Deichertüchtigungsmaßnahmen - Ronald Haselsteiner
Deichertüchtigungsmaßnahmen - Ronald Haselsteiner
Deichertüchtigungsmaßnahmen - Ronald Haselsteiner
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Lehrstuhl und Versuchsanstalt<br />
für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
Fachtagung<br />
Deichertüchtigung und Deichverteidigung<br />
in Bayern<br />
Wallgau<br />
13./14. Juli 2006<br />
Veranstalter:<br />
Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft,<br />
Technische Universität München<br />
in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung
Technische Universität München<br />
Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
im Institut für Wasserwesen<br />
Arcisstraße 21<br />
D - 80290 München<br />
Tel.:089 / 289 23160<br />
Fax:089 / 289 23172<br />
E-Mail:wabau @ bv.tum.de<br />
Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
Oskar v. Miller - Institut<br />
Walchensee<br />
D - 82432 Obernach<br />
Tel.:08858 / 9203 0<br />
Fax:08858 / 9203 33<br />
E-Mail:obernach @ bv.tum.de<br />
ISSN 1437-3513<br />
Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt<br />
für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Th. Strobl<br />
Ordinarius für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
Druck und Einband: Meissnerdruck, Oberaudorf<br />
2
3<br />
Vorwort<br />
„Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.“<br />
(K. H. Popper, 1902 – 1994)<br />
Besonders zur Vermeidung von Schäden durch Hochwasser ist der Dialog lebenswichtig. Er<br />
muss stattfinden zwischen der Wissenschaft der Universitäten, den Möglichkeiten und<br />
Erfahrungen der Behörden, Planungsbüros und Baufirmen, den betroffenen Bürgern und<br />
Kommunen. Dabei müssen Synergien genutzt und die verfügbaren Ressourcen zur<br />
Verbesserung der Hochwassersicherheit, also auch zur Ertüchtigung von Deichen, optimal<br />
eingesetzt werden. Besonders wichtig erscheint der Dialog zwischen dem Katastrophenschutz<br />
und den Ingenieuren mit dem entsprechenden Fachwissen in Wasserbau und Geotechnik zu<br />
sein, um im Ernstfall richtig und schnell zu handeln und somit Deiche effizient verteidigen zu<br />
können.<br />
Nicht immer scheint die Bereitschaft zum Dialog vorhanden zu sein. Vielleicht sind die in<br />
letzter Zeit von der Mehrzahl der Bundesländer eigenständig erarbeiteten Richtlinien,<br />
Merkblätter, Hinweise zur Hochwasserabwehr und Deichverteidigung ein Zeichen dafür, dass<br />
die Dialogbereitschaft noch nicht einmal so weit ist, um Ländergrenzen zu überwinden. Trotz<br />
bundesweiter Fachverbände, wie z. B. dem DWA und DGGT und Vereinigungen wie der<br />
Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), unter deren Federführung zahlreiche technische<br />
Werke für die länderübergreifende, bundesweiten Anwendung veröffentlicht wurden und<br />
werden, haben die Länder hier mögliche Synergieeffekte nicht genutzt und im möglicherweise<br />
auf wertvolle Erfahrungen anderer Bundesländer verzichtet.<br />
Aber es geht auch anders. Das in die Jahre gekommene Merkblatt „Flussdeiche“ des DWA<br />
(früher: DVWK) aus dem Jahre 1986 wird unter Beteiligung mehrerer Bundesländer, u. a.<br />
auch Bayerns, unter dem Dach des DWA überarbeitet. Das Merkblatt wird sich verstärkt mit<br />
Deichertüchtigung aber auch mit über die Verteidigung von Deichen hinaus reichenden<br />
Katastrophenschutz beschäftigen. Somit fließen die Erfahrungen der letzen 10 Jahre bei den<br />
letzten Hochwasserereignissen in den Einzugsgebieten der Flüsse Rhein, Elbe und Donau<br />
zwischen den Jahren 1995 und 2005 direkt ein.<br />
Mit unserer Fachtagung „Deichertüchtigung und Deichverteidigung in Bayern“ möchten wir<br />
den Dialog anregen und Diskussionen führen, in denen konkurrierende Ansichten und<br />
fachliche Meinungsverschiedenheiten in einem freundschaftlichen Miteinander ausgetragen<br />
werden können. Neben dem fachlichen Austausch soll eine solche Veranstaltung natürlich<br />
ausreichend Platz bieten, um den Teilnehmern zu ermöglichen, sich näher kennen zu lernen.<br />
Für die jahrelange Unterstützung und die zahlreichen Beiträge aus der bayerischen<br />
Wasserwirtschaftsverwaltung möchten wir uns herzlich bedanken.<br />
München, Juli 2006 Theodor Strobl<br />
Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft
4<br />
Grußwort<br />
Sichere Deiche als Bausteine eines integralen Hochwasserschutzes.<br />
Die Bilder der letzten Hochwasserereignisse und vor allem die ausgedehnten<br />
Wasserlandschaften dach Deichbrüchen bleiben im Gedächtnis. “Seltene<br />
Hochwasserereignisse“ häufen sich, gleichzeitig ist das Sicherheitsbedürfnis der Bürger, aber<br />
auch das Schadenspotential in Überschwemmungsgebieten gestiegen. Zur Bewältigung der<br />
Hochwassergefahren ist ein effektives Risikomanagement erforderlich, das integrale<br />
Schutzsysteme, wie sie im Bayerischen Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020<br />
vorgesehen sind, einschließt.<br />
Eine der ältesten Methoden des Hochwasserschutzes ist der Bau von Deichen. Deiche sind<br />
neben Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken die wichtigsten<br />
Hochwasserschutzanlagen – entlang der größeren Gewässer in Bayern gibt es mehr als 1.200<br />
km Hochwasserschutzdeiche in der Unterhaltungslast des Freistaates Bayern, dazu kommen<br />
in gleicher Größenordnung Deiche von Kraftwerksbetreibern. Ein Versagen bestehender<br />
Deiche stellt eine besondere Gefahr dar, im Mittelpunkt des seit 1997 laufenden, 2004<br />
fortgeschriebenen Deichsanierungsprogramms steht daher die Sicherstellung der<br />
Standsicherheit von Deichen im Hochwasserfall.<br />
Die Daseinsvorsorge des Staates für die durch Überflutung bedrohte Bevölkerung beschränkt<br />
sich aber nicht allein auf den Bau- und die Unterhaltungstätigkeiten: Die Entwicklung von<br />
neuartigen Verfahren und Bauweisen zur Stabilisierung und Abdichtung von Deichen wird<br />
durch den Staat unterstützt. Außerdem ist die Quantifizierung und Kommunikation des<br />
Hochwasserrisikos zentraler Bestandteil staatlicher Risikovorsorge. Die Betrachtung der<br />
Versagenswahrscheinlichkeiten von Hochwasserschutzanlagen und die Abschätzung von<br />
Folgeschäden bei Versagen unter der Berücksichtigung der vorhandenen Vermögenswerte<br />
gewinnen an Bedeutung.<br />
Die Pflicht der von Hochwasser- und Eisgefahr bedrohten Gemeinden und Städten ist es, eine<br />
Dammwehr einzurichten. Bei diesen verantwortungsvollen Aufgaben werden die Gemeinden<br />
nicht sich selbst überlassen. Eine erfolgreiche Gefahrenabwehr und Deichverteidigung<br />
erfordert viel mehr den koordinierten Einsatz aller Beteiligten: Der Kommunen, Landkreise,<br />
Katastropheneinsatzkräfte, Wasserwirtschaftsverwaltungen sowie der Wasserunternehmen.<br />
Damit das funktioniert, sind eine umfassende Risikokommunikation und die fortwährende<br />
Optimierung der Hochwasserschutzstrategie und –techniken notwendig.<br />
Das Thema der Fachtagung ist hochaktuell, die Interdisziplinarität der Referenten erfreulich<br />
und auch notwendig. Ich wünsche der Veranstaltung einen guten Verlauf und hoffe, dass ein<br />
reger Gedankenaustausch während und nach der Veranstaltung beiträgt, die Sicherheit der<br />
Bevölkerung vor Hochwassergefahren zu erhöhen.<br />
München, Juli 2006 Dipl.-Ing. Martin Grambow<br />
Ltd. Ministerialrat, Leiter Abteilung Wasserwirtschaft, StMUGV
Theodor Strobl<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort .............................................................................................................................................. 3<br />
Martin Grambow<br />
Grußwort ........................................................................................................................................... 4<br />
Deichertüchtigung, 13. Juli 2006<br />
Alexander Neumann<br />
Deichnachrüstungsprogramm – Teil des Aktionsprogramms 2020 zum Hochwasserschutz<br />
............................................................................................................................................................ 8<br />
<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />
Deichertüchtigung in Bayern – Eine Übersicht ......................................................................... 13<br />
Herbert Weiß<br />
Bemessung von Deichen – Lastfälle, geotechnische Fragestellungen ................................ 29<br />
Franz Rasp<br />
Rechtliche Aspekte bei der Deichertüchtigung ......................................................................... 42<br />
Georg Heerten & Katja Werth<br />
Anwendung von Geokunststoffen bei der Deichertüchtigung ................................................ 47<br />
Sebastian Perzlmaier & <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />
Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation<br />
.......................................................................................................................................................... 57<br />
<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong> & Sebastian Perzlmaier<br />
Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation<br />
in Deichen – Praktische Beispiele............................................................................................... 75<br />
Walter Binder & Wolfgang Gröbmaier<br />
Unterhaltung von Deichen – Bewuchs und Wühltiere ............................................................. 91<br />
Dirk Heyer & Christian Schmutterer<br />
Dichtungssysteme in Deichen ..................................................................................................... 94
Johannes Plank<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Einsatz von geosynthetischen Tondichtungsbahnen. 102<br />
Uwe Kleber-Lerchbaumer<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Verwendung natürlicher Böden..................................... 107<br />
Jens Breitenstein<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz von Spundwänden............................................ 116<br />
Stephan Kirner<br />
Deichertüchtigung im Rahmen des Isar-Planes – Praktischer Einsatz des MIP-Verfahrens<br />
........................................................................................................................................................ 122<br />
Patrick Menk<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz des FMI-Verfahrens ......................................... 129<br />
Harald Wildner<br />
Leitungen in Deichen .................................................................................................................. 136<br />
Deichverteidigung & Katastrophenschutz, 14. Juli 2006<br />
Roland Wach<br />
Hinweise zur Deichverteidigung – Eine Übersicht.................................................................. 141<br />
Markus Hannweber<br />
Hochwasser 1999, 2002 und 2005 – Hydrologie und Ablauf ............................................... 148<br />
Anton Kölbl<br />
Erfahrungen bei der Deichverteidigung in Eschenlohe während der Hochwasser 1999,<br />
2002 und 2005 ............................................................................................................................. 158<br />
Georg Loy<br />
Erfahrung eines Wasserkraftbetreibers beim Katastrophenschutz während der letzten<br />
Hochwasserereignisse................................................................................................................ 165<br />
Hubert Faltermeier<br />
Erfahrungen im Rahmen des Katastrophenschutzes während des Pfingsthochwassers<br />
1999 im Landkreis Kelheim........................................................................................................ 175<br />
6
Frank Kleist & Wunibald Koppenhofer<br />
Hochwassereinsatzplan Ingolstadt – Veranlassung, Randbedingungen und Erfahrungen<br />
........................................................................................................................................................ 181<br />
Gregor Overhoff<br />
„Erfahrungen bei der Verteidigung der Deiche an der Isar während des Hochwassers<br />
2005“ ............................................................................................................................................. 187<br />
Armin Schaupp<br />
Hochwasser an der Iller 2005 – Bewährungsprobe der gewählten Bauweisen ............... 195<br />
Bernd Zaayenga<br />
Planungen für ein gemeinsames Ausbildungskonzept Hochwasser in Bayern................. 198<br />
7
Deichnachrüstungsprogramm – Teil des<br />
Aktionsprogramms 2020 zum Hochwasserschutz<br />
Kurzfassung<br />
8<br />
Alexander Neumann<br />
Für die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung hatte das Thema Hochwasserschutz<br />
schon immer einen besonders hohen Stellenwert. Häufig auftretende Hochwasser mit<br />
teilweise großen Schäden unterstrichen regelmäßig die Bedeutung dieser Aufgabe und<br />
die Notwendigkeit effektiver Schutzstrategien. Nach dem Pfingsthochwasser 1999 wurde<br />
das Aktionsprogramm 2020 mit einem Gesamtvolumen von insgesamt 2,3 Milliarden Euro<br />
aufgestellt. Es umfasst die drei Handlungsfelder, natürlicher Rückhalt, technischer<br />
Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge. Wesentlicher Baustein im Handlungsfeld<br />
technischer Hochwasserschutz ist das Deichnachrüstungsprogramm. Bestehende Deiche<br />
werden systematisch erfasst und vier verschiedenen Dringlichkeitsstufen zugeordnet.<br />
Dementsprechend werden die Schwerpunkte bei der Sanierung gesetzt.<br />
1 Aktionsprogramm 2020 zum Hochwasserschutz<br />
Das Pfingsthochwasser 1999 hat deutlich gemacht, dass an dem bereits seit längerem<br />
verfolgten integralen Strategiekonzept zum Hochwasserschutz in Bayern auch zukünftig<br />
festgehalten werden muss. Die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung hat deshalb zur<br />
konkreten Umsetzung das Programm "Nachhaltiger Hochwasserschutz in Bayern<br />
Aktionsprogramm 2020 für Donau- und Maingebiet" aufgestellt. Mit diesem Programm<br />
werden fachliche Ziele vorgegeben, alle Einzelaktivitäten an den Gewässern<br />
verschiedener Gewässerordnungen und verschiedener Projektträger zielgerichtet<br />
zusammengeführt und die daraus abzuleitenden Kosten bei einem Zeithorizont von 20<br />
Jahren aufgezeigt.<br />
Das Programm setzt sich aus drei Handlungsfeldern zusammen:<br />
• Natürlicher Rückhalt<br />
Technischer Hochwasserschutz<br />
Hochwasservorsorge<br />
Diese drei Komponenten, kombiniert angewendet, bilden die Grundlage für den langfristig<br />
tragfähigen und zukunftsweisenden Hochwasserschutz in Bayern.
