Arbeitsrecht 2/17
Newsletter zu Entwicklungen im Arbeitsrecht
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ArbR<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Newsletter zu Entwicklungen im <strong>Arbeitsrecht</strong> 2/<strong>17</strong><br />
Inhaltsübersicht<br />
Seite<br />
SOZIALE NETZWERKE UND RECRUITING –<br />
ARBEITSRECHTLICHE TÜCKEN 2<br />
1. <strong>Arbeitsrecht</strong>liche Besonderheiten des Recruitings in<br />
sozialen Netzwerken 2<br />
2. Besonderheiten bei berufsbezogenen sozialen Medien 2<br />
3. Besonderheit bei freizeitbezogenen sozialen Medien 2<br />
4. Allgemeine Geschäftsbedingungen sozialer Netzwerke 3<br />
5. Folgen einer unzulässigen Datenerhebung und/oder<br />
-verwendung 3<br />
AKTUELLE RECHTSPRECHUNG<br />
Keine fristlose Kündigung einer RAK-Hauptgeschäftsführerin wegen<br />
Nebentätigkeit 4<br />
Morddrohung gegen Vorgesetzten rechtfertigt fristlose Kündigung 5<br />
Gerichtlich bestätigtes Entlassungsverlangen des Betriebsrats als<br />
Kündigungsgrund 6<br />
Nichtiges Wettbewerbsverbot wegen fehlender Karenzentschädigung<br />
trotz salvatorischer Klausel 6<br />
Kündigungsfrist während der Probezeit muss sich aus dem Arbeitsvertrag<br />
ergeben 7<br />
Kündigung wegen exzessiver privater Internetnutzung 8<br />
Hohe Anforderungen an die Änderungskündigung verbunden mit<br />
einem Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages 9<br />
Entschädigung wegen Diskriminierung vom Ex-Arbeitgeber ist<br />
kein Arbeitslohn und damit steuerfrei 10<br />
SOZIALRECHT AKTUELL<br />
BSG: gewichtiges Indiz für die Selbstständigkeit ist ein Honorar,<br />
das die Eigenvorsorge ermöglicht 11<br />
AKTUELLES AUS UNSEREM HAUSE<br />
1. Inhouse-Trainings 12<br />
2. Verstärkung im <strong>Arbeitsrecht</strong> 12<br />
3. Mandanten-Veranstaltung 12<br />
.<br />
.<br />
wir freuen uns, Ihnen unsere zweite<br />
Newsletter-Ausgabe im Jahr 20<strong>17</strong> zu<br />
übersenden.<br />
Diesmal stellen wir schwerpunktmäßig<br />
die arbeitsrechtlichen Tücken im Bereich<br />
"Soziale Netzwerke und Recruiting" vor.<br />
Außerdem haben wir – wie üblich – praxisrelevante<br />
Urteile und aktuelle Entwicklungen skizziert, diesmal<br />
vor allem im Bereich des Kündigungsrechts.<br />
Hinweisen möchten wir auch auf unsere Veranstaltung "<strong>Arbeitsrecht</strong><br />
am Abend" am 20. September 20<strong>17</strong>.<br />
Eine interessante Lektüre<br />
wünscht Ihnen Ihr<br />
Dr. Volker Vogt, LL.M.<br />
Rechtsanwalt<br />
Fachanwalt für <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
volker.vogt@schomerus.de<br />
Tel. Sekretariat:<br />
040 / 37 601 2348<br />
denken<br />
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ArbR 2/<strong>17</strong> 1
SOZIALE NETZWERKE UND RECRUITING – ARBEITSRECHTLICHE TÜCKEN<br />
Die Nutzung sozialer Medien zu Einstellungszwecken ist für Arbeitgeber mittlerweile<br />
zwar üblich, jedoch nicht frei von rechtlichen Risiken. Insbesondere datenschutzrechtliche<br />
Bestimmungen sind hier zu berücksichtigen. Nachfolgend wird dargestellt, welche<br />
rechtlichen Fallstricke hier zu beachten sind.<br />
1. <strong>Arbeitsrecht</strong>liche Besonderheiten des Recruitings in sozialen Netzwerken<br />
Rasante Zunahme des E-Recruiting<br />
Eine Studie zu „Recruiting Trends 2015“ des CHRIS (Center of Human Resources Information<br />
Systems) der Universität Bamberg mit der Monster Worldwide Deutschland GmbH verdeutlicht,<br />
dass die Deutschen Top 1000-Unternehmen mittlerweile 90,4 % der freien Stellenanzeigen<br />
auf ihren eigenen Unternehmens-Webseiten veröffentlichen und bereits jetzt<br />
schon 70,2 % der Vakanzen zum Teil sogar nur noch auf Internetstellenanzeigen zu finden<br />
sind. Auch die Zahl der Stellen, die in sozialen Netzwerken eingestellt werden, steigt rasant<br />
– so zuletzt auf 28,1 % in 2014. Darüber hinaus ist mittlerweile der Trend zu beobachten,<br />
dass ein erheblicher Teil der generierten Einstellungen auf Vakanzen auf Unternehmens-<br />
Websites und Internet-Jobbörsen sowie auf die Nutzung von sozialen Medien zurückzuführen<br />
sind. In rechtlicher Hinsicht ist dabei zwischen berufsorientierten (wie z. B. LinkdIN<br />
oder XING) und freizeitorientierten Netzwerken (wie z.B. Facebook oder studiVZ) zu unterscheiden.<br />
Zwar verschwimmen auch hier die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben<br />
zunehmend. Nach heutigem Stand ist die rechtliche Beurteilung jedoch unterschiedlich.<br />
2. Besonderheiten bei berufsbezogenen sozialen Medien<br />
Sofern die Daten berufsbezogener sozialer Medien „allgemein“ zugänglich sind, d. h. ohne<br />
vorherige Anmeldung in einem Netzwerk mit Hilfe einer Suchmaschine verfügbar, kann<br />
eine arbeitgeberseitige Datenauswertung gerechtfertigt sein (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG). Die<br />
insoweit erforderliche Interessenabwägung fällt nach unserem Dafürhalten in diesem Fall<br />
zu Gunsten des interessierten Arbeitgebers aus. Dies liegt insbesondere daran, dass der<br />
Betroffene seine Daten selbst in das Internet eingestellt hat. Entsprechend muss ein solcher<br />
Arbeitnehmer/Bewerber damit rechnen, dass die von ihm frei zugänglichen beruflichen<br />
Daten für kommerzielle Zwecke von anderen Unternehmen genutzt werden.<br />
Allgemein zugängliche Daten berufsbezogener<br />
Netzwerke sind<br />
abrufbar<br />
Verhält es sich so, dass die Daten nur den Mitgliedern innerhalb des berufsbezogenen<br />
sozialen Netzwerks zugänglich sind, sind diese auch für die im Netzwerk angemeldeten<br />
Unternehmen „allgemein zugänglich“. Auch hier fällt eine Interessenabwägung zu Lasten<br />
des Betroffenen aus, da er freiwillig seine Daten innerhalb des berufsbezogenen Netzwerkes<br />
zur Verfügung gestellt hat und daher damit rechnen muss, dass diese Daten für kommerzielle<br />
Zwecke genutzt werden.<br />
Wurde der Datenzugriff indes auf solche Kontakte beschränkt, mit denen der Bewerber<br />
„vernetzt“ ist, ist die Datennutzung hingegen nur dann zulässig, wenn sich das Unternehmen<br />
bei einer „Kontaktanfrage“ als potenzieller Arbeitgeber outet und auf die entsprechende<br />
Auswertung der Daten hingewiesen hat. Geschieht dies nicht, ist eine Datenerhebung<br />
in einem solchen Fall unzulässig.<br />
3. Besonderheit bei freizeitbezogenen sozialen Medien<br />
Bei freizeitbezogenen sozialen Medien gelten andere Maßstäbe: Handelt es sich um<br />
