Verwendung von Cortison-Spray bei Reizgasinhalation in der ...
Verwendung von Cortison-Spray bei Reizgasinhalation in der ...
Verwendung von Cortison-Spray bei Reizgasinhalation in der ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Verwendung</strong> <strong>von</strong> <strong>Cortison</strong>-<strong>Spray</strong> <strong>bei</strong> <strong>Reizgas<strong>in</strong>halation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Freiwilligen Feuerwehr<br />
E<strong>in</strong>leitung:<br />
Bei Feuer, Brandrauch, toxischen Dämpfen, Explosion und Dampfstoffen können da<strong>bei</strong> entstehende<br />
Giftstoffe e<strong>in</strong>geatmet werden (Kontakt mit wenig geschützten Schleimhäuten sowie<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Lungenoberfläche).<br />
Abhängig <strong>von</strong> Art <strong>der</strong> Stoffe, Konzentration und E<strong>in</strong>wirkdauer kommt es zu Symptomen wie<br />
Husten, vermehrter Tränenfluss, Dyspnoe, Lungenödem, Panik, Vertigo, Bewusstse<strong>in</strong>sstörung,<br />
Koma und Exitus.<br />
Bereits seit den 60iger Jahren gibt es Empfehlungen, toxische Lungenleiden mit <strong>in</strong>halativen<br />
Cortikoiden zu behandeln (Lowry 1956, Silo-Fellersdesease. JAMA 162:153 bis 160 1956).<br />
E<strong>in</strong>e entzündungshemmende und somit „ abdichtende“ Wirkung <strong>der</strong> Glucokortikoide konnte<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Übersichtsar<strong>bei</strong>t <strong>von</strong> Möllmann 1989 (Differenzialtherapeutische Aspekte zum E<strong>in</strong>satz<br />
<strong>von</strong> Glucokortikoiden nach Reizgasvergiftung. Intensivmediz<strong>in</strong> 26:2 bis 15, 1989) nachgewiesen<br />
werden.<br />
Herkunftsmöglichkeit <strong>von</strong> Reizgas:<br />
1. Verbrennungsprodukte:<br />
Brandrauch ist e<strong>in</strong> Gemisch aus Schwebestoffen (Partikel), Gasen und Dämpfen (z.B.<br />
Chlorwasserstoff aus PVC, Blausäure und Ammoniak aus Polyurethan, Kohlenmonoxid aus<br />
Polypyrol). Ebenso spielt die Sauerstoffverdrängung durch Brandgase (z.B. CO2)e<strong>in</strong>e Rolle.<br />
Bei Bränden besteht neben e<strong>in</strong>er möglichen Reizgasexposition e<strong>in</strong>e zusätzliche Schädigungsmöglichkeit<br />
durch Inhalations- und Barotrauma.<br />
2. Chemische Substanzen:<br />
Austretende chemische Stoffe (chemische Fabriken, Lagerstätten o<strong>der</strong> <strong>bei</strong> Transporten)<br />
können durch E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Atemluft zu e<strong>in</strong>er Gefährdung werden.<br />
Kl<strong>in</strong>ik und Therapie <strong>der</strong> akuten Reizgasvergiftung.<br />
Reizsyndrom des oberen Respirationstraktes:<br />
Gut wasserlösliche Substanzen (Ammoniak, Säuredämpfe, Formal<strong>in</strong>) führen zu e<strong>in</strong>er<br />
Schleimhaut-Schädigung und Reizung <strong>von</strong> Rachen, Trachea, Bronchien sowie <strong>der</strong> Schleimhäute<br />
<strong>von</strong> Augen und Nase.<br />
Symptome: Kratzen im Hals, Husten, Hypersekretion, Glottisödem, Bronchospasmus, Dyspnoe.<br />
Therapie: Symptomatische Behandlung, Glucocortikoide (<strong>in</strong>halativ, ev. systemisch).<br />
1
Reizsyndrom des unteren Respirationstraktes:<br />
Lipidlösliche Substanzen (z. B. nitrose Gase, Fosgen, Isozyonate etc.) können durch Inhalation<br />
zu e<strong>in</strong>er Schädigung <strong>der</strong> gasaustauschenden Epithelien <strong>in</strong> den Alveolen und können<br />
somit zum Flüssigkeitsaustritt (Lungenödem) führen.<br />
Symptome: Cyanose, Tachypnoe, Dyspnoe, Husten, schaumiger Auswurf, Hämoptoe.<br />
Therapie: symptomatische Behandlung, ev. Beatmungstherapie, Glucocortikoide (<strong>in</strong>halativ,<br />
