16.08.2017 Aufrufe

ausgabe

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Arbeitsrecht<br />

im Betrieb<br />

aib | fachzeitschrift für den betriebsrat<br />

aib-web.de<br />

38. JAHRGANG<br />

ISSN 01741225<br />

D 3591<br />

7-8 | 2017<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

Gute Arbeit im Büro<br />

aktuelles Wie Gremien sich auf die Betriebsratswahl vorbereiten<br />

grundlagen Was Betriebsrat und Feuerwehr gemeinsam haben<br />

betriebliche praxis Warum Privatisierung kein guter Deal für Beschäftigte ist


ARBEITSRECHT IM BETRIEB<br />

WIE VIEL PRAXIS<br />

WILLST DU?<br />

MIT DER<br />

AKTUELLSTEN<br />

RECHT-<br />

SPRECHUNG<br />

WICHTIG IST, ZU WISSEN,<br />

WAS MAN RECHTLICH DARF.<br />

NOCH WICHTIGER IST, ZU WISSEN,<br />

WAS IM BETRIEB FUNKTIONIERT.<br />

Exklusiv im Seminar<br />

„Grundlagen des Arbeitrechts I“<br />

JETZT ANMELDEN!<br />

Weitere Infos und Termine unter:<br />

www.igmetall.de/bildung<br />

SEMINARE DER IG METALL: BESSER IM BETRIEB.


AiB 7-8 | 2017<br />

editorial<br />

Sitzen Sie gut?<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Eva-Maria Stoppkotte (l.) und Claudia Stiel (r.)<br />

Redaktion Arbeitsrecht im Betrieb<br />

Vorschriften wie die Arbeitsstätten verordnung<br />

sollen für eine gute Gestaltung<br />

der Arbeitsplätze sorgen. Klingt spröde und<br />

theoretisch? Ist es aber nicht! Das Thema betrifft<br />

uns alle – egal, ob wir mit gefährlichen<br />

Stoffen hantieren, am Montageband stehen<br />

oder den ganzen Tag auf einen Bildschirm<br />

starren und abends über Rückenschmerzen<br />

klagen. Dass der Arbeitsplatz nicht krank machen<br />

darf und seine Gestaltung Menschen<br />

mit und ohne Behinderungen gleichermaßen<br />

berücksichtigen muss – das sind Binsenweisheiten.<br />

Doch wie das Ganze an gehen?<br />

Im Titelthema zeigen unsere Experten, was<br />

für gesunde Arbeitsplätze wichtig ist, wie<br />

Gefahren vermieden werden und warum der<br />

Betriebsrat eine wichtige Rolle spielt.<br />

Um Schutz und Sicherheit von Beschäftigten<br />

drehen sich auch weitere aktuelle Themen:<br />

Wir berichten über Änderungen beim<br />

Mutterschutzgesetz, über das, was mit der<br />

neuen EU-Datenschutzgrundverordnung auf<br />

Interessenvertreter zukommt und darüber,<br />

wie die Zukunft für die Angestellten der<br />

frühe ren Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann<br />

nach der Übernahme durch Rewe und<br />

Edeka aussieht.<br />

Außerdem: Die Nominierten für den diesjährigen<br />

Deutschen Betriebsräte-Preis im<br />

Dezember stehen fest! Lesen Sie, welche engagierten<br />

Gremien es mit ihren spannenden<br />

Projekten in die Endrunde geschafft haben …<br />

Einen erholsamen und schönen Sommer<br />

wünscht Ihnen<br />

Ihre AiB-Redaktion<br />

3


inhaltsverzeichnis<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

10<br />

TITELTHEMA<br />

ARBEITS- UND GESUNDHEITSSCHUTZ<br />

Gute Arbeit im Büro<br />

Arbeitsplätze sollen menschengerecht gestaltet sein.<br />

Dafür gibt es viele Vorschriften. Lesen Sie, wer in der Pflicht ist<br />

und wo der Betriebsrat ins Spiel kommt.<br />

10 Mehr Licht und Luft Schon die Preußen<br />

hatten Regeln dafür, wie Arbeitsplätze<br />

auszu sehen haben. Seitdem hat sich viel<br />

verändert. Die Arbeits stättenverordnung<br />

und andere Vorschriften machen Vorgaben<br />

für gute Arbeitsplätze.<br />

von manuel kiper<br />

17 Gefahren lauern auch im Büro Wer im Büro<br />

arbeitet, ist genauso Gesundheitsgefahren<br />

ausgesetzt, wie alle anderen Beschäftigten.<br />

Hier das Wichtigste zur Gefährdungsbeurteilung<br />

bei Büro arbeitsplätzen.<br />

von manfred wulff<br />

15 Inklusion statt Integration Zugang für<br />

alle – darum geht es bei der Barrierefreiheit.<br />

Welche wichtigen Vorschriften muss der<br />

Arbeit geber dafür beachten und welche<br />

Verantwortung trägt der Betriebsrat?<br />

von nils bolwig<br />

4


AiB 7-8 | 2017<br />

inhaltsverzeichnis<br />

21<br />

AKTUELLES<br />

GRUNDLAGEN DER BETRIEBSRATSARBEIT<br />

RUBRIKEN<br />

21 Schutz für werdende Mütter Das Mutterschutzgesetz<br />

ist verändert worden. Worauf<br />

Betriebsräte künftig achten müssen.<br />

von christopher koll<br />

24 Zeit zu handeln Die EU-Datenschutzgrundverordnung<br />

regelt den Umgang mit persönlichen<br />

Daten in Europa neu.<br />

von peter wedde<br />

29 Sicherheit für fünf Jahre Die Integration<br />

der Kaiser’s Tengelmann-Filialen in die<br />

Handels konzerne Edeka und Rewe läuft.<br />

von gudrun giese<br />

32 Vorhang auf für die Nominierten<br />

Die Jury des Deutschen Betriebsräte­<br />

Preises 2017 hat zwölf Projekte für die<br />

Endrunde ausgewählt.<br />

von christof herrmann<br />

33 Trendmonitor: BR-Wahl 2018 Im Frühjahr<br />

stehen die Betriebsratswahlen an.<br />

Wie sich Betriebsräte darauf vorbereiten,<br />

erfahren Sie hier.<br />

37<br />

von christof balkenhol<br />

GRUNDLAGEN DER BETRIEBSRATSARBEIT<br />

37 Risiken und Nebenwirkungen Bei Fehlern<br />

im Job drohen Abmahnungen oder Ermahnungen.<br />

Lesen Sie, was der Unterschied ist<br />

und wie Beschäftigte sich wehren.<br />

von javier davila cano<br />

40 Körperliche Arbeitsbelastungen<br />

Was Betriebs räte tun, um körperliche<br />

Belastungen in der Industrie abzubauen.<br />

von walter mugler und rainer salm<br />

44 Erfolgreiche Teamarbeit im Betriebsrat<br />

Was haben Betriebsrat und Freiwillige<br />

Feuerwehr gemeinsam? Sie müssen als Team<br />

arbeiten und im Notfall einsatzbereit sein.<br />

von rudolf reitter<br />

47 Schwarz auf weiß Was sind die<br />

Zutaten für einen professionellen und<br />

sprachlich guten Geschäfts brief?<br />

von marion müller<br />

51 Kurzarbeit als Rettungsanker Sie dient<br />

der Beschäftigungssicherung in wirtschaftlich<br />

unruhigen Zeiten: die Kurzarbeit.<br />

Der Betriebsrat bestimmt mit.<br />

54<br />

von christiane jansen<br />

BETRIEBLICHE PRAXIS<br />

54 Operation war erfolgreich Der Betriebsrat<br />

des Klinikums Esslingen stoppte den Verkauf<br />

an einen privaten Gesundheitskonzern.<br />

56<br />

von christof herrmann<br />

RECHTSPRECHUNG<br />

56 Expertenrat<br />

Ordnungsgeld, weil Pause ausfällt?<br />

LAG Berlin 5.4.2017 – 15 Ta1522/16.<br />

Fristlose Kündigung für Beleidigung<br />

LAG Schleswig-Holstein 24.1.2017 –<br />

3 Sa 244/16.<br />

von silvia mittländer<br />

57 Falsche Unterrichtung des Betriebsrats<br />

BAG 16.7.2015 – 2 AZR 15/15<br />

von ingrid heinlein<br />

58 Verschmelzung und Tarifvertrag<br />

BAG 15.6.2016 – 4 AZR 805/114<br />

von ulrich petri<br />

60 Rechte beim Einsatz von Fremdpersonal<br />

BAG 8.11.2016 – 1 ABR 57/14<br />

von michael kröll<br />

62 Zulässigkeit einstweiliger Verfügung<br />

LAG Berlin-Brandenburg 12.7.2016 –<br />

7 TaB-VGa 520/16<br />

von wolf-dieter rudolph<br />

63 Bildung und Mitbestimmung<br />

BAG 26.4.2016 – 1 ABR 21/14<br />

von wolf-dieter rudolph<br />

3 Editorial<br />

6 Magazin<br />

13 AiB-Seminartipps<br />

65 Impressum<br />

66 Die Letzte Seite<br />

66 Vorschau<br />

AiB online<br />

aib-web.de<br />

Unter aib-web.de finden<br />

Sie alle Ausgaben der<br />

AiB seit 2006. Dazu die<br />

Datenbank AiB:Assist<br />

mit BetrVG­ Kommentar,<br />

Lexikon, Arbeitshilfen und<br />

Top-100-Urteilen für die<br />

Betriebsratsarbeit.<br />

}}<br />

Alles exklusiv unter<br />

aib-web.de<br />

Bitte registrieren<br />

Sie sich unter:<br />

aib-web.de/<br />

registrierung<br />

5


magazin<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

termine<br />

}}<br />

Arbeitsstrafrecht<br />

unter der Lupe<br />

4. – 6.9.,<br />

Cuxhaven- Duhnen.<br />

Ob Diesel-Gate oder<br />

Banken-Affairen – immer<br />

wieder sorgen Skandale<br />

in deutschen Großunternehmen<br />

für Schlagzeilen<br />

– und werfen die<br />

Frage der strafrechtlichen<br />

Verantwortung von<br />

Arbeitnehmern, Betriebsräten<br />

und Arbeitgebern<br />

auf. Während finanzielle<br />

Konsequenzen intensiv<br />

diskutiert werden, gerät<br />

die Frage der strafrechtlichen<br />

Verantwortung<br />

nicht nur des Vorstandes,<br />

sondern auch der Arbeitnehmer,<br />

die mit oder<br />

ohne direkte Anweisung<br />

gehandelt haben, oft zur<br />

Nebensache.<br />

www.aul-seminare.de<br />

> Seminarsuche:<br />

Arbeitsstrafrecht<br />

}}<br />

Arbeitszeit gut regeln<br />

15. – 20.10., Lohr.<br />

Arbeits zeit gewinnt immer<br />

mehr an Bedeutung,<br />

vor allem auch im Gesamtkonstrukt<br />

der Work­<br />

Life-Balance. Die Arbeitszeiten<br />

der Beschäftigten<br />

weichen immer häufiger<br />

von arbeitsvertraglichen<br />

und tariflichen Bestimmungen<br />

sowie von dem<br />

Arbeitszeitgesetz ab. Das<br />

Seminar der IG Metall<br />

zeigt, wie Betriebs räte<br />

ihre Mitbestimmungsrechte<br />

bei der Arbeitszeit<br />

nutzen können.<br />

www.igmetall.de > IG<br />

Metall > Bildung & Seminare<br />

> Seminarsuche ><br />

Seminarnummer: LZ04217<br />

Was lange währt<br />

statistik Fast die Hälfte der deutschen Beschäftigten<br />

ab 25 sind schon zehn Jahre und länger<br />

ihrem Arbeitgeber treu. 45 Prozent setzen auf<br />

diese Kontinuität. Wie das Statistische Bundesamt<br />

(Destatis) zeigt, sind Männer mit 47 Prozent<br />

stärkere Job-Dauerläufer als Frauen mit 43 Prozent.<br />

18 Prozent der Beschäftigten arbeiten seit<br />

fünf bis zehn Jahren beim selben Unternehmen<br />

und rund ein Drittel blickt auf eine Beschäftigungsdauer<br />

von weniger als fünf Jahren zurück.<br />

Führungskräfte sind mit 53 Prozent am häufigsten<br />

zehn Jahre oder länger bei ihrem aktuellen<br />

Arbeitgeber beschäftigt. Dagegen hat nur knapp<br />

ein Drittel der Hilfsarbeitskräfte eine Betriebsbindung<br />

von dieser Dauer. Auch bei Dienstleistungsberufen<br />

ist die Dauer der Beschäftigung<br />

bei einem Arbeitgeber kürzer als zehn Jahre.<br />

Deutschland liegt mit der Quote nahe am<br />

EU-Durchschnitt. Italien (52 %), Portugal (51 %)<br />

und Frankreich (50 %) haben EU-weit den höchsten<br />

Anteil einer längeren Beschäftigungsdauer<br />

beim selben Arbeitgeber.<br />

Männer bleiben im Job unter sich<br />

studie Bei der Ausbildungsplatzsuche werden<br />

Frauen benachteiligt. Ihre Bewerbungen werden<br />

schlechter als die männlicher Bewerber<br />

eingestuft, auch wenn sie die gleichen Voraussetzungen<br />

mitbringen, wie zum Beispiel Notendurchschnitt<br />

und praktische Erfahrungen. Das<br />

zeigt eine Befragung von rund 650 Personalverantwortlichen<br />

durch das Wissenschaftszentrum<br />

Berlin für Sozialforschung (WZB). Das Ausmaß<br />

der Diskriminierung variiert zwischen Unternehmen,<br />

Branchen und Berufen. Entscheidend für die<br />

Benachteiligung von Bewerberinnen ist, wie stark<br />

statistik<br />

Dauer der Beschäftigung beim aktuellen<br />

Arbeitgeber – Auszug aus der Arbeitskräfteerhebung<br />

2015<br />

Insgesamt 52,9 45,0<br />

Männer 51,5 46,5<br />

Frauen 54,2 43,4<br />

Führungskräfte 45,1 53,4<br />

Techniker und gleichrangige<br />

nichttechnische Berufe<br />

46,5 51,7<br />

Bürokräfte & verwandte Berufe 47,7 50,3<br />

Handwerks- & verwandte Berufe 48,7 49,0<br />

Fachkräfte in der Landwirtschaft<br />

und Fischerei<br />

unter<br />

10 Jahre<br />

51,4 46,0<br />

Hilfsarbeitskräfte 64,2 32,0<br />

Angaben in % der Beschäftigten ab 25 Jahren.<br />

Quelle: Destatis/Eurostat<br />

10 Jahre<br />

und<br />

länger<br />

der Frauen-/Männer anteil in den Berufen ist. Besonders<br />

stark benachteiligt werden Frauen, wenn<br />

sie sich für Ausbildungen in männerdominierten<br />

Branchen bewerben, etwa für technische Berufe<br />

wie Mechatroniker. Männer, die sich für Ausbildungsberufe<br />

mit hohem Frauenanteil bewerben,<br />

haben dagegen keine Nachteile. Aber: »In technischen<br />

und überraschenderweise auch in erzieherischen<br />

und pflegerischen Ausbildungsberufen<br />

haben Frauen schlechtere Chancen. Das ist in<br />

Zeiten des Fachkräftemangels ein fatales Signal«,<br />

sagt Dorothea Kübler, Direktorin bei der WZB.<br />

6<br />

In von Männern dominierten Berufen haben es Frauen schwer, Fuß zu fassen.


AiB 7-8 | 2017<br />

magazin<br />

Freunde müsst<br />

ihr sein<br />

umfrage Deutsche Arbeitnehmer fühlen sich in<br />

ihrem Job besonders sicher, wenn sie ein gutes<br />

Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten haben. Das hat<br />

eine Umfrage des Job-Portals Monster ergeben.<br />

Bei einem Drittel sorgt das für ein gutes Gefühl.<br />

Amerikaner dagegen fühlen sich sicher im Job,<br />

wenn sie kontinuierliche Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

erhalten. Regelmäßige Gehaltserhöhungen<br />

sind für 28 Prozent der deutschen Arbeitnehmer<br />

wichtig, um sich sicher zu fühlen. Bei einem globalen<br />

Durchschnittswert von 18 Ländern liegen die<br />

Beförderungen und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

in Deutschland mit 34 Prozent auf Rang 1. Vorgesetzte<br />

und Mitarbeiter sollten sich um ein vertrauensvolles<br />

Klima und wertschätzende Kommunikation<br />

im Arbeits alltag bemühen, heißt es in der<br />

Auswertung von Monster. Denn »good vibes«, also<br />

gute Stimmung zwischen Boss und Team sorgen<br />

nicht nur für ein Gefühl der Jobsicherheit, sondern<br />

steigern auch die Motivation und Produktivität.<br />

Unsere polnischen<br />

Nachbarn im Blick<br />

seminar Wie sind Gewerkschaften in Polen aufgestellt<br />

und welche Rechte haben Betriebsräte im<br />

Nachbarland? Das sind nur zwei der vielen Fragen<br />

und Schwerpunkte, die ein Seminar der EWC<br />

Academy vom 18. bis 20. Oktober in der Hansestadt<br />

Danzig behandelt. Auch die Verlagerung von<br />

sogenannten Shared Service Centern nach Mittelund<br />

Osteuropa wird Thema der Fortbildung sein.<br />

Ergebnisse eines gewerkschaftlichen Forschungsprojektes<br />

aus dem Jahr 2016 zeigen, wie sich seit<br />

den 2000er Jahren die Entwicklung einordnen<br />

lässt. Anmeldung:<br />

}}<br />

www.euro-betriebsrat.de/pdf/polen2017.pdf<br />

termine<br />

}}<br />

Arbeitsschutz<br />

gestalten<br />

16. – 20.10., Wuppertal.<br />

Die A+A ist die weltweit<br />

wichtigste Messe mit<br />

Kongress für Arbeitsschutz,<br />

Arbeitsmedizin<br />

und Arbeitsgestaltung.<br />

Im Mittelpunkt stehen<br />

aktuelle Entwicklungen<br />

in den Bereichen Arbeitsund<br />

Gesundheitsschutz.<br />

Interessenvertretungen<br />

haben mit dem Besuch<br />

des Begleitseminars zusätzlich<br />

die Möglichkeit,<br />

sich auf den neuesten<br />

Stand zu bringen und<br />

für aktuelle betriebliche<br />

Problemstellungen nach<br />

Lösungen zu suchen.<br />

www.verdi-bub.de/<br />

1600-1710164<br />

Frauen sind die<br />

besseren Chefs<br />

studie Frauen schneiden in vier von fünf Kategorien,<br />

die Wissenschaftler der Norwegian<br />

Business School in Oslo für Führungskräfte<br />

entwickelt haben, besser ab als ihre männlichen<br />

Kollegen. Frauen können nach dieser Studie<br />

besser kommunizieren, sind offener für Innovationen,<br />

unterstützen Mitarbeiter besser und sind<br />

gewissenhafter. Nur bei der Stressbewältigung<br />

sind Männer besser.<br />

Gel-Auflage gegen Schmerzen<br />

Wie ticken Gewerkschaften in Polen und<br />

was dürfen Betriebsräte?<br />

untersuchung Eine vom Betriebsärztlichen<br />

Dienst des TÜV Rheinland durchgeführte Studie<br />

in Kunden-Service-Centern der Kreissparkasse<br />

Köln ergab, dass Gel-Mauspads zur Linderung<br />

von Schulter-, Nacken- und Armbeschwerden<br />

beitragen können. Allerdings profitierten nur Beschäftigte<br />

mit starken und häufigen Schmerzen<br />

von der dreimonatigen Nutzung der Hilfsmittel:<br />

Sie konnten ihre Beschwerden auf ein mittleres<br />

Maß verringern. Wurden die Gel­ Mauspads<br />

nach der dreimonatigen Testphase nicht weiter<br />

genutzt, stiegen die Beschwerden wieder leicht<br />

an, erreichten aber nicht die ursprüngliche Stärke.<br />

Mitarbeiter mit leichten Schmerzen konnten<br />

keine deutlichen Verbesserungen spüren.<br />

Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich, in<br />

den Unterarmen und den Handgelenken sowie<br />

Rücken schmerzen sind typische Beschwerden<br />

an Bildschirm arbeits plätzen. Nach Angaben der<br />

Bundes anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />

(BAuA) sind etwa 80 Prozent der<br />

Beschäftigten von diesen körperlichen Beschwerden<br />

betroffen. Einen umfangreichen Überblick<br />

über die falsche Körperhaltung beim Arbeiten<br />

und den Folgen finden Sie hier:<br />

}}<br />

www.baua.de > Suche: Zwangshaltung<br />

}}<br />

Neues aus dem<br />

Arbeitsrecht<br />

17.10., Steinbach.<br />

Wer als Betriebsrat<br />

ordentliche Arbeit liefern<br />

möchte, muss fit sein im<br />

Arbeitsrecht und in der<br />

Betriebsverfassung.<br />

Gesetze ändern sich<br />

oder werden durch Gerichte<br />

neu interpretiert.<br />

Das Seminar »Neues<br />

aus dem Arbeitsrecht«<br />

ermöglicht zudem einen<br />

Austausch mit anderen<br />

Betriebsräten und zeigt<br />

neue Lösungswege.<br />

www.bildungswerksteinbach.de<br />

> Seminarkalender:<br />

Entwicklung<br />

der Mitbestimmung und<br />

der Rechtsprechung<br />

7


magazin<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

surftipps<br />

+ +++ Demografie<br />

verstehen<br />

Deutschland – ein Omaund<br />

Opa-Land? Jedenfalls<br />

sorgt der demografische<br />

Wandel dafür, dass die<br />

Zahl der Arbeitskräfte<br />

kleiner wird. Welche<br />

demografischen und<br />

gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen die<br />

Arbeitswelt von morgen<br />

beeinflussen, zeigt das<br />

gemeinsame Internetportal<br />

demowanda.de<br />

von der Bundesanstalt<br />

für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin (BAuA)<br />

und anderen Forschungseinrichtungen.<br />

Das<br />

Portal bietet einen<br />

aussage kräftigen Blick<br />

auf Entwicklungen in<br />

Deutschland, die für eine<br />

alters- und alternsgerechte<br />

Gestaltung der<br />

Arbeitswelt relevant sind.<br />

www.demowanda.de<br />

Wie lässt sich die Entwicklung im Bereich<br />

Arbeit 4.0 und Industrie 4.0 einschätzen?<br />

Es lassen sich momentan keine eindeutigen<br />

validen Prognosen formulieren. Es sind<br />

unterschiedliche Entwicklungsszenarien<br />

denkbar. Sieht man den Einsatz digitaler<br />

Technologien in der Arbeitswelt als Chance,<br />

lässt sich grundsätzlich von einer Aufwertung<br />

der Arbeitsprozesse ausgehen. Beispielsweise<br />

für bessere Arbeitsbedingungen – das wäre<br />

ein humaner Ansatz, der auf die Beschäftigten<br />

zugeschnitten ist. Bei diesem Ansatz können<br />

Robotersysteme ergonomisch problematische<br />

Arbeitsplätze ersetzen, ohne dass es zu signifikanten<br />

Arbeitsplatzverlusten kommt.<br />

Was wäre die andere Blickrichtung? Die pessimistische<br />

Betrachtungsweise geht von weitreichenden<br />

Arbeitsplatzverlusten aus. Eine<br />

Dequalifizierung und der Verlust von erworbenen<br />

Kompetenzen wären das Ergebnis von<br />

Digitalisierungsprozessen. Dazu kommt eine<br />

umfangreiche Kontrollmöglichkeit seitens des<br />

Arbeitgebers und – heute schon teilweise problematisch<br />

– die ständige Kontrollierbarkeit<br />

und Erreichbarkeit der Beschäftigten. Wichtig<br />

ist, dass Digitalisierung kein Selbstläufer ist.<br />

Es muss Einfluss auf den Einführungsprozess<br />

genommen werden – etwa seitens der<br />

Betriebsräte. Der technische Fortschritt darf<br />

nicht das alleinige Ziel sein.<br />

Und was bedeutet das für die Politik? Arbeit<br />

4.0 ist ein Gestaltungsprojekt. Politik muss<br />

die Spielräume festlegen, innerhalb deren<br />

Grenzen sich Digitalisierung abspielt. Wichtig<br />

interview<br />

Digitalisierung als Chance nutzen<br />

steinbacher forum Der Industriesoziologe<br />

Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen erforscht Digitalisierung<br />

von Arbeit und untersucht, wie sich Arbeit<br />

im digitalen Wandel entwickelt. Wo liegen die Chancen,<br />

was sind die Risiken?<br />

ist eine ganzheitliche Betrachtung. Wir reden<br />

hier von soziotechnischen Systemen, also vom<br />

Zusammenspiel von Mensch und Technik. In<br />

diesem System ist Partizipation unverzichtbar.<br />

Betriebsräte müssen sich zunächst mit den<br />

Entwicklungen auskennen, sich also entsprechend<br />

fortbilden. Sie müssen kompetent<br />

sein, um Einfluss nehmen zu können. Und sie<br />

müssen Einfluss nehmen wollen! Aber auch<br />

der Führungsstil von Vorgesetzten muss sich<br />

innerhalb dieses Entwicklungsprozesses verändern.<br />

Weg von Kontrolle, hin zu Motivation.<br />

Welche Herausforderungen sind noch zu<br />

erwarten? Es gibt viele neue Herausforderungen,<br />

denn es geht beim Thema Arbeit 4.0 um<br />

die sogenannte Mensch-Maschine-Interaktion.<br />

Hier müssen neue Gestaltungsprinzipien her,<br />

die Diskussion ist in vollem Gange. In diesem<br />

Diskurs sind die Gewerkschaften engagiert<br />

und einflussreich. Sie müssen auf politischgesellschaftlicher<br />

Ebene dafür sorgen, dass<br />

Digitali sierung kein Automatismus ist, sondern<br />

gestaltet wird und gestaltbar bleibt.<br />

Müssen dann auch neue gesetzliche Regelungen<br />

her, um die Gestaltungsmöglichkeiten<br />

zu sichern? Das lässt sich derzeit schwer<br />

einschätzen. Möglicherweise reichen die<br />

vorhandenen Regelungen aus, zum Beispiel<br />

die Beteiligungsrechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz.<br />

Denkbar sind neue Regelungstatbestände,<br />

sofern § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz<br />

nicht ausreicht, wo es ja<br />

explizit um die Einführung und Anwendung<br />

von technischen Einrichtungen geht.<br />

Keine Flaute für Wirtschaft in Sicht<br />

8<br />

konjunktur Die Aussichten für die deutsche<br />

Wirtschaft sind weiterhin günstig. Das Risiko,<br />

dass sie in nächster Zeit in Rezession gerät, ist<br />

trotz eines leichten Anstiegs gegenüber der<br />

April-Auswertung gering. Das zeigt der Konjunkturindikator<br />

des Instituts für Makroökonomie und<br />

Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler­<br />

Stiftung. Die Rezessionswahrscheinlichkeit liegt<br />

derzeit bei 10,8 Prozent. Kein Grund zur Sorge,<br />

heißt es vonseiten der Experten.


Ganz nah dran.<br />

Bund-Verlag<br />

Sicherheit geht vor<br />

Neuauflage!<br />

Ralf Pieper<br />

ArbSchR – Arbeitsschutzrecht<br />

Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz und<br />

andere Arbeitsschutzvorschriften<br />

Kommentar für die Praxis<br />

6., vollständig überarbeitete Auflage<br />

2017. 1.254 Seiten, gebunden<br />

Subskriptionspreis bis 31. Juli 2017: € 98,–<br />

Danach: € 119,–<br />

ISBN 978-3-7663-6351-0<br />

Die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen<br />

sowie Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />

der Beschäftigten sind wichtige Handlungsfelder für<br />

die betriebliche Mitbestimmung. Zur Unterstützung der<br />

Akteure und Verantwortlichen erläutert der vollständig<br />

überarbeitete Kommentar umfassend, prägnant und<br />

verständlich das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitssicherheitsgesetz<br />

und die Arbeitsschutzverordnungen.<br />

Die Kommentierungen sind juristisch fundiert,<br />

zielen auf die betriebliche Umsetzung ab und beziehen<br />

die aktuelle Rechtsprechung ein.<br />

Schwerpunkte der Neuauflage:<br />

• Novellierung der Arbeitsstättenverordnung 2016<br />

unter Einbeziehung der bisherigen Bildschirmarbeitsverordnung<br />

• Änderungen insbesondere der Gefahrstoff verordnung,<br />

der Verordnung zur arbeits medizinischen Vorsorge<br />

und der Biostoffverordnung<br />

• Betriebssicherheitsverordnung 2015<br />

• Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie<br />

und nationale Präventionsstrategie<br />

• Erweiterte Rechte und Anforderungen an den<br />

Betriebs- und Personalrat<br />

• Ausbau des technischen Regelwerks zur<br />

Konkretisierung der Arbeitsschutzverordnungen für<br />

die betrieblichen Akteure<br />

• Physische und psychische Gesundheit als Herausforderung<br />

der betrieblichen Prävention<br />

Beachten Sie auch:<br />

Ralf Pieper<br />

Betriebssicherheitsverordnung<br />

Basiskommentar zu Sicherheit<br />

und Gesundheitsschutz bei der<br />

Verwendung von Arbeitsmitteln<br />

2015. 234 Seiten, kartoniert<br />

€ 24,90<br />

ISBN 978-3-7663-6342-8<br />

EINFACH ONLINE BESTELLEN ODER COUPON AUSFÜLLEN UND ABSCHICKEN:<br />

1. Einsteigen auf www.bund-verlag.de/6351 2. Daten eingeben 3. Absenden<br />

Expl.<br />

Best.-Nr.<br />

Autor / Kurztitel<br />

978-3-7663-<br />

Preis / €<br />

6351-0<br />

Ralf Pieper<br />

ArbSchR – Arbeitsschutzrecht<br />

98,–<br />

(Subskriptionspreis bis 31. Juli 2017,<br />

danach: € 119,–)<br />

6342-8<br />

Ralf Pieper<br />

Betriebssicherheitsverordnung 24,90<br />

Immer topaktuell informiert sein<br />

Ja, ich möchte den kostenlosen Newsletter für Betriebsräte nutzen.<br />

Den Newsletter kann ich jederzeit wieder abbestellen.<br />

SERVICE-FAX: 069 / 79 50 10-11<br />

Absender: Frau Herr<br />

Name / Vorname:<br />

Firma / Funktion:<br />

Straße / Nr.:<br />

PLZ / Ort:<br />

Telefon:<br />

E-Mail:<br />

Datum / Unterschrift:<br />

Postfach<br />

60424 Frankfurt am Main<br />

Infotelefon:<br />

069 / 79 50 10-20<br />

Fax:<br />

069 / 79 50 10-11<br />

E-Mail:<br />

kontakt@bund-verlag.de<br />

www.bund-verlag.de/6351


titelthema<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Mehr Licht und Luft<br />

arbeitsplatzgestaltung Schon die Preußen hatten Regeln dafür,<br />

wie Arbeitsplätze auszusehen haben. Seitdem hat sich viel verändert.<br />

Lesen Sie, was die Arbeitsstätten verordnung und andere Vorschriften<br />

für gute Arbeitsplätze fordern.<br />

VON MANUEL KIPER<br />

10


AiB 7-8 | 2017<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

titelthema<br />

Die gesunde Gestaltung von Arbeitsplätzen<br />

ist eigentlich nichts<br />

Neues: Arbeitsplätze in Arbeitsstätten<br />

wurden bereits in der<br />

Preußischen Gewerbeordnung gesetzlich reguliert<br />

und später in Länderbestimmungen<br />

konkretisiert. Seit 1976 galten die gesetzlichen<br />

Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung,<br />

die 1975 auf Druck der Arbeitgeberverbände<br />

bundeseinheitlich erlassen (ArbStättV1975)<br />

und mit den Arbeitsstättenrichtlinien (ASR)<br />

nach Stand der Technik konkretisiert wurden.<br />

Seit 1996 wurden zusätzlich einzelne Tätigkeiten<br />

(wie Lastenhandhabung, Umgang mit Biostoffen<br />

und Gefahrstoffen, Bildschirmarbeit,<br />

Arbeit auf Baustellen) sowie einzelne Arbeitsplätze<br />

(insbesondere Bildschirmarbeitsplätze,<br />

Baustellen, Chemie- und Gentechnikbereiche)<br />

zusätzlichen gesetzlichen Bestimmungen<br />

unterworfen. Die im Arbeitsschutzgesetz<br />

(ArbSchG) verankerten Arbeitgeberpflichten<br />

(vorausschauende Gefährdungsbeurteilung,<br />

Unterweisung, Ergreifen der nötigen vorsorgenden<br />

Schutzmaßnahmen und arbeitsmedizinische<br />

Vorsorge) gelten grundlegend bei allen<br />

Tätigkeiten und an allen Arbeitsplätzen.<br />

darum geht es<br />

1. Zentrale Vorschrift ist<br />

die Arbeitsstättenverordnung<br />

aus 2016, ergänzt<br />

durch Regeln der Berufsgenossenschaften<br />

zum<br />

Stand der Technik.<br />

2. Betriebsräte haben<br />

viele Möglichkeiten, die<br />

Initiative zu ergreifen.<br />

Ihr Mitbestimmungsrecht<br />

ergibt sich aus § 87 Abs. 1<br />

Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz.<br />

3. In Betriebsvereinbarungen<br />

können<br />

Gremien Grundsätze der<br />

Gefährdungs beurteilung,<br />

Unterweisung, Arbeitsplatzgestaltung<br />

und<br />

von Schutzmaßnahmen<br />

mitbestimmen.<br />

Weniger Bürokratie<br />

Die für Arbeitsstätten und betriebliche Arbeitsplätze<br />

geltenden Bestimmungen der<br />

ArbStättV1975 wurden 2004 mit breiter politischer<br />

Mehrheit entbürokratisiert. Konkrete<br />

Vorgaben wurden durch sogenannte unbestimmte<br />

Rechtsbegriffe ersetzt. Unbestimmte<br />

Rechtsbegriffe sind juristische Begriffe, die nur<br />

einen vagen Inhalt haben und die ausgelegt<br />

werden müssen (ausreichend Tageslicht, ausreichend<br />

Luft, ausreichend Platz). Die seitdem<br />

erlassenen untergesetzlichen, also von den<br />

Verwaltungen erlassenen Bestimmungen der<br />

Regeln für Arbeitsstätten (ASR-A), sind allerdings<br />

eher noch detaillierter ausgefallen als die<br />

früheren ASR. Sie müssen als Stand der Technik<br />

grundsätzlich eingehalten werden. 1<br />

Am 3.12.2016 trat eine erneute Novelle der<br />

Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV2016) mit<br />

breitem politischem Konsens in Kraft. Gleichzeitig<br />

wurde die Bildschirmarbeitsverordnung<br />

aufgehoben. 2 Bildschirmarbeit im Betrieb und<br />

erstmalig überhaupt auch vom Arbeitgeber<br />

verlangte Telearbeit sind nunmehr in Anhang<br />

6 der ArbStättV2016 gesetzlich geregelt. In der<br />

modernisierten ArbStättV wurden auch die<br />

1 §§ 3 und 3a der ArbStättV2004/2016.<br />

2 Bundesgesetzblatt, Nr. 56 vom 2.12.2016 S. 2681 – 2690.<br />

11


titelthema<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Bildschirmarbeit und<br />

Tele arbeit sind seit letztem<br />

Jahr in der Arbeitsstättenverordnung<br />

geregelt.<br />

Neuauflage!<br />

Sicher und gesund<br />

am Arbeitsplatz<br />

Ralf Pieper<br />

Arbeitsstättenverordnung<br />

Basiskommentar zur ArbStättV<br />

3., überarbeitete Auflage<br />

2017. 182 Seiten, kartoniert<br />

€ 24,90<br />

ISBN: 978-3-7663-6238-4<br />

www.bund-verlag.de/6238<br />

Sichtverbindung vom Arbeitsplatz nach außen,<br />

Beurteilung der physischen und psychischen<br />

Gefährdungen in der Arbeitsstätte, Pflicht des<br />

Arbeitgebers zur persönlichen Unterweisung<br />

der Beschäftigten hinsichtlich möglicher Gefährdungen<br />

bei allen Tätigkeiten sowie in Änderungen<br />

in der Arbeitsstätte, die Einhaltung<br />

von (bezahlten) Erholungspausen bei reiner<br />

Bildschirmarbeit und vieles mehr verankert.<br />

Für Interessenvertretungen ist die neue<br />

ArbStättV eine hilfreiche gesetzliche Vorgabe.<br />

Sie ist der Maßstab und der Rahmen, um menschengerechte<br />

Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe<br />

im Büro wie auch an anderen Arbeitsplätzen<br />

durchzusetzen. Interessenvertreter können<br />

sich bei allen Planungen zu Bildschirmarbeit<br />

im Betrieb oder Teleheimarbeit sowie auch<br />

bei der Gestaltung, bei Umbauten, Neubauten<br />

oder Umorganisationen an allen übrigen<br />

Arbeitsplätzen auf das Mitbestimmungsrecht<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG berufen und<br />

darüber eingreifen.<br />

Vorschriften der Berufsgenossenschaften<br />

Seit Verabschiedung des Arbeitsschutzgesetzes<br />

1996 wurde die seit 1885 praktizierte autonome<br />

Setzung von Unfallverhütungsschriften<br />

(UVV) der Unfallversicherer weitestgehend<br />

durch gesetzliche Bestimmungen abgelöst.<br />

Die heutzutage vom Bundesarbeitsministerium<br />

zu genehmigenden UVV spielen nur noch<br />

eine ergänzende Rolle. Die wenigen verbliebenen<br />

Vorschriften wurden als Vorschriften<br />

der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung<br />

(DGUV) vereinheitlicht. Viele UVV für<br />

einzelne Branchen und Arbeitsplätze wurden<br />

zurückgezogen. Ihr Inhalt floss in die verschiedenen<br />

gesetzlichen Regelungen wie die<br />

Betriebssicherheits- und andere Arbeitsschutzverordnungen<br />

sowie in deren zugehörigen<br />

Technischen Regeln ein. Allerdings bieten die<br />

vielen verbliebenen und neu entwickelten Berufsgenossenschaftlichen<br />

Informationen und<br />

Regeln (BGI und BGR) zusammenfassende<br />

Überblicke über den Stand der Technik und<br />

die einzuhaltenden Bestimmungen des Arbeits-<br />

und Gesundheitsschutzes an einzelnen<br />

Arbeitsplätzen beziehungsweise bei diversen<br />

Tätigkeiten.<br />

So wurde beispielhaft die 1980 erlassene<br />

berufsgenossenschaftliche Sicherheitsregel<br />

ZH 1/618 für Bildschirmarbeitsplätze im Bürobereich<br />

und der Entwurf einer eigenen UVV<br />

Bildschirmarbeit mit Verabschiedung der Bildschirmarbeitsverordnung<br />

(BildscharbV) 1996<br />

zurückgezogen. Die Verwaltungsberufsgenossenschaft<br />

(VBG) entwickelte allerdings in Ergänzung<br />

und Konkretisierung der BildscharbV<br />

und der ArbStättV für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze<br />