Abb. 1: Die drei Handlungsfelder des Aktionsprogramms 2020<br />
1.1 Natürlicher Rückhalt<br />
Wasserrückhaltung in der Fläche – also im gesamten Einzugsgebiet, in den Auen und im<br />
Gewässer selbst – ist ein allgemeines Ziel der Wasserwirtschaft, das über den Zweck des<br />
Hochwasserschutzes weit hinausreicht. Es dient neben der Abflussvergleichmäßigung<br />
und Dämpfung der Hochwasserspitzen der Vitalität der Gewässerökosysteme und fördert<br />
die Grundwasserneubildung. Die grundsätzlichen Ziele hierzu sind im<br />
Landesentwicklungsprogramm Bayern verankert, konkrete Teilziele und entsprechende<br />
Maßnahmen sind im Aktionsprogramm 2020 formuliert.<br />
Maßnahmen sind zum Beispiel:<br />
Gewässerentwicklung und –renaturierung<br />
Deichrückverlegung<br />
9<br />
Schwerpunktprogramm: „Aktiver Wasserrückhalt in der Fläche“<br />
1.2 Technischer Hochwasserschutz<br />
Neben der Wasserrückhaltung in der Fläche müssen bebaute Gebiete und wichtige<br />
Infrastruktureinrichtungen durch technische Anlagen wie Deiche, Mauern, Flutmulden,<br />
Rückhaltebecken und Talsperren geschützt werden. Als Maßstab für die Bemessung von<br />
technischen Hochwasserschutzanlagen in Bayern wird grundsätzlich ein<br />
Hochwasserereignis zugrunde gelegt, das statistisch durchschnittlich alle 100 Jahre<br />
erreicht wird (HQ100). Das HQ100 stellt eine in der Praxis bewährte Bemessungsgrundlage<br />
dar, von der nur in besonderen Fällen nach oben oder unten abgewichen wird.<br />
Maßnahmen sind zum Beispiel:<br />
Hochwasserspeicher<br />
Gesteuerte Flutpolder
10<br />
Schutz von Städten und Gemeinden (Neubau)<br />
Wildbachverbauung<br />
Deichnachrüstungsprogramm<br />
1.3 Hochwasservorsorge<br />
Die Hochwasservorsorge zielt darauf ab, das trotz aller Maßnahmen zu natürlichem<br />
Rückhalt und technischem Hochwasserschutz verbleibende Schadenspotential zur<br />
verringern. Maßnahmen sind zum Beispiel:<br />
Ermittlung und Festsetzung von Überschwemmungsgebieten<br />
Ausweisung von Vorranggebieten<br />
Entwicklungsvorhaben Hochwasservorhersage<br />
2 Deichnachrüstungsprogramm<br />
Das Deichnachrüstungsprogramm ist ein wesentlicher Teil des Handlungsfeldes<br />
„Technischer Hochwasserschutz“ des Aktionsprogramms 2020. Es ergänzt das 1988<br />
aufgestellte Programm zur Sicherung und Ergänzung des Hochwasserschutzes an der<br />
Donau. Bis Ende 2004 wurden die Deiche Bayernweit entsprechend ihrer<br />
Sanierungspriorität erfasst mit dem Ziel, den Finanzbedarf zur Deichsanierung zu<br />
ermitteln.<br />
Dabei wurden die Deiche in vier Prioritätsstufen eingeteilt:<br />
• Priorität 1: kurzfristiger Handlungsbedarf<br />
• Priorität 2: mittelfristiger Handlungsbedarf<br />
• Priorität 3: langfristiger Handlungsbedarf<br />
• Priorität 0: kein Handlungsbedarf bzw. überwiegend Planungs- und<br />
Untersuchungsaufwand<br />
Die Prioritätsstufen waren jedoch nicht exakt definiert. Um den Mitteleinsatz<br />
zielgerichteter vorzunehmen, waren einheitliche Bewertungskriterien erforderlich.<br />
Ende 2004 wurde daher die seit 1999 durchgeführte jährliche Erhebung zu Deichen und<br />
Anlagen in der Unterhaltungslast des Freistaats Bayern geändert. Eine wesentliche<br />
Änderung war die neue Einstufung nach der Dringlichkeit einer eventuellen Sanierung<br />
bzw. Neubau mit Festlegung der Einstufungskriterien:<br />
Nunmehr werden die Deiche folgenden Dringlichkeitsstufen zugeordnet:<br />
Dringlichkeitsstufe A<br />
• Der Deichabschnitt ist bei einer Belastung durch sein Bemessungshochwasser<br />
nicht standsicher (d.h. bei einem planmäßigen Einstau mit dem<br />
Bemessungshochwasser besteht Deichbruchgefahr mit einer Gefährdung von<br />
besiedelten Gebieten), oder
11<br />
• der Deichabschnitt soll in den nächsten 2 Jahren saniert werden<br />
(Voraussetzungen sind dafür rechtzeitig erfüllt; z.B. Planung, Rechtsverfahren,<br />
Grunderwerb usw.), oder<br />
• der Deich entspricht nicht dem angestrebten HW-Schutzgrad und ist im<br />
Zusammenhang mit benachbarten Hochwasserschutzeinrichtungen zu sanieren,<br />
um evtl. Lücken im Hochwasserschutz zu schließen (z.B. oberhalb und unterhalb<br />
des betrachteten Abschnitts besteht höchste Dringlichkeitsstufe)<br />
Dringlichkeitsstufe B<br />
• Der Deichabschnitt ist nach Einschätzung des WWA standsicher, aber<br />
• der Deichabschnitt erfüllt nicht in allen Punkten die allgemein anerkannten Regeln<br />
der Technik (a.a.R.d.T.); es sind größere Ertüchtigungsmaßnahmen notwendig<br />
(z.B. Hinterwege für die Deichverteidigung, Abdichtungsmaßnahmen, Abflachung<br />
der Böschungen, Deichrückverlegung usw.), die nicht im Rahmen des<br />
Bauunterhalts durchgeführt werden können, oder<br />
• Deiche mit Sanierungsbedarf, die nicht in die Dringlichkeitsstufen A, U oder 0<br />
fallen.<br />
Dringlichkeitsstufe U (Untersuchung-/Planungsaufwand)<br />
• Der Deichabschnitt entspricht (vermutlich) noch nicht den a.a.R.d.T., die<br />
Grundlagen zur Beurteilung der Deichsicherheit sind lückenhaft, z.B.<br />
• Geometrie/Aufbau von Deich und Untergrund sind nicht / nur unvoll-ständig<br />
bekannt<br />
• (weitere) Untersuchungen zur Beurteilung sind notwendig (z.B. Befliegung,<br />
hydraulische Auswertung, Bohr-/Rammsondierungen usw.).<br />
• Das Bemessungshochwasser für den zu betrachtenden Dammabschnitt ist nicht<br />
bekannt / nicht nachgewiesen.<br />
• Der Deichabschnitt entspricht noch nicht den a.a.R.d.T; es sind Mängel<br />
vorhanden, die noch weiter untersucht werden müssen.<br />
Dringlichkeitsstufe 0<br />
• Der Deichabschnitt entspricht den a.a.R.d.T. und<br />
• die Deichsicherheit kann mit regulärem Bauunterhalt langfristig gewährleistet<br />
werden.<br />
Die erstmalige Auswertung der nach dem neuen Schema erfassten Daten (Datenstand<br />
31.12.2004) zeigt nach wie vor einen hohen Sanierungsbedarf. Von insgesamt rund<br />
1200 km Deichen an Gewässern 1. Ordnung in der Unterhaltungslast des Freistaats<br />
Bayern müssen allein in Dringlichkeitsstufe A noch rund 200 km Deiche mit einem<br />
Kostenaufwand von rund 154 Mio. € saniert werden.<br />
Auch im Hinblick auf Haftungsfragen müssen vorhandene Deiche, die nicht den Regeln<br />
der Technik entsprechen vorrangig saniert werden. Diese vom StMUGV vorgeschlagene
Schwerpunktssetzung war auch Gegenstand der Ministerratsbehandlung vom 17.01.2006<br />
und wurde dort zustimmend zur Kenntnis genommen.<br />
12<br />
Abb. 2: Deichsanierung mit MIP-Verfahren an der Oberen Iller<br />
Literatur<br />
NEUMANN, A. (2002): Jahresbericht der Wasserwirtschaft – Bayern<br />
ROGOWSKY, W.-D. (2006): Schwerpunktsetzung bei der Deichsanierung<br />
OVERHOFF, G. (2006): Priorisierung von Maßnahmen an Gewässern 1. Ordnung<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Alexander Neumann<br />
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz<br />
Abteilung 5: Wasserwirtschaft (55g)<br />
Rosenkavalierplatz 2<br />
81925 München<br />
alexander.neumann@stmugv.bayern.de
Kurzfassung<br />
13<br />
Deichertüchtigung in Bayern – Eine Übersicht<br />
<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />
Folgende Ausführungen zeigen die Spannweite sowohl der auftretenden<br />
Randbedingungen als auch der möglichen technischen Baumaßnahmen zur Ertüchtigung<br />
von Deichen auf. Hierzu werden einige Aspekte zur Feststellung des<br />
Ertüchtigungsbedarfes und Festlegung der Ertüchtigungsdringlichkeit behandelt, sowie<br />
wesentliche Grundsätze der konzeptionellen Ausführung. Die dargelegten Erkenntnisse<br />
sind das Ergebnis des von der bayrischen Wasserwirtschaftsverwaltung geförderten<br />
Forschungs- und Entwicklungsvorhabens „Deichsanierung“, das in den Jahren 2003 bis<br />
2005 am Lehrstuhl und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der<br />
Technischen Universität bearbeitet wurde (HASELSTEINER U. STROBL 2005).<br />
1 Einleitung<br />
In Bayern wurde zur Verbesserung des Hochwasserschutzes das Aktionsprogramm 2020<br />
ins Leben gerufen, im Zuge dessen auch Deichertüchtigung in großem Umfang betrieben<br />
werden soll (STMLU BY 2002). Da die Ertüchtigung von Hochwasserschutzdeichen nach<br />
den großen Hochwasserereignissen 1988, 1999, 2002 und 2005 in Bayern wieder in den<br />
Fokus des technischen Hochwasserschutzes gerückt ist, gilt es, über die bestehenden<br />
technischen Regelwerke hinaus den Behörden, Planern und Baufirmen Hinweise und<br />
Empfehlungen an die Hand zu geben, um wirtschaftlich und sicher gefährdete<br />
Deichstrecken den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) anzupassen.<br />
Dies wird u. A. mit der derzeitigen Überarbeitung des Merkblatts „Flussdeiche“ im DWA-<br />
Verband erfolgen.<br />
Den Stellenwert, den Hochwasserschutzdeiche an Fließgewässern einnehmen, kann man<br />
auch an der Tatsache festmachen, dass für sie neben den einschlägigen Normen für<br />
Wasser- und Erdbauten, eine eigene Norm, die DIN 19712/1997 „Flussdeiche“, existiert,<br />
die zurzeit überarbeitet wird. Eine analoge Behandlung basierend auf anderen Normen<br />
wie z. B. der DIN 19700 ist schwierig. Häufig ist es der Fall, dass auf DIN 19712/1997<br />
verwiesen wird, da einige Themenbereiche dort ausführlicher behandelt werden, wie z. B.<br />
Gehölze und Wühltiere auf und in Erdbauwerken oder auch die Querung von Leitungen<br />
durch Dammbauwerke. Die Ertüchtigung von Deichen wird in DIN 19712 nach Meinung<br />
des Verfassers nicht erschöpfend behandelt, da normative Regelwerke nie die ganze<br />
Spannweite von Fachthemen aufspannen können.<br />
2 Deichertüchtigung und ihre Notwendigkeit<br />
Ertüchtigung beinhaltet alle Maßnahmen, die eine Verbesserung des Ausgangszustandes<br />
bewirken. Deichertüchtigung umfasst sowohl die Instandsetzung und Sanierung eines<br />
Deiches als auch den Ausbau eines Deiches entsprechend den allgemein anerkannten<br />
Regeln der Technik sowie die Beseitigung geringer Schäden im Rahmen der<br />
Unterhaltung.
Deiche sollten so ertüchtigt werden, dass durch regelmäßige Unterhaltungsmaßnahmen<br />
das Bauwerk für die nächsten Generationen Bestand hat.<br />
Unter Berücksichtigung dieser Forderungen sind von Deichertüchtigungen zu<br />
unterscheiden:<br />
14<br />
• Notsicherungsmaßnahmen: Maßnahmen während des Hochwassers zur Abwehr<br />
einer unmittelbaren die Standsicherheit gefährdenden Gefahr<br />
• Sofortmaßnahmen: Maßnahmen, die ohne zwingend die Gesamtertüchtigung des<br />
Deiches im Auge zu haben, die Standsicherheit des Deiches auch in lokal<br />
begrenzten, standsicherheitsgefährdeten Bereichen erhöhen<br />
• Teilertüchtigungsmaßnahmen: Maßnahmen, die einen Teil einer oben definierten<br />
Deichertüchtigungsmaßnahme darstellen, um die Tragfähigkeit zu erhöhen oder<br />
die Gebrauchstauglichkeit herzustellen.<br />
• Vorwegmaßnahmen: Maßnahmen, die zeitnah, bereits zu einem früheren<br />
Zeitpunkt als abgeschlossene Baumaßnahme vorgezogen bzw. durchgeführt<br />
werden evtl. als Teilertüchtigungsmaßnahme.<br />
• Die Unterteilung einer Gesamtbaumaßnahme in Vorweg- oder<br />
Teilertüchtigungsmaßnahmen führen zwar i. d. R. zu einer Erhöhung der<br />
Gesamtkosten, bieten allerdings die Möglichkeit, mit begrenzten Finanzmitteln<br />
einen maximierten Nutzen, eine zu einem gewissen Grad ertüchtigte Deichstrecke,<br />
zu erzielen.<br />
Die Notwendigkeit einer Ertüchtigung resultiert i. d. R. aus unzureichender<br />
Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit, was in folgenden Punkten begründet sein<br />
kann:<br />
• veränderte hydrologische und hydraulische Randbedingungen<br />
• veränderter Schutzgrad des Hinterlandes<br />
• bauliche Veränderungen am und auf dem Deich<br />
• Veränderung der Eigenschaften des Deichkörpermaterials<br />
• Veränderung der Eigenschaften des Untergrundes<br />
• Auftreten von unkontrolliertem Bewuchses an und auf Deichen<br />
• Schäden am Deich<br />
3 Rahmenbedingungen<br />
Bei der Planung der Ausführung sind neben den bautechnischen und rechtlichen auch<br />
finanzierungs- und haushaltstechnische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Die<br />
Finanzierung von Maßnahmen und die Eingliederung der Mittelvergabe in<br />
Haushaltspläne, besonders der öffentlichen Hand, stellen häufig wichtige<br />
Rahmenbedingungen dar, die die Notwendigkeit der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen<br />
fordern und ggf. eine zeitliche Aufteilung in Einzelmaßnahmen nach sich ziehen.
15<br />
3.1 Bestehender Deich (Altdeich)<br />
Bestehende Deiche können in der Vergangenheit des Öfteren um- bzw. ausgebaut<br />
worden sein. Sie weisen i. d. R. einen willkürlichen und inhomogenen Aufbau auf, dessen<br />
tatsächliche Zusammensetzung auch durch intensive Erkundungsmaßnahmen nicht bis in<br />
Detail erfasst werden kann. Es ist zu entscheiden, wie der bestehende Deich in die<br />
Planung der Deichertüchtigung einbezogen werden kann oder ob er abgetragen und<br />
vollständig neu errichtet werden muss.<br />
3.2 Deichüberwachung und Deichverteidigung<br />
Den a.a.R.d.T. entsprechend sollte die Überwachung der Deiche im Hochwasserfall durch<br />
die Sicherstellung von Überwachungswegen auf Krone und/oder am landseitigen<br />
Deichfuß sichergestellt werden. Der Austritt von Sickerwasser aus dem Deich soll im<br />
unteren Drittel der landseitigen Böschung problemlos möglich sein. Zur Deichverteidigung<br />
sind Wege anzuordnen und entsprechend zu befestigen, um den Zugang zum Deich für<br />
Deichverteidigungsmannschaften und ggf. auch für Schwerlastverkehr zum Transport von<br />
Deichverteidigungsmitteln im Hochwasserfall sicherzustellen (vgl. LfW BY 2003).<br />
3.3 Unterhaltung<br />
„Flussdeiche sind so zu unterhalten, dass ihre Sicherheit ständig gegeben ist.“ (DIN<br />
19712/1997) Bei Deichstrecken kann der Kostenaufwand für die Unterhaltung erheblich<br />
sein. Deshalb sollte bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> stets versucht werden, für den<br />
Unterhalt günstige Zustände herzustellen.<br />
Durch eine standortgerechte Auswahl des Saatgutes, durch eine Anpassung der<br />
Böschungsneigungen, eine Anordnung von Deichwegen, durch bauliche<br />
Sicherungsmaßnahmen wie Spundwände sowie der Gestaltung der gesamten<br />
Deichgeometrie und -lage kann der Unterhaltungsaufwand beeinflusst werden.<br />
3.4 Platzverhältnisse<br />
Bestehende Deiche grenzen i. d. R. wasser- wie landseitig an Grundeigentum Dritter.<br />
Eine Vergrößerung des Deichlagers kann u. U. zu einem enormen Kosten- und<br />
Verwaltungsaufwand führen, da betroffene Rechtspersonen mit ihrem Einspruchsrecht<br />
erhebliche Verzögerungen verursachen und die Aufwendung zum Grunderwerb im<br />
Missverhältnis zu den bautechnisch notwendigen Kosten stehen können.<br />
Eine Ausweitung des Deiches oder von Teilen desselben zur Gewässerseite vermindert<br />
zum einen die Leistungsfähigkeit des Abflussquerschnittes und handelt wider dem<br />
Grundsatz des WHGs zur Schaffung von Retentionsraum.<br />
3.5 Berücksichtigung des Naturhaushaltes<br />
Bei einer Deichertüchtigung sind wie beim Neubau von Deichen landschaftliche,<br />
ökologische und städtebauliche Belange zu berücksichtigen. Grundwasserverhältnisse<br />
sollen von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> nicht negativ beeinflusst werden.<br />
Nur in besonderen Ausnahmefällen ist es möglich, Bewuchs in Form von Gehölzen auf<br />
dem Deich unter Gewährleistung der Bauwerkssicherheit begrenzt zuzulassen. Die<br />
Sicherheitsbeeinträchtigungen durch Bewuchs müssen mittels konstruktiver Maßnahmen<br />
und intensiver Unterhaltungsmaßnahmen ausgeglichen werden, was u. U. einen
16<br />
erheblichen (Kosten)Aufwand bedeutet. Ökologisch hochwertige Ansaatmischungen und<br />
die Schaffung besonders seltener Trockenstandorte wie z. B. Magerrasenflächen auf<br />
landseitigen Deichböschungen sind eine praktische Lösung, die sowohl der<br />
Standsicherheit von Deichen als auch den Anforderungen des Naturhaushalts genügen<br />
(vgl. DVWK 226/1993).<br />
Neben den vorkommenden üblichen Wühltieren, wie z. B. Maulwurf, Wanderratte,<br />
Kaninchen und Bisam, nutzen „noch“ geschützte Tiere, wie der Biber, den Deich als<br />
Lebensraum. Die Lebensgewohnheiten dieser Tiere sind häufig nicht mit den<br />
Grundsätzen des Hochwasserschutzes zu vereinigen. Der Biber kann sowohl das<br />
Abflussregime beeinflussen als auch den Deich direkt schädigen. Die unmittelbare<br />
Gefährdung von Deichen durch Wühltiere kann durch die Wahl konstruktiver<br />
Sicherungsmittel wie z. B. grobkörniges Schüttmaterial, Wühltiergitter oder Dichtwänden<br />
verringert werden (vgl. DVWK 247/1997).<br />
3.6 Landschafts- und Städtebild<br />
In Bereichen, in denen Deichanlagen das Landschaftsbild oder Städtebild mitprägen,<br />
sollte die ästhetische Einbindung des Deiches berücksichtigt werden. Während an freien<br />
Gewässerstrecken der Deich möglichst naturnah ausgebildet wird, können in Städten<br />
auch technische Lösungen unter Einbeziehung von Stützkonstruktionen oder mobile<br />
Elemente zum Einsatz kommen. Eine Einpassung von Deichen, besonders in das<br />
Städtebild, kann die Kosten für die Ertüchtigung erheblich erhöhen.<br />
3.7 Zeitplan<br />
Während der Ausführung von Ertüchtigungsmaßnahmen muss der Schutz des<br />
Hinterlandes sichergestellt sein. Aus diesem Grund sind Baumaßnahmen in Jahreszeiten<br />
auszuführen, in denen große Hochwasserereignisse unwahrscheinlich sind. Des Weiteren<br />
ist der Bauablauf so zu planen und zu koordinieren, dass die Baustelle durch<br />
Notsicherungsmaßnahmen innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums die festgelegte<br />
Schutzfunktion erreicht. Zur Absicherung dieser Forderung ist es i. d. R. erforderlich, ein<br />
bauzeitliches Hochwasser einer bestimmten Jährlichkeit festzulegen. Je nach Gewässer<br />
und Jahreszeit ist es möglich, <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> in ausreichend kleine<br />
Teillose aufzuteilen.<br />
Aspekte des Finanzhaushaltes können dazu führen, dass Baustellen auch in<br />
hochwasserreichen Jahreszeiten durchgeführt oder in aufeinander folgende<br />
Einzelmaßnahmen unterteilt werden.<br />
3.8 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
„Die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder<br />
seiner Ufer (Gewässerausbau) bedarf der Planfeststellung durch die zuständige<br />
Behörde.“ Darüber hinaus stehen nach § 31 Abs. 2 WHG „Deich- und Dammbauten, die<br />
den Hochwasserabfluss beeinflussen, dem Gewässerausbau gleich“. Die Unterhaltung<br />
dient nach § 28 WHG dem „Erhalt eines ordnungsgemäßen Zustandes für den<br />
Wasserabfluss“. Maßnahmen am Deich, die den Hochwasserabfluss und das<br />
Grundwasserregime nicht beeinflussen, sind demnach Unterhaltungsmaßnahmen, die<br />
grundsätzlich keiner behördlichen Genehmigung bedürfen, was im Einzelfall allerdings
geprüft werden muss. Innerhalb der Unterhaltung können i. allg. folgende Maßnahmen<br />
durchgeführt werden (vgl. RASP 2003):<br />
• Einbau von Dichtungen und Dräns<br />
• Bewuchspflege / -entfernung<br />
• Anschüttungen auf der Landseite<br />
• Abtrag und sofortiger Neubau des Deiches in den alten Abmessungen<br />
17<br />
Baumaßnahmen, die die Deichkrone erhöhen, den Abflussquerschnitt verändern oder<br />
eine Umgestaltung des Gewässers erfordern, sind dahingegen nach dem Wasserrecht<br />
genehmigungspflichtig, d.h. bedürfen eines Planfeststellungsverfahrens nach § 31 WHG<br />
und einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Dazu zählen i. d. R. im Rahmen von<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />
• Deichrückverlegungen und<br />
• Deicherhöhungen,<br />
• wasserseitige, wesentliche Änderungen am Deich.<br />
Bereits im Rahmen der Planung sollte geprüft werden, ob eine Deichertüchtigung als<br />
Unterhaltungsmaßnahme geplant und durchgeführt werden kann. Falls dies nicht der Fall<br />
ist, wie z. B. bei einer Deicherhöhung, können Einzelmaßnahmen im Rahmen von<br />
Unterhaltungsmaßnahmen als Sofortmaßnahme oder Teilertüchtigungsmaßnahmen in<br />
Abstimmung mit dem Finanzhaushaltsplan „vorlaufen“ und die genehmigungspflichtige<br />
Ausbaumaßnahme im Nachhinein als letzter Bauabschnitt durchgeführt werden.<br />
4 Technische Maßnahmen der Deichertüchtigung<br />
4.1 Übersicht und Vergleich<br />
Die technischen Möglichkeiten der Deichertüchtigung sind so weitläufig, wie die<br />
Entwicklung im Wasserbau und in der Geotechnik es bis heute zulassen (vgl. Tab. 1).<br />
Neben den klassischen erdbaulichen Lösungen gewinnt immer mehr der Einsatz von<br />
künstlichen Dichtungen und Geokunststoffen an Bedeutung, auch wenn diese nicht<br />
zuletzt aufgrund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen i. allg. nur unter Berücksichtigung<br />
besonderer Randbedingungen eingesetzt werden. In Tab. 1 sind Maßnahmen und deren<br />
Auswirkungen mit einer Matrix verknüpft, die durch farbliche Markierung zeigt, welchen<br />
positiven oder negativen Einfluss die Anwendung bestimmter Maßnahmen haben kann.<br />
Auch wenn ein qualitativer Vergleich der Kosten der Maßnahmen hinkt, da unter<br />
Beachtung der lokalen Randbedingungen stets die „günstigste“ Ausführungsvariante zum<br />
Zug kommt, zeigt der Vergleich indirekt, welche Randbedingungen teurer Maßnahmen<br />
bedürfen.