ein öffentliches Profil, das jeder Internetbenutzer abrufen kann, ohne bei dem jeweiligen<br />
Netzwerk angemeldet zu sein, ist fraglich, ob der Profilinhaber durch die uneingeschränkte<br />
Zugriffsmöglichkeit auf seine Daten auch ggü. Dritten in die Erhebung, Verarbeitung<br />
und Nutzung dieser Daten eingewilligt hat. Diese Frage ist zu verneinen. Gem.<br />
§ 4 a Abs. 1 S. 2 BDSG muss der betroffene Internetnutzer unter anderem auf den vorgesehenen<br />
Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung hingewiesen werden. Bei einem<br />
freizeitbezogenen Netzwerk ist dies jedoch gerade nicht der Fall, da der Kandidat im Vorfeld<br />
nicht davon ausgehen kann, dass seine Daten in einem freizeitbezogenen sozialen<br />
Netzwerk für geschäftliche Zwecke genutzt und durch potenzielle Arbeitgeber zwecks<br />
Mitarbeiterfindung ausgewertet werden. Demzufolge wäre eine Datennutzung nur zuläs-<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 2
sig, wenn diese von einer Erlaubnisnorm gedeckt würde. Hierfür kommt grundsätzlich nur<br />
eine vorherige Einwilligung des Betroffenen in Betracht.<br />
Können die personenbezogenen Daten des Betroffenen durch eine Suchmaschine gefunden<br />
werden, ohne in dem entsprechenden Netzwerk angemeldet zu sein, so sind diese<br />
personenbezogenen Daten regelmäßig „allgemein zugänglich“. Hier gilt jedoch folgende<br />
gewichtige Einschränkung: Da ein freizeitbezogenes Netzwerk gerade nicht für Geschäftszwecke<br />
benutzt werden soll, dürften die Interessen des Betroffenen einer arbeitgeberseitigen<br />
Nutzung für kommerzielle Zwecke entgegenstehen. Hiergegen ließe sich zwar einwenden,<br />
dass der Betroffene seine personenbezogenen Daten selbst in das Netzwerk eingestellt<br />
und damit der uneingeschränkten Einsichtnahme auf seine Daten zugestimmt<br />
hat. Dies dürfte jedoch lediglich für solche Daten zutreffen, die keinen Bezug zu einem<br />
möglichen Arbeitsverhältnis haben.<br />
Sofern für die Einsicht der Daten eine Mitgliedschaft im Netzwerk notwendig ist, ist streitig<br />
ob es sich um „öffentlich zugängliche“ Daten handelt. Hier wird vertreten, dass es sich um<br />
einen geschlossenen Personenkreis handelt und somit nicht mehr von öffentlich zugänglichen<br />
Daten gesprochen werden kann. Hiergegen spricht jedoch, dass eine Anmeldung<br />
in sozialen Netzwerken zumeist schnell und kostenfrei durchzuführen ist und somit keine<br />
besondere Hürde darstellt. Folglich ist eine Begrenzung des Personenkreises regelmäßig<br />
nicht gegeben. Im Ergebnis dürfte aber auch hier eine Interessenabwägung zugunsten<br />
des Bewerbers ausfallen, da in einem freizeitbezogenen Netzwerk private Zwecke im<br />
Vordergrund stehen. Folglich hat ein potenzieller Arbeitgeber an den privaten Daten des<br />
Betroffenen kein schützenswertes Interesse.<br />
Auf Daten in freizeitbezogenen<br />
Netzwerken kann nur sehr eingeschränkt<br />
zugegriffen werden<br />
Profile, die nur von direkten Kontakten beziehungsweise „Freunden“ eingesehen werden<br />
können, sind erst recht nicht „öffentlich zugänglich“. Eine Auswertung ist folglich unzulässig,<br />
sofern der Profilinhaber nicht einer vorherigen Verarbeitung seiner Daten explizit<br />
zugestimmt hat. Nur wenn der Betroffene/Bewerber einer Kontaktanfrage eines interessierten<br />
Arbeitgebers zugestimmt und das Unternehmen eindeutig auf die Datenerhebung<br />
zu Recruiting-Zwecken hingewiesen hat, ist der Bewerber weniger schutzwürdig, sodass<br />
die Auswertung seiner persönlichen Daten gerechtfertigt sein kann.<br />
Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass Unternehmen im Rahmen freizeitbezogener Netzwerke<br />
nur begrenzte Möglichkeiten haben, auf personenbezogene Daten möglicher Kandidaten<br />
zurückzugreifen.<br />
4. Allgemeine Geschäftsbedingungen sozialer Netzwerke<br />
Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen der sozialen Netzwerke sollten nicht vernachlässigt<br />
werden. So enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattform XING<br />
beispielsweise den Hinweis, dass XING ein Dienst sei, der den Zweck verfolge, durch eine<br />
Vielfalt unterschiedlicher Anwendungen zu einer Verbesserung und Vereinfachung des<br />
Berufslebens des Nutzers beizutragen. Hieraus folgt, dass das Berufsleben des Nutzers im<br />
Vordergrund steht und somit gerade nicht dessen Privatleben. Dies ist bei freizeitorientierten<br />
sozialen Medien wie z.B. studiVZ anders. So lautet z.B. die Klausel 5.4.2 der Plattform<br />
studiVZ: „Jede Nutzung, die darauf abzielt, das studiVZ-Netzwerk, über dieses zur Verfügung<br />
gestellte Anwendungen oder zugänglich gemachte Inhalte geschäftsmäßig, gewerblich oder<br />
sonstig kommerziell zu verwenden, ist untersagt.“ Sofern ein potenzieller Arbeitgeber die<br />
Daten dieser Plattform dementsprechend nutzen will, um geeignete Kandidaten zu finden,<br />
liegt eine kommerzielle Nutzung der Plattform vor, wodurch das Unternehmen gegen<br />
die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzwerkbetreibers verstößt. Dies kann zu<br />
Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen.<br />
Prüfung allgemeiner Geschäftsbedingungen<br />
des jeweiligen<br />
Netzwerkes ratsam<br />
5. Folgen einer unzulässigen Datenerhebung und/oder -verwendung<br />
Erhebt ein Unternehmen in unzulässiger Weise Daten in einem sozialen Netzwerk und<br />
stellt infolgedessen einen Bewerber nicht ein, besteht zwar kein Einstellungsanspruch. In<br />
Betracht kommt jedoch ein Schadensersatzanspruch des Bewerbers aus §§ 280 Abs. 1, 311<br />
Abs. 2 BGB. Hierzu müsste der Bewerber jedoch nachweisen, dass er eingestellt worden<br />
wäre, wenn das Unternehmen die Daten nicht erhoben hätte, was naturgemäß schwie-<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 3
ig ist. Schadensersatzansprüche von Bewerbern sind allerdings bei möglichen diskriminierenden<br />
Verstößen gegen eines der in § 1 AGG gelisteten Merkmale unter erleichterten<br />
Umständen möglich, da hier eine Beweislastumkehr greift.<br />
Drohende Wettbewerbsverstöße<br />
bei Kontaktierung von Konkurrenz-Mitarbeitern<br />
über soziale<br />
Medien<br />
Vielerorts ist es üblich, dass Unternehmen Arbeitnehmer direkt mit dem Ziel ansprechen,<br />
sie für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Irrelevant ist dabei, ob dies durch das Unternehmen<br />
