TheaterCourier Juli/August 2017
TheaterCourier Juli/August 2017 - Von Sommertheater bis Open Air | Die Kunst- und Kulturzeitung für Sachsen
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KRITIK<br />
<strong>Juli</strong> <strong>2017</strong> | Seite 11<br />
THEATER<br />
Die Olsenbande wandert aus | Deutsch-Sorbisches Volkstheater mit Dänen-Klassiker<br />
22. Bautzener<br />
Theatersommer fesselt<br />
das Publikum mit<br />
dem zweiten Streich<br />
Der dritte mit „Die Olsenbande hebt ab“<br />
ist für 2018 geplant.<br />
Die Bautzener Ortenburg ist anlässlich<br />
des 22. Bautzener Theatersommers eine<br />
dänische Enklave geworden: Freundlich<br />
lächelt Königin Margrethe II. von Dänemark<br />
auf Bildern von den Wänden, die<br />
rot-weiße dänische Flagge ist gehisst<br />
und die Zuschauer erheben sich beim<br />
Abspielen der dänischen Nationalhymne<br />
auch vom letzten ausverkauften<br />
Platz und schwenken dänische Winkelemente.<br />
Klar, dass sich da die drei<br />
Ur-Dänen Egon Olsen, Benny Frandsen<br />
und Kjeld Jensen angenommen fühlen<br />
und gleich mal einen Plan entwickeln.<br />
Und das Ganze kann nur „mächtig gewaltig“<br />
sein, was sonst?<br />
Regisseur Lutz Hillmann und Ausstatter<br />
Miroslaw Nowotny – und all die anderen<br />
im Team! – haben nach dem Erfolg<br />
des Vorjahres jetzt den zweiten Streich<br />
des Gaunertrios in Form eines Drei-<br />
Stunden-Stückes mit einem Wahnsinns-<br />
Bühnenbild auf dem Burghof inszeniert.<br />
Es strotzt nur so vor Einfällen – tausend<br />
Kleinigkeiten, die in Filmen leicht möglich<br />
sind, wurden bis ins Detail liebevoll<br />
einbezogen.<br />
Auch Oldtimerfans kommen auf ihre<br />
Kosten, denn die zumeist aus den 60er<br />
Jahren stammenden Autos (Burton Car,<br />
zwei Ford-Transporter, Citröen-Kastenwagen,<br />
Long-Mercedes, Alfa Romeo<br />
Sport, Armeejeep, Chevrolet Bel Air und<br />
andere) beschleunigten die Handlung.<br />
Apropos Handlung: Sie beginnt wie immer<br />
damit, dass der Nadelstreifenanzug<br />
tragende Bandenchef Egon Olsen (Olaf<br />
Hais) vom tänzelnden Junior-Gauner<br />
Benny (István Kobjela) und dem gemütlichen<br />
Familienvater Kjeld (Rainer<br />
Gruß) aus dem Gefängnis abgeholt wird.<br />
Die schrille Kjeld-Gattin Yvonne (Katja<br />
Reimann) drängt darauf, dass sie Millionäre<br />
werden müssen, „denn Steuern<br />
zahlen alle – außer Millionäre“. Außerdem<br />
wird für diverse Familienfeiern wie<br />
für die Einsegnung ihres Enkels Geld<br />
gebraucht.<br />
Das sieht Gentleman-Verbrecher Egon<br />
ein und holt seinen todsicheren Plan<br />
für die Hebung eines Nazi-Schatzes in<br />
Jütland aus dem Hut – pardon, der Melone<br />
– und die ganze Olsenbande samt<br />
Familie macht sich in einem klapprigen<br />
Citröen-Bus auf den Weg. Und der ist<br />
natürlich voller Stolpersteine, Abenteuer<br />
und Gefahren.<br />
Denn auch Gegenspieler Bang-Johansen<br />
(Götz Schweighöfer), ein hochnäsiger<br />
Versicherungsboss, mit seinem brutalen<br />
Bodyguard namens „Das dumme<br />
Schwein“ (Erik Dolata) und einige andere<br />