18<br />
Tab. 1: Wirkungsmatrix von technischen Maßnahmen zur Deichertüchtigung<br />
Maßnahmen<br />
Erdbauliche<br />
Maßnahmen<br />
Bauwerke<br />
MaterialverbesserungOberflächensicherung<br />
Sicherung von<br />
Deichen<br />
mit Gehölzen<br />
positiv<br />
negativ<br />
positiv / negativ<br />
Voraussetzung<br />
Mauern / Mobile Elemente / Überst. Dichtungen 4)<br />
Anordnung eines Filters<br />
Erdbauliche Erhöhung<br />
Anordnung von Stützbauwerken 4)<br />
Einbau von Dichtungen 2)<br />
Anordnung eines Dräns 2)<br />
Deich(rück)verlegung / Neutrassierung<br />
Abtrag / Neubau / Bodenaustausch<br />
Abflachung der Böschungen<br />
Anordnung von Bermen und Wegen<br />
2)<br />
Verbreiterung der Deichkrone<br />
Anmerkungen:<br />
1)<br />
Hier werden Baukosten im Vergleich der Maßnahmen untereinander betrachtet,<br />
nicht Gesamtkosten im Vergleich zu alternativen Möglichkeit mit z. B. Kostenerhöhung<br />
durch Grundstückserwerb.<br />
2) Auf die Erhöhung der Standsicherheit ausgerichtete Maßnahmen.<br />
3) Entspricht etwa dem Aufwand einer Neubaumaßnahme.<br />
Verwendung von Geokunststoffen<br />
Ausbildung von Überlaufstrecken<br />
Schütten eines Überprofils<br />
Einbau von Wurzelhemmschichten<br />
Einzelsicherung von Bäumen<br />
2)<br />
Baugrund- / Bodenverbesserung 2)<br />
Erosionssicherung der Böschung<br />
Einbau statisch wirksamer Dichtungen<br />
Oberflächenschutz<br />
Hydraulisch<br />
Überlastbarkeit<br />
Hochwassersicherheit<br />
Globale Standsicherheit<br />
Erdstatisch<br />
Lokale Standsicherheit<br />
Untergrund(verbesserung)<br />
Auswirkungen<br />
Setzungen / Verformungen<br />
Geohydraulisch<br />
Durchsickerung<br />
5)<br />
Suffosion / Erosion<br />
Gebrauchstauglichkeit<br />
5)<br />
Die GTD zählt zu den Dichtungen.<br />
6)<br />
Angenommen der Gehölzbewuchs unterliegt keiner Beschränkung und kann<br />
sich frei entfalten bis hin zu waldartigen Beständen.<br />
Dränfähig / Filterwirksam<br />
Unterhaltung<br />
Überwachung<br />
Verteidigung<br />
Kosten 1)<br />
4) Deicherhöhungen haben größere Belastungen zur Folge und treten deshalb i.<br />
d. R. in Kombination mit anderen die Standsicherheit erhöhenden Maßnahmen<br />
auf.<br />
Eine Konzentration blauer wie roter Felder der Matrix (Tab. 1) zeigt einen eindeutigen<br />
Zusammenhang an. So ziehen die meisten Maßnahmen eine Erhöhung der erdstatischen<br />
und geohydraulischen Sicherheit nach sich, da i. d. R. der Querschnitt vergrößert und die<br />
Durchsickerung vermindert wird (blau = positiv). Eine Erhöhung von Deichen bedeutet<br />
gleichzeitig eine Erhöhung der Belastung und somit eine Abnahme der erdstatischen und<br />
geohydraulischen Standsicherheitskriterien (rot = negativ), wenn nicht andere<br />
Maßnahmen wie z. B. die Anpassung der Böschungen usw. dem entgegenwirken. Einen<br />
Sonderfall stellt die Sicherung von mit Gehölz bewachsenen Deichen dar, da dort im<br />
Einzelfall die Gebrauchstauglichkeit vermindert und zugleich die Kosten für Unterhalt und<br />
Bau erhöht werden. Mögliche ökologische wie landschaftsästhetische Auswirkungen<br />
wurden hierbei jedoch nicht berücksichtigt.<br />
4.2 Erdbauliche Maßnahmen<br />
Deiche sind definitionsgemäß Erdbauwerke, weshalb den erdbaulichen Maßnahmen<br />
besondere Bedeutung zukommt. Neben dem kompletten Abtrag und Wiederaufbau – in<br />
diesem Sinne wurden auch Deichverlegungen zu den erdbaulichen Maßnahmen gezählt –<br />
ist der Teilabtrag wie –neubau bei möglicher Integration des Altdeiches in vielen Fällen<br />
möglich.<br />
Die Integration vom Altdeich hängt i. allg. von folgenden Punkten ab:<br />
Unterhaltung<br />
6)<br />
Baumaßnahme<br />
3)
19<br />
• Inhomogener, ungünstiger Aufbau durch z. B. den historischen Teilausbau und –<br />
umbau<br />
• Geringe Lagerungsdichte durch unzureichende Verdichtung beim Bau<br />
• Ungeeignete Deichbaumaterialien, wie z. B. Böden mit hohem organischem Anteil<br />
• Tiefreichende Beeinträchtigungen durch z. B. Erosion, Wühltiere und Wurzeln<br />
• Baubetriebliche Gründe und Mehrkosten<br />
Wichtig ist beim Teilneubau, dass der verbleibende Bestand ordnungsgemäß in den neu<br />
geplanten Querschnitt integriert wird. An Böschungen kann das durch eine Abtreppung<br />
(vgl. z. B. Abb. 1) des bestehenden Erdkörpers erreicht werden. Dies sorgt für eine gute<br />
Verzahnung der konstruktiven Elemente (Dichtung, Stützkörper bzw. Altdeich, Drän). Bei<br />
Böden mit hohen Scherwiderständen kann auf eine Abtreppung verzichtet werden.<br />
Der Altdeich muss so integriert werden, dass die Durchlässigkeit im Querschnitt hin zur<br />
Landseite durchlässiger wird. Je nachdem, ob eine wasserseitige Dichtung aufgebracht<br />
wird, nachträglich eine Innendichtung eingebaut wird oder ein Drän mit<br />
Deichverteidigungsweg (DVW) bzw. Deichhinterweg landseitig angeordnet wird, kann der<br />
Altdeich im Querschnitt unterschiedlich eingegliedert werden.<br />
Wie in den Regelwerken gefordert wird, sollten Böschungsneigungen möglichst flach<br />
ausgebildet werden. Böschungsneigungen von 1:3 und flacher sind aus Sicht der<br />
Standsicherheit, Unterhaltung und Deichverteidigung vorteilhaft. Maßgebend ist jedoch<br />
die globale und lokale Standsicherheit nach DIN 4084.<br />
H D<br />
Ausrundung<br />
H D /3 1<br />
5<br />
Abflachung AbtreppungKronenweg<br />
1<br />
3<br />
1<br />
2<br />
Altdeich<br />
Altes Deichlager<br />
Neues Deichlager<br />
Abflachung<br />
Abtreppung<br />
Anschüttung<br />
3<br />
2<br />
1<br />
1<br />
(dränfähig, filterfest)<br />
DVW<br />
Abb. 1: Abflachen der wasserseitigen Böschung zur Gewährleistung der Standsicherheit<br />
Die Breite der Krone sollte 3 m nicht unterschreiten. Unter Einbehaltung der<br />
Deichlagerbreite kann eine Verbreiterung der Krone durch steilere Böschungen erreicht<br />
werden.<br />
Nachträglich angeordnete Bermen verbessern die Standsicherheit des Deiches. Auf einer<br />
landseitigen Berme wird idealer Weise ein Deichverteidigungsweg angeordnet. Dieser soll<br />
gemäß den Anforderungen mindestens 3,0 m breit, für schwere Lastfahrzeuge befahrbar<br />
sowie ausreichend hoch angeordnet sein, damit die Möglichkeit der Befahrung im<br />
Hochwasserfall sichergestellt ist.<br />
Dräns können in verschiedenen Ausführungen z. B. als Fußdrän oder Kamindrän oder<br />
Anschüttungen am landseitigen Deichfuß angeordnet werden. Der nachträgliche Einbau<br />
von Dränrohren am landseitigen Böschungsfuß ist möglich. Zur Gewährleistung der<br />
Filterstabilität werden neben geeigneten Kornfraktionen geotextile Filter verwendet.
20<br />
Steht Platz zur Verbreiterung des Deichlagers zur Verfügung, kann der Deich unter<br />
Beibehaltung oder Abflachung der Böschungsneigung erhöht werden. Eine Aufhöhung<br />
kann bei Böden mit hohen Scherwiderständen unter Berücksichtigung der<br />
Strömungsverhältnisse durch Aufsteilung der Böschungen ohne Verbreiterung des<br />
Deichlagers erfolgen.<br />
4.2 Bauwerke<br />
Falls die Deichmaterialien oder die Konstruktion keine ausreichend steilen<br />
Böschungsneigungen zulassen, können Stützbauwerke an den Böschungsfüßen<br />
angebracht werden (Abb. 2). Die zuverlässige Entwässerung dieser Mauern oder Wände<br />
ist zu gewährleisten.<br />
Deichbestand<br />
1<br />
2,6<br />
ΔH<br />
2,6<br />
Kronenweg / DVW<br />
> 3,0 m<br />
1<br />
1 2,6<br />
Altdeich<br />
Altes / neues Deichlager<br />
3<br />
1<br />
Drän<br />
Stützmauer<br />
Entwässerungsrohr<br />
Abb. 2: Aufhöhung des Deiches durch Einbau einer landseitigen Stützwand ohne<br />
Verbreiterung des Deichlagers<br />
In Bereichen mit beengten Platzverhältnissen können auch Mauern oder mit Mauern<br />
kombinierte Bauwerke zur Deichaufhöhung verwendet werden, die mit den Aspekten der<br />
Landschaftsästhetik und des Naturschutzes in Einklang gebracht werden können.<br />
Werden Spundwände als Innendichtung verwendet, können diese über die Deichkrone<br />
hinausragen und so eine Aufhöhung darstellen. Derartige Lösungen werden i. d. R.<br />
besonders behandelt und verkleidet mit z. B. Naturstein, um eine Einbindung in die<br />
Landschaft bzw. das Städtebild zu erreichen.<br />
Bei beengten Platzverhältnissen besonders in innerstädtischen Bereichen kann die<br />
notwendige Absperrhöhe durch das Aufsetzen von mobilen Elementen auf den Deich<br />
erfolgen. Es muss gewährleistet sein, dass die mobilen Elemente kraftschlüssig und dicht<br />
mit dem Deich verbunden sind. Dazu sind i. d. R. spezielle Gründungsbauwerke nötig. Die<br />
zusätzlichen Lasten muss das Deichbauwerk bei Vollstau aufnehmen können (BWK<br />
2005).<br />
4.3 Nachträglicher Einbau von Dichtungen<br />
Da Altdeiche meist keinen zonierten Aufbau besitzen, bietet es sich an, vergleichsweise<br />
durchlässige Altdeiche durch Anordnung eines Dichtungselementes zu ertüchtigen<br />
(Abb.3).