selbst oder mit Hilfe eines Headhunters erfolgt. Ein derartiges Vorgehen ist hingegen<br />
wettbewerbsrechtlich relevant, sofern die beiden Unternehmen in einem Wettbewerbsverhältnis<br />
stehen und es sich um eine geschäftliche Handlung handelt. Insoweit ist<br />
es unerheblich, ob beide Unternehmen in derselben Branche tätig sind. Entscheidend ist<br />
vielmehr, dass es bei der Ab- und Anwerbung von Arbeitsverhältnissen um die Arbeitskraft<br />
als solche geht. Demgemäß besteht durchaus ein Wettbewerbsverhältnis um den<br />
jeweiligen Arbeitnehmer. Ein Abwerben von Mitarbeitern verstößt dann gegen Wettbewerbsrecht,<br />
wenn unlautere Begleitumstände vorliegen, also etwa unlautere Zwecke verfolgt<br />
oder unlautere Mittel eingesetzt werden. Davon umfasst ist auch etwa die persönliche<br />
Nachricht eines Headhunters an einen möglichen Kandidaten, ohne dass dieser einer<br />
solchen Nachricht im Vorfeld zugestimmt hat. Hingegen liegt kein wettbewerbswidriges<br />
Handeln vor, wenn eine ausdrückliche Zustimmung des Kandidaten bezüglich der Kontaktaufnahme<br />
vorliegt.<br />
AKTUELLE RECHTSPRECHUNG<br />
Keine fristlose Kündigung einer RAK-Hauptgeschäftsführerin wegen Nebentätigkeit<br />
Eine erlaubte Nebentätigkeit, die offen und transparent ausgeübt wird, rechtfertigt auch<br />
dann keine fristlose Kündigung, wenn bei der Ausübung in zu großem Umfang auf Ressourcen<br />
der Arbeitnehmerin zurückgegriffen wurde. Dies entschied das Landesarbeitsgericht<br />
Düsseldorf (Urteil vom 21.06.20<strong>17</strong>, Az.: 4 Sa 869/16).<br />
In dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist die Klägerin Rechtsanwältin und bei der beklagten<br />
Rechtsanwaltskammer seit dem 01.05.2004 als Hauptgeschäftsführerin beschäftigt.<br />
Der Arbeitsvertrag enthält eine Klausel über Nebentätigkeiten. Danach ist es der Klägerin<br />
gestattet, eine Rechtsanwaltskanzlei zu führen und Veröffentlichungen und Vorträge mit<br />
Zustimmung der Beklagten zu tätigen. Die Beklagte hat der Klägerin unter anderem vorgeworfen,<br />
ihre Ressourcen für deren Nebentätigkeiten in unzulässiger Weise in Anspruch<br />
genommen zu haben. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 05.11.2015<br />
fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 30.06.2016.<br />
Verstoß gegen Nebentätigkeitsverbot<br />
kann an sich eine fristlose<br />
Kündigung begründen – die Voraussetzungen<br />
sind jedoch streng<br />
Mit ihrer dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage hatte die Klägerin vor dem LAG –<br />
wie auch schon vor dem Arbeitsgericht – Erfolg. Die vom Arbeitsgericht durchgeführte<br />
Beweisaufnahme führte zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin nach Überzeugung des<br />
Gerichts erlaubt gewesen sei, die weiteren Arbeitskräfte der Beklagten für Vorträge und<br />
Veröffentlichungen zu nutzen. An diesem Ergebnis der Beweiswürdigung hat sich laut<br />
dem LAG Düsseldorf in der zweiten Instanz nichts geändert.<br />
Im Übrigen habe die Klägerin nach Ansicht des LAG ihre umfangreiche Nebentätigkeit<br />
offen und transparent ausgeübt. Diese habe sich auf berufsspezifische Themen bezogen,<br />
die Teil ihrer Tätigkeit als Hauptgeschäftsführerin waren beziehungsweise sein konnten.<br />
In diesem Fall habe es, weil der Klägerin die Nebentätigkeit erlaubt war, vor Ausspruch der<br />
Kündigung einer Abmahnung bedurft, selbst wenn sie in einem zu großen Umfang auf die<br />
Ressourcen der Beklagten zurückgegriffen haben sollte. Auch bei einer Gesamtbetrachtung<br />
rechtfertigten die übrigen Vorwürfe der Beklagten die Kündigung nicht, so das LAG.<br />
Die Berufung der Beklagten blieb daher erfolglos.<br />
Die – ebenfalls eingelegte – Berufung der Klägerin hatte demgegenüber Erfolg. Anders als<br />
das Arbeitsgericht hat das LAG der Klägerin aufgrund der unwirksamen fristlosen Kündigung<br />
Annahmeverzugslohn in Höhe von fast 127.000 Euro brutto für die Zeit von November<br />
2015 bis Juli 2016 zugesprochen. Die Auskunft zu anderweitigen Verdiensten hatte<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 4
die Klägerin erteilt. Diese sei ausreichend gewesen und habe zu keinem anzurechnenden<br />
Zwischenverdienst geführt.<br />
Der ursprünglich anhängige Weiterbeschäftigungsanspruch ist im Hinblick auf eine Folgekündigung<br />
von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Das LAG hat<br />
die Revision nicht zugelassen.<br />
Praxistipp<br />
Der Beklagten wurde hier die Beweisaufnahme „zum Verhängnis“. Offenbar hatte<br />
es hier im Vorwege arbeitgeberseitige Äußerungen gegeben, die auf die Gestattung<br />
des Betreibens einer Rechtsanwaltskanzlei hindeuteten. Will der Arbeitgeber<br />
eine Nebentätigkeit angesichts der Bedeutung der Position des Arbeitnehmers<br />
explizit ausschließen, sollte er nicht auf Standardformulierungen in Musterverträgen<br />
vertrauen, sondern in einem solchen Fall eine spezifische Klausel aufnehmen.<br />
Morddrohung gegen Vorgesetzten rechtfertigt fristlose Kündigung<br />
Das LAG Düsseldorf hat mit Urteil am 8. Juni 20<strong>17</strong> (Az.: 11 Sa 823/16) entschieden, dass<br />
eine fristlose Kündigung eines Mitarbeiters des Landeskriminalamtes (LKA) Nordrhein-<br />
Westphalen, der seinen Vorgesetzten mit den Worten „Ich stech dich ab“ bedroht hatte,<br />
gerechtfertigt war.<br />
Der Entscheidung ist folgender Sachverhalt vorausgegangen: Der Kläger war bei dem<br />
beklagten Land als Sachbearbeiter im LKA seit 1988 beschäftigt. Im Jahr 2012 kam es zu<br />
Differenzen zwischen ihm und seinem Vorgesetzten, die im Zusammenhang mit der Personalratswahl<br />
standen. Im Zuge dessen hatte der Kläger unter Vortäuschung einer entsprechenden<br />
Berechtigung für seine freie Liste Wahlplakate auf dem dienstlichen Kopiergerät<br />
angefertigt. Nachdem dieser Vorgang entdeckt wurde, reagierte der Vorgesetzte des<br />
Klägers mit der Aufforderung, die Kosten für die Drucke zu erstatten. Auf diese Aufforderung<br />
reagierte der Beklagte seinerseits mit einer Strafanzeige wegen Nötigung. Aufgrund<br />
des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde der Kläger rechtskräftig wegen Betrugs<br />
verurteilt. Anschließend kündigte ihm das beklagte Land unter Beteiligung von Integrationsamt<br />
und Personalrat am 31. Januar 2015 fristlos. Grund für die Kündigung war der Vorwurf<br />
