburen oder Robert McGinnis mit
ihren Werken.<br />
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Manfred Baumann: Auch das macht einen<br />
guten Künstler aus: Er kommt nie am Ziel<br />
an, lernt stets Neues dazu und entwickelt<br />
sich weiter. Ich habe noch viel vor und hoffe,<br />
dass viele meiner Ideen, die noch so in meinem<br />
Kopf herumschwirren, auch gelingen.<br />
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Manfred Baumann: Wie bereits erwähnt, entstehen<br />
meine Ideen ständig. Mein Skizzenbuch<br />
ist immer bei mir und ich sehe die Welt in Fotos.<br />
Egal ob ich mal ins Kino gehe oder mich mit<br />
Freunden treffe - es gibt immer was zu zeichnen.<br />
So habe ich immer viele Ideen, die ich dann<br />
für verschiedene Projekte einsetzen kann. Auch<br />
gibt es natürlich immer mal wieder Konzepte,<br />
die mich interessieren, und zu denen mir dann<br />
viele neue Ideen einfallen.<br />
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������� �������� Meine Frau Nelly, mit<br />
der ich seit 14 Jahren glücklich zusammenlebe,<br />
sie ist meine Muse. Im Moment arbeite ich<br />
an einem Buch über sie: NELLY.<br />
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������� �������� In diesem Jahr präsentieren<br />
wir Ausstellungen in London und Frankfurt.<br />
Den Sommer verbringe ich wieder in Los<br />
Angeles, eine Stadt, die immer mehr zu meinem<br />
fixen Standpunkt wird. Amerika scheint mir der<br />
ideale Ort zu sein, um einfach weltweit meine<br />
Fotografien zu präsentieren und um so auf<br />
meine Kunst aufmerksam zu machen.<br />
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������� �������� Wenn ich schlafe; da<br />
liegt dann nur das Skizzenbuch neben mir.<br />
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Mit Manfred Baumann sprach Anna Doraziska
Mnemotechnik<br />
34 | <strong>Schule</strong>, Pädagogik und Didaktik<br />
<strong>Schule</strong>, Pädagogik<br />
und Didaktik<br />
Lehren mag eine Kunst sein – Lernen ist eine<br />
Wissenschaft<br />
Inhalt<br />
1. Kein Mensch lernt ohne <strong>Schule</strong>?<br />
2. Der Mensch – die Lernmaschine<br />
3. Schweregrade des Lernens<br />
4. Mnemotechnik oder die Gebrauchsanleitung für‘s Merken<br />
5. Die Klassenarbeit<br />
von Captain Mnemo<br />
Kein Mensch lernt ohne<br />
<strong>Schule</strong>?<br />
An kaum einem Menschen<br />
scheiden sich die Geister so<br />
sehr wie an einer Lehrperson.<br />
Manch einer erinnert sich<br />
nach seiner Schulzeit noch<br />
gerne an einen »begnadeten<br />
Lehrer«, andere reagieren auf<br />
ihre Schulzeit mit Gewalt bis<br />
hin zum Amoklauf und wieder<br />
andere sehen in der <strong>Schule</strong><br />
eine Vorbereitung auf’s Leben<br />
einer ganz anderen, »dritten«<br />
Art, wie Arnfried Astel in seinem<br />
Aphorismus »Ich hatte<br />
schlechte Lehrer. Das war eine<br />
gute <strong>Schule</strong>.« 1<br />
Nun kann man sich einen<br />
Lehrer ja kaum ohne Schüler<br />
vorstellen, so wie ein Saxophonist<br />
ohne Instrument ja<br />
auch kaum als solcher erkennbar<br />
wäre. Eine(n) Lernende(n)<br />
hingegen nennt man jede<br />
Person, die etwas lernt, ob mit<br />
Lehrer oder ohne, und nicht<br />
wenige würden behaupten,<br />
sie hätten nicht wegen, son-<br />
dern trotz der <strong>Schule</strong> etwas<br />
gelernt.<br />
Wer gar völlig eigenständig<br />
lernt, den nennt man einen<br />
Autodidakten, eine Person, die<br />
selbst(ändig) lernt.<br />
Der Begriff, wie auch die Tatsache,<br />
daß es viele berühmte<br />
Autodidakten in der Geschichte<br />
gegeben hat, beweisen, daß<br />
Bildung offenbar nicht voraussetzt,<br />
daß sie durch Lehrpersonen<br />
vermittelt wird. Wenn also<br />
Lehrkräfte dabei mitwirken,<br />
dann sollte das Ziel sicherlich<br />
sein, das Lernen noch weiter<br />
zu erleichtern?!<br />
Man sollte zuerst grundsätzlich<br />
die Frage stellen, ob Bildung<br />
eine direkte Einwirkung<br />
eines Dritten auf den Geist<br />
des/der Schülers/in zur Voraussetzung<br />