wollen möglichst nicht nur ein Stück<br />
vom (Schatz-)Kuchen abhaben.<br />
Spritdiebstahl ist angesagt und irgendwann<br />
löst sich der Motor in seine Einzelteile<br />
auf. In der Werkstatt von Jütländer<br />
Mad Madsen (Torsten Schlosser)<br />
kann Betterov (Jan Mickan, spielt auch<br />
Dynamit-Harry, den Bruder von Kjeld)<br />
helfen.<br />
Technisch aufwändig und witzig ist auch<br />
die Szene, in der der Schatz in einem unter<br />
Wasser stehenden Bunker gehoben<br />
wird. Die Bombe, die den Zugang sprengt,<br />
schwebt riesengroß über die Köpfe der<br />
Zuschauer ins Bühnenbild und versieht<br />
mit einem Riesenwums ihren Zweck. In<br />
die Zeit versetzen dabei Hakenkreuz-<br />
Fahne und Hitlerbild, viele Spinnweben<br />
und ein Franz-Jäger-Tresor, in dem sich<br />
unversehrt Geld und Gold befanden.<br />
Und was macht die Polizei? Die beiden<br />
Kommissare Jensen und Holm wissen<br />
genau, was vorgeht, philosophieren<br />
aber als Beamte lieber über Gott und<br />
die Welt und finden, dass Nichtstun<br />
die vernünftigere Lösung sei. Und doch<br />
Kurz vorm Ziel: Kjeld (Rainer Gruß), Benny (István Kobjela) und Egon (Olaf Hais).<br />
mischt Jensen (Ralph Hensel) kräftig<br />
mit, vor allem am Ende.<br />
Der rote Faden des Stückes, und in fast<br />
jeder Szene vertreten, ist eine stumme<br />
Rolle: die Frau mit dem Hund, die immer<br />
erschrickt (Gabriele Rothmann). Sie ist<br />
ein ständiges potentielles Opfer des rasanten<br />
Autoverkehrs im Burghof, wurde<br />
schon in der vorjährigen Inszenierung<br />
erfunden und wird auch dieses Jahr ganz<br />
sicher wieder Publikumsliebling.<br />
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Schatz<br />
wird natürlich gehoben, wandert aber<br />
durch viele Hände und landet am Ende...<br />
da hilft nur angucken.<br />
Bedient werden dabei alle (sympathischen)<br />
Klischees, so gibt es neben dem<br />
einheimischen Eibauer Bier auch solches<br />
„das in einem Opernhaus gebraut<br />
wird, denn die Sachsen sind überall“.<br />
Fast mitgesungen wird bei der Musical-<br />
Einlage am Strand, als der DDR-Hit aus<br />
dem DEFA-Film „Heißer Sommer“ von<br />
Chris Doerk und Frank Schöbel (1968)<br />
erklingt.<br />
© Uwe Soeder<br />
Fazit: Ein mächtig gewaltiger Spaß um<br />
das bekannte dänische Gaunertrio, an<br />
deren Lebensweise inzwischen nicht nur<br />
die nächste, sondern sogar schon übernächste<br />
Generation seit Erscheinen der<br />
Filme seinen sichtlichen und hörbaren<br />
Spaß hat. Hörbar deshalb, weil Dynamit-Harry<br />
zum Schluss seinem Namen<br />
alle Ehre macht und das Publikum mit<br />
einem wahren Silvesterfeuerwerk verabschiedet<br />
– mitten im Sommer auf der<br />
Ortenburg. Vorher ist noch gemächlich<br />
der Flieger mit dem Clan in Richtung<br />
Mallorca über die Zuschauerköpfe gestartet.<br />
Ein Verweis auf nächstes Jahr,<br />
denn dann hebt die Olsenbande ab...<br />
Regine Eberlein<br />
„Die Olsenbande wandert aus“<br />
Noch bis 16. <strong>Juli</strong><br />
Deutsch-Sorbisches Theater<br />
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