Leiden an der Angst - Schweizerischer Nationalfonds (SNF)
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titel<br />
<strong>Leiden</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Angst</strong><br />
Im richtigen Moment k<strong>an</strong>n uns die Furcht das Leben retten. Doch m<strong>an</strong>chmal schlägt sie auch<br />
in harmlosen Situationen Alarm. Bei m<strong>an</strong>chen wird die P<strong>an</strong>ik so stark, dass es unmöglich wird,<br />
eine Prüfung abzulegen o<strong>der</strong> sich unter fremde Menschen zu wagen. Weshalb übermässige<br />
Ängste entstehen und wie sie verhin<strong>der</strong>t werden können, ist noch weitgehend offen. Doch<br />
lassen sie sich heute gut beh<strong>an</strong>deln. Texte Erika Meili, Illustrationen Andreas Gefe<br />
SCHWEIZERISCHER NATIONALFONDS • HORIZONTE SEPTEMBER 2007 9
titel<br />
Verschiedene Kr<strong>an</strong>kheitsbil<strong>der</strong><br />
<strong>Angst</strong>störungen zeigen sich in verschiedenen Formen:<br />
Generalisierte <strong>Angst</strong>störung: Allgemeine Überängstlichkeit,<br />
die nicht <strong>an</strong> ein Objekt o<strong>der</strong> eine Situation gebunden<br />
ist. Dazu gehört auch die übermässige Sorge<br />
über mögliche Schicksalsschläge.<br />
P<strong>an</strong>ikstörung: Plötzliche und wie<strong>der</strong>holte P<strong>an</strong>ikattacken<br />
in ungefährlichen Situationen. Sie sind begleitet von<br />
starken körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot,<br />
Schwindel.<br />
Agoraphobie: Un<strong>an</strong>gemessene <strong>Angst</strong> in <strong>der</strong> Öffentlichkeit.<br />
Oft gekoppelt mit P<strong>an</strong>ikattacken. Betroffene fürchten,<br />
we<strong>der</strong> fliehen noch Hilfe erhalten zu können.<br />
Sozialphobie: <strong>Angst</strong>, im Zentrum <strong>der</strong> Aufmerksamkeit<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>er zu stehen. Betroffene scheuen sich, in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
zu sprechen, zu essen etc., weil sie <strong>Angst</strong> haben,<br />
sich zu blamieren.<br />
Spezifische Phobien: Jedes Objekt und jede Situation<br />
k<strong>an</strong>n zu einem Auslöser werden. Es gibt Tierphobien<br />
Wenn alltägliche Situationen P<strong>an</strong>ik auslösen, leiden<br />
Betroffene enorm. Verhaltenstherapeutische<br />
Massnahmen lin<strong>der</strong>n diese <strong>Leiden</strong> nachweislich,<br />
kommen aber noch nicht sehr oft zum Einsatz.<br />
Todes<strong>an</strong>gst<br />
im Delikatessladen<br />
Die erste P<strong>an</strong>ikattacke traf<br />
mich aus heiterem Himmel»,<br />
erzählt Michelle S.<br />
Sie st<strong>an</strong>d im Delikatessladen,<br />
wo sie als Studentin arbeitete.<br />
«Es war, als würde mir <strong>der</strong> Boden<br />
unter den Füssen weggezogen. Ich<br />
musste mich <strong>an</strong> <strong>der</strong> Theke festhalten,<br />
so schwindlig war mir. Ich hatte<br />
Todes<strong>an</strong>gst.» In den folgenden Tagen<br />
häuften sich die P<strong>an</strong>ik<strong>an</strong>fälle. Es<br />
gab immer mehr Situationen, die<br />
bedrohlich erschienen. Schliesslich<br />
traute sie sich gar nicht mehr aus<br />
dem Haus. «Ich hatte furchtbare<br />
<strong>Angst</strong>, dass ich die Kontrolle verliere<br />
und etwas tue, das ich nicht will. Und<br />
ich hatte das Gefühl, alle sehen mir<br />