einen umfassenden Leitfaden zur<br />

Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen.<br />

3 Entsprechende DGUV-Informationen<br />

– ob zum Brandschutz, zur Hitzearbeit,<br />

zum Krankenhausneubau, zu Gefährdungen<br />

im Kundenkontakt und selbst zu Bordcomputern<br />

in Fahrzeugen – sind heute im umfasssenden<br />

Portfolio der berufsgenossenschaftlichen<br />

Präventionsarbeit.<br />

Arbeitsplatzgröße als wesentlicher Faktor<br />

Die ArbStättV fordert in den Anhängen 1.2<br />

und 3.1 »ausreichende« Fläche und »notwendigen«<br />

Luftraum am Arbeitsplatz, so dass nicht<br />

nur »ungehinderte Tätigkeit« möglich ist, sondern<br />

Sicherheit, Gesundheitsschutz und sogar<br />

»Wohlbefinden« bei der Arbeit nicht beeinträchtigt<br />

sind.<br />

Die ASR-A 1.2 konkretisiert seit 2013 diese<br />

Forderungen. Hier finden sich als einzuhaltender<br />

Stand der Technik nicht nur die vorgeschriebene<br />

Mindestgröße eines Arbeitsraumes<br />

von 8 m² wieder, die 2004 im Zuge der<br />

Entbürokratisierung des Arbeitsstättenrechts<br />

gelöscht worden war. Vielmehr ist jetzt sogar<br />

ergänzend die Forderung nach 6 m² Mindestfläche<br />

für jede weitere beschäftigte Person im<br />

Raum hinzugetreten.<br />

In der ASR-A 1.2 wurden nicht nur die<br />

alten Vorgaben der ArbStättV1975 zu Raum­<br />

3 BGI 650; nunmehr DGUV-I 215 – 410.<br />

kontakt@bund-verlag.de<br />

12<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


AiB 7-8 | 2017 arbeits- und gesundheitsschutz titelthema<br />

aib-seminartipps<br />

höhen, Mindestluftraum und unverstellter Bewegungsfläche<br />

übernommen. Sie wurden auch<br />

angereichert durch viele weitere Maßzahlen<br />

zur Arbeitsplatzgröße (zusätzlicher Luftraum<br />

für Kunden am Arbeitsplatz, notwendige<br />

Verkehrs- und Stellflächen), Übernahme der<br />

Richtwerte aus der Berufsgenossenschaftlichen<br />

Information 650 (nach neuerer Systematik<br />

DGUV-I 215 – 410) für verschiedene<br />

Bürogrößen (zum Beispiel 12 – 15 m² pro Beschäftigten<br />

im Großraumbüro) sowie Vorgaben<br />

und Empfehlungen für die Anordnung von<br />

Arbeitsplätzen.<br />

Mit diesen vielschichtigen Maßzahlen und<br />

Richtwerten entsprechend dem Stand der<br />

Technik ist den Betriebsräten ein griffiges Instrument<br />

an die Hand gegeben, bei Enge am<br />

Arbeitsplatz korrigierend einzugreifen. Werden<br />

diese Maßzahlen als Stand der Technik<br />

eingehalten, gilt die sogenannte Vermutungswirkung<br />

des § 3a der ArbStättV, dass genügend<br />

für Gesundheitsschutz und Wohlbefinden seitens<br />

des Arbeitgebers getan wurde. Hält er die<br />

Richtwerte und Maßzahlen nicht ein, muss<br />

er »durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit<br />

und den gleichen Gesundheitsschutz<br />

der Beschäftigten erreichen«. Scheitern die<br />

Verhandlungen hierüber, kann der Betriebsrat<br />

eine Einigungsstelle erzwingen, die sich nur<br />

schwerlich über den Stand der Technik hinwegsetzen<br />

wird.<br />

Die ArbStättV2016 schreibt ausreichend<br />

Tageslicht und wieder die zusätzliche Sichtverbindung<br />

nach außen (2004 gestrichen) vor.<br />

Die Gefährdungsbeurteilung nach neuem<br />

Arbeitsstättenrecht und somit auch die der<br />

Bildschirmarbeit beziehen sich ausdrücklich<br />

auf das »Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätte«.<br />

Hierzu gehört definitionsgemäß<br />

auch »die Organisation und Gestaltung der<br />

Arbeit einschließlich der Arbeitsabläufe in<br />

Arbeitsstätten«. Dies bedeutet die klare Verpflichtung<br />

des Arbeitgebers, die psychischen<br />

Fehlbelastungen am (Bildschirm-)Arbeitsplatz<br />

nicht nur aufgrund räumlicher Bedingungen<br />

zum Beispiel durch Lärm, mangelnde Beleuchtung,<br />

enge Bewegungsflächen und ungünstige<br />

Gestaltung des Arbeitsraumes oder mangelnde<br />

Sichtverbindung nach außen, zu ermitteln<br />

und durch geeignete Maßnahmen abzustellen.<br />

Vielmehr müssen auch die psychischen Fehlbelastungen<br />

durch mangelhafte Organisation<br />

oder Arbeitsabläufe erfasst und korrigiert werden.<br />

Die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich<br />

physischer wie psychischer Belastungen ist<br />

nicht nur beim Betreiben, sondern auch bei<br />

baulichen Maßnahmen und Beschaffungen<br />

zu gewährleisten. Hier sollten Betriebsräte in<br />

Zukunft verstärkt ihr Mitbestimmungsrecht<br />

nutzen. Sollen zum Beispiel neue Beleuchtungsanlagen<br />

angeschafft werden, sollten die<br />

Betriebsräte ihr Mitbestimmungsrecht in der<br />

Planungsphase des Beleuchtungskonzepts<br />

(Arbeitsplatzleuchten plus Raumausleuchtung,<br />

indirekte Beleuchtung etc.), bei Auswahl<br />

und Prüfung in der Beschaffungsphase<br />

(Tageslichtqualität, altersgerechte individuelle<br />

Regelbarkeit etc.), bei Installation (Blendfreiheit,<br />

ausreichende Raumausleuchung etc.)<br />

und Wartung (regelmäßige Überprüfung der<br />

Mindestbeleuchtungsstärken, Festlegung der<br />

Wartungsintervalle etc.), wahrnehmen.<br />

Die ASR-A 3.5 Raumtemperaturen schreibt<br />

neuerdings bei hohen Sommertemperaturen<br />

gestaffelte Maßnahmen ab 26°C und ab 30°C<br />

vor, ab 35°C sind Räume für dauerhaftes Arbeiten<br />

nicht mehr geeignet beziehungsweise Maßnahmen<br />

wie bei Hitzearbeit vorgeschrieben. 4<br />

Die ASR-A 3.6 macht detaillierte Vorgaben<br />

für Frischluftzufuhr, Zugluft und hat die neue<br />

Messpflicht auf CO 2<br />

hinsichtlich Vermeidung<br />

von müder Luft, also kohlendioxidreicher Luft,<br />

eingeführt.<br />

Ausstattung – die richtigen Büromöbel<br />

Hinsichtlich der Arbeitsplatzausstattung bleibt<br />

die Arbeitsstättenverordnung Anhang 3.3 Ausstattung<br />

wortkarg. Lediglich Sitzgelegenheiten<br />

und Kleiderablagen werden gefordert. Forderungen<br />

nach einem verschließbaren Fach<br />

oder Spind wurden durch Intervention der<br />

Arbeitgeberverbände ausgebremst, obwohl ein<br />

verschließbares Fach bis 2004 ausdrücklich<br />

zur Arbeitsplatzausstattung gehörte und der<br />

Anspruch darauf durch Bundesarbeits gerichtsurteil<br />

schon von 1965 gestützt wird. 5<br />

Bei Bildschirmarbeit sind nach Anhang 6.1<br />

ArbStättV Arbeitstische und Geräte reflektionsarm<br />

zu gestalten. Die Arbeitsflächen sind<br />

entsprechend der Arbeitsaufgabe so zu bemessen,<br />

dass alle Eingabemittel auf der Arbeitsfläche<br />

variabel angeordnet werden können und<br />

eine flexible Anordnung des Bildschirms, des<br />

Schriftguts und der sonstigen Arbeitsmittel<br />

möglich ist. Die Arbeitsfläche vor der Tastatur<br />

muss ein Auflegen der Handballen ermöglichen.<br />

Nähere Angaben über Schreibtischgrö­<br />

Zum Schwerpunkt der AiB<br />

7-8/2017 empfiehlt Ihnen die<br />

AiB-Redaktion diese Seminare<br />

im Jahr 2017:<br />

ver.di b+b<br />

Gesunde Arbeit –<br />

gesunder Betrieb<br />

Grundlagen zum Arbeits- und<br />

Gesundheitsschutz für gesetzliche<br />

Interessenvertretungen<br />

28.8. – 1.9. Leipzig<br />

25.9. – 29.9. Dortmund<br />

16.10. – 20.10. Walsrode<br />

20.11. – 24.11. Brannenburg<br />

}}<br />

www.verdi-bub.de/3137<br />

IG Metall<br />

BR Kompakt – Arbeitsbedingungen<br />

gestalten<br />

8.10. – 13.10. Beverungen<br />

8.10. – 13.10. Bad Orb<br />

12.11. – 17.11. Lohr<br />

19.11. – 24.11. Sprockhövel<br />

}}<br />

www.igmetall.de/seminare<br />

DGB Bildungswerk<br />

Gesunde Büro- und<br />

Bildschirmarbeit<br />

Gestalten Sie Büro- und<br />

Bildschirmarbeit gesundheitsgerecht<br />

16.10. – 20.10. Bernau<br />

(Chiemsee)<br />

}}<br />

www.betriebsratsqualifi<br />

zierung.de/seminar/317473096<br />

IG BCE BWS GmbH<br />

Gute Arbeit durch Arbeitsund<br />

Gesundheitsschutz<br />

Grundlagenwissen für<br />

die erfolgreiche Interessenvertretung<br />

8.10. – 13.10. Haltern am See<br />

}}<br />

www.www.igbce-bws.de/<br />

seminar/gute-arbeit-durcharbeits-und-gesundheitsschutz-haltern-am-see-2/<br />

4 Abschwitzpausen etc., s. BGI 579 Hitzearbeit.<br />

5 BAG 1.7.1965 – 5 AZR 264/64.<br />

13


titelthema<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

lesetipp<br />

Mehr zum Thema lesen<br />

Sie in AiB 1/2017, S. 49,<br />

»Neue Regeln für Arbeitsstätten«<br />

von Ralf Pieper<br />

und Claudia Stiel.<br />

ßen sind der DGUV-I 215 – 410 zu entnehmen.<br />

Die richtigen Bürostühle zu beschaffen wird<br />

erleichtert durch eine Verwaltungsberufsgenossenschafts-Schrift<br />

»Die Qual der Wahl«<br />

mit Checkliste. 6 Arbeitsmedizinisch wird allerdings<br />

schon lange empfohlen, dynamisch<br />

zu sitzen, also die Sitzpositionen häufig zu<br />

wechseln und auch zwischenzeitlich im Stehen<br />

zu arbeiten. 7 Elektrisch höhenverstellbare<br />

Arbeitstische und Ergomäuse werden berufsgenossenschaftlich<br />

angeraten. Sie werden<br />

von vielen Arbeitgebern aber nicht präventiv, 8<br />

sondern erst auf ärztliches Attest hin beschafft<br />

oder sogar von den Rentenversicherern auf<br />

Antrag finanziert, wenn die körperlichen Beeinträchtigungen<br />

bereits eingetreten sind.<br />

Ergonomie von Hard- und Software<br />

Fast alle Bestimmungen des bisherigen Anhangs<br />

der BildscharbV zur Ergonomie von<br />

Bildschirmgeräten und Software finden sich<br />

nunmehr im Anhang 6 der ArbStättV2016<br />

wieder, sogar ergänzt durch Anforderungen<br />

an tragbare Bildschirmgeräte für die ortsveränderliche<br />

Verwendung (Anhang 6.4). Auch die<br />

Forderungen zur Software-Ergonomie wurden<br />

übernommen (Anhang 6.5), wenn auch die<br />

Durchsetzung der Forderungen eines einzelnen<br />

Betriebes, geschweige denn des mitbestimmenden<br />

Betriebsrats bei Einkauf von Standardsoftware<br />

praktisch nicht durchsetzbar ist.<br />

Hilfreich für Betriebsräte ist die umfassende<br />

DGUV-Information 215 – 450 »Softwareergonomie«.<br />

Diese enthält auch das Muster einer<br />

Betriebsvereinbarung.<br />

Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats<br />

Betriebsräte haben nach § 87 Abs. 1 Nr. 7<br />

BetrVG das gesetzlich verbriefte Recht, bei Regelungen<br />

über die Verhütung von Arbeitsunfällen<br />

und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz<br />

im Rahmen der gesetzlichen<br />

Vorschriften oder der UVV mitzubestimmen,<br />

sofern diese ausfüllungsbedürftig sind. Das<br />

BAG hat seit 2004 in diversen Urteilen bereits<br />

das Mitbestimmungsrecht bei Gefährdungsbeurteilungen<br />

wie Unterweisungen betont. 9<br />

Durch Umstellung des Arbeitsstättenrechts<br />

seit 2004 auf die Formulierung von<br />

Schutzzielen und Streichung konkreter Anforderungen<br />

sind das Einrichten und Betreiben<br />

von Arbeitsstätten und die Gestaltung der<br />

Arbeitsplätze in vielerlei Hinsicht mitbestimmungspflichtig<br />

geworden.<br />

Die Grenzen der Mitbestimmung in Ausfüllung<br />

der ArbstättV sind bislang nur in Ausnahmefällen<br />

ausgelotet worden. Nach Novellierung<br />

der ArbStättV2004 sind zum Beispiel<br />

zwei strittige Begehren von Betriebsräten von<br />

Hamburger Arbeitsgerichten entschieden worden.<br />

Diese hielten jeweils die Einsetzung einer<br />

Einigungsstelle für begründet. In einem Fall<br />

ging es um zusätzliche Schutzmaßnahmen für<br />

Fußgänger auf dem Werksgelände, 10 in dem<br />

anderen Verfahren um zusätzliche Schutzmaßnahmen<br />

vor Witterungsunbilden. 11<br />

Auch das Arbeitsgericht Hannover wie das<br />

Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen 12<br />

hielten eine Einigungsstelle beim Streit um die<br />

Anschaffung von Stehhilfen zum Ausgleich<br />

von Belastungen für stehende Tätigkeit in einem<br />

Bekleidungsgeschäft für geboten.<br />

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig­<br />

Holstein hat in einem Beschluss 13 dem Antrag<br />

eines Betriebsrats auf Einsetzung einer Einigungsstelle<br />

zur Beratung über Maßnahmen<br />

zur Wärmeentlastung an heißen Sommertagen<br />

im Betrieb stattgegeben.<br />

Jüngst hat das LAG Niedersachsen festgestellt,<br />

dass die Größe des Arbeitstisches und<br />

die Frage der Höhenverstellbarkeit sowie der<br />

Raum für ergonomisch günstige Arbeitshaltung<br />

ausfüllungsbedürftige Vorgaben des Arbeitsstättenrechts<br />

sind. Die Konkretisierung<br />

bei der Hannoverschen Niederlassung von<br />

IBM sei von der Einigungsstelle unter Angabe<br />

der Maße, des Spielraums und der Art und<br />

Weise der Höhenverstellbarkeit hinreichend<br />

erfolgt und nicht zu beanstanden. 14<br />

Damit wird deutlich, dass Betriebsräte in<br />

vielerlei Hinsicht initiativ werden können. In<br />

erzwingbaren Betriebsvereinbarungen können<br />

sie Grundsätze der Gefährdungsbeurteilung,<br />

Unterweisung, Arbeitsplatzgestaltung und zu<br />

ergreifender Schutzmaßnahmen mitbestimmen.<br />

Zur Behebung einzelner Probleme der<br />

Arbeitsplatzgestaltung und der Ausstattung mit<br />

Arbeitsmitteln können sie konkrete Verbesserungsmaßnahmen<br />

vorschlagen und bei Scheitern<br />

von Verhandlungen gegebenenfalls über<br />

eine Einigungsstelle erzwingen. v<br />

Dr. Manuel Kiper, Berater im<br />

Arbeitsschutz, Gesundheit &<br />

Management, Hannover.<br />

manuel.kiper@htp-tel.de<br />

14<br />

6 www.vbg.de > Suche: Die Qual der Wahl.<br />

7 https://www.vbg.de/apl/arbhilf/unterw/23_sit.htm.<br />

8 Allerdings greift hier die Mitbestimmung, s.u.<br />

9 BAG 8.6.2004 – 1 ABR 4/03.<br />

10 LAG Hamburg 17.8.2007 – 6 TaBV 9/07.<br />

11 ArbG Hamburg 28.6.2007 – 5 BV 12/07.<br />

12 Beschluss 21.1.2011 – 1 TaBV 68/10.<br />

13 LAG Schleswig-Holstein 1.10.2013 – 1 TaBV 33/13.<br />

14 LAG Niedersachsen 11.1.2017 – 13 TaBV 109/15; s.a. LAG Berlin­<br />

Brandenburg 25.3.2015 – 23 TaBV 1448/1.


AiB 7-8 | 2017<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

titelthema<br />

Inklusion statt<br />

Integration<br />

barrierefreiheit Zugang für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen<br />

– darum geht es bei der Barriere freiheit. Lesen Sie,<br />

welche wichtigen Vorschriften der Arbeitgeber dafür beachten<br />

muss und welche Verantwortung der Betriebsrat trägt.<br />

VON NILS BOLWIG<br />

Bei der Barrierefreiheit im Betrieb<br />

geht es um die generelle Nutzbarkeit<br />

der Arbeitsstätte und der Gebäude<br />

für alle Personen. Die Regelungen<br />

dafür finden sich in unterschiedlichen<br />

Gesetzen und Vorschriften. Wenn der Arbeitgeber<br />

Menschen mit Behinderungen beschäftigt,<br />

hat er die Arbeitsstätte so einzurichten<br />

und zu betreiben, dass die besonderen Belange<br />

dieser Beschäftigten im Hinblick auf die<br />

Sicherheit und den Schutz der Gesundheit<br />

berücksichtigt werden. Dabei sind bestimmte<br />

Bereiche der Betriebsstätte besonders hervorgehoben.<br />

Dies sind Arbeitsplätze, Sanitär-,<br />

Pausen- und Bereitschaftsräume, Kantinen,<br />

Erste-Hilfe-Räume und Unterkünfte sowie die<br />

zugehörigen Türen, Verkehrswege, Fluchtwege,<br />

Notausgänge, Treppen und Orientierungssysteme,<br />

die von den Beschäftigten mit Behinderungen<br />

benutzt werden.<br />

Spezielle Gefahren berücksichtigen<br />

Unabhängig vom Grad der Behinderung gibt<br />

es die allgemeinen Anforderungen aus dem<br />

Arbeitsschutzgesetz für Arbeitgeber, dass bei<br />

Maßnahmen des Arbeitsschutzes auch die<br />

speziellen Gefahren für besonders schutzbedürftige<br />

Beschäftigtengruppen besonders zu<br />

berücksichtigen sind. 1 Diese Regelung ist von<br />

der Bundesregierung in der Arbeitsstättenverordnung<br />

(ArbStättV) in § 3a Abs. 2 konkretisiert<br />

worden. Bereits bei der Planung und<br />

Gestaltung der Arbeitsstätten oder bei Umund<br />

Neubau muss eine weitgehende Barrierefreiheit<br />

berücksichtigt werden. Für Menschen<br />

mit Beeinträchtigungen werden durch eine<br />

konsequente Umsetzung dieser Ziele Sonderwelten<br />

überwiegend vermieden. Inklusion –<br />

statt Integration oder gar Selektion – ist eines<br />

der Leitziele, das durch barrierefreies Bauen<br />

verwirklicht werden kann.<br />

Rechtliche Grundlagen<br />

Die wichtigsten Rechtsquellen zu den Benachteiligungsverboten<br />

und der barrierefreien Arbeitsplatzgestaltung<br />

sind:<br />

··<br />

§ 81 SGB (Sozialgesetzbuch) IX (neu ab<br />

1.1.2018: § 164 SGB IX), Pflichten des<br />

Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter<br />

Menschen<br />

··<br />

Angemessene Vorkehrungen gemäß § 7 Allgemeines<br />

Gleichbehandlungsgesetz (AGG)<br />

··<br />

§ 3a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung<br />

(ArbStättV), Einrichten und Betreiben von<br />

Arbeitsstätten<br />

··<br />

Technische Regel für Arbeitsstätten (ASR),<br />

insbesondere die ASR V3a.2. 2<br />

Gestaltungsbeispiele aus der ASR V3a.2:<br />

··<br />

Die Erkennbarkeit von Türen für Beschäftigte<br />

mit einer Sehbehinderung wird durch eine<br />

visuell kontrastierende Gestaltung möglich.<br />

Hierbei ist insbesondere auf den Kontrast<br />

zwischen Wand und Tür sowie zwischen Bedienelement<br />

und Türflügel zu achten.<br />

··<br />

Führen Fluchtwege durch Schrankenanlagen<br />

mit Drehkreuz, muss für Personen mit<br />

darum geht es<br />

1. Arbeitgeber müssen<br />

die Arbeitsstätte so einrichten,<br />

dass Sicherheit<br />

und Gesundheitsschutz<br />

bei Menschen mit<br />

Behinderung berücksichtigt<br />

werden.<br />

2. Die Vorschriften<br />

dafür sind über verschiedene<br />

Gesetze verteilt.<br />

Sie stehen unter anderem<br />

im Sozialgesetzbuch<br />

und der Arbeits stättenverordnung.<br />

3. Der Arbeitgeber muss<br />

nach § 90 BetrVG den<br />

Betriebs rat rechtzeitig<br />

über die Planungen informieren.<br />

Der Betriebsrat<br />

hat ein Beratungsrecht.<br />

1 § 4 Nr. 6 ArbSchG. 2 https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und­<br />

Technische-Regeln/Regelwerk/ASR/ASR-V3a-2.html.<br />

15


titelthema<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

gesetzestext<br />

§ 90 BetrVG<br />

Der Arbeitgeber hat den<br />

Betriebsrat über die Planung<br />

von Neu-, Um- und<br />

Erweiterungsbauten von<br />

Fabrikations-, Verwaltungs-<br />

und sonstigen<br />

betrieblichen Räumen,<br />

von technischen Anlagen,<br />

von Arbeitsverfahren und<br />

Arbeitsabläufen oder der<br />

Arbeitsplätze rechtzeitig<br />

unter Vorlage der<br />

erforderlichen Unterlagen<br />

zu unterrichten. Der<br />

Arbeitgeber hat mit dem<br />

Betriebsrat die vorgesehenen<br />

Maßnahmen<br />

und ihre Auswirkungen<br />

auf die Arbeitnehmer,<br />

insbesondere auf die Art<br />

ihrer Arbeit sowie die<br />

sich daraus ergebenden<br />

Anforderungen an die<br />

Arbeitnehmer so rechtzeitig<br />

zu beraten, dass<br />

Vorschläge und Bedenken<br />

des Betriebsrats bei der<br />

Planung berücksichtigt<br />

werden können. Arbeitgeber<br />

und Betriebsrat sollen<br />

dabei auch die gesicherten<br />

arbeitswissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse über<br />

die menschengerechte<br />

Gestaltung der Arbeit<br />

berücksichtigen.<br />

Behinderung, die eine Gehhilfe oder einen<br />

Rollstuhl benutzen, ein alternativer Fluchtweg<br />

vorhanden sein.<br />

··<br />

Die Alarmierung von Beschäftigten mit Sehoder<br />

Hörbehinderungen, die gefangene Räume<br />

(Durchgangsräume) nutzen, erfordert die<br />

Berücksichtigung des Zwei-Sinne-Prinzips<br />

(mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen<br />

und Tasten müssen angesprochen werden).<br />

Rolle des Betriebsrats<br />

Grundsätzlich ist der jeweilige Arbeitgeber<br />

verpflichtet, die Bestimmungen der ArbStättV<br />

und der technischen Regeln und Richtlinien<br />

einzuhalten. Dem Betriebs- oder Personalrat<br />

wird aber gerade in der Überwachung dieser<br />

Schutzziele eine besondere Verantwortung<br />

übertragen. Der Arbeitgeber hat die Interessenvertretung<br />

zunächst rechtzeitig über die<br />

Planungen und Analyseergebnisse zu informieren<br />

(siehe auch Randspalte).<br />

Durch das Beratungsrecht hat die Interessenvertretung<br />

die Möglichkeit, dem Arbeitgeber<br />

wichtige Aspekte für die weitere Planung<br />

zu übermitteln. Der Arbeitgeber ist allerdings<br />

nicht verpflichtet, seine Planung zu verändern.<br />

Allerdings hat die Interessenvertretung<br />

eine starke Kontrollfunktion, ob die Schutzziele<br />

im Betrieb eingehalten werden. Wichtige<br />

Informationen kann hier die betriebliche<br />

ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung liefern.<br />

Bestehen Zweifel daran, dass die Schutzziele<br />

im angemessenen Maße umgesetzt worden<br />

sind, kann die Interessenvertretung den Arbeitgeber<br />

durch Fristsetzungen, einstweilige<br />

arbeitsrechtliche Verfügungen, durch das Anrufen<br />

der betrieblichen Einigungsstelle oder<br />

durch die Einschaltung der Gewerbeaufsicht<br />

oder der jeweiligen Arbeitsschutzämter sowie<br />

der Unfallversicherungsträger auf deren Einhaltung<br />

hinwirken.<br />

In Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten<br />

hat der Arbeitgeber einen Arbeitsschutzausschuss<br />

(§ 11 Arbeitssicherheitsgesetz, ASiG)<br />

zu bilden, an dem zwei Betriebsratsmitglieder<br />

ständig teilnehmen.<br />

Technik als Barriere<br />

Eine kritische Auseinandersetzung mit den<br />

neuen Techniken ist ebenso angebracht. Viele<br />

Unternehmen haben zum Beispiel ihr herkömmliches<br />

Bewerbungsverfahren auf ein reines<br />

Online-Bewerbungsverfahren umgestellt.<br />

Die vermeintliche Erleichterung des Bewerbungsprozesses<br />

kann aber für einige Anwender-<br />

und Nutzergruppen zu einer erheblichen<br />

Benachteiligung führen. Wenn die Internetseite<br />

für das Bewerbungsverfahren nicht den<br />

Grundanforderungen der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung<br />

(BITV 2.0) entspricht,<br />

haben Sehbehinderte oder Menschen<br />

mit einer Lese-Schwäche oftmals gar keine<br />

Chance auf ein persönliches Vorstellungsgespräch.<br />

Hier wird die angestrebte Erleichterung<br />

durch die Technik dann zur Barriere.<br />

Kosten und Nutzen von Barrierefreiheit<br />

Eine barrierefreie Arbeitsumgebung ist nicht<br />

zwingend mit zusätzlichen Kosten verbunden.<br />

Wer bereits vor der nächsten Renovierung,<br />

beim hausinternen Umzug, beim<br />

Relaunch der Website, bei der Anschaffung<br />

neuer Software oder in der Planungsphase<br />

neuer Arbeitsplätze die Barrierefreiheit mit<br />

berücksichtigt, wird schätzungsweise nur circa<br />

ein Prozent der Gesamtkosten mehr dafür<br />

aufbringen müssen.<br />

Der Nutzen ist nicht nur für Menschen mit<br />

Behinderungen deutlich spürbar, sondern oftmals<br />

werden es alle Beschäftigten durch den<br />

Wegfall von Barrieren leichter im Unternehmen<br />

und am Arbeitsplatz haben.<br />

Da die konkreten Regelungen ausdrücklich<br />

nur gelten, wenn Menschen mit Behinderungen<br />

beschäftigt werden, stellt es jedoch<br />

einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot<br />

des AGG dar, wenn eine Bewerberin oder<br />

ein Bewerber mit Behinderung mit Verweis<br />

auf mangelnde Barrierefreiheit zurückgewiesen<br />

wird. Der Arbeitgeber ist dann nach § 15<br />

AGG verpflichtet, einen durch Verstoß gegen<br />

das Benachteiligungsverbot entstanden Schaden<br />

zu ersetzen. Hierzu gibt es immer wieder<br />

Rechtsfälle, in denen Bewerber einen Schadensersatz<br />

geltend machen konnten, weil sie<br />

im Bewerbungsprozess aufgrund einer bei ihnen<br />

vorliegenden Behinderung benachteiligt<br />

worden sind oder der Arbeitgeber seinen Präventionspflichten<br />

gemäß § 81 SGB IX nicht<br />

nachgekommen ist. 3 v<br />

Nils Bolwig,<br />

Gewerkschaftssekretär<br />

IG Metall Vorstand, Frankfurt.<br />

3 Vgl. z. B. BAG 22.5.2014 – 8 AZR 662/13.<br />

16


AiB 7-8 | 2017<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

titelthema<br />

Gefahren lauern<br />

auch im Büro<br />

gefährdungsbeurteilung Auch bei der Arbeit am Bildschirm kann<br />

die Gesundheit von Beschäftigten strapaziert werden.<br />

Hier das Wichtigste zur Gefährdungsbeurteilung bei Büroarbeitsplätzen.<br />

VON MANFRED WULFF<br />

Die Arbeitgeber sind nach dem Arbeitsschutzgesetz<br />

(ArbSchG) seit<br />

1996 verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen<br />

durchzuführen, um<br />

für die Beschäftigten die mit ihrer Arbeit verbundenen<br />

Gefährdungen zu ermitteln sowie<br />

erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes<br />

zu ermitteln und zu ergreifen. Dieser Pflicht<br />

aus § 5 ArbSchG sind bisher nicht sehr viele<br />

Arbeitgeber nachgekommen. Die Mehrheit<br />

der Arbeitgeber führt keine Gefährdungsbeurteilungen<br />

durch, jedenfalls nicht solche,<br />

die einer rechtlichen und fachlichen Prüfung<br />

standhalten. Die Gefährdungsbeurteilung ist<br />

für die Arbeitnehmer von hoher Bedeutung,<br />

da der Arbeitgeber bereits bei Vorliegen einer<br />

Gefährdung der Gesundheit eine Handlungspflicht<br />

bezüglich der Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />

hat. Es reicht aus, dass die<br />

Gefährdungsfaktoren eine Schädigung oder<br />

Beeinträchtigung der physischen und psychischen<br />

Gesundheit hervorrufen können. 1 Eine<br />

unmittelbare Gefahr der Gesundheit ist nicht<br />

erforderlich. Gerade bei den Arbeitsbedingungen<br />

auf Büroarbeitsplätzen ist es wichtig, durch<br />

Gefährdungsbeurteilungen mögliche Gefährdungen<br />

festzustellen, weil in diesem Bereich<br />

viele verschiedene Faktoren eine Gesundheitsgefährdung<br />

begründen können. Daher müssen<br />

sich Arbeitnehmervertretungen unter Beachtung<br />

der Besonderheiten, die an Büroarbeitsplätzen<br />

anzutreffen sind, für eine Durchführung<br />

der Gefährdungsbeurteilung einsetzen.<br />

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren<br />

die Mitbestimmungsrechte konkretisiert.<br />

Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen,<br />

an welchen Arbeitsplätzen welche Gefährdungen<br />

anhand welcher Kriterien und Methoden<br />

nach welchen Zeitplan zu beurteilen sind und<br />

welche Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />

abzuleiten und durchzuführen sind. 2<br />

Auch bei den Inhalten der Arbeitsschutzunterweisung<br />

besteht ein Mitbestimmungsrecht. 3<br />

Diese Mitbestimmungsfelder werden durch die<br />

Vergabe der Aufgaben an Dritte gemäß § 13<br />

Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) nicht<br />

eingeschränkt. Da der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung<br />

selbst oder durch Dritte<br />

durchführen muss, kann der Betriebsrat zusätzlich<br />

mitbestimmen, welche Qualifikationen die<br />

durchführenden Personen besitzen müssen. 4<br />

Gefährdungen im Büro<br />

An Büroarbeitsplätzen sind klassische Gefährdungsfaktoren<br />

durch die verwendeten Arbeitsmittel<br />

und durch die Arbeitsumgebung<br />

immer existent: Licht, Klima, Lärm, Ausstattung<br />

mit Schreibtisch, Schreibtischstuhl,<br />

Bildschirm oder etwa Tastatur. Bei den Gefährdungsbeurteilungen<br />

wird immer wieder<br />

festgestellt, dass sowohl Schreibtische und<br />

Schreibtischstühle nicht nach ergonomischen<br />

Gesichtspunkten optimal gestaltet als auch<br />

die Arbeitsmittel wie Bildschirm und Tastatur<br />

falsch angeordnet sind.<br />

Aber es gewinnen auch Gefährdungsfaktoren<br />

an Büroarbeitsplätzen an Bedeutung, die<br />

mit der Arbeit direkt zu tun haben, wie zum<br />

Beispiel die Übertragung von immer mehr<br />

Arbeitsaufgaben ohne Zeit- oder Personalaufstockung,<br />

die Einführung neuer Arbeits­<br />

darum geht es<br />

1. Klassische Gefährdungsfaktoren<br />

an Büroarbeitsplätzen<br />

sind:<br />

Licht, Klima, Lärm und<br />

falsche ergonomische<br />

Gestaltung von Büromöbeln<br />

und Computern.<br />

2. Daneben gibt es<br />

psychische Gefährdungsfaktoren,<br />

wie immer<br />

mehr Arbeit, neue<br />

Technik, Erhöhung der<br />

Vorgaben oder fehlende<br />

Qualifikation.<br />

3. Der Betriebsrat muss<br />

bei den Ermittlungen<br />

der Gefahren die Arbeitnehmer<br />

einbeziehen.<br />

Das schafft Akzeptanz<br />

für die Durchsetzung<br />

der Maßnahmen.<br />

1 Vergl. HK-ArbSchR/Blume/Faber § 5 Rn. 24. 2 Vergl. u.a. BAG 8.6.2004 – 1 ABR 4/03.<br />

3 Vergl. BAG 11.1.2011 – 1 ABR 104/09.<br />

4 BAG 18.8.2009 – 1 ABR 43/08.<br />

17


titelthema<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

linktipp<br />

Videos zum<br />

Arbeitsschutz<br />

Unter www.arbeitsschutz<br />

film.de/mediathek gibt<br />

es informative und<br />

unter haltsame Filme<br />

zum Arbeitsschutz.<br />

abläufe und EDV-Programme ohne vorherige<br />

Qualifikationsmaßnahmen, unkontrollierte<br />

Mehrarbeit im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit,<br />

Festlegung von nicht erreichbaren Zielen<br />

in Zielvereinbarungen, leistungsabhängige variable<br />

Vergütungsbestandteile mit fortlaufender<br />

Erhöhung der Vorgaben wie Umsatz oder<br />

Marge sowie die Einführung neuer Arbeitsformen<br />

und Arbeitsorganisationen, zum Beispiel<br />

Teamarbeit im Rahmen von Matrixorganisationen<br />

(also einer betriebs- und unternehmensübergreifenden<br />

Arbeitsstruktur).<br />

Das ArbSchG berücksichtigt diese Gefährdungsfaktoren,<br />

indem in § 5 Abs. 3 ArbSchG<br />

nicht nur die klassischen Gefährdungsfaktoren<br />

benannt werden, sondern auch die Gefährdungen<br />

durch die Gestaltung, die Auswahl<br />

und den Einsatz von Arbeitsmitteln, die Gestaltung<br />

der Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe<br />

und der Arbeitszeit sowie der unzureichenden<br />

Qualifikation beziehungsweise der unzureichenden<br />

Unterweisung der Beschäftigten.<br />

Durch die Aufnahme des Merkmals der psychischen<br />

Belastungen bei der Arbeit in § 5<br />

Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG hat der Gesetzgeber betont,<br />

dass auch alle sozialen und organisatorischen<br />

Arbeitsbedingungen sowie gesellschaftlichen<br />

Faktoren eine Rolle spielen können.<br />

Dies wird auch in der entsprechenden DIN<br />

EN ISO 10075 »Ergonomische Grundlagen<br />

bezüglich psychischer Belastung« verdeutlicht.<br />

Insofern bietet die Gefährdungsbeurteilung für<br />

den Betriebsrat einen guten Ansatz, die Mitbestimmung<br />

in diesen Bereichen der Arbeitsbedingungen<br />

der Büroarbeitsplätze geltend<br />

zu machen, die traditionell das Hoheits- und<br />

Herrschaftsgebiet der Arbeitgeber waren.<br />

Einheitliche Gefährdungsbeurteilung<br />

Es kommt in der Praxis vor, dass es zwei Verfahren<br />

zur Gefährdungsbeurteilung gibt. Zum<br />

einen wird eine Gefährdungsbeurteilung der<br />

psychischen Belastungsfaktoren, zum anderen<br />

der klassischen Belastungsfaktoren verhandelt<br />

und vereinbart. Diese Trennung ergibt<br />

sich nicht aus dem ArbSchG oder aus § 87<br />

Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Das ArbSchG geht von<br />

einer einheitlichen Gefährdungsbeurteilung<br />

aus. Dies ist nicht nur aus rechtlichen, sondern<br />

auch aus arbeitswissenschaftlichen Gesichtspunkten<br />

begründet. Das ArbSchG geht<br />

von Wechselwirkungen der einzelnen Gefährdungsfaktoren<br />

aus. So können zum Beispiel<br />

die Gefährdungsfaktoren Klima, Licht sowie<br />

Lärm in Verbindung mit Zeitdruck bei der Arbeit<br />

oder Überforderung oder fehlender Qualifikation<br />

beziehungsweise Einweisung in eine<br />

Arbeitsaufgabe, eine Gesundheitsgefährdung<br />

begründen. Eine surrende Klimaanlage oder<br />

Geräusche der technischen Einrichtung können<br />

bei hochkonzentrierter Arbeit (etwa bei<br />

Entwicklungsingenieuren) eine psychische Belastung<br />

darstellen.<br />

In den Betrieben, in denen eine Trennung<br />

in zwei Regelungen vereinbart wurde, ergaben<br />

sich aus der Gefährdungsbeurteilung der psychischen<br />

Belastungsfaktoren auch oft Gefährdungsfaktoren<br />

in den technischen Arbeitsbedingungen.<br />

In diesem Fall musste man weitere<br />

Untersuchungen wie zum Beispiel Messungen<br />

des Klimas oder des Lärms durchführen. Liegt<br />

noch keine Einigung über eine Regelung zur<br />

Gefährdungsbeurteilung der klassischen Belastungsfaktoren<br />

vor, hat dies zu einer weiteren<br />

Zeitverzögerung geführt. Insofern sollten die<br />

Betriebsräte eine einheitliche Regelung anstreben.<br />

Davon bleibt die Regelungsaufgabe unberührt,<br />

unterschiedliche Ermittlungsverfahren<br />

zu vereinbaren.<br />

Welche Ermittlungsmethoden sind sinnvoll?<br />

Bei der Ermittlung der klassischen und der<br />

psychischen Gefährdungsfaktoren unterscheiden<br />

sich die Ermittlungsmethoden. In jedem<br />

Fall muss der Betriebsrat darauf beharren,<br />

dass in jeder Phase der Ermittlungen die Arbeitnehmer<br />

umfassend einbezogen werden.<br />

Dies sichert nicht nur belastbare Ergebnisse<br />

der Gefährdungsbeurteilung, sondern schafft<br />

auch hohe Akzeptanz und Rückhalt bei den<br />

Arbeitnehmern, wenn es um die Durchsetzung<br />

der erforderlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />

geht.<br />

Bei der Ermittlung der klassischen Gefährdungsfaktoren<br />

sind in der Regel Arbeitsplatzbegehungen<br />

sowie Beobachtungen und<br />

Befragungen der Mitarbeiter sinnvolle Methoden.<br />

Vorab werden jedoch die möglichen<br />

konkreten Gefährdungsfaktoren an den einzelnen<br />

Arbeitsplätzen beziehungsweise in den<br />

Arbeitsbereichen zwischen den Betriebsparteien<br />

geklärt und darauf abgestimmte Ermittlungsmethoden<br />

festgelegt. Aber auch während<br />

der Arbeitsplatzbegehungen kann festgestellt<br />

werden, dass weitere Ermittlungsschritte, wie<br />

zum Beispiel die Messung von Klima, Licht<br />

18


AiB 7-8 | 2017<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

titelthema<br />

oder anderen chemischen oder physikalischen<br />

Einwirkungen sowie Lastenhandhabungsanalysen<br />

erforderlich sind. Diese zusätzlichen<br />

Ermittlungsmethoden sind zwischen den Betriebsparteien<br />

zu vereinbaren.<br />

Bei der Ermittlung der psychischen Gefährdungsfaktoren<br />

hat sich ein Mix der Methoden<br />

in der Praxis bewährt. Zunächst sollte eine Befragung<br />

aller Mitarbeiter bezüglich der Gefährdungsfaktoren,<br />

die einerseits in § 5 ArbSchG<br />

benannt sind, andererseits sich ergänzend<br />

aus betrieblichen Besonderheiten ergeben<br />

können, durchgeführt werden. Bezüglich der<br />

gestellten Fragen ist darauf zu achten, dass<br />

die Gesamtanzahl der Fragen nicht ein Maß<br />

annimmt, das die Motivation der Arbeitnehmer<br />

beim Ausfüllen etwa eines Fragebogens<br />

zum Erliegen bringt. Eine hohe Beteiligung<br />

der Arbeitnehmer ist zu erreichen, wenn die<br />

Anzahl der Fragen und die zur Beantwortung<br />

aufgewendete Zeit von den Arbeitnehmern<br />

als positiv empfunden wird. Ebenso sollte<br />

darauf geachtet werden, dass sich die Fragen<br />

auf konkrete betriebliche Arbeitsbedingungen<br />

beziehen. So sollten Besonderheiten, wie zum<br />

Beispiel das Thema Vertrauensarbeitszeit, Zielvereinbarungen<br />

oder Kundenkontakt, bei den<br />

Fragen berücksichtigt werden. Ein sorgsam erstellter<br />

und vereinbarter Fragenkatalog sowie<br />

eine gute Organisation der Verteilung der Fragebogen<br />

garantiert eine hohe Teilnahmequote.<br />

Anschließend sollten die Ergebnisse der<br />

Befragung durch Arbeitsplatzbeobachtungen<br />

ergänzt werden. Die dann festgestellten Gefährdungsfaktoren<br />

sollten in einem Workshop,<br />

der nach Themen oder Arbeitsbereichen gegliedert<br />

werden kann, mit den Arbeitnehmern<br />

besprochen werden. Der Workshop muss das<br />

Ziel haben, die Ursachen der festgestellten Gefährdungsfaktoren<br />

zu konkretisieren, um Abhilfemaßnahmen<br />

vorzuschlagen. Die Regeln<br />

zur Durchführung der Workshops sind ebenfalls<br />

zu vereinbaren.<br />

Welche Ermittlungsmethoden ablehnen?<br />

Abzulehnen sind kurze und einfache Ermittlungsverfahren,<br />

die zum Beispiel nur in einer<br />

Arbeitsplatzbeobachtung durch interne oder<br />

externe Experten besteht. Ebenso sollten sogenannte<br />

Kurzfragebogen, die von einem ausgewählten<br />

Kreis der Arbeitnehmer oder von<br />

einem beobachtenden Experten ausgefüllt<br />

werden, abgelehnt werden. Auch versuchen<br />

Arbeitgeber, das Ermittlungsverfahren auf die<br />

Durchführung von wenigen Workshops mit<br />

ausgewählten Arbeitnehmern zu beschränken.<br />

Derartig verkürzte Ermittlungsverfahren<br />

können in der Regel keine repräsentative und<br />

umfassende Aussage über die Gefährdungsfaktoren<br />

ergeben. Sie sind auch rechtlich nicht<br />

geeignet, eine belastbare Grundlage für die<br />

Durchsetzung der erforderlichen Arbeits- und<br />

Gesundheitsschutzmaßnahmen zu bilden.<br />

Einen Spruch einer Einigungsstelle auf der<br />

Grundlage derartig verkürzter Verfahren wäre<br />

rechtlich nicht belastbar.<br />

Maßnahmen ableiten<br />

Das ArbSchG, insbesondere § 3 Abs. 2<br />

ArbSchG, bringt zum Ausdruck und ist von<br />

dem Grundsatz geprägt, dass Arbeitgeber nicht<br />

nur bei Bestehen einer Gesundheitsgefahr,<br />

sondern auch bei Vorliegen einer Gesundheitsgefährdung<br />

verpflichtet sind, Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />

unter Beteiligung<br />

der Arbeitnehmer zu entwickeln und durchzuführen.<br />

Diese Maßnahmen sollen nach § 4<br />

ArbSchG eine Gefährdung für die physische<br />

und psychische Gesundheit möglichst vermeiden<br />

beziehungsweise es soll die verbleibende<br />

Gefährdung möglichst gering gehalten werden,<br />

indem die Quellen der Gefährdungen beseitigt<br />

werden. Die Auswahl der Maßnahmen erfolgt<br />

nach dem sogenannten TOP - Prinzip (technische,<br />

organisatorische und personenbezogene<br />

Maßnahmen). 5 Es sind zunächst die Maßnahmen<br />

festzulegen und zu vereinbaren, die eine<br />

technische Beseitigung der Ursachen von Gefahren<br />

und Gefährdungen erreichen. Genügt<br />

dies nicht, sind organisatorische Maßnahmen<br />

zu erörtern und zu realisieren, die darauf hin­<br />

Falsches Sitzen und<br />

ergonomisch schlechte<br />

Ausstattung – damit sind<br />

körperliche Beschwerden<br />

vorprogrammiert.<br />

Zeitgemäßer<br />

Arbeitsschutz<br />

Neuauflage!<br />

Ralf Pieper<br />

Arbeitsschutzgesetz<br />

Basiskommentar zum ArbSchG<br />

7., aktualisierte u. überarb. Auflage<br />

2017. 358 Seiten, kartoniert<br />

€ 29,90<br />

ISBN: 978-3-7663-6511-8<br />

www.bund-verlag.de/6511<br />

5 Vergl. auch HK-ArSchR/Blume/Faber.<br />

kontakt@bund-verlag.de 19<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


titelthema<br />

arbeits- und gesundheitsschutz<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Neuauflage!<br />