hat. Vergegenwärtigen<br />
wir uns dazu, daß ganz<br />
zu Beginn jeden Menschenlebens<br />
zwei ganz ungeheure<br />
Lern-Leistungen stehen: das<br />
Laufenlernen und das Sprechen-<br />
und Verstehen-Lernen.<br />
Beide Leistungen sind so ungeheuer<br />
komplex, daß spätestens<br />
Sechsjährige in jedem Kulturkreis<br />
dabei auch heute noch<br />
jedem Roboter im Laufen und<br />
jedem noch so schnellen und<br />
gut programmierten Computer<br />
im Sprechen und Verstehen<br />
überlegen sind. Auch jedem,<br />
der dieselbe Sprache später als<br />
Erwachsener lernt, ist bereits<br />
ein Kind in Sprachgewandtheit<br />
und Stilsicherheit in der<br />
Regel voraus.<br />
Aber noch etwas anderes verdient<br />
Beachtung: kein Mensch<br />
macht sich je Gedanken, ob<br />
ein gesund zur Welt gekommenes<br />
Kind je Laufen lernt,<br />
auch nicht, »wie gut« es das<br />
lernt. Es wird als selbstverständlich<br />
angenommen, daß<br />
jedes Kind praktisch genauso<br />
gut laufen lernt »wie sein<br />
Banknachbar«. Noch nie hat<br />
ein Nicht-Behinderter irgendwo<br />
auf der Welt eine »Sechs« in<br />
Laufen bekommen, schon eine<br />
»Vier« würde man sich kaum<br />
vorstellen wollen, ohne einen<br />
Lachanfall zu bekommen.<br />
Ähnlich ist es mit dem Erlernen<br />
der Muttersprache. Jeder<br />
Vierjährige, spätestens die<br />
meisten Sechsjährigen verfügen<br />
in ihrer Muttersprache<br />
über einen Wortschatz und<br />
eine Sprachgewandtheit, die<br />
selbst promovierte Fremdsprachler<br />
später nie wieder einholen.<br />
Selbst ein ausländischer<br />
Professor für Germanistik oder<br />
ein Dolmetscher kennt nie auf<br />
1 Ein häufig wiederkehrendes Zitat, z.B. in „3. Rede auf der Abifeier im Parkettsaal der Niederrheinhalle“ des Abiturjahrgangs 1982<br />
des damaligen Städtischen Gymnasiums Wesel-Mitte (heute Andreas-Vesalius-Gymnasium Wesel), q.v.<br />
http://www.avg-abi82.de/4281f8d9-2c18-42d3-9929-6d81096fc5f9.html?t=1276611694318
Anhieb alle die Namen für<br />
Gräser und Blumen, die ein<br />
Bauernjunge oder -mädchen<br />
im deutschen Kindergarten<br />
aufsagen kann, kennt nicht<br />
alle Begriffe in der diesen<br />
geläufigen Märchensprache,<br />
nicht die Schimpfwörter oder<br />
sonstigen Spracheigentümlichkeiten.<br />
Zwar kann man all<br />
das nachträglich lernen, aber<br />
nie werden solche Eigenheiten<br />
mehr mit heute üblichen<br />
Lernmethoden derart verinnerlicht<br />
wie als Kind.<br />
Analysiert man, was hier zu<br />
weit führen würde, welche<br />
komplizierten Fähigkeiten die<br />
Spracherkennung im Körper,<br />
von der Signalverarbeitung im<br />
Ohr bis zur Erkennung im Gehirn,<br />
erfordert, beginnt man<br />
sich erst recht zu wundern,<br />
warum ein Mensch , der derartiges<br />
mit sechs Jahren leistet,<br />
jemals im späteren Leben noch<br />
Verständnis-Schwierigkeiten<br />
haben sollte, etwa bei Schulfächern.<br />
Befaßt man sich gar mit den<br />
Abläufen bei der Spracherzeugung,<br />
von der Wahl des<br />
geeigneten Ausdruckes über<br />
die instinktiv richtige Satzbildung<br />
hin zur Artikulation<br />
im Zusammenspiel zwischen<br />
Stimmbändern, Mundhöhle,<br />
Zunge und Atemsteuerung,<br />
dann beschleichen einen zumindest<br />
leichte Zweifel daran,<br />
warum ein Mensch, der all das<br />
in den ersten fünf, sechs Lebensjahren<br />
»gemeistert« hat,<br />
jemals später im Leben »Lernschwierigkeiten«<br />
haben sollte<br />
bei Dingen, die angesichts<br />
dieser Komplexität geradezu<br />
trivial erscheinen.<br />
Nie wieder im Leben eines<br />
normalen Schülers oder Studenten<br />
wird diesem ein solches<br />
Lernpensum abverlangt<br />
und doch: Schulversager und<br />
»schlechte« Schüler gibt es<br />
zuhauf, jemand, der trotz normaler<br />
Stimmbänder stumm<br />
geblieben wäre, oder der trotz<br />
zweier gesunder Beine nicht<br />
laufen gelernt hätte, dagegen<br />
kaum.<br />
Das muß doch eine Ursache<br />
haben? Lernt ein Mensch ohne<br />
<strong>Schule</strong> nichts? Wieso lernt<br />
er dann Laufen, Sprechen,<br />