1<br />
3<br />
Dichter Untergrund<br />
Deichkörper<br />
Durchlässige Untergrundschicht<br />
Kronenweg<br />
Vohburg an der Donau<br />
(WWA Ingolstadt)<br />
3<br />
1<br />
DVW<br />
Drän<br />
21<br />
Innendichtung (z. B. Spundwand, Schmalwand,<br />
Schlitzwand, Bodenvermörtelung …)<br />
Winterdeiche<br />
am Main<br />
(DWA 2005)<br />
3<br />
1<br />
Deich an der „Kleinen Donau“<br />
(WWA Ingolstadt)<br />
Abb. 3: Nachträglich eingebaute vollkommene Innendichtung (Verfahrensbeispiele)<br />
Niederaltaich<br />
an der Donau<br />
(TUM)<br />
Die Notwendigkeit einer Dichtung kann in der Begrenzung der Sickeroberfläche im Deich,<br />
der Reduktion der austretenden Wassermenge, der Verhinderung von hydrodynamischer<br />
Bodendeformation oder in der Forderung einer statischen wirksamen Wand begründet<br />
liegen. Neben der Verwendung von herkömmlichen Innendichtungen wie z. B. Schmal-<br />
und Spundwand haben sich in den letzten Jahren die Verfahren der Bodenvermörtelung<br />
als geeignet und kostengünstig erwiesen. Durch das Einstellen von Stahlträgern kann<br />
auch bei der Bodenvermörtelung eine statische Tragwirkung der Wand erzeugt werden<br />
(Abb. 3 und DWA 2005).<br />
Wenn ausreichend geeignetes Schüttmaterial in der Nähe verfügbar ist, können auf der<br />
wasserseitigen Böschung eines bestehenden Deiches mineralische<br />
Oberflächendichtungen angebracht werden. Dazu ist der Oberboden mit<br />
Vegetationsdecke abzutragen und der vorhandene Deichkörper ggf. abzutreppen. Die<br />
Verdichtung der Dichtungen parallel zur Böschung in Querschnittrichtung verhindert<br />
unerwünschte horizontale Arbeitsfugen, die ggf. Sickerwegigkeiten darstellen können. Ist<br />
eine bindige Deckschicht vorhanden, kann eine Anbindung der natürlichen<br />
Oberflächendichtung mittels eines Dichtungssporns als Gesamtabdichtung ausreichend<br />
sein.<br />
Steht nicht genug geeignetes bindiges Dichtungsmaterial zur Verfügung oder sprechen<br />
finanzielle, baubetriebliche oder andere Gründe dafür, können auch geosynthetische<br />
Tondichtungsbahnen (GTD) zur Anwendung kommen (DGGT EAG-GTD 2002). Eine<br />
Anbindung an eine Untergrunddichtung kann über eine Tonplombe oder durch<br />
Überlappung erfolgen.<br />
4.4 Anwendung von Geokunststoffen<br />
In Deichen und bei der Deichertüchtigung können Geotextilien nach SAATHOFF u.<br />
WERTH (2003) als Schutz vor Erosionsprozessen im Deich und an der Deichoberfläche<br />
und zur Erhöhung der statischen Tragfähigkeit von Deichbereichen und/oder des
Untergrundes besonders an den Böschungen und unter Fahr- bzw.<br />
Deichverteidigungswegen (Abb. 4) zur Anwendung kommen.<br />
1<br />
1<br />
3<br />
Deichbestand<br />
ggf. Deckschicht<br />
Bewehren (z. B. Geogitter)<br />
2 Filtern / Dränen (z. B. Vlies)<br />
22<br />
Kronenweg<br />
> 3,0 m<br />
Altdeich<br />
Weicher Untergrund<br />
Altes Deichlager<br />
Neues Deichlager<br />
2,2<br />
1<br />
DVW<br />
> 3,0 m<br />
3 Vegetationshilfe / Schutz (z. B. Maschenware)<br />
4 Trennen / Filtern bei Deckwerken (z. B. Vlies)<br />
Abb. 4: Anwendungsbereiche von Geokunststoffen bei der Deichertüchtigung<br />
Zur Erhöhung der Tragfähigkeit von weichen Untergrundschichten können besonders im<br />
Bereich des Deichverteidigungsweges Bewehrungen z. B. mittels Geogitter vorgesehen<br />
werden. Zur Sicherstellung der Erosionsbeständigkeit von unterschiedlichen<br />
Deichmaterialien wie z. B. zwischen Altdeich und durchlässigen Anschüttungen können<br />
Vliese und Gewebe verwendet werden. Maschenware (Drahtgeflecht, Krallmatten) kann<br />
zur Erhöhung des Oberflächenerosionsschutzes und als Vegetationshilfe an den<br />
Böschungen Anwendung finden. Als Dichtung ist die geosynthetische Tondichtungsbahn<br />
(GTD) beim Deichbau gebräuchlich.<br />
4.5 Weitere Maßnahmen der Bodenverbesserung / Baugrundverbesserung<br />
Mittels Wasserentzug, Verdichtung, Austausch, Einmischen von Boden und Bindemittel<br />
sowie Bewehrung können Eigenschaften des Deiches und des Untergrundes verbessert<br />
werden. Dadurch können das Verformungs- / Setzungsverhalten, die Durchlässigkeit und<br />
die Scherparameter den Anforderungen entsprechend angepasst werden.<br />
Als Methoden zur Verbesserung der Tragfähigkeit oder zur Verringerung von Setzungen<br />
kommen z. B. in Frage:<br />
• Vorbelastung des Untergrundes über die Böschungsfüße hinaus und<br />
erforderlichenfalls noch zusätzlich eine Überbelastung durch vorübergehende<br />
Höherschüttung des Deiches (Vorbelastung und Konsolidation).<br />
• Nachträgliche Verdichtung des Deichkörpers und/oder des Untergrundes<br />
(Dynamische Tiefenverdichtung, Rüttelstopfverdichtung, u. v. m.).<br />
• Beschleunigung der Konsolidierung des Untergrundes und Erhöhung der<br />
Scherfestigkeit mittels Vertikaldränung (Tiefdränagen).<br />
• Einrütteln eines Steingerüstes in weichen Untergrund (Einmischen).<br />
3<br />
1
23<br />
• Einbau von zugfesten und verrottungsbeständigen Einlagen, wie z. B. Geotextilien,<br />
zur Verminderung der Scherbeanspruchung (Bewehrung).<br />
• Auskofferung des nicht tragfähigen Bodens und teilweiser oder vollständiger<br />
Ersatz durch Boden größerer Scherfestigkeit und geringerer<br />
Zusammendrückbarkeit (Bodenaustausch).<br />
4.6 Sicherung von Deichoberflächen und Überlaufstrecken<br />
„Der wirtschaftlichste und natürlichste Schutz für den Deichkörper ist eine stark<br />
verwurzelte und geschlossene Grasnarbe.“ (DIN 19712/1997) In Bereichen mit hohen<br />
Fließgeschwindigkeiten am Deich und ggf. hoher Wellenbelastung, besonders bei<br />
Schardeichen, kann es notwendig sein, die Deichoberfläche nachträglich flächenhaft<br />
gegen Oberflächenerosion, z. B. mittels einer Steinschüttung, zu sichern.<br />
Fertigrasen, organische Matten und Gewebe und andere organische Bauweisen sowie<br />
Geotextilien können die Deichböschungen sofort langfristig oder nur temporär direkt im<br />
Anschluss an bauliche Maßnahmen sichern. Entsprechendes gilt für die landseitige<br />
Böschung. Dort ist eine Sofortsicherung nach baulichen Maßnahmen i. allg. nicht<br />
notwendig.<br />
Zulässige Schubspannungen und Fließgeschwindigkeiten für unterschiedliche<br />
Böschungssicherungen und –beschaffenheiten sind in Tab. 2 angegeben (vgl. auch<br />
DVWK 118/1997).<br />
Tab. 2: Aufnehmbare Schubspannungen und Fließgeschwindigkeiten von Ufer- /<br />
Böschungssicherungsmaßnahmen (aus HASELSTEINER u. STROBL 2005)<br />
max. Schubspannung<br />
A)<br />
Ufersicherung [N/m²] 1<br />
max.<br />
Geschwindigkeit<br />
B)<br />
max.<br />
Geschwindigkeit<br />
C)<br />
max. Schubspannung<br />
C)<br />
Ufersicherung [m/s] Ufersicherung [m/s] [N/m²] 1<br />
Rasen 30 Gras 1,8<br />
Schotterrasen /<br />
Rasen<br />
< 1,5 < 30<br />
Pflanzung > 30 Schotterrasen 3,7 Totfaschinen 2,5 - 3 60 - 70<br />
gesicherte<br />
Pflanzung<br />
120<br />
Faschinenwalzen<br />
3,5<br />
Faschinenwalzen<br />
3 - 3,5 100 - 150<br />
WeidenWeiden-<br />
Buschmatratze 300 stecklinge 3,5 stecklinge 3 - 3,5 100 - 150<br />
mit Steinwurf<br />
mit Steinwurf<br />
Verpflockte<br />
Steinberollung<br />
250<br />
Steinwurf<br />
mit Rauhpack<br />
4,0<br />
großer<br />
Steinwurf<br />
> 3,5 > 150<br />
Lebender<br />
Steinsatz<br />
> 350<br />
1<br />
nach mehreren Vegetationsperioden<br />
A)<br />
BEGEMANN u. SCHIECHTL (1986)<br />
B)<br />
LFU BW (1991)<br />
C)<br />
HAMMANN DE SALAZAR et al. (1994)<br />
Überlaufstrecken sind „sorgfältig zu planen, auszuführen und zu unterhalten. ... Bei<br />
geringer Belastung genügt ein Abflachen der landseitigen Böschung auf 1:10 bis 1:20 mit<br />
gesichertem Böschungsfuß.“ (DIN 19712/1997)<br />
Folgende Maßnahmen können zur Sicherung von Böschungen an Überlaufstrecken<br />
herangezogen werden:<br />
• Abflachen der Böschungen (z. B. auf 1:15)
24<br />
• Naturnahe Sicherungsbauweisen (z. B. Lebender Steinsatz)<br />
• Verwendung von Geokunststoffen (z. B. Bewehrung mit Geogitter oder<br />
Maschenware)<br />
• Bodenverfestigung (z. B. mit Kalk und Zement)<br />
• Gebundene, dränfähige Baustoffe (z. B. Dränasphalt, - beton, Mastix-Schotter)<br />
• Deckwerke (z. B. Steinwurf oder Steinsatz)<br />
• Besondere Konstruktionslösungen / Kombinationen (z. B. mit Geogitter<br />
ummantelte Steinpackungen)<br />
Neben dem Schutz der Böschung sind vor allem die Krone und der landseitige Deichfuß<br />
gegen die hydrodynamischen Kräfte zu schützen (LFU BW 2004).<br />
4.7 Bauweisen für die Sicherung des Deiches bei Gehölzen<br />
Im Falle des Vorhandenseins von Gehölzen auf Deichen ist die Bauwerkssicherheit durch<br />
entsprechende<br />
sicherzustellen.<br />
bauliche Maßnahmen und/oder Unterhaltungsmaßnahmen<br />
Bei Duldung von Gehölzen innerhalb des zulässigen Bereiches können zusätzliche<br />
Maßnahmen entfallen, wenn sichergestellt wird, dass einerseits ein möglicher Windwurf<br />
und anderseits die Durchwurzelung den Deich in seiner Funktion nicht beeinträchtigen. In<br />
DIN 19712/1997 und DVWK 226/1993 ist die Zulässigkeit von Gehölz auf Deichen<br />
eindeutig geregelt (vgl. HASELSTEINER U. STROBL 2004). Durch die Auswahl der<br />
Gehölze und den Einsatz von bautechnischen Sicherungsmaßnahmen können Gehölze<br />
auch regelkonform auf Deichen platziert werden (HASELSTEINER U. STROBL 2005,<br />
2006).<br />
In jüngster Zeit werden in der Praxis für die Gehölzsicherung verstärkt statisch wirksame<br />
Dichtungen eingesetzt. Statisch wirksame Dichtungen können Stahlspundwände und<br />
bewehrte Dichtungen aus hydraulisch gebundenen Bindemitteln sein (Schlitzwand,<br />
Bohrpfahlwand, Bodenvermörtelung). Die Schmalwand kann keine Kräfte abtragen. Die<br />
Durchwurzelungssicherheit der Dichtungen muss ggf. nachgewiesen werden<br />
(HASELSTEINER U. STROBL 2006).<br />
5 Planung und Ausführung<br />
5.1 Ertüchtigungsdringlichkeit<br />
Aufgrund begrenzter Finanzmittel sollte sich die zeitliche Abfolge zur Durchführung von<br />
Ertüchtigungsmaßnahmen nach zuvor festgelegten Kriterien richten. Bei der Festlegung<br />
dringlicher Maßnahmen sind insbesondere Gesichtspunkte und Kriterien, wie die<br />
vorhandenen Defizite der Deichstrecke sowie des Hinterlandes und das<br />
Gefährdungspotential, zu berücksichtigen.<br />
Eine Einteilung der Ertüchtigungsdringlichkeit in Kategorien deckt sich i. d. R. mit der<br />
zeitlichen Notwendigkeit von Ertüchtigungsmaßnahmen mit sofortigem, mittel- oder<br />
langfristigem Handlungsbedarf. Bei sofortigem Handlungsbedarf können
Sofortsicherungsmaßnahmen, Vorwegmaßnahmen und Teilertüchtigungsmaßnahmen die<br />
Standsicherheit zeitnah herstellen.<br />
25<br />
Eine projektbezogene und regionale Anpassung der Kriterien ist i. d. R. notwendig, um mit<br />
den zur Verfügung stehenden Mittel innerhalb des damit umrissenen zeitlichen Horizonts<br />
das Schadensrisiko zu minimieren.<br />
In den Bundesländern werden die Erhebung der Deiche, die Bewertung und die<br />
Festlegung des Ertüchtigungsbedarfes und -reihenfolge nach ähnlichen Kriterien geplant<br />
und durchgeführt (vgl. z. B. SCHNEIDER ET AL. 1997).<br />
5.2 „Regelprofile“ als Orientierungshilfe<br />
Die Angabe von Regelprofilen ist bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> nur abschnittsweise<br />
möglich. Ein „Regelprofil“ bzw. „Idealprofil“ als Orientierungshilfe für Gewässer zu<br />
entwickeln, ist hilfreich. Im Einzelfall wird jedoch eine den Anforderungen entsprechende<br />
Lösung, sprich eine angepasste Form des „Idealprofils“, umgesetzt werden.<br />
So entwickelten die Behörden der Wasserwirtschaft nach dem Donauhochwasser 1988<br />
aufgrund der Erfahrung eines dreiwöchigen Einstaus ein solches „Regelprofil“ für Deiche<br />
an der Donau für den Zwischenausbau (!) im Rahmen eines Sofortprogramms (Abb. 5 aus<br />
WEISS 1997).<br />
Abb. 5: „Regelprofil“ für Sofortmaßnahmen an Donaudeichen (Zwischenausbau) im<br />
Bereich des Wasserwirtschaftsamtes Deggendorf (aus WEISS 1997)<br />
Bundesweit sind für die großen Gewässer wie z. B. dem Rhein ebenfalls derartige Profile<br />
entwickelt worden (vgl. KAST U. BRAUNS 2003).<br />
5.3 Ablauf von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärer<br />
Zusammenarbeit zwischen Behörden, Planern, Beratern und ausführenden Unternehmen<br />
und umfangreiche Kenntnisse in Erdbau und Spezialtiefbau sowie in Wasserwirtschaft<br />
und Umwelttechnik.<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> sind nicht nur eine technische Problemstellung sondern<br />
Gegenstand des öffentlichen Interesses sowie der staatlichen Fürsorge. Sobald mehrere<br />
Interessen von einem Vorhaben berührt werden, kommt es unweigerlich zum<br />
Interessenskonflikt. Dieser Interessenkonflikt kann bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> zu<br />
Verzögerungen, Neuplanungen und somit zur Erhöhung der Kosten führen. Bereits bei
26<br />
den ersten Planungs- und Entscheidungsschritten spielt deshalb die Öffentlichkeitsarbeit<br />
auch begleitend zu den einzelnen Rechtsverfahren eine wesentliche Rolle. Sie kann dabei<br />
helfen, Interessen sobald als möglich zu berücksichtigen, Interessenskonflikte zu<br />
erkennen und zu beseitigen (vgl. RASP 2003).<br />
Die technischen Arbeiten im Zuge von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> beschränken sich<br />
nicht nur auf die direkt mit der Planung und Ausführung der Maßnahme verbundenen<br />
Tätigkeiten, sondern erstrecken sich von der Instandhaltung des Deichbauwerks bis hin<br />
zur Feststellung des Ertüchtigungsbedarfes und der Festlegung der<br />
Ertüchtigungsdringlichkeit. Neben den rein technischen Gesichtspunkten der Planung, die<br />
direkt mit der Bauwerkssicherheit und der konstruktiven Gestaltung verbunden sind, ist es<br />
ratsam, so früh als möglich die Öffentlichkeit, betroffene Bürger, Körperschaften und<br />
Verbände zu informieren, um schon bei den ersten Planungsschritten einen möglichst<br />
weit reichenden Interessensausgleich im Auge haben zu können (vgl. Abb. 6).<br />
1.<br />
Schritt<br />
2.<br />
Schritt<br />
3.<br />
Schritt<br />
4.<br />
Schritt<br />
5.<br />
Schritt<br />
6.<br />
Schritt<br />
7.<br />
Schritt<br />
8.<br />
Schritt<br />
9.<br />
Schritt<br />
Feststellen des<br />
Ertüchtigungsbedarfes<br />
Festlegen der<br />
Ertüchtigungspriorität<br />
Festlegung der technisch<br />
notwend. Maßnahmen 1)<br />
Variantenstudium 2)<br />
Lösungsmöglichkeiten<br />
Ertüchtigungskonzept<br />
(ggf. mehrere Varianten)<br />
Bauentwurf /<br />
Genehmigungsplanung 3)<br />
Ausführungsplanung<br />
Ausführung, Bau,<br />
Überwachung<br />
Ablauf von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />
Beschreibung Bemerkung Hinweise<br />
Unterhalt, regelmäßige<br />
Überprüfung<br />
Vergleich<br />
Ist-Zustand mit Soll-Zustand<br />