Einsatz für<br />

die Mitbestimmung<br />

Berthold Göritz u. a.<br />

Handbuch Einigungsstelle<br />

Mitbestimmungsrechte<br />

gezielt durchsetzen<br />

5., aktualisierte Auflage<br />

2017. 218 Seiten, gebunden<br />

€ 39,90<br />

ISBN: 978-3-7663-6439-5<br />

www.bund-verlag.de/6439<br />

zielen, dass der Arbeitnehmer von der Quelle<br />

der Gefahren und Gefährdungen getrennt<br />

wird. Persönliche Schutzmaßnahmen, wie zum<br />

Beispiel Schutzkleidung, sind dazu nachrangig<br />

einzustufen. Nach diesem Prinzip sind am Büroarbeitsplatz<br />

die ergonomischen Probleme<br />

zunächst mit technischen Lösungen vorrangig<br />

zu beseitigen. Insofern haben ergonomisch gestaltete<br />

Schreibtische, Schreibtischstühle, Bildschirme<br />

und Tastaturen absoluten Vorrang.<br />

Neue Themen für die Mitbestimmung<br />

Führt zum Beispiel die Einführung von Open-<br />

Space-Büro, (also Großraumbüros), zu Problemen<br />

im Bereich der Akustik, des Klimas,<br />

der eingeschränkten Entscheidungsfreiheit<br />

in der Arbeitsgestaltung und der fehlenden<br />

Privatsphäre am Arbeitsplatz, kann eine Gefährdungsbeurteilung<br />

dazu die jeweiligen<br />

Gefährdungsfaktoren und die erforderlichen<br />

Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />

entwickeln. Dies kann zur Folge haben, dass<br />

der Betriebsrat das Konzept des Open-Space-Büros<br />

als Quelle der Gefährdungen in<br />

Frage stellt und so durch die Mitbestimmung<br />

direkt bei der Gestaltung der Arbeitsplatzorganisation<br />

und der Arbeitsplätze Einfluss nimmt.<br />

In vielen Betrieben wurde auch ein Handlungsbedarf<br />

bei der Qualifizierung der Führungskräfte<br />

und der Kommunikation durch die<br />

Gefährdungsbeurteilung festgestellt. Oft sind<br />

die Ergebnisse im Bereich der Gefährdungsbeurteilung<br />

der psychischen Belastungen davon<br />

geprägt, dass die Arbeitnehmer die Führungsqualitäten<br />

ihrer Vorgesetzten negativ bewerten,<br />

insbesondere die Wertschätzung ihrer geleisteten<br />

Arbeit. Hier kann eine Ursache sein, dass<br />

die Führungskräfte nicht ausreichend zu diesem<br />

Thema qualifiziert wurden. Insofern haben<br />

diesbezügliche Maßnahmen in der Regel zwei<br />

Effekte. Die Führungskräfte sind nach Durchführung<br />

einer entsprechenden Qualifizierungsmaßnahme<br />

ihrerseits nicht mehr überfordert<br />

und die betroffenen Arbeitnehmer spüren die<br />

Veränderung im täglichen Umgang.<br />

Ein weiterer Themenkomplex, der Gegenstand<br />

und Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung<br />

in den Betrieben ist, ist die Überlastung<br />

der Arbeitnehmer durch die Vermehrung ihrer<br />

Aufgaben, ohne dass dafür eine entsprechende<br />

Zeit oder entsprechendes Personal zur Verfügung<br />

gestellt wird. Werden derartige Belastungen<br />

und entsprechende Gesundheitsgefährdungen<br />

festgestellt, können sich Arbeits- und<br />

Gesundheitsschutzmaßnahmen auf dem Bereich<br />

der Arbeitszeitregelungen und der Personalbemessung<br />

beziehen.<br />

Es können somit Themen zum Gegenstand<br />

einer mitbestimmten Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahme<br />

werden, die durch die<br />

Mitbestimmungsrechte bisher nicht erfasst waren.<br />

§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Verbindung<br />

mit dem Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung<br />

eröffnen neue Handlungsfelder.<br />

Durchsetzung der Maßnahmen<br />

Bei der Durchsetzung der Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />

ist festzustellen,<br />

dass kostengünstige Maßnahmen in der Regel<br />

leicht durchzusetzen sind. Ebenso Maßnahmen,<br />

an denen der Arbeitgeber selber großes<br />

Interesse hat, zum Beispiel die Qualifizierung<br />

der Führungskräfte bei Mangel von Führungseigenschaften.<br />

Widerstände gibt es, wenn es an<br />

die Fragen der Personalbemessung, der Verteilung<br />

der Arbeit oder der Arbeitsorganisation<br />

geht. Dies waren bisher Themenbereiche, die<br />

zum Herrschafts- und Entscheidungsbereich<br />

des Arbeitgebers zählten. Daher müssen sich<br />

die Betriebsräte darauf vorbereiten, dass Maßnahmen<br />

in diesen Themenkomplexen oft nur<br />

mit Hilfe einer Einigungsstelle durchzusetzen<br />

sind. Da allerdings die Einigungsstelle einen<br />

Spruch bezüglich derartiger Maßnahmen nur<br />

treffen kann, wenn die Gefährdungsbeurteilung<br />

diese Gefährdungen ermittelt hat und die<br />

Maßnahmen arbeitswissenschaftlich darstellbar<br />

und zu begründen sind, muss der Betriebsrat<br />

dieses mögliche Ende einer Gefährdungsbeurteilung<br />

von Beginn an, das heißt, bei der<br />

Vereinbarung der Gefährdungsbeurteilung, berücksichtigen.<br />

Sind die Ermittlungsmethoden,<br />

die Ergebnisse der Ermittlung und die Benennung<br />

der konkreten Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen<br />

nicht auf eine fundierte<br />

Grundlage gestellt, wird der Betriebsrat spätestens<br />

in der Einigungsstelle mit seinen Forderungen<br />

zu diesen Maßnahmen scheitern. v<br />

Manfred Wulff,<br />

Rechtsanwalt und Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht, Hamburg.<br />

www.arbeitnehmer-anwaelte.de<br />

Neben der anwaltlichen Tätigkeit arbeitet<br />

Manfred Wulff seit vielen Jahren als Referent.<br />

kontakt@bund-verlag.de<br />

20<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


AiB 7-8 | 2017 Schutz für werdende Mütter aktuelles<br />

Schutz für<br />

werdende Mütter<br />

geändertes gesetz Das Mutterschutzgesetz ist verändert worden<br />

und tritt mit seinen Neuerungen im Januar 2018 in Kraft.<br />

Worauf Betriebsräte künftig zum Schutz werdender Mütter<br />

achten müssen, lesen Sie hier.<br />

VON CHRISTOPHER KOLL<br />

Am 31. März 2017 hat der Bundestag<br />

die Änderungen zum Mutterschutzrecht<br />

beschlossen, die nach<br />

Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens<br />

zum überwiegenden Teil zum 1. Januar<br />

2018 in Kraft treten sollen. Damit sich Betriebsräte<br />

frühzeitig auf das Thema einstellen<br />

können, hier ein Überblick zu den wichtigsten<br />

Neuerungen des Gesetzes.<br />

Anwendungsbereich<br />

Ab dem 1. Januar 2018 ist für den Mutterschutz<br />

nicht mehr das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses<br />

von Bedeutung, sondern es wird nach<br />

§ 1 Abs. 2 Satz 1 Mutterschutzgesetz-Entwurf<br />

(MuSchG-E) begrifflich auf das Beschäftigungsverhältnis<br />

abgestellt. Damit werden<br />

weitere Beschäftigungsgruppen in den Schutzbereich<br />

einbezogen. Insbesondere gilt das Gesetz<br />

zukünftig auch für Praktikantinnen nach<br />

§ 26 BBiG, Schülerinnen und Studentinnen.<br />

Auch behinderte Mitarbeiterinnen in Werkstätten<br />

für Behinderte gehören künftig zum<br />

geschützten Personenkreis. Des Weiteren gilt<br />

das Gesetz – bis auf einige Paragrafen – auch<br />

für Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen<br />

Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche<br />

Personen anzusehen sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 7<br />

MuSchG-E). Darunter fallen beispielsweise<br />

Fremdgeschäftsführerinnen. Spiegelbildlich<br />

wird der Kreis der Verpflichteten nach § 2<br />

Abs. 2 MuSchG-E dann auch auf alle Personen<br />

oder Unternehmen ausgedehnt, die geschützte<br />

Personen tatsächlich beschäftigen. Insofern<br />

wird der Arbeitgeberbegriff dort weiter gefasst,<br />

als nach der sonst üblichen arbeitsrechtlichen<br />

Definition.<br />

Änderungen bei Beschäftigungsverboten<br />

Von besonderer Bedeutung sind die Änderungen<br />

im Bereich der Beschäftigungsverbote<br />

für (werdende) Mütter. Bislang war für diese<br />

Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 MuSchG die<br />

Nachtarbeit ausgeschlossen, sofern nicht eine<br />

der dort geregelten Ausnahmen für bestimmte<br />

Berufsgruppen eingriff. Nach § 5 Abs. 1 und<br />

§ 28 MuSchG-E kann eine schwangere oder<br />

stillende Frau nunmehr ausnahmsweise auch<br />

zwischen 20 Uhr und 22 Uhr beschäftigt werden,<br />

wenn sie hierzu ihre Einwilligung erteilt.<br />

Diese kann später jederzeit widerrufen werden.<br />

Zusätzlich muss ein ärztliches Attest über<br />

die Unbedenklichkeit der Nachtarbeit vorliegen.<br />

Und schließlich muss sichergestellt sein,<br />

dass die Arbeitnehmerin in dieser Zeit nicht<br />

alleine arbeitet und die Ruhezeit von 11 Stunden<br />

eingehalten wird. Alleinarbeit läge nach<br />

§ 2 Abs. 4 MuSchG-E dann vor, wenn nicht<br />

sichergestellt ist, dass die Beschäftigte jederzeit<br />

den Arbeitsplatz verlassen oder Hilfe erreichen<br />

kann. Im Rahmen der letzten Fassung<br />

des Änderungsgesetzes wurde dem ursprünglichen<br />

Gesetzesentwurf noch § 28 MuSchG-E<br />

neu hinzugefügt. Danach steht die gesamte<br />

Ausnahmeregelung jetzt unter dem Vorbehalt<br />

der behördlichen Genehmigung, die der Arbeitgeber<br />

vor der Umsetzung der Nachtarbeit<br />

bis 22 Uhr einholen muss.<br />

darum geht es<br />

1. Das Mutterschutzgesetz<br />

gilt künftig auch<br />

für Praktikantinnen<br />

sowie Schülerinnen und<br />

Studentinnen.<br />

2. Das Nachtarbeitsverbot<br />

ist für werdende<br />

Mütter gelockert worden,<br />

wenn sie in der Zeit<br />

arbeiten wollen.<br />

3. Es gelten höhere<br />

Anforderungen an Gefährdungsbeurteilungen<br />

der jeweiligen Arbeitsplätze.<br />

Hier sind Betriebsräte<br />

gefragt.<br />

21


aktuelles<br />

Schutz für werdende Mütter<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Arbeit auch an Sonn- und Feiertagen<br />

Bislang war zudem in § 8 MuSchG die Sonnund<br />

Feiertagsarbeit weitgehend ausgeschlossen.<br />

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG-E kann<br />

eine schwangere oder stillende Frau nunmehr<br />

ausnahmsweise auch an Sonn- und Feiertagen<br />

beschäftigt werden, wenn sie hierzu ihre Bereitschaft<br />

erklärt. Allerdings muss eine Ausnahme<br />

vom Sonntagsarbeitsverbot nach § 10<br />

Arbeitszeitgestz (ArbZG) gegeben sein, der<br />

Beschäftigten muss ein Ersatzruhetag gewährt<br />

werden und eine unverantwortbare Gefährdung<br />

für die schwangere Frau und ihr Kind<br />

müssen ausgeschlossen sein.<br />

Bisher betrug die Schutzfrist der Mutter<br />

nach § 6 Abs. 1 MuSchG nach der Entbindung<br />

des Kindes einheitlich acht Wochen, bei<br />

Früh- und Mehrlingsgeburten sogar 12 Wochen.<br />

Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 MuSchG-E<br />

gilt nunmehr ebenfalls eine Schutzfrist von 12<br />

Wochen, wenn bei dem Kind eine Behinderung<br />

festgestellt wurde. Sofern kein Arbeitsverhältnis<br />

vorliegt, kann die Wirkung eines<br />

Beschäftigungsverbots nicht eintreten. Daher<br />

bestimmt § 2 Abs. 3 MuSchG-E, dass eine arbeitnehmerähnliche<br />

Person nach § 1 Abs. 2<br />

Nr. 7 MuSchG-E in den oben genannten Fällen<br />

von ihrer vertraglichen Leistungspflicht befreit<br />

wird. Die Beschäftigte kann allerdings gegenüber<br />

dem Vertragspartner erklären, die vertraglichen<br />

Dienste dennoch erbringen zu wollen.<br />

Gefährdungsbeurteilungen müssen<br />

durchgeführt werden<br />

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MuSchG-E treffen den<br />

Arbeitgeber neue und geänderte Pflichten bei<br />

der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen<br />

bei (werdenden) Müttern. Damit werden<br />

auch die bisherigen Bestimmungen der Verordnung<br />

zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz<br />

(MuSchArbV) in das MuSchG-E integriert.<br />

Zunächst besteht nach § 10 Abs. 1<br />

MuSchG-E die Pflicht, überhaupt die besonderen<br />

Gefährdungen von Mutter und Kind im<br />

Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung<br />

nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)<br />

zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig von<br />

der Frage, ob auf einem Arbeitsplatz derzeit<br />

überhaupt eine schwangere Frau beschäftigt<br />

wird. Anhand der dortigen Feststellungen ist<br />

dann zu prüfen, ob Schutzmaßnahmen ergriffen<br />

werden müssen, eine Umgestaltung der<br />

Arbeitsbedingungen nach § 13 MuSchG-E erforderlich<br />

wird oder eine Fortführung der Tätigkeit<br />

an diesem Arbeitsplatz überhaupt möglich<br />

sein wird. Sobald eine Frau dem Arbeitgeber<br />

ihre Schwangerschaft mitgeteilt hat, muss er<br />

nach § 10 Abs. 2 MuSchG-E unverzüglich die<br />

im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festgelegten<br />

Schutzmaßnahmen einleiten. Solange<br />

dies nicht erfolgt ist, besteht ein Beschäftigungsverbot<br />

für die schwangere Beschäftigte.<br />

Der Arbeitgeber muss der Beschäftigten zudem<br />

ein Gespräch über die weitere Anpassung<br />

ihrer Arbeitsbedingungen anbieten.<br />

Im Übrigen muss der Arbeitgeber nach § 9<br />

Abs. 1 MuSchG-E alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung<br />

erforderlichen Maßnahmen<br />

treffen, um die Gesundheit von Mutter und<br />

Kind zu schützen. Die Maßnahmen sind auf<br />

ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und geänderten<br />

Bedingungen anzupassen. Dabei steht<br />

das Ziel im Vordergrund, der Mutter – außerhalb<br />

der Beschäftigungsverbote – die weitgehende<br />

Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen.<br />

Sofern der Arbeitgeber eine unverantwortbare<br />

Gefährdung festgestellt hat, und diese<br />

nicht durch Schutzmaßnahmen nach § 13<br />

Abs. 1 Nr. 1 und 2 MuSchG-E ausgeschlossen<br />

werden kann, muss er ein betriebliches Beschäftigungsverbot<br />

aussprechen. Eine unverantwortbare<br />

Gefährdung liegt insbesondere<br />

vor, wenn eine schwangere Arbeitnehmerin im<br />

Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit schweren körperlichen<br />

Belastungen ausgesetzt wäre oder<br />

eine stillende Arbeitnehmerin mit besonderen<br />

Gefahrenstoffen in Kontakt kommen könnte.<br />

Änderungen beim Kündigungsschutz<br />

Der bisher in § 9 MuSchG geregelte besondere<br />

Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen,<br />

findet sich jetzt in § 17 MuSchG-E.<br />

Danach ist die Kündigung einer schwangeren<br />

Frau während der Schwangerschaft und bis zu<br />

einem Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung<br />

unzulässig. Das Gleiche gilt jetzt aber<br />

auch nach einer Fehlgeburt, wenn die Schwangerschaft<br />

zuvor mindestens zwölf Wochen<br />

bestanden hat. Zudem wird der Schutz auch<br />

auf Vorbereitungshandlungen des Arbeitgebers<br />

zur Kündigung ausgedehnt, das heißt, er kann<br />

während der Schutzfrist auch keine Anhörung<br />

des Betriebsrats nach § 102 BetrVG wirksam<br />

einleiten.<br />

22


AiB 7-8 | 2017 Schutz für werdende Mütter aktuelles<br />

Werdende Mütter sollen<br />

bei der Arbeit nicht<br />

zusätzlich strapaziert<br />

werden – dafür sorgt das<br />

Mutterschutzgesetz.<br />

Das bedeuten die Änderungen für die Praxis<br />

Da Betriebsräte schon ganz allgemein nach<br />

§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG einen Überwachungsauftrag<br />

bei der Einhaltung der Gesetze<br />

durch den Arbeitgeber haben, kann von ihnen<br />

zu Recht verlangt werden, dass sie die neuen<br />

Vorschriften zum Mutterschutz kennen und<br />

auch in der Praxis umsetzen können. Dabei ist<br />

beispielsweise im Rahmen der Mitbestimmung<br />

bei der Lage der Arbeitszeiten nach § 87 Abs. 1<br />

Nr. 2 BetrVG auf die Einhaltung der Beschäftigungsverbote<br />

für bestimmte Arbeitszeiten zu<br />

achten. Dies gilt zum Beispiel für die Nachtarbeitsverbote.<br />

In der Praxis werden sich voraussichtlich<br />

aber vor allem die Ergänzungen in<br />

Bezug auf die Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen<br />

nach § 5 ArbSchG erheblich<br />

auswirken. Gerade im Bereich des Arbeitsund<br />

Gesundheitsschutzes bestehen umfangreiche<br />

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats,<br />

zum Beispiel nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG<br />

und § 89 BetrVG, die dieser auch im Hinblick<br />

auf die besonderen Gesundheitsgefahren für<br />

Mutter und Kind einsetzen muss. Insoweit ist<br />

höchstrichterlich anerkannt, dass der Betriebsrat<br />

bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen<br />

ein Mitbestimmungsrecht hat. 1<br />

Besonders dort wird man in Zukunft darauf<br />

achten müssen, dass die Vorgaben nach § 10<br />

MuSchG-E letztlich für die Beurteilung aller<br />

Arbeitsplätze umzusetzen sind, da die Gesundheitsgefahren<br />

für Mutter und Kind abstrakt zu<br />

identifizieren sind, das heißt auch unabhängig<br />

vom derzeitigen Stelleninhaber.<br />

Die weiteren Neuerungen im Mutterschutz<br />

sind dagegen je nach der konkreten Situation<br />

im Blick zu behalten, so beispielsweise bei einer<br />

Anhörung nach § 102 BetrVG zur Kündigung<br />

einer Schwangeren.<br />

Fokus auf Gesundheitsgefahren<br />

für Mutter und Kind<br />

Sofern die Änderungen die letzten Stationen<br />

des Gesetzgebungsverfahrens erfolgreich<br />

durchlaufen, müssen sich Betriebsräte also auf<br />

einen erhöhten Arbeitsaufwand im Bereich<br />

des Arbeits- und Gesundheitsschutzes einrichten<br />

und ihren Fokus dort auch auf die besonderen<br />

Gesundheitsgefahren für Mutter und<br />

Kind richten. Im Bereich der Gefährdungsbeurteilungen<br />

wird das dann auch in Zukunft<br />

kaum ohne die Unterstützung entsprechender<br />

Sachverständiger funktionieren. v<br />

Christopher Koll, Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht in der Kanzlei<br />

Bell & Windirsch, Britschgi & Koll.<br />

www.fachanwaeltInnen.de<br />

1 BAG 30.9.2014 – 1 ABR 106/12.<br />

23


aktuelles<br />

Zeit zu handeln<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Zeit zu handeln<br />

datenschutz Die EU-Datenschutzgrundverordnung<br />

regelt den Umgang mit persönlichen Daten in Europa neu.<br />

Betriebsräte sollten wissen, was auf sie zukommt.<br />

VON PETER WEDDE<br />

darum geht es<br />

1. Die EU-Datenschutzgrundverordnung<br />

wird<br />

viele nationale Regelungen<br />

im Datenschutz<br />

ersetzen.<br />

2. Aber es gibt sogenannte<br />

Öffnungsklauseln,<br />

über die die Mitgliedsländer<br />

Detailfragen<br />

selber regeln können.<br />

3. Dazu gehört der<br />

Beschäftigtendatenschutz.<br />

Dafür gibt es in<br />

Deutschland jetzt ein<br />

neues Gesetz.<br />

Der Datenschutz in der Europäischen<br />

Union (EU) wird sich fundamental<br />

ändern. Grund ist die<br />

»DSGVO«. Dahinter verbirgt<br />

sich die Datenschutzgrundverordnung vom<br />

April 2016. 1 Diese gilt ab dem 25. Mai 2018 als<br />

ein heitlicher und zwingender Datenschutzrahmen<br />

in der gesamten EU. Die DSGVO<br />

wird bestehende Regelungen in den einzelnen<br />

Mitgliedsstaaten wie etwa das deutsche<br />

Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ersetzen.<br />

Aufgrund zahlreicher Öffnungsklauseln in<br />

der DSGVO können die Mitgliedsländer allerdings<br />

Detailfragen wie etwa den Beschäftigtendatenschutz<br />

(vgl. dazu Abschnitt IV in der<br />

DSGVO) auch in Zukunft eigenständig ausgestalten.<br />

Allerdings müssen spezifische Sonderregelungen<br />

in den einzelnen EU-Staaten die<br />

datenschutzrechtlichen Grundsätze der DS­<br />

GVO berücksichtigen. In Deutschland gibt es<br />

inzwischen für die notwendigen Anpassungen<br />

des nationalen Rechts ein neues Gesetz, abgekürzt:<br />

DSAnpUG-EU. 2<br />

Die DSGVO regelt auch<br />

wirtschaftliche Interessen<br />

Anders als der Kurztitel »Datenschutzgrundverordnung«<br />

suggeriert, zielt die DSGVO<br />

nicht nur auf eine Regelung des europäischen<br />

Datenschutzes. Artikel 1 Abs. 2 DSGVO<br />

nennt zwar das Ziel, Grundrechte und Grundfreiheiten<br />

natürlicher Personen und deren personenbezogene<br />

Daten zu schützen. Dazu gesellt<br />

sich aber in Artikel 1 Abs. 3 DSGVO die<br />

Vorgabe, dass der freie Verkehr personenbezogener<br />

Daten in der Union zum Schutz natürlicher<br />

Personen bei der Verarbeitung der Daten<br />

weder eingeschränkt noch verboten werden<br />

darf. Das heißt konkret: Die Grundrechte der<br />

Bürgerinnen und Bürger müssen gegen die<br />

wirtschaftlichen Interessen der Verarbeiter abgewogen<br />

werden.<br />

Inhalt der DSGVO<br />

Strukturell ähnelt die DSGVO in vielen Bereichen<br />

dem BDSG. Zugleich enthält sie in elf<br />

Kapiteln auch grundlegend neue Regelungsmechanismen<br />

wie etwa ein »Recht auf Vergessenwerden«.<br />

Das neue Datenschutzrecht wird<br />

sehr viel umfangreicher: Mit 99 Artikeln enthält<br />

die DSGVO mehr als doppelt so viele Vorschriften<br />

wie das BDSG mit seinen 48 Paragrafen.<br />

Hinzu kommen die 85 Paragrafen des<br />

»BDSG-neu«, die das DSAnpUG-EU enthält<br />

(siehe Fußnote 2). Bereits der Umfang der<br />

Vorschriften deutet darauf hin, dass das neue<br />

Datenschutzrecht weder verständlicher als das<br />

BDSG sein wird noch bürger- oder betroffenenfreundlicher.<br />

Zu den herausragenden Neuerungen<br />

des neuen Rechts gehört beispielsweise<br />

das sich aus Artikel 3 Abs. 1 DSGVO<br />

ableitende »Marktortprinzip«. Danach kommt<br />

die Verordnung auch dann zur Anwendung,<br />

wenn Firmen, die personenbezogene Daten<br />

von EU-Bürgern verarbeiten, in der EU keine<br />

Niederlassung haben. Auf die Verbesserung<br />

des freien Datenverkehrs zielt das sogenannte<br />

»One-Stop-Shop«-Prinzip. Dies bedeutet, dass<br />

für europaweit tätige Unternehmen nach Artikel<br />

56 DSGVO allein die für die Hauptniederlassung<br />

zuständige Aufsichtsbehörde eines<br />

Staates federführend zuständig ist.<br />

Allgemeine Bestimmungen<br />

In den Artikeln 1 – 3 DSGVO des Kapitels 1<br />

finden sich neben der Festlegung von Gegenstand<br />

und Zielen Aussagen zum sachlichen<br />

24<br />

1 Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen<br />

bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien<br />

Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG –<br />

Daten schutzgrundverordnung (DSGVO).<br />

2 Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die<br />

Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie<br />

(EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz<br />

EU – DSAnpUG-EU.


AiB 7-8 | 2017 Zeit zu handeln aktuelles<br />

und räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung.<br />

Artikel 4 DSGVO enthält Begriffsbestimmungen,<br />

die teilweise über die § 3 BDSG<br />

bekannten Beschreibungen hinausgehen.<br />

Hierzu gehören beispielsweise Definitionen<br />

zu »genetischen« und »biometrischen Daten«,<br />

zur »Unternehmensgruppe« (=Konzern) oder<br />

zur »internationalen Organisation«.<br />

Grundsätze der DSGVO<br />

Kapitel 2 enthält allgemeinverbindliche Grundsätze,<br />

die für die Auslegung der Einzelregelungen<br />

der DSGVO maßgeblich sind. Nach<br />

Artikel 5 Abs. 1 DSGVO muss bei der Verarbeitung<br />

personenbezogener Daten nicht nur<br />

die »Rechtmäßigkeit der Verarbeitung« und<br />

die »Zweckbindung« beachtet werden, sondern<br />

auch die »Datenminimierung«. Diese<br />

Verpflichtung zur Datenminimierung setzt<br />

einer allgemeinen Vorratsdatenspeicherung<br />

Grenzen. Gleiches gilt für umfassende Auswertungen<br />

von Daten mittels »Big-Data«-Anwendungen<br />

wie sie beispielsweise in modernen<br />

onlinebasierenden Personalmanagementsystemen<br />

mit Analyse-Modulen möglich sind.<br />

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung<br />

von Daten nur in bestimmten Fällen<br />

Von herausragender Bedeutung für den Datenschutz<br />

sind die in Kapitel 2 DSGVO enthaltenen<br />

Regelungen. Nach Artikel 6 DSGVO ist<br />

die gesamte Verordnung als »Verbotsvorschrift<br />

mit Erlaubnistatbeständen« ausgestaltet. Das<br />

bedeutet: Eine Verarbeitung von Daten ist nur<br />

rechtmäßig und damit zulässig, wenn einer der<br />

in der Vorschrift enthaltenen Erlaubnistatbestände<br />

gegeben ist. Das kann beispielsweise die<br />

Erfüllung einer gesetzlichen oder vertraglichen<br />

Verpflichtung aus einem Kaufvertrag sein oder<br />

das Vorliegen einer individuelle Einwilligung.<br />

Eine wirksame Einwilligung durch Betroffene<br />

muss nach Artikel 7 DGSVO nicht zwingend<br />

schriftlich erfolgen und kann jederzeit widerrufen<br />

werden. Bittet ein Arbeitgeber seine Beschäftigten<br />

um Einwilligungen, dürfen diese<br />

sich nach Artikel 7 Abs. 4 DSGVO nur auf Daten<br />

beziehen, die für die Erfüllung des Vertrags<br />

erforderlich sind. Die Frage nach der privaten<br />

Mobiltelefonnummer kann damit für Rufbereitschaften<br />

erlaubt sein, nicht aber die Frage<br />

nach Zugang zum privaten Facebook-Account<br />

von Beschäftigten.<br />

Besondere geschützte Daten<br />

Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener<br />

Daten wird durch Artikel 9<br />

DSGVO herausragend geschützt. Hierbei handelt<br />

es sich um Informationen zur rassischen<br />

und ethnischen Herkunft, zur politische Meinungen,<br />

zu Religion oder Weltanschauung, zur<br />

Gewerkschaftszugehörigkeit, zur Gesundheit,<br />

zum Sexualleben oder zur sexuellen Orientierung<br />

sowie um genetische oder biometrische<br />

Daten zur eindeutigen Identifizierung einer<br />

Person. Das im ersten Satz der Vorschrift enthaltene<br />

Verbot der Verarbeitung dieser Daten<br />

wird allerdings durch zahlreiche Ausnahmeregelungen<br />

aufgeweicht. Dazu zählt etwa eine<br />

Verarbeitungsbefugnis bezüglich dieser Daten<br />

Sensible persönliche<br />

Daten sollen durch die<br />

DSGVO besonders<br />

geschützt werden.<br />

25


aktuelles<br />

Zeit zu handeln<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

für die »aus dem Arbeitsrecht« erwachsenen<br />

Rechte der Arbeitgeber (Abs. 2 lit b)) oder »für<br />

die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten«<br />

(Abs. 2 lit h)). Es ist damit nicht<br />

auszuschließen, dass einzelne Arbeitgeber<br />

versuchen werden, mit diesen Ausnahmetatbeständen<br />

beispielsweise eine Verarbeitung von<br />

Daten zur Weltanschauung »aus Sicherheitsgründen«<br />

zu rechtfertigen oder eine Überprüfung<br />

bestehender Arbeitsunfähigkeiten durch<br />

den betriebsärztlichen Dienst.<br />

Rechte der betroffenen Personen<br />

Im umfangreichen Kapitel 3 der DSGVO<br />

werden die Rechte der betroffenen Personen<br />

festgelegt. Teilweise finden sich hier aus dem<br />

BDSG vertraute Regelungen wieder wie etwa<br />

die Transparenzpflicht in Artikel 12 DSGVO.<br />

Es gibt aber auch Neuerungen wie etwa erweiterte<br />

Informations- und Auskunftspflichten der<br />

für die Verarbeitung Verantwortlichen in den<br />

Artikeln 13 bis 15 DSGVO oder die nun in Artikel<br />

21 DSGVO zusammengefassten Regelungen<br />

zum Widerspruch der Datenverarbeitung.<br />

Recht auf Vergessenwerden<br />

Artikel 17 Abs. 1 DSGVO begründet ein starkes<br />

Recht auf Löschung, das in der Konsequenz<br />

als »Recht auf Vergessenwerden« ausgestaltet<br />

ist. Dies bedeutet, dass Daten ohne Wenn<br />

und Aber endgültig gelöscht werden müssen,<br />

wenn die ursprünglichen Verarbeitungszwecke<br />

erfüllt sind. Beschäftigte könnten auf dieser<br />

Grundlage beispielsweise einfordern, dass von<br />

ihnen in interne soziale Netzwerke eingestellte<br />

Beiträge nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses<br />

gelöscht werden.<br />

Durch Art. 20 DSGVO wird ein neuartiges<br />

Recht auf Datenübertragbarkeit begründet.<br />

Das bedeutet: Betroffene Personen können<br />

etwa bei einem Anbieterwechsel verlangen,<br />

dass ihnen Informationen, die sie angegeben<br />

haben, in einer maschinenlesbaren Form zur<br />

Verfügung gestellt werden. Diese Komfortregelung<br />

erhöht insbesondere die Anforderungen<br />

an Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen.<br />

Auf dieser Grundlage könnten aber<br />

beispielsweise auch Beschäftigte verlangen,<br />

dass sie Beiträge für betriebliche Wissensdatenbanken,<br />

die sie außerhalb ihrer eigentlichen<br />

Arbeitsaufgaben erstellt haben, nach einer<br />

Kündigung »mitnehmen« können.<br />

handlungsempfehlungen<br />

Betriebsrat und neues<br />

Datenschutzrecht:<br />

Die DSGVO ist ab dem 25. Mai 2018 die<br />

maßgebliche und verbindliche Grundlage<br />

für den Datenschutz in ganz Europa.<br />

Was bedeutet das für Betriebsräte?<br />

1. Die DSGVO wird ab Mai 2018 zusammen<br />

mit einem noch zu verabschiedenden<br />

deutschen Anpassungsgesetz zum<br />

BDSG die Grundlage für den Beschäftigtendatenschutz<br />

sein. Auf diese Situation<br />

müssen sich Betriebsräte durch Weiterbildung<br />

vorbereiten.<br />

2. Zur Vorbereitung gehört es, sich mit<br />

den neuen Vorschriften und Regelungsmechanismen<br />

zu befassen sowie bestehende<br />

Betriebsvereinbarungen<br />

im Lichte des neuen Datenschutzrechts<br />

zu bewerten.<br />

3. Ermöglichen Betriebsvereinbarungen<br />

die Verarbeitung von Beschäftigtendaten,<br />

müssen sie nach neuem Recht<br />

angemessene und besondere Maßnahmen<br />

zum Schutz der berechtigten<br />

Interessen und der Grundrechte von<br />

Beschäftigten enthalten.<br />

4. Verlangt ein Arbeitgeber schon heute<br />

die Berücksichtung des künftigen<br />

Datenschutzrechts beim Abschluss<br />

von Betriebsvereinbarungen, sollten<br />

Betriebs räte sicherstellen, dass dann<br />

auch die neuen Schutzvorgaben der<br />

DSGVO verankert werden.<br />

Verantwortliche und Auftragnehmer<br />

Die Rechtspflichten der für die Verarbeitung<br />

Verantwortlichen und ihrer Auftragnehmer<br />

sind in Kapitel 4 DSGVO aufgeführt. Grundlegend<br />

neu ist, dass die Verantwortlichen jetzt<br />

durch Artikel 25 DSGVO verpflichtet werden,<br />

bei der Gestaltung der verwendeten Technik<br />

darauf zu achten, dass diese über datenschutzfreundliche<br />

Voreinstellungen verfügt. Dies<br />

bedeutet beispielsweise, dass betroffene Personen<br />

im Rahmen von »opt-in«-Konzepten eine<br />

26


AiB 7-8 | 2017 Zeit zu handeln aktuelles<br />

Verarbeitung technisch ausdrücklich freigeben<br />

müssen. Keine datenschutzfreundliche Voreinstellung<br />

liegt hingegen vor, wenn Verarbeitungen<br />

im Rahmen von »opt-out«-Konzepten lediglich<br />

im Nachhinein ausgeschlossen werden<br />

können. Dies ist für die betriebliche Praxis der<br />

Ausgestaltung von IT-Systemen ebenso wichtig<br />

wie die jetzt in Artikel 35 DSGVO verankerte<br />

Datenschutz-Folgeabschätzung. Diese muss<br />

beispielsweise durchgeführt werden, wenn sich<br />

mit dem Zweck einer Verarbeitung voraussichtlich<br />

ein hohes Risiko für die Rechte und<br />

Freiheiten von Personen verbinden. Aus dem<br />

Ergebnis der Datenschutz-Folgeabschätzung<br />

können Betriebsräte beispielsweise Vorgaben<br />

für die Gestaltung von Betriebsvereinbarungen<br />

ableiten. Ähnliches gilt für die neuen Vorschriften<br />

zu Verhaltensregelungen und Zertifizierungen<br />

in den Artikeln 40 bis 43 DSGVO. Insbesondere<br />

Zertifizierungsverfahren könnten für<br />

Betriebsräte künftig hilfreich sein, wenn die<br />

Wirksamkeit von Betriebsvereinbarungen kontrolliert<br />

werden soll.<br />

Betriebliche Datenschutzbeauftragte<br />

Weiterer Bestandteil von Kapitel 4 DSGVO<br />

sind die Regelungen zu betrieblichen Datenschutzbeauftragten<br />

in den Artikeln 37 bis 39.<br />

Diese entsprechen im Wesentlichen den Regelungen<br />

in den §§ 4f und 4g BDSG. Neu ist,<br />

dass gemäß Art. 37 Abs. 2 DSGVO nunmehr<br />

auch ganz offiziell ein »Konzerndatenschutzbeauftragter«<br />

bestellt werden kann.<br />

Wichtige Einzelregelungen<br />

Für Beschäftigte beziehungsweise für die betriebliche<br />

Praxis bedeutsam sind die in Kapitel<br />

VIII DSGVO verankerten Regelungen zu<br />

Rechtsbehelfen, Haftung und Sanktionen.<br />

Betroffene Personen können sich beispielsweise<br />

nach der Regelung in Art. 80 DSGVO<br />

künftig in datenschutzrechtlichen Belangen<br />

von bestimmten gemeinnützingen Einrichtungen,<br />

Organisationen oder Vereinigungen<br />

vertreten lassen. Dies können etwa bereits<br />

existierende Verbraucher- oder Datenschutzorganisationen<br />

sein. Die von Artikel 80 DSGVO<br />

erfassten Stellen könnten künftig beispielsweise<br />

Beschwerden von Beschäftigten gegen einen<br />

Arbeitgeber bündeln und durchsetzen. Verstoßen<br />

Verarbeiter gegen Vorgaben der DSGVO<br />

zum Datenschutz, tragen sie nach Artikel 83<br />

»Betriebsräte<br />

sollten sich schon<br />

jetzt aktiv mit<br />

der Frage beschäftigen,<br />

welche<br />

Möglichkeiten<br />

und Risiken mit<br />

dem neuen Datenschutzrecht<br />

einhergehen.«<br />

PETER WEDDE<br />

Abs. 4 DSGVO künftig ein hohes finanzielles<br />

Risiko: Für die in der Vorschrift genannten Tatbestände<br />

wie etwa Verstöße gegen die Grundsätze<br />

der Verarbeitung oder die Rechte der<br />

betroffenen Personen können künftig Geldbußen<br />

von bis zu zwanzig Millionen Euro verhängt<br />

werden. Handelt es sich um einen Konzern,<br />

kann alternativ eine Geldbuße in Höhe<br />

von bis zu vier Prozent des gesamten weltweit<br />

erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen<br />

Geschäftsjahres festgesetzt werden, wenn<br />

die entsprechende Summe höher als zwanzig<br />

Millionen ist. Konzerne sollten diesem Sanktionsrisiko<br />

nicht nur durch einen guten Datenschutz<br />

entgegentreten, sondern gegebenenfalls<br />

auch durch entsprechende Rückstellungen.<br />

Beschäftigtendatenschutz nach der DSGVO<br />

Zum wichtigen Thema »Beschäftigtendatenschutz«<br />

findet sich in der DSGVO unter der<br />

Überschrift »Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen«<br />

in Kapitel IX mit Artikel<br />

88 lediglich eine Vorschrift. Diese überlässt<br />

es den Mitgliedsstaaten, den Beschäftigtendatenschutz<br />

durch Rechtsvorschriften oder<br />

durch Kollektiv vereinbarungen zu regeln.<br />

Weiterhin werden in Artikel 88 Abs. 1 DSGVO<br />

mögliche Inhalte eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes<br />

und allgemeine Schutzvorgaben<br />

benannt. Hierzu gehören beispielsweise<br />

Themen wie Planung und Organisation der<br />

Das neue<br />

Datenschutzrecht<br />

Peter Wedde<br />

EU-Datenschutz-Grundverordnung<br />

Kurzkommentar mit Synopse<br />

BDSG / EU-DSGVO<br />

2016. 346 Seiten, kartoniert<br />

€ 39,90<br />

ISBN: 978-3-7663-6589-7<br />

www.bund-verlag.de/6589<br />

kontakt@bund-verlag.de 27<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


aktuelles<br />

Zeit zu handeln<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Arbeit, Gleichheit und Diversität am Arbeitsplatz,<br />

Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz<br />

oder Schutz des Eigentums der Arbeitgeber<br />

oder der Kunden. Nach Artikel 88 Abs. 2<br />

DSGVO müssen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz<br />

angemessene und besondere<br />

Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen<br />

Würde, der berechtigten Interessen und der<br />

Grundrechte der betroffenen Person beinhalten.<br />

Hierzu können auch Vorgaben für die<br />

Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb<br />

eines Konzerns gehören.<br />

Ungeregelt lässt Artikel 88 DSGVO das in<br />

der Praxis wichtige Thema der datenschutzrechtlichen<br />

Zulässigkeit der unternehmensübergreifenden<br />

Datenübermittlung in Konzernen.<br />

Damit gilt für diese Fälle weiterhin,<br />

dass entweder eine Auftragsdatenverarbeitung<br />

vereinbart ist oder dass diese Datenübermittlungen<br />

durch eine Betriebsvereinbarung oder<br />

durch eine individuelle Einwilligung legitimiert<br />

werden. Problematisch ist, dass Artikel<br />

88 Abs. 1 Satz 1 DSGVO die Möglichkeit<br />

schafft, spezifische Regelungen zum Datenschutz<br />

durch Kollektivvereinbarungen festzulegen.<br />

Solange es kein einschlägiges »Mitbestimmungsrecht<br />

zum Datenschutz« gibt,<br />

können Betriebsräte diese Möglichkeit nicht<br />

im Rahmen eines Initiativrechts ausfüllen. Keine<br />

echte Verbesserung zum Thema Beschäftigtendatenschutz<br />

beinhaltet der Entwurf des<br />

DSAnpUG-EU. Er beschränkt sich derzeit auf<br />

die Übernahme der jetzigen datenschutzrechtlichen<br />

Regelungen des BDSG in § 26 DSAnpUG-EU<br />

nebst einiger weniger Ergänzungen.<br />

Von einer umfassenden Regelung dieses Themas<br />

kann damit nach wie vor keine Rede sein.<br />

Was können Betriebsräte tun?<br />

Derzeit wird in vielen Betriebsräten die Frage<br />

diskutiert, ob das Inkrafttreten der DSGVO<br />

dazu führt, dass Betriebsvereinbarungen unwirksam<br />

werden. Eine solche Unwirksamkeit<br />

einzelner kollektivrechtlicher Regelungen<br />

aufgrund eines Widerspruchs zur DSGVO ist<br />

in bestimmten Fällen vorstellbar. Etwa, wenn<br />

durch Betriebsvereinbarungen Datenverarbeitungsprozesse<br />

legitimiert werden, ohne dass<br />

zugleich die durch Art. 88 Abs. 2 DSGVO<br />

vorgegebene umfassenden angemessenen und<br />

besonderen Maßnahmen zur Wahrung der<br />

menschlichen Würde, der berechtigten Interessen<br />

und der Grundrechte der betroffenen<br />

Person sichergestellt wurden. Das wäre der<br />

Fall, wenn eine umfassende Vorratsspeicherung<br />

von personenbezogenen Daten zugelassen<br />

würde, ohne dass zugleich Schutzmaßnahmen<br />

wie eine enge Zweckbindung und kurze<br />

Löschungsfristen vorgegeben wären. Derartige<br />

Vereinbarungen, die weitgehende Eingriffe in<br />

Rechte von Beschäftigten ohne Schutzvorkehrungen<br />

zulassen, sind aber mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

auch nach aktuellem Datenschutzrecht<br />

sowie mit Blick auf das allgemeine<br />

Schutzgebot des § 75 Abs. 2 BetrVG unzulässig.<br />

Beinhalten bestehende Betriebsvereinbarungen<br />

hingegen ausgewogene Festlegungen<br />

zum Umgang mit Beschäftigtendaten, die sich<br />

an betrieblichen Erforderlichkeiten orientieren,<br />

etwa durch Datenminimierung, durch<br />

Verschlüsselungsverfahren oder durch kurze<br />

Löschungsfristen, ist ein Verstoß gegen Vorgaben<br />

der DSGVO unwahrscheinlich.<br />

Für aktuelle Verhandlungen zu Datenschutzthemen<br />

sollten Betriebsräte zudem das<br />

Folgende bedenken: Das geltende BDSG ist<br />

bis zum 24. Mai 2018, 24.00 Uhr, uneingeschränkt<br />

anwendbar. Deshalb sollten Betriebsräte<br />

dem Verlangen von Arbeitgebern widerstehen,<br />

den Arbeitgebern genehme Regelungen<br />

der DSGVO schon heute anzuwenden. Etwas<br />

Anderes gilt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat<br />

mit Blick auf das neue Recht gemeinsam<br />

versuchen, aktuell zu verhandelnde Betriebsvereinbarungen<br />

zukunftsfähig zu machen,<br />

etwa durch eine Umsetzung des »Rechts auf<br />

Vergessenwerden« in neuartige Löschkonzepte,<br />

die schon heute greifen.<br />

Sich um Risiken kümmern<br />

Die DSGVO wird das Datenschutzrecht in der<br />

EU vereinheitlichen und teilweise erneuern.<br />

Wie die Neuerungen im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes<br />

aussehen werden, lässt<br />

sich mit Blick darauf, dass es für das deutsche<br />

DSAnpUG-EU bisher noch keine abschließende<br />

Fassung gibt, nicht verbindlich sagen.<br />

Dennoch müssen Betriebsräte sich schon jetzt<br />

aktiv mit der Frage beschäftigten, welche Möglichkeiten<br />

und Risiken mit dem neuen Datenschutzrecht<br />

einhergehen. v<br />

Prof. Dr. Peter Wedde,<br />

Frankfurt University of Applied<br />

Sciences, Frankfurt am Main.<br />

wedde@da-consulting.de<br />

28


AiB 7-8 | 2017 Sicherheit für fünf Jahre aktuelles<br />

Sicherheit für<br />

fünf Jahre<br />

übernahme Die Integration der Kaiser’s Tengelmann-Filialen<br />

in die Handelskonzerne Edeka und Rewe läuft. Über das Ende<br />

einer Hängepartie für Beschäftigte und Interessenvertreter.<br />

VON GUDRUN GIESE<br />

Es gibt sie noch, einzelne Supermärkte<br />

mit dem charakteristischen<br />

Kaiser’s- oder Tengelmann-Schriftzug.<br />

Doch es werden immer weniger.<br />

Zum 1. Januar 2017 war der Verkauf des<br />

Traditions unternehmens Kaiser’s-Tengelmann<br />

an Edeka abgeschlossen, bis zum 31. März<br />

wurde der Teilübergang an Rewe umgesetzt.<br />

Bis alles integriert und neu geordnet ist, dürfte<br />

aber noch einige Zeit vergehen.<br />

Mit dem Jahreswechsel war auf jeden Fall<br />

für rund 15.000 Beschäftigte in Filialen, an Logistikstandorten,<br />

Verwaltungen und anderen<br />

Betriebsteilen von Kaiser’s-Tengelmann (KT)<br />

das Bangen um die eigene Zukunft nach mehr<br />

als zwei Jahren voller Hoffnungen und Ängste<br />

zu einem guten Ende gelangt. Der Verkauf unter<br />

strikten Auflagen besiegelte schließlich auch<br />

die Sicherung von Stellen, Tarifentgelt und Mitbestimmungsstrukturen<br />

bis mindestens 2022.<br />

Eitel Sonnenschein ist dennoch nicht in allen<br />

Teilen von KT eingezogen: Viele der Betriebsräte<br />

hätten gerne noch mehr herausgeholt.<br />

Über zwei Jahre zwischen<br />

Hoffen und Bangen<br />

München/Oberbayern sowie Nordrhein geworden.<br />

Auch die Monopolkommission schloss<br />

sich der Einschätzung der Kartellbehörde an<br />

und untersagte den Komplettverkauf von KT<br />

an Edeka, womit Haub und Edeka-Chef Markus<br />

Mosa nur noch die Beantragung der Ministererlaubnis<br />

beim damaligen Bundeswirtschaftsminister<br />

Sigmar Gabriel (SPD) blieb.<br />

Der wiederum genehmigte das Geschäft – allerdings<br />

unter sehr strikten Auflagen (»Ministererlaubnis«),<br />

zu denen die Sicherung der Arbeitsplätze<br />

von rund 15.000 KT-Beschäftigten,<br />

der Tarifbindung sowie der Mitbestimmungsstrukturen<br />

gehörten.<br />

»Toll, wenn es so kommt«, sagte nach Bekanntwerden<br />

des Ministerentscheids im Frühjahr<br />

2016 eine Berliner Kaiser’s-Mitarbeiterin.<br />

darum geht es<br />

1. Die Kaiser’s Tengelmann-Filialen<br />

werden<br />

unter strikten Auflagen<br />

an Edeka und Rewe<br />

verkauft. Betroffen sind<br />

15.000 Beschäftigte.<br />

2. Die Auflagen sehen<br />

die Sicherung von Stellen,<br />

Tarifentgelt und Mitbestimmungsstrukturen<br />

bis<br />

mindestens 2022 vor.<br />

3. Durch den Verkauf<br />

gibt es künftig unterschiedliche<br />

Betriebsratsstrukturen<br />

für die<br />

ehemaligen Kaiser’s<br />

Tengelmann­ Filialen.<br />

Ein kurzer Blick zurück. Im Herbst 2014 hatte<br />

KT-Chef Karl-Erivan Haub den Verkauf seiner<br />

seit langem defizitären Supermarktkette an<br />

den bundesdeutschen Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel<br />

Edeka (zu dem auch Netto,<br />

Marktkauf, Reichelt u.a. gehören) verkündet.<br />

Klar war dabei schnell, dass das Bundeskartellamt<br />

diesen Verkauf nicht billigen würde –<br />

zu groß wäre die Marktmacht von Edeka in<br />

den drei KT-Filialregionen Berlin und Umland,<br />

Edeka und Rewe übernehmen<br />

ehemalige Filialen<br />

von Kaiser’s Tengelmann.<br />

29


aktuelles<br />

Sicherheit für fünf Jahre<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Basis guter<br />

Mitbestimmung<br />

Thomas Klebe / Jürgen Ratayczak<br />

Micha Heilmann / Sibylle Spoo<br />

Betriebsverfassungsgesetz<br />

Basiskommentar mit Wahlordnung<br />

19., aktualisierte u. überarb. Auflage<br />

2016. 1.002 Seiten, kartoniert<br />

€ 39.90<br />

ISBN: 978-3-7663-6498-2<br />

www.bund-verlag.de/6498<br />

Aber sie war zu dem Zeitpunkt bereits skeptisch,<br />

dass das Geschäft glatt über die Bühne<br />

gehen würde. Und ihre Skepsis war nur<br />

zu berechtigt. Andere Interessenten an einer<br />

(Teil-)Übernahme von KT – Rewe, Norma<br />

und Markant – legten beim Oberlandesgericht<br />

Düsseldorf Beschwerde gegen Gabriels<br />

Entscheidung ein – und bekamen Recht, weil<br />

die Richter eine Ungleichbehandlung der<br />

Konkurrenten erkannten und fehlende Transparenz<br />

im Prozess der Ministererlaubnis.<br />

Damit war die alleinige Übernahme durch<br />

Edeka endgültig vom Tisch, und KT-Chef<br />

Haub drohte mit der Zerschlagung des Unternehmens,<br />

da er nur den Komplettverkauf<br />

an Edeka akzeptieren wollte. Wiederum war<br />

es der damalige Bundeswirtschaftsminister<br />

Gabriel, der das Aus von KT stoppen konnte.<br />

Er schlug eine Schlichtung vor und brachte<br />

als Vorsitzenden Alt-Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder (SPD) ins Spiel.<br />

Einigung durch Schlichtung<br />

Tatsächlich gelang es im Schlichtungsverfahren,<br />

an dem unter anderem auch der ver.di-<br />

Vorsitzende Frank Bsirske beteiligt war, die bis<br />

dahin unversöhnlichen Konkurrenten zu einer<br />

Einigung zu bewegen: Norma und Markant<br />

zogen ihre Beschwerden beim OLG Düsseldorf<br />

gegen eine Ausgleichszahlung zurück.<br />

Rewe hingegen erreichte die lange gewünschte<br />

Beteiligung am Geschäft: Die Nummer zwei<br />

im bundesdeutschen Lebensmitteleinzelhandel<br />

bekam die Hälfte des Berliner Kaiser’s-<br />

Filialnetzes zugesprochen plus Logistik- und<br />

Verwaltungsstandort sowie eines Fleischwerks<br />

in Brandenburg und insgesamt vier Läden in<br />

den beiden anderen KT-Filialregionen München<br />

und Nordrhein. Mit dieser Zusage in<br />

der Tasche zog schließlich auch Rewe seine<br />

Beschwerde beim Düsseldorfer Oberlandesgericht<br />

zurück. Rechtzeitig zum Jahresende<br />

2016 waren damit endgültig rund 15.000 KT-<br />

Beschäftigte sicher, für mindestens fünf Jahre<br />

ihre Jobs, Tarifbindung und Mitbestimmung<br />

zu behalten. Doch mit dem neuen Jahr zeigten<br />

sich die Schwierigkeiten im Detail. Etwa bei<br />

der künftigen Betriebsratsstruktur. »In Berlin<br />

zerfällt schon 2018 der bisherige KT-Betriebsrat<br />

in mehrere Teile«, sagt Janetta Jöckertitz,<br />

stellvertretende Betrirebsratsvorsitzende von<br />

Kaiser’s Tengelmann Berlin und bis zum Ende<br />

von KT dort Gesamtbetriebsratsvorsitzende.<br />

Während Edeka strikt nach den Vorgaben der<br />

Ministererlaubnis bis 2022 einen eigenen Betriebsrat<br />

für den ehemaligen Kaiser’s-Bereich<br />

haben wird, geht die Kaiser’s-Arbeitnehmervertretung<br />

im Rewe-Teil bereits im Frühjahr 2018<br />

in den dort bestehenden Betriebsratsstrukturen<br />

auf. »In den Tarifverhandlungen mit Rewe<br />

war zu viel Zeitdruck, weil das Geschäft über<br />

die Bühne gehen sollte. Das Nachsehen haben<br />

nun die Kolleginnen und Kollegen«, meint Janetta<br />

Jöckertitz.<br />

Unterschiedlicher Umgang<br />

mit Betriebsräten<br />

Dass die Tarifverhandlungen mit Rewe nach<br />

dem grundsätzlichen Einlenken des Unternehmens<br />

unter enormem Zeitdruck stattgefunden<br />

haben, findet auch Erika Ritter, Leiterin des<br />

Fachbereichs Handel im ver.di-Landesbezirk<br />

Berlin-Brandenburg. »Der Druck ging aber vor<br />

allem von KT-Chef Haub aus und auch vom<br />

Rewe-Verhandlungsführer Dornseifer. Selbstverständlich<br />

lässt sich in drei, vier Tagen, die<br />

wir mit Rewe verhandeln konnten, nicht so<br />

viel herausholen wie in Monaten, die wir mit<br />

Edeka Details ausgehandelt haben.« Karl-Erivan<br />

Haub hätte dabei stets darauf verwiesen,<br />

dass alle Verträge bis zum Jahresende unter<br />

Dach und Fach sein müssten, weil er kein<br />

neues Geschäftsjahr mit KT beginnen wollte.<br />

Und Friedhelm Dornseifer von Rewe hätte an<br />

einem Punkt der Verhandlungen klargestellt,<br />

dass nun für ihn das Maximum erreicht sei. Erika<br />

Ritter: »Unter den gegebenen Umständen<br />

ist der Übergang zu den vereinbarten Konditionen<br />

ein Riesenerfolg, denn die Sicherheit für<br />

gesetz<br />

Diese Regelung gilt für den Rewe-<br />

Betriebs rat: § 3 Betriebsverfassungsgesetz<br />

Abs. 1 Nr. 3<br />

(1) Durch Tarifvertrag können bestimmt<br />

werden:<br />

(…)<br />

3. andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen,<br />

soweit dies insbesondere aufgrund der<br />

Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation<br />

oder aufgrund anderer Formen<br />

der Zusammenarbeit von Unternehmen einer<br />

wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung<br />

der Arbeitnehmer dient; (…)<br />

kontakt@bund-verlag.de<br />

30<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


AiB 7-8 | 2017 Sicherheit für fünf Jahre aktuelles<br />

hintergrund<br />

»Paragraf 3 – Betriebsräte«:<br />

Weicht die Struktur der Interessenvertretung<br />

vom Normalfall ab, profitiert<br />

oft auch der Arbeitgeber – zum Beispiel<br />

dann, wenn es nur einen Betriebsrat für<br />

das ganze Unternehmen geben soll, statt<br />

mehrerer Betriebsräte in den verschiedenen<br />

Betrieben und den Gesamtbetriebsrat.<br />

Deswegen wollte der Gesetzgeber eine<br />

solche Regelung nur mit der zuständigen<br />

Gewerkschaft – also mit einem Tarifvertrag<br />

– erlauben. Nur mit solch starker<br />

Unterstützung haben Betriebsräte nicht<br />

das Nachsehen, wenn der Arbeitgeber<br />

eine ihm genehme Struktur der Arbeitnehmervertretung<br />

durchsetzen will. Ausnahmen<br />

gibt es nur, wenn Betriebe nicht<br />

tarifge bunden sind.<br />

die Beschäftigten gilt KT-weit – egal, ob sie nun<br />

bei Edeka oder Rewe arbeiten.« ver.di habe<br />

sehr viele Dankesbriefe von den so gesicherten<br />

Kolleginnen und Kollegen bekommen.<br />

Gleichwohl bestreitet die ver.di-Landesfachbereichsleiterin<br />

Handel nicht, dass eine<br />

einheitliche Betriebsratsstruktur für den ehemaligen<br />

KT-Teil sowohl bei Edeka als auch<br />

bei Rewe vorteilhaft gewesen wäre. Rewe ließ<br />

sich an dieser Stelle aber nicht mehr abringen<br />

als die Zusage, auch nach den turnusmäßigen<br />

Betriebsratswahlen im Frühjahr 2018 Freistellungen<br />

für ehemalige Kaiser’s-Betriebsräte zu<br />

garantieren und außerdem ein Gremium einzurichten,<br />

in dem die Integration der übernommenen<br />

Betriebsräte in die bestehenden<br />

Rewe-Mitbestimmungsstrukturen beraten würde.<br />

»Da fehlt die Verbindlichkeit. Wir wollten<br />

eine vergleichbare Struktur wie bei Edeka, wo<br />

bis 2022 Kaiser’s intern eine eigene Gesellschaft<br />

ist, die ihre eigene Arbeitnehmervertretung<br />

wählt«, sagt Janetta Jöckertitz.<br />

Rewe hat Paragraf 3-Betriebsräte<br />

Anders als Edeka hat Rewe allerdings flächendeckende<br />

Betriebsratsstrukturen. »Es<br />

war nicht möglich mehr auszuhandeln als<br />

Sparten-Betriebsräte für den übernommenen<br />

KT-Teil bis zu den regulären Betriebsratswahlen<br />

im Frühjahr 2018«, erklärt Erika Ritter.<br />

Misslich ist dabei, das sieht auch sie so, dass<br />

Rewe Berlin zwei verschiedenen Regionen zugeordnet<br />

ist: Die Filialen im Norden der Stadt<br />

zu Norderstedt, die im Süden einschließlich<br />

Logistik zu Lehrte, so dass die Beschäftigten<br />

im kommenden Jahr zwei unterschiedliche Betriebsräte<br />

mitwählen. »Seit den neunziger Jahren<br />

existiert ein Tarifvertrag über einen Paragraf<br />

3-Betriebsrat mit Rewe«, sagt Erika Ritter,<br />

»der die Strukturen vorgibt. Daran kommen<br />

wir nicht vorbei.« Sie hofft jedenfalls, dass die<br />

langjährigen KT-Betriebsräte ihren Ärger über<br />

das Verhandlungsergebnis eines Tages überwunden<br />

haben. »Es war wirklich nicht mehr<br />

herauszuholen, und unter diesen Umständen<br />

ist das Ergebnis mehr als vorzeigbar.«<br />

Die Integration des Filialnetzes von Kaiser’s-Tengelmann<br />

in Edeka und Rewe verläuft<br />

unterdessen auch nach unterschiedlichen<br />

Rhythmen. Rewe hatte dabei allerdings wenig<br />

Spielraum: Bis zum 31. März mussten die 60<br />

übernommenen Berliner Kaiser’s Filialen und<br />

vier weitere in München sowie Nordrhein<br />

komplett auf das Rewe-Sortiment umgestellt<br />

sein und nicht nur an der Außenfront das<br />

Rewe-Logo zeigen. Erika Ritter: »Edeka hat<br />

mit der anfänglichen Komplettübernahme von<br />

KT auch die Markenrechte erworben, die bei<br />

der Weitergabe des Teilnetzes an Rewe nicht<br />

mit veräußert wurden.« Das führte zu der paradoxen<br />

Situation, dass Rewe zum Stichtag<br />

auch alle KT-Waren aus den Regalen in den<br />

Filialen und im Berliner Lager räumen musste.<br />

Edeka kann sich hingegen Zeit lassen: So<br />

soll die Umwandlung von rund 170 Tengelmann-Filialen<br />

in München/Oberbayern erst<br />

im letzten Jahresdrittel beendet sein, im Raum<br />

Nordrhein werden die letzten Kaiser’s-Filialen<br />

gar erst Mitte 2018 ihre Metamorphose zu<br />

Edeka-Märkten abgeschlossen haben. Fix war<br />

hingegen Netto, die Discounter-Tochter von<br />

Edeka: Die Umstellung von 51 KT-Märkten<br />

in München/Oberbayern und Nordrhein auf<br />

Discountfilialen war bereits im ersten Quartal<br />

dieses Jahres abgeschlossen. Netto ist immerhin<br />

der größte Wachstumszweig innerhalb der<br />

Edeka – 51 neue Filialen mit entsprechendem<br />

Umsatz dürften da nicht zu verachten sein. v<br />

Gudrun Giese, Dipl.-Politologin,<br />

freie Journalistin für<br />

gewerk schaft liche Themen, Berlin.<br />

www.gudrun-giese.de<br />

Sie ist Co-Autorin des »Schwarz-Buch« Lidl<br />

und Verfasserin zahlreicher Broschüren.<br />

aib-web.de<br />

}}<br />

Mehr dazu unter:<br />

aib-web.de > AiB:Assist ><br />

BetrvG-Online<br />

Kommentar > § 3 BetrVG.<br />

31


aktuelles<br />

Vorhang auf für die Nominierten<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Vorhang auf<br />

für die Nominierten<br />

deutscher betriebsräte-preis Es wird spannend: Die Jury des<br />

Deutschen Betriebsräte-Preises 2017 hat zwölf Projekte für<br />

die Endrunde ausgewählt. Im Dezember werden sechs Edelmetallund<br />

Sonderpreisträger der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

VON CHRISTOF HERRMANN<br />

darum geht es<br />

1. Der Deutsche Betriebsräte-Preis<br />

ist eine Initiative<br />

der Fachzeitschrift<br />

Arbeitsrecht im Betrieb.<br />

2. Seit 2009 werden<br />

Best-Practice-Beispiele<br />

engagierter Betriebsratsarbeit<br />

prämiert.<br />

3. Die Jury hat jetzt<br />

zwölf Projekte nominiert.<br />

Im Dezember werden<br />

sechs davon mit Preisen<br />

ausgezeichnet.<br />

Informationen unter<br />

www.dbrp.de<br />

Der Deutsche Betriebsräte-Preis –<br />

eine Initiative der Fachzeitschrift<br />

Arbeitsrecht im Betrieb – prämiert<br />

seit 2009 Best-Practice­ Beispiele<br />

engagierter und umsetzungsstarker Betriebsratsarbeit.<br />

Als bundesweit wichtigste Auszeichnung<br />

für Betriebsräte lenkt er die Aufmerksamkeit<br />

auf beispielhafte Gremien, die<br />

betriebliche Mitbestimmung täglich leben. Die<br />

Schirmherrschaft hat auch in diesem Jahr wiederum<br />

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles<br />

übernommen.<br />

Die nominierten Gremien für den Deutschen<br />

Betriebsräte-Preis 2017 kommen aus<br />

folgenden Unternehmen und werden hier in<br />

alphabetischer Reihenfolge vorgestellt:<br />

Airbus Operation GmbH, Hamburg; B.<br />

Braun Melsungen AG; Berkenhoff GmbH,<br />

Heuchelheim; DB JobService GmbH, Berlin;<br />

Gewobag Wohnungsbau-Aktiengesellschaft<br />

Berlin; Huntsman P&A Uerdingen GmbH,<br />

Krefeld; Internationaler Bund – Freier Träger<br />

der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.,<br />

Frankfurt/Main; Klinik Coburg GmbH; LEAR<br />

Corporation Wismar GmbH; Stadtwerke München<br />

GmbH; SYNLAB Holding Deutschland<br />

GmbH, Augsburg; T-Systems International<br />

GmbH, Frankfurt/Main.<br />

Weites Themenspektrum<br />

Insgesamt 77 Betriebsratsgremien stellten<br />

sich in diesem Jahr dem Votum der Jury. Das<br />

Themenspektrum reichte von Projekten zur<br />

Beschäftigungssicherung über innovative Ansätze<br />

zur Mitbestimmung bis hin zu nachhaltigen<br />

Regelungen von Arbeitszeit und Initiativen<br />

rund um Digitalisierung und Arbeit 4.0. Unter<br />

den Nominierten sind Gremien aus großen<br />

Konzernen vertreten, doch den Löwenanteil<br />

stellen Betriebsräte aus mittelständisch geprägten<br />

Unternehmen.<br />

Preisverleihung im Dezember<br />

Der Deutsche Betriebsräte-Preis wird je einmal<br />

in den Edelmetall-Kategorien Gold, Silber und<br />

Bronze verliehen. Weiter vergibt die Jury drei<br />

Sonderpreise in den Rubriken »Gute Arbeit«,<br />

»Innovative Betriebsratsarbeit« und »Zukunftssicherung«.<br />

Obwohl etwas abseits der<br />

Projekt-Regularien, würdigt die Jury auf besondere<br />

Weise den Konzernbetriebsrat der Saarstahl<br />

AG, Völklingen. Er hat mit der Kampagne<br />

»Unser Saarland hat ein Herz aus Stahl«<br />

eine vorbildliche Aktion eingereicht, die zum<br />

Nachahmen aufruft. Die Preisverleihung an<br />

die sechs Gewinner und die Würdigung der<br />

Nominierten findet am 14. Dezember 2017 im<br />

Rahmen des Deutschen Betriebsräte-Tags im<br />

ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages<br />

in Bonn statt.<br />

Weitere Informationen zum Deutschen Betriebsräte-Preis<br />

2017, erste Informationen und<br />

Jury-Statements zu den nominierten Projekten<br />

und Gremien finden sich laufend aktualisiert<br />

unter www.dbrp.de.v<br />

Christof Herrmann, Kommunikationsberater<br />

mit den Themen<br />

Arbeit, Recht und Wirtschaft.<br />

kommunikation@sc-herrmann.de<br />

32


AiB 7-8 | 2017 Trendmonitor: BR-Wahl 2018 aktuelles<br />

Trendmonitor:<br />

BR-Wahl 2018<br />

vorbereitung In vielen Betrieben endet im Jahr 2018 die Legis laturperiode<br />

der Betriebsratsgremien. Im Frühjahr des kommenden<br />

Jahres stehen dort also Neuwahlen an. Wie sich Betriebsräte darauf<br />

vorbereiten, erfahren Sie hier.<br />

VON CHRISTOF BALKENHOL<br />

Was steht für Betriebsratsgremien<br />

und einzelne Gremiumsmitglieder<br />

bei der Wahlvorbereitung<br />

im Vordergrund, was<br />

tun Interessenvertreter, um Mitarbeiter im Betrieb<br />

als Kandidaten für die Wahl zu gewinnen?<br />

Welche Rolle spielt dabei eine gezielte »Nachwuchsförderung«?<br />

Was können Betriebsräte<br />

tun, um eine möglichst hohe Wahlbeteiligung<br />

zu fördern? Wie gehen die Gremien mit der<br />

Frage »Listenwahl« oder »Personenwahl« um?<br />

Wie finden einzelne Betriebsratsmitglieder<br />

eine Antwort auf die sehr persönliche Frage<br />

zur Fortsetzung oder zur Beendigung der eigenen<br />

Tätigkeit im Betriebsrat?<br />

}}<br />

Martin Bühre; Betriebsrat;<br />

Stadtwerke Hannover AG; Hannover<br />

Die Betriebsratsarbeit steht genau wie das Unternehmen<br />

selbst, vor großen Herausforderungen.<br />

In Zeiten von disruptiven Veränderungen<br />

für Mensch, Gesellschaft und Arbeit, muss<br />

auch Betriebsrat neu gedacht werden. Wie<br />

hat sich das Betriebsratsgremium aufzustellen,<br />

wenn Komplexität und Unsicherheit in einer<br />

Geschwindigkeit zunehmen, die alle extrem<br />

fordern wird? Wir werden Zukunftsthemen<br />

wie digitale Transformation nicht nur begleiten,<br />

wir müssen ein Teil von ihr sein. Die Zukunft<br />

werden wir nur gemeinsam erfolgreich<br />

gestalten können, darum werden neben inhaltlicher<br />

Arbeit besonders Haltung und Vertrauen<br />

über die Qualität der erzielten Lösungen<br />

entscheiden. Das Anforderungsprofil an ein<br />

Betriebsratsmitglied sollte diesen Entwicklungen<br />

Rechnung tragen. Genau diese Rahmenbedingungen<br />

sind es aber auch, die eine<br />

geschlossene Ausrichtung und daraus resultierende<br />

Aufstellung eines Betriebsratsgremiums<br />

schwierig machen. Egal ob Personen oder Listenwahl,<br />

die Zusammenstellung des künftigen<br />

Gremiums wird neben der Ausrichtung an den<br />

Zukunftsthemen, auch von den persönlichen<br />

Motiven der Kandidaten, als auch der subjektiven<br />

Wahrnehmung der Wählerinnen und<br />

Wähler beeinflusst. Positiven Einfluss kann<br />

daher nur ein breiter gemeinsamer Diskurs<br />

zu unseren Zukunftsthemen haben. Dies tun<br />

wir bei uns sehr intensiv und können darüber<br />

auch Resonanz erzeugen. Nichts ist stärker als<br />

eine breite geschlossene Haltung, die aus einem<br />

gemeinsamen Verständnis resultiert. Das<br />

ist unser Weg und wir erleben ihn positiv – für<br />

die Kolleginnen und Kollegen und für den Betriebsrat.<br />

}}<br />

Sabine Diehl; Gesamtbetriebsrat;<br />

ODDO BHF Aktiengesellschaft; Frankfurt<br />

Bei der Vorbereitung der Betriebsratswahlen<br />

ist es wichtig, auf Erfahrung zugreifen zu können<br />

und Wissen durch gezielte Schulung aufzubauen.<br />

Vor jeder Wahl stellt sich jedes Mitglied<br />

persönlich die Frage, ob es sich erneut<br />

zur Wahl stellen soll. Hier spielen ebenso wie<br />

bei der Neugewinnung von Kandidaten Themen<br />

wie hoher Arbeitsdruck und Arbeitsplatzabbau<br />

eine große Rolle. Die Bedeutung der Betriebsratsarbeit<br />

nimmt zu, die Wahrnehmung<br />

und die Erwartungen sind hoch, allerdings<br />

wird es zunehmend schwieriger Kolleginnen<br />

darum geht es<br />

1. Die nächsten regulären<br />

Betriebsratswahlen<br />

stehen vom 1. März bis<br />

zum 31. Mai 2018 an.<br />

2. Jetzt gilt es in<br />

Betriebs ratsgremien,<br />

wichtige Weichen für<br />

die Wahl zu stellen.<br />

3. Nachfolgeplanung<br />

und das Gewinnen neuer<br />

Kandidatinnen und Kandidaten<br />

stehen dabei ganz<br />

oben auf der To-do-Liste.<br />

33


aktuelles Trendmonitor: BR-Wahl 2018<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

und Kollegen für das Amt des Betriebsrats zu<br />

gewinnen. Hier spielen zunächst das persönliche<br />

Interesse sowie die zeitliche Verfügbarkeit<br />

und die Bereitschaft Verantwortung zu tragen<br />

eine große Rolle. Für die Gewinnung von<br />

Kandidaten ist eine gute Vorbereitung wichtig.<br />

Nur wenige Kolleginnen und Kollegen zeigen<br />

von selbst Interesse, deshalb ist die persönliche<br />

Ansprache besonders wichtig. In der Vergangenheit<br />

war die geforderte Geschlechter-/<br />

Frauenquote in unserem Unternehmen kein<br />

Problem, muss aber gezielt durch Ansprache<br />

gefördert werden. In diesem Jahr habe ich mir<br />

vorgenommen, gezielt Frauen zu einer Informationsrunde<br />

über die Betriebsratsarbeit einzuladen,<br />

um insbesondere junge und engagierte<br />

Kandidatinnen zu gewinnen. Ein guter Mix<br />

aus Kontinuität und neuem Engagement ist für<br />

mich wünschenswert, möglichst aus allen Bereichen<br />

unserer Bank, um alle Interessen nachhaltig<br />

vertreten zu können. Danach kommt die<br />

Förderung der Wahlbeteiligung. Hier ist eine<br />

gezielte Information und Transparenz über die<br />

Betriebsratsarbeit hilfreich<br />

}}<br />

Hans Eschbach; Betriebsrat;<br />

Verlagsgruppe Handelsblatt; Düsseldorf<br />

Die Kandidatenwerbung ist schwierig, denn<br />

eine Kandidatur für den Betriebsrat wird häufig<br />

als Entscheidung gegen die eigene Karriere<br />

empfunden, auch wenn es Beispiele gibt,<br />

wo ehemalige Betriebsräte zu Ressortleitern<br />

wurden. Stärker noch wirken aber wohl Reaktionen<br />

von Vorgesetzten, die schon mit<br />

Nachbohren reagieren, was man denn mit<br />

dem Betriebsrat zu schaffen habe, wenn nur<br />

dessen Telefonnummer im Display des Telefons<br />

sichtbar wurde. Daher gilt es beizeiten,<br />

nach unbefangenen Kolleginnen und Kollegen<br />

Ausschau zu halten, bei denen man im täglichen<br />

Geschäft mitbekommt, dass sie sich eigene<br />

Interessen nicht abnötigen lassen oder gar<br />

für die von anderen eintreten. Auch engagierte<br />

Wortmeldungen auf Versammlungen sind ein<br />

Hinweis auf eine mögliche Bereitschaft zur<br />

Kandidatur, weil hier der Furcht-Faktor offenbar<br />

nicht oder nur schwach vorhanden ist.<br />

Auch bei solchen Kollegen gibt es dann Vorbehalte,<br />

etwa die Sorge, die (verdichtete) Arbeit<br />

neben dem Ehrenamt nicht mehr zu schaffen<br />

oder die Absicht, das Unternehmen wegen der<br />

zum Ausdruck gebrachten Unzufriedenheit<br />

in absehbarer Zeit zu verlassen. Also, es ist<br />

mühsam. Aber manchmal, zum Beispiel, wenn<br />

man immer wieder auf »Neue« zugeht, ins Gespräch<br />

mit ihnen kommt und dann hört, dass<br />

er oder sie in der vorigen Firma schon kandidiert<br />

hat, dann hat man das Goldkörnchen gefunden,<br />

nach dem man gesucht hat.<br />

}}<br />

Marcell Witt; Konzernbetriebsrat;<br />

TUI AG; Hannover<br />

Bei der TUI AG und ihren Konzerngesellschaften<br />

wird an die anstehenden Betriebsratswahlen<br />

unterschiedlich herangegangen. Bei den<br />

vor allem größeren Gesellschaften am Hauptsitz<br />

in Hannover sind die anstehenden Wahlen<br />

aufgrund jahrelanger Routine, sowohl in ihrer<br />

Durchführung, als auch in ihrer Akzeptanz<br />

beim jeweiligen Management, ein Selbstläufer.<br />

Nur umso weiter man sich vom Hauptsitz<br />

entfernt, desto weniger wird der Mehrwert<br />

einer Betriebsratswahl und eines engagierten<br />

Betriebsrats vom Management erkannt, da<br />

wirtschaftliche Nachteile befürchtet werden.<br />

Daher bleibt den Betriebsräten oft nur der<br />

schwierige Spagat zwischen der Betriebsratsarbeit<br />

und der normalen Tätigkeit im Unternehmen.<br />

Von den Betriebsräten wird sowohl<br />

vom Management, aber auch von den eigenen<br />

Kolleginnen und Kollegen dabei nicht selten<br />

erwartet, ihre Betriebsratstätigkeit neben der<br />

Vollzeitarbeit zu erledigen. Somit fällt es auch<br />

aufgrund dieser Doppelbelastung schwerer,<br />

Kolleginnen und Kollegen von kleineren, dezentralen<br />

Gesellschaften für die Betriebsrats-,<br />

oder auch Gesamtbetriebsrats- und Konzernbetriebsrats-Arbeit<br />

zu gewinnen, wenngleich<br />

gerade dort die Arbeit am notwendigsten<br />

erscheint. Die Listenwahl wird von den Beschäftigten<br />

sehr kritisch gesehen, da diese eine<br />

Direktwahl Ihrer/s Kandidatin/en verhindert.<br />

Des Weiteren landen neue, junge, interessierte<br />

Kolleginnen und Kollegen beispielsweise aus<br />

der Jugend- und Auszubildendenvertretung<br />

mitunter nur auf hinteren Listenplätzen und<br />

haben somit kaum eine Chance, gewählt zu<br />

werden. Dabei könnten genau diese Kolleginnen<br />

und Kollegen im Zeitalter von Digitalisierung<br />

und Arbeit 4.0 sowie dem bevorstehenden<br />

demographischen Wandel einen wichtigen<br />

Beitrag zu den zukünftigen Herausforderungen<br />

der Betriebsratsarbeit leisten. In diesem<br />

Sinne wird auch in diesem Jahr der Konzernbetriebsrat,<br />

zusammen mit der Gewerkschaft<br />

ver.di, die Betriebsratswahlen begleiten und<br />

vor allem unseren dezentralen Gesellschaften<br />

unterstützend beiseite stehen.<br />

34


AiB 7-8 | 2017 Trendmonitor: BR-Wahl 2018 aktuelles<br />

}}<br />

Jürgen Kallmeier; Gesamtbetriebsrat;<br />

T-Systems GmbH; Frankfurt<br />

Nachfolgeplanung sichert erfolgreiche Betriebsratsarbeit.<br />

Interessenvertretung heißt für<br />

uns auch, strategische Kontinuität in der Betriebsratsarbeit<br />

sicher zu stellen. Es herrscht<br />

Wandel in der Arbeitswelt. Diese Veränderung<br />

hat Auswirkung auf die Art wie wir arbeiten<br />

und wie Unternehmen auf dynamischen und<br />

globalen Märkten agieren. Diese Veränderung<br />

hat deutliche Auswirkung auf die Beschäftigten<br />

und somit auf unsere Betriebsratsarbeit.<br />

Als Beispiel sei hier genannt Arbeit 4.0, zum<br />

Beispiel agiles Arbeiten, Designthinking (Kreativprozess<br />

zur Ideenfindung, der sich am<br />

Nutzer orientiert und auf Design-Methoden<br />

beruht), virtuelle Teams.<br />

Bei der Betriebsratswahl 2018 erwarten die<br />

Beschäftigten von uns und den Gewerkschaften<br />

zu Recht Orientierung und auch Antworten<br />

auf die Veränderung in der zukünftigen Arbeitswelt.<br />

Gleichzeitig gehen in dieser neuen<br />

Periode ältere Betriebsratsmitglieder von Bord<br />

und neue sollen Verantwortung übernehmen.<br />

Diesen Mitgliedern müssen wir eine längerfristig<br />

verlässliche Perspektive bieten und sie auf<br />

die Aufgaben vorbereiten. Neue Betriebsratsmitglieder<br />

benötigen dabei nicht nur die Basics<br />

wie BetrVG und Tarifverträge. Wir haben<br />

als Gesamtbetriebsrat ein professionelles Entwicklungsprogramm<br />

initiiert. Damit wollen wir<br />

sicherstellen, dass sowohl der Wissenstransfer<br />

als auch die Einbindung in die aktuelle Gremiumsarbeit<br />

funktioniert. Die Kernelemente<br />

dieses Programms sollen die methodische und<br />

persönliche Entwicklung der Betriebsratsmitglieder<br />

fördern. Mentoring sichert die Weitergabe<br />

der unterschiedlichen Wissensbereiche.<br />

Professionelles Coaching unterstützt den persönlichen<br />

Entwicklungsprozess der Mitglieder.<br />

Erfolgreiche Betriebsratsarbeit erfordert auch<br />

eine rechtzeitige Vorbereitung auf den Generationswechsel.<br />

Die Betriebsratswahl 2018 ist für<br />

uns ein wichtiger Anlass, um diesen Wechsel<br />

vorzubereiten und aktiv zu unterstützen.<br />

}}<br />

Horst Kretschmer; Betriebsrat; Merz<br />

Pharma GmbH & Co. KGaA; Frankfurt<br />

Wir befinden uns in einem gesellschaftlichen<br />

Transformationsprozess. Dabei verändern und<br />

prägen gegenwärtig drei große Herausforderungen<br />

– Globalisierung, Digitalisierung und<br />

demografischer Wandel – unsere Arbeitswelt.<br />

In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung,<br />

nicht einseitig die Risiken zu sehen, sondern<br />

vor allem auch Chancen zu erkennen<br />

und zu nutzen. Das Betriebsverfassungsgesetz<br />

bietet den Arbeitnehmervertretungen zahlreiche<br />

Mitwirkungsmöglichkeiten, um Veränderungsprozesse<br />

zu begleiten und proaktiv mit<br />

zu gestalten. Diese Einflussmöglichkeiten gilt<br />

es im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

auszuschöpfen. Gerade junge Menschen,<br />

die noch ein langes Berufsleben vor<br />

sich haben, sollten im eigenen Interesse erkennen,<br />

wie wichtig es ist, dass unsere hohen<br />

Standards – beispielsweise hinsichtlich der<br />

Arbeitssicherheit, des Gesundheitsschutzes<br />

und bei den Arbeitnehmerrechten – erhalten<br />

bleiben. Wenn es uns gelingt, Zusammenhänge<br />

aufzuzeigen und zu verdeutlichen, werden wir<br />

auch verantwortungsbewusste und engagierte<br />

Kolleginnen und Kollegen für die Betriebsratsarbeit<br />

gewinnen.<br />

}}<br />

Christine Peschel; Referentin Mitbestimmungsgremien;<br />

Spie GmbH; Essen<br />

Die Entwicklung der SPIE GmbH zeichnet<br />

sich in den letzten Jahren durch einen dynamischen<br />

Expansionskurs aus. Zudem verändert<br />

sich das Unternehmen strukturell. Beides hat<br />

deutliche Auswirkungen auf die anstehenden<br />

Wahlen und die Betriebsratsarbeit im Allgemeinen.<br />

Außerhalb der turnusgemäßen Wahlen<br />

unterstützt der Konzernbetriebsrat sowohl<br />

betriebsratslose Betriebe bei der Gründung<br />

von Betriebsräten als auch Gesellschaften, die<br />

aufgrund von strukturellen Veränderungen<br />

Neuwahlen durchführen müssen. In diesen<br />

Bereichen gilt es die Herausforderung zu meistern,<br />

engagierte Kolleginnen und Kollegen für<br />

die Betriebsratsarbeit zu gewinnen und eine<br />

Mitbestimmungskultur zu etablieren. In den<br />

»alteingesessenen« Gesellschaften, die über erfahrene<br />

und bereits langjährig aktive Betriebsräte<br />

verfügen, steht eher die Nachfolgeplanung<br />

auf dem Programm. Ein Teil der Betriebsräte,<br />

die dort zurzeit im Amt sind, erreichen noch<br />

vor den Wahlen oder im Laufe der nächsten<br />

Amtszeit das gesetzliche Rentenalter. In beiden<br />

Fällen ist ein aktiver Austausch mit der<br />

Belegschaft unerlässlich. Zudem müssen alle<br />

Beteiligten Antworten auf die Frage finden,<br />

wie eine wirkungsvolle Interessenvertretung<br />

vor dem Hintergrund unternehmensspezifischer<br />

und gesellschaftlicher Entwicklungen<br />

personell aufgestellt sein muss. Die Wege zu<br />

Mit Topsoftware!<br />

Rechtssicher und<br />

fehlerfrei wählen<br />

Berg / Heilmann<br />

Betriebsratswahl 2018<br />

Normales und vereinfachtes Wahlverfahren<br />

Software mit Wahlunterlagen<br />

und Handlungsanleitung<br />

2017. Komplett in einer Mappe<br />

€ 49,90 | ISBN 978-3-7663-6602-3<br />

Erscheint Juni 2017<br />

www.bund-verlag.de/6602<br />

kontakt@bund-verlag.de 35<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


aktuelles Trendmonitor: BR-Wahl 2018<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Besuchen sie jetzt unser<br />