<strong>an</strong>, dass ich spinne.»<br />
Ängste kennt je<strong>der</strong> – vor einem<br />
Date, einem Zahnarztbesuch o<strong>der</strong><br />
einem Anstellungsgespräch. M<strong>an</strong>che<br />
sind ängstlicher, <strong>an</strong><strong>der</strong>e weniger.<br />
Doch wenn die <strong>Angst</strong> so stark und<br />
<strong>an</strong>haltend ist, dass sie die Lebens-<br />
(Spinnen, Hunde etc.), Umweltphobien (Gewitter, Feuer<br />
etc.), Situationsphobien (Höhe, geschlossene Räume<br />
etc.). Im Vergleich zur Agora- und Sozialphobie meist<br />
weniger behin<strong>der</strong>nd.<br />
Zw<strong>an</strong>gsstörung: Bestimmte Ged<strong>an</strong>ken, Bil<strong>der</strong>, H<strong>an</strong>dlungsimpulse<br />
drängen sich immer wie<strong>der</strong> auf und können<br />
nicht unterdrückt werden. Die Konsequenz sind Zw<strong>an</strong>gsh<strong>an</strong>dlungen,<br />
die zwar im Moment die <strong>Angst</strong> lin<strong>der</strong>n, aber<br />
zu einer Fixierung <strong>der</strong> Zw<strong>an</strong>gserkr<strong>an</strong>kung führen.<br />
Posttraumatische Belastungsstörung: Folgereaktion<br />
auf eines o<strong>der</strong> mehrere traumatisierende Erlebnisse<br />
wie Todesgefahr, Gewalt etc. Typische Symptome sind:<br />
regelmässiges Wie<strong>der</strong>erleben des Traumas (Flashbacks),<br />
Vermeidung von Situationen o<strong>der</strong> Themen,<br />
die <strong>an</strong> das Trauma erinnern, Übererregung (Schlafstörungen,<br />
ständige Ansp<strong>an</strong>nung, Schreckhaftigkeit).<br />
Quelle: www.swiss<strong>an</strong>xiety.ch<br />
10 SCHWEIZERISCHER NATIONALFONDS • HORIZONTE SEPTEMBER 2007<br />
qualität schmälert, die Arbeit o<strong>der</strong><br />
die Partnerschaft belastet, d<strong>an</strong>n<br />
sprechen Fachleute von einer <strong>Angst</strong>störung.<br />
Fast je<strong>der</strong> Fünfte leidet<br />
mindestens einmal im Leben unter<br />
kr<strong>an</strong>khaften Ängsten. Bei den<br />
Frauen ist es jede vierte, bei den<br />
Männer je<strong>der</strong> siebte.<br />
Auch bei Michelle S. hatte die<br />
<strong>Angst</strong>störung schwere Folgen: Sie<br />
brach das Studium ab und zog<br />
vorübergehend wie<strong>der</strong> zu den<br />
Eltern. Mit Hilfe von beruhigenden<br />
Benzodiazepinen und einer Psychotherapie<br />
schaffte sie es, zu arbeiten,<br />
zu reisen, sich «durchzupeitschen».<br />
Doch <strong>der</strong> innere Horror blieb. «Wo<br />
immer ich war, habe ich mich gefragt:<br />
Wo könnte ich Hilfe bekommen,<br />
wenn mir jetzt etwas passiert?»<br />
Schliesslich ist auch ihre Ehe <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
kr<strong>an</strong>khaften <strong>Angst</strong> gescheitert. Ihr<br />
Ehem<strong>an</strong>n musste sie jeden Tag zur<br />
Arbeit fahren, weil sie sich nicht<br />
alleine auf die Strasse wagte. «Ich<br />
konnte kein eigenständiges Leben<br />
führen. Darunter hat unsere Beziehung<br />
stark gelitten.» Als sich ihr<br />
M<strong>an</strong>n von ihr trennte, hat sich die<br />
Kr<strong>an</strong>kheit noch verschlimmert.<br />
Zunahme von Ängsten<br />
«Ängste haben in den letzten 50 Jahren<br />
in den Industriestaaten stark<br />
zugenommen, bei Kin<strong>der</strong>n sogar<br />
etwas stärker als bei Erwachsenen»,<br />
sagt <strong>der</strong> Psychologe Jürgen Margraf<br />
von <strong>der</strong> Universität Basel, Spezialist<br />