Berücksichtigung von Risiko …<br />
Entwicklung von<br />
„Regelquerschnitten“<br />
Festlegen, ob Unterhalt oder<br />
Ausbau<br />
Bauzeitplan / Konzept<br />
Festlegen der durchzuführenden<br />
Maßnahmen<br />
Ausarbeitung der Planung für<br />
Ausführung<br />
Bauleitung,<br />
Qualitätsmanagement<br />
Instandhaltung des<br />
Hochwasserschutzbauwerks<br />
Überwachung und<br />
Unterhalt durch<br />
Technische<br />
Gewässeraufsicht<br />
(TGA)<br />
Technische<br />
Vorplanung<br />
Ggf. Raumordnungsverfahren<br />
(ROV) in<br />
Rücksprache mit<br />
Bezirksregierung<br />
Ggf. Planfeststellungsverfahren<br />
(PFV) und/oder<br />
Finanzierungsgenehmigung<br />
durch<br />
Behörde<br />
Ausschreibung und<br />
Vergabe<br />
Bauleitung<br />
Abnahme<br />
Überw. und Unterhalt<br />
durch TGA<br />
1) Neben den rein technischen Gesichtspunkten sollten so früh als möglich alle anderen Zwangpunkte aus den<br />
Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Ggf. können frühzeitige Konzepte zur Berücksichtigung des Naturhaushalts<br />
(landschaftspflegerischer Begleitplan) die Akzeptanz der Maßnahme erhöhen.<br />
2) Ggf. kann auch bei nicht genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen ein landschaftspflegerischer<br />
Begleitplan erstellt werden, in dem Auswirkungen und Ausgleich- bzw. Ersatzmaßnahmen ermittelt werden.<br />
3) Falls es sich um keinen Ausbau nach WHG handelt, ist keine Genehmigungsplanung inklusive<br />
Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig.<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Allg. Informationen<br />
(Schautafeln, Hochwassermarken,<br />
Beschilderung …)<br />
Aufklärung über techn.<br />
Maßnahmen und deren<br />
Auswirkungen<br />
Abschluss des<br />
Genehmigungsverfahren<br />
Aufwand<br />
Einbindung in<br />
LPfBP / UVP<br />
innerhalb von<br />
ROV und PFV<br />
(Runde Tische, öffentliche<br />
Informationsveranstaltungen,<br />
persönliche Gespräche …)<br />
Abb. 6: Ablauf von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> mit Hinweisen zu den öffentlichrechtlichen<br />
Verfahren<br />
Literatur<br />
Beginn der<br />
techn. Planung<br />
Transparenz<br />
Ende der<br />
Baumaßnahme<br />
Informationen über Ergebnis<br />
(Schautafeln, Beschilderung …)<br />
BEGEMANN, W.; SCHIECHTL, H. (1986): Ingenieurbiologie – Handbuch zum naturnahen<br />
Wasser- und Erdbau. Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin, 1986
27<br />
BWK (2005): Mobile Hochwasserschutzsysteme – Grundlagen für Planung und Einsatz.<br />
Merkblatt, Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau<br />
(BWK)<br />
DGGT EAG-GTD (2002): Empfehlungen zur Anwendung geosynthetischer<br />
Tondichtungsbahnen (EAG-GTD). Deutsche Gesellschaft für Geotechnik (DGGT), Ernst &<br />
Sohn Verlag, Berlin<br />
DIN 19712 (1997): Flussdeiche. Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN)<br />
DVWK 118 (1997): Maßnahmen zur naturnahen Gewässerstabilisierung. DVWK-Schrift,<br />
Heft 118, Kommissionsvertrieb Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser<br />
mbH, Bonn 1997<br />
DVWK 226 (1993): Landschaftsökologische Gesichtspunkte bei Flussdeichen. Merkblätter<br />
zur Wasserwirtschaft, Heft 226, Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau,<br />
Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin<br />
DVWK 247 (1997): Bisam, Biber, Nutria – Erkennungsmerkmale und Lebensweisen –<br />
Gestaltung und Sicherung gefährdeter Ufer, Deiche und Dämme. Merkblätter zur<br />
Wasserwirtschaft, Heft 247, Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau,<br />
Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin<br />
DWA (2005): Dichtungssysteme in Deichen. DWA-Themen, Deutsche Vereinigung für<br />
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef<br />
HAMANN DE SALAZAR, K.; DITTRICH, A.; DU, C. (1994): Bewertung der naturnahen<br />
Bauweisen an der Enz nach dem Hochwasser vom Dez. 1993. Bericht des Instituts für<br />
Wasserbau und Kulturtechnik, Universität Karlsruhe, 1994<br />
HASELSTEINER, R; STROBL, TH. (2004): Zum Einfluss von Bewuchs und Hohlräumen<br />
auf die Durchsickerung von Deichbauten; Lebensraum Fluss - Hochwasserschutz,<br />
Wasserkraft, Ökologie; Beiträge zum Symposium vom 16. - 19. Juni 2004 in Wallgau<br />
(Oberbayern); Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft, Berichtsheft Nr. 101; Band 2, S. 92 - 100<br />
HASELSTEINER, R.; STROBL, TH. (2005): Deichsanierung. Forschungs- und<br />
Entwicklungsvorhaben, Endbericht, im Auftrag vom Bayerischen Landesamt für<br />
Wasserwirtschaft (LfW), Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft, Technische Universität München (Erhältlich beim Bayerischen<br />
Landesamt für Umwelt: http://www.bayern.de/lfu)<br />
HASELSTEINER, R; STROBL, TH. (2006): Deichertüchtigung unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Gehölzbewuchses. Sicherung von Dämmen, Deichen und<br />
Stauanlagen. Handbuch für Theorie und Praxis. Hrsg. Hermann und Jensen,<br />
Universitätsverlag Siegen – universi, Siegen<br />
KAST, K.; u. BRAUNS, J. (2003): Auswirkungen des Bergbaus auf die<br />
Hochwasserschutzanlagen am Niederrhein. Hochwasserschutz und<br />
Katastrophenmanagement, Ernst & Sohn Special 02/03, S. 34 – 40
28<br />
LFU BW (1991): Bauweisen des naturnahen Wasserbaus - Umgestaltung der Enz in<br />
Pforzheim, Handbuch Wasser, 2. Band, Karlsruhe<br />
LFU BW (2004): Überströmbare Dämme und Dammscharten. Landesanstalt für<br />
Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU BW), 1. Auflage, Karlsruhe<br />
LFW BY (1990): Gehölze auf Deichen. Dokumentation von Baumwurzelaufgrabungen und<br />
Windwurf von Gehölzen. 5/89 Informationsberichte. Bayerisches Landesamt für<br />
Wasserwirtschaft, München<br />
LFW BY (2003): Hinweise zur Deichverteidigung und Deichsicherung. Bayerisches<br />
Landesamt für Wasserwirtschaft, München<br />
RASP, F. (2003): Die Deichsanierung in der Praxis. Landesverbandstagung des ATV-<br />
DVWK Landesverbandes Bayern, Fürth, 22./23. Oktober 2003<br />
SCHNEIDER, H.; SCHULER, U.; KAST, K.; BRAUNS, J. (1997): Bewertung der<br />
geotechnischen Sicherheit von Hochwasserschutzdeichen und Grundlagen zur<br />
Beurteilung von Sanierungsmaßnahmen. Abteilung Erddammbau und Deponiebau,<br />
Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik, Universität Karlsruhe, Heft 7, Karlsruhe<br />
STMLU BY (2002): Hochwasserschutz in Bayern – Aktionsprogramm 2020. Daten +<br />
Fakten + Ziele, Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen<br />
(StMLU), München<br />
WEISS, H. (1997): Projektierung von Dämmen und Deichen – Deiche und Dämme für<br />
Stauhaltungen. Lehrgangsunterlagen, Technische Akademie Esslingen,<br />
Weiterbildungszentrum<br />
WHG (1996): Wasserhaushaltsgesetz. Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes.<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />
Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
Technische Universität München<br />
Arcisstraße 21<br />
80290 München<br />
r.haselsteiner@bv.tum.de
29<br />
Bemessung von Deichen – Lastfälle, geotechnische<br />
Fragestellungen<br />
Kurzfassung<br />
Herbert Weiß<br />
Bei der „Bemessung“ werden die Abmessungen des Bauwerks ermittelt. Dabei sind eine<br />
Reihe von Faktoren und Randbedingungen zu berücksichtigen. Nach der Bayerischen<br />
Bauordnung müssen alle baulichen Anlagen so errichtet und unterhalten werden, dass die<br />
öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet ist. Werden die allgemein anerkannten<br />
Regeln der Technik beachtet, gelten diese bauaufsichtlichen Anforderungen als<br />
eingehalten. Die einschlägigen Normen DIN 19712 und vor allem die als eingeführte<br />
Technische Baubestimmung zu beachtende DIN 1054 sind deshalb für die Bemessung<br />
von Bedeutung. Dabei wiederum die als Forderung enthaltenen Gebote. Ein wesentlicher<br />
Aspekt der Sicherheit sind die im Sicherheitsnachweis zu untersuchenden Lastfälle. Mit<br />
dem in DIN 1054 enthaltenen Konzept der Teilsicherheiten ergibt sich gegenüber der<br />
bisherigen Betrachtensweise mit globalen Sicherheiten eine Änderung. Neben den aus<br />
diesem Sachverhalt resultierenden grundsätzlich bei der Bemessung wichtigen<br />
Bestimmungen werden die geotechnischen Gesichtspunkte dargestellt.<br />
1 Grundsätzliche Gesichtspunkte und rechtliche Anforderungen<br />
Der Begriff „Bemessung“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Ermittlung der<br />
Abmessungen verstanden. Die Bemessung eines Deiches wird von folgenden Faktoren<br />
bestimmt:<br />
dem erforderlichen Schutzgrad (⇒ Bemessungshochwasser BHQ ⇒<br />
Bemessungshochwasserstand HWB ⇒ ergibt mit dem Freibord die<br />
Deichhöhe)<br />
den vorhandenen Untergrundverhältnissen<br />
den Sicherheitsanforderungen an ein solches Bauwerk<br />
der Wirtschaftlichkeit der Bauweise und Baustoffe<br />
gestalterischen Anforderungen<br />
ökologischen Anforderungen<br />
In der Empfehlung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) „Instrumente und<br />
Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Leitlinien für einen zukunftsweisenden<br />
Hochwasserschutz“ [1] werden bei den Grundsätzen zur Bemessung von<br />
Hochwasserschutzanlagen als zusammenfassende Handlungsempfehlungen im Hinblick<br />
auf den Schutzgrad in Abhängigkeit von den Randbedingungen des Einzelfalles<br />
folgende Punkte genannt:
30<br />
Grundlage muss eine Risikopartnerschaft von zuständiger Verwaltung<br />
und Betroffenen sein, verbunden mit einem Existenzschutz z.B. durch<br />
eine Versicherung<br />
Er sollte sich orientieren an den Hochwasserschadenspotentialen und<br />
der gefährdeten Bevölkerung.* )<br />
Als Anmerkung * ) wird dann in einer Fußnote angeführt, dass ein geringeres<br />
Bemessungshochwasser als HQ100 im Rahmen einer Risikopartnerschaft auf erhebliche<br />
rechtliche Bedenken der bayerischen Vertreter stößt, da in Bayern durch mehrere<br />
Gerichtsurteile bestätigt wurde, dass die notwendige Sicherheit der Wohn- und<br />
Arbeitsbevölkerung vor Hochwassergefahr (eine Forderung aus dem Baugesetzbuch) erst<br />
bei einem Schutz gegenüber einem 100-jährlichen Hochwasser erreicht wird.<br />
Zu Deichsystemen wird in dem LAWA-Papier die Auffassung vertreten, dass wie das<br />
Elbehochwasser gezeigt hat, die Anwendung der DIN 19712 [2] zwingend erforderlich ist.<br />
Wird das Bemessungshochwasser so weit überschritten, dass die Deiche überströmt<br />
werden, kommt es zum Deichversagen. Zur Verhinderung von Deichbrüchen infolge<br />
Überströmung und zur Minderung des Risikos sollten eingedeichte Flussstrecken mit<br />
definierten und baulich gesicherten Entlastungsmöglichkeiten ausgestattet werden, indem<br />
beispielsweise in weniger intensiv genutzten Bereichen befestigte Deichüberlaufstrecken<br />
oder Siele angeordnet werden.<br />
Handlungsempfehlung:<br />
Unterhaltung und Ertüchtigung der Deiche im Binnenland nach<br />
DIN 19 712, Schaffung von kontrollierten Entlastungsmöglichkeiten:<br />
Kontrollierte Entlastungsmöglichkeiten von Deichsystemen bei<br />
Überschreitung des Bemessungsabflusses können das<br />
Schadensrisiko vermindern.<br />
Hierzu ist in großen Fluss-Systemen ein länderübergreifendes<br />
abgestimmtes Vorgehen erforderlich.<br />
Die Durchsickerung der Deiche durch Wühltierbefall und Bewuchs muss<br />
verhindert werden.<br />
Ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt sind die rechtlichen Vorgaben, die sich ganz<br />
allgemein für alle Bauwerke aus der Bayerischen Bauordnung (BayBO) ergeben.
Art. 1 Anwendungsbereich. (1) 1 Dieses Gesetz gilt für alle baulichen Anlagen ...<br />
31<br />
Art. 3 Allgemeine Anforderungen. (1) 1 Bauliche Anlagen ... sowie ihre Teile sind so<br />
anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instandzuhalten, dass die öffentliche Sicherheit und<br />
Ordnung, insbesondere Leben oder Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht<br />
gefährdet werden. 2 Sie müssen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung die allgemeinen<br />
Anforderungen des Satzes 1 ihrem Zweck entsprechend angemessen dauerhaft erfüllen ...<br />
(2) 1 Die ...durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen<br />
eingeführten technischen Regeln sind zu beachten. ...... 4 Werden die allgemein<br />
anerkannten Regeln der Technik und Baukunst beachtet, gelten die entsprechenden<br />
bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes<br />
geltenden Vorschriften als eingehalten.<br />
Der Art. 3 der BayBO stellt damit ein wichtiges Bindeglied zwischen Recht und Technik<br />
dar. Die Bauordnungen der einzelnen Bundesländer basieren auf einer<br />
Musterbauordnung, womit eine im Grundsatz einheitliche Rechtslage gegeben ist.<br />
Der Ausdruck „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ ist juristisch ein unbestimmter<br />
Rechtsbegriff, der genau genommen nur im jeweiligen Einzelfall an Hand einer<br />
juristischen Überprüfung definiert werden könnte. Ganz allgemein billigt die<br />
Rechtssprechung einer DIN-Norm und ähnlichen Regelwerken die widerlegbare<br />
Vermutung zu, die allgemein anerkannten Regeln der Technik auf dem jeweiligen<br />
Fachgebiet wiederzugeben.<br />
2 Bedeutung der DIN 19712 Flussdeiche für die Bemessung<br />
Da nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), § 31 Ausbau, Deich und Dammbauten, die<br />
den Hochwasserabfluss beeinflussen, dem Gewässerausbau gleich stehen, ist bei der<br />
Herstellung oder wesentlichen Umgestaltung von Deichen ein wasserrechtliches<br />
Genehmigungsverfahren erforderlich. In einem solchen Genehmigungsverfahren haben<br />
die jeweiligen DIN-Normen, bei Deichen die DIN 19712 und in Teilbereichen, die nicht<br />
durch die DIN behandelt werden auch das DVWK-Merkblatt 210/1986 Flussdeiche die<br />
Funktion, dass bei ihrer Anwendung wie in Art. 3, Abs. 2 der BayBO ausgeführt der<br />
Rückschluss gilt, dass damit die bauaufsichtlichen Anforderungen im Hinblick auf die<br />
öffentliche Sicherheit und Ordnung als eingehalten gelten können. Ein entsprechender<br />
Nachweis auf andere Art ist schwieriger, da es dafür keine Vorgehensmuster gibt und er<br />
von den am Verfahren beteiligten Planern und dem amtlichen Sachverständigen neben<br />
der Bereitschaft dafür auch ein großes Fachwissen erfordert.<br />
Von ihrer Natur her sind DIN-Normen allerdings nur Empfehlungen, die einen<br />
Ermessensspielraum enthalten und von denen Abweichungen zulässig sind, soweit<br />
dadurch Sicherheitsbelange nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Durch modale<br />
Hilfsverben (DIN 820-2 über die Anwendungsregeln für modale Hilfsverben) wird<br />
festgelegt, ob es sich um eine ungedingte Forderung oder nur um eine Empfehlung oder<br />
Möglichkeit handelt.