des Vorgesetzten des Klägers, dieser habe ihn in einem Telefonat bedroht. Der Kläger<br />
bestritt diese Drohung.<br />
Das in erster Instanz zuständige Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage des Klägers<br />
ab. Das Gericht kam nach durchgeführter Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass der<br />
Kläger seinen Vorgesetzten mit den Worten „Ich stech dich ab“ bedroht habe. Das Telefonat<br />
sei am 19. Dezember 2014 von einer Telefonzelle aus, die ca. 3,5 Kilometer von der<br />
Wohnung des Klägers entfernt liege, geführt worden. Der Anruf erfolgte dabei auf dem<br />
dienstlichen Mobiltelefon des Vorgesetzten. Die Ausführungen, dass der Vorgesetzte des<br />
Klägers diesen anhand seiner Stimme und Sprechweise erkannt habe und damit leicht<br />
identifizieren konnte, waren für das Gericht nachvollziehbar. Auch habe er als Mitarbeiter<br />
des LKA Zugriff auf die dienstliche Mobiltelefonnummer seines Vorgesetzten gehabt.<br />
Darüberhinaus habe der Anrufer auch die nur wenigen Personen bekannte Strafanzeige<br />
wegen Nötigung aus Anlass der Personalratswahl angesprochen. Den Ausführungen<br />
des ebenfalls vernommenen Nachbarn des Klägers sowie dessen geschiedener Ehefrau<br />
glaube das Arbeitsgericht hingegen nicht.<br />
Bedrohungen von Vorgesetzten<br />
oder Kollegen rechtfertigen eine<br />
fristlose Kündigung – häufig lässt<br />
sich aber der Nachweis nicht führen<br />
Wesentlich für die außerordentliche Kündigung sei, dass eine weitere Zusammenarbeit<br />
mit dem Kläger dem Land nicht weiter zuzumuten sei, da eine ernsthafte Bedrohung des<br />
Vorgesetzten durch den Kläger vorliege. Die Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit<br />
wäre selbst dann anzunehmen, wenn die Drohung aufgrund von eingeschränkter<br />
Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt schuldlos erfolgt sein sollte. Angesichts der<br />
Schwere der vom Kläger begangenen Pflichtverletzung sei eine vorherige Abmahnung<br />
auch entbehrlich gewesen.<br />
Das LAG Düsseldorf folgte in zweiter Instanz den Ausführungen des Arbeitsgerichts.<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 5
Praxistipp<br />
Drohungen, Beleidigungen oder körperliche Misshandlungen gegenüber einem<br />
Vorgesetzten oder Kollegen bleiben klassische verhaltensbedingte Kündigungsgründe,<br />
die – selbstverständlich – zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen<br />
können.<br />
Gerichtlich bestätigtes Entlassungsverlangen des Betriebsrats als Kündigungsgrund<br />
Bei groben Störungen kann der<br />
Betriebsrat vom Arbeitgeber die<br />
Entlassung eines Arbeitnehmers<br />
verlangen (§ 104 BetrVG)<br />
Das Bundesarbeitsgericht hat am 28. März 20<strong>17</strong> (2 AZR 551/16) entschieden, dass ein<br />
gerichtlich bestätigtes Entlassungsverlangen des Betriebsrats ein dringendes betriebliches<br />
Erfordernis darstellt und damit eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. Der<br />
Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war langjährig als Sachbearbeiterin<br />
bei dem beklagten Versicherungsunternehmen tätig. Die Beklagte wurde Ende<br />
April 2015 von dem Betriebsrat dazu aufgefordert, die Klägerin zu entlassen, hilfsweise zu<br />
versetzen. Zur Begründung führte der Betriebsrat zwei Vorfälle an, die sich zwischen der<br />
Klägerin und ihren Arbeitskollegen im Oktober 2014 und im Januar 2015 ereignet haben.<br />
Dem Begehren des Betriebsrats kam die Beklagte jedoch zunächst nicht nach. Daraufhin<br />
leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren nach § 104 S. 2 BetrVG ein, in dem das<br />
Arbeitsgericht der Beklagten antragsgemäß aufgab, die Klägerin „zu entlassen“. Eine Anhörung<br />
der Klägerin gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG hatte stattgefunden. Sodann kündigte die<br />
Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2016.<br />
Hiergegen wehrte sich die Klägerin mit Erhebung der Kündigungsschutzklage. Sie führte<br />
an, dass weder ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliege um eine außerordentliche<br />
Kündigung zu rechtfertigen, noch sei die ordentliche Kündigung wirksam, da diese<br />
nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sei. Beide Vorinstanzen stellten fest,<br />
dass das Arbeitsverhältnis zwar nicht durch die außerordentliche Kündigung beendet,<br />
aber durch die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2016 aufgelöst worden ist. Die Rechtsmittel<br />
beider Parteien blieben vor dem BAG jedoch ohne Erfolg. Die Beklagte sei aufgrund<br />
der rechtskräftigen Entscheidung – auch im Verhältnis zur Klägerin – des Arbeitsgerichts<br />
verpflichtet gewesen, die ordentliche Kündigung auszusprechen, da durch die Entscheidung<br />
ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gegeben war.<br />
Allerdings war der Beklagten nicht aufgetragen worden, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin<br />
außerordentlich zu beenden.<br />
Praxistipp<br />
Ordnet ein Gericht die Entlassung eines Arbeitnehmers aufgrund eines Beschlussverfahrens<br />
nach § 104 S. 2 BetrVG an, so hat der Arbeitgeber der rechtkräftigen<br />
Entscheidung Folge zu leisten. Allerdings sollte er darauf achten, nicht über die<br />
gerichtlich festgelegte Art der Kündigung hinauszugehen.<br />
Nichtiges Wettbewerbsverbot wegen fehlender Karenzentschädigung trotz salvatorischer<br />
Klausel<br />
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil am 22. März 20<strong>17</strong> (Az. 10 AZR 448/15) entschieden,<br />
dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nichtig ist, wenn die Vereinbarung<br />
entgegen § 110 GewO i.V.m. § 74 Abs. 2 HGB keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine<br />
Karenzentschädigung beinhaltet. Weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber können<br />
aus einer solchen Vereinbarung Rechte herleiten. Auch führt eine in den Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen enthaltene salvatorische Klausel nicht zur Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots,<br />
selbst dann nicht, wenn dies einseitig den Arbeitnehmer begünstigen<br />
würde.<br />
Der Entscheidung des BAG ging folgender Sachverhalt voraus: Die Klägerin war von Mai<br />
2008 bis Dezember 2013 bei der Beklagten als Industriekauffrau beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis<br />
wurde durch die ordentliche Kündigung der Klägerin beendet. Im Arbeitsvertrag<br />