Verstehen? Was also fördert<br />
Lernen und was behindert es?<br />
Der Mensch – die<br />
Lernmaschine<br />
Wer am nächsten Morgen<br />
wiedergeben kann, wie die<br />
wichtigsten Fragen und Antworten<br />
in einem populären<br />
Fernseh-Quiz lauteten, wer einem<br />
Sport-Verein beitritt und<br />
abends den Eltern begeistert<br />
erzählt, welche neuen Freunde<br />
er gewonnen hat (mit Namen<br />
und Spitznamen) und wie die<br />
wichtigsten Regeln seines neuen<br />
Sports lauten, hat zweifelsohne<br />
etwas gelernt. »Gepaukt«<br />
hat er dafür nicht.<br />
Jede(r) kann gerne zur Gegenprobe<br />
seinen Tag in zwei<br />
Teile teilen: am Vormittag die<br />
<strong>Schule</strong>, am restlichen Tag seine<br />
sonstigen Aktivitäten. Dann<br />
schreibt er/sie auf, was jeweils<br />
»hängengeblieben« ist. Manchmal<br />
fällt es schwer sich zu erin-<br />
nern, manchmal braucht man<br />
einen »Aufhänger«. Wem absolut<br />
nichts einfällt, der muß<br />
sich vergegenwärtigen, welche<br />
Personen er getroffen, welche<br />
Sendungen er gesehen, welche<br />
Internetseiten besucht oder an<br />
welchen Orten er/sie sich aufgehalten<br />
hat.<br />
Mit etwas Geduld stellt man<br />
dann fest, man kann sich an<br />
sehr viel noch erinnern, jedoch<br />
oft an viel weniger aus dem<br />
Schul-Alltag, als aus dem restlichen<br />
Tages-Geschehen. Es gibt<br />
Ausnahme-Schüler, die dann,<br />
meist zu unrecht, als »Streber«<br />
gebrandmarkt werden, aber<br />
generell finden Menschen es<br />
schwer, in schulischen Unterrichtsstunden<br />
oder später<br />
in Universitäts-Vorlesungen<br />
konzentriert zuzuhören und<br />
später noch das meiste wiedergeben<br />
zu können.<br />
Tragisch ist das bei schulischem<br />
Lernen darum, weil<br />
der größte Teil dessen, was in<br />
einer Schulstunde an Wissen<br />
angeboten wird, später eigentlich<br />
einmal »sitzen« sollte.<br />
Schließlich ist <strong>Schule</strong> kein<br />
Kaffeekränzchen. Aber oft<br />
behält man vom Tratsch beim<br />
Kaffeekränzchen mehr als von<br />
einer Schulstunde, auch wenn<br />
sie kürzer war.<br />
Der Mensch lernt also einerseits<br />
unwillkürlich Dinge, die<br />
er weiß Gott zum Leben nicht<br />
braucht, en masse und mühelos,<br />
dann wieder kann er sich<br />
anderes, obwohl sein späterer<br />
Berufswunsch, sein Lebensglück<br />
vielleicht gar, davon ab-
Mnemotechnik<br />
36 | <strong>Schule</strong>, Pädagogik und Didaktik<br />
hängt, »um‘s Verrecken« nicht<br />
merken.<br />
Denken wir wieder ans Laufenlernen:<br />
nachdem ein Mensch<br />
mal das Laufen beherrscht,<br />
denkt er nicht im Traum darüber<br />
nach, ob es schwerer bis<br />
gar unmöglich fällt, zur <strong>Schule</strong><br />
zu laufen, oder ob es leichter<br />
fiele, zum Kaffeekränzchen zu<br />
gehen. Laufen, nachdem man<br />
es einmal beherrscht, fällt immer<br />
gleich »leicht«. Und: man<br />
verlernt es auch nicht wieder!<br />
Wenn aber Laufen oder Sprechen<br />
und Verstehen kompliziertere<br />
Leistungen darstellen,<br />
als in 45 Minuten ein paar<br />
neue Tatsachen oder Begriffe<br />
zu lernen, dann muß man<br />
sich ernsthaft die Frage stellen,<br />
warum Lernen angeblich<br />
so schwer fällt und als harte<br />
Arbeit gilt.<br />
Schweregrade des<br />
Lernens<br />
Was wir bisher besprochen haben,<br />
läßt fast den Schluß zu,<br />
je schwieriger etwas ist, desto<br />
leichter lerne man es. Laufen<br />
und Sprechen sind mit die<br />
schwersten Aufgaben im Menschenleben<br />
und wir haben diese<br />
Fähigkeiten bis zur Perfektion<br />
fast nebenher erworben.<br />
Wenn wir nicht alle bekannten<br />
Naturgesetze auf den Kopf<br />
stellen wollen, z.B. daß »Arbeit<br />
gleich Kraft mal Weg« ist,<br />
dann kann hier etwas nicht<br />
stimmen.<br />
Wenn Schüler(innen) die Geschichte<br />
des Dritten Reiches<br />
durchnehmen, fällt es ihnen<br />
vermutlich ähnlich schwer, das<br />
zu behalten, wie die Zeit des<br />
Griechischen Staatenbundes<br />
oder die Zeit Kaisers Karl des<br />