Anforderungen<br />
Die Ausdrücke werden<br />
benutzt, um Anforderungen<br />
zu geben, die streng<br />
beachtet werden müssen<br />
um die Norm einzuhalten<br />
Empfehlungen<br />
Ausdrücke....um<br />
anzugeben, dass unter<br />
mehreren Möglichkeiten<br />
eine als besonders<br />
angemessen empfohlen<br />
wird, ohne andere zu<br />
erwähnen oder<br />
auszuschließen<br />
32<br />
Erlaubnis<br />
Ausdrücke .. um eine im<br />
Rahmen dieser Norm<br />
zulässigen<br />
Handlungsweise<br />
anzugeben.<br />
Möglichkeit<br />
Ausdrücke ..zum Ausdruck<br />
der Möglichkeiten und der<br />
Fähigkeiten<br />
Gebot (Verbot),<br />
Fähigkeit (Aussage)<br />
unbedingte Forderung Empfehlung,Richtlinie<br />
für Auswahl<br />
Erlaubnis,freistellend Möglichkeit (Verhalten)<br />
Verb Gleichbedeutend Verb Gleichbedeutend Verb Gleichbedeutend Verb Gleichbedeutend<br />
muss ist zu .....<br />
ist erforderlich ... sollte ist in der Regel...<br />
im allgemeinen... darf ist zulässig ....<br />
.... auch .....<br />
kann es ist möglich,<br />
dass ....<br />
darf<br />
nicht<br />
ist unzulässig .... sollte<br />
nicht<br />
ist in der Regel<br />
nicht ....<br />
muss nicht .... .. läßt sich nicht ..<br />
Unter diesem Gesichtspunkt sind in DIN 19712 für die Bemessung von Deichen einige<br />
Forderungen im Sinne von Geboten enthalten. Abweichungen von diesen Forderungen<br />
sollten in jedem Fall gut begründet werden.<br />
(Um diese Unterscheidung in unbedingte Forderungen und Empfehlungen oder<br />
Möglichkeiten in den Formulierungen der DIN zu verdeutlichen, sind nachfolgend der DIN<br />
entnommene Textteile in kursiver Schrift).<br />
Bei der Deichplanung müssen die Auswirkungen, die einen über den Bemessungswert<br />
hinausgehenden Abfluss haben, bedacht werden. Das bedeutet, dass dieser Punkt in der<br />
Planung angesprochen werden muss. Als Möglichkeit zur Verminderung des Risikos<br />
eines Deichbruchs in diesem Fall wird eine Polderflutung durch die gezielte Anordnung<br />
von erosionsfesten Überlaufstrecken genannt.<br />
Die Deichhöhe ergibt sich aus dem Bemessungshochwasserstand HWB und dem<br />
Freibord. Der Freibord setzt sich aus Windstau, Wellenauflaufhöhe und gegebenenfalls<br />
Zuschlägen zusammen. Zuschläge sind aus praktischen Gründen erforderlich. Die<br />
Deichkrone muss auch im Hinblick auf Ausführungstoleranzen, Dichtungsanschlüsse und<br />
Wühltierbefall über dem Bemessungshochwasserstand liegen. In diesem Punkt ist die<br />
DIN nicht eindeutig. Einerseits enthält der Freibord „gegebenenfalls“ Zuschläge,<br />
andererseits „sind“ Zuschläge aus praktischen Gründen erforderlich. Klar ist allerdings,<br />
dass Zuschläge im Freibord nicht den Zweck haben, Ungenauigkeiten bei der<br />
Bestimmung des BHQ bzw. des HWB zu kompensieren.<br />
Wenn an kleinen Wasserläufen im Binnenland auf die Ermittlung von Windstau und<br />
Wellenauflauf verzichtet wird und kein ausgeprägter Wühltierbefall zu erwarten ist, sollte<br />
der Freibord nicht kleiner als 0,5 m angesetzt werden. Im Rückschluss heißt diese<br />
Aussage, dass im Normalfall Windstau und Wellenauflauf zu ermitteln sind, wobei der<br />
Windstau bei Windstreichlängen unter etwa einem Kilometer vernachlässigt werden kann.<br />
Der Mindestfreibord von 0,5 m ist mit „sollte“ als eine Empfehlung einzustufen.<br />
Noch weniger bindend, nur als Möglichkeit ist die Aussage zu sehen, dass der Freibord<br />
mit der Deichhöhe wachsen kann, um zu verhindern, dass bei Überschreiten des<br />
Bemessungshochwassers Deichstrecken gerade dort überflutet und zerstört werden, wo<br />
die Deichhöhe und die dann einbrechenden Wassermassen am größten sind. Diese
33<br />
Wortwahl „kann“ ist unter dem Gesichtspunkt verständlich, dass bei den Rechenansätzen<br />
zur Ermittlung des erforderlichen Freibords die Wassertiefe vor dem Deich und damit die<br />
Deichhöhe nur einen ganz geringen Einfluss hat.<br />
Nachdem die Ermittlung der Wellenauflaufhöhe mit erheblichen Ungenauigkeiten behaftet<br />
ist, sollte sinngemäß für diesen Teil des Freibords ein Zuschlag angenommen werden.<br />
In Abschnitt 5 Planungsgrundsätze sind als Forderungen enthalten:<br />
Die Standsicherheit ist nach Abschnitt 9 nachzuweisen.<br />
Bei Planungsbeginn müssen Baugrundaussagen über Deichvorland,<br />
Deichuntergrund und Deichhinterland vorliegen. Dazu gehören<br />
Kenntnisse über bindige Deckschichten oder gering durchlässige<br />
Bodenschichten sowie Mächtigkeit und Durchlässigkeit des<br />
Grundwasserleiters.<br />
Der Abschnitt 7 enthält Aussagen zum Deichquerschnitt. Allgemein verbindliche<br />
Regelprofile für Deiche können nicht festgelegt werden. Die Standsicherheit kann mit<br />
einem Deich aus homogenem Material erreicht werden. Allerdings kann bei<br />
Einheitsdeichen in Abhängigkeit von der Durchlässigkeit des Schüttmaterials der<br />
Sickerwasseranfall erheblich sein und die Standsicherheit der luftseitigen Böschung im<br />
Bereich des Sickerwasseraustritts, die örtliche (lokale) Standsicherheit (Ziffer 9.3), ist<br />
besonders nachzuweisen ( Ziffer 9.3 … Falls keine Auflast- bzw. Erosionsschutzfilter vor<br />
der landseitigen Böschung aufgebracht werden, ist die Standsicherheit im<br />
Hangquellenbereich besonders nachzuweisen. Analog gelten hier die Anforderungen des<br />
Nachweises der allgemeinen Standsicherheit und die DIN 4084).<br />
Als erstrebenswert wird aber ein Aufbau in drei Zonen bezeichnet, mit einer<br />
wasserseitigen Dichtungsschicht, einem durchlässigen Stützkörper und einem stärker<br />
durchlässigen Dränkörper landseitig. Um einen druckfreien Sickerwasserabfluss zwischen<br />
den einzelnen Zonen zur Luftseite hin zu gewährleisten sollte der Unterschied der<br />
Durchlässigkeitsbeiwerte mindestens zwei Zehnerpotenzen betragen. Dieser „Faustwert“<br />
ist vor allem beim Übergang zum Dränkörper wichtig. Dränungen sind so zu bemessen,<br />
dass sie den Wasserzufluss mit mindestens zweifacher Sicherheit abführen können.<br />
An Schichtgrenzen unterschiedlich durchlässiger Bodenarten muss die Filterstabilität<br />
beachtet werden. (Abschn. 7.4.2 Oberflächendichtungen … Zwischen der Dichtung und<br />
dem Stützkörper muss Filterfestigkeit gewährleistet sein. Andernfalls muss eine<br />
Filterschicht als Kornfilter oder aus Geotextil zwischengeschaltet werden.)<br />
Hierzu gibt es eine Reihe von Verfahren, wobei z. B. das älteste, das Korngrößen-<br />
Filterkriterium von Terzaghi und Peck für nichtbindige Böden ein einfaches und nach wie<br />
vor verwendbares Verfahren ist.<br />
D15 / d85 ≤ 4 (1) und D15 / d15 ≥ 4 (2)<br />
mit D = Filtererdstoff und d = Basiserdstoff, Indexzahl = %-Siebdurchgang.<br />
Die Forderung nach einem Mindestabstandsverhältnis entsprechend Gleichung (2)<br />
berücksichtigt dabei die größere Wasserdurchlässigkeit für die Dränagefunktion. Bei
Körnungsbändern ist zu beachten, dass die beiden Nachweise mit den ungünstigsten<br />
Rändern des Körnungsbandes geführt werden.<br />
34<br />
Bei bindigen Böden mit merklicher Kohäsion bzw. einer Plastizitätszahl IP ≥ 10 ist nach<br />
der DIN bei Dränungen die Einhaltung einer Filterregel nicht mehr erforderlich. Das<br />
Abstandsverhältnis der Körnungslinien kann dann betragen<br />
IP = 10 D50 / d50 = 90 und IP ≥ 20 D50 / d50 ≤ 150 (Zwischenwerte interpoliert)<br />
Deichwege sind zur Deichverteidigung und –unterhaltung vorzusehen. Sie müssen auch<br />
von schweren Fahrzeugen befahren werden können. Damit sind Deichwege eine<br />
unbedingte Forderung. Er sollte landseitig auf der Berme angelegt werden und nur im<br />
Ausnahmefall auf der Deichkrone.<br />
Abschnitt 9: Standsicherheit<br />
Deiche müssen für die Lastfälle nach 9.7 unter Berücksichtigung des anstehenden<br />
Untergrundes standsicher sein.<br />
Bei dem Entwurf und der Berechnung von Deichen mit und ohne Dichtung ist mit der<br />
Möglichkeit einer völligen Durchsickerung bis zur landseitigen Böschung zu rechnen.<br />
Diese Forderung ist wohl unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass bei einem Deich mit<br />
Dichtung der luftseitige Stützkörper relativ durchlässig ist und im Hochwasserfall bei<br />
hohen oder gespannten Grundwasserständen der luftseitige Stützkörper von Unten her<br />
einen Zufluss erhält und sich deshalb in kurzer Zeit ein Durchsickerung einstellen kann.<br />
Die Bemessungswerte der Einwirkungen und der Widerstände sind nach DIN V 4084-100<br />
mit den Teilsicherheitsbeiwerten der DIN V 1054-100 zu ermitteln. Für den Nachweis der<br />
Standsicherheit gilt DIN V 4084-100. (Da bei den normativen Verweisungen beide<br />
Normen undatiert aufgeführt sind, gelten die jeweils letzten Ausgaben)<br />
3 Bedeutung der DIN 1054 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd und<br />
Grundbau für die Bemessung<br />
Mit der Einführung als Technische Baubestimmung erhält diese Norm einen stärkeren<br />
rechtlichen Status, da sie entsprechend Art. 3 Abs. 2 BayBO zu beachten ist.<br />
1. Anwendungsbereich<br />
Diese Norm betrifft die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken und<br />
Bauteilen im Erd- und Grundbau. Sie gilt für deren Herstellung und Nutzung und schließt die<br />
Änderung bestehender Bauwerke ein. Sie definiert die vom Baugrund beeinflussten<br />
Grenzzustände und enthält Grundsätze und Regeln für die zugehörigen Nachweise<br />
Die Norm gilt im Wesentlichen für folgende Bauwerke und Bauteile:<br />
a) Gründungen, z.B. Flachgründungen, Pfahlgründungen<br />
……..<br />
f) Erdbauwerke, z.B. Dämme, Einschnitte<br />
In der Norm wird ausgeführt, dass der verantwortliche Entwurfsverfasser bzw. die<br />
zuständigen Fachplaner über die zur Bewältigung ihres Aufgabenbereichs erforderliche<br />
Sachkunde und Erfahrung verfügen müssen. Der Entwurfsverfasser entscheidet nach<br />
Maßgabe der fachlichen Kompetenz (für Baumaßnahmen mit mittlerem und hohem<br />
Schwierigkeitsgrad, Geotechnische Kategorien GK 2 und GK 3) und ggf. im
Einvernehmen mit dem Bauherrn über die Einschaltung eines Fachplaners für Geotechnik<br />
(Abschn. 4.1 Grundlegende Anforderungen).<br />
35<br />
Die Baumaßnahme ist zu Beginn der Planung in eine Geotechnische Kategorie (GK)<br />
einzuordnen (Definition der GK in DIN 4020, wobei Deiche mit Wasserdrücken Δ h > 2<br />
m GK 3 zugeordnet werden). Die Mindestanforderungen an Umfang und Qualität<br />
geotechnischer Untersuchungen, Berechnungen und Überwachungsmaßnahmen richten<br />
sich nach den drei Geotechnischen Kategorien. (Abschn. 12.2... Folgende Merkmale<br />
erfordern in der Regel die Zuordnung von… Dämmen … zur Geotechnischen Kategorie<br />
GK 3:… Gefahr einer rückschreitenden Erosion; Dämme oder Bauwerke auf weichem,<br />
bindigem Baugrund; …). (DIN 19712 … Ziffer 9.7 Lastfälle und Sicherheiten… Als<br />
Erdbauwerke mit hohem geotechnischem Risiko in Bezug auf das zu schützende<br />
Hinterland sind Volldeiche in die geotechnische Kategorie GK 3 nach DIN V 1054-100<br />
einzustufen...)<br />
Zur Durchführung der in dieser Norm behandelten Sicherheitsnachweise sind<br />
geotechnische Untersuchungen erforderlich, die in einem Geotechnischen Bericht zur<br />
Baugrunduntersuchung nach DIN 4020 (geotechnischer Untersuchungsbericht)<br />
darzustellen sind und Aussagen (Aufzählung) … enthalten müssen (Abschn. 5.1.1).<br />
Art und Umfang der geotechnischen Untersuchungen richten sich nach der Art des<br />
Bauwerks, den in Betracht kommenden Bauverfahren und den Baugrundverhältnissen.<br />
Einzelheiten hierzu sind in DIN 4020 geregelt. Da die Untersuchungsergebnisse zunächst<br />
nur vermutet werden können, ist eine Anpassung der Untersuchungen an den jeweils<br />
erreichten Kenntnis- und Planungsstand unabdingbar.<br />
Die für die Nachweise erforderlichen charakteristischen Werte von Bodenkenngrößen<br />
(Abschnitt 5.3) sind im Grundsatz nach DIN 4020 auf der Grundlage von<br />
Bodenaufschlüssen nach DIN 4021, von Labor- und Feldversuchen sowie augrund<br />
weiterer Informationen für jede angetroffene Bodenart so festzulegen, dass die<br />
Ergebnisse der damit durchgeführten Berechnungen auf der sicheren Seite liegen. Ein<br />
Rückgriff auf Erfahrungswerte für charakteristische Werte von Bodenkenngrößen nach<br />
DIN 1055 wird zur Ermittlung von Einwirkungen infolge von Eigenlasten des Bodens oder<br />
von Erddruck zugelassen.<br />
Bei bindigen Böden geht durch Aufweichen infolge von Wasserzutritt die Kohäsion<br />
verloren. Im Bereich von Sickerwasseraustritten an Böschungen (z.B. Hangquellen an der<br />
luftseitigen Böschung) darf deshalb nur mit dem Reibungswinkel gerechnet werden.<br />
Nach DIN 4084 darf in nichtbindigen Böden in Abstimmung mit dem Sachverständigen für<br />
Geotechnik bei oberflächennahen Gleitlinien der Reibungswinkel erhöht werden, bis zu<br />
einer Tiefe von 1 m normal zur Böschungsoberfläche um 15 % und darunter bis 2,5 m<br />
Tiefe linear auf 0 % abnehmend.<br />
4 Der Sicherheitsnachweis nach DIN 19712 und DIN 1054 - Lastfälle<br />
Beim Sicherheitsnachweis mit Teilsicherheitsbeiwerten nach DIN 1054 wird zwischen<br />
dem Nachweis<br />
• der Tragsicherheit (Versagen des Bauwerks oder von Bauteilen) und
36<br />
• der Gebrauchstauglichkeit (Erfüllung der für die Nutzung festgelegten<br />
Bedingungen) unterschieden.<br />
Bei den Nachweisen der Tragsicherheit wiederum werden vier Fälle unterschieden<br />
• Grenzzustand des Verlustes der Lagesicherheit GZ 1A<br />
Versagen des Bauwerks durch Gleichgewichtsverlust ohne Bruch, z. B.<br />
Aufschwimmen oder hydraulischer Grundbruch. Dazu werden in den<br />
Grenzzustandsbedingungen die Bemessungswerte von günstigen und<br />
ungünstigen Einwirkungen einander gegenübergestellt. Widerstände treten im GZ<br />
1A<br />
auf<br />
z. B. Auftriebssicherheit einer Bodenschicht: Ak ⋅ γG,dst ≤ Gk,stb ⋅ γG,stb<br />
nicht<br />
Dabei ist<br />
Ak die an der Unterseite einwirkende charakteristische hydrostatische<br />
Auftriebskraft<br />
γG,dst der Teilsicherheitsbeiwert für ungünstige ständige Einwirkungen im<br />
GZ 1A nach Tab. 2<br />
Gk,stb der untere charakteristische Wert günstiger ständiger Einwirkungen<br />
(Bodengewicht)<br />
γG,stb der Teilsicherheitsbeiwert für günstige ständige Einwirkungen im<br />
GZ 1A nach Tab. 2<br />
• Grenzzustand des Versagens von Bauwerken und Bauteilen GZ 1B durch Bruch<br />
im Bauwerk oder durch Bruch des stützenden Baugrunds, z. B. Materialversagen<br />
von Bauteilen, Grundbruch, Gleiten, Versagen des Erdwiderlagers<br />
• Grenzzustand des Verlustes der Gesamtstandsicherheit GZ 1C Versagen des<br />
Baugrundes, ggf. einschließlich auf oder in ihm befindlicher Bauwerke, durch<br />
Bruch im Boden, ggf. auch zusätzlich durch Bruch in mittragenden Bauteilen, z.B.<br />
Böschungsbruch<br />
Die Norm geht bei der Bemessung von Bauwerken oder einzelner Bauteile von folgender<br />
Vorgehensweise aus:<br />
• Ermittlung der charakteristischen Werte der Einwirkungen Fk,i (Index „k“) z.B.<br />
Erddruck, Wasserdruck oder Verkehr etc.<br />
• Ermittlung der charakteristischen Beanspruchungen Ek,i in Form von<br />
Schnittgrößen, Spannungen, Momenten<br />
• Ermittlung der charakteristischen Widerstände des Baugrunds Rk,i z. B.<br />
Erdwiderstand, Gleitwiderstand etc.<br />
• Ermittlung der Bemessungswerte der Beanspruchungen Ed,i (Index „d“) durch<br />
Multiplikation von Ek,i i mit den Teilsicherheitsbeiwerten für Einwirkungen γF aus<br />
Tabelle 2 ⇒Σ Ed,i = Ek,i ⋅ γF
37<br />
• Ermittlung der Bemessungswerte der Widerstände des Baugrunds Rd,i durch<br />
Division von Rk,i mit dem Teilsicherheitsbeiwert für Widerstände γR nach Tabelle<br />
3 ⇒ Rd,i = Rk,i / γR<br />
• Nachweis der Einhaltung der Grenzzustandsbedingungen durch<br />
Gegenüberstellung der Bemessungswerte Σ Ed,i ≤ Σ Rd,i<br />
Möglich ist auch die Schreibweise<br />
(mit Σ Ed,i / Σ Rd,i = μ erhält man den Ausnutzungsgrad)<br />
Σ Ed,i / Σ Rd,i ≤ 1<br />
Beispiel:<br />
Der Nachweis der Gleitsicherheit ist dem Grenzzustand GZ 1B zugeordnet:<br />
Ed,G = Ek,G ⋅γG ≤ Rd,Gl = Rk,Gl / γGl<br />
Die charakteristischen Einwirkungen Ek,G und Widerstände Rd,Gl werden auf die gleiche<br />
Weise wie bisher berechnet und damit ist das Maß der Sicherheit die Größe der<br />
Teilsicherheitsbeiwerte ⇒ E/R = γG / (1/γGl) ⇒ im LF 2 1,20 / (1/1,10) = 1,32<br />
im LF 3 …1,00 / (1/1,10) = 1,10<br />
Das bedeutet, dass im LF 2 das gleiche Sicherheitsniveau wie bisher eingehalten ist und<br />
im LF 3 mit 1,10 eine etwas geringere Sicherheit wie früher gegeben ist.<br />
Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (GZ 2) beziehen sich im Regelfall auf<br />
einzuhaltende Verformungen bzw. Verschiebungen. Im Einzelfall können auch weitere<br />
Kriterien maßgebend sein. Bei Deichen ist darunter die Ermittlung der Setzungen<br />
einzuordnen. Die zu erwartenden Setzungen sind als Überhöhung des Deichprofils zu<br />
berücksichtigen, damit der erforderliche Freibord dadurch nicht verringert wird.<br />
In DIN 19712 sind in Abschnitt 9 Standsicherheit unter Ziffer 9.1 die zu erbringenden<br />
Nachweise aufgezählt. Wie sie den Grenzzuständen in DIN 1054 zugeordnet werden<br />
können, zeigt die nachfolgende Tabelle.