wurde eine Vertragsstrafe i.H.v. 10.000 EUR vereinbart, wenn die Klägerin in den nächsten<br />
beiden Jahren für ein mit der Beklagten im direkten oder indirektem Wettbewerb ste-<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 6
henden Unternehmen in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise tätig<br />
wird. Eine Karenzentschädigung wurde jedoch nicht vereinbart. Allerdings fand sich im<br />
Arbeitsvertrag unter dem Punkt „Nebenbestimmung“ eine salvatorische Klausel, wonach<br />
der Vertrag im Übrigen unberührt bleiben soll, falls eine Bestimmung nichtig oder unwirksam<br />
sein sollte. Soweit es rechtlich zulässig ist, soll an die Stelle der nichtigen oder unwirksamen<br />
Klausel eine angemessene Regelung treten, die dem am nächsten kommt, was die<br />
Vertragsparteien vereinbart hätten, sofern sie bei Abschluss des Vertrages die Nichtigkeit<br />
oder Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten.<br />
Die Klägerin verfolgte mit ihrer Klage die Zahlung einer monatlichen Karenzentschädigung<br />
für die Zeit von Januar 2014 bis Dezember 2015 i.H.v. 604,69 EUR brutto. Zunächst<br />
gaben sowohl das Arbeitsgericht Rheine als auch das Landesarbeitsgericht Hamm der<br />
Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte allerdings vor dem BAG Erfolg. Zur Begründung<br />
führt es an, dass ein Wettbewerbsverbot, das keine Karenzentschädigung vorsehe,<br />
nichtig ist. Auch kann weder der Arbeitgeber aufgrund einer solchen Vereinbarung die<br />
Einhaltung des Wettbewerbsverbots fordern, noch hat der Arbeitnehmer Anspruch auf<br />
Zahlung einer Karenzentschädigung. Eine salvatorische Klausel vermag die unwirksame<br />
Regelung – auch nicht einseitig zugunsten des Arbeitnehmers – nicht zu heilen und führt<br />
nicht zur Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots. Bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen<br />
Wettbewerbsverbots besteht unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
die Notwendigkeit, eine Entscheidung über die Einhaltung des Wettbewerbsverbots<br />
zu treffen. Die Wirksamkeit bzw. die Unwirksamkeit muss sich direkt aus der Vereinbarung<br />
ergeben und darf sich nicht erst im Rahmen einer wertenden Entscheidung über die Wirksamkeit<br />
und den genauen Inhalt der Regelung ergeben.<br />
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot<br />
ist ohne die Zusage einer<br />
Karenzentschädigung stets unwirksam<br />
Praxistipp<br />
Das BAG musste sich hier vornehmlich mit der Frage beschäftigen, inwieweit ein<br />
Wettbewerbsverbot ohne die genaue Bezifferung der Karenzentschädigung wirksam<br />
sein kann und ob eine salvatorische Klausel auch in diesem Bereich zur Geltung<br />
gelangen kann, sofern die Wettbewerbsverbotsklausel unwirksam ist. Die Vorinstanz<br />
hatte noch zu Gunsten der Klägerin entschieden, dass anstelle der unwirksamen<br />
Wettbewerbsverbotsklausel die salvatorische Klausel Abhilfe schaffen<br />
kann und ihr folglich ein Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung zusteht.<br />
Mit Blick auf die Bedeutung eines wirksamen Wettbewerbsverbots hat das BAG<br />
jedoch entschieden, dass – auch nicht einseitig zugunsten des Arbeitnehmers –<br />
die salvatorische Klausel nicht zur Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots führen<br />
kann. Soll also ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden, muss<br />
die genaue Höhe der Karenzentschädigung beziffert werden, sodass spätestens<br />
unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klarheit über die Einhaltung<br />
des Wettbewerbsverbots besteht.<br />
Kündigungsfrist während der Probezeit muss sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben<br />
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil am 23. März 20<strong>17</strong> (Az. 6 AZR 705/15) entschieden,<br />
dass sich eine kürzere – ausschließlich für die Dauer der Probezeit gedachte – Kündigungsfrist<br />
eindeutig aus dem Arbeitsvertrag ergeben muss.<br />
Der Entscheidung ging folgender Sachverhalt voraus: Der Kläger war ab April 2014 als<br />
Flugbegleiter bei der Beklagten beschäftigt. Der durch den Arbeitgeber vorformulierte<br />
Arbeitsvertrag sah in § 1 pauschal vor, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien<br />
nach dem Manteltarifvertrag richten. So sollten während der Probezeit besondere Kündigungsfristen<br />
gelten. Die Probezeit wurde in § 3 unter der Überschrift „Beginn und Dauer<br />
des Arbeitsverhältnisses“ des Arbeitsvertrages für die ersten sechs Monate bestimmt. In<br />
§ 8 „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ wurde ohne Bezugnahme auf § 1 oder § 3 des<br />
Arbeitsvertrages eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende vereinbart.<br />
Der Kläger erhielt am 5. September 2014 eine Kündigung zum 20. September 2014. Er<br />
erhob daraufhin Klage und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht<br />
bereits zum 20. September 2014, sondern erst mit Ablauf des 31. Oktober 2014 endet.<br />
Denn erst dann sei die in § 8 des Arbeitsvertrages vereinbarte Kündigungsfrist von sechs<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 7
Wochen zum Monatsende abgelaufen. Eine kürzere Kündigungsfrist während der Probezeit<br />
ergab sich aus dem Arbeitsvertrag nämlich nicht.<br />
Soll während der Probezeit eine<br />
kürzere Kündigungsfrist vereinbart<br />
werden, muss dies dem Arbeitsvertrag<br />
deutlich zu entnehmen<br />
sein<br />
Das Arbeitsgericht wies die Klage des Flugbegleiters ab. Allerdings hatte die Berufung des<br />
Klägers vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Die Revision der beklagten Arbeitgeberin vor<br />
dem BAG blieb sodann erfolgslos. Zur Begründung führte das BAG an, dass es sich bei dem<br />
vorformulierten Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und diese<br />
so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer<br />
sie verstehen würde. Aus dessen Sicht lasse sich folglich nicht erkennen, dass dem<br />
Verweis auf den Manteltarifvertrag und der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung<br />
für die Kündigungsfrist zukommt. Es sei vielmehr aufgrund des Wortlauts und der Systematik<br />
des Arbeitsvertrags zu verstehen gewesen, dass allein die Bestimmung der sechswöchigen<br />
Kündigungsfrist des § 8 „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ maßgeblich ist.<br />