auf dem Gebiet <strong>der</strong> <strong>Angst</strong>störungen.<br />
So hat ein normales Kind gemäss<br />
einer Studie aus den USA heute ein<br />
höheres <strong>Angst</strong>niveau als ein psychiatrisch<br />
hospitalisiertes Kind in den<br />
1950er Jahren. Hauptgrund für diese
Zunahme ist gemäss <strong>der</strong> Studie<br />
die Vereinzelung <strong>der</strong> Menschen – es<br />
gibt mehr Alleinstehende und Scheidungen<br />
als früher –, während die<br />
allgemeine Bedrohungslage und die<br />
ökonomische Situation deutlich<br />
weniger Einfluss haben. Doch ob<br />
sich die Zunahme <strong>der</strong> Ängste auch<br />
in einer grösseren Zahl von <strong>Angst</strong>störungen<br />
nie<strong>der</strong>schlägt, ist schlecht<br />
untersucht, da sich ihre Definition<br />
in den letzten Jahrzehnten immer<br />
wie<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t hat.<br />
Vielfältige Ursachen<br />
Verän<strong>der</strong>t hat sich auch das Modell,<br />
mit dem die Psychologie die Entstehung<br />
<strong>der</strong> Kr<strong>an</strong>kheit erklärt. Sprach<br />
m<strong>an</strong> früher noch von einzelnen<br />
Ursachen, wie <strong>der</strong> Vererbung o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> frühkindlichen Sexualentwicklung,<br />
geht m<strong>an</strong> heute davon aus, dass<br />
drei Klassen von Faktoren mitspielen:<br />
erstens die Vulnerabilität,<br />
auch Anfälligkeit gen<strong>an</strong>nt, zweitens<br />
Auslöser und drittens aufrechterhaltende<br />
Bedingungen.<br />
Die Vulnerabilität ist die Wahrscheinlichkeit,<br />
mit <strong>der</strong> jem<strong>an</strong>d <strong>an</strong><br />
einer <strong>Angst</strong>störung erkr<strong>an</strong>kt. Zum<br />
Teil ist diese Anfälligkeit erworben,<br />
zum Teil vererbt. «Wir haben beispielsweise<br />
herausgefunden, dass<br />
Kin<strong>der</strong>,die schon früh mit einer chronischen<br />
Kr<strong>an</strong>kheit in <strong>der</strong> Familie<br />
konfrontiert werden, mit grösserer<br />
Wahrscheinlichkeit eine P<strong>an</strong>ikstörung<br />
entwickeln,wenn die Familie<br />
<strong>der</strong> Kr<strong>an</strong>kheit viel Aufmerksamkeit<br />
schenkt o<strong>der</strong> sie als gefährlicher einschätzt,<br />
als sie ist», sagt Margraf.<br />
Zudem lernen Kin<strong>der</strong> sehr stark<br />
von ihren Eltern. Bei spezifischen<br />
Phobien k<strong>an</strong>n eine einzige Beobachtung<br />
genügen: Die Mutter flieht<br />
schreiend vor einer Spinne o<strong>der</strong> hat<br />
p<strong>an</strong>ische <strong>Angst</strong> vor einem Hund.<br />
Zur Vulnerabilität muss aber ein<br />
Auslöser hinzukommen. An erster<br />
Stelle steht dabei <strong>der</strong> Alltagsstress.<br />
«Die Summe <strong>der</strong> vielen kleinen Alltagsstressoren<br />
ist sogar wichtiger als<br />
traumatische Lebensereignisse»,<br />
sagt Margraf. Am schlimmsten ist<br />
dabei <strong>der</strong> Stress, dem m<strong>an</strong> sich hilflos<br />
ausgeliefert fühlt. Ein <strong>an</strong><strong>der</strong>er<br />
Auslöser können Symptome wie<br />
Herzklopfen im Prüfungsstress sein,<br />
die <strong>an</strong> eine schwere Herzkr<strong>an</strong>kheit<br />
eines Familien<strong>an</strong>gehörigen erinnern.<br />
Plötzlich keimt die <strong>Angst</strong>,<br />
selbst auch herzkr<strong>an</strong>k zu sein. «Aber<br />
auch wenn Sie ein Problem entwickelt<br />