Großen.<br />
Machen wir aber mal ein<br />
Experiment:<br />
»Warum sind die Deutschen<br />
am 1. Oktober 1938 im Sudetenland<br />
einmarschiert«<br />
– »Weil das Hühnlein zum<br />
Hähnlein wollte« – Konrad<br />
Henlein war der Führer der<br />
Sudetendeutschen Bewegung,<br />
Adolf Hühnlein war der Führer<br />
des Nationalsozialistischen<br />
Kraftfahrtkorps (NSKK),<br />
einer paramilitärischen NS-<br />
Organisation. Hühnlein und<br />
sein NSKK organisierte einen<br />
Großteil des Transportwesens<br />
im Dritten Reich, bis hin zu<br />
kriegswichtigen Transporten<br />
und auch Deportationen in<br />
die Konzentrationslager (genaueres<br />
über die beiden und<br />
die Sudetenkrise könnt Ihr<br />
über Suchmaschinen und<br />
Wikipedia erarbeiten). Stellt<br />
Euch vor, wie ein Hühnlein<br />
auf einem Motorrad mit Beiwagen<br />
gen Sudetenland braust<br />
um dort ein Hähnlein zu treffen,<br />
das ein großes »e« auf‘s<br />
Gefieder gemalt hat (damit Ihr<br />
Euch den Namen »Henlein«<br />
richtig geschrieben merken<br />
könnt). Das Motorrad steht<br />
für‘s NSKK.<br />
Machen wir ein weiteres<br />
Experiment:<br />
Wer kennt die Farben der<br />
Olympischen Ringe? Gar in<br />
der richtigen Reihenfolge?<br />
Wer glaubt, wenn er sie hier<br />
und jetzt mühsam auswendig<br />
lernte, daß er sie sein Leben<br />
lang behalten könnte? Die<br />
meisten wissen schon: alles<br />
mühsam gelernte ist oft schon<br />
nach wenigen Wochen verblaßt.<br />
Dabei ist das doch so<br />
einfach: »Kommt ein Mann im<br />
Arbeitsanzug an einen Tunnel;<br />
dort muß er aber warten, denn<br />
davor steht eine Ampel«. Das<br />
war‘s schon. Jetzt könnt Ihr die<br />
fünf Olympischen Ringe und<br />
sogar in der richtigen Reihenfolge:<br />
wie sieht der normale<br />
Arbeitsanzug aus? Blau. Wenn<br />
man in einen Tunnel hineinschaut<br />
ist es … schwarz. Wenn<br />
man vor einer Ampel stehenbleiben<br />
muß ist es rot … dann?<br />
Gelb und schließlich grün!<br />
Die fünf Olympischen Ringe<br />
sind also (und in dieser<br />
Reihenfolge) »Blau, Schwarz,<br />
Rot, Gelb und Grün«. Wer<br />
sich jetzt noch den Mann im<br />
»Blaumann« als olympischen<br />
Fackelträger vorstellt, der die<br />
Fackel durch den Tunnel tragen<br />
soll, vergißt dieses Beispiel<br />
���� ����� ���� nie mehr 2 ,<br />
weil er nun auch noch die<br />
Assoziation zum olympischen<br />
Gedanken in seinem Gehirn<br />
»fest verdrahtet« hat.<br />
Der Wiederbegründer der<br />
Olympischen Spiele, Pierre<br />
2 Der erste Teil des Beispiels ist angelehnt an einen Vortrag von Otto Frühbauer/GNOSTOS AG "Vortrag: gedächtnisgerecht unterrichten<br />
Teil 04") – der Fackelträger und die Kontinente sind Erweiterungen des Autors<br />
http://www.youtube.com/watch?v=JlV4KkuJZFQ
deCoubertin, hat dieses Symbol<br />
als olympische Flagge<br />
1912 entworfen. Es sollte die<br />
Verbundenheit der fünf Kontinente<br />
versinnbildlichen, aber<br />
damals waren die Farben nicht<br />
direkt einem bestimmten Erdteil<br />
zugeordnet. Eine gängige<br />
Zuordnung wäre diese:<br />
Welche Hautfarbe haben die<br />
Afrikaner? Die Asiaten? Die<br />
Indianer? Der Ozean in Ozeanien?<br />
Welcher Kontinent<br />
bleibt übrig? Und siehe da:<br />
wir haben ein Farbschema<br />
für die fünf Hauptkontinente<br />
gefunden! Europa war tatsächlich<br />
mal ein grüner, völlig<br />
von Wald überzogener Kontinent,<br />
bis Römer und Germanen<br />
immer mehr davon abgeholzt<br />
haben, um Felder anzulegen.<br />
(Abholzen heißt »roden«<br />
und viele Ortsnamen verraten<br />
uns noch, daß sie einst so<br />
entstanden sind: Rödermark,<br />
Neurot, Roth u.v.a.m. Fast<br />
immer wenn »-rod« »-roth«<br />
oder »-rad«, aber auch »-rotte«<br />
oder »-reute« in einem<br />
deutschen Ortsnamen vorkommen,<br />
hat es was mit einer<br />
Ansiedlung durch Rodung zu<br />
tun.)<br />
Es gibt noch einen sechsten<br />
Erdteil, der aber nie an den<br />
Olympischen Spielen teilnimmt<br />
– der ist der weiße<br />
Hintergrund – die Antarktis,<br />