Praxistipp<br />
Soll während der Dauer einer Probezeit eine kürzere Kündigungsfrist gelten als<br />
nach dem Ende der Probezeit, so ist dies unmissverständlich im Arbeitsvertrag<br />
deutlich zu machen. Ansonsten ist eine Regelung über die Kündigungsfrist regelmäßig<br />
so zu verstehen, dass die vereinbarte (längere) Frist bereits während der Probezeit<br />
Anwendung findet und der Arbeitgeber nur unter Einhaltung dieser Frist<br />
kündigen kann.<br />
Kündigung wegen exzessiver privater Internetnutzung<br />
Das Bundesarbeitsgericht hätte eigentlich am 27. April 20<strong>17</strong> über einen interessanten<br />
Fall zu entscheiden gehabt, wenn sich die Parteien nicht vorher im Rahmen eines Vergleichs<br />
geeinigt hätten (BAG, Az. 2 AZR 198/16). Folgender Sachverhalt lag dem Rechtsstreit<br />
zugrunde: Die Arbeitgeberin sprach gegenüber dem als Gruppenleiter Konstruktion<br />
beschäftigten Arbeitnehmer im März 2014 die fristlose Kündigung aus. Zur Begründung<br />
führte die Arbeitgeberin an, dass der Arbeitnehmer das Internet exzessiv zum privaten<br />
Surfen im Internet nutzte, deren zeitlicher Umfang und qualitativer Inhalt ausführlich<br />
über einen Zeitraum von zwei Monaten ausgewertet worden war. Das Ergebnis dieser<br />
Auswertung war, dass der Arbeitnehmer im Monatsschnitt rund 45 Stunden Arbeitszeit für<br />
privates Surfen verbraucht hat. Dabei rief er nicht nur sein privates Email-Konto ab, sondern<br />
besuchte auch die Website seiner Bank, verschiedene Versanddienstleister (otto.de,<br />
ebay.de, amazon.de) sowie diverse Websites von „Freizeitdienstleistern“ und „Partnervermittlungen“<br />
(poppen.de, finya.de, petgirls.de, sklavenmarkt.de) in erheblichem Umfang.<br />
Die Arbeitgeberin bot dem Arbeitnehmer daraufhin zunächst den Abschluss eines Aufhebungsvertrages<br />
an. Nachdem dieser den Abschluss jedoch ablehnte, sprach sie die fristlose<br />
Kündigung wegen schwerer Pflichtverletzung aus. Sodann erhob der Arbeitnehmer<br />
Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin. Er berief sich darauf, dass nach<br />
den betrieblichen Regelungen die private Nutzung des Internets in den Pausen erlaubt<br />
sei. Darüberhinaus sei die Auswertung seines Browsers auf seinem Dienstcomputer ohne<br />
seine Einwilligung erfolgt und damit datenschutzwidrig. Aus diesem Grund sei die Auswertung<br />
seines Surfverhaltens im Arbeitsgerichtsverfahren unverwertbar.<br />
Beide Vorinstanzen (ArbG Berlin, Urt. v. 21.01.2015, Az.: 37 Ca 4257/14; LAG Berlin-Brandenburg,<br />
Urt. v. 14.01.2016, 5 Sa 657/15) folgten der Auffassung des Klägers indes nicht.<br />
Beide bewerteten die fristlose Kündigung als wirksam. Aufgrund der datenschutzrechtlichen<br />
Frage nach der prozessualen Verwertbarkeit der ohne Einwilligung des Arbeitnehmers<br />
erhobenen Daten ließ das LAG die Revision zum BAG zu. Durch den kurz vor dem<br />
Verhandlungstermin am 27. April 20<strong>17</strong> geschlossenen Vergleichs der Parteien musste sich<br />
das BAG nicht zu dieser Fragestellung äußern.<br />
Kernfrage des Falles<br />
Fraglich ist – wie auch der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zu entnehmen ist –,<br />
ob die Erkenntnisse der Auswertung des Browserverlaufes überhaupt berücksichtigt werden<br />
durften. Denn sofern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt wird,<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 8
kann ausnahmsweise ein Beweisverwertungs- oder Sachvortragsverbot der prozessualen<br />
Verwertung entgegen stehen. Dem Interesse des Arbeitnehmers auf informationelle<br />
Selbstbestimmung steht das Beweisverwertungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber.<br />
Zwischen diesen widerstreitenden Interessen muss daher abgewogen werden. Das Bundesdatenschutzgesetz<br />
(BDSG) bildet für die Abwägung von Nutzung von Daten und deren<br />
unrechtmäßige Verwendung einen konkreten Rahmen. So bedarf es für die Nutzung von<br />
Daten stets einer Ermächtigungsgrundlage. Da jedoch weder der Arbeitnehmer in die<br />
Nutzung seiner Daten eingewilligt, noch eine wirksame Betriebsvereinbarung bestanden<br />
hat, käme nur eine gesetzliche Legitimation als Ermächtigungsgrundlage in Betracht. § 32<br />
Abs. 1 S. 1 BDSG erlaubt dem Arbeitgeber die Erhebung und Verwertung von Daten im<br />
Arbeitsverhältnis zur Missbrauchskontrolle, sodass diese als Legitimationsgrundlage herangezogen<br />
werden könnte. Das konkrete Ausmaß des Missbrauchs des dienstlichen Internetzugangs<br />
sei erst aufgrund der Auswertung der Browserverlaufs festzustellen gewesen<br />
und konnte nicht schon durch die Auswertung der im Firewall-Server protokollierten Volumina<br />
des Internetverkehrs festgestellt werden. Damit habe sich der Arbeitgeber datenschutzrechtskonform<br />
verhalten und die Daten durften – so das LAG – verwertet werden.<br />
Ungeklärt: Besteht ein Beweisverwertungsverbot,<br />
wenn der Arbeitgeber<br />
von den Kündigungsgründen<br />
unter Verletzung von<br />
Arbeitnehmerrechten Kenntnis<br />
erlangt?<br />
Prognose<br />
Es bleibt daher ungeklärt, ob sich das BAG angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe<br />
gegen den Arbeitnehmer („Arbeitszeitbetrug“ und ggf. „Gefährdung der IT-Sicherheit“)<br />
den beiden Vorinstanzen angeschlossen hätte. Im Rahmen einer Abwägung hätte möglicherweise<br />
das Beweisverwertungsinteresse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers<br />
auf informationelle Selbstbestimmung überwogen.<br />
Darüber hinaus hat das BAG in zweien seiner jüngeren Urteile (v. 22.9.2016, Az.: 2 AZR<br />
848/15 und v. 20.10.2016, Az.: 2 AZR 395/15) festgestellt, dass selbst wenn ein Verstoß<br />
gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vorliegt, dieser noch nicht automatisch zu<br />
einem Verwertungsverbot führt. Mit diesen Urteilen hat das BAG auch die zum Teil gegenteilige<br />
Auffassung von Instanzgerichten (LAG Baden-Württemberg v. 20.7.2016, Az.: 4 Sa<br />
61/15) ausdrücklich abgelehnt.<br />
Hohe Anforderungen an die Änderungskündigung verbunden mit einem Angebot<br />
auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages<br />
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil am 26. Januar 20<strong>17</strong> (Az. 2 AZR 68/16) entschieden,<br />
dass eine Änderungskündigung verbunden mit einem Angebot auf Abschluss eines<br />
