GIG September 2017
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INTERVIEW<br />
Jetzt spricht:<br />
Robert von Olberg<br />
(Vorsitzender der SPD Münster)<br />
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Im vergangenen Jahr zum Vorsitzenden der SPD Münster gewählt, kandidiert<br />
der 28-Jährige bei den kommenden Wahlen für den Bundestag. Grund<br />
genug also, mit dem gebürtigen Münsteraner einmal über relevante<br />
Themen wie Flüchtlingskrise, steigende Mieten, Rechtspopulisten und<br />
Armut in Deutschland zu sprechen.<br />
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Herr von Olberg, wie kam es dazu, dass Sie<br />
sich bereits als 14-Jähriger ehrenamtlich politisch<br />
engagierten?<br />
Es war bei mir so, dass ich mich für Bildungspolitik<br />
interessiert habe und auch in der Schülervertretung<br />
aktiv war. Da ich es auch schon immer<br />
ungerecht fand, dass das Elternhaus entscheidend<br />
ist, was ich in der Schule, der Ausbildung oder<br />
dem Beruf erreichen kann, bin ich erst zu den Jusos<br />
und dann zur SPD gekommen, weil es dort eine<br />
politische Kraft gibt, die sich dieses Problems annimmt.<br />
Eine der großen Herausforderungen der<br />
nächsten Jahre ist die Integration von<br />
Flüchtlingen. Wieso ist es im Rahmen der so<br />
genannten „Willkommenskultur“ anscheinend<br />
immer noch ein Tabu, kulturelle, religiöse<br />
und soziale Differenzen, also zum Beispiel<br />
patriarchale Traditionen oder bestehende<br />
Vorurteile von Zuwanderern gegenüber<br />
Ungläubigen, Homosexuellen etc., anzusprechen<br />
respektive Konflikte offen auszutragen?<br />
14,27mm<br />
Ich glaube, dass es in Deutschland eine große Vorsicht<br />
gibt, was Erklärungen angeht, die auf Kultur<br />
und Herkunft setzen. Nur weil man aus der<br />
Türkei oder aus Syrien kommt, verhält man sich<br />
ja nicht genau so oder so. Deswegen finde<br />
ich es richtig, wenn man es nicht immer<br />
mit kulturellen Argumenten erklärt, warum<br />
sich Menschen anders verhalten. Aber<br />
natürlich muss Willkommenskultur auch<br />
heißen, dass wir Probleme, die da sind,<br />
auch wahrnehmen und darüber reden, was<br />
man dagegen tun kann. Ich glaube, dass Bildung<br />
ein wesentlicher Schlüssel ist. Ich beobachte mit<br />
großer Sorge, dass die Politik Flüchtlingen die<br />
Aufnahme von Ausbildung und Arbeit erschwert<br />
hat. Das halte ich für den falschen Weg.<br />
Unsere Nachbarn, die Niederlande, waren<br />
lange Zeit das Multikulti-Vorzeigeland. Dann<br />
wurde der Filmemacher Theo van Gogh von<br />
einem islamistischen Fanatiker ermordet,<br />
und es gab durch die große Zuwanderung von<br />
Marokkanern Probleme, die seitens der Politik<br />
ignoriert wurden. Die Folge ist ein<br />
Rechtspopulist wie Geert Wilders, der<br />
erschreckend großen Zulauf hat.<br />
Zum Glück sind die letzten Wahlen für Wilders ja<br />
nicht so gut gelaufen, wie man es befürchtet hatte.<br />
Nichtsdestotrotz hat er viel Zuspruch. Ich glaube,<br />
das hat aber auch nicht nur mit Fragen von<br />
Integration und Zuwanderung zu tun. Wir erleben,<br />
dass Rechtspopulisten sich andere Probleme, die<br />
es in der Gesellschaft gibt, zunutze machen, um<br />
zu argumentieren, daran sind allein diejenigen,<br />
die aus dem Ausland kommen, schuld. Es ist die<br />