eine (weiße) Eiswüste.<br />
Warum nicht auch der Nordpol?<br />
Weil der nur aus Eis<br />
besteht, das auf dem Meer<br />
schwimmt – würde er abschmelzen,<br />
käme darunter also<br />
kein Land, sondern nur Ozean<br />
zum Vorschein.<br />
Wie merke ich mir den Unterschied<br />
zwischen dem echten<br />
Kontinent Südpol und dem<br />
»wäßrigen« Nordpol? Nur auf<br />
dem Festland können Ameisen<br />
überleben. »Ant« heißt die<br />
Ameise im Englischen. Wenn<br />
also eine »ant« über das Eis<br />
krabbelt dann … muß das<br />
wohl die Antarktis sein; sie<br />
heißt so, weil sie der Gegenpol<br />
(»anti« = gegen) der Arktis<br />
ist. Wir brauchen also nur<br />
einen Blaumann mit Tunnel<br />
und Ampel und eine Ameise<br />
in Englisch und haben gleich<br />
noch einiges über Geographie<br />
gelernt.<br />
So leicht geht das in fast allen<br />
Fächern, aber: man muß es<br />
natürlich vorbereiten. Aber<br />
in Deutschland und in der<br />
übrigen Welt sind hunderttausende<br />
Menschen damit<br />
befaßt, Schulbücher zu schreiben<br />
und Millionen Lehrkräfte<br />
damit, Unterricht vorzubereiten<br />
und vielleicht zwei Milliarden<br />
Schüler(innen) und<br />
Student(inn)en verzweifeln<br />
dennoch täglich daran, daß sie<br />
erst schwer lernen und dann<br />
leicht wieder vergessen. Wenn<br />
nun jeder sich selbst seine<br />
Merkgeschichten ausdenken<br />
muß, braucht er dafür natürlich<br />
einen Gutteil der Zeit, die<br />
er/sie hinterher dadurch gewinnt<br />
(es lohnt sich dennoch,<br />
denn man vergißt das Gelernte<br />
kaum noch und sowie man<br />
sich an eine Einzelheit wieder<br />
erinnert, erscheint meist auch<br />
der Rest wieder vollständig vor<br />
dem geistigen Auge!).<br />
Würden dagegen diese hunderttausendeSchulbuchschreiber,<br />
die Millionen<br />
Lehrkräfte und die Milliarden<br />
Schüler(innen) und<br />
Student(inn)en sich gemeinsam<br />
ein Jahr zusammensetzen,<br />
dann wäre das Problem endgültig<br />
und für immer gelöst.<br />
Mnemotechnik oder die<br />
Gebrauchsanleitung für‘s<br />
Merken<br />
Was wenige wissen: alles, was<br />
wir uns merken, wird im Gehirn<br />
bildlich abgespeichert.<br />
Selbst wer von Geburt an<br />
blind ist, hat eine reichhaltige<br />
Bilderwelt, an der er sich<br />
orientiert, wenn er denkt oder<br />
spricht. Informationen, die<br />
nicht von vornherein schon an<br />
Bilder gekoppelt sind, müssen<br />
vom Gehirn »bebildert« werden.<br />
Der Vorgang ist uns meist<br />
nicht bewußt, und daher glauben<br />
die meisten, sie würden<br />
z.B. »in Worten« denken. Wir<br />
haben hier leider nicht genug<br />
Raum, um darauf näher einzugehen,<br />
aber jeder kann es selbst<br />
ausprobieren. Wenn man sich<br />
eine lange Liste von Gegenständen<br />
merken will, für die<br />
man ohnehin schon Bilder im<br />
Kopf hat, dann funktioniert es<br />
sogar ohne nachzudenken und<br />
ohne Anstrengung. Auf weniger<br />
bildliche Begriffe gehen<br />
wir weiter unten kurz ein.<br />
Machen wir die Probe auf‘s<br />
Exempel: wer die Liste von<br />
zwanzig Begriffen hier liest,<br />
wird sie kaum sofort lückenlos<br />
wiedergeben können:
Mnemotechnik<br />
38 | <strong>Schule</strong>, Pädagogik und Didaktik<br />
Bratwurst, Sessel, Auto,<br />
Schreibmaschine, Zaun, Kuh,<br />
Füller, Zeh, Ei, Hund, Tafel,<br />
Zirkel, Schraubenzieher, Bildschirm,<br />
Teppich, Uhr, Buch,<br />
Schiff, Tasche, Löwe.<br />
Wer diese Worte »herunterrattert«<br />
wird sich kaum an mehr<br />
als ein paar erinnern. Wenn Ihr<br />
es dagegen anders macht, geht<br />
es spielend. Ihr bildet Paare,<br />
bei denen der erste Gegenstand<br />
immer auf dem folgenden<br />
liegt oder ihn durchsticht<br />
oder ähnlich (damit man beim<br />
bildlichen Erinnern auch immer<br />
weiß, was der Vorgänger<br />
und der Nachfolger war).<br />
Eine Bratwurst liegt auf einem<br />
Sessel, der Sessel steht<br />
auf einem Autodach, das Auto<br />
zerquetscht mit einem Vorderrad<br />
die Schreibmaschine,<br />
eine Schreibmaschine steckt<br />
in einem Maschendrahtzaun<br />
