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musiktipps<br />
stefanie schlesinger<br />
Reality<br />
HIPJAZZ Records<br />
brand new<br />
Science Fiction<br />
Procrastinate! Music Traitors<br />
Sie sind - privat und musikalisch - „With<br />
You“ harmonisch vereint: Stefanie Schlesinger<br />
(voc) und Wolfgang Lackerschmid (vibes,<br />
marimba & „ravishing arrangements“).<br />
Ihr aktuelles Werk besticht an erster Stelle<br />
durch den gereiften Gesang der sensiblen<br />
Jazzsängerin, auch wenn es mal „Ganz leise“<br />
(Franz Grothe) wird. Zudem überzeugt die<br />
Aufnahmequalität und kreative Abwechslung<br />
der Songs in italienischer, spanischer, englischer<br />
und deutscher Sprache bei gleichzeitig<br />
wohltuend durchgehendem Smooth-Sound.<br />
Der Klang von Lackerschmids Vibraphon wird<br />
dabei von Mark Soskins Piano komplementär<br />
ergänzt. Zugleich bilden beide Vollblutmusiker<br />
den Klangteppich für Stefanie Schlesingers<br />
emotionional zärtlich aufgeladene Jazzvocals<br />
und treten auch unaufdriglich virtuos<br />
solistisch hervor, wie ab und zu Ryan Carniaux<br />
an Trompete und Flügelhorn. Dabei sorgen<br />
John Goldsby (bass) und Guido May (drums,<br />
perc) mit viel Gefühl für den passenden<br />
Groove. Raffinierte Jazz-Interpretationen von<br />
Popsongs wie „Fool On The Hill“ (Beatles)<br />
und “The Winner Takes It All” (ABBA) bezaubern.<br />
Am 18.11.2<strong>01</strong>7 live in Bamberg im großen<br />
Saal der VHS zu erleben! Helmut Ölschlegel<br />
Sich als Musiker dem Zwang multimedialer<br />
Omnipräsenz und dem Gieren der „Follower“<br />
nach ständig neuem „Content“ zu verweigern,<br />
ist in Zeiten stetig schrumpfender Aufmerksamkeitsspannen<br />
quasi gleichbedeutend<br />
mit kommerziellem Selbstmord. Brand New<br />
hingegen haben die digitale Abstinenz zur<br />
Tugend erhoben und sich so neben einer<br />
passionierten Fangemeinde auch den Hauch<br />
des Mysteriösen bewahrt, der besonders die<br />
Rockmusik einst auszeichnete. Vom Pop-<br />
Punk (Your Favorite Weapon) über Emo<br />
(Déja Entendu) und Post-Hardcore (The<br />
Devil And God..) gelten ihre Alben zurecht<br />
als Klassiker des jeweiligen Genres, dem sie<br />
als Band sofort wieder entwuchsen, um nach<br />
dem eher spröden „Daisy“ von 2009 aus heiterem<br />
Himmel mit ihrer reinsten Rock-Platte<br />
zurückzukehren. Zum großen Teil akustisch<br />
gehaltener 90er-Alternative dominiert, nie<br />
lässt die unterschwellige Aggression in Jesse<br />
Laceys Stimme einen jedoch vergessen, wer<br />
hier gerade mit Gott und der Welt hadert.<br />
Gerüchten nach bleibt „Science Fiction“ ihr<br />
(würdiges) Vermächtnis, nur werden wir es je<br />
erfahren? Download unter: brandnewofficial.<br />
bandcamp.com. Maximilian Beer<br />
judith holofernes<br />
Ich bin das Chaos<br />
Warner<br />
melvins<br />
A Walk With Love & Death<br />
Ipeac Records/RTD<br />
Sie war die Frontfrau von „Wir sind Helden“<br />
und sie haben ihr „ein Denkmal<br />
gebaut“. Doch schon seit einigen Jahren<br />
wandelt Judith Holofernes auf Solopfaden.<br />
„Ich bin das Chaos“ ist nun ihr zweites<br />
Solo-Album und man merkt, dass<br />
die Sängerin inzwischen ihren eigenen<br />
Stil gefunden hat. Freilich erinnert ihre<br />
Musik weiterhin an „Wir sind Helden“,<br />
schließlich stammen die Texte der Lieder<br />
auch hier aus ihrer Feder. Und so ist<br />
das „Chaos“-Album freilich gespickt mit<br />
phantastischen Wortspielen, kreativen<br />
Lyriks und traumhafter Poesie. Doch was<br />
natürlich sofort ins Ohr sticht, ist Judith<br />
Holofernes unverkennbare Stimme. Und<br />