seminar:<br />

Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />

Spezial: Büro- und<br />

Bildschirmarbeit<br />

So erkennen und vermeiden Sie<br />

Gesundheitsrisiken im Büro!<br />

diesen Antworten sind und werden wohl so<br />

unterschiedlich sein, wie die einzelnen Gremien<br />

selbst.<br />

}}<br />

Joachim von Styp; Betriebsrat;<br />

Vorsitzender des Hauptwahlvorstandes;<br />

Bayer AG; Leverkusen<br />

Bedingt durch den Geschäftsjahresrhythmus<br />

der Bayer AG fanden die Aufsichtsratswahlen<br />

bereits im Frühjahr dieses Jahres statt und<br />

entzerren damit den Wahlmarathon der bis<br />

Mai 2018 auch die Betriebsräte im Konzern<br />

erreicht. Für die Mitbestimmungsträger bedeutet<br />

dies eine zusätzliche, dem Tagesgeschäft<br />

der Betriebsräte hinzugefügte Belastung. Der<br />

Dreh- und Angelpunkt ist die Vermittlung der<br />

Mitbestimmungsarbeit in der Belegschaft. Das<br />

geht nur im persönlichen Gespräch, am Arbeitsplatz<br />

und in den Pausen. Hier ist täglich<br />

Überzeugungsarbeit zu leisten. Betriebsräte<br />

haben nichts »zu verkaufen«, daher stehe ich<br />

besonderen Strategieworkshops, die den Mitgliedern<br />

des bestehenden Betriebsrats Marketingfähigkeiten<br />

in unmittelbarer Nähe zu<br />

den Wahlen vermitteln wollen, eher kritisch<br />

gegenüber. Wahlkampf, so wie man ihn aus<br />

dem politischen Umfeld her kennt, macht<br />

Betriebsräte nicht glaubwürdiger. Dennoch<br />

zwingen uns die unterschiedlichen Gruppierungen<br />

links und rechts neben der starken gewerkschaftlichen<br />

Gruppe im Betrieb häufig zu<br />

solchem Trommelrühren. Grundsätzlich halte<br />

ich die Persönlichkeitswahl für die bessere Alternative,<br />

für Gremien in unserem komplexen<br />

Unternehmensumfeld ist dies aber kaum noch<br />

durchsetzbar. Betriebsrat ist ein Wahlamt,<br />

seine Basis sind starke Vertrauensleute im<br />

Betrieb, das macht seine Handlungsfähigkeit<br />

aus. Die Organisation der eigentlichen Wahldurchführung<br />

lassen wir seit Jahren durch erfahrene<br />

externe arbeitsorientierte Berater unterstützen.<br />

Für die Aufsichtsratswahlen haben<br />

wir eine elektronische Wahlaktenführung angeschafft.<br />

Zur Unterstützung für die Prozesse<br />

rund um die Wählerliste benutzen wir das Produkt<br />

VOTUM. Natürlich stehen diese Werkzeuge<br />

auch den Betriebsrats-Wahlvorständen<br />

zur Verfügung. Das ermöglicht uns den Fokus<br />

auf die Inhalte unserer Politik, auf die Präsentation<br />

des Erreichten und die Wichtigkeit der<br />

Schutz- und Gestaltungsfunktion der Beschäftigten<br />

zu halten. Gewerkschaftlich versuchen<br />

wir, die unterschiedlichen Gruppen in den Betrieben,<br />

die Geschlechterquote und die Demografie<br />

zu berücksichtigen. Unserer Erfahrung<br />

nach setzten die Belegschaften gern auf erfahrene<br />

Betriebsratsmitglieder. Daher muss unser<br />

Wahlangebot einen gesunden Mix darstellen.<br />

Wählen in Zeiten des Umbruchs – ein Fazit<br />

Der Tenor des Trendmonitors ist deutlich – die<br />

Zeiten in vielen Unternehmen sind turbulent,<br />

grundlegende Veränderungsprozesse sind in<br />

Gang gesetzt. Die Betriebsräte sehen sich vor<br />

der Herausforderung, ihre Mitbestimmungsrechte<br />

in diesen Veränderungsprozessen wirkungsvoll<br />

wahrzunehmen und die Beschäftigteninteressen<br />

zu sichern. Dabei müssen die<br />

Interessenvertretungen in vielen Unternehmen<br />

im Zuge der anstehenden Betriebsratswahl<br />

auch noch einen Generationswechsel bewältigen.<br />

Es ist offenbar unverändert mühsam, in<br />

ausreichender Zahl geeignete (neue) Kandidaten<br />

für das Wahlamt Betriebsrat zu finden. Diese<br />

Schwierigkeiten verschärfen sich erheblich,<br />

wenn man den Anspruch stellt, dass sich die<br />

Belegschaftsstruktur etwa hinsichtlich Alter<br />

und fachlicher Ausrichtung auch in den Kandidatenlisten<br />

wider spiegeln soll. Sabine Diehl<br />

von der BHF Bank in Frankfurt gibt dazu eine<br />

Anregung zur Förderung der Frauenquoten bei<br />

der Ansprache möglicher Kandidat(inne)n.<br />

Interessante Hinweise auf die Rolle des<br />

Konzerbetriebsrats im Zuge der Wahlvorbereitungen<br />

geben Christine Peschel vom Facilitydienstleistungskonzern<br />

Spie GmbH und Marcell<br />

Witt vom Touristikunternehmen TUI AG.<br />

In beiden Fällen übernimmt der Konzerbetriebsrat<br />

eine wichtige Untersützungsfunktion<br />

bei der Ingangsetzung von Wahlen in solchen<br />

Konzernbetrieben, die bislang nicht über eine<br />

betriebliche Interessenvertretung verfügen.<br />

Bleibt zu hoffen, dass es auch 2018 gelingt,<br />

möglichst viele Beschäftigte zur Stimmabgabe<br />

bei den Betriebsratswahlen zu motivieren. In<br />

den zurückliegenden Wahlen in den Jahren<br />

2010 und 2014 lag die Wahlbeteiligung jeweils<br />

bei ca. 80 Prozent. Eine ähnlich hohe Quote<br />

2018 wäre ein wichtiges und klares Signal für<br />

die Bedeutung, die die Beschäftigten einer institutionalisierten<br />

Interessenvertretung gerade<br />

im Zeichen massiver betrieblicher Veränderungen<br />

zuschreiben. v<br />

Dr. Christof Balkenhol,<br />

(Matrix GmbH) Berater von<br />

Betriebs räten und Gewerkschaften.<br />

C.Balkenhol@matrix-partners.de<br />

Infos und Anmeldung<br />

› www.ifb.de/25<br />

36<br />

Institut zur Fortbildung<br />

von Betriebsräten KG


AiB 7-8 | 2017 Risiken und Nebenwirkungen grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Risiken und<br />

Nebenwirkungen<br />

abmahnung Läuft etwas tatsächlich oder vermeintlich schief im Job,<br />

greifen Arbeitgeber oft zu Abmahnungen oder Ermahnungen.<br />

Was ist der Unterschied und wie können Beschäftigte sich wehren?<br />

VON JAVIER DAVILA CANO<br />

In den Betrieben verbreiten sich Gerüchte<br />

über erteilte Ermahnungen, Abmahnungen<br />

und ihre Konsequenzen wie ein<br />

Lauffeuer. »Wurde der Kollege schon<br />

abgemahnt oder nur ermahnt?« und »Hat der<br />

Betriebsrat dieser Abmahnung zugestimmt?«<br />

sind häufig gestellte Fragen, die dann oftmals<br />

ungeklärt bleiben.<br />

Was ist eine Ermahnung und<br />

was eine Abmahnung?<br />

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts<br />

liegt eine Abmahnung vor, wenn der<br />

Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend<br />

deutlich erkennbaren Art und Weise<br />

Leistungsmängel beanstandet, ihn an seine<br />

vertraglichen Pflichten erinnert (Erinnerungsoder<br />

Hinweisfunktion) und vor Konsequenzen<br />

für das Arbeitsverhältnis bei weiterem Fehlverhalten<br />

warnt, indem er darauf hinweist,<br />

dass im Wiederholungsfalle Inhalt und Bestand<br />

des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind<br />

(Warnfunktion). Vereinfacht gesagt, muss der<br />

Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden,<br />

dass er etwas »falsch« gemacht hat, – wobei<br />

der Arbeitgeber sehr konkret angeben muss,<br />

was genau der Arbeitnehmer falsch gemacht<br />

haben soll – wie er es hätte richtiger/besser<br />

machen können und sollen/müssen und dass<br />

er im Wiederholungsfall damit rechnen muss,<br />

gekündigt zu werden. Fehlt die Androhung der<br />

Kündigung, so spricht man in der Praxis nicht<br />

von einer kündigungsrelevanten Abmahnung,<br />

sondern von einer bloßen Ermahnung, die als<br />

Vertragsrüge, Verwarnung oder Beanstandung<br />

zu verstehen ist. Eine solche Ermahnung stellt<br />

gegenüber der Abmahnung ein milderes Mittel<br />

der Reaktion des Arbeitgebers auf eine Vertragspflichtverletzung<br />

des Arbeitnehmers dar.<br />

Im Folgenden wird nur auf die »Abmahnung«<br />

Bezug genommen; die Darstellung gilt<br />

jedoch ebenso für den Fall der Ermahnung.<br />

Anlass für eine Abmahnung<br />

Grundsätzlich kann jeder Verstoß des Arbeitnehmers<br />

gegen seine vertraglichen und gesetzlichen<br />

Haupt- und/oder Nebenpflichten zu<br />

einer Abmahnung führen. Voraussetzung ist<br />

jedoch stets, dass es eine Pflicht gibt, gegen die<br />

der Arbeitnehmer verstoßen hat. Beispielweise<br />

hat der Beschäftigte die Pflicht, pünktlich am<br />

Arbeitsplatz zu erscheinen. Kommt er zu spät<br />

zur Arbeit, liegt ein Fehlverhalten vor, das den<br />

Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, den Arbeitnehmer<br />

abzumahnen. Verbietet der Arbeitgeber<br />

beispielsweise allgemein das Trinken am<br />

Arbeitsplatz, kann er einen Arbeitnehmer, den<br />

er mit einem Getränk am Arbeitsplatz antrifft,<br />

abmahnen, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer<br />

das Getränk nicht verschüttet hat<br />

und keinen Schaden angerichtet hat.<br />

Wann ist eine Abmahnung rechtswidrig?<br />

Eine Abmahnung kann aber auch rechtswidrig<br />

sein. Das ist dann möglich, wenn der Arbeitgeber<br />

von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage<br />

ausgeht – zum Beispiel, wenn die vom<br />

Arbeitgeber angenommene Pflichtverletzung<br />

der Sache nach zwar abmahnungswürdig ist,<br />

darum geht es<br />

1. Bei Abmahnung und<br />

Ermahnung wird ein Fehlverhalten<br />

des Beschäftigten<br />

beanstandet.<br />

2. Beschäftigte können<br />

eine Gegendarstellung<br />

für die Personalakte<br />

verfassen. Daneben<br />

ist eine Klage vor dem<br />

Arbeits gericht möglich.<br />

3. Im Unterschied zur<br />

Kündigung muss der<br />

Betriebsrat bei Abmahnungen<br />

nicht an gehört<br />

werden.<br />

37


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Risiken und Nebenwirkungen<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Sind Beschäftigte mit<br />

einer Abmahnung nicht<br />

einverstanden, sollten<br />

sie eine Gegendarstellung<br />

machen und<br />

darauf bestehen, dass<br />

diese zur Personalakte<br />

genommen wird.<br />

Abmahnung –<br />

oft unterschätzt<br />

Ariane Mandalka<br />

Abmahnung<br />

Ratgeber für Arbeitnehmer und ihre<br />

Interessenvertretung<br />

2015. 207 Seiten, kartoniert<br />

€ 19,90<br />

ISBN: 978-3-7663-6478-4<br />

www.bund-verlag.de/6478<br />

der Arbeitnehmer aber diese Pflichtverletzung<br />

nicht begangen hat. Das ist etwa der Fall, wenn<br />

der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer A vorwirft,<br />

Ware beschädigt zu haben, obwohl in Wirklichkeit<br />

der Arbeitnehmer B die Ware beschädigt<br />

hatte. Die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung<br />

kann aber auch auf einer unzutreffenden rechtlichen<br />

Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers<br />

durch den Arbeitgeber beruhen. Das<br />

wäre dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer<br />

das beanstandete Verhalten zwar nachweisbar<br />

begangen hat, dieses aber entgegen der Auffassung<br />

des Arbeitgebers vertragsgemäß ist. Ein<br />

solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der<br />

Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der um 9:00<br />

Uhr zur Arbeit kommt, mit der Begründung<br />

abmahnt, er sei zu spät gekommen, weil er um<br />

8:00 Uhr hätte anfangen müssen. Der Arbeitnehmer<br />

hat aber eine Gleitzeitvereinbarung,<br />

wonach er berechtigt ist, zwischen 8:00 Uhr<br />

und 9:30 Uhr seine Arbeit aufzunehmen.<br />

Die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung<br />

kann aber auch aus rein formellen Gründen<br />

in Betracht kommen. Der Inhalt einer Abmahnung<br />

folgt aus ihrer Funktion. Der Betroffene<br />

muss der Abmahnung zweifelsfrei entnehmen<br />

können, was ihm vorgeworfen wird, wie er<br />

sein Verhalten in Zukunft einzurichten hat<br />

und welche Sanktionen ihm drohen, wenn<br />

er sich nicht entsprechend verhält. Der Arbeitgeber<br />

muss den gerügten Vorfall einzeln<br />

konkret mit Datum und gegegebenfalls der<br />

Uhrzeit schildern. Denn nur so kann sich der<br />

Arbeitnehmer gegen unberechtigte Vorwürfe<br />

zur Wehr setzen. Gibt der Arbeitgeber nur<br />

pauschal an, »wir mahnen Sie ab, weil Sie zu<br />

spät zur Arbeit gekommen sind«, ist die Abmahnung<br />

nicht hinreichend konkret und damit<br />

unwirksam.<br />

Wie können Beschäftigte sich wehren?<br />

Hat ein Beschäftigter eine Abmahnung erhalten<br />

und will diese nicht tatenlos hinnehmen, gibt es<br />

mehrere Reaktionsmöglichkeiten und -stufen.<br />

Die mildeste Reaktionsmöglichkeit ist das Erstellen<br />

einer sogenannten »Gegendarstellung«.<br />

Der Arbeitnehmer schreibt dem Arbeitgeber<br />

seine Sicht der Dinge auf und erläutert, weshalb<br />

die Abmahnung zu Unrecht erteilt wurde. Entscheidet<br />

sich die Beschäftigte für eine Gegendarstellung,<br />

sollte sie darauf bestehen, dass die<br />

Gegendarstellung ebenfalls zur Personalakte<br />

genommen wird. Es empfiehlt sich auch, nach<br />

einer gewissen Zeit, Einblick in die Personalakte<br />

zu nehmen, um zu prüfen, ob die Abmahnung<br />

und die Gegendarstellung tatsächlich zur<br />

Personalakte genommen wurden.<br />

Im Falle einer aus Arbeitnehmersicht unberechtigten<br />

Abmahnung kann der Arbeitnehmer<br />

sich auch durch Erhebung einer Klage auf Entfernung<br />

der Abmahnung aus der Personalakte<br />

zur Wehr setzen. Der Prozess auf Entfernung<br />

der Abmahnung aus der Personalakte dauert<br />

im Regelfall circa vier bis sechs Monate. Das<br />

Gericht prüft, ob die Abmahnung berechtigt ist<br />

und gibt – im Falle ihrer Unwirksamkeit – dem<br />

Arbeitgeber auf, die Abmahnung aus der Personalakte<br />

zu entfernen. Die Darlegungs- und<br />

Beweislast für die Wahrheit der in der Abmah­<br />

kontakt@bund-verlag.de<br />

38<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


Luchterhand Verlag<br />

NEU<br />

AiB 7-8 | 2017 Risiken und Nebenwirkungen grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

nung aufgestellten Tatsachenbehauptungen<br />

trägt der Arbeitgeber. Wirft der Arbeitgeber<br />

dem Arbeitnehmer beispielsweise vor, zu spät<br />

zur Arbeit gekommen zu sein, muss der Arbeitgeber<br />

die Verspätung bei Gericht beweisen.<br />

Beruft sich der Arbeitnehmer auf einen Rechtfertigungsgrund,<br />

beispielsweise, dass er mit<br />

Zustimmung seines Vorgesetzten, seine Arbeit<br />

später aufnehmen durfte, muss der Arbeitnehmer<br />

bei Gericht darlegen und beweisen, dass er<br />

diese Zustimmung tatsächlich hatte. Nachteil<br />

eines gerichtlichen Verfahrens auf Entfernung<br />

der Abmahnung aus der Personalakte aus Arbeitnehmersicht<br />

ist allerdings – wie in den übrigen<br />

arbeitsgerichtlichen Verfahren auch – die<br />

Kostenregelung in § 12a Arbeitsgerichtsgesetz<br />

(ArbGG). Danach muss in der ersten Gerichtsinstanz<br />

jede Partei ihre eigenen Rechtsanwaltskosten<br />

– unabhängig davon ob man gewinnt<br />

oder unterliegt – selber tragen. Wie hoch die<br />

Kosten sind, richtet sich nach dem Streitwert,<br />

der für die meisten gerichtlichen Verfahren<br />

festgesetzt wird. Für eine Klage auf Entfernung<br />

einer Abmahnung aus der Personalakte wird<br />

überwiegend ein Bruttomonatsgehalt als Streitwert<br />

zugrunde gelegt.<br />

»Eine Abmahnung<br />

ist unwirksam,<br />

wenn sie lediglich<br />

pau schale Vorwürfe<br />

beinhaltet.«<br />

JAVIER DAVILA CANO<br />

In der arbeitsgerichtlichen Praxis erledigen<br />

sich die Prozesse auf Entfernung der Abmahnung<br />

aus der Personalakte häufig durch einen<br />

Vergleich: Die Abmahnung bleibt bis zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt in der Personalakte und<br />

wird dann ersatzlos entfernt.<br />

Wenn die Abmahnung unwirksam ist, der<br />

Arbeitnehmer aber keine Möglichkeit hat, dies<br />

bei Gericht zu beweisen oder dem Arbeitnehmer<br />

das Führen eines Verfahrens schlichtweg<br />

zu teuer ist, kann er die Abmahnung in der<br />

Personalakte belassen. Damit gibt der Arbeitnehmer<br />

nicht zu verstehen, dass er die Abmahnung<br />

akzeptiert oder dass diese berechtigt<br />

ist. Spricht der Arbeitgeber zu einem späteren<br />

Zeitpunkt eine Kündigung mit der Begründung<br />

aus, »es ist nicht das erste Mal, dass der Arbeitnehmer<br />

eine derartige Verfehlung an den Tag<br />

legt«, muss das Gericht inzident in diesem Verfahren<br />

prüfen, ob die Abmahnung aus der Vergangenheit<br />

auch wirksam ist. In einem solchen<br />

Verfahren muss der Arbeitgeber darlegen und<br />

beweisen, dass die Abmahnung wirksam ist.<br />

Nachteil dieser Vorgehensweise ist allerdings,<br />

dass die Abmahnung in der Personalakte –<br />

auch wenn sie unberechtigt ist – ein negatives<br />

Bild des Arbeitnehmers gibt. Eine unberechtigte<br />

Abmahnung kann im Einzelfall die Grundlage<br />

für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers<br />

sein. Dies kann sich dann beispielsweise<br />

bei innerbetrieblichen Bewerbungen oder Auswahlverfahren<br />

negativ auswirken.<br />

Mitbestimmung des Betriebsrats<br />

In der Praxis hört man auch gelegentlich »Die<br />

M<br />

Abmahnung ist unwirksam, weil der Betriebsrat<br />

nicht zuvor angehört wurde.« Auch hierbei<br />

Y<br />

handelt es sich um einen Irrtum. Die CMitbe­<br />

stimmungsrechte des Betriebsrats ergeben sich<br />

MY<br />

aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).<br />

CY<br />

Dort ist insbesondere in § 102 Abs. 1 BetrVG<br />

CMY<br />

geregelt, dass der Betriebsrat vor Ausspruch<br />

einer Kündigung anzuhören ist und dass K die<br />

ohne vorherige Betriebsratsanhörung ausgesprochene<br />

Kündigung unwirksam ist. Für Abmahnungen<br />

gibt es keine vergleichbare Regelung<br />

im BetrVG, so dass der Betriebsrat bei der<br />

Erteilung von Abmahnungen nicht zu beteiligen<br />

ist. Die in der Praxis häufig gestellte Frage,<br />

ob der Betriebsrat über § 80 Abs. 2 BetrVG zumindest<br />

einen Anspruch hat, über jede erteilte<br />

Abmahnung informiert zu werden, hat das<br />

Bundesarbeitsgericht (BAG) jüngst mit einem<br />

Beschluss verneint. 1 Der Betriebsrat hat nach<br />

dieser Entscheidung keinen Anspruch darauf,<br />

dass ihm alle ab einem bestimmten Zeitpunkt<br />

erteilten Abmahnungen, mit Ausnahme des<br />

Bereichs der leitenden Angestellten und der<br />

Geschäftsführung, in anonymisierter Form<br />

vorgelegt werden. v<br />

1 BAG 17.9.2013 – 1 ABR 26/12.<br />

Javier Davila Cano, Rechtsanwalt<br />

und Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />

CNH-Anwälte in Essen.<br />

www.BR-Anwälte/Essen<br />

C<br />

C<br />

M<br />

Y<br />

CM<br />

MY<br />

CY<br />

CMY<br />

K<br />

Der Klassiker<br />

zur Einigungsstelle<br />

in der 7. Auflage<br />

Aus der Praxis für die Praxis!<br />

Auch in der 7. Auflage bietet das Buch<br />

das komplette Handwerkszeug für die<br />

Einigungsstelle. Alle Beteiligten finden<br />

wertvolle Hinweise und Anregungen<br />

für jedes Stadium des Verfahrens, egal<br />

ob Standard- oder Sonderfall.<br />

Das Buch gliedert sich in drei Teile:<br />

Das Verfahren vor der Einigungsstelle<br />

von der Anbahnung bis zum<br />

Abschluss<br />

Eine Kurzkommentierung sämtlicher<br />

Regelungsgegenstände<br />

der Einigungsstelle jeweils mit<br />

speziellen Praxistipps<br />

Zahlreiche Textbeispiele sämtlich<br />

aus der Praxis des Autors<br />

Besondere Schwerpunkte bilden<br />

in der 7. Auflage:<br />

technische Einrichtungen<br />

Gesundheitsschutz<br />

Berechnungs- und Haftungsdurchgriff<br />

beim Sozialplan<br />

Entwurf einer Vergütungsordnung<br />

Das Werk steht im Volltext inklusive<br />

zitierter Rechtsprechung und<br />

Vorschriften auch online zur Verfügung.<br />

Der Autor:<br />

Martin Wenning-Morgenthaler,<br />

Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht<br />

Berlin-Brandenburg, verfügt<br />

über mehr als 30 Jahre kontinuierliche<br />

Einigungsstellenerfahrung und hat als<br />

Vorsitzender bereits ca. 300 Einigungsstellenverfahren<br />

aller Themenbereiche<br />

geleitet.<br />

Wenning-Morgenthaler<br />

Die Einigungsstelle<br />

Leitfaden für die Praxis<br />

7. Aufl. 2017, 566 Seiten<br />

Gebunden, € 64, --<br />

ISBN 978-3472089681<br />

Wolters Kluver Deutschland GmbH<br />

Kundenservice<br />

Heddesdorfer Str. 31 a · 56564 Neuwied<br />

Fon 02631 8012222 · Fax 02631 8012223<br />

info-wkd@wolterskluwer.com<br />

www.wolterskluwer.de<br />

39


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Körperliche Arbeitsbelastung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Körperliche<br />

Arbeitsbelastung<br />

era In der Industrieproduktion sind körperliche Belastungen<br />

immer noch weit verbreitet. Betriebsräte nutzten die Einführung<br />

einer Belastungszulage, um mehr Entgeltgerechtigkeit mit<br />

Belastungsabbau zu verbinden.<br />

VON WALTER MUGLER UND RAINER SALM<br />

darum geht es<br />

1. Die ERA-Belastungszulage<br />

macht die immer<br />

noch große Bedeutung<br />

körperlicher Belastungen<br />

in der Industrie sichtbar.<br />

2. Durch mehr Kostentransparenz<br />

entsteht für<br />

Arbeitgeber ein Anreiz<br />

zum Belastungsabbau.<br />

3. Betriebsräte spielen<br />

eine wichtige Rolle,<br />

um sowohl Entgeltgerechtigkeit<br />

als auch<br />

Abbau vor Bezahlung<br />

durchzusetzen.<br />

Die Zunahme psychischer Belastungen<br />

beherrscht die öffentliche<br />

Diskussion. Aber zumindest in<br />

den Produktionsbereichen der<br />

Industrie werden weiterhin in bemerkenswertem<br />

Umfang körperliche Belastungen<br />

festgestellt und Zulagen zu deren Abgeltung<br />

bezahlt. Zehn Jahre nach Einführung des neuen<br />

Entgeltrahmentarifvertrages (ERA) in der<br />

Metall- und Elektroindustrie Baden-Württembergs<br />

wurden die Langzeitwirkungen dieser<br />

Tarifreform ausgewertet. 1 In einem Teilprojekt<br />

untersuchten wir die mit ERA eingeführte Belastungszulage.<br />

2 Sie ersetzt die vorherigen Belastungslohngruppen<br />

und betrifft wie vorher<br />

die Belastungsarten Lärm, Muskelbelastungen,<br />

Umgebungsbelastungen und Reizarmut.<br />

Psychische Belastungen konnten nicht als entgeltwirksam<br />

vereinbart werden.<br />

Verbreitung von Belastungszulagen<br />

Unsere Auswertung einer Parallelbefragung<br />

von Betriebsräten und Personalmanagern 3<br />

zeigt in Verbindung mit über 20 Fallstudien<br />

und der Verdienststatistik des Arbeitgeberverbandes<br />

folgendes Bild:<br />

··<br />

In 72 Prozent der Betriebe wurden inzwischen<br />

eigenen Belastungsbewertungen für<br />

die Zulagenermittlung durchgeführt.<br />

··<br />

In 62 Prozent der Betriebe werden Belastungszulagen<br />

bezahlt, in Betrieben mit mehr<br />

als 500 Beschäftigten sogar in drei Viertel<br />

der Betriebe (vgl. Grafik auf Seite 43).<br />

··<br />

Belastungszulagen werden fast ausschließlich<br />

in Produktionsbereichen bezahlt, dort<br />

allerdings jetzt auch für Angestellte.<br />

··<br />

30 Prozent der Beschäftigten in Produktionsbereichen<br />

erhalten Belastungszulagen<br />

(bezogen auf Betriebe, in denen Zulagen<br />

ermittelt und bezahlt wurden). Die Zulagen<br />

konzentrieren sich bei gehobenen Anlerngruppen<br />

und niedrigen Facharbeitergruppen.<br />

Teilweise erhalten auch höhere<br />

Fachkräfte, Meister und akademisch Ausgebildete<br />

Zulagen.<br />

··<br />

In 62 Prozent der Betriebe wird die erste der<br />

vier möglichen Zulagenstufen am häufigsten<br />

vergeben. In 28 Prozent der Betriebe wird<br />

die zweite Stufe am häufigsten vergeben.<br />

··<br />

Der Anteil der Beschäftigten mit Zulagen<br />

hängt stark von der Teilbranche ab: Autoindustrie<br />

und Maschinenbau liegen im Durchschnitt,<br />

Elektrotechnik und Feinmechanik<br />

deutlich darunter. Gießereien und Stahlverformung<br />

liegen deutlich darüber, nur dort<br />

werden auch die vierte und fünfte Belastungsstufe<br />

ausbezahlt.<br />

··<br />

84 Prozent der Betriebe bezahlen Zulagen<br />

wegen Lärm, 55 Prozent wegen Muskel-<br />

und 53 Prozent wegen Umgebungsbelastungen<br />

(z. B. Schmutz / Öl, Hitze / Kälte,<br />

Gase / Staub, Blendung/Lichtmangel, Unfallgefahr<br />

/ Schutzkleidung). Reizarmut spielt<br />

nur in 10 Prozent der Betriebe eine Rolle.<br />

··<br />

51 Prozent der Betriebe nahm bereits Änderungen<br />

an den Zulagen vor, entweder durch<br />

neue oder wegfallende Belastungen oder<br />

weil Beschäftigte reklamierten. Das Bewertungssystem<br />

wird somit gelebt.<br />

40<br />

1 Ergebnisübersicht in R. Bahnmüller / M. Hoppe: »Ten years after«<br />

in WSI-Mitteilungen 8/2016, S. 631 – 640.<br />

2 Das Teilprojekt Belastungsbewertung wurde vom IMU-Institut<br />

Stuttgart als Projektpartner des Forschungsinstituts für Arbeit,<br />

Technik und Kultur an der Uni Tübingen bearbeitet.<br />

3 Zur besseren Lesbarkeit zitieren wir hier nur Daten aus der<br />

BR-Umfrage. Die Daten der PM-Befragung bestätigen in allen<br />

hier zitierten Fragen unsere Befunde. Detaillierte Daten werden<br />

demnächst veröffentlicht als Studie der Hans-Böckler-Stiftung.


AiB 7-8 | 2017 Körperliche Arbeitsbelastung grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Körperliche Belastungen als wichtiges<br />

gewerkschaftliches Handlungsfeld<br />

In den Tarifverhandlungen hatten die Arbeitgeber<br />

argumentiert, dass eine Belastungszulage<br />

keinen Sinn mache, weil körperliche Belastungen<br />

in der Industrie nur noch in Ausnahmefällen<br />

eine Rolle spielen. Der Befund, dass aktuell<br />

bei einem Drittel der Produktionsbeschäftigten<br />

bezahlungswirksame Belastungen bestehen<br />

zeigt, dass die IG Metall gut beraten war, dies<br />

tarifliche Handlungsfeld nicht aufzugeben. Bezahlte<br />

Belastungszulagen sind einerseits ein gutes<br />

Maß für tatsächlich vorhandene Belastungen.<br />

Allerdings gibt es eine Dunkelziffer von<br />

nicht erhobenen oder nicht als entgeltwirksam<br />

bewerteten Belastungen vor allem dort, wo<br />

Betriebsräte dies nicht einforderten. Da in der<br />

Hälfte der Betriebe unter 250 Beschäftigten<br />

keine Belastungsermittlungen stattfanden, vermuten<br />

wir gerade dort eine Erhebungslücke,<br />

weil in Kleinbetrieben häufig weder im Betriebsrat<br />

noch beim Arbeitgeber spezialisierte<br />

Personen und entsprechende Abläufe für die<br />

Belastungserhebung vorhanden sind. Für Gewerkschaften<br />

und Betriebsräte zeigen die überraschend<br />

hohen Belastungsanteile einerseits,<br />

dass es (auch aus Geldgründen) notwendig ist,<br />

sich um das Thema körperliche Belastungen<br />

in der Produktion zu kümmern. Die aktuell zu<br />

beobachtende Fokussierung auf psychische Belastungen<br />

wird den realen Bedingungen in den<br />

meisten Betrieben nicht gerecht.<br />

Andererseits zeigen unsere Ergebnisse aber<br />

auch Schwierigkeiten im Handlungsfeld körperlicher<br />

Belastungen. Da der Anteil der Produktionsbeschäftigten<br />

abnimmt, verliert das<br />

Thema in vielen Gremien an Bedeutung. Befragte<br />

Betriebsräte berichteten auch, dass die<br />

Kompetenz für körperliche Belastungen in<br />

den Gremien ein personengebundenes Expertenthema<br />

und oft vom Aussterben bedroht ist.<br />

Unsere Umfrageergebnisse zeigen auch, dass<br />

im Betriebsratsgremium der Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />

einen sehr hohen Stellenwert<br />

hat, die Belastungsbewertung für die ERA-Belastungsvergütung<br />

dagegen einen sehr niedrigen.<br />

Eine bessere Zusammenarbeit zwischen<br />

Entgeltpolitikern und Arbeitsschützern in den<br />

Interessenvertretungen könnte hier notwendig<br />

und erfolgversprechend sein.<br />

Betriebliche Belastung neu bewertet<br />

Aus Anlass der ERA-Einführung mussten die<br />

im Betrieb vorhandenen Belastungen neu bewertet<br />

(und dafür teilweise erstmals systematisch<br />

erfasst) werden, um sie den tariflichen<br />

Zulagen-Stufen »mittlere« (nicht zulagenfähig),<br />

»höhere« (erste Stufe) und »hohe« Belastung<br />

(zweite Stufe) zuzuordnen. Meist wurde<br />

diese Erhebung nur in vermuteten Problembereichen,<br />

in einem Viertel der Betriebe aber<br />

flächendeckend durchgeführt. In 36 Prozent<br />

der Betriebe gab es dabei eine Verknüpfung mit<br />

der Gefährdungsbeurteilung. Da für die Stufen­<br />

Beschäftigte in<br />

Produktions betrieben<br />

sind oft Umgebungsbelastungen<br />

wie Hitze<br />

ausgesetzt. Hierfür gibt<br />

es von 53 Prozent der<br />

Betriebe Zulagen.<br />

41


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Körperliche Arbeitsbelastung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Auch auf Arbeitgeberseite führt die neue Zulage<br />

zu mehr Kostentransparenz und damit zu<br />

einem Anreiz zum Belastungsabbau. Es gibt<br />

Beispiele, in denen der Abbau von Belastung<br />

zum Bestandteil von Zielvereinbarungen für<br />

Führungskräfte wurde. Ein Personalverantwortlicher<br />

sagte uns: »Vorgesetzte, bei denen<br />

zu viel Geld für Belastungszulagen ausgegeben<br />

wird, bekommen Probleme mit ihrem<br />

Chef.« Zu selten wird allerdings schon in der<br />

Planungsphase neuer Produktionsanlagen ein<br />

Belastungscheck vorgenommen, der die Belasgut<br />

zu wissen<br />

··<br />

Die Zulagenermittlung<br />

kann mit der Gefährdungsbeurteilung<br />

körperlicher<br />

Belastungen<br />

verbunden werden.<br />

··<br />

Betriebsvereinbarungen<br />

konkretisieren häufig die<br />

Bewertung der tariflichen<br />

Belastungsarten.<br />

··<br />

Abbau vor Bezahlung<br />

findet vor allem dann<br />

statt, wenn Betriebsräte<br />

und Arbeitgebervertreter<br />

eine gemeinsame<br />

Arbeitsgrundlage finden.<br />

··<br />

Erfolgreich sind Betriebsräte<br />

dann, wenn<br />

Arbeitsschützer und<br />

Entgeltpolitiker gut<br />

zusammenwirken.<br />

leitmerkmalmethode<br />

Die Leitmerkmalmethode<br />

ist ein Werkzeug<br />

zur Ermittlung der<br />

tatsächlich (objektiv)<br />

vorhandenen physischen<br />

Arbeits belastung. Derzeit<br />

existieren drei Leitmerkmalmethoden<br />

für die<br />

Belastungsarten »Heben,<br />

Halten und Tragen von<br />

Lasten«, »Ziehen und<br />

Schieben von Lasten«<br />

und »manuelle Arbeitsprozesse«.<br />

(Quelle: Wikipedia)<br />

zuordnung in ERA nur beim Lärm ein eindeutiger<br />

Schwellenwert mit Messverfahren vorgeschrieben<br />

ist (über 82 bzw. 86 dB(A)), mussten<br />

auslegbare Begriffe wie »mittelschwere Arbeit<br />

in ungünstiger Körperhaltung« betrieblich konkretisiert<br />

werden. Dafür wurden unterschiedliche<br />

Wege beschritten: 38 Prozent der Betriebe<br />

benutzten die vorhandenen Belastungspunkte<br />

nach dem alten Tarifvertrag, um die neuen<br />

Stufen zu ermitteln. Zur Ermittlung und Bewertung<br />

der Muskelbelastungen wurden in 39<br />

Prozent der Betriebe arbeitswissenschaftliche<br />

Checklisten der Leitmerkmalmethoden (s. Erklärung<br />

in Randspalte) benutzt. In 32 Prozent<br />

der Betriebe wurden eigene Betriebsvereinbarungen<br />

über den die Konkretisierung der Zulagenermittlung<br />

abgeschlossen. In Betrieben<br />

mit über 500 Beschäftigten machten sogar fast<br />

die Hälfte von dieser tariflich vorgesehenen<br />

Möglichkeit Gebrauch (vgl. Grafik). In solchen<br />

Betriebsvereinbarungen wurden beispielsweise<br />

die Ermittlungsverfahren oder die Umrechnungsfaktoren<br />

vereinbart, mit denen die alten<br />

Belastungspunkte oder die Gefährdungsstufen<br />

der Gefährdungsbeurteilung in Zulagenstufen<br />

umgewandelt werden. Dabei wurden kreative<br />

betriebsspezifische Lösungen gefunden. In<br />

einem Elektro-Unternehmen setzte beispielsweise<br />

der Betriebsrat eine Änderung der Erhebungsmethode<br />

durch, sodass auch durch<br />

Belastung kleiner Muskelgruppen bei kurzzyklischen<br />

Montagetätigkeiten Zulagenstufen erreicht<br />

wurden und nicht nur durch schweres<br />

Heben und Tragen.<br />

Gelungener Systemwechsel ...<br />

Im alten Tarifvertrag konnte die Lohngruppe<br />

durch Belastungspunkte um bis zu drei<br />

Entgeltgruppen erhöht werden (von insgesamt<br />

zwölf). Dies hatte zwei Nachteile:<br />

1. Es war ungerecht, weil die gleiche Belastung<br />

für Angelernte zu wesentlich niedrigeren<br />

Geldbeträgen führte als für Facharbeiter<br />

(wegen der im oberen Bereich höheren Entgelt-Abstände<br />

zwischen den Lohngruppen).<br />

Der Unterschied konnte bis zu 400 € betragen.<br />

2. Die teilweise hohen Geldbeträge verschärften<br />

den Zielkonflikt zwischen Belastungsabbau<br />

und Entgeltsicherung, zumal den Beschäftigten<br />

der Belastungsanteil am Entgelt meist<br />

nicht bekannt war. Durch ERA wurde eine für<br />

alle Entgeltgruppen gleiche Belastungszulage<br />

eingeführt, die für eine Belastungsart eine oder<br />

maximal zwei Stufen von je 75 € umfasste, für<br />

mehrere Belastungsarten kann die Summe maximal<br />

vier Stufen erreichen, in Gießereien fünf.<br />

Durch diese Deckelung wurde der genannte<br />

Zielkonflikt etwas entschärft. Erstmals waren<br />

solche Zulagen auch für Angestellte möglich.<br />

Obwohl mit dem Systemwechsel teilweise<br />

schmerzhafte Entgeltänderungen verbunden<br />

waren, zeigen sich die Betriebsräte in der Umfrage<br />

überwiegend zufrieden mit der Realisierung<br />

des Grundsatzes »gleicher Geldbetrag für<br />

gleiche Belastung« durch die neue Zulage.<br />

... Ziel bleibt: Abbau vor Bezahlung<br />

Betriebsräte berichten, dass Beschäftigte den<br />

Abbau der Zulage dann akzeptieren, wenn<br />

der Belastungsabbau für sie deutlich spürbar<br />

ist und wenn sie am Prozess beteiligt waren.<br />

Hilfreich ist dabei, dass mit der transparenten<br />

Zulage den Beschäftigten der Belastungsanteil<br />

am Entgelt jetzt bekannt ist.<br />

»Vorgesetzte, bei<br />

denen zu viel Geld<br />

für Belastungszulagen<br />

ausgegeben<br />

wird, bekommen<br />

Probleme<br />

mit ihrem Chef.«<br />

PERSONALVERANTWORTLICHER<br />

IM INTERVIEW<br />

42


AiB 7-8 | 2017 Körperliche Arbeitsbelastung grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