38<br />
Dabei ist die Zuordnung nicht immer eindeutig zu treffen. Da die DIN 1054 auf die Art des<br />
Nachweises abzielt – z.B. bei GZ 1A treten keine Widerstände auf – Bei der<br />
Einwirkungskombination Versagen der Dichtung oder Dränage ist im luftseitigen<br />
Stützkörper eine Sickerlinie vorhanden und der rechnerische Nachweis erfolgt über eine<br />
Böschungsbruchberechnung der Luftseite und eine Überprüfung der örtlichen<br />
Standsicherheit. Damit ist, obwohl es sich um ein Versagen eines Bauteiles handelt, die<br />
Zuordnung der Nachweisführung zu GZ 1C.<br />
DIN 19712 … Folgende Nachweise sind zu erbringen: Zuordnung zu<br />
DIN 1054<br />
- allgemeine Standsicherheit der land- und wasserseitigen<br />
GZ 1C<br />
Böschungsbereiche<br />
- örtliche Standsicherheit<br />
GZ 1C *<br />
(bei weichem, bindigem Untergrund ist der Nachweis der Spreizsicherheit<br />
des Dammfußes zu führen)<br />
)<br />
DIN 19712 … Folgende Nachweise sind zu erbringen: Zuordnung zu<br />
DIN 1054<br />
- allgemeine Standsicherheit der land- und wasserseitigen<br />
GZ 1C<br />
Böschungsbereiche<br />
- örtliche Standsicherheit<br />
GZ 1C *<br />
(bei weichem, bindigem Untergrund ist der Nachweis der Spreizsicherheit<br />
des Dammfußes zu führen)<br />
)<br />
- Standsicherheit von Böschungsdichtungen bei Wasserüberdruck GZ 1A ** )<br />
- Standsicherheit von Böschungsdichtungen bei Wasserüberdruck GZ 1A ** )<br />
- Auftriebssicherheit bzw. Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch GZ 1A<br />
- Sicherheit gegen Suffosion und Erosionsgrundbruch GZ 1A<br />
* ) Die Zuordnung ist nicht eindeutig. Der Nachweis der örtlichen Standsicherheit erfolgt in<br />
der Regel mit böschungsparallelen Gleitlinien und ist dadurch als „Böschungsbruch“<br />
anzusehen (Rechenansatz des Widerstand mit Scherfestigkeit tan φ), auch wenn er von<br />
der Beschreibung der Grenzzustände wohl mehr GZ 1B, Versagen durch Bruch im<br />
Bauwerk, zuzuordnen wäre, da damit nicht der Verlust der Gesamtstandsicherheit<br />
gegeben ist.<br />
** ) Hier ist die Zuordnung ebenfalls nicht eindeutig. Der rechnerische Nachweis erfolgt<br />
aber wie beim Auftrieb und es treten keine Widerstände auf.<br />
Neben der Zuordnung der jeweiligen Nachweise zu einem Grenzzustand ist die<br />
Einordnung in einen Lastfall vorzunehmen, um aus den Tabellen 2 und 3 der DIN 1054<br />
dann den jeweiligen Teilsicherheitsbeiwert entnehmen zu können.<br />
In Abschnitt 6.3 Bemessungssituationen erfolgt über eine Verknüpfung von<br />
Einwirkungskombinationen (EK) und bei den Widerständen Sicherheitsklassen (SK) eine<br />
Definition der Lastfälle.<br />
Durch die Einführung einer zweiten Komponente neben den Einwirkungen ist dies etwas<br />
verwirrend, da bei Deichen der Begriff „Sicherheitsklassen bei den Widerständen“ nicht<br />
recht zugeordnet werden kann. Zu verstehen ist darunter aber ein Kriterium für die Dauer<br />
und Häufigkeit mit der Einwirkungen auftreten.<br />
Da Deiche nicht ständig eingestaut sind (Wasserdruck und entsprechende Strömungen<br />
sind keine ständigen Lasten), sind auch die Einwirkungen der Regel-Kombination (LF 1)<br />
nach DIN 1054 für Deiche nicht zutreffen. Damit vereinfacht sich das Schema der<br />
Lastfälle in DIN 1054 etwas.
39<br />
Einwirkungskombination + Sicherheitsklasse<br />
Regel-Kombination EK1<br />
Ständige, regelmäßig auftretende<br />
Einwirkung<br />
Seltene Kombination EK2<br />
Außer EK1 seltene oder einmalig<br />
planmäßige Einwirkung<br />
+ Sicherheitsklasse SK1<br />
Auf die Funktionszeit des Bau-<br />
werks angelegte Zunstände<br />
+ Sicherheitsklass SK1<br />
Regel-Kombination EK1 + Sicherheitsklass SK2<br />
Bauzustände oder Reparatur<br />
und Zustände durch<br />
Baumaßnahmen neben dem<br />
Außergewöhnl. Komb. EK3<br />
Außer EK1 eine gleichzeitig mög-<br />
liche außergewöhnl. Einwirkung,<br />
inbes. Erdbeben, Katastrophen<br />
Bauwerk<br />
+ Sicherheitsklass SK2<br />
Seltene Kombination EK2 + Sicherheitsklasse SK3<br />
Einmalige oder voraussichtlich<br />
nie auftretende Zustände<br />
= Lastfall<br />
LF1<br />
= „Ständige Bemessungssituation“<br />
=<br />
=<br />
=<br />
=<br />
LF2<br />
„vorrüberggehende<br />
Bemessungssituation<br />
LF3<br />
„außergewöhnliche<br />
Bemessungssituation<br />
In DIN 19712 sind als seltene Kombinationen (LF 2) folgende Einwirkungen genannt:<br />
Eigengewicht<br />
Verkehrslast auf Krone und Berme<br />
Bemessungshochwasserstand HWB<br />
Diese sind hinsichtlich der Dauer und Häufigkeit des Auftretens der Sicherheitsklasse SK<br />
1 zuzuordnen und entsprechen damit LF 2 nach DIN 1054<br />
Als außergewöhnliche Kombination (LF 3) auf der Einwirkungsseite sind aufgeführt:<br />
Eigenlast<br />
Verkehrslast auf Krone und Berme<br />
Wasserstand bis Deichkrone (ohne Wühltierzone)<br />
gegebenenfalls Versagen der Dränungen<br />
gegebenenfalls Versagen der Dichtung<br />
Nach den Definitionen der DIN 1054 sind im LF 3 einmalig oder voraussichtlich nie<br />
auftretende Zustände (SK 3) mit seltenen oder einmalig planmäßigen Einwirkung (EK 2)<br />
zu verbinden, bzw. EK 3 mit SK 2, nicht aber EK 3 mit SK 3.<br />
Bauzustände und damit SK 2 sind bei der in DIN 19712 als außergewöhnlich<br />
bezeichneten Kombination nicht gegeben. Damit wären als LF 3 Versagen von<br />
Dränungen oder Dichtung bei einer Zuordnung zu SK 3 mit EK 2, also Eigengewicht,<br />
Verkehrslast und Bemessungshochwasserstand HWB zu kombinieren und nicht mit einem<br />
Wasserstand bis zur Deichkrone.<br />
Nachdem bei einem Wasserstand bis zur Deichkrone ein gleichzeitiges Befahren der<br />
Deichkrone ein nicht nur voraussichtlicher, sonder tatsächlich nie auftretender Zustand ist,
sollte sinngemäß bei dieser Einwirkung höchstens eine Verkehrslast auf der Berme, nicht<br />
aber auf der Krone angesetzt werden.<br />
40<br />
Obwohl in DIN 19712 geforderte wird:„… Wasserseitige Böschungen und Bermen, der<br />
Bereich der Deichkrone … sind von Gehölzen freizuhalten.“ kommt es vor, dass z.B in<br />
Ortsbereichen Gehölze aufgewachsen sind, deren Entfernung auf heftigste Widerstände<br />
stößt. Damit ist eine Einwirkungskombination Windwurf von Gehölzen bei Bewuchs<br />
auf Deichböschung nicht auszuschließen. Dies gilt insbesondere für die Wasserseite, da<br />
bei Hochwasser der Boden aufweichen kann und damit die Gefahr wesentlich größer als<br />
auf der Luftseite ist. Durch die Strömung kann dann die aufgebrochene Böschung<br />
erodieren und abgetragen werden. Die Sicherheit für diese Einwirkungskombination kann<br />
meist nur dadurch erreicht werden, dass in den Deich eine Innendichtung eingebracht<br />
wird, die dann auch ohne Stützung durch die Böschung stehen bleibt, also eine statische<br />
Wirkung hat. Das Problem bei dieser Einwirkungskombination, die als außergewöhnlicher<br />
Lastfall (LF 3) anzusehen ist, ist die Festlegung der verbleibenden „Restböschung“ bzw.<br />
die Höhe der freigelegten Dichtung. Hier muss ein gewisser Kompromiss gefunden<br />
werden zwischen „Sicherheitsdenken“ und einigermaßen vertretbaren Dimensionen der<br />
Dichtungswand, die sich aus der angenommenen Belastung ergeben. Als Anhaltswert für<br />
die verbleibende Restböschung könnte in Anlehnung an das Merkblatt Standsicherheit<br />
von Dämmen an Bundeswasserstraßen (MSD) eine Böschungsneigung von β = φ /2<br />
dienen.<br />
Die in DIN 19712 enthaltene „Sicherheitsphilosophie“ geht davon aus, dass ein Deich für<br />
einen gewählten Hochwasserabfluss „bemessen“ wird und der ermittelte Freibord die<br />
Aufgabe hat, dass die Deichkrone beim Bemessungshochwasser nicht durch Wellen<br />
überspült wird. Steigt bei einem größeren Hochwasser als dem Bemessungshochwasser<br />
der Wasserstand bis über die Deichkrone wird der Deich überronnen und es ist von einem<br />
Bruch auszugehen, wenn nicht die luftseitige Böschung entsprechend gesichert wird. Eine<br />
Überströmung des Deiches erfolgt als „Bemessungsfall“ nur im Bereich von<br />
Überlaufstrecken.<br />
Eine Innendichtung ist im Katastrophenfall einer Überströmung ein „konstruktives“<br />
Element, das die Standsicherheit erhöht. Wird ein Deich überströmt und die luftseitige<br />
Böschung erodiert, so ist die verbleibende „Restböschung“ in erster Linie eine Frage der<br />
Überströmungshöhe und -dauer. Letztlich kann die Böschung bis auf Geländehöhe<br />
abgetragen werden und darüber hinaus sogar noch ein Kolk entstehen. Eine<br />
Innendichtung auf einen solchen Belastungsfall zu dimensionieren ist letztlich aus<br />
technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Ein Standsicherheitsnachweis<br />
etwa mit einer Restböschungsneigung von β = φ /2 lässt nur den Rückschluss zu, dass<br />
der Deich zwar sicherer geworden ist, das Sicherheitsniveau aber nicht dem einer<br />
geplanten Überlaufstrecke entspricht.<br />
Der Versagensmechanismus einer Deichüberströmung entzieht sich einer berechenbaren<br />
Planung und kann deshalb auch kein „Bemessungslastfall“ sein.
Literatur<br />
41<br />
[1] Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) (2003): Instrumente und<br />
Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Leitlinien für einen zukunftsweisenden<br />
Hochwasserschutz<br />
[2] DIN 19712 Flussdeiche (November 1997)<br />
[3] DIN 1054 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau (Jan. 2005)<br />
[4] Entwurf DIN 4084 Baugrund, Böschungs- und Geländebruchberechnungen (Juni 1990<br />
und November 2002)<br />
[5] Bundesanstalt für Wasserbau (2005): Merkblatt Standsicherheit von Dämmen an<br />
Bundeswasserstraßen (MSD)<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Herbert Weiß (a. D.)<br />
Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft<br />
Abteilung 4, Referat 42 „Wasserbau- und Erdbautechnik“<br />
Moosäcker 4<br />
85570 Markt Schwaben<br />
herbert.weiss@lfu.bayern.de
42<br />
Rechtliche Aspekte bei der Deichertüchtigung<br />
1. Einleitung und Abgrenzung<br />
Franz Rasp<br />
Die praktische Umsetzung von Maßnahmen zur Deichsanierung ist neben den<br />
technischen Fragestellungen wie z.B. Standsicherheit und der Verfügbarkeit von<br />
Finanzmitteln noch durch eine Vielzahl von sonstigen Randbedingungen geprägt. Im<br />
Folgenden werden exemplarisch die für Deichsanierungen in Bayern wichtigsten<br />
Rechtsvorschriften erläutert und die Folgerungen für Planung und Realisierung<br />
aufgezeigt.<br />
2. Die Deichsanierung im Kontext der wichtigsten Rechtsvorschriften<br />
2.1 Zuständigkeiten<br />
In Bayern orientiert sich nach dem Bayerischen Wassergesetz (BayWG) die Zuständigkeit<br />
für Deichsanierungsmaßnahmen an der Gewässerordnung. Dabei werden die<br />
Fließgewässer nach ihrer Größe und Bedeutung unterteilt in Gewässer erster (GEW I),<br />
zweiter (GEW II) und dritter (GEW III) Ordnung.<br />
Die Gewässer erster Ordnung sind in der Anlage zum Bayerischen BayWG aufgeführt.<br />
Sie stellen die größeren Gewässer in Bayern mit einer Gesamtlänge von etwa 4 800 km<br />
dar. Zuständig für den Bau und die Unterhaltung der Hochwasserschutzdeiche ist der<br />
Freistaat Bayern, in dessen Namen die Wasserwirtschaftsämter diese Maßnahmen<br />
durchführen.<br />
Die mittleren Gewässer zweiter Ordnung sind in der Verordnung Gewässer zweiter<br />
Ordnung (GewZweiV) mit einer Gesamtlänge von etwa 4 900 km dargestellt. Die<br />
Zuständigkeit liegt bei den Bezirken, auch hier führen die Wasserwirtschaftsämter die<br />
notwendigen Maßnahmen durch.<br />
Die Gewässer dritter Ordnung sind alle übrigen Fließgewässer mit einer Gesamtlänge von<br />
über 60 000 km in Bayern. Zuständig für die Deiche an diesen GEW III sind die jeweiligen<br />
Städte und Gemeinden, die Wasserwirtschaftsämter stehen hier beratend zur Verfügung.<br />
Diese Zuständigkeiten gelten sowohl für Neubau- als auch Sanierungsmaßnahmen an<br />
den zugehörigen Hochwasserschutzanlagen. Ausnahmen gibt es bei Wildbächen,<br />
Bundeswasserstraßen und wenn im Planfeststellungsbescheid für einen Deich etwas<br />
anderes geregelt ist, z. B. im Bereich von Wasserkraftanlagen.<br />
2.2 Unterscheidung Gewässerausbau – Gewässerunterhalt<br />
Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes und das Bayerische Wassergesetz<br />
(BayWG) unterscheiden generell bei Baumaßnahmen an Gewässern zwischen den<br />
wasserrechtlichen Begriffen „Gewässerausbau“ und „Gewässerunterhaltung“, mit jeweils<br />
unterschiedlichen Rechtsfolgen. Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen keiner Gestattung<br />
durch eine Behörde.