Aufgabe der anderen Parteien, immer wieder darauf<br />
hinzuweisen, dass nicht jedes Problem, was<br />
es in einer Gesellschaft gibt, mit Zuwanderung<br />
zu erklären ist.<br />
Aktuell hört man oft von jungen Deutsch-<br />
Türken, dass sie sich benachteiligt fühlen.<br />
Es gibt tatsächlich Benachteiligungen, weil Menschen<br />
eine andere Herkunft haben. Deswegen finde<br />
ich es gut, wenn junge Menschen, die ausländische<br />
Wurzeln haben, darauf aufmerksam machen,<br />
an welcher Stelle sie benachteiligt sind. Es<br />
ist unsere gemeinsame politische Aufgabe, dafür<br />
zu sorgen, das abzustellen.<br />
Wie kann es eigentlich sein, dass in einem<br />
reichen Land wie Deutschland immer mehr,<br />
vor allem auch ältere Menschen, Flaschen<br />
sammeln oder Tafeln in Anspruch nehmen<br />
müssen?<br />
Wir beobachten, dass es immer mehr prekäre Beschäftigungen<br />
gibt. Also sehr schlecht bezahlte<br />
Jobs, die nie sicher sind, weil sie oftmals zeitlich<br />
begrenzt sind. Natürlich kann man da nicht fürs<br />
„Ich glaube, dass Bildung<br />
ein wesentlicher Schlüssel ist.“<br />
.....................................................<br />
Alter vorsorgen. Es muss mehr sozialversicherungspflichtige,<br />
reguläre Jobs geben, die auch tariflich<br />
gebunden sind, damit wir eine Rente haben, die<br />
ein vernünftiges Leben im Alter ermöglicht. All das<br />
sind im Moment die großen sozialpolitischen Baustellen,<br />
an die wir dringend dranmüssen.<br />
Bei Bewerbungsgesprächen wird Bewerbern<br />
mitunter sogar von Arbeitgebern empfohlen,<br />
dass sie doch „aufstocken“ könnten.<br />
Wir brauchen klarere Regeln, was Arbeitgeber dürfen<br />
und zu welchen Konditionen sie Beschäftigte<br />
einstellen können. Wir müssen die Leih- und Zeitarbeit<br />
stärker reglementieren, damit sie nicht<br />
massenhaft gebraucht wird, sondern nur dafür da<br />
ist, um Produktionsspitzen mal aufzufangen. Und<br />
es kann nicht sein, dass es ein Modell ist, seine<br />
Beschäftigten schlecht zu bezahlen, weil der Rest<br />
ja vom Amt übernommen wird. Das können wir<br />
nicht hinnehmen.<br />
17,0mm<br />
Ein weiteres großes Thema sind die extrem<br />
steigenden Mieten. So richtig gegriffen hat<br />
die Mietpreisbremse ja nicht...<br />
In der Tat muss man feststellen, dass die Mietpreisbremse<br />
in vielen Städten noch nicht funktioniert.<br />
Das muss sich die Politik jetzt genau angucken und<br />
die Schlupflöcher, die es offensichtlich gibt, stopfen.<br />
Welche Ziele möchten Sie, wenn Sie in den<br />
Bundestag gewählt werden, erreichen?<br />
Da es die Bildungspolitik war, die mich zum Politikmachen<br />
bewegt hat, ist es natürlich der Einsatz<br />
für gleiche Chancen für alle. Mir ist wichtig,<br />
dass wir eine Politik verfolgen, die auf den Zusammenhalt<br />
in dieser Gesellschaft setzt. Ich finde<br />
aber auch, dass wir für ein solidarischeres Europa<br />
kämpfen müssen. Wenn man sich anguckt, wie hoch<br />
die Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen Mitgliedsstaaten<br />
ist, ist das ein Problem von ganz<br />
Europa. Natürlich sehe ich es auch als Auftrag, für<br />
die Stadt Münster und die Menschen hier eine starke<br />
Stimme zu sein.<br />
Interview: Alexandra Mai<br />
Robert von Olberg in Münsters guter Stube<br />
Foto: patroehring.de