die hat sich im Laufe der Jahre ein wenig<br />
verändert: Die Sängerin klingt nicht mehr<br />
so verträumt wie zu Helden-Zeiten. Ihre<br />
Stimme ist zerbrechlicher und gleichzeitig<br />
eindringlicher geworden. Das passt<br />
hervorragend zu einzelnen, nachdenklichen<br />
Songs auf dem Album, nimmt aber<br />
den schnelleren Nummern manchmal<br />
„den Wumms“. Insgesamt aber ein tolles<br />
Album mit dem sich Holofernes als Solokünsterlin<br />
etabliert. Sabine Mahler<br />
An Experimentierlust und einem Faible<br />
für schräge musikalische Selbstverwirklichungstrips<br />
hat es den Melvins noch nie<br />
gemangelt. Zuletzt verstörten die Ikonen<br />
des amerikanischen Noise-Rocks mit der<br />
chaotisch-collagenartigen Handyvideo-<br />
Tourdoku „Across The USA In 51 Days“ oder<br />
einem Konzeptalbum, das der Bassgitarre<br />
huldigt. Nun also „A Walk With Love<br />
& Death“, der erste Doppelpack in der<br />
über 30-jährigen Bandgeschichte. Auf der<br />
„Death“-Seite suhlen sich King Buzzo, Dale<br />
Crover und Steven McDonald in einem zähfließenden<br />
Morast aus Doom, Sludge und<br />
Drone mit fast schon hypnotischer Sogwirkung.<br />
Den „Love“-Part hingegen bildet der<br />
Soundtrack zu einem geplanten Kurzfilm,<br />
ohne visuellen Überbau bleibt aber kaum<br />
mehr als eine kryptische, schwer konsumierbare<br />
Geräuschkulisse aus Klangfetzen,<br />
Feedbacks und Stimmengewirr. Doch egal,<br />
ob man das nun als Kunst, Klamauk oder<br />
doch nur Krawall empfindet – genau diese<br />
subversive Radikalität fern aller Trends<br />
und Konventionen macht die Melvins so<br />
wertvoll. Erst recht, wenn es um Liebe<br />
oder Tod geht.<br />
Uli Digmayer<br />
KURZ &GUT<br />
Sam Beam war fast 30 Jahre alt, als er mit<br />
einem geliehenen Vierspurkassettenrekorder<br />
seinen ersten Song aufnahm. Die<br />
Beamschen Homerecordings wurden unter<br />
dem Künstlernamen Iron & Wine auf Subpop<br />
veröffentlicht und für ihre Intimität<br />
gefeiert. Inzwischen ist der Mann aus North<br />
Carolina Mitte 40, hat fünf Töchter und auf<br />
seinem sechsten Studioalbum „Beast Epic“<br />
eine ganze Menge Professionalität hinzugewonnen<br />
- ohne die Intimität einzubüßen. 13<br />
wunderschöne, berührende, lyrische Songs,<br />
die ihre Wirkung besonders dann entfalten<br />
dürften, wenn bald der raue Herbstwind an<br />
den Fenstern rüttelt. cro<br />
Die Vergleiche mit dem Boss wird sich Adam<br />
Granduciel gefallen lassen müssen. Nicht nur<br />
der musikalische Arbeitsethos, die Hingabe<br />
fürs Detail und die Perfektion der Arrangements<br />
erinnern beim Mastermind von War<br />
On Drugs sehr an Bruce Springsteen, auch<br />
die Handschrift beim Songwriting lässt durchaus<br />
Parallelen erkennen. Und dennoch ist „A<br />
Deeper Understanding“, das vierte Studioalbum<br />
von WOD, ein durchweg eigenständiges<br />
Kunstwerk (und ganz nebenbei eine der besten<br />
Popplatten des Jahres), das trotz der ganzen<br />
musikalischen Perfektion die unerfüllende<br />
Suche nach diesem einen Ort beschreibt,<br />
der immer irgendwo anders ist. cro<br />
DJ-Toplist > <strong>September</strong><br />
Uwe Breunig<br />
1. Akosh S. - Koparon<br />
2. Nels Cline Trio - The Gamine<br />
3. Radian Verses Howe Gelb - Return of Picacho Peak<br />
4. The Schwarzenbach - Zarte Blüte Hass<br />
5. Tom Brosseau - Stuck on the roof again<br />
6. Marc Ribot - Happiness is a warm gun<br />
7. Kevin Morby - Dry your eyes<br />
8. Leyla McCalla - Little Sparrow<br />
9. Kammerflimmer Kollektief - Zurück zum Beton<br />
10. Ryley Walker - Sullen Mind (Live at SiriusXM The Loft)<br />
38 www.fraenkische-nacht.de