(oder in der Lücke eines Bretterzauns),<br />
ein Zaun fällt auf<br />
eine Kuh, die Kuh tritt auf<br />
den Füller (macht ihn ruhig<br />
unnatürlich groß, um ihn später<br />
besser wiederzuerkennen!)<br />
und so weiter. Den Rest könnt<br />
Ihr selbst weiterspinnen.<br />
Wenn Ihr das eine paarmal in<br />
Gedanken wiederholt, dann<br />
wieder vor dem Zubettgehen<br />
(weil das Hirn im Schlaf das<br />
zuvor Gelernte ins Langzeitgedächtnis<br />
abspeichert!), dann<br />
am nächsten Morgen beim<br />
Zähneputzen oder im Bus auf<br />
dem Weg zur <strong>Schule</strong>, dann in<br />
drei Tagen, einer Woche, zwei<br />
Wochen, zwei Monaten, wird<br />
es sich so dauerhaft einprägen,<br />
daß Ihr zwar später im Alters-<br />
heim nicht mehr alle Namen<br />
Eurer »Verflossenen« zusammenbekommt,<br />
wohl aber<br />
noch diese Liste.<br />
Erst mal ist es schon hilfreich,<br />
wenn man zum Einkaufen<br />
keine Liste auf einem Zettel<br />
mehr braucht, sondern die<br />
Liste vollständig im Kopf hat.<br />
Und man braucht sie auch<br />
nicht mehr Stück für Stück<br />
durchstreichen, wenn man was<br />
in den Einkaufswagen gelegt<br />
hat. Auch das geht im Kopf<br />
mühelos!<br />
Wenn Ihr Salat, Butter, Eier,<br />
Milch, Sahne, Zucker, Mehl,<br />
Toilettenpapier, Schokolade<br />
und Pizza einkaufen sollt (zehn<br />
Sachen), dann macht Ihr Euch<br />
die Liste wie beschrieben – der<br />
Salat liegt auf der Butter usw.<br />
Wenn Ihr den Salat und die<br />
Butter habt, dann reißt Ihr in<br />
Gedanken den Salatkopf auseinander,<br />
zermatscht die Butter,<br />
zerbrecht die Eier (im Kopf<br />
natürlich) – alles, was nicht<br />
mehr so ganz frisch aussieht in<br />
Gedanken, das habt Ihr bereits<br />
im Einkaufswagen. So einfach<br />
und fehlerlos geht das!<br />
Nun, werdet ihr sagen, das<br />
nützt mir aber nix für die<br />
<strong>Schule</strong>, da geht es doch um<br />
viel abstraktere Begriffe. Dann<br />
nehmen wir halt was anderes,<br />
z.B. im Sozialkundeunterricht<br />
wollt Ihr Euch merken, was<br />
in der Stunde dran war, und<br />
zwar:<br />
Demokratie, Kaiserreich, Revolution,<br />
Mehrheitswahlrecht,<br />
Verhältniswahlrecht, Legislative,<br />
Exekutive und Judikative,<br />
Bundesrat und Bundestag.<br />
Nun, wir sehen vor unserem<br />
geistigen Auge eine Demonstration<br />
vor einem großen Krater<br />
– Demo kratie. Der Kaiser<br />
(mit Pickelhaube) sitzt im<br />
Geldspeicher von Dagobert<br />
Duck (reich). Dann kommen<br />
wilde Horden und wollen den<br />
Geldspeicher umstürzen (Revolution<br />
heißt Umsturz). Eine<br />
Mehrheit zeigt mit dem Finger<br />
– ätsch – auf eine Minderheit.<br />
Ein Mann hat mit zwei Damen<br />
ein Verhältnis und soll<br />
nun zwischen ihnen wählen.<br />
Jemand legt ein Gesetzbuch<br />
auf das Rednerpult im Parlament<br />
(Legislative). Jemand in<br />
Polizeiuniform exekutiert eine<br />
Kuh (Exekutive). Bei Judikative<br />
wird es schwieriger, da hilft<br />
es, wenn man weiß, daß iudex<br />
im Lateinischen der Richter<br />
heißt, oder judge im Englischen.<br />
Justitia ist ja die Göttin<br />
der Gerechtigkeit, die meist<br />
mit einer Waage und verbundenen<br />
Augen dargestellt wird.<br />
Setzen wir zwei Richter in die<br />
Waagschalen, die freudig hin-<br />
und herwippen, haben wir<br />
auch das geschafft, das Hirn<br />
liefert dann meist den Rest<br />
nach. Der Bundesrat ist bekanntlich<br />
die Länderkammer<br />
– also stellen wir uns die Karte<br />
der Bundesrepublik vor, über<br />
der ein großes Wagenrad (für<br />
»Rat«) liegt. Der Bundestag ist<br />
das eigentliche Parlament, hier<br />
sitzen die »vom Volk gewählten«<br />
Abgeordneten. Stellen<br />
wir uns das Reichstagsgebäude<br />
vor, über dem gerade die
Sonne aufgeht, es also »Tag«<br />
wird. Die Abgeordneten werden<br />
nach Verhältniswahlrecht<br />
gewählt – na, wer die Nachrichten<br />
verfolgt, weiß, wieviele<br />
Minister und Abgeordnete ein<br />
Verhältnis haben …<br />
Nun müssen wir das alles noch<br />