neuen Arbeitsvertrages die „versprochenen Dienste“ im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB und<br />
damit die Art der geschuldeten Arbeitsleistung(en) erkennen lassen muss.<br />
Der Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der seit März 1997 als<br />
Elektrotechniker bei der Beklagten beschäftigte Kläger, zu dessen Aufgabengebiet u.a.<br />
auch die Softwareerstellung gehörte, erlitt im November 2001 bei einem Verkehrsunfall<br />
schwere Kopfverletzungen. Die Beklagte überprüfte im Dezember 2005 in einem Arbeitstest<br />
die Fähigkeiten des Klägers, eine vorhandene Sicherheits-SPS anzupassen. Sie stellte<br />
aufgrund des Ergebnisses dieses Tests fest, dass es dem Kläger fortan nicht mehr möglich<br />
sei, komplexe Programmiertätigkeiten in diesem Bereich durchzuführen. Daraufhin<br />
erklärte die Beklagte dem Kläger am 30. März 2006 eine Änderungskündigung. Der Kläger<br />
hat das mit der Kündigung verbundene Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />
zu neuen Vertragsbedingungen zunächst unter Vorbehalt angenommen und gleichzeitig<br />
Klage gegen die Änderungskündigung vor dem Arbeitsgericht erhoben. Der Kläger macht<br />
geltend, weiterhin in der Lage zu sein, seinen Arbeitsvertrag erfüllen zu können und dass<br />
das Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages nicht hinreichend bestimmt war.<br />
Die Vorinstanzen haben dem Feststellungsantrag, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen<br />
durch die Änderungskündigung vom 30. März 2006 sozial ungerechtfertigt und<br />
unwirksam ist, nicht stattgegeben. Die Revision vor dem BAG hatte hingegen Erfolg. Das<br />
BAG hob das Urteil des LAG auf und stellte fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen<br />
sozial ungerechtfertigt ist.<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 9
Hohe Anforderungen an die Darstellung<br />
des neuen Tätigkeitsbereiches<br />
bei Änderungskündigungen<br />
Zur Begründung führt das BAG an, dass das LAG zu Unrecht angenommen habe, dass der<br />
Kläger dauerhaft außer Stande sei, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.<br />
Weiter habe das LAG die Prüfung unterlassen, ob das mit der Kündigung verbundene<br />
Vertragsangebot so konkret gefasst sei, dass der Kläger dieses ohne Weiteres hätte<br />
annehmen können. Zuletzt habe das LAG auch nicht geprüft, aufgrund welcher genauen<br />
Umstände eine Absenkung der Vergütung gerechtfertigt sein sollte. Es sei für den Kläger<br />
durch die Bezeichnung „Einsätze auf Baustellen“ tatsächlich nicht erkennbar gewesen,<br />
welche Arbeitsleistung er künftig zu erbringen habe. Ferner war es dem Kläger auch nicht<br />
aufgrund der Absenkung des Entgelts möglich zu erkennen, welche Arbeitsleistung von<br />
ihm künftig erwartet wird, da die Beklagte kein kollektives Entgeltschema aufweist, von<br />
dem er auf die Tätigkeit hätte schließen können.<br />
Praxistipp<br />
Das BAG hat mit dieser Entscheidung erneut verdeutlicht, dass es an eine Änderungskündigung<br />
verbunden mit einem Vertragsangebot hohe Anforderungen hinsichtlich<br />
der Bestimmtheit des Angebots stellt. Arbeitgeber müssen daher künftig,<br />
wenn sie eine Änderungskündigung aussprechen wollen, sehr genaue Angaben<br />
bezüglich des neuen Tätigkeitsbereichs machen. So kann davon ausgegangen<br />
werden, dass die Bezeichnung wie „Lagerist“ oder „Elektrotechniker“ bei einer<br />
Neueinstellung ausreichend gewesen wäre, da die wesentlichen Vertragsbestandteile<br />
im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts hätten beschrieben werden<br />
können. Für eine Änderungskündigung wäre nach Maßgabe des BAG der neue<br />
Tätigkeitsbereich nicht konkret genug beschrieben worden. Warum das BAG an<br />
eine Änderungskündigung derart strenge Anforderungen stellt, während es bei<br />
einer Neueinstellung einen deutlich großzügigeren Gestaltungsrahmen zulässt,<br />
kann allenfalls mit Blick auf das Kündigungsschutzrecht beantwortet werden. Denn<br />
eine zufriedenstellende Begründung seiner Anforderungen liefert das BAG nicht.<br />
Entschädigung wegen Diskriminierung vom Ex-Arbeitgeber ist kein Arbeitslohn<br />
und damit steuerfrei<br />
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil am 21. März 20<strong>17</strong> (Az.: 5 K 1594/14) entschieden,<br />
dass eine Entschädigung wegen Diskriminierung, die ein Arbeitnehmer von seinem<br />
Ex-Arbeitgeber erhält, keinen Arbeitslohn darstellt und folglich steuerfrei ist. Dies gilt<br />
auch dann, wenn der Arbeitgeber die behauptete Benachteiligung bestritten hat und die<br />
Zahlung „lediglich“ auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.<br />
Der Entscheidung des Finanzgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitgeber<br />
erteilte einer Einzelhandelskauffrau aus Worms „aus personenbedingten Gründen“<br />
die Kündigung. Dies geschah jedoch nur wenige Wochen nachdem bei der Frau eine Körperbehinderung<br />
von 30 Prozent festgestellt worden war. Die Frau wehrte sich gegen die<br />
Kündigung durch Erhebung der Kündigungsschutzklage. Das Verfahren wurde durch den<br />
Abschluss eines Vergleichs beendet, in dem der Arbeitgeber sich zu einer Entschädigungszahlung<br />
nach § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) i.H.v. 10.000 EUR bereiterklärte.<br />
Das Arbeitsverhältnis wurde zudem einvernehmlich beendet. Nach Ansicht des<br />
Finanzamtes handelt es sich bei der Entschädigung um Arbeitslohn, der der Steuerpflicht<br />
unterliegt. Das Finanzgericht war da gegenteiliger Auffassung. So stelle die Zahlung nicht<br />
die Kompensation für entstandene materielle Schäden im Sinne des § 15 Abs. 1 AGG, zu<br />
denen auch der entgangene Arbeitslohn gehört, dar, sondern einen Ausgleich für einen<br />
erlittenen immateriellen Schaden gemäß § 15 Abs. 2 AGG wegen der Diskriminierung der<br />
Frau als Behinderte. Damit ist eine solche Entschädigung kein Arbeitslohn und mithin<br />
steuerfrei. Diese Auffassung gelte selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Benachteiligung<br />
zwar bestritten, aber dennoch im Wege eines Vergleichs bereit gewesen ist, eine Entschädigung<br />
wegen (nur) behaupteter Diskriminierung zu zahlen.<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 10
SOZIALRECHT AKTUELL<br />
BSG: gewichtiges Indiz für die Selbstständigkeit ist ein Honorar, das die Eigenvorsorge<br />
ermöglicht<br />
Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 31. März 20<strong>17</strong> (Az.: B 12 R 7/15 R) entschieden,<br />
dass ein Honorar, das deutlich über der üblichen Vergütung für fest Angestellte liegt ein<br />
gewichtiges Indiz für das Vorliegen von Selbstständigkeit ist.<br />
Der Entscheidung des BSG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der klagende Landkreis<br />
ist Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der Kläger schließt sowohl mit freien Trägern als<br />
auch mit Einzelpersonen Verträge ab, die Leistungen der Jugendhilfe vor Ort in Familien<br />
erbringen, um seine Aufgaben der Jugendhilfe zu erfüllen. Der im Prozess beigeladene<br />
Heilpädagoge ist neben einer Vollzeittätigkeit auch für den Kläger in einem wöchentlichen<br />
Umfang von vier bis sieben Stunden als Erziehungsbeistand auf der Basis von einzelnen<br />
Honorarverträgen tätig. Das Honorar lag dabei für jede Betreuungsstunde zwischen<br />
40 EUR und 41,50 EUR. Zudem arbeitete der Heilpädagoge weitgehend weisungsfrei und<br />
war zudem nicht in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert. Dennoch stellte<br />
die Deutsche Rentenversicherung (DRV) fest, dass der Heilpädagoge in dieser Tätigkeit<br />
als Beschäftigter der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Gegen diese Beurteilung der<br />
DRV wehrte sich der Kläger vor dem Sozialgericht. In den Vorinstanzen hatte der Kläger<br />
Erfolg. Hiergegen legte die beklagte DRV Revision vor dem BSG ein, welches die Revision<br />
zurückwies. Das BSG sah keine abhängige Beschäftigung des Heilpädagogen beim Kläger<br />
begründet. Die Parteien hätten den Vertrag, so wie er schriftlich festgehalten worden<br />
war, auch tatsächlich gelebt. Neben der Weisungsfreiheit sei maßgeblich, dass der Heilpädagoge<br />
ein deutlich über dem üblichen Arbeitsentgelt von fest Angestellten liegendes<br />
Honorar bezogen hat, wodurch es eine Eigenvorsorge zulasse. Dies sei ein gewichtiges<br />
Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.<br />
Scheinselbstständigkeit: Erhöhtes<br />
Honorar kann Risiko mindern. Die<br />
Gesamtumstände bleiben maßgeblich<br />
Praxistipp<br />
Bedenkt man die potentiellen Ausgaben, die einem Selbstständigen in der Regel<br />
entstehen, insbesondere die üblichen Kosten (Steuern ausgenommen) für Beiträge<br />
zur Berufsgenossenschaft, Kosten für An- und Abreise, Versicherung für den Krankheits-,<br />
Pflege- und Rentenfall, Berufshaftpflichtversicherung, Arbeitsgeräte und<br />
Arbeitsmittel, die Vergütung der eigenen Arbeitsleistung und ggf. die Inanspruchnahme<br />
von Erfüllungsgehilfen (als Subunternehmer oder abhängige Beschäftigte),<br />
ist es beinahe zwingend, dass die vereinbarte Vergütung deutlich über dem eines<br />
vergleichbaren fest Angestellten liegt. Denn dieser hat die aufgeführten Kosten<br />
gerade nicht allein zu tragen. Bei dem Abschluss von Verträgen mit freien Mitarbeitern<br />
sollte also auch darauf geachtet werden, dass es dem Selbstständigen mit<br />
dem Honorar möglich ist, die üblichen Fixkosten abzudecken.<br />
Natürlich sei auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Aspekt des Honorars<br />
nur einen Teilbereich der wertenden Gesamtbertachtung aller Umstände des<br />
Einzelfalles darstellt. Es kann jedoch wie im dargestellten Fall entscheidend sein,<br />
dass das Honorar deutlich über dem eines fest Angestellten liegt.<br />
ArbR 2/<strong>17</strong> 11
AKTUELLES AUS UNSEREM HAUSE<br />
1. Inhouse-Trainings<br />
Unser <strong>Arbeitsrecht</strong>s-Team bietet nunmehr auch arbeitsrechtliche Inhouse-Trainings an.<br />
Hierzu führen wir in Ihrem Unternehmen speziell auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Trainings<br />
von Führungskräften und sonstigen Mitarbeitern durch, z.B.<br />
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als Einzel- oder Gruppentraining,<br />
im Sinne eines Workshops oder als Informationsveranstaltung,<br />
in deutscher oder englischer Sprache.<br />
Zu den Themengebieten gehören neben den arbeitsrechtlichen Grundlagengebieten<br />
sämtliche Spezialthemen einschließlich aktueller Rechtsprechung und Gesetzgebung.<br />
Sprechen Sie uns gern an!<br />
2. Verstärkung im <strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Kontakt & Anfragen<br />
Sprechen Sie uns bei Fragen oder weiterem<br />
Beratungsbedarf gern an – wir<br />
freuen uns über Ihre Nachricht.<br />
Dr. Volker Vogt, LL.M.<br />
Rechtsanwalt, Fachanwalt für<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong>, Partner<br />
volker.vogt@schomerus.de<br />
Ngoc Anh Heimbach<br />
Rechtsanwältin<br />
ngocanh.heimbach@schomerus.de<br />
Tel. Sekretariat: 040 / 37 601 - 23 48<br />
Mitte Juli 20<strong>17</strong> wird das Dezernat <strong>Arbeitsrecht</strong> mit Herrn Rechtsanwalt Felix Geulen verstärkt.<br />
Herr Geulen ersetzt dabei Herrn Seutemann, der Ende Juni 20<strong>17</strong> unser Haus verlassen<br />
hat, um Arbeitsrichter zu werden.<br />
3. Mandanten-Veranstaltung<br />
<strong>Arbeitsrecht</strong> am Abend:<br />
Das Entgelttransparenzgesetz kommt! Was Sie jetzt beachten müssen<br />
Der Bundesrat hat Mitte Mai 20<strong>17</strong> das Gesetz zur „Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“<br />
(Entgelttransparenzgesetz) verabschiedet, welches am 6. Juli 20<strong>17</strong> in Kraft<br />
getreten ist. Ziel hierbei ist es, mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern zu<br />
schaffen.<br />
Im Rahmen unserer Veranstaltung erfahren Sie u.a.,<br />
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<br />
welche neuen Pflichten das Entgelttransparenzgesetz für Arbeitgeber beinhaltet,<br />
was sich arbeitsrechtlich hinter dem neuen Auskunftsanspruch oder den Berichtspflichten<br />
verbirgt<br />
was das aus steuerrechtlicher Sicht bedeutet.<br />
Termin: 20.09.<strong>17</strong>, 18:00 – 19:30 Uhr<br />
Ort: Büro Schomerus, Deichstraße 1, 20459 Hamburg<br />
Anmeldung: www.schomerus.de/veranstaltungen<br />
Schomerus & Partner mbB<br />
Steuerberater · Rechtsanwälte<br />
Wirtschaftsprüfer<br />
Deichstraße 1<br />
20459 Hamburg<br />
Telefon 040 / 3 76 01-00<br />
Telefax 040 / 3 76 01-199<br />
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Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Volker Vogt, LL.M.<br />
Stand: 07.07.20<strong>17</strong><br />
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