ev. systemisch).<br />
Schädigungsmöglichkeiten <strong>bei</strong> Reizgasexposition:<br />
Bei Bränden kommt es stets zum Auftreten <strong>von</strong> Mischschädigungen durch Exposition:<br />
Giftstoffe: Chlorwasserstoff, Blausäure, Kohlenmonoxid.<br />
Obere Reizstoffe: Ammoniak, Formaldehyd.<br />
Untere Reizstoffe: nitrose Gase, Fosgen.<br />
Thermische E<strong>in</strong>wirkung: Inhalationstrauma.<br />
Druckwellene<strong>in</strong>wirkung: Lungenbarotrauma.<br />
Da die Symptome oft ähnlich s<strong>in</strong>d, lassen sich <strong>in</strong> den Zahlen nicht immer e<strong>in</strong>deutig Art und<br />
Umfang <strong>der</strong> beteiligten Schädigungen erkennen o<strong>der</strong> beurteilen. Bei Reizgasaustritt im<br />
Rahmen <strong>von</strong> Chemie- o<strong>der</strong> Transportunfällen handelt es sich meist um def<strong>in</strong>ierte (E<strong>in</strong>zel-)<br />
Stoffe, sodass hier <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Exposition mit e<strong>in</strong>er Schädigungssubstanz auszugehen ist.<br />
Pathophysiologie <strong>der</strong> Reizgasvergiftung:<br />
Bei Reizgasvergiftungen geschieht <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Glucokortikoiden unter <strong>der</strong> Vorstellung,<br />
die pathologischen Wechselwirkungen zwischen <strong>in</strong>halierten Schadstoffen und dem betroffenen<br />
Gewebe zu <strong>in</strong>hibieren und die damit verbundenen pathophysiologischen Abläufe soweit<br />
wie möglich zu normalisieren. Die Stereoide vermögen da<strong>bei</strong> an unterschiedlichen Stellen<br />
durch ihre spezifischen und unspezifischen Wirkungen <strong>in</strong> das Entzündungsgeschehen e<strong>in</strong>zugreifen:<br />
Abschwächung chemotaktischer Reize für Granulozyten.<br />
Modulation sekundär e<strong>in</strong>treten<strong>der</strong> zellulärer entzündlicher Reaktionen.<br />
Hemmung <strong>der</strong> Freisetzung <strong>von</strong> Arachidonsäure und <strong>der</strong>en Metabolite. Reduktion <strong>der</strong> Bildung<br />
bzw. Freisetzung toxischer Mediatorsubstanzen und proteolytischer Enzyme mit schädigen<strong>der</strong><br />
Wirkung auf das kapilläre Endothel.<br />
Modulare Interaktion <strong>der</strong> Steroide mit e<strong>in</strong>er Membran führt zu e<strong>in</strong>er Begrenzung <strong>der</strong> Permeabilitätsstörung<br />
(Verschluss kapillärer Lecks).<br />
Welches <strong>in</strong>halative Glucokortikoid sollte zur Anwendung kommen:<br />
Glucokortikoid RBA LAP<br />
1. Beclomethason ++ ++<br />
2. Fluticason k.A. k.A.<br />
3. Flunisolid + +<br />
4. Budesonid +++ +++<br />
2
RBA: relative Rezeptorb<strong>in</strong>dungsaff<strong>in</strong>ität zum Glucokorticoid-Rezeptor <strong>der</strong> Lunge<br />
LAP: lokale anti<strong>in</strong>flammatorische Potenz.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> oben angeführten Datenlage sollte als <strong>in</strong>halatives Glucokorticoid primär Budesonid<br />
o<strong>der</strong> Beclomethason zur Anwendung kommen.<br />
Richtl<strong>in</strong>ien des ÖBFV:<br />
In <strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie S/03 wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> 250. Präsidialsitzung die <strong>Cortison</strong>-Inhalation im Feuerwehrdienst<br />
genehmigt.<br />
1. Wirkung:<br />
<strong>Cortison</strong> als <strong>in</strong>halatiertes Pulver o<strong>der</strong> Aerosol (<strong>Spray</strong>) verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t bzw. verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t <strong>bei</strong> rechtzeitiger<br />
Gabe die Ausbildung e<strong>in</strong>es (toxischen) Lungenödems nach E<strong>in</strong>wirkung <strong>von</strong> Reizgasen<br />