49<br />

66<br />

Betriebe mit<br />

ERA-Belastungszulagen<br />

(Basis: alle Betriebe)<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

tungskosten berücksichtigt – auch wenn der<br />

Arbeitgeberverband das Motto »Vermeidung<br />

vor Bezahlung« ausgegeben hat.<br />

Ein Problem sind Scheinentlastungen aus<br />

Entgeltgründen. Wenn der Lärm um 1 dB(A)<br />

unter die Zulagenschwelle gedrückt wird, ist<br />

für die Beschäftigten die Entlastung kaum<br />

spürbar. Problematisch können auch Rotationsregelungen<br />

zwischen belasteten und weniger<br />

belasteten Arbeitsplätzen sein, wenn im betrieblichen<br />

Alltag die Rotation immer wieder<br />

nicht stattfinden kann, aber die Zulage entfällt.<br />

Werden Betriebsräte hier aktiv, haben sie mit<br />

der Wiedereinführung der Zulage ein gutes<br />

Drohpotential, um eine spürbare Entlastung<br />

tatsächlich durchzusetzen.<br />

Kooperation ist möglich und nötig<br />

71<br />

Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberseite<br />

und Betriebsrat bei der Belastungsbewertung<br />

wird in der Umfrage von beiden Seiten<br />

besonders häufig als gut oder sehr gut eingeschätzt,<br />

deutlich häufiger als beim Grundoder<br />

Leistungsentgelt. Nur in 10 Prozent der<br />

Betriebe gab es häufig Konflikte. Grundlage<br />

dafür ist offenbar die von beiden Seiten vertretene<br />

Linie »Abbau vor Bezahlung« und das<br />

gemeinsame Interesse an Entgeltgerechtigkeit,<br />

hinter dem Verteilungskonflikte in den Hintergrund<br />

treten. Unterstützt wird die Kooperation<br />

auch durch einen Wechsel der Akteure<br />

auf der Arbeitgeberseite: In vielen Betrieben<br />

84<br />

grafik zur auswertung<br />

14<br />

21<br />

46<br />

48<br />

Betriebe mit BV zu<br />

ERA-Belastungszulagen<br />

(Basis: Betriebe mit Zulagen)<br />

0 – 249<br />

250 – 499<br />

500 – 999<br />

1000 und mehr<br />

Betriebe mit Verbindung zu<br />

Gefährdungsbeurteilung<br />

(Basis: Betriebe mit Zulagen)<br />

ermitteln jetzt die Arbeitsschützer die Belastungszulage,<br />

während die früheren Belastungslohngruppen<br />

von den Lohnspezialisten des<br />

Personalbereiches ermittelt wurden. Mehrfach<br />

wurde berichtet, dass beide Seiten gemeinsam<br />

versuchen, die Vorgesetzten zum Belastungsabbau<br />

zu drängen. So wurde beispielsweise für<br />

einen Kranfahrer im Hochregallager eine Zulage<br />

wegen Reizarmut verabredet, nur um den<br />

Vorgesetzten zu einer Rotation mit der weniger<br />

isolierten Arbeit in der Kommissionierung<br />

zu drängen. Auf Seite der Betriebsräte bleibt<br />

allerdings häufig die starke Arbeitsteilung<br />

zwischen Arbeitsschützern und »Lohnschlossern«<br />

erhalten. Dadurch wird die Chance vergeben,<br />

die »Entgeltpeitsche« auch für den Arbeitsschutz<br />

zu nutzen. Besonders erfolgreich<br />

sind Betriebsräte dann, wenn Arbeitsschützer<br />

und Entgeltpolitiker gut zusammenwirken. v<br />

Walter Mugler,<br />

arbeitsorientierter Forscher und<br />

Berater, IMU-Institut Stuttgart.<br />

wmugler@imu-institut.de<br />

Rainer Salm,<br />

arbeitsorientierter Forscher und<br />

Berater, IMU-Institut Stuttgart.<br />

rsalm@imu-institut.de<br />

Beide waren als Gewerkschaftssekretär bzw.<br />

BR-Vorsitzender an Konzeption und Einführung<br />

von ERA beteiligt.<br />

43<br />

38<br />

33<br />

28<br />

1. JAHRGANG<br />

ISSN 2511-5995<br />

Schwerbehindertenrecht<br />

und Inklusion<br />

1 | 2017<br />

informationsdienst für schwerbehindertenvertreter,<br />

betriebs- und personalräte<br />

titelthema Die neue Inklusionsvereinbarung<br />

nach dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) | Seite 2<br />

Bestellen Sie jetzt Ihr kostenloses Probe-Abo:<br />

www.infodienst-sbv.de/probeabo<br />

Schnell Bescheid wissen.<br />

Richtig handeln.<br />

infodienst-sbv.de<br />

Bundesteilhabegesetz: Mehr Rechte<br />

für das Ehrenamt | Seite 5<br />

Psychische Erkrankungen: Schnellere Erstbehandlung<br />

nun ein Vorteil im BEM | Seite 6<br />

Vor der Wahl 2018: Der Tätigkeitsbericht | Seite 7<br />

Rechtsprechung: Aufstocken der Arbeitszeit<br />

schwerbehinderter Arbeitnehmer | Seite 8<br />

Der neue Informationsdienst<br />

» Schwerbehindertenrecht und Inklusion«<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

43<br />

das Bundesteilhabegesetz ist da. Mit vielen Neuerungen<br />

im Sozialrecht, die bis zum Januar 2023 stufenweise<br />

in Kraft treten. In unserem Informationsdienst<br />

»Schwerbehindertenrecht und Inklusion« zeigen wir<br />

Ihnen, was sich rechtlich ändert und wie sich das auf<br />

Ihre Arbeit in der Interessenvertretung auswirkt.<br />

Wichtig für Sie: Die Reform des Schwerbehindertenrechts<br />

stärkt Ihr Ehrenamt. Der Arbeitgeber muss<br />

Sie jetzt in jede geplante Kündigung eines schwerbehinderten<br />

Menschen einbeziehen. Kündigungen,<br />

die der Arbeitgeber ausspricht, ohne Sie beteiligt zu<br />

haben, sind ab sofort unwirksam.<br />

Ausführlich stellen wir Ihnen die neue Inklusionsvereinbarung<br />

vor und erläutern die Unterschiede zur<br />

bisherigen Integrationsvereinbarung. Die Inklusionsvereinbarung<br />

fördert die berufliche Teilhabe von<br />

schwer behinderten Menschen. Die Debatte, wie sich<br />

dieses Ziel erreichen lässt, hat das Gesetzesvorhaben<br />

begleitet und ist auch mit dessen Verabschiedung<br />

nicht beendet. In Betrieben und Dienststellen sind<br />

alle Akteure gefordert, die Inklusion auch zu verwirklichen.<br />

Die Speerspitze dazu sind Sie als Schwerbehindertenvertreter,<br />

Betriebs­ und Personalräte.<br />

Erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen<br />

Irmgard Schmalix,<br />

Juristin, Bund­Verlag<br />

Christian Köhler,<br />

Jurist, Bund­Verlag<br />

BUND_NL2017-01_SBV_210x297_RZ_170406.indd BUND_NL2017-01_SBV_205x290_RZ_170406.indd 1 1 06.04.17 16:07 16:06


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Erfolgreiche Team arbeit im Betriebsrat<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Erfolgreiche Teamarbeit<br />

im Betriebsrat<br />

betriebsratsarbeit Was haben Betriebsrat und Freiwillige Feuerwehr<br />

gemeinsam? Sie müssen als Team arbeiten und im Notfall<br />

sofort einsatzbereit sein. Wie gute Teamarbeit funktioniert und was<br />

Betriebsratsvorsitzende dafür tun können, lesen Sie hier.<br />

VON RUDOLF REITTER<br />

darum geht es<br />

1. Betriebsratsarbeit<br />

kann nur im Team erfolgreich<br />

funktionieren.<br />

2. Qualifizierung ist<br />

für eine erfolgreiche<br />

Betriebs ratsarbeit unerlässlich.<br />

3. Im Betriebsratsteam<br />

sollte jedes Betriebsratsmitglied<br />

für eine Aufgabe<br />

verantwortlich sein.<br />

Stellen Sie sich vor, Ihr Haus brennt.<br />

Die Freiwillige Feuerwehr rückt an.<br />

Der Einsatzleiter springt vom Wagen<br />

und will loslegen. Da kommt die erste<br />

Feuerwehrfrau und sagt: »Heute kann ich<br />

leider nicht beim Löschen helfen, da ich zu<br />

viel Arbeit auf meinem Schreibtisch habe«.<br />

Ein Feuerwehrmann meint: »Also mit diesen<br />

Schläuchen und Knöpfen hier kenne ich mich<br />

nicht so aus. Da brauche ich erst mal eine Schulung.<br />

Davor kann ich nichts machen«. Und ein<br />

drittes Mitglied der Wehr sagt: »Du bist nicht<br />

mein Chef und hast mir gar nichts zu sagen.«<br />

Zuletzt kommt ein relativ neues Mitglied und<br />

meint: »Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich<br />

nicht zur Feuerwehr gegangen.« Da wünscht<br />

man sich eine gute Feuerversicherung.<br />

Betriebsrat kommt, wenn es brennt<br />

Was hat das mit Ihrer Betriebsratsarbeit zu<br />

tun? Betriebsräte wie Feuerwehrleute machen<br />

ihre Arbeit freiwillig. Ein Feuerwehrkommandant,<br />

der auch Betriebsratsmitglied ist, hat es<br />

so auf den Punkt gebracht: »Bei der Freiwilligen<br />

Feuerwehr gibt es nur zwei Dinge, die<br />

freiwillig sind: Mitmachen und Aufhören.«<br />

Was für die Feuerwehr gilt, trifft auch auf den<br />

Betriebsrat zu. Dessen Mitglieder sollten für<br />

den Ernstfall gerüstet sein. Das bedeutet, sich<br />

regelmäßig zu qualifizieren und ein gemeinsames<br />

Verständnis der Zusammenarbeit im Betriebsrat<br />

zu haben.<br />

Die Grundlagen stehen im Betriebsverfassungsgesetz,<br />

das ist allen Betriebsratsmitgliedern<br />

klar. Deshalb nützt es wenig, immer wieder<br />

mit Paragrafen zu kommen. Was können<br />

Sie stattdessen probieren? Erzählen Sie doch<br />

mal die Geschichte vom brennenden Haus!<br />

Den Kolleginnen und Kollegen, die nicht zur<br />

Sitzung kommen, weil sie soviel Arbeit haben.<br />

Erzählen Sie die Geschichte den Kolleginnen<br />

und Kollegen in den Abteilungen. Erzählen<br />

Sie diese Geschichte Vorgesetzten und Arbeitgebern.<br />

Allen ist sofort klar, worum es geht.<br />

Vielleicht schaffen Sie es, dass der Satz »Stell<br />

dir vor dein Haus brennt« zum geflügelten<br />

Wort wird.<br />

»Stell dir vor, dein<br />

Haus brennt<br />

und die Feuerwehr<br />

löscht nicht!«<br />

RUDOLF REITTER<br />

Qualifizierung ist das A und O der Betriebsratsarbeit.<br />

Wie wollen Sie die Interessen der<br />

Beschäftigten vertreten, wenn Sie die Gesetze<br />

nicht kennen? Arbeiten Sie in Ihrer Betriebsratspraxis<br />

mit festen Grundsätzen. Was ist damit<br />

gemeint? Ein Grundsatz könnte lauten:<br />

»Jedes Betriebsratsmitglied fährt mindestens<br />

fünf Tage pro Jahr auf Seminar.« Wenn Mitglieder<br />

von einer Schulung zurückkommen,<br />

sollten Sie um einen kurzen Bericht bitten.<br />

44


AiB 7-8 | 2017 Erfolgreiche Team arbeit im Betriebsrat grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Folgende Fragen bieten sich an:<br />

··<br />

Was waren die wichtigsten Inhalte deines<br />

Seminars?<br />

··<br />

Welche drei Ideen und Anregungen aus diesem<br />

Seminar hast du für unsere Betriebsratsarbeit?<br />

··<br />

Kannst du das Seminar weiterempfehlen?<br />

Achten Sie darauf, dass die Vorschläge der<br />

Kolleginnen und Kollegen nicht zerredet werden.<br />

Danach fragen Sie das Mitglied, das berichtet<br />

hat, welche der drei Ideen ihr oder ihm<br />

am wichtigsten sind. Diese setzen Sie dann<br />

gemeinsam um. So motivieren Sie Ihre Betriebsratsmitglieder<br />

zur aktiven Mitarbeit und<br />

entwickeln die Arbeit des Betriebsrats kontinuierlich<br />

weiter.<br />

Durch gute Führung motivieren<br />

In meinem Bild sind Betriebsratsvorsitzende<br />

Abteilungsleiter ohne disziplinarischen Durchgriff.<br />

Führung im Betriebsrat meint aber nicht<br />

die hierarchische Führung, die Sie aus dem Betrieb<br />

kennen.<br />

Auch die Betriebsratsarbeit unterliegt einer<br />

ständigen Fluktuation. Kolleginnen und Kollegen<br />

scheiden aus dem Betrieb aus und stehen<br />

deshalb nicht mehr zur Verfügung. Oder sie<br />

möchten nicht mehr für den Betriebsrat kandidieren,<br />

weil sie sich neuen Aufgaben widmen<br />

werden. Mit dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat<br />

ist der Verlust von Wissen und Qualifikationen<br />

verbunden. Oft entstehen große<br />

Lücken, die nicht ohne weiteres gefüllt werden<br />

können. Versuchen Sie deshalb ständig, die<br />

Beschäftigten für die Arbeit des Betriebsrats zu<br />

begeistern. So sorgen Sie dafür, dass es immer<br />

ein ausreichendes Reservoir von Kolleginnen<br />

und Kollegen gibt, die mitmachen möchten.<br />

Achten Sie dabei auf eine ausgewogene Zusammensetzung<br />

zwischen Männern und Fraucheckliste<br />

1<br />

Führung im Betriebsrat<br />

··<br />

Eine funktionierende Organisation und<br />

klare Prozesse schaffen<br />

··<br />

Mitmacher gewinnen<br />

··<br />

Die Nachfolge im Betriebsrat sichern<br />

··<br />

Betriebsratsmitglieder motivieren und<br />

begeistern<br />

··<br />

Zusammen gemeinsame Erfolge feiern<br />

In vielen anderen Dingen aber sind Sie als<br />

Betriebsrat frei, die für Ihre Situation passende<br />

Organisationsform zu wählen. So können<br />

Sie beispielsweise Ausschüsse bilden und deren<br />

Größe festlegen. Hierbei können Sie auch<br />

Aufgaben zur Erledigung an diese Ausschüsse<br />

übertragen. Ihr Job ist es nicht nur, gesetzliche<br />

Vorgaben umzusetzen, sondern eigenständig<br />

für eine sinnvolle und handlungsfähige Organisation<br />

zu sorgen. In der Praxis hat es sich<br />

bewährt, die Organisation gemeinsam mit den<br />

anderen Betriebsratsmitgliedern im Rahmen<br />

einer Klausur zu entwickeln.<br />

}}<br />

2. Mitmacher gewinnen<br />

lesesetipp<br />

Das Buch von Rudolf<br />

Reitter »Erfolgreiche<br />

Teamarbeit im Betriebsrat«<br />

liefert jede Menge<br />

praxisnahe Tipps und<br />

Handlungsanweisungen,<br />

wie Sie Ihre Betriebsratsarbeit<br />

auf mehrere<br />

Schultern verteilen<br />

können.<br />

Zu bestellen unter:<br />

}}<br />

www.derbetriebs<br />

raeteberater.de<br />

Betriebsratsmitglieder<br />

sollten sich gemeinsame<br />

Erfolge vor Augen halten<br />

und diese auch feiern!<br />

Führung im Betriebsrat hat die folgenden fünf<br />

Aspekte:<br />

}}<br />

1. Eine funktionierende Organisation und<br />

klare Prozesse schaffen<br />

Ein Teil der Organisation wird bereits durch<br />

das Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Hier ist<br />

beispielsweise die Größe von Betriebsratsgremien<br />

festgelegt. Oder es ist geregelt, ab wann<br />

es einen Betriebsausschuss geben muss und<br />

welche Aufgaben dieser hat. Betriebsratsvorsitzende<br />

haben die Aufgabe, diese gesetzlich<br />

festgelegten Vorgaben im Betrieb umzusetzen.<br />

45


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Erfolgreiche Team arbeit im Betriebsrat<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Neuauflage!<br />

Managementfibel<br />

für Vorsitzende<br />

Annette Rehbock / Hagen Helms<br />

Tipps für Betriebsratsvorsitzende<br />

und Ausschussvorsitzende<br />

Rechtliches Wissen + soziale<br />

Kompetenz für Vorsitzende und<br />

Stellvertreter<br />

3., überarbeitete Auflage<br />

2017. 202 Seiten, kartoniert<br />

€ 16,90<br />

ISBN: 978-3-7663-6608-5<br />

www.bund-verlag.de/6608<br />

en. Auch die verschiedenen Abteilungen und<br />

Bereiche im Unternehmen und natürlich auch<br />

dessen Altersstruktur sollten sich im Betriebsratsgremium<br />

widerspiegeln.<br />

}}<br />

3. Betriebsratsmitglieder motivieren<br />

und begeistern<br />

Die Betriebsratsmitglieder können Sie besonders<br />

gut motivieren und begeistern, wenn Sie<br />

Ihre eigenen und deren Motive kennen. Mit<br />

welchem Selbstverständnis gehen sie an ihre<br />

Arbeit heran? Wieso haben sie für den Betriebsrat<br />

kandidiert und welche Ziele möchten<br />

sie erreichen? Was macht mir selbst Spaß und<br />

was hält andere bei der Betriebsratsarbeit?<br />

Und was oder wer hindert sie an aktiver Betriebsratsarbeit?<br />

Mit diesen Fragen sollten Sie<br />

sich im Rahmen einer Betriebsratsklausur auseinandersetzen.<br />

}}<br />

4. Die Nachfolge im Betriebsrat sichern<br />

Alle vier Jahre stehen Betriebsratswahlen<br />

an. Schon im Vorfeld sollten Sie sich fragen,<br />

wer wieder kandidiert, wer wohl neu gewählt<br />

wird und wer es vielleicht nicht mehr schafft.<br />

Überlegen Sie sich frühzeitig, wie Ihr ideales<br />

Betriebsratsgremium aussehen würde. Wer<br />

sitzt da am Tisch? Wer hat welche Aufgaben?<br />

Welche Erwartungen haben Sie an die einzelnen<br />

Mitglieder? Die drei häufigsten sind:<br />

Betriebsratsmitglieder sollen regelmäßig und<br />

vorbereitet zu den Sitzungen kommen; neben<br />

der laufenden Betriebsratsarbeit soll sich jedes<br />

Betriebsratsmitglied für mindestens ein Thema<br />

verantwortlich erklären; jedes Mitglied sollte<br />

mindestens fünf Tage pro Jahr für eine Fortbildung<br />

verwenden. Vorausschauende Betriebsratsgremien<br />

führen dazu Demografie-Workshops<br />

durch. Darin geht es genau um diese<br />

Fragestellungen. Gleichen Sie diese Erwartungen<br />

mit denen der potenziellen Betriebsratsmitglieder<br />

ab und machen Sie Ihre Erwartungshaltung<br />

auf einer Betriebsversammlung<br />

auch öffentlich.<br />

}}<br />

5. Zusammen gemeinsame Erfolge feiern<br />

»Nicht geschimpft ist genug gelobt!« So schallt<br />

es durch Betriebsratsbüros in Deutschland.<br />

Das stimmt aber nicht und sorgt für kein gutes<br />

Arbeitsklima. Gute Arbeit gehört gelobt. Vor<br />

allem mit Lob, Respekt und Wertschätzung begeistern<br />

Sie die Betriebsratsmitglieder langfristig<br />

für die Betriebsratsarbeit. Machen Sie sich<br />

deshalb regelmäßig Ihre gemeinsamen Erfolge<br />

bewusst. Im Rahmen einer Betriebsratsklausur<br />

können Sie alle Punkte, die im letzten Jahr<br />

besonders gut gelaufen sind, hervorheben und<br />

gemeinsam honorieren. Oder würdigen Sie<br />

etwa nach Abschluss einer Betriebsvereinbarung<br />

die Kolleginnen und Kollegen, die den<br />

Hauptteil der Arbeit dafür gemacht haben. Dabei<br />

können Sie auch darauf schauen, was Sie<br />

zukünftig noch besser machen möchten.<br />

Neue einbinden<br />

checkliste 2<br />

Erwartungen an Betriebsratsmitglieder<br />

··<br />

Vorbereitet an Betriebsratssitzungen<br />

teilnehmen und danach die Kolleginnen<br />

und Kollegen in deinem Bereich informieren<br />

··<br />

In einem Ausschuss mitarbeiten; ein<br />

Thema bearbeiten<br />

··<br />

Mindestens fünf Tage Seminar pro Jahr<br />

··<br />

Vertraulicher Umgang mit persönlichen<br />

und betrieblichen Qualifikationen<br />

··<br />

Gewerkschaftsmitglied<br />

Neue Betriebsratsmitglieder gehen mit ganz<br />

unterschiedlichen Erwartungen an den Start.<br />

Viel wichtiger ist aber die Frage, welche Erwartungen<br />

Sie an die Neuen haben und wie Sie<br />

diese kommunizieren. Viele Betriebsratsmitglieder<br />

erfüllen oft nur genau die Erwartungen,<br />

die Sie Ihnen vor Ihrer Kandidatur mitgeteilt<br />

haben: »Da kommst du einfach jede Woche<br />

zur Betriebsratssitzung.« Und das machen<br />

Sie dann auch, aber nicht mehr. Halten Sie<br />

Erwartungen an neue und erfahrene Betriebsratsmitglieder<br />

doch mal schriftlich fest (siehe<br />

oben Checkliste 2). »Erwartungen an Betriebsratsmitglieder«<br />

finden Sie eine Orientierungshilfe.<br />

Nutzen Sie die Betriebsratswahlen, um<br />

Erwartungen transparent gegenüber Betriebsratsmitgliedern,<br />

Beschäftigten und Arbeitgeber<br />

zu formulieren. v<br />

Rudolf Reitter,<br />

Der Betriebsräte-Berater<br />

Straubing<br />

www.DerBetriebsraeteBerater.de<br />

kontakt@bund-verlag.de<br />

46<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


AiB 7-8 | 2017 Schwarz auf weiß grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Schwarz auf weiß<br />

schreiben Was sind die Zutaten für einen professionellen und<br />

guten Geschäftsbrief? Ein übersichtlicher optischer Aufbau,<br />

eine klare inhaltliche Struktur und eine verständliche Sprache.<br />

VON MARION MÜLLER<br />

Viele Betriebsratsmitglieder kommen<br />

aus nicht-kaufmännischen Berufen.<br />

Für sie ist es oft herausfordernd,<br />

Briefe zu gestalten und zu<br />

formulieren. Mit Struktur und Sprache kann<br />

der Betriebsrat überzeugen. Die meisten Anregungen<br />

in diesem Beitrag lassen sich auch für<br />

E-Mails verwenden.<br />

Gut in Form – es lebe die Norm<br />

Beginnen wir mit der Optik: In Deutschland<br />

ist so ziemlich alles genormt. Für den Aufbau<br />

von Geschäftsbriefen gilt die DIN 5008. Ziel<br />

ist es laut Duden »Briefe und E-Mails zweckmäßig<br />

und übersichtlich zu gestalten und so<br />

eine schnelle Erfassung und Verarbeitung der<br />

Informationen zu gewährleisten.« 1 Die DIN<br />

5008 wird von Zeit zu Zeit modernisiert. So<br />

verzichtet man inzwischen auf die vor Jahren<br />

noch übliche Leerzeile zwischen Straße und<br />

Ort. Für das Anschriftenfeld stehen insgesamt<br />

neun Zeilen zur Verfügung. Die ersten drei<br />

werden genutzt für Zusätze wie zum Beispiel<br />

Einschreiben oder Vorab per Telefax.<br />

Natürlich gibt es auch für den weiteren<br />

Briefaufbau bis hin zur Anlage Spielregeln, mit<br />

denen sich der Betriebsrat vertraut machen<br />

Anschriftenfeld<br />

Vorab per Telefax<br />

Gewerkschaft ....<br />

Herrn/Frau ....<br />

Tarifgasse 1<br />

12345 Tarifhausen<br />

beispiel<br />

sollte. Hat er sich einmal einen Musterbrief<br />

erstellt, kann er darauf immer wieder zurückgreifen.<br />

Hilfe gibt es im Internet und in einschlägiger<br />

Literatur. 2<br />

Tipp: Trotz Rechtschreib- und Grammatikhilfen<br />

im PC sollte ein Duden zur Grundausstattung<br />

des Betriebsrats gehören. Der Duden enthält<br />

auch Informationen und Beispiele zur Gestaltung<br />

von Geschäftsbriefen nach DIN 5008.<br />

Gliederung schafft Übersicht<br />

Eine klare Struktur erleichtert dem Verfasser<br />

das Formulieren und dem Empfänger das Lesen<br />

und Verstehen der Botschaft. Der Betriebsrat<br />

kann eine einfache Standardgliederung für<br />

sich nutzen. 3<br />

beispiel<br />

Standardgliederung für einen Brief<br />

an den Arbeitgeber<br />

1. Kurzbeschreibung des Briefzwecks<br />

··<br />

Mitteilung über einen Beschluss<br />

··<br />

Beschwerde ist eingegangen<br />

2. Begründung<br />

··<br />

Worum geht es genau?<br />

··<br />

Was will/fordert der Betriebsrat<br />

konkret<br />

3. Handlungsaufforderung an den<br />

Arbeitgeber<br />

··<br />

Stellungnahme<br />

··<br />

Prüfung<br />

··<br />

Handlung<br />

4. Fristen und Terminvorschläge<br />

nicht vergessen!<br />

darum geht es<br />

1. Ein professioneller<br />

Geschäftsbrief oder eine<br />

E-Mail zeichnen sich<br />

durch einen übersichtlichen<br />

Aufbau und ein<br />

klare Gliederung aus.<br />

2. Auch die Sprache<br />

sollte nicht zu kompliziert<br />

sein, denn nur so<br />

überzeugt sie.<br />

3. Wer sich beim Schreiben<br />

in den Leser hineinversetzt,<br />

dem fällt es<br />

leichter, verständlich zu<br />

formulieren.<br />

1 Duden, 26. Ausgabe, S. 119. 2 Muster für einen Bildschirmvordruck siehe Fricke/Grimberg/<br />

Wolter »Die kleine Betriebsratsbibliothek: Das Betriebsratsbüro:<br />

Ausstattung, Organisation, PC-Einsatz«, 6. Auflage, S. 45,<br />

Bund-Verlag.<br />

3 Siehe ausführlich in Fricke/Grimberg/Wolter »Die kleine<br />

Betriebsratsbibliothek: Das Betriebsratsbüro: Ausstattung, Organisation,<br />

PC-Einsatz«, 6. Auflage, S. 47 f., Bund-Verlag.<br />

47


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Schwarz auf weiß<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Rechtssicher<br />

formuliert<br />

Klaus Eberhard u. a.<br />

Musterschreiben für den<br />

Betriebsrat<br />

Betriebsratsarbeit auf den Punkt<br />

gebracht - Mit Onlinezugriff auf<br />

alle Mustertexte<br />

15., überarbeitete Auflage<br />

2015. 377 Seiten, gebunden<br />

€ 39,90<br />

ISBN: 978-3-7663-6305-3<br />

www.bund-verlag.de/6305<br />

Bitte übersetzen<br />

Vor einiger Zeit war in einer Fachzeitschrift<br />

folgender Satz zu lesen: »Ein vergeblicher<br />

Faxversuch um 10 Minuten vor 24 Uhr ist jedenfalls<br />

dann nicht unentschuldbar, wenn es<br />

zuvor schon zu zeitlichen Unregelmäßigkeiten<br />

bei der Faxversendung mittels Voice over IP<br />

(VoIP) kam.« 4 Gratuliere, wenn Sie den Satz<br />

sofort verstanden haben.<br />

Schon eine einfache Verneinung stellt unser<br />

Gehirn vor eine Herausforderung. Was soll<br />

es da erst mit der Formulierung nicht unentschuldbar<br />

anstellen? Sogenannte Un-Wörter<br />

tummeln sich zahlreich in unserer Sprache.<br />

Un-Wörter benennen etwas und verneinen es<br />

gleichzeitig wie unentschuldbar, unpünktlich.<br />

Die Frage ist, ob sich das Un-Wort nicht auch<br />

anders ausdrücken lässt.<br />

beispiele<br />

Auswahl an Un-Wörtern mit Übersetzung<br />

unrichtig – falsch<br />

unrechtmäßig – rechtswidrig<br />

unzulässig – verboten<br />

Spontanvegetation oder Unkraut?<br />

Wer hat nicht schon einmal über Beispiele aus<br />

dem Bürokratendeutsch geschmunzelt. Der<br />

Abriss wird zum Rückbau und die Briefmarke<br />

zum Postwertzeichen. Im normalen Alltag<br />

sprechen (und schreiben) wir so nicht. Wer<br />

von uns ärgert sich darüber, dass auf dem Weg<br />

zur Arbeit alle Lichtzeichenanlagen auf Rot<br />

geschaltet waren? Wer joggt nach Feierabend<br />

in der forstwirtschaftlichen Nutzfläche oder<br />

verbringt den Samstag mit der Beseitigung von<br />

Spontanvegetation? 5<br />

Kurze Wörter sind meist anschaulicher als<br />

lange. Wie würden wir reagieren, wenn in den<br />

Verkehrsmeldungen statt vor einem Geisterfahrer<br />

vor einem Gegenrichtungsfahrbahnbenutzer<br />

gewarnt würde?<br />

Die Bürokraten- und Juristensprache ist<br />

umständlich und trieft nur so vor Substantiven.<br />

Ein Hauptwort reiht sich an das nächste<br />

und der Text wird schwerfällig. Das freut die<br />

Fans von Amtsblättern und Gerichtsentscheidungen,<br />

für alle anderen ist es anstrengend.<br />

Ich kam, sah und siegte<br />

Lebendig und verständlich wird ein Text durch<br />

Verben. Das bekannte Cäsar-Zitat »Ich kam,<br />

sah und siegte« lässt sich bürokratisch mit<br />

wenigen Verben und vielen Substantiven so<br />

ausdrücken: »Nach Erreichung und Besichtigung<br />

der hiesigen Örtlichkeiten war mir die<br />

Erringung des Sieges möglich.« 6 Mal ehrlich:<br />

Welche Variante gefällt Ihnen besser? Wer sich<br />

selbst klar darüber ist, was er sagen will, der<br />

kann auch Kompliziertes einfach ausdrücken.<br />

Wer umständlich formuliert, hat oft den Inhalt<br />

selbst nicht verstanden oder will sich nicht<br />

festlegen. Ziel des Betriebsrats sollte sein, leserfreundlich<br />

zu formulieren. Das gelingt am<br />

ehesten mit Verben, also mit Tätigkeitswörtern.<br />

hinweis<br />

Statt: Wir bitten um Mitteilung ...<br />

Besser: Bitte teilen Sie uns mit ...<br />

In der Amtssprache verbreitet sind Funktionsoder<br />

Streckverben. Sie können nicht ohne<br />

Substantiv stehen und wirken sehr umständlich.<br />

Beispiele sind: Stillschweigen wahren,<br />

Abhilfe schaffen, in Erwägung ziehen. Funktionsverben<br />

lassen sich meist einfach umgehen.<br />

beispiele<br />

Funktionsverben mit Übersetzung<br />

Stillschweigen wahren = schweigen<br />

Unter Beweis stellen = beweisen<br />

Investitionen tätigen = investieren<br />

Eine Vorsilbe gefällig?<br />

Manche Menschen glauben, dass ihre Aussagen<br />

gewichtiger klingen, wenn sie mit überflüssigen<br />

Vorsilben versehen werden. Mit einem<br />

an, auf, ab oder ob lässt sich so manches Verb<br />

aufplustern. So wird aus ändern abändern und<br />

aus zeigen aufzeigen. In der Auseinandersetzung<br />

vor Gericht mit dem Arbeitgeber siegen<br />

wir nicht etwa nur, wir obsiegen. Überflüssig<br />

sind auch viele Adjektive. So werden wir in<br />

4 Arbeit und Recht 7/2015, S. 284.<br />

5 Lichtzeichenanlage = Ampel, forstwirtschaftliche Nutzfläche =<br />

Wald, Spontanvegetation = Unkraut.<br />

6 Norbert Franck, Job Aktuell »Schreiben wie ein Profi«, 5. Auflage,<br />

S. 12, Bund-Verlag.<br />

kontakt@bund-verlag.de<br />

48<br />

Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20


AiB 7-8 | 2017 Schwarz auf weiß grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Geschäftsbriefen dann und wann auf die beigefügte<br />

Anlage hingewiesen. Wo soll sie denn<br />

sein, wenn nicht beigefügt?<br />

Eindruck machen mit Juristendeutsch?<br />

Mal ehrlich: Haben Sie bei Briefen an die Geschäftsleitung<br />

schon einmal damit geliebäugelt,<br />

juristisch hoch gestochen zu schreiben, um<br />

den Arbeitgeber so richtig zu beeindrucken?<br />

Ob das gelingt, darf bezweifelt werden. Der<br />

Briefstil sollte zu uns passen. Glaubwürdigkeit<br />

und Verständlichkeit gehen vor. Wenn wir uns<br />

einen bürokratischen Schreibstil angewöhnen,<br />

nutzen wir ihn möglicherweise auch für Mitteilungen<br />

an die Belegschaft. Wenn uns die Beschäftigten<br />

nicht mehr ohne Übersetzungshilfe<br />

verstehen, werden sie uns – zu Recht – für abgehoben<br />

halten. Überlassen wir das Bürokratendeutsch<br />

also besser den Bürokraten.<br />

In der Kürze liegt die Würze?<br />

Mark Twain hat es einmal so ausgedrückt:<br />

»Wenn der deutsche Schriftsteller in einen Satz<br />

taucht, dann hat man ihn die längste Zeit gesehen,<br />

bis er auf der anderen Seite seines Ozeans<br />

wieder auftaucht mit seinem Verbum im Mund.« 7<br />

Das soll heißen: Die deutsche Sprache kann<br />

zur Geduldsprobe werden, wenn wir die Satzaussage<br />

erst am Ende eines langen Satzes verraten.<br />

Vermeidbar ist dies, wenn Satzgegenstand<br />

und Satzaussage dicht beieinander stehen.<br />

machen dem Leser zu schaffen. Die wichtigste<br />

Aussage gehört in den Hauptsatz. Doch nicht<br />

immer liegt in der Kürze die Würze. Folgt Minisatz<br />

auf Minisatz, ist das ebenfalls ermüdend.<br />

beispiel<br />

Beispiel für Minisätze<br />

Briefgestaltung ist wichtig. Die Ansprüche<br />

steigen. Der Betriebsrat muss mithalten.<br />

Nur Text reicht nicht mehr. Der Aufbau<br />

muss stimmen.<br />

Auch Profis haben<br />

Schreibblockaden.<br />

Was dabei hilft: Einfach<br />

drauflos schreiben.<br />

hinweis<br />

Statt: Der Betriebsrat, der sich unter den<br />

Vorzeichen einer drohenden Verlagerung<br />

der Produktion nach Niemandsland und<br />

nach wie vor hohen Belastungen für die<br />

Beschäftigten in allen Bereichen, mit dem<br />

Rücken an der Wand sieht, traf sich gestern<br />

mit dem Gewerkschaftsbeauftragten.<br />

Besser: Der Betriebsrat (Satzgegenstand)<br />

traf sich gestern mit dem Gewerkschaftsbeauftragten<br />

(Satzaussage).<br />

Es ging dabei um ...<br />

Die Länge der Sätze entscheidet mit darüber,<br />

ob ein Text verständlich und leserfreundlich<br />

ist. Vor allem mehrfach verschachtelte Sätze<br />

Der Text ist verständlich und – ziemlich langweilig.<br />

Wie so oft im Leben, kommt es auch<br />

hier auf eine gute Mischung an zwischen kurzen<br />

und etwas längeren Sätzen.<br />

hinweis<br />

Tipps für einen guten Briefstil<br />

··<br />

Einen Brief immer aus der Sicht des<br />

Lesers betrachten<br />

··<br />

Möglichst nur eine Seite schreiben<br />

··<br />

Sachlich auf den Punkt kommen<br />

··<br />

Wenig verschachteln<br />

··<br />

Aktiv statt passiv schreiben<br />

··<br />

Sparsam mit Fremdwörtern und<br />

Abkürzungen umgehen<br />

··<br />

Positiv formulieren<br />

7 Norbert Franck, Job Aktuell Schreiben wie ein Profi, 5. Auflage,<br />

S. 44, Bund-Verlag.<br />

49


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Schwarz auf weiß<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

buchtipps<br />

··<br />

Die kleine Betriebsratsbibliothek<br />

Fricke/Grimberg/Wolter<br />

··<br />

Das Betriebsratsbüro:<br />

Ausstattung, Organisation,<br />

PC-Einsatz,<br />

Band 4, Bund-Verlag<br />

Aus der Reihe Job aktuell<br />

··<br />

Norbert Franck<br />

Schreiben wie ein Profi<br />

Bund-Verlag<br />

Sag es einmal anders<br />

Jeder hat so seine Lieblingsworte, die er immer<br />

wieder gerne nimmt. Wer Synonyme nutzt, gestaltet<br />

den Text abwechslungsreich. 8<br />

Beispiele:<br />

berichten lässt sich ausdrücken durch:<br />

··<br />

ausführen<br />

··<br />

beschreiben<br />

··<br />

vortragen<br />

vorschlagen lässt sich ausdrücken durch:<br />

··<br />

empfehlen<br />

··<br />

anregen<br />

··<br />

raten zu<br />

betonen lässt sich ausdrücken durch:<br />

··<br />

hinweisen<br />

··<br />

unterstreichen<br />

··<br />

hervorheben<br />

Der Ton macht die Musik<br />

Der Betriebsrat bettelt nicht. Er ist Repräsentant<br />

der Belegschaft und fordert, was ihm und<br />

den Beschäftigten zusteht. Zu höfliche Formulierungen<br />

können leicht unterwürfig klingen<br />

mit der Folge, dass der Arbeitgeber das Gremium<br />

nicht ernst nimmt. Das bedeutet: Der Betriebsrat<br />

bittet nicht um Verständnis dafür, dass<br />

er den beantragten Überstunden leider nicht<br />

zustimmen konnte. Er hat gute Gründe gehabt,<br />

die Überstunden abzulehnen, sonst hätte<br />

er ja zugestimmt. Deshalb teilt der Betriebsrat<br />

dem Arbeitgeber unverschnörkelt mit, dass er<br />

in seiner Sitzung vom ... beschlossen hat, … .<br />

Auch der Konjunktiv, also die Möglichkeitsform,<br />

kann die Aussage des Betriebsrats<br />

unnötig schwächen.<br />

hinweis<br />

Statt: Der Betriebsrat könnte sich vorstellen,<br />

Besser: Der Betriebsrat stellt sich vor,<br />

fordert oder verlangt – je nach Situation.<br />

Tipp: Das Betriebsverfassungsgesetz sieht nur<br />

in bestimmten Fällen Fristen vor. Daher sollte<br />

der Betriebsrat dem Arbeitgeber deutlich mitteilen,<br />

bis wann er eine Reaktion erwartet.<br />

Aktiv und positiv formulieren<br />

Journalisten schreiben oft im Passiv – auch<br />

Leideform genannt -, weil sie ihre Informationsquellen<br />

nicht verraten wollen. Der Betriebsrat<br />

hingegen kann in der Regel Ross und<br />

Reiter nennen, vor allem, wenn er selbst der<br />

Handelnde ist.<br />

Aktive Formulierungen kommen besser an<br />

als passive. Statt zu schreiben »Die Entscheidung<br />

der Geschäftsleitung, 50 Beschäftigte<br />

zu entlassen, wird vom Betriebsrat kritisiert«<br />

könnte es lauten »Der Betriebsrat kritisiert die<br />

Entscheidung … . »<br />

Zudem sollte der Betriebsrat die positiven<br />

Aspekte seiner Aussage herausstellen. »Das<br />

Betriebsratsbüro ist bis 15.00 Uhr geöffnet«<br />

hört sich besser an als »Das Betriebsratsbüro<br />

ist ab 15.00 Uhr geschlossen«.<br />

Wenn gar nichts geht ...<br />

Auch echte Profis erwischt sie – die berühmte<br />

Schreibblockade. Wir lachen das weiße Blatt<br />

an, das weiße Blatt lacht keck zurück. Es hilft,<br />

einfach anzufangen.<br />

Wir müssen den ersten Entwurf ja nicht<br />

abschicken und können schreiben, was uns in<br />

den Sinn kommt.<br />

Das funktioniert auch, wenn wir erst gar<br />

keinen Zugang zu einem Thema finden. Haben<br />

wir einige Minuten geschrieben, fokussieren<br />

wir uns meist ganz von selbst auf das,<br />

worum es geht.<br />

Wichtig ist, dass der Schreibfluss nicht unterbrochen<br />

wird, sonst kritisieren und zensieren<br />

wir unsere Gedanken vorschnell. Deshalb<br />

ist die Übung mit der Hand ausgeführt effektiver<br />

als mit der Tastatur.<br />

In den Leser hinein versetzen<br />

Wer sich beim Schreiben in den Leser hinein<br />

versetzt, dem fällt es leichter, verständlich zu<br />

formulieren. Ein übersichtlicher Aufbau und<br />

ein klare Gliederung helfen dem Schreibenden,<br />

an alles Wichtige zu denken. Der Empfänger<br />

erfasst sofort, worum es geht und was er<br />

tun soll. So gewinnen beide Seiten. v<br />

Marion Müller,<br />

Fachautorin, Mentaltrainerin<br />

und Referentin bei Betriebsratsseminaren,<br />

Bochum.<br />

8 Synonyme sind sinnverwandte Wörter und Wendungen.<br />

50


AiB 7-8 | 2017 Kurzarbeit als Rettungsanker grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Kurzarbeit als<br />