verknüpfen – die Demonstration<br />
läuft auf den Geldspeicher<br />
zu, aus dem oben des Kaisers<br />
Pickelhaube ragt, auf der<br />
anderen Seite die Meute, die<br />
den Speicher umstürzen will,<br />
weiter rechts zeigt eine noch<br />
größere Menschenmenge mit<br />
dem Finger auf diese Gruppe,<br />
aus dieser Menschenmenge<br />
löst sich der Mann mit seinen<br />
zwei Damen, zu denen er ein<br />
Verhältnis hat usw.<br />
Es braucht etwas Übung, wie<br />
alles im Leben, und es ist auch<br />
nur der Anfang von möglichen<br />
Lerntechniken. Mehr<br />
können wir hier leider in der<br />
gebotenen Kürze nicht behandeln,<br />
vielleicht ein andermal.<br />
Und wer Leserbriefe schreibt,<br />
um zu loben oder sich zu beschweren<br />
oder Fragen hat, der<br />
bekommt vielleicht sogar eine<br />
Antwort.<br />
Die Klassenarbeit<br />
Wie hieß der Führer der Sudetendeutschen?<br />
Wie der Leiter<br />
des NSKK? Wofür stand<br />
NSKK? Welche Farben und<br />
Reihenfolge haben die Olympischen<br />
Ringe? Was sollen die<br />
fünf Ringe darstellen? Wie<br />
heißen die beiden Erdpole?<br />
Welcher ist ein echter Kontinent<br />
und wie heißt er wissenschaftlich?<br />
Welche politikwissenschaftlichen<br />
zehn Begriffe haben wir<br />
oben gelernt?<br />
Zusatzaufgabe: Und kann<br />
noch jemand die Liste mit<br />
den zwanzig Begriffen und die<br />
Einkaufsliste mit den zehn Lebensmitteln?<br />
Na also, geht doch.<br />
Der Weltrekord liegt übrigens<br />
bei 0,65 Sekunden je neuem<br />
Begriff! Jeder Mensch kann<br />
es nach etwas Übung in drei<br />
Sekunden schaffen, wenn die<br />
Bilder bereits vorgegeben sind!<br />
Aber auch wenn nicht: jede<br />
andere Methode, etwas »zu<br />
büffeln« ist immer noch zehn<br />
bis hundertmal langsamer und<br />
hält auch nur wenige Tage.
Fairtrade<br />
40 | Zum Thema Fairtrade<br />
Zum Thema<br />
Fairtrade<br />
Ein paar Informationen für Weltverbesserer, oder<br />
die die es werden möchten.<br />
Wenn junge Menschen sich zum Selbstmord entscheiden,<br />
ist das schlimm. 14 Wanderarbeiter Anfang zwanzig sind im<br />
vergangenen Monat nahe ihrer Fabrik in Südchina in den<br />
Tod gesprungen.<br />
von Volker Hinz<br />
Es sind Arbeiter des Elekrogeräte-Produzenten<br />
Foxconn,<br />
der unter anderem für Apple<br />
und Dell produziert. Wie viel<br />
Verantwortung tragen wir als<br />
Konsumenten von Qualitäts-<br />
Produkten oder Discountern<br />
wie Lidl und Co., von denen<br />
bekannt ist, dass sie in den<br />
Herstellerländern unter menschenunwürdigen<br />
Umständen<br />
gefertigt werden? Eine Menge.<br />
Dieser Artikel ruft dazu auf, an<br />
einer Entwicklung teilzuha-<br />
ben, die sich in den letzten Jahren<br />
zu einem Boom entwickelt<br />
hat: dem Fairtrade, also dem<br />
fairen Handel. Kaffee, Bananen,<br />
Baumwolle und Kakao<br />
sowie Schnittblumen sind die<br />
Produktionszweige, in denen<br />
der faire Handel mittlerweile<br />
eine nicht mehr zu übersehende<br />
Rolle spielt. 600 Kooperativen<br />
in über 60 Ländern haben<br />
daran teil. Mit Kooperativen<br />
sind Bauernzusammenschlüsse<br />
gemeint, die das durch den<br />
fairen Handel erwirtschaftete<br />
Geld in Projekte investieren.<br />
Diese können alle Mitglieder<br />
der Gemeinschaft gleichberechtigt<br />
nutzen. Demokratisch<br />
wird innerhalb des Verbandes<br />
über den Bau von Brunnen,<br />
einer <strong>Schule</strong> oder einer kostenlosen<br />
Essenausgabe für den<br />
Betrieb diskutiert. Wichtig<br />
ist auch, dass mit Einführung<br />
der gerechten Löhne Überlebensstrategien<br />
wie etwa Prostitution,<br />
Drogenanbau und<br />
Kinderarbeit entgegengewirkt<br />
werden kann. Die Fairtrade-<br />
Bewegung bietet somit fast<br />
einer Million Menschen einen<br />
Ausweg aus einer Abwärtsspirale.<br />
Während multinationale<br />
Konzerne wie Puma oder Coca<br />
Cola, um nur ein paar einschlägige<br />
Namen zu nennen,<br />
in so genannten Sweatshops<br />
manuelle Tätigkeiten ohne<br />
hohen Bildungsanspruch in<br />
zwangsarbeitshaftähnlichen<br />