haben, heisst das noch l<strong>an</strong>ge<br />
nicht, dass es chronisch wird», sagt<br />
Margraf. Die meisten Leute kriegen<br />
die Ängste in den Griff, d<strong>an</strong>k einem<br />
guten Selbstbewusstsein, Selbstkompetenz<br />
und sozialer Unterstützung<br />
von Familie und Freunden.<br />
«Durch die Vereinzelung wird aber<br />
gerade dieses Schutzsystem beeinträchtigt»,<br />
sagt Margraf.<br />
Die Faktoren, die dafür sorgen,<br />
dass die übermässige <strong>Angst</strong> chronisch<br />
wird, nennt <strong>der</strong> Psychologe<br />
aufrechterhaltende Bedingungen.<br />
Dazu gehört beispielsweise das<br />
Vermeidungsverhalten: M<strong>an</strong> weicht<br />
dem Problem aus,statt die <strong>Angst</strong> auszuhalten.<br />
Auch chronisches Grübeln<br />
k<strong>an</strong>n eine Form von Vermeidungsverhalten<br />
sein: Es verhin<strong>der</strong>t,<br />
dass m<strong>an</strong> sich mit un<strong>an</strong>genehmen<br />
Dingen ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzen muss.<br />
«Letztlich ist es die Bal<strong>an</strong>ce zwischen<br />
gesund- und kr<strong>an</strong>kmachenden<br />
Faktoren, die im Einzelfall<br />
entscheidet, was geschieht», sagt<br />
Margraf. Mit dem Nationalen Forschungsschwerpunkt<br />
«Sesam» will<br />
er ihnen genauer auf die Spur<br />
kommen. «Die gesund- und kr<strong>an</strong>kmachenden<br />
Faktoren weisen in die<br />
Zukunft; hier können neue Therapien<br />
und – beson<strong>der</strong>s wichtig – eine<br />
bessere Prävention <strong>an</strong>setzen.»<br />
Erfolgreiche Therapie<br />
Bereits heute hat die Psychotherapie<br />
aber ein starkes Instrument gegen<br />
<strong>Angst</strong>störungen in <strong>der</strong> H<strong>an</strong>d: die<br />
kognitiv-verhaltenstherapeutischen<br />
Methoden. Gemeinsam ist ihnen,<br />
dass sie dem Patienten das Problem<br />
erklären und ihm Hinweise geben,<br />
wie er damit umgehen k<strong>an</strong>n. Zudem<br />
sind diese Therapien klar strukturiert<br />
und zeitlich begrenzt. «Die<br />
Erfolgsquote <strong>der</strong> Verhaltenstherapie<br />
bei Ängsten ist sehr hoch», sagt<br />
Margraf. Sie beträgt im Durchschnitt<br />
SCHWEIZERISCHER NATIONALFONDS • HORIZONTE SEPTEMBER 2007 11
titel<br />
Hilfe für Betroffene<br />
Menschen mit <strong>Angst</strong>störungen und ihre Angehörigen finden auf<br />
den Websites <strong>der</strong> <strong>Angst</strong>- und P<strong>an</strong>ikhilfe Schweiz (APhS) sowie<br />
<strong>der</strong> Schweizerischen Gesellschaft für <strong>Angst</strong>störungen (SGA)<br />
Informationen, Anlaufstellen und Austauschmöglichkeiten mit<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>en Betroffenen: www.aphs.ch; www.swiss<strong>an</strong>xiety.ch<br />
etwa 80 Prozent. Und sie wirkt dauerhaft.<br />
Der einzige Wermutstropfen sei,<br />
dass es noch viel zu wenige Fachleute<br />
gebe, die sie auch <strong>an</strong>wenden. Dies hat<br />
er mit repräsentativen Befragungen<br />
in <strong>der</strong> Schweiz festgestellt<br />
Medikamente umstritten<br />
Oft werden <strong>Angst</strong>störungen heute<br />
auch mit Antidepressiva beh<strong>an</strong>delt.<br />
Auch für Michelle S. sind sie eine<br />
grosse Hilfe. Nach jahrel<strong>an</strong>gen erfolglosen<br />
Psychotherapien – zweimal<br />
liess sie sich sogar freiwillig in eine<br />
psychiatrische Klinik einweisen – hat<br />