Rettungsanker<br />

kurzarbeit Bei vielen Beschäftigten löst sie Sorge aus: die Kurzarbeit.<br />

Doch sie dient der Beschäftigungssicherung in wirtschaftlich<br />

un ruhigen Zeiten. Der Betriebsrat hat dabei nicht nur ein Mitbestimmungsrecht,<br />

sondern kann die Initiative ergreifen.<br />

VON CHRISTIANE JANSEN<br />

Kurzarbeit ist eine Reduzierung der<br />

Arbeitszeit aufgrund eines erheblichen<br />

Arbeitsausfalls aus wirtschaftlichen<br />

Gründen oder durch ein<br />

unabwendbares Ereignis. Das kann bis zum<br />

vollständigen Erliegen der Geschäftstätigkeit<br />

führen (»Kurzarbeit Null«). Zusätzlich muss<br />

es ein vorübergehender, nicht vermeidbarer<br />

Arbeitsausfall sein. Eigene Planungsdefizite<br />

können also keine Gründe für Kurzarbeit darstellen.<br />

Nach der Kurzarbeit muss die reguläre<br />

Geschäftstätigkeit wieder aufgenommen werden<br />

und es dürfen auch keine Kündigungen<br />

ausgesprochen werden – denn die sollen ja<br />

gerade vermieden werden. Damit sind relativ<br />

hohe Voraussetzungen an die Arbeitszeitreduzierung<br />

durch Kurzarbeit gestellt.<br />

Arten von Kurzarbeit<br />

Die hier beschriebene Kurzarbeit wird als konjunkturelle<br />

Kurzarbeit bezeichnet (§§ 95 – 109<br />

SGB III). Davon zu unterscheiden ist die<br />

Transferkurzarbeit, die bei einem dauerhaften<br />

und unvermeidbaren Arbeitsausfall (zum Beispiel<br />

in der Insolvenz) nach vorheriger Beratung<br />

und Vereinbarung mit der Arbeitsagentur<br />

beantragt werden kann (§ 323 Abs. 2 SGB III).<br />

Transferkurzarbeitergeld dient für maximal 12<br />

Monate der Vermeidung von Entlassungen und<br />

dem Bezug von Arbeitslosengeld sowie der<br />

Verbesserung der Vermittlung der betroffenen<br />

Beschäftigten in einer Transfergesellschaft.<br />

Saison-Kurzarbeit ist eine weitere Sonderform<br />

und gilt ausschließlich für Wirtschaftszweige,<br />

die starken wetterbedingten saisonalen<br />

Auftragsschwankungen unterliegen (zum<br />

Beispiel im Baugewerbe, Garten- und Landschaftsbau,<br />

Gerüstbau). Auch Saison-Kurzarbeitergeld<br />

soll helfen, witterungsbedingte<br />

Kündigungen in den auftragsschwachen Wintermonaten<br />

zu vermeiden (§ 101 SGB III).<br />

Konjunkturelles Kurzarbeitergeld<br />

Kurzarbeitergeld gilt als Sozialleistung nach<br />

dem SGB III und wird nur auf Antrag des<br />

Arbeitgebers oder des Betriebsrats gezahlt.<br />

Dabei müssen die bereits oben beschriebenen<br />

Voraussetzungen für Kurzarbeit erfüllt sein.<br />

Zusätzlich ist es erforderlich, dass mindestens<br />

ein Drittel der im Betrieb Beschäftigten<br />

von einem Entgeltausfall über zehn Prozent<br />

in dem jeweiligen Kalendermonat betroffen<br />

sind. Das Kurzarbeitergeld wird von der Bundesagentur<br />

für Arbeit nur für die tatsächlich<br />

ausgefallene Arbeitszeit gezahlt. Urlaubstage,<br />

Freizeitausgleich oder Feiertage werden<br />

demnach nicht erstattet, sondern bleiben Vergütungspflicht<br />

des Arbeitgebers. Das Kurzarbeitergeld<br />

wird über den Arbeitgeber auf das<br />

persönliche Konto der Beschäftigten ausgezahlt<br />

und später von der Agentur für Arbeit<br />

an den Arbeitgeber erstattet.<br />

Höhe und Dauer des Kurzarbeitergeldes<br />

Die Höhe des Kurzarbeitergeldes beläuft sich<br />

auf 60 Prozent des ausgefallenen Nettoeinkommens.<br />

Bei Beschäftigten mit Kindern muss<br />

darum geht es<br />

1. Bei Kurzarbeit wird<br />

vorüber gehend die<br />

Arbeits zeit reduziert,<br />

wenn es aus wirtschaftlichen<br />

Gründen zu Arbeitsausfall<br />

kommt.<br />

2. Es gibt verschiedene<br />

Arten von Kurzarbeit,<br />

wie konjunkturelle Kurzarbeit,<br />

Transferkurzarbeit<br />

oder Saison-Kurzarbeit.<br />

3. Der Betriebsrat hat ein<br />

zwingendes Mitbestimmungsrecht.<br />

Die Beantragung<br />

und Durchführung<br />

der Kurzarbeit sollte sorgfältig<br />

vorbereitet werden.<br />

1 Lohnsteuer Grundbegriffe 2016, DGB Bundesvorstand:<br />

www.dgb-bestellservice.de/besys_dgb/pdf/DGB20027.pdf.<br />

2 BAG 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, www.aib-web.de > Aktuelles ><br />

Rechtsprechung für den BR > Ausgabe 7/2016.<br />

3 LAG Hamm 12.6.2014 – 11 Sa 1566/13, www.aib-web.de ><br />

Aktuelles > Rechtsprechung für den BR > Ausgabe 19/2014.<br />

4 BAG 4.3.1986 – 1 ABR 15/84.<br />

5 Merkblatt 8b Kurzarbeitergeld, Bundesagentur für Arbeit:<br />

www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/<br />

documents/ webdatei/mdaw/mdu2/~edisp/l6019022dstbai<br />

378463.pdf.<br />

51


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Kurzarbeit als Rettungsanker<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

begriffe<br />

Beitragsbemessungsgrenze<br />

Es handelt sich um eine<br />

Rechengröße der Sozialversicherung.<br />

Bis zur<br />

Beitragsbemessungsgrenze<br />

werden Arbeits entgelt<br />

oder Rente für Sozialversicherungsbeiträge<br />

heran gezogen. Für den<br />

Teil des Einkommens,<br />

der die Beitragsbemessungsgrenze<br />

übersteigt,<br />

müssen keine Beiträge<br />

gezahlt werden.<br />

Progressionsvorbehalt<br />

Der Begriff stammt<br />

aus dem Steuerrecht.<br />

Dabei werden Einkünfte<br />

wie Arbeitslosen- oder<br />

Elterngeld selbst zwar<br />

nicht besteuert, aber zur<br />

Berechnung des Steuersatzes<br />

herangezogen. Damit<br />

erhöhen sie letztlich<br />

die Steuerlast.<br />

gut zu wissen<br />

Inhalte einer Betriebsvereinbarung<br />

Mögliche Eckpunkte:<br />

··<br />

Berücksichtigung geltender Tarifverträge<br />

··<br />

Beginn, Ende, Lage der Kurzarbeit<br />

··<br />

Verteilung der Kurzarbeit auf die Beschäftigten,<br />

Abteilungen und Zeiträume<br />

··<br />

Ausnahmen von der Kurzarbeit (etwa<br />

Altersteilzeitbeschäftigte, werdende<br />

Eltern, Teilzeitbeschäftigte, geringfügig<br />

Beschäftigte)<br />

··<br />

Arbeitgeberzuschüsse,<br />

tarifliche Aufstockungsbeträge<br />

··<br />

Umgang mit Resturlaubstagen<br />

aus dem Vorjahr<br />

··<br />

Regelungen zu Arbeitszeitkonten<br />

··<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten oder<br />

Gesundheitsvorsorge während der<br />

Kurzarbeit<br />

··<br />

Rechte des Betriebsrats<br />

··<br />

Ankündigungsfristen<br />

··<br />

Instrumente der Konfliktlösung<br />

mindestens »0,5 unterhaltspflichtige Kinder«<br />

auf der Steuerkarte eingetragen sein (die andere<br />

Hälfte hat dann das andere Elternteil auf<br />

der Steuerkarte. Damit wird angezeigt, dass<br />

man unterhaltspflichtige Kinder hat). Dann<br />

erhöht sich die Erstattung auf 67 Prozent des<br />

ausgefallenen Nettoeinkommens. Dabei wird<br />

lediglich das Nettoeinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze<br />

berücksichtigt, für das<br />

entsprechende Sozialversicherungsbeiträge<br />

gezahlt wurden. Wurde vor der Einführung<br />

von Kurzarbeit eine Beschäftigungssicherungsvereinbarung<br />

mit Veränderungen von Arbeitszeiten<br />

vereinbart, wirkt sich das nicht negativ<br />

auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes aus. Auch<br />

ein Hinzuverdienst oder eine Nebentätigkeit,<br />

die bereits vor der Einführung der Kurzarbeit<br />

bestanden haben, wird nicht auf das Kurzarbeitergeld<br />

angerechnet.<br />

Die Sozialversicherungsbeiträge während<br />

der Kurzarbeit müssen für die ausgefallenen<br />

Arbeitsstunden bis zur Höhe von 80 Prozent<br />

des Arbeitsentgelts weiterhin vom Arbeitgeber<br />

getragen werden. Kurzarbeitergeld wird damit<br />

zwar steuerfrei ausgezahlt, unterliegt aber als<br />

Sozialleistung im Jahressteuerausgleich dem<br />

Progressionsvorbehalt. 1 Betroffene Beschäftigte<br />

sollten sich also vorsorglich auf eine Steuernachzahlung<br />

einstellen.<br />

Die gesetzliche Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld<br />

liegt seit 1.1.2016 bei 12 Monaten<br />

(§ 104 Abs. 1 SGB III). Eine Verlängerung auf<br />

bis zu 24 Monate ist nur durch eine entsprechende<br />

Verordnung des Bundesministeriums<br />

für Arbeit und Soziales möglich.<br />

Beteiligungsrechte des Betriebsrats<br />

Kurzarbeit stellt eine Abweichung vom Arbeitsvertrag<br />

dar, da Arbeitszeit und Entgelt reduziert<br />

werden.<br />

Damit kann Kurzarbeit nicht einseitig<br />

angeordnet werden. In Betrieben ohne Betriebsrat<br />

müssen die einzelnen Beschäftigten<br />

ihr Einverständnis erteilen. In Betrieben mit<br />

Betriebsrat ist die Einführung von Kurzarbeit<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zwingend mitbestimmungspflichtig.<br />

Dabei genügt es nicht,<br />

wenn der Betriebsrat die Einführung von Kurzarbeit<br />

»abnickt«, vielmehr müssen in einer<br />

Betriebsvereinbarung die Details zu Umfang,<br />

Verfahren und Beteiligten geregelt werden. 2<br />

Eine zu allgemeine Betriebsvereinbarung führt<br />

zur Unwirksamkeit und damit zu einem vollen<br />

Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. 3<br />

Kommen Arbeitgeber und Betriebsrat bei<br />

den Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung<br />

zu keinem Ergebnis, kann jede der<br />

beiden Betriebsparteien die Einigungsstelle<br />

anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt<br />

dann die Betriebsvereinbarung zwischen<br />

Arbeitgeber und Betriebsrat. Das gilt auch,<br />

wenn sich der Arbeitgeber weigert, Kurzarbeit<br />

zur Vermeidung von Kündigungen einzuführen.<br />

In dem Fall kann der Betriebsrat sein Initiativrecht<br />

wahrnehmen und den Arbeitgeber<br />

zu Verhandlungen über die Einführung von<br />

Kurzarbeit auffordern. Bleibt es bei der Verweigerungshaltung<br />

des Arbeitgebers, kann der<br />

Betriebsrat auch in diesem Fall die Einigungsstelle<br />

anrufen. 4<br />

Kurzarbeit und Urlaubanspruch<br />

Da Kurzarbeitergeld nur für den unvermeidbaren<br />

Arbeitsausfall gezahlt wird, müssen in der<br />

Regel Resturlaube, die aus dem Vorjahr übertragen<br />

werden, vor dem Beginn der Kurzarbeit<br />

52


AiB 7-8 | 2017 Kurzarbeit als Rettungsanker grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Damit es keine Probleme<br />

bei der Kurzarbeit gibt,<br />

sollten sich die Betriebsparteien<br />

von den lokalen<br />

Arbeitsagenturen beraten<br />

lassen.<br />

»Kurzarbeit ist<br />

ein wichtiges<br />

Instrument zur<br />

Beschäftigungssicherung.«<br />

CHRISTIANE JANSEN<br />

in Freizeit ausgeglichen werden. Ausnahmen<br />

davon sind jedoch zulässig, wenn die Beschäftigten<br />

vorrangige Urlaubswünsche begründen<br />

können. Je nach zeitlicher Lage der Kurzarbeit<br />

können Arbeitgeber und Betriebsrat auch Betriebsschließungstage<br />

oder eine verpflichtende<br />

Urlaubsnahme im aktuellen Urlaubsjahr vereinbaren,<br />

um die Auswirkungen durch Kurzarbeit<br />

zu reduzieren oder gar zu vermeiden.<br />

Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten<br />

Als Maßnahme zur Vermeidung von Kurzarbeit<br />

wird auch ein im Betrieb vereinbartes<br />

flexibles Arbeitszeitmodell mit zulässigen Arbeitszeitschwankungen<br />

angesehen. Im Fall<br />

vereinbarter Arbeitszeitkonten müssen diese<br />

grundsätzlich erst eingebracht werden, bevor<br />

Kurzarbeitergeld beansprucht werden kann.<br />

Davon gibt es jedoch Ausnahmeregelungen,<br />

wenn zum Beispiel der Kontenstand länger<br />

als ein Jahr unverändert bestanden hat oder<br />

das Arbeitszeitkonto als Wertguthaben für ein<br />

vorgezogenes Ausscheiden vor der Rente, Kindererziehung,<br />

Weiterbildung oder Pflegezeiten<br />

vereinbart worden ist. 5<br />

Kurzarbeit sinnvoll nutzen<br />

Mit finanzieller Unterstützung der Agentur für<br />

Arbeit kann die Zeit der Kurzarbeit sinnvoll für<br />

Qualifizierungsmaßnahmen genutzt werden.<br />

Dabei vereinbaren Arbeitgeber und der betroffene<br />

Beschäftigte, welche Weiterbildungsmaßnahme<br />

sinnvoll ist und beantragen diese bei<br />

der Arbeitsagentur. Ein besonderes Förderprogramm<br />

wurde dabei für gering Qualifizierte<br />

und ältere Beschäftigte initiiert (WeGebAU).<br />

Gute Vorbereitung muss sein<br />

Kurzarbeit ist ein wichtiges Instrument der Beschäftigungssicherung.<br />

Der Betriebsrat hat weitreichende<br />

Mitbestimmungsrechte und kann so<br />

aktiv zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen<br />

beitragen. Aber die rechtssichere Beantragung<br />

und Durchführung von Kurzarbeit<br />

erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und den<br />

Abschluss einer detaillierten Betriebsvereinbarung.<br />

Die lokalen Agenturen für Arbeit unterstützen<br />

häufig mit Beratung und praktischen<br />

Tipps für einen reibungslosen Ablauf. v<br />

Christiane Jansen, Sachverständige<br />

für Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht,<br />

Kempten (Allgäu).<br />

email@christianejansen.de<br />

53


etriebliche praxis<br />

Operation war erfolgreich<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

Operation<br />

war erfolgreich<br />

klinikverkauf Der Betriebsrat des Klinikums Esslingen wehrte<br />

sich gegen den Verkauf an einen privaten Gesundheitskonzerrn und<br />

sicherte damit die Arbeitsplätze. Dies wurde ausgezeichnet.<br />

VON CHRISTOF HERRMANN<br />

darum geht es<br />

1. Das Klinikum Esslingen<br />

ist eine 100-prozentige<br />

Tochterfirma der Stadt<br />

und verzeichnete seit Jahren<br />

defizitäre Abschlüsse.<br />

2. Die Stadt überlegte,<br />

das Klinikum komplett an<br />

einen privaten Klinikbetreiber<br />

zu verkaufen.<br />

Der Betriebsrat wandte<br />

sich dagegen.<br />

3. Nach intensiven<br />

Verhandlungen und viel<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

durch den Betriebsrat<br />

beschloss die Stadt, die<br />

Klinik zu halten.<br />

Der Zustand vieler kommunaler<br />

Krankenhäuser in Deutschland ist<br />

kritisch. Sie hängen am Tropf, haben<br />

massive finanzielle Mangelerscheinungen<br />

und kämpfen gegen den drohenden<br />

Infarkt und die Übernahme durch private<br />

Klinikbetreiber. Deren Medikation ist oft bitter,<br />

denn sie besteht vor allem aus Renditesteigerung<br />

durch Personalabbau. Auch das Klinikum<br />

Esslingen, ein Haus der Zentralversorgung mit<br />

derzeit rund 1.700 Beschäftigten und 655 Betten,<br />

hatte eine lange Krankenakte aufzuweisen.<br />

Gemeinderat<br />

(CDU, SPD, Grüne,<br />

FUW, FDP, Linke)<br />

Geschäftsführer<br />

beteiligte<br />

Oberbürgermeister<br />

P ROZ E S S<br />

Die 100-prozentige Tochter der 91.000-Einwohner-Stadt<br />

verzeichnete seit Jahren defizitäre<br />

Abschlüsse. Bei einer strategischen<br />

Haushaltskonsolidierung der Stadt Esslingen<br />

stand 2015 die Frage im Raum, ob die Kommune<br />

weitere finanzielle Mittel zuschießt oder<br />

ein Verkauf der vermeintlich bessere Weg ist.<br />

Beim Betriebsrat des Klinikums schrillten die<br />

Alarmglocken, »denn ein Verkauf hätte zu einem<br />

Tsunami im Großraum Stuttgart geführt –<br />

mit katastrophalen Folgen für Tarifbindung,<br />

Personalabwanderung und die Patientenver­<br />

Beschäftigte<br />

KONZENTRIERTE<br />

AKTION<br />

Ziel: Beschäftigungssicherung<br />

durch<br />

Verhinderung Klinikprivatisierung<br />

Krankenhaus dezernent<br />

(Schlüsselrolle)<br />

P ROZ E S S<br />

Kostenträger / AOK<br />

Klinikleitung<br />

Aufsichtsrat<br />

P ROZ E S S<br />

Gewerkschaften<br />

(ver.di/MB)<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Betriebsrat<br />

Chefärzte<br />

(Ärztlicher Direktor)<br />

54


AiB 7-8 | 2017 Operation war erfolgreich betriebliche praxis<br />

sorgung«, erläutert die Betriebsratsvorsitzende<br />

Beate Müller. »Private Klinikbetreiber sind vornehmlich<br />

ihren Aktionären verpflichtet. Dies<br />

kann nur auf Kosten der Mitarbeiter und der<br />

Patienten gehen. Für uns war dies von Beginn<br />

an keine Option.« Doch wie geht der Betriebsrat<br />

vor, wenn eine Vielzahl von Akteuren und<br />

Interessen mit im Spiel sind? Neben der Stadtspitze<br />

und dem verantwortlichen Gemeinderat<br />

waren die Belange von Kostenträgern, Klinikleitung,<br />

Chefärzten, des Geschäftsführers und<br />

vor allem der Beschäftigten zu berücksichtigen.<br />

Gegen Privatisierung<br />

Um die Abwärtsspirale aus Leistungsverdichtung<br />

und Unterfinanzierung aufzuhalten, forderte<br />

der Betriebsrat eine ausreichende Bereitstellung<br />

finanzieller Mittel durch die Kommune.<br />

Denn, so die Argumentation, durch die dringend<br />

notwendigen Investitionen in Personal<br />

und Infrastruktur verbessern sich die Arbeitsbedingungen,<br />

qualifizierte Beschäftigte werden<br />

im Haus gehalten und die Versorgungsqualität<br />

nimmt zu. In der Konsequenz steigt die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Klinikums und es kann sich<br />

als wirtschaftlich solider Marktführer im Kreis<br />

Esslingen und dem mittleren Neckarraum positionieren.<br />

Die Stadt entwickelte verschiedene<br />

Verkaufsoptionen. So reichten die Szenarien<br />

von einem 25- über einen 50 – und 75-prozentigen<br />

hin zu einem vollständigen Verkauf an einen<br />

privaten Krankenhausbetreiber. Auch der<br />

Verbleib als 100-prozentige Tochter der Stadt<br />

Esslingen wurde in die Betrachtungen mit einbezogen.<br />

Das Votum der Betriebsräte war klar,<br />

denn jede Form der Privatisierung hätte aus<br />

ihrer Sicht massive Folgen für Tarifbindung,<br />

Personal und Patientenversorgung gehabt.<br />

Konzertierte Aktion<br />

Müller: »Wir haben daher von Beginn an versucht,<br />

den Meinungsbildungsprozess konsequent<br />

in unserem Sinne aktiv mitzugestalten,<br />

die wichtigen Verhandlungspartner identifiziert,<br />

Türen zu diesen geöffnet und nach gemeinsamen<br />

Lösungen gesucht. Nur als konzertierte<br />

Aktion aller Beteiligten, bei der sich<br />

niemand über den Tisch gezogen fühlte, die<br />

einzelnen Personen mit ins Boot genommen<br />

und laufend Argumente geliefert wurden,<br />

konnte eine Einigung im Sinne des Klinikums<br />

erzielt werden. Wir hatten dabei den großen<br />

Vorteil, dass alle Seiten den Prozess als prinzipiell<br />

ergebnisoffen betrachteten.« Der Betriebsrat<br />

führte laufend Gespräche und Verhandlungen<br />

mit allen politischen Fraktionen<br />

und Gemeinderäten. Über Intranet, lokale<br />

Medien, Versammlungen und auch Flugblätter<br />

informierte er kontinuierlich Mitarbeiter,<br />

Patienten und die Öffentlichkeit. Gemeinsam<br />

mit Klinikleitung und dem Ärztlichen Direktor<br />

erarbeiteten die Arbeitnehmervertreter ein<br />

ausführliches Votum zu den unterschiedlichen<br />

Privatisierungsoptionen, legten verschiedene<br />

Szenarien und damit einhergehende Konsequenzen<br />

für die Klink vor. In einer Petition<br />

sammelten sie zudem über 1.300 Unterschriften<br />

aus der Belegschaft und übergaben diese<br />

an den Oberbürgermeister. Die verschiedenen<br />

Aktionen erstreckten sich über den Zeitraum<br />

Februar 2015 bis Mai 2016 und führten<br />

schließlich zum Erfolg: Der Gemeinderat beschloss,<br />

das Klinikum als 100-prozentige Tochter<br />

der Stadt Esslingen weiterzuführen. Dazu<br />

verabschiedete er eine einmalige Kapitalzuführung<br />

und einen jährlichen Zuschuss der Stadt.<br />

Arznei schlägt an<br />

Die Erleichterung bei den Beschäftigten war<br />

groß, denn die Entscheidung bedeutet neben<br />

dem Erhalt von Arbeitsplätzen auch eine Sicherung<br />

der Tarifbindung und der bisherigen<br />

Betriebsrenten. Verzeichnete die Personalabteilung<br />

nach Bekanntgabe der drohenden<br />

Privatisierungsverhandlungen einen Rückgang<br />

von qualifizierten Bewerbern, stieg deren Zahl<br />

nach dem Gemeinderatsbeschluss wieder an.<br />

»Das Klima der Angst und der Unsicherheit<br />

für das Personal wandelte sich dadurch wieder<br />

in Zuversicht«, so Müller. Doch sei die Kuh<br />

noch lange nicht vom Eis. Der Notstand in der<br />

Pflege hat sich nicht plötzlich in Luft aufgelöst<br />

und die Belastung der Mitarbeiter ebenso<br />

wenig. Jetzt müsse die Vereinbarung gelebt<br />

werden. Ziel sei es, eine schwarze Null zu erreichen.<br />

Die Betriebsrätin verweist zudem auf<br />

weiteren dringenden Reformbedarf und mögliche<br />

Entwicklungen im Gesundheitswesen, die<br />

nach der Bundestagswahl anstehen könnten.<br />

Das Klinikum Esslingen ist also erstmal vom<br />

Tropf, jetzt muss sich zeigen, ob die verordnete<br />

Arznei anschlägt. v<br />

Christof Herrmann, Kommunikationsberater<br />

mit den Themen<br />

Arbeit, Recht und Wirtschaft.<br />

kommunikation@sc-herrmann.de<br />

terminhinweis<br />

Der Deutsche Betriebsräte-Preis<br />

2017 wird am<br />

14. Dezember 2017 verliehen.<br />

Erneut in Kooperation<br />

von Bund-Verlag,<br />

DGB, Otto Brenner Stiftung<br />

und m5 consulting.<br />

Ver anstaltungsort ist<br />

der Deutsche BetriebsräteTag,<br />

der vom<br />

12. bis 14. Dezember 2017<br />

in Bonn stattfindet.<br />

Informationen:<br />

www.betriebsraetetag.de<br />

Informationen zu<br />

Projekten und Teilnahmebedingungen<br />

unter<br />

www.dbrp.de<br />

55


echtsprechung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

expertenrat<br />

Antworten auf<br />

Ihre Fragen<br />

Kann der Betriebsrat ein<br />

Ordnungsgeld verlangen, weil<br />

der Arbeitgeber die Pausenregelung<br />

nicht einhält?<br />

Rechtfertigt die Bezeichnung<br />

des Geschäftsführers<br />

als »soziales Arschloch«<br />

eine fristlose Kündigung?<br />

Silvia Mittländer ist Fachanwältin<br />

für Arbeitsrecht<br />

in Frankfurt am Main.<br />

www.steiner-mittlaender.de<br />

Sie beantwortet aus ge ­<br />

wählte Fragen an dieser<br />

Stelle. Wenn Sie auch Fragen<br />

an unsere Expertin haben,<br />

schreiben Sie uns unter<br />

redaktion@aib-web.de<br />

antwort Ja, immer dann, wenn eine Pausenregelung<br />

in einer Betriebsvereinbarung (BV) festgelegt<br />

ist. So hat es das Landesarbeitsgericht<br />

(LAG) Berlin entschieden. 1 Der Betriebsrat (BR)<br />

eines Krankenhauses hat mit diesem eine BV<br />

zur Dienstplangestaltung abgeschlossen. Sie<br />

sieht vor, dass die Beschäftigten während der<br />

Schicht innerhalb eines bestimmten zeitlichen<br />

Rahmens eine 30-minütige Pause erhalten.<br />

Das wurde oft nicht eingehalten. Der BR hat<br />

sich gewehrt und im Rahmen eines Arbeitsgerichtsverfahrens<br />

erreicht, dass der Arbeitgeber<br />

auf die Pausen Rücksicht nehmen musste und<br />

keine Arbeit verlangen durfte. Trotzdem wurde<br />

die Pausenregelung weiter nicht eingehalten.<br />

Daher hat der BR beim Gericht ein Ordnungsgeld<br />

in mehreren Fällen beantragt und Recht<br />

bekommen. Das Krankenhaus wehrte sich mit<br />

der Argumentation, dass es wegen der Personalsituation<br />

kurzfristig nicht möglich sei, eine<br />

Vertretung für die Pause zu organisieren. Dies<br />

hat das LAG nicht gelten lassen und eindeutig<br />

festgestellt, dass der Arbeitgeber verpflichtet<br />

ist, die BV durchzuführen. Er ist Herr des Betriebs<br />

und muss diesen so organisieren, dass<br />

die Einhaltung der vereinbarten Pausen möglich<br />

ist. Trotz Kenntnis darüber, dass Pausen<br />

häufig nicht realisiert werden können, hat<br />

weder die Pflegedienstleitung reagiert noch<br />

waren sonstige Maßnahmen des Arbeitgebers<br />

erkennbar, um die Umsetzung der BV sicherzustellen.<br />

Hierin ist eine schuldhafte Pflichtverletzung<br />

des Arbeitgebers zu erkennen, die<br />

zu einem Ordnungsgeld führt.<br />

antwort Ja, und zwar auch bei langer Betriebszugehörigkeit,<br />

so das Landesarbeitsgericht<br />

(LAG) Schleswig-Holstein. 2 Der Kläger war<br />

in einem familiengeführten Kleinbetrieb tätig,<br />

in dem die Söhne des früheren Inhabers<br />

Geschäftsführer sind. Der Vater arbeitet noch<br />

mit. Am Abend erbat der Kläger beim Seniorchef<br />

Hilfe bei einem technischen Problem und<br />

bekam keine für ihn befriedigende Antwort.<br />

Am Folgetag traf er auf einen der Geschäftsführer.<br />

Es kam zu einer Auseinandersetzung,<br />

in der der Kläger sagte, der Seniorchef habe<br />

ihn wie »ein Arsch« behandelt und der Junior<br />

sei auf dem Weg, seinem Vater den Rang abzulaufen.<br />

Man solle ihm doch kündigen. Auf<br />

die Erwiderung des Geschäftsführers, dass sie<br />

hierdurch wie »soziale Arschlöcher« aussehen,<br />

sagte der Kläger, dass dies so schon sei.<br />

Nachdem er sich nach drei Tagen nicht entschuldigte,<br />

erhielt er eine fristlose Kündigung.<br />

Die Kündigungsschutzklage blieb erfolglos.<br />

Die Bezeichnung als »soziale Arschlöcher«<br />

stellt eine Beleidigung dar und ist nicht von<br />

der Meinungsäußerung gedeckt. Die Beleidigung<br />

– so das LAG – geschah nicht im Affekt,<br />

denn diese erfolgte am nächsten Tag. Eine<br />

Abmahnung – so das LAG weiter – ist nicht<br />

notwendig, da der Kläger sich bis zuletzt nicht<br />

entschuldigte. Trotz langer, mehr als 23-jähriger<br />

Betriebszugehörigkeit und einem Alter von<br />

mehr als 60 Jahren ist die fristlose Kündigung<br />

auch deshalb verhältnismäßig, weil es sich um<br />

einen Kleinbetrieb handelt, bei dem sich die<br />

Parteien nicht aus dem Weg gehen können.<br />

1 LAG Berlin 5.4.2017 – 15 Ta1522/16. 2 LAG Schleswig-Holstein 24.1.2017 – 3 Sa 244/16.<br />

56


AiB 7-8 | 2017<br />

rechtsprechung<br />

kündigungsrecht<br />

Falsche Unterrichtung des Betriebsrats<br />

BAG, Urteil vom 16.7.2015 – 2 AZR 15/15<br />

Der Betriebsrat ist dann nicht ordnungsgemäß vor einer Kündigung angehört worden,<br />

wenn der Arbeitgeber ihm bedeutsame, zuungunsten des Arbeitnehmers sprechende Tatsachen<br />

mitteilt, bei denen der Arbeitgeber es für möglich hielt, sie seien unrichtig.<br />

Der Kläger war seit 1998 als Produktionsmitarbeiter<br />

bei der Beklagten beschäftigt. Er fehlte<br />

immer wieder krankheitsbedingt sehr lange.<br />

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis<br />

fristgemäß. Im vorangegangenen Anhörungsverfahren<br />

unterrichtete sie den Betriebsrat<br />

über ihre Kündigungsabsicht, teilte die Fehlzeiten<br />

mit und gab an, als Grund für die Arbeitsunfähigkeits<br />

(AU)-Zeiten habe der Kläger<br />

Kopfschmerzen angegeben. Im Anhörungsschreiben<br />

heißt es weiter: »Wir haben dann<br />

nach dem letzten Rückkehrgespräch… beschlossen,<br />

Herrn N. bei unserer Werksärztin …<br />

vorzustellen. Dieser Termin fand am 16.1.2012<br />

statt. Herrn N wurde empfohlen, sich von einem<br />

Spezialisten untersuchen zu lassen und<br />

gezielt mit einer Therapie gegen den Kopfschmerz<br />

vorzugehen… Diese Schmerztherapie<br />

wurde aber bereits nach kurzer Zeit von Herrn<br />

N abgebrochen, der Folgetermin im Werkarztzentrum<br />

… nicht wahrgenommen. Herr N hat<br />

damit nach unserer Einschätzung nicht alles<br />

getan, um seine Arbeitskraft vollständig wiederherzustellen.<br />

1<br />

Falsche Tatsachenbehauptungen<br />

Tatsächlich hatte der Kläger bereits ein Kopfschmerzzentrum<br />

aufgesucht und von diesem<br />

auch eine Therapieempfehlung erhalten, bevor<br />

er sich bei der Betriebsärztin vorstellte.<br />

Im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses<br />

wurde klar, dass die Werksärztin dem Kläger<br />

nicht empfohlen hatte, sich von einem Spezialisten<br />

untersuchen zu lassen. Das hatte die<br />

Arbeitgeberin aber gegenüber dem Betriebsrat<br />

behauptet. Als Grund für die fehlerhafte<br />

Unterrichtung des Betriebsrats gab die Arbeitgeberin<br />

an, ihr Personalleiter sei einem<br />

Missverständnis unterlegen. Das BAG stellt<br />

1 Zitiert nach der Entscheidung der Vorinstanz: LAG Hamm – 7<br />

Sa 206/14.<br />

fest, dass die Fehlinformation des Betriebsrats<br />

Bedeutung für dessen Stellungnahme hatte.<br />

Der Betriebsrat musste den Eindruck gewinnen,<br />

dass der Kläger nicht bereit sei, eine<br />

Schmerztherapie durchzuführen. Dies hat<br />

ihn möglicherweise davon abgehalten, dem<br />

Arbeitgeber Vorschläge zur Vermeidung der<br />

Kündigung zu unterbreiten.<br />

Anhörung nicht ordnungsgemäß?<br />

Damit kam es darauf an, ob die Kündigung unwirksam<br />

ist, weil die Beklagte das Anhörungsverfahren<br />

nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ordnungsgemäß<br />

durchgeführt hat.<br />

Ausgangspunkt ist nach der Rechtsprechung<br />

des BAG der Grundsatz, dass der Arbeitgeber<br />

dem Betriebrat die Tatsachen mitteilen<br />

muss, die aus seiner Sicht die Kündigung<br />

rechtfertigen. Bewusst falsch oder irreführend<br />

darf der Betriebsrat, so das BAG, nicht unterrichtet<br />

werden. Andererseits, so ebenfalls das<br />

BAG, führt eine unbewusste Fehlinformation<br />

des Betriebsrats nicht dazu, dass die Unterrichtung<br />

nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht<br />

ordnungsgemäß ist. Eine weitere Variante, bei<br />

der die Anhörung fehlerhaft ist, liegt vor, wenn<br />

der Arbeitgeber dem Betriebsrat für dessen<br />

Stellungnahme relevante Tatsachen nicht mitgeteilt<br />

hat und dann erklärt, diese Tatsachen<br />

seien für seine Kündigungsentscheidung nicht<br />

relevant gewesen. Dazu hat das BAG bereits<br />

entschieden, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat<br />

solche Tatsachen nicht vorenthalten<br />

darf. In diesem Fall konnte das BAG weder<br />

davon ausgehen, dass der Arbeitgeber den<br />

Betriebsrat bewusst falsch oder irreführend<br />

unterrichtet hat, noch, dass die Fehlinformation<br />

unbewusst erfolgt ist. Vielmehr war nicht<br />

nachvollziehbar, wie es überhaupt zu dem (an­<br />

aus dem gesetz<br />

§ 102 BetrVG<br />

(1) Der Betriebsrat ist vor<br />

jeder Kündigung zu hören.<br />

Der Arbeitgeber hat<br />

ihm die Gründe für die<br />

Kündigung mit zuteilen.<br />

Eine ohne Anhörung<br />

des Betriebsrats ausgesprochene<br />

Kündigung ist<br />

unwirksam.<br />

(2) Hat der Betriebsrat<br />

gegen eine ordentliche<br />

Kündigung Bedenken,<br />

so hat er diese unter<br />

Angabe der Gründe dem<br />

Arbeitgeber spätestens<br />

innerhalb einer Woche<br />

schriftlich mitzuteilen.<br />

Äußert er sich innerhalb<br />

dieser Frist nicht, gilt<br />

seine Zustimmung zur<br />

Kündigung als erteilt. Hat<br />

der Betriebsrat gegen<br />

eine außerordentliche<br />

Kündigung Bedenken, so<br />

hat er diese unter Angabe<br />

der Gründe dem Arbeitgeber<br />

unverzüglich, spätestens<br />

jedoch innerhalb<br />

von drei Tagen, schriftlich<br />

mitzuteilen. Der Betriebsrat<br />

soll, soweit dies<br />

erforderlich erscheint,<br />

vor seiner Stellungnahme<br />

den betroffenen Arbeitnehmer<br />

hören. § 99 Abs. 1<br />

Satz 3 gilt entsprechend.<br />

(...)<br />

57


echtsprechung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

aib-web.de<br />

}}<br />

Mehr zum Thema<br />

Welche Möglichkeiten<br />

der Betriebsrat bei<br />

Kündigungen hat, lesen<br />

Sie im Beitrag »Sich<br />

rühren und tätig werden«<br />

von Nadine Burgsmüller,<br />

AiB 7-8/2014, S. 15–18.<br />

auf aib-web.de ><br />

Zeitschriften<br />

geblichen) Missverständnis kommen konnte.<br />

In Betracht kommt nach der Entscheidung<br />

des BAG auch, dass der Personalleiter es für<br />

möglich hielt, dass seine Mitteilung gegenüber<br />

dem Betriebsrat nicht der Wahrheit entspricht<br />

und er dies billigend in Kauf genommen hat.<br />

Da der Beklagten Gelegenheit gegeben werden<br />

musste, hierzu weiter vorzutragen, wurde<br />

die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das<br />

LAG zurückverwiesen. Stellt sich dort heraus,<br />

dass der Personalleiter es für möglich gehalten<br />

hat, dass seine Angaben gegenüber dem Betriebsrat<br />

falsch sind, ist das Anhörungsverfahren<br />

fehlerhaft und die Kündigung unwirksam.<br />

}}<br />

Bedeutung für die Praxis<br />

Missverständnisse begleiten unsere tägliche<br />

Kommunikation. Das Urteil steht in einer<br />

Reihe von Entscheidungen, die verdeutlichen,<br />

dass Betriebsräte kritisch prüfen<br />

müssen, ob die ihnen im Anhörungsverfahren<br />

nach § 102 Abs. 1 BetrVG erteilten<br />

Informationen richtig sind. Soweit dies<br />

möglich ist, sollten Betriebsräte daher von<br />

ihrem Recht, den Arbeitnehmer vor Ablauf<br />

der Anhörungsfrist und eventuellen Abgabe<br />

einer Stellungnahme anzuhören (§ 102<br />

Abs. 2 Satz 4 BetrVG), Gebrauch machen.<br />

Im Kündigungsschutzverfahren werden die<br />

Arbeitsgerichte wahrscheinlich selten klären<br />

können, ob ein Arbeitgeber an die Richtigkeit<br />

der dem Betriebsrat mitgeteilten,<br />

tatsächlich falschen, Information geglaubt<br />

hat, oder ob er es für möglich gehalten hat,<br />

dass die Information falsch ist. Von besonderer<br />

Wichtigkeit ist daher, dass der Arbeitgeber,<br />

die Beweislast für seine Gutgläubigkeit<br />

trägt. Kann er nicht beweisen, dass er<br />

es nicht für möglich gehalten hat, dass die<br />

Information falsch ist, geht dies zu seinen<br />

Lasten. Das heißt, die Kündigung ist nach<br />

§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.<br />

Ingrid Heinlein, Vors. Richterin am Landes ­<br />

arbeitsgericht a.D., Rechtsanwältin,<br />

Anwaltsbüro Bell & Windirsch, Düsseldorf.<br />

verschmelzung<br />

Verschmelzung und Tarifvertrag<br />

BAG, Urteil vom 15.6.2016 – 4 AZR 805/114<br />

Wird ein Unternehmen, bei dem ein Haustarifvertrag gilt, auf ein anderes Unternehmen verschmolzen,<br />

gilt der Haustarifvertrag beim aufnehmenden – bisher tariflosen – Unternehmen<br />

weiter. Dieses ist dann tarifgebunden, das heißt, dass der Haustarifvertrag auch für die Arbeitsverhältnisse<br />

der bei ihm beschäftigten Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft gilt.<br />

Die IG Metall hatte mit dem Unternehmen<br />

der S-GmbH im Dezember 2011 einen Haustarifvertrag<br />

(HTV) vereinbart. Im Geltungsbereich<br />

dieses HausTV hieß es auszugsweise:<br />

»§ 1 Dieser Haustarifvertrag gilt für alle in<br />

der Firma S-GmbH beschäftigten Arbeiter/<br />

innen, Angestellten und Auszubildenden, die<br />

Mitglied der IG Metall sind…« Mit dem Haus­<br />

TV galten die Tarifverträge für das Tarifgebiet<br />

Südbaden der Metall- und Elektroindustrie<br />

für die Beschäftigten der S-GmbH – soweit sie<br />

Mitglied der IG Metall waren – in der jeweils<br />

gültigen Fassung. Hinsichtlich der Dauer der<br />

Arbeitszeit und Übernahme der Entgelterhöhungen<br />

aus der Fläche waren abweichende<br />

Bestimmungen und Verfahrensregeln im Haus­<br />

TV vereinbart. Die A-GmbH und Beklagte in<br />

diesem Rechtsstreit führte am Standort B mit<br />

der S-GmbH einen gemeinsamen Betrieb.<br />

Die A-GmbH war weder Mitglied in einem<br />

58


AiB 7-8 | 2017<br />

rechtsprechung<br />

Arbeitgeberverband noch hatte sie selbst einen<br />

HausTV oder FirmenTV abgeschlossen.<br />

Im Juni/Juli 2012 übertrug die S-GmbH als<br />

übertragende Gesellschaft ihr Vermögen als<br />

Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter<br />

Auflösung ohne Abwicklung nach §§ 2 ff, 46 ff<br />

Umwandlungsgesetz (UmwG) auf die Beklagte<br />

als übernehmende Gesellschaft (Verschmelzungsvertrag).<br />

Im Mai 2013 hat die IG Metall der A-GmbH<br />

mitgeteilt, dass ein neuer Entgelttarifvertrag<br />

für das Tarifgebiet vereinbart wurde und dieser<br />

nun über den HausTV vom Dezember 2011 in<br />

der A-GmbH anzuwenden ist. Der Inhalt des<br />

Entgelt-TV wurde der Beklagten als Anlage zu<br />

diesem Schreiben übermittelt. Mit undatiertem<br />

Schreiben äußerte die A-GmbH daraufhin, sie<br />

betrachte das Schreiben der IG Metall als »gegenstandslos«<br />

da »eine originäre Tarifbindung<br />

nicht mehr« bestehe. Die IG Metall erwiderte,<br />

dass der HausTV nicht nur auf diejenigen<br />

Mitglieder anzuwenden sei, die vormals in einem<br />

Arbeitsverhältnis zur S-GmbH standen,<br />

sondern nunmehr auch auf alle ihre bei der<br />

A-GmbH beschäftigten Mitglieder gelten würde.<br />

Die A-GmbH sei in die Stellung als Partei<br />

des unternehmensweit geltenden HausTV in<br />

alle Rechte der S-GmbH eingerückt. Der Geltungsbereich<br />

des HausTV beziehe sich auf das<br />

Unternehmen der A-GmbH als Ganzes.<br />

Die A-GmbH hat wohl anerkannt, dass sie<br />

nach der Verschmelzung zwar im Verhältnis zu<br />

den vormals bei der S-GmbH beschäftigten IG<br />

Metall-Mitgliedern an den HausTV gebunden<br />

sei, nicht jedoch hinsichtlich der originär bei<br />

ihr beschäftigten und nachfolgend neu eingestellten<br />

IG Metall-Mitglieder.<br />

Haustarifvertrag gilt auch für die A-GmbH<br />

Das BAG entschied, dass die A-GmbH aufgrund<br />

der Verschmelzung der S-GmbH auf die<br />

A-GmbH in die Stellung der S-GmbH als Partei<br />

des HausTV eingetreten ist. Das hat zur Folge,<br />

dass die sich aus dem HausTV ergeben den<br />

Rechte und Pflichten für die A-GmbH selbst<br />

gelten. Dies bedeutet, dass der HausTV vom<br />

Dezember 2011 – abgeschlossen zwischen der<br />

S-GmbH und der IG Metall – wegen der Verschmelzung<br />

nicht nur für die Beschäftigten der<br />

ehemaligen S-GmbH gilt, sondern jetzt auch<br />

auf die Beschäftigten der A-GmbH anzuwenden<br />

ist, die bereits vor der Verschmelzung dort<br />

beschäftigt und Mitglied der IG Metall waren.<br />

}}<br />

Praxistipp<br />

Der erfreulichen Entscheidung des BAG lag<br />

sicherlich ein nicht häufig vorkommender<br />

Sachverhalt zugrunde; die Entscheidung selber<br />

konnte aber nicht überraschen. Bereits<br />

im Juni 1998 hat das BAG ausgeführt, dass<br />

bei einer Verschmelzung im Wege der Neugründung<br />

ein Firmentarifvertrag wegen der<br />

vom Gesetz (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) angeordneten<br />