auf die Atemwege. Die nachträgliche Anwendung <strong>von</strong> <strong>Cortison</strong> ersetzt aber nicht das<br />
Tragen des Atemschutzes.<br />
2. Anwendungsmöglichkeiten:<br />
Dosieraerosole (Budesonid (Pulmicort R ), Beclomethason).<br />
Nachteil: Koord<strong>in</strong>ation zwischen Sprühstoß und E<strong>in</strong>atmen erfor<strong>der</strong>lich, schlechtere Wirkstoffverteilung.<br />
Vorteil: e<strong>in</strong>zige Möglichkeit <strong>bei</strong> Bewusstlosen und starker Atemnot.<br />
Turbohaler (Budesonid: (Pulmicort R )<br />
Vorteil: Gute Verteilung des Stoffes bis <strong>in</strong> die kle<strong>in</strong>sten Atemwege, ke<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ation zwischen<br />
Sprühstoß und E<strong>in</strong>atmen erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Turbohaler ist zur Anwendung durch Feuerwehrangehörige ohne spezielle Sanitätsausbildung<br />
vorzuziehen.<br />
Feuerwehrärzten ist zum Empfehlen, sowohl Turbohaler als auch Dosieraerosole vorrätig zu<br />
haben.<br />
3. H<strong>in</strong>weis zur Anwendung:<br />
Indikation: Beim ger<strong>in</strong>gsten Verdacht auf E<strong>in</strong>wirkung lungenschädlicher Stoffe auf die Atemwege<br />
soll unverzüglich mit den Anwendungen begonnen werden, auch wenn <strong>der</strong> Verunfallte<br />
<strong>bei</strong> Bewusstse<strong>in</strong> ist.<br />
Die Anwendung im Notfall birgt ke<strong>in</strong>e Gefahren <strong>in</strong> sich, <strong>der</strong> Nutzen ist wesentlich größer, ev.<br />
mögliche ger<strong>in</strong>ge Nebenwirkungen.<br />
Dosierung: sofort 5 x, danach alle 5 M<strong>in</strong>uten 2 x bis <strong>der</strong> Verunfallte <strong>in</strong>s Krankenhaus gelangt<br />
bzw. vom Rettungsdienst o<strong>der</strong> Arzt übernommen wird. Nach je<strong>der</strong> <strong>Cortison</strong>anwendung muss<br />
<strong>der</strong> Arzt aufgesucht werden. (Turbohaler/Dosieraerosol ist <strong>der</strong> Rettung/Arzt zu übergeben).<br />
4. Weitere H<strong>in</strong>weise:<br />
Je<strong>der</strong> Feuerwehrangehörige darf im Notfall die <strong>Cortison</strong>anwendung durchführen, wenn er<br />
durch e<strong>in</strong>en Feuerwehrarzt dar<strong>in</strong> geschult wurde.<br />
Turbohaler/Dosieraerosol vor Ablauf bzw. nach jedem Gebrauch ersetzen.<br />
Personalien des Verunfallten festhalten.<br />
3
Diskussion:<br />
E<strong>in</strong> fundierter wissenschaftlicher H<strong>in</strong>weis das <strong>in</strong>halative Cortikoide <strong>bei</strong> Reizgassyndrom e<strong>in</strong>deutig<br />
wirksam s<strong>in</strong>d konnte aufgrund <strong>von</strong> <strong>der</strong>zeit lediglich kle<strong>in</strong>en kl<strong>in</strong>ischen Studien bzw.<br />
Tiermodellen bislang noch nicht e<strong>in</strong>deutig nachgewiesen werden.<br />
Vorrangiges Therapieziel bleibt die Rettung aus <strong>der</strong> Reizgasatmosphäre und die symptomatische,<br />
wenn notwendig <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ische Behandlung.<br />
E<strong>in</strong> präkl<strong>in</strong>ischer Behandlungsversuch mit <strong>in</strong>halativen Cortikoiden ist aber e<strong>in</strong>deutig als Behandlungsversuch<br />
zu werten und auch <strong>von</strong> den Experten empfohlen.<br />
Diese Position ist auch deshalb gerechtfertigt, da die Alternative, nämlich „nichts tun“ <strong>in</strong> <strong>der</strong>artigen<br />
Akutsituationen we<strong>der</strong> für Patienten, Angehörige, Öffentlichkeit und auch für den<br />
Behandler selbst nicht durchhaltbar ist.<br />
ausgear<strong>bei</strong>tet <strong>von</strong> Dr. Sebastian Huber, LFA Salzburg<br />
4