sie sich vor vier Jahren dazu durchgerungen,Serotonin-Wie<strong>der</strong>aufnahme-Hemmer<br />
(SSRI) zu nehmen.<br />
Seither geht es ihr deutlich besser.<br />
«Ich habe wohl einen gestörten<br />
Serotonin-Haushalt», vermutet sie.<br />
Ob körperliche Verän<strong>der</strong>ungen bei<br />
<strong>Angst</strong>patienten, wie reduzierte Mengen<br />
des Neurotr<strong>an</strong>smitters Serotonin<br />
im Gehirn, tatsächlich die Ursache<br />
o<strong>der</strong> vielmehr die Folge einer <strong>Angst</strong>störung<br />
sind, lässt sich heute nicht<br />
sagen, so Margraf. Dafür braucht es<br />
Längsschnittstudien, bei denen m<strong>an</strong><br />
Patienten schon vor Ausbruch <strong>der</strong><br />
Kr<strong>an</strong>kheit beobachten k<strong>an</strong>n.<br />
Auch <strong>der</strong> Einsatz von Medikamenten<br />
ist unter Fachleuten umstritten.<br />
Jürgen Margraf steht ihnen<br />
skeptisch gegenüber: «Wenn Sie die<br />
Forschungslage genau <strong>an</strong>schauen,<br />
d<strong>an</strong>n sollten kognitiv-verhaltenstherapeutische<br />
Massnahmen die<br />
erste Wahl sein. Sie haben als einzige<br />
erwiesenermassen dauerhafte Wirkung.»<br />
Die wenigen Daten, die es zur<br />
l<strong>an</strong>gfristigen Wirkung von Medika-<br />
12 SCHWEIZERISCHER NATIONALFONDS • HORIZONTE SEPTEMBER 2007<br />
menten gibt, deuten laut Margraf<br />
darauf hin, dass sie nach ihrem<br />
Absetzen keinen weiteren Therapieerfolg<br />
haben. Die Pharmafirmen<br />
werben zwar gerne damit, dass Medikamente<br />
eine Verhaltenstherapie<br />
unterstützen würden, doch auch hier<br />
sind die Resultate wi<strong>der</strong>sprüchlich.<br />
Doch sei er nicht grundsätzlich gegen<br />
Medikamente, sagt Margraf, vor allem<br />
nicht <strong>an</strong>gesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass es<br />
in <strong>der</strong> Schweiz nicht genügend ausgebildete<br />
Verhaltenstherapeuten gebe.<br />
Auch Michelle S. hat bereits mehrere<br />
Verhaltenstherapien hinter sich.<br />
Sie haben ihr zwar geholfen, wie<strong>der</strong><br />
im Alltag zu funktionieren und zu verstehen,<br />
wie gewisse Ged<strong>an</strong>ken <strong>Angst</strong><br />
auslösen können. In den meisten<br />
Fällen schafft sie es heute, die negativen<br />
Ged<strong>an</strong>kengänge zu entschärfen.<br />
Doch die P<strong>an</strong>ikattacken kamen<br />
immer wie<strong>der</strong> zurück, beispielsweise<br />
nachdem ein Zug, in dem sie fuhr,<br />
entgleiste. Erst die SSRI hätten<br />
ihr geholfen, etwas Dist<strong>an</strong>z und<br />
Entsp<strong>an</strong>nung von den negativen<br />
Zw<strong>an</strong>gsged<strong>an</strong>ken zu erhalten,sagt sie.<br />
Möglicherweise sei ihre <strong>Angst</strong>erkr<strong>an</strong>kung<br />
bereits zu stark chronifiziert<br />
gewesen, um sie mit einer Verhaltenstherapie<br />
dauerhaft zu beh<strong>an</strong>deln.<br />
Heute sind die P<strong>an</strong>ickattacken<br />
und das allgemeine <strong>Angst</strong>gefühl verschwunden.<br />
Trotzdem gibt es immer<br />
wie<strong>der</strong> Situationen, in denen die<br />
<strong>Angst</strong> siegt. Doch Michelle S. hat<br />
gelernt, mit den Einschränkungen zu<br />
leben. Für sie steht fest: «Meine<br />
Lebensqualität ist heute viel höher<br />
als vor 20 Jahren, als meine <strong>Angst</strong>kr<strong>an</strong>kheit<br />
ausbrach.»