Gesamtrechtsnachfolge auf den<br />

neu gegründeten Rechtsträger übergeht. Der<br />

Tarifvertrag wirkt dann kollektivrechtlich<br />

fort. Der übernehmende Betrieb rückt wegen<br />

der Gesamtrechtsnachfolge in den mit dem<br />

alten Betrieb abgeschlossenen Firmentarifvertrag<br />

ein. Der übernehmende Rechtsträger<br />

wird also Partei des für den übertragenden<br />

Rechtsträger geltenden Firmentarifvertrags. 1<br />

Die Besonderheit in der Entscheidung von<br />

1998 war, dass der übernehmende Rechtsträger<br />

nicht nur eine Neugründung, sondern<br />

auch ohne Arbeitsverhältnisse und Produktionsmittel<br />

war. Diese Rechtsprechung wurde<br />

in einer weiteren Entscheidung 2 und in der<br />

Fachliteratur bestätigt. 3<br />

Das sollte beachtet werden<br />

So erfreulich das Ergebnis des Rechtsstreits<br />

um die Fortwirkung und damit ein Eintreten<br />

des übernehmenden Unternehmens in<br />

alle sich aus dem FirmenTV des verschmolzenen<br />

Unternehmens ergebenden Rechte<br />

und Pflichten 4 auch ist, so bleiben eine Reihe<br />

von nicht nur juristischen Fragen und<br />

Problemen, die in ähnlich gelagerten Fällen<br />

beachtet werden sollten.<br />

Als da sind:<br />

· Wie genau lautet der Geltungsbereich des<br />

Haus- oder Firmentarifvertrags, den die zu<br />

übertragende Gesellschaft mit der Gewerkschaft<br />

vereinbart hat?<br />

· Enthält der HausTV oder FirmenTV Beschränkungen<br />

der Tarifgeltung? Diese<br />

könnten im persönlichen, räumlichen,<br />

fachlichen oder sachlichen Geltungsbereich<br />

liegen.<br />

· Weiter muss überprüft werden, ob der<br />

übernehmende Rechtsträger nicht eventuell<br />

selber Partei eines Haus- oder Firmenta­<br />

definition<br />

Verschmelzung durch<br />

Übertragung<br />

Die Verschmelzung ist<br />

der klassische Fall der<br />

übertragenden Umwandlung.<br />

Im Fall der<br />

Verschmelzung durch<br />

Aufnahme wird das<br />

ganze Vermögen eines<br />

Rechtsträgers auf einen<br />

anderen Rechtsträger<br />

übertragen. Gleichzeitig<br />

geht der bisherige<br />

Rechtsträger unter. Vermögen<br />

in diesem Sinne<br />

umfasst nicht nur das<br />

Aktivvermögen, sondern<br />

auch alle Verbindlichkeiten.<br />

Zu diesen Verbindlichkeiten<br />

gehören auch<br />

die abgeschlossenen<br />

Firmentarifverträge.<br />

1 BAG 24.6.1998 – 4 AZR 208/97; AiB 1999, 236ff.<br />

2 BAG 4.7.2007 – 4 AZR 491/06, NZA 2008, 307ff.<br />

3 Franzen in ErfK, TVG § 3, Rn. 15; Oetker in ErfK, UmwG § 122<br />

Rdnr 4.<br />

4 BAG 15.6.2016 4 AZR 805/114, Rdnr. 37.<br />

59


echtsprechung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

rifvertrags mit derselben oder einer anderen<br />

Gewerkschaft ist.<br />

· Ähnliches gilt, wenn der übernehmende<br />

Rechtsträger seinerseits Mitglied eines<br />

tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ist.<br />

Und letztlich steht die gewerkschaftspolitische<br />

Frage, wie der durch die Verschmelzung<br />

sozusagen »über Nacht« gekommene Tarifvertrag<br />

die Herzen und Köpfe der Beschäftigten<br />

erreicht. Eine »Tarifbindung über Nacht«<br />

gab es eigentlich noch nie. Vielmehr waren<br />

und sind Tariferfolge und deren Durchsetzung<br />

immer nur mit dem Engagement der<br />

Beschäftigten möglich.<br />

Ulrich Petri, Ass.jur., Stuttgart.<br />

betriebsverfassung<br />

Rechte beim Einsatz von Fremdpersonal<br />

BAG, Beschluss vom 8.11.2016 – 1 ABR 57/14<br />

gesetzestext<br />

Eine Einstellung liegt vor, wenn ein Beschäftigter so in die betriebliche Arbeitsorganisation<br />

integriert ist, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht<br />

innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft. Das ist<br />

nicht der Fall, wenn Personen im Betrieb des Auftraggebers tätig werden und ihre Dienstleistung<br />

oder das von ihnen zu erstellende Werk nach Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort<br />

in den betrieb lichen Arbeitsprozess eingeplant oder detailliert beschrieben ist.<br />

§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG<br />

In Unternehmen mit in<br />

der Regel mehr als zwanzig<br />

wahlberechtigten<br />

Arbeitnehmern hat der<br />

Arbeitgeber den Betriebsrat<br />

vor jeder Einstellung,<br />

Eingruppierung, Umgruppierung<br />

und Versetzung<br />

zu unterrichten, ihm die<br />

erforderlichen Bewerbungsunterlagen<br />

vorzulegen<br />

und Auskunft über<br />

die Person der Beteiligten<br />

zu geben; er hat dem<br />

Betriebsrat unter Vorlage<br />

der erforderlichen Unterlagen<br />

Auskunft über<br />

die Auswirkungen der<br />

geplanten Maßnahme zu<br />

geben und die Zustimmung<br />

des Betriebsrats zu<br />

der geplanten Maßnahme<br />

einzuholen. (...)<br />

Der Betriebsrat begehrt die Aufhebung mehrerer<br />

Einstellungen von Fremdpersonal. Die<br />

Arbeitgeberin löste den Bereich Pforte auf und<br />

übertrug den gesamten Pfortenbereich durch<br />

vertragliche Vereinbarungen auf eine konzernzugehörige<br />

Servicegesellschaft (ASG). Mittels<br />

Werkvertrag übertrug sie der ASG die regelhaft<br />

anfallenden Arbeiten am Empfang des A-Fachklinikums<br />

sowie die Leitung der Hauptpforte.<br />

Die ASG setzt daraufhin in der Pforte die bei ihr<br />

angestellten Arbeitnehmer A, B, C, und D ein.<br />

Der Betriebsrat machte geltend, dass die im<br />

Bereich Pforte eingesetzten Arbeitnehmer der<br />

ASG vom Klinikpersonal ablauf- und personenbezogene<br />

Weisungen erhielten. Das Arbeitsgericht<br />

hat den Aufhebungsantrag abgewiesen.<br />

Das LAG hat die dagegen gerichtete<br />

Beschwerde des Betriebsrats abgewiesen. Dessen<br />

Rechtsbeschwerde beim BAG war erfolglos.<br />

Der Einsatz der Arbeit nehmer der ASG<br />

im Betrieb der Arbeitgeberin bedarf – so das<br />

BAG – nicht der Zustimmung des Betriebsrats.<br />

Diese sind nicht nach § 99 Abs. 1 BetrVG<br />

eingestellt. Eine Einstellung nach § 99 Abs. 1<br />

Satz 1 BetrVG liegt vor, wenn Personen in den<br />

Betrieb eingegliedert werden, um zusammen<br />

mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern<br />

dessen arbeitstechnischen Zweck durch<br />

weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen.<br />

Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach<br />

weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die<br />

der Arbeitgeber organisiert. Der Beschäftigte<br />

muss so in die betriebliche Arbeitsorganisation<br />

integriert sein, dass der Arbeitgeber das für<br />

ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht<br />

ausübt und die Entscheidung über den Einsatz<br />

nach Inhalt, Ort und Zeit trifft.<br />

Eine Eingliederung in den Betrieb und dessen<br />

Organisation ist allerdings nicht schon dann<br />

anzunehmen, wenn Personen im Betrieb des<br />

Auftraggebers tätig werden und ihre Dienstleistung<br />

oder das von ihnen zu erstellende Werk<br />

nach Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den<br />

betrieblichen Arbeitsprozess eingeplant oder<br />

detailliert beschrieben ist. Es genügen auch weder<br />

die enge räumliche Zusammenarbeit von<br />

Arbeitnehmern im Betrieb noch die Einweisung<br />

und Koordination des Fremdfirmeneinsatzes<br />

60


AiB 7-8 | 2017<br />

rechtsprechung<br />

durch Beschäftigte des Betriebsinhabers oder<br />

der Umstand, dass die betreffende Tätigkeit<br />

bislang von Arbeitnehmern des Beschäftigungsbetriebs<br />

ausgeführt wurde und zu bestimmten<br />

Zeiten weiterhin von diesen durchgeführt wird.<br />

Wichtig: Weisungsrecht des Arbeitgebers<br />

Das Erteilen von Anweisungen an die vier<br />

Arbeit nehmer der ASG führt hier nicht zwingend<br />

zur Eingliederung. Auch ein Werkbesteller<br />

kann, wie § 645 Abs. 1 Bürgerliches Gesetz buch<br />

(BGB) normiert, dem Werkunternehmer selbst<br />

oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen<br />

für die Ausführungen des Werks erteilen. Abzugrenzen<br />

sind diese von arbeitsvertraglichen<br />

Weisungen und der Ausübung des Direktionsrechts.<br />

Hier gehen die vorgetragenen Weisungsbeispiele<br />

nicht über das hinaus, was Werkbesteller<br />

dem Werkunternehmer selbst oder<br />

dessen Erfüllungsgehilfen für die Ausführungen<br />

der geschuldeten Leistung erteilen dürfen.<br />

}}<br />

Praxistipp<br />

Abgrenzen beim Fremdpersonaleinsatz<br />

Gerade in Zeiten, in denen Stammbelegschaften<br />

abgebaut und durch Fremdpersonal<br />

– zunehmend auch Werkvertragsarbeitnehmer<br />

– ersetzt werden, ist die Beteiligung<br />

des Betriebsrats wichtig. Die vertragliche<br />

Grundlage für den Einsatz von Personen<br />

im Betrieb ist dabei für die Frage, ob eine<br />

zustimmungspflichtige Einstellung vorliegt,<br />

nicht maßgebend. Es kommt auf das arbeitgeberseitige<br />

Weisungsrecht an. Wird dieses<br />

vom Arbeitgeber im Einsatzbetrieb ausgeübt,<br />

liegen eine Eingliederung und damit<br />

eine Einstellung vor. Das gilt beispielsweise<br />

beim Einsatz von Leiharbeitnehmern.<br />

Schwierigkeiten beim Werkvertrag<br />

Erfolgt der Fremdpersonaleinsatz aufgrund<br />

Dienst- oder Werkvertrag, ist die Abgrenzung<br />

schwieriger. Allein der Einsatz von<br />

Beschäftigten, die wegen eines Dienst- oder<br />

Werkvertrags ihres Vertragsarbeitgebers auf<br />

dem Betriebsgelände eines anderen Arbeitgebers<br />

tätig sind, führt noch nicht zu deren<br />

Eingliederung. Dies ist auch dann nicht der<br />

Fall, wenn die von ihnen zu erbringenden<br />

Dienst- oder Werkleistungen hinsichtlich<br />

Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen<br />

Arbeitsprozess eingeplant sind.<br />

Für die Annahme der Eingliederung müssen<br />

sie vielmehr dem Weisungsrecht nach<br />

§ 106 Gewerbeordnung der Arbeitgeberin<br />

im Einsatzbetrieb unterliegen.<br />

Wichtige Anhaltspunkte<br />

Anhaltspunkte für die betriebsverfassungsrechtlich<br />

relevante Arbeitgeberstellung<br />

sind, wenn der Betriebsinhaber veranlasst,<br />

dass das Fremdpersonal<br />

· über das vertraglich Vereinbarte hinausgehende<br />

Leistungen erbringt<br />

· in den Dienstplan des Einsatzbetriebs<br />

einbezogen wird<br />

· Einrichtungen des Betriebsinhabers<br />

(Tankstelle, Kantine, Sozialräume) nutzt<br />

· eine einheitlichen Dienstkleidung trägt<br />

oder<br />

· in den Urlaubsplan aufgenommen wird.<br />

Das muss in jedem Einzelfall geprüft werden.<br />

Prüfung künftig leichter<br />

Der Betriebsrat hat beim Fremdpersonaleinsatz<br />

seit dem 1. April 2017 weitergehende<br />

Informationsrechte. So ist er nicht mehr nur<br />

über die Beschäftigung von Personen, die<br />

nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber<br />

stehen, zu unterrichten, sondern nunmehr<br />

auch über den zeitlichen Umfang des<br />

Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben<br />

dieser Personen. Zudem sind ihm die<br />

Verträge, die der Beschäftigung dieser Personen<br />

zugrunde liegen, auf Verlangen vorzulegen.<br />

Mit diesen Informationen kann der Betriebsrat<br />

künftig viel einfacher prüfen, ob der<br />

jeweilige Fremdpersonaleinsatz als Einstellung<br />

nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu qualifizieren<br />

ist. Und: Missachtet der Arbeitgeber die<br />

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei<br />

personellen Einzelmaßnahmen, kann der<br />

Betriebsrat nach § 101 BetrVG beim Arbeitsgericht<br />

die Aufhebung der mitbestimmungswidrigen<br />

Maßnahme beantragen.<br />

Michael Kröll, Rechtsanwalt und Fachanwalt<br />

für Arbeitsrecht, Frankfurt am Main.<br />

aus dem gesetz<br />

§ 80 Abs. 2 BetrVG<br />

Zur Durchführung seiner<br />

Aufgaben nach diesem<br />

Gesetz ist der Betriebsrat<br />

rechtzeitig und umfassend<br />

vom Arbeitgeber<br />

zu unterrichten; die<br />

Unterrichtung erstreckt<br />

sich auch auf die Beschäftigung<br />

von Personen, die<br />

nicht in einem Arbeitsverhältnis<br />

zum Arbeitgeber<br />

stehen, und umfasst<br />

insbesondere den<br />

zeitlichen Umfang des<br />

Einsatzes, den Einsatzort<br />

und die Arbeitsaufgaben<br />

dieser Personen.<br />

(...)<br />

61


echtsprechung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

einstweilige verfügung<br />

Einstweilige Verfügung bei Nichtbeachtung<br />

der Mitbestimmung zulässig<br />

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.7.2016 – 7 TaB-VGa 520/16 (rechtskräftig)<br />

Stellt ein Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in sozialen Angelegen heiten<br />

nach § 87 Abs. 1 BetrVG gänzlich in Abrede und übergeht er diesen bei entsprechenden<br />

Maßnahmen, kann der Betriebsrat hiergegen eine einstweilige Verfügung beantragen.<br />

gesetzestext<br />

§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG<br />

Der Betriebsrat hat,<br />

soweit eine gesetzliche<br />

oder tarifliche Regelung<br />

nicht besteht, in<br />

folgenden Angelegenheiten<br />

mitzubestimmen:<br />

1. Fragen der Ordnung<br />

des Betriebs und des Verhaltens<br />

der Arbeit nehmer<br />

im Betrieb;<br />

(...)<br />

Die Arbeitgeberin betreibt Callcenter und untersagte<br />

den Beschäftigten per Mail das Essen<br />

am Arbeitsplatz. Für das Essen und die Vorbereitung<br />

von Speisen stünde die Küche zur<br />

Verfügung. Der Betriebsrat wies sofort auf das<br />

ihm zustehende Mitbestimmungsrecht hin.<br />

Die Arbeitgeberin argumentierte mit Hygieneund<br />

Gesundheitsschutzbestimmungen. Daraufhin<br />

beantragte der Betriebsrat bei Gericht,<br />

es der Arbeitgeberin per einstweiliger Verfügung<br />

zu untersagen, den Beschäftigten durch<br />

Anordnung die Einnahme von Essen am Arbeitsplatz<br />

zu verbieten. In dem Verfahren hat<br />

die Arbeitgeberin das Bestehen von Mitbestimmungsrechten<br />

bestritten. In Bestätigung<br />

des Arbeitsgerichts hat das LAG den Unterlassungsanspruch<br />

bejaht.<br />

Essen am Arbeitsplatz<br />

Nach Auffassung der LAG-Richter ergibt sich<br />

das Mitbestimmungsrecht beim Essensverbot<br />

am Arbeitsplatz aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG<br />

(Fragen der Ordnung des Betriebs und des<br />

Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb). Im<br />

Rahmen dieser Entscheidung hat das LAG unter<br />

Hinweis auf die ständige Rechtsprechung<br />

des BAG 1 festgestellt, dass nur die Maßnahmen<br />

nicht mitbestimmungspflichtig sind, die das Arbeitsverhalten<br />

der Arbeitnehmer regeln. Das<br />

heißt, dass sämtliche auf die vertragsgemäße<br />

Erfüllung der Arbeit gerichtete Anweisungen,<br />

Vorgaben oder Anordnungen des Arbeitgebers<br />

mitbestimmungsfrei sind. Bei dem Essensverbot<br />

handelt es sich aber nach Auffassung des LAG<br />

nicht um eine konkrete Arbeitsanweisung, da<br />

diese nicht die unmittelbare Arbeitspflicht der<br />

Arbeitnehmer des Callcenters betrifft.<br />

Maßnahme betrifft Ordnungsverhalten<br />

Vielmehr liegt in der Anweisung der Arbeitgeberin<br />

eine Maßnahme vor, welche das sogenannte<br />

Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer<br />

im Betrieb betrifft. Das Ordnungsverhalten<br />

wird nach der Rechtsprechung des BAG 2 durch<br />

sämtliche Anordnungen betroffen, die das<br />

sonstige Verhalten der Arbeitnehmer koordinieren.<br />

Hierzu zählen sowohl verbindliche<br />

Verhaltensregeln, als auch Maßnahmen, die<br />

das Verhalten der Arbeitnehmer im Rahmen<br />

der betrieblichen Ordnung betreffen und berühren,<br />

ohne Normen für das Arbeitsverhalten<br />

zum Inhalt zu haben.<br />

Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden<br />

Fall gegeben. Die Anweisung der Arbeitgeberin<br />

diente dazu, das Verhalten der Arbeitnehmer<br />

in Bezug auf die betriebliche Ordnung und das<br />

betriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer<br />

zu koordinieren und zu beeinflussen. Die<br />

Arbeitnehmer sollten nicht ihren Arbeitsplatz,<br />

sondern die Küche als Ort der Essenszubereitung<br />

und Essenseinnahme wählen. Ziel der<br />

Anordnung war, ein »gleichmäßiges« Verhalten<br />

der Arbeitnehmer zu erreichen. Auch sollte<br />

das Verhalten der Arbeitnehmer untereinander<br />

geregelt werden, da die am Arbeitsplatz Tätigen<br />

nicht von Essensgerüchen anderer am Arbeitsplatz<br />

essenden Arbeitnehmer gestört werden<br />

sollen. Von daher hat die Arbeitgeberin das<br />

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt.<br />

Abschließend hat das LAG ausdrücklich auf<br />

die Grundsatzentscheidung des BAG vom<br />

3.5.1994 3 hingewiesen, nach der ein Betriebsrat<br />

nicht nur die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen<br />

Zustandes verlangen kann,<br />

sondern dem Betriebsrat auch ein Anspruch<br />

1 BAG 15.4.2014 – 1 ABR 85/12.<br />

2 BAG 15.4.2014, a.a.O.<br />

3 BAG 3.5.1994 – 1 ABR 24/93.<br />

62


AiB 7-8 | 2017<br />

rechtsprechung<br />

auf Unterlassung beabsichtigter und zukünftig<br />

zu erwartender weiterer Verstöße des Arbeitgebers<br />

gegen einen sich aus § 87 Abs. 1 BetrVG<br />

ergebendes Mitbestimmungsrecht hat, das der<br />

Betriebsrat auch im Wege einer einstweiligen<br />

Verfügung geltend machen kann. Der erforderliche<br />

Verfügungsgrund war im vorliegenden<br />

Fall gegeben, da die Arbeitgeberin das Bestehen<br />

eines Mitbestimmungsrechts grundsätzlich<br />

bestritt.<br />

}}<br />

Praxistipp<br />

Anhand dieses Falles wird wieder einmal<br />

deutlich, dass das Einschalten der Arbeitsgerichtsbarkeit<br />

in vielen Fällen zum Erfolg<br />

in der Sache führt und vor allem die<br />

Arbeitgeberseite den Betriebsrat zumeist<br />

zukünftig auch ernst nimmt. Um letztendlich<br />

nicht als »Papiertiger« zu enden, sollte<br />

jeder Betriebsrat im Fall des Falles nicht lange<br />

fackeln: Sofern hinzugezogene Experten<br />

ein Mitbestimmungsrecht bejahen, sollte<br />

eine Beschlussfassung mit dem Ziel, einen<br />

Rechtsanwalt mit der Durchführung eines<br />

Verfahrens zu beauftragen, erfolgen.<br />

Kernbereich der Mitbestimmung<br />

Schließlich handelt es sich bei den Fällen<br />

des § 87 BetrVG um den Kernbereich der<br />

Mitbestimmung. Von daher sollten auch<br />

sämtliche vom Gesetzgeber eingeräumten<br />

Möglichkeiten genutzt werden, um ein Mitbestimmungsrecht<br />

im Interesse der betroffenen<br />

Arbeitnehmer zu sichern. Bei eindeutigen<br />

Tatbeständen – wie hier – sollte man<br />

den Arbeitgeber auch darauf hinweisen,<br />

dass durch sein Verhalten eine Behinderung<br />

der Betriebsratsarbeit (§ 78 BetrVG)<br />

vorliegt, wobei es sich empfiehlt, spätestens<br />

beim dritten Ignorieren auf mögliche strafrechtliche<br />

Konsequenzen (vgl. § 119 Abs. 1<br />

Nr. 2 BetrVG) hinzuweisen, um die Arbeitgeberseite<br />

zur Räson zu bringen. Auch<br />

kommt im Einzelfall eine grobe Pflichtverletzung<br />

des Arbeitgebers im Sinne des § 23<br />

Abs. 3 BetrVG in Betracht.<br />

Auch in Fällen, bei denen nicht eindeutig<br />

klar ist, ob eine Maßnahme der Mitbestimmung<br />

unterfällt oder mitbestimmungsfrei<br />

ist und mit der Arbeitgeberseite keine vernünftige<br />

Verständigung möglich ist, sollte<br />

der Betriebsrat die Arbeitsgerichtsbarkeit<br />

einschalten oder das für Arbeitgeber kostenintensive<br />

Einigungsstellenverfahren einleiten,<br />

denn auch die Einigungsstelle prüft<br />

das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts<br />

als Vorfrage.<br />

Einer eingehenden Prüfung bedarf es immer<br />

dann, wenn durch Weisung des Arbeitgebers<br />

sowohl das Ordnungsverhalten als auch das<br />

Arbeitsverhalten geregelt werden soll (Doppelcharakter).<br />

Hier muss nach der Rechtsprechung<br />

des BAG 4 genau geprüft werden,<br />

welcher Regelungszweck überwiegt.<br />

Wolf-Dieter Rudolph,<br />

Rechtsanwalt und Referent für BetrVG, Berlin.<br />

4 BAG 23.6.2016 – 1 ABR 18/14.<br />

gesetzestext<br />

§ 23 Abs. 3 BetrVG<br />

Der Betriebsrat oder eine<br />

im Betrieb vertretene<br />

Gewerkschaft können bei<br />

groben Verstößen des<br />

Arbeitgebers gegen seine<br />

Verpflichtungen aus diesem<br />

Gesetz beim Arbeitsgericht<br />

beantragen, dem<br />

Arbeitgeber aufzugeben,<br />

eine Handlung zu unterlassen,<br />

die Vornahme<br />

einer Handlung zu dulden<br />

oder eine Handlung<br />

vorzunehmen. Handelt<br />

der Arbeitgeber der ihm<br />

durch rechtskräftige<br />

gerichtliche Entscheidung<br />

auferlegten Verpflichtung<br />

zuwider, eine Handlung<br />

zu unterlassen oder die<br />

Vornahme einer Handlung<br />

zu dulden, so ist er<br />

auf Antrag vom Arbeitsgericht<br />

wegen einer jeden<br />

Zuwiderhandlung nach<br />

vorheriger Androhung zu<br />

einem Ordnungsgeld zu<br />

verurteilen.<br />

(...)<br />

weiterbildung<br />

Bei Bildungsmaßnahmen mitbestimmen<br />

BAG, Beschluss vom 26.4.2016 – 1 ABR 21/14<br />

Bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung hat der Betriebsrat<br />

nach § 98 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen. Eine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme liegt<br />

nicht vor, wenn im Betrieb eine Fortbildung/Schulung eines externen Arbeitnehmers zu dessen<br />

Qualifikation für eine Tätigkeit bei einem externen Unternehmen stattfindet. In diesem<br />

speziellen Fall kann der Betriebsrat nicht mitbestimmen.<br />

63


echtsprechung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

wichtig<br />

Bereits im Rahmen<br />

der Personalplanung<br />

(§ 92 BetrVG) muss der<br />

Betriebsrat rechtzeitig<br />

über vom Arbeitgeber<br />

geplante Maßnahmen<br />

der Ausbildung, Fortbildung<br />

und Um schulung<br />

sowie sonstiger Bildungsmaß<br />

nahmen informiert<br />

werden.<br />

gut zu wissen<br />

Eine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme<br />

liegt<br />

auch dann vor, wenn der<br />

Arbeitgeber die Maßnahme<br />

von einem anderen<br />

Unternehmen durchführen<br />

lässt und er dabei auf<br />

Inhalt und Gestaltung der<br />

entsprechenden Maßnahme<br />

beherrschenden<br />

Einfluss hat.<br />

Der Arbeitgeber hatte in seinem Betrieb eine<br />

bei seinem slowakischen Tochterunternehmen<br />

angestellte Arbeitnehmerin zu Schulungs- und<br />

Ausbildungszwecken beschäftigt.<br />

Betriebliche Fortbildung ist mitbestimmt<br />

Der Betriebsrat meinte, dass ihm Mitbestimmungsrechte<br />

bei der Durchführung von Maßnahmen<br />

der betrieblichen Berufsbildung nach<br />

§ 98 Abs. 1 BetrVG zustehen würden. Der Begriff<br />

Berufsbildung umfasst nicht nur Maßnahmen<br />

der Berufsausbildung, sondern erstreckt<br />

sich auch auf sämtliche Maßnahmen der betrieblichen<br />

Fortbildung und Umschulung. Keine<br />

Rolle spielt dabei, wie und wo die Maßnahmen<br />

stattfinden.<br />

BAG verneint ein Mitbestimmungsrecht<br />

Nach Auffassung des BAG handelt es sich hier<br />

nicht um eine »betriebliche« Berufsbildungsmaßnahme.<br />

Das BAG weist daraufhin, dass der<br />

Begriff der betrieblichen Bildungsmaßnahme<br />

funktional zu verstehen ist. Das bedeutet für<br />

das Vorliegen des Mitbestimmungsrechts, dass<br />

der Arbeitgeber nicht nur Träger/Veranstalter<br />

der entsprechenden Bildungsmaßnahme<br />

sein muss, sondern diese Berufsbildungsmaßnahme<br />

auch für die »eigenen« Arbeitnehmer<br />

durchgeführt wird – zumindest diese bei der<br />

Beteiligung an der jeweiligen Maßnahme Vorrang<br />

haben müssen. Bei ausschließlich für<br />

externe Arbeitnehmer durchgeführte Berufsbildungsmaßnahmen<br />

handelt es sich nicht um<br />

»betriebliche«, da diese nicht für den Betrieb<br />

des Arbeitgebers durchgeführt werden.<br />

Sinn und Zweck<br />

Das BAG weist daraufhin, dass durch die Mitbestimmung<br />

gewährleistet werden soll, dass<br />

Berufsbildungsmaßnahmen Arbeitnehmern,<br />

die einen beruflichen Aufstieg planen oder aber<br />

ihren Arbeitsplatz erhalten wollen, nicht aus<br />

sachwidrigen Gründen vorenthalten werden.<br />

Auch EU-Vorgaben zur Gleichbehandlung von<br />

Leiharbeitnehmern führten nicht zu einem<br />

anderen Ergebnis. Danach sollen die EU-Mitgliedsstaaten<br />

geeignete Maßnahmen treffen,<br />

eine Verbesserung des Zugangs der Leiharbeitnehmer<br />

zu Fort- und Weiterbildungsangeboten<br />

der Unternehmen, in dem sie beschäftigt sind,<br />

zu erreichen.<br />

}}<br />

Praxistipp<br />

Auf Grund des weiten Begriffs der betrieblichen<br />

Bildungsmaßnahme ergibt sich für den<br />

Betriebsrat eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Das Mitbestimmungsrecht<br />

bezieht sich nicht nur auf die Durchführung<br />

der Maßnahme, sondern auch die Auswahl<br />

der Teilnehmer an einer Berufsbildungsmaßnahme<br />

sowie auch bei der Auswahl der mit<br />

der Durchführung der entsprechenden Qualifikationsmaßnahme<br />

betrauten Personen.<br />

Arbeitgeber vergessen, dass der Betriebsrat<br />

auch bei Inhalt und Umfang der zu vermittelnden<br />

Kenntnisse oder Fähigkeiten<br />

sowie bei Methoden der jeweiligen Wissensvermittlung<br />

und natürlich auch bei der<br />

zeitlichen Dauer und Lage der Maßnahme<br />

im Spiel ist. Nach der Rechtsprechung des<br />

BAG besteht auch eine Mitregelungskompetenz<br />

bei der Abhaltung von betrieblichen<br />

Prüfungen. 1<br />

Der Betriebsrat kann erheblichen Einfluss<br />

bei der Auswahl von Teilnehmern an der<br />

jeweiligen Maßnahme nehmen. Nach § 98<br />

Abs. 3 BetrVG darf er auch, von sich aus<br />

einzelne oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern<br />

für die Teilnahme an Maßnahmen<br />

der Berufsbildung vorschlagen. Es geht<br />

um die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer,<br />

wobei hier auch die Einbeziehung der<br />

Teilzeitkräfte und die länger im Betrieb befindlichen<br />

Leiharbeitnehmer erfolgen soll.<br />

Auch Betriebsratsmitglieder schulen<br />

Im Übrigen: Bei allem Engagement für seine<br />

Wähler sollen sich gerade die gemäß<br />

§ 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieder<br />

nicht selbst vergessen, um bei einer<br />

etwaigen Rückkehr in den Arbeitsprozess<br />

nach Möglichkeit keinerlei Qualifikationsdefizite<br />

zu haben. Kommt es bei der Auswahl<br />

der Teilnehmer zu Unstimmigkeiten,<br />

hat der Betriebsrat die Möglichkeit, seine<br />

Vorstellungen mit Hilfe einer für Arbeitgeber<br />

naturgemäß teuren Einigungsstelle<br />

durchzusetzen.<br />

Im Spiel ist der Betriebsrat immer nur<br />

dann, wenn der Arbeitgeber sich entschieden<br />

hat, dass er eine bestimmte Bildungsmaßnahme<br />

überhaupt durchführt. Da sich<br />

1 BAG 5.11.1985 – 1 ABR 49/83.<br />

64


AiB 7-8 | 2017<br />

impressum | ansprechpartner<br />

Betriebsrat und Arbeitgeber über sämtliche<br />

mitbestimmungspflichtige Maßnahmen bei<br />

der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen<br />

Berufsbildung einigen müssen,<br />

empfiehlt sich in der Praxis der Abschluss<br />

einer entsprechenden Betriebsvereinbarung.<br />

In größeren Betrieben sollte ein spezieller<br />

Ausschuss für Aus- und Weiterbildung<br />

eingerichtet werden.<br />

Nicht vergessen: § 98 BetrVG sollte nicht<br />

losgelöst gesehen werden von den §§ 96<br />

und 97 BetrVG. Im Einzelfall kann der Betriebsrat<br />

den Arbeitgeber zwingen, Qualifizierungsmaßnahmen<br />

durchzuführen. Von<br />

seinem Initiativrecht kann er nach § 97<br />

Abs. 2 BetrVG dann Gebrauch machen,<br />

wenn es infolge von geplanten oder durchgeführten<br />

Maßnahmen des Arbeitgebers<br />

zu einer Tätigkeitsveränderung von einem<br />

oder mehreren Arbeitnehmern oder aber<br />

der gesamten Belegschaft gekommen ist<br />

und der jeweils betroffene Arbeitnehmer<br />

zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung<br />

über keinerlei oder nicht ausreichende<br />

Kenntnisse und Fähigkeiten mehr verfügt.<br />

Um überhaupt diese Maßnahme zur Beschäftigungssicherung<br />

geltend machen zu<br />

können, empfiehlt es sich, den Berufsbildungsbedarf<br />

zu ermitteln. Nach § 96 Abs. 1<br />

Satz 2 BetrVG ist der Arbeitgeber auf Verlangen<br />

des Betriebsrats verpflichtet, den<br />

Berufsbildungsbedarf zu ermitteln. In größeren<br />

Betrieben kann die Durchführung<br />

der Ist-Soll-Analyse auch vom Betriebsrat<br />

oder dem entsprechenden Ausschuss vorgenommen<br />

werden. Über die Häufigkeit der<br />

Berufsbildungsbedarfsermittlung sowie weiterer<br />

Pflichten der Arbeitgeber sollte eine<br />

betriebs- und unternehmensbezogene Regelung<br />

erfolgen.<br />

Aber aufgepasst<br />

Es besteht selbst dann ein Mitbestimmungrecht,<br />

wenn der Arbeitgeber bei außerbetrieblichen<br />

Bildungsmaßnahmen die<br />

Arbeitnehmer mit oder ohne Entgeltfortzahlung<br />

von der Arbeit freistellt oder die<br />

Kosten ganz oder teilweise trägt.<br />

Wolf-Dieter Rudolph,<br />

Rechtsanwalt und Referent für BetrVG, Berlin.<br />

Arbeitsrecht im Betrieb 7-8 | 2017<br />

38. Jahrgang<br />

ISSN 0174-1225<br />

Zitiervorschlag<br />

AiB 7-8/2017, 23<br />

Redaktion<br />

Eva-Maria Stoppkotte (verantwortlich),<br />

Claudia Stiel, Christian Köhler<br />

Anschrift für Redaktion und Verlag<br />

Heddernheimer Landstraße 144<br />

60439 Frankfurt/Main<br />

Tel. +49 (o)69/79 50 10-0<br />

Fax +49 (o)69/79 50 10-18<br />

E-Mail der Redaktion<br />

redaktion@aib-web.de<br />

Verlag<br />

Bund-Verlag GmbH<br />

Geschäftsführer Rainer Jöde<br />

Geschäftsbereich Zeitschriften<br />

Bettina Frowein<br />

Leser- und Aboservice<br />

Bund-Verlag GmbH<br />

60424 Frankfurt/Main<br />

Tel. +49 (o) 69/795010-96<br />

Fax +49 (o)69/795010-12<br />

E-Mail: abodienste@bund-verlag.de<br />

Gestaltung und Satz<br />

felixschramm Visuelle Kommunikation,<br />

Bochum<br />

Urheber- und Verlagsrechte<br />

Alle in dieser Fachzeitschrift und in<br />

ihren Online-Diensten veröffentlichten<br />

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Jede Verwertung<br />

– auch auszugsweise – bedarf der<br />

vor herigen Genehmigung des Verlages.<br />

Abonnement<br />

Arbeitsrecht im Betrieb umfasst jährlich<br />

· 11 Ausgaben in Print und Online<br />

· den wöchentlich erscheinenden<br />

Newsletter<br />

· 3 Lizenzen zur Nutzung von<br />

AiB­ Online mit allen Ausgaben seit<br />

2006, der Datenbank AiB:Assist mit<br />

BetrVG­ Kommentar, Lexikon und<br />

Top-100­ Urteilen<br />

· AiB-App für iOs und Android<br />

Jahresbezugspreis 2017<br />

Inland: 179,40 € einschließlich MwSt. |<br />

Ausland: 179,40 € zzgl. Versandkosten |<br />

Institutionspreis: inkl. IP-Zugang für bis<br />

zu 10 berechtigte Nutzer: 238,80 €.<br />

Einzelhefte können zum Preis von<br />

17,20 € einschließlich MwSt. erworben<br />

werden.<br />

Abbestellungen<br />

Abonnements sind mit einer Frist von<br />

sechs Wochen zum Jahresende kündbar.<br />

Datenschutz<br />

Die zur Abwicklung des Abonnements<br />

erforderlichen Daten werden nach den<br />

Bestimmungen des BDSG verwaltet.<br />

Ihre Ansprechpartner in der Redaktion<br />

Eva-Maria Stoppkotte<br />

(Arbeitsrecht im Betrieb)<br />

Tel. +49 (0)221/3557699<br />

eva-maria.stoppkotte@<br />

bund-verlag.de<br />

Claudia Stiel<br />

(Arbeitsrecht im Betrieb)<br />

Tel. +49 (0)69/795010-630<br />

claudia.stiel@<br />

bund-verlag.de<br />

Christian Köhler<br />

(AiB-online und Rechtsprechungs-Newsletter)<br />

Tel. +49 (0)69/795010-662<br />

christian.koehler@<br />

bund-verlag.de<br />

Ihre Ansprechpartnerinnen<br />

im Leser- und Aboservice<br />

Marianne Schmidt<br />

(Aboservice,<br />

Helpdesk AiB Online)<br />

Tel. +49 (0)69/795010-96<br />

abodienste@<br />

bund-verlag.de<br />

Karin Steier<br />

(Aboservice,<br />

Helpdesk AiB Online)<br />

Tel. +49 (0)69/795010-96<br />

abodienste@<br />

bund-verlag.de<br />

Ihre Ansprechpartner<br />

für Anzeigen und Beilagen<br />

Peter Beuther (verantwortlich)<br />

Thorsten Kauf<br />

(Anzeigen)<br />

Tel. +49 (0)69/795010-602<br />

Fax +49 (o)69/795010-12<br />

thorsten.kauf@<br />

bund-verlag.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 19,<br />

gültig ab 1.1.2017<br />

Bildnachweise<br />

Titelbild, S. 4, 10: © iStock.com,<br />

Squaredpixels | S. 6, 12, 19, 23, 25, 38,<br />

41, 45, 49: © iStock.com, Gazometr,<br />

wundervisuals, maselkoo99, shironosov,<br />

matejmo, Pawel_Czaja, Svetlanka777,<br />

alvarez, efks | S.53: © Adobe Stock,<br />

Gina Sanders | S.7, 29: Wikimedia<br />

Commons: JanSlupskI (cc by-sa 3.0),<br />

Maximilian Droste (cc by-sa 4.0)<br />

Druck<br />

alpha print medien AG, Darmstadt<br />

Mit Namen gezeichnete Beiträge sowie<br />

Beilagen und Anzeigen geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

oder des Verlages wieder.<br />

Redaktionsschluss dieser Ausgabe<br />

8.5.2017<br />

65


die letzte seite<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

von BURKH<br />

vorschau 9 | 2017<br />

Das erwartet Sie in der nächsten Ausgabe<br />

}}<br />

Titelthema<br />

Einsetzen des Wahlvorstands | Wie der<br />

Wahlvorstand Fallstricke bei der Wahlvorbereitung<br />

vermeidet | Alles Wichtige<br />

zur Briefwahl | Stimmabgabe und Auszählung<br />

der Stimmen<br />

}}<br />

Aktuelles<br />

Die Wahlprogramme der Parteien<br />

und was sie für Beschäftigte verspre ­<br />

chen | Warum Kritik gespräche zu<br />

Frust führen | Was bringt das Ent gelttrans<br />

parenzgesetz<br />

}}<br />

Grundlagen<br />

Arbeitszeiterfassung mit moderner<br />

Technik | Wissenswertes für den<br />

Wirtschafts ausschuss | Wie der Betriebsrat<br />

Diskriminierung verhindert<br />

die <strong>ausgabe</strong> 9 | 2017 ist voraussichtlich am 31.8.2017 beim abonnenten und ab 28.8.2017 online zu lesen.<br />

66


BETRIEBS<br />

RATSWAHL<br />

2018<br />

Rechtssicher und<br />

fehlerfrei wählen<br />

mit<br />

Top<br />

Software<br />

Einfach online bestellen:<br />

1. Einsteigen auf www.bund-verlag.de/6602 2. Daten eingeben 3. Absenden<br />

oder Coupon ausfüllen und abschicken:<br />

Expl.<br />

Best.-Nr.<br />

978-3-7663-<br />

Autor / Kurztitel<br />

Preis / €<br />

Berg, Heilmann<br />

6602-3 Betriebsratswahl 2018 49,90<br />

Absender: Frau<br />

Vorname / Name:<br />

Firma / Funktion:<br />

Herr<br />

Immer topaktuell informiert sein<br />

Ja, ich möchte den kostenlosen Newsletter für Betriebsräte nutzen.<br />

Den Newsletter kann ich jederzeit wieder abbestellen.<br />

SERVICE - FAX : 069 / 79 50 10 - 11<br />

Wir geben Ihre Bestellung zur Ausführung an eine Buchhandlung unserer Wahl weiter.<br />

Straße / Nr.:<br />

PLZ / Ort:<br />

Telefon:<br />

E-Mail:<br />

Datum / Unterschrift<br />

Postfach<br />

60424 Frankfurt am Main<br />

Infotelefon:<br />

069 / 79 50 10-20<br />

Fax:<br />

069 / 79 50 10-11<br />

Internet:<br />

www.bund-verlag.de<br />

E-Mail:<br />

kontakt@bund-verlag.de


Schnell. Verständlich. Rechtssicher.<br />

Arbeitsrecht<br />

im Betrieb<br />

AiB | FACHZEITSCHRIFT FÜR DEN BETRIEBSRAT<br />

aib-web.de<br />

38. JAHRGANG<br />

ISSN 01741225<br />

D 3591<br />

5 | 2017<br />

Arbeitsrecht im Betrieb<br />

FACHZEITSCHRIFT<br />

FÜR DEN BETRIEBSRAT<br />

Mit Online-Ausgabe und Archiv<br />

Neuaulage!<br />

Mit Online-Datenbank AiB:Assist<br />

ARBEITSZEITMODELLE<br />

Mehr Freiraum<br />

für Beschäftigte<br />

aktuelles Leiharbeitnehmer zählen bei Schwellenwerten mit<br />

grundlagen Nach der Wahl i nden Betriebsräte zurück in den Job<br />

betriebliche praxis Psychische Krankheiten sind kein Tabu mehr<br />

Mit Newsletter und App<br />

Machen Sie jetzt<br />

den Gratis-Test!<br />

§<br />

Ihr gutes Recht:<br />

§<br />

Laut BAG vom 19. März 2014 ist die Zeitschrift »AiB«<br />

trotz Internetzugang für die Betriebsratsarbeit erforderlich.<br />

(AZ:7 ABN 91/13)<br />

Ganz nah dran.<br />

Ihr Partner im Arbeits- und Sozialrecht.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!