Umständen ausführen lassen,<br />
setzt der faire Handel Zeichen<br />
für eine gerechtere Welt. Entscheidend<br />
sind Mindestlöhne<br />
und weiterführend vielleicht<br />
sogar Tarifverträge, die den<br />
Arbeitern und Bauern ermöglichen,<br />
Rücklagen zu bilden.<br />
Die Gepa als vorbildlicher<br />
Partner des Fairtrades bietet<br />
in Kooperativen Buchhaltungskurse<br />
an oder macht Vorrauszahlungen<br />
möglich. Wo in<br />
den Ausbeuterbetrieben bis zu<br />
hundert unbezahlte Überstunden<br />
die Regel sind, setzten sich<br />
die Fairhandelspartner für die<br />
Bildung von Gewerkschaften<br />
ein und bieten einen soliden<br />
Kündigungsschutz, was die<br />
Familien extrem entlastet und
ihnen die Möglichkeit gibt,<br />
ihre Kinder in die <strong>Schule</strong> zu<br />
schicken.<br />
Ich möchte meinen Fokus auf<br />
die Kleidungsindustrie legen.<br />
Hier ist das Wachstum zurzeit<br />
auch am stärksten. Mehr<br />
als 141% Wachstum konnte<br />
fair gehandelte Baumwolle im<br />
vergangenen Jahr in Deutschland<br />
verzeichnen. Der Druck<br />
auf C&A und H&M wächst,<br />
weil mehr Menschen Produkte<br />
mit Bio und Fair Siegel kaufen.<br />
In diesem Bereich hat sich<br />
die Kampagne „Saubere Kleidung“<br />
einen Namen gemacht.<br />
Sie versucht, die Interessen<br />
der ArbeitnehmerInnen in der<br />
Textil und Bekleidungsindustrie<br />
durchzusetzen. Unter ihrem<br />
englischen Namen CCC<br />
(Clean Clothes Campain)<br />
sorgte sie in Berlin am 7.7.10<br />
für Furore, als sie vor den Hallen<br />
der Berlin Fashion Week<br />
Leichen simulierte. CCC gab<br />
der Aktion den Namen „Die<br />
for Fashion“ und will damit<br />
auf die massiven Misstände<br />
in diesem Wirtschaftszweig<br />
aufmerksam machen. Es ist<br />
aber Vorsicht geboten. Nur<br />
Siegel, die von der unabhängigen<br />
Zertifizierungsgesellschaft<br />
FLOW-CERT gutgeheißen<br />
werden, garantieren auch die<br />
genannten Arbeitsbedingungen<br />
in den Erzeugerländern.<br />
Wer an der Fairtrade-Handelskette<br />
beteiligt ist, also Organisationen,<br />
Firmen, Produzentenorganisationen,<br />
Exporteure<br />
und Importeure, wird von<br />
FLO-CERT regelmäßig und<br />
streng überprüft. Werden<br />
Fairtrade-Standards eingehal-<br />
ten und die sozialen, ökonomischen<br />
und ökologischen<br />
Standards erfüllt, können die<br />
Händler das Siegel weiterhin<br />
nutzen. FLOW-CERT kontrolliert<br />
auch, ob die Produzentenorganisationen<br />
den festgelegten<br />
Mindestpreis und die<br />
Fairtrade-Prämie ausgezahlt<br />
bekommen. Eine Untersuchung<br />
dauert bei kleineren<br />
Betrieben 4 Tage, sie kann bei<br />
größeren Kooperativen aber<br />
auch 4-6 Wochen dauern.<br />
Partner im Forum Fairer Handel<br />
sind derzeit der Weltladen-<br />
Dachverband, die Siegelorganisation<br />
TRANSFAIR, die<br />
Fair-Handels-Importeure GE-<br />
PA – The Fair Trade Company,<br />
EL PUENTE, dwp, BanaFair,<br />
Podi-Mohair und Globo. Wer<br />
als Konsument für eine gerechtere<br />
Welt eintreten will, achtet<br />
beim Kauf auf deren Siegel.<br />
Definition: Fair Trade<br />
nach der International Fair Trade Association<br />
Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog,<br />
Transparenz und Respekt beruht und nach mehr<br />
Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch<br />
bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer<br />
Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter – insbesondere<br />
in den Ländern des Südens – leistet der Faire<br />
Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung.<br />
Fairhandelsorganisationen (die von Verbrauchern unterstützt<br />
werden) sind aktiv damit beschäftigt, die Hersteller<br />
zu unterstützen, das Bewusstsein zu steigern und für Veränderungen<br />
bei den Regeln und dem Ausüben des konventionellen<br />
internationalen Handels zu kämpfen.<br />
Quelle: http://www.befair.be/site/download.cfm?SAVE=1314&LG=1<br />
Fair Trade Siegel<br />
»Die for Fashion«<br />
Aktion in Berlin