43<br />
Handelt es sich wasserrechtlich aber um einen Gewässerausbau, so ist ein<br />
Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. Dieses<br />
Verfahren dauert im günstigsten Fall mindestens ein halbes Jahr. Der zuständige<br />
Maßnahmenträger wird meist bestrebt sein, die Deichsanierungsmaßnahmen<br />
wasserrechtlich als Unterhaltungsmaßnahme durchzuführen, um ein zeitaufwändiges und<br />
ressourcenintensives Planfeststellungsverfahren zu vermeiden.<br />
Die Antwort auf die Frage, ob eine Deichsanierungsmaßnahme Gewässerausbau oder<br />
Gewässerunterhalt ist, ergibt sich aus dem WHG. Einschlägig ist dabei § 31 Abs. 2 WHG:<br />
„Die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder<br />
seiner Ufer (Gewässerausbau) bedarf der Planfeststellung durch die zuständige Behörde.<br />
Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, stehen dem<br />
Gewässerausbau gleich.“ Nach herrschender Meinung bedeutet der oben dargestellte<br />
§ 31 Abs. 2 WHG analog für Unterhaltungsmaßnahmen (§ 28 WHG), dass der Träger der<br />
Unterhaltungslast an einem Gewässer (s. o. Zuständigkeiten) auch für den<br />
ordnungsgemäßen Zustand der Hochwasserschutzdeiche an diesem Gewässer<br />
verantwortlich ist (Schwendner in SZDK, Rn. 36 und § 28 WHG). Bei der Beurteilung, ob<br />
es sich wasserrechtlich um einen Ausbau oder Unterhaltung handelt, stellt sich somit im<br />
Kern die Frage, ob die Deichsanierungsmaßnahme den Hochwasserabfluss beeinflusst<br />
oder nicht. Ist letzteres der Fall, so handelt es sich wasserrechtlich um eine<br />
Unterhaltungsmaßnahme. Dabei lässt sich vereinfacht sagen, dass der<br />
Hochwasserabfluss dann beeinflusst wird, wenn die Auswirkungen im Rahmen der<br />
gegebenen Ungenauigkeiten berechenbar, insbesondere aber messbar sind. Beispiele zu<br />
Verdeutlichung:<br />
Unterhaltung<br />
Ausbau<br />
Ausgleich von lokalen Setzungen<br />
Luftseitige Deichverbreiterung<br />
Uferumgestaltung<br />
Einbringen einer Innendichtung<br />
Abtrag und sofortiger Neuaufbau eines Deiches mit gleichen<br />
Abmessungen<br />
Durchgehende Deicherhöhung<br />
Erhebliche wasserseitige Verbreiterung von Schardeichen<br />
Sohlschwellen und Rampen zur Anhebung / Absenkung der<br />
Gewässersohle
Allgemein lässt sich sagen: Deichsanierungen als wasserrechtliche<br />
Unterhaltungsmaßnahmen<br />
44<br />
sind eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung<br />
bedürfen keiner behördlichen Gestattung<br />
entbinden nicht von den Verpflichtungen aufgrund anderer<br />
Rechtsvorschriften.<br />
Hinweis: Flussdeiche sind i. d. R. kein Bestandteil eines Gewässers. Dieses wird gemäß<br />
BayWG durch die Uferlinie bei Mittelwasser begrenzt. Wesentliche Umgestaltungen an<br />
Flussdeichen sind somit keine (planfeststellungspflichtige) wesentliche Umgestaltung<br />
eines Gewässers.<br />
2.3 Duldungspflicht<br />
Unterhaltungsmaßnahmen lösen eine Duldungspflicht gemäß Art. 51 BayWG i. V. m. § 30<br />
WHG aus. Die Anlieger und Hinterlieger haben dabei die erforderlichen Maßnahmen zu<br />
dulden, wie z. B. das Fällen von Bäumen auf dem Deich oder das Zwischenlagern von<br />
Oberboden. Die Beeinträchtigungen sind dabei aber so gering wie möglich zu halten,<br />
Schäden sind auszugleichen. Die Duldungspflicht tritt nur ein, wenn eine vorherige<br />
Ankündigung erfolgt ist. Es besteht dafür zwar keine Formvorschrift, persönliche<br />
Anschreiben werden aber empfohlen. Sollte der Hochwasserschutzdeich auf Privatgrund<br />
liegen, so gehören die Bäume auf dem Deich gehören dem Grundeigentümer.<br />
2.4 Retentionsraumausgleich<br />
Wird bei Deichsanierungsmaßnahmen der Deich wasserseitig verbreitert, löst dies eine<br />
Ausgleichspflicht nach § 31b Abs. 6 Satz 1 WHG (Erhalt Überschwemmungsgebiete) aus.<br />
Dabei muss ein funktionaler Ausgleich für den Verlust von natürlichen<br />
Überschwemmungsgebieten erfolgen.<br />
2.5 Naturschutzrechtlicher Ausgleich<br />
Das Naturschutzrecht wird vom Wasserrecht nicht verdrängt, sondern ist neben diesem<br />
anwendbar. Auch bei Unterhaltungsmaßnahmen kommen die naturschutzrechtlichen<br />
Regelungen zur Anwendung. Insbesondere kann eine derartige Maßnahme einen Eingriff<br />
i. S. d. Art. 6 Abs. 1 BayNatSchG darstellen. Bei Deichen und Dämmen, die den<br />
Hochwasserabfluss beeinflussen, richtet sich der Umfang der Unterhaltung nach § 28<br />
Abs. 2 WHG i. V. m. § 31 Abs. 2 Satz 2 WHG primär nach dem<br />
Planfeststellungsbeschluss. Soweit dort bestimmte Unterhaltungsmaßnahmen festgesetzt<br />
sind, wurde die Abwägung mit den Belangen des Naturschutzes bereits im<br />
Planfeststellungsverfahren getroffen.<br />
Gibt es bei alten Flussdeichen keinen Planfeststellungsbeschluss, gelten allgemeine<br />
Regelungen. Dabei sind die Wasserwirtschaftsämter rechtlich verpflichtet, bei<br />
Maßnahmen in ihrem Aufgabenbereich die Ziele des Naturschutzes und der<br />
Landschaftspflege zu beachten und mit den Naturschutzbehörden zu kooperieren. Die<br />
dafür zuständige untere Naturschutzbehörde kann zwar i. d. R. aufgrund der Bedeutung<br />
des Hochwasserschutzes für das Wohl der Allgemeinheit eine
Deichsanierungsmaßnahme, insbesondere Baumfällungen nicht untersagen, aber<br />
Ausgleichsmaßnahmen fordern.<br />
45<br />
2.6 Naturnahe Ufergestaltung<br />
Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Gewässerunterhalt verlangt, die Ufer und<br />
anschließenden Uferstreifen möglichst naturnah zu gestalten (Art. 42 BayWG i. V. m. § 28<br />
WHG, auch: Bewirtschaftungsziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie). Dazu gehört die<br />
Abflachung der Böschungen, das Herstellen von Flachwasserzonen oder der Uferschutz<br />
mit Wasserbausteinen. Diese Maßnahmen sind im Zuge des Gewässerunterhalts<br />
genehmigungsfrei möglich. Für Maßnahmen der Deichsanierung kann sich diese<br />
Forderung des BayWG zunutze gemacht werden. Maßnahmen zur Uferabflachung sind<br />
i. d. R. mit einer Aufweitung des Abflussprofils verbunden. Diese Aufweitung kann eine<br />
wasserseitige Deichverbreiterung kompensieren, sodass der Hochwasserabfluss nicht<br />
beeinflusst wird, d. h. die Wasserspiegellagen unverändert bleiben. Zudem kann dadurch<br />
ein Retentionsraumverlust zumindest volumenmäßig ausgeglichen werden. Des Weiteren<br />
kann damit ein naturschutzfachlicher Ausgleich geschaffen werden.<br />
2.7 Einbau eines Dichtelementes oder Nachrüstung Binnenentwässerung<br />
Wasserrechtlich handelt es sich hier nicht um einen Ausbautatbestand, weil der<br />
Hochwasserabfluss nicht beeinflusst wird. Dennoch ist bei der Binnenentwässerung eine<br />
wasserrechtliche Gestattung für zeitweilige Grundwasserabsenkung und Einleitung des<br />
Drainagewassers notwendig. Beim Einbau eines Dichtelementes ist ebenso eine<br />
wasserrechtliche Gestattung notwendig, wenn in das Grundwasserregime, insbesondere<br />
außerhalb des unmittelbaren Hochwasserereignisses, eingegriffen wird. Für eine<br />
Oberflächendichtung oder unvollkommene Innendichtung ist dies i. d. R. nicht der Fall.<br />
Werden diese Maßnahmen als Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt, müssen diese<br />
Gestattungen bei der unteren Wasserrechtsbehörde am Landratsamt oder der Stadt<br />
beantragt werden.<br />
2.8 Waldgesetz<br />
Das Bayerische Waldgesetz kommt zum tragen, wenn Wald (stark vereinfacht:<br />
geschlossenes Kronendach) gerodet, also auf Dauer entfernt wird.<br />
Ist der Freistaat Bayern Eigentümer des Deiches, bedarf es bei<br />
Unterhaltungsmaßnahmen keiner Rodungserlaubnis, auch wenn der Bewuchs auf dem<br />
Deich als Wald einzustufen ist. Ist der Deich dagegen in Privateigentum, bedarf es der<br />
Abstimmung mit der unteren Forstbehörde.<br />
2.9 Eigentumsverhältnisse<br />
An den bayerischen Fließgewässern ist die öffentliche Hand nicht immer Eigentümer der<br />
Deichaufstandsflächen. Im Zuge von Unterhaltungsmaßnahmen ist nur ein Ankauf dieser<br />
Flächen auf freiwilliger Basis möglich. Dies wird von den Wasserwirtschaftsämtern<br />
insbesondere auch für die Deichschutzstreifen angestrebt. Für eine Enteignung ist<br />
grundsätzlich ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren und ein anschließendes<br />
Enteignungsverfahren nötig. Diese Verfahren sind sehr personal- und zeitaufwändig und<br />
werden in der Praxis nur bei Ausbauvorhaben, nicht aber für<br />
Deichsanierungsmaßnahmen angewendet. Landseitige Deichverbreiterungen unter
Berufung auf die Duldungspflichten des Art. 51 sind de facto nur in Ausnahmefällen<br />
möglich, insbesondere wenn nur minderwertig genutzte Flächen betroffen sind.<br />
46<br />
2.10 Verkehrssicherungspflicht<br />
Die Verkehrssicherungspflicht begründet sich auf § 823 BGB (Schadenersatzpflicht). Wird<br />
im Zuge einer Deichsanierungsmaßnahme ein Deichweg angelegt, so wird damit ein<br />
neuer „Verkehrsbereich eröffnet“. Für diesen Deichweg hat der Maßnahmenträger dann<br />
auch die Verkehrssicherungspflicht. Oft wollen die Gemeinden diese Wege gerne als<br />
Rad- oder Fußwege widmen, die Verkehrssicherungspflicht geht dazu per Vereinbarung<br />
an die Gemeinde über. Ist dies nicht der Fall, so sind schon während der Planung der<br />
Deichsanierungsmaßnahmen geeignete, vollständige Absperrungen vorzusehen,<br />
Hinweisschilder reichen nicht aus.<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Franz Rasp<br />
Wasserwirtschaftsamt Traunstein<br />
Abteilungsleiter Landkreis Traunstein<br />
Rosenheimer Str. 7<br />
83278 Traunstein<br />
franz.rasp@wwa-ts.bayern.de
Kurzfassung<br />
47<br />
Anwendung von Geokunststoffen bei der<br />
Deichertüchtigung<br />
Georg Heerten & Katja Werth<br />
Geokunststoffe werden im Deichbau als flächige Dichtungs-, Filter- und Dränschichten,<br />
zum Erosionsschutz sowie zur Bewehrung eingesetzt. In den vergangenen Jahren<br />
wurden bei der Sanierung der Hochwasserschäden an den Deichen der Oder, Elbe,<br />
Donau und deren Nebenflüssen geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD,<br />
Bentonitmatten) zur Ausbildung der wasserseitigen Oberflächendichtungen, Geogitter zur<br />
Erhöhung der Tragfähigkeit der Deichunterhaltungswege sowie zur<br />
Setzungsvergleichmäßigung bei unbelasteten Untergründen (Neudeiche) und<br />
Filtervliesstoffe zur erosionsfesten Ausbildung der luftseitigen Drän- und Auflastkörper<br />
erfolgreich eingesetzt. Im vorliegenden Beitrag werden Anwendungsmöglichkeiten<br />
vorgestellt und insbesondere die erfolgreiche Bauweise mit geosynthetischen<br />
Tondichtungsbahnen vorgestellt.<br />
1 Einleitung<br />
In den letzten 10 Jahren ist Deutschland von extremen Hochwassern an Oder (1997),<br />
Donau (1999), Isar (2005) und Elbe (2002 und 2006) sowie an deren Nebenflüssen mit<br />
katastrophalen Schäden heimgesucht worden. Die Notwendigkeit eines effektiven<br />
Hochwasserschutzes wurde zuletzt im Frühjahr 2006 an der Elbe in Niedersachen<br />
deutlich, wo insbesondere die in der Unterhaltung vernachlässigten Deiche der<br />
Nebenflüsse zur Zitterpartie für die Helfer wurden. Etwa 7500 km Flussdeiche bilden das<br />
Rückgrat des Hochwasserschutzes in Deutschland. Deichbrüche von vergleichsweise<br />
"greisenhaft" alten Deichen prägten bei der Elbe-Flut 2002 die Schadensszenarien (Abb.<br />
1 allein über 100 Deichbrüche an der Mulde!), begleitet von Sandsackschlachten mit<br />
Einsatz unzähliger Helfer, die gegen das vollständige Versagen der wassergesättigten<br />
Deiche kämpften. Die erforderliche Gebrauchstauglichkeit war und ist bei diesen Deichen<br />
nicht gegeben, kann aber durch technische Maßnahmen auch für lang einstauende<br />
Hochwasser mit Hochwasserscheitelwasserständen im Rahmen des<br />
Bemessungshochwassers wieder hergestellt werden.
Abb. 1: Deichbrüche an Mulde (2002, links) und Donau (Neustadt, 1999, rechts)<br />
2 Entwurfsgrundlagen<br />
48<br />
Die Entwurfsgrundsätze zur konstruktiven Ausbildung eines Flussdeiches mit hoher<br />
Schutzwirksamkeit im Lastfall Hochwasser werden im Merkblatt 210/1986 "Flussdeiche"<br />
des ehemaligen Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (DVWK)<br />
oder in der DIN 19712 in Form des Drei-Zonen-Deiches vorgeschlagen. Neben der<br />
aktuellen Aufarbeitung des Hochwassers in vielen Veröffentlichungen, Tagungen,<br />
Kongressen sowie direkt geförderten Forschungs-vorhaben wurde im April 2005 vom<br />
Fachausschuss WW- 7 /Arbeitskreis 5.4 "Dichtungssysteme im Wasserbau" gemeinsam<br />
von DWA 1 , DGGT 2 und HTG 3 ein DWA-Themenheft "Dichtungssysteme in Deichen"<br />
veröffentlicht. Vor dem Hintergrund einer kurzfristigen Deichertüchtigung wurde der<br />
Fachausschuss<br />
WW-7 / AK 5.4 beauftragt, das Spezialthema "Dichtungssysteme in Deichen" vorrangig zu<br />
bearbeiten, um zügig aktuelle geotechnische und hydraulische Kenntnisse aus jüngsten<br />
Erfahrungen hinsichtlich Erkundung, Entwurf und Bauausführung für die Praxis zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
Zur sicheren Ausbildung eines modernen Drei-Zonen-Deiches stehen innovative und<br />
verlässliche Bauverfahren zur Verfügung. Geokunststoffe übernehmen heute die<br />
Funktionen Dichten, Filtern, Dränen, Erosionsschutz, Verpacken und Bewehren. In<br />
Deichen werden GTDs als wasserseitige Dichtungen und Filtervliesstoffe für erosionsfeste<br />
Entwässerungszonen unterhalb des notwendigen Deichverteidigungsweges auf der<br />
Luftseite eingesetzt (Tabelle 1). Bei erweiterten Anforderungen werden Geogitter und<br />
Geogitter-Vliesstoffkombinationen sowie Erosionsschutzsysteme eingesetzt. Für alle<br />
Funktionen stehen heute verlässliche Bemessungsgrundsätze, Regeln, technische<br />
Empfehlungen und jahrzehntelange Anwendungserfahrung zur Planung und Ausführung<br />
von Geokunststoffbauweisen zur Verfügung.<br />
1 Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.<br />
2 Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e.V.<br />
3 Hafenbautechnische Gesellschaft e.V.
49<br />
Tab. 1: Geokunststoffe in Dämmen und Deichen<br />
Ort<br />
Deichzone<br />
Funktion<br />
Beispiel<br />
Deichzone & Funktion<br />
Moderner Drei-Zonen-Deich mit Geokunststoffen<br />
Wasserseite Binnenseite<br />
Dichtung mit geosynthetischer Tondichtungsbahn<br />
(Bentonitmatte) als<br />
"Mineralische Dichtung von der Rolle"<br />
Mechanisch verfestigte Filtervliesstoffe<br />
für Filterstabilität zwischen Deichkern,<br />
Untergrund und Drän- und Auflastkörper<br />
Kinzigdeichsanierung 2001 Oderdeich bei Zehltendorf, 1997<br />
Weitere Geokunststoffanwendungen innerhalb des Drei-Zonen-Deiches<br />
Oberflächenerosionsschutz und Vegetationshilfe mit geosynthetischen<br />
Erosionsschutzsystemen (z.B. zur Sicherung der luftseitigen Deichböschung)<br />
Deichkernstabilisierung mit Sandcontainern aus Filtervliesstoff oder geogitterbewehrtem<br />
Boden-Verbund-System in Umschlagmethode innerhalb des<br />
Deichquerschnittes<br />
Erhöhung der Tragfähigkeit bei Gründung auf gering tragfähigem Untergrund mit<br />
Geogittern im Gründungshorizont und/oder Deichverteidigungsweg
3 Wasserseitige Deichdichtungen<br />
50<br />
Die Hochwasserereignisse haben gezeigt, dass gerade bei älteren Deichbauwerken der<br />
kritische Grenzzustand eines wasserübersättigten Deichquerschnittes zum Versagen<br />
führen kann. Durch Witterung, Erosion, Durchwurzelung und Wühltierbefall geschwächte<br />
Deichdichtungen führen zu einem Deich als Sanierungsfall.<br />
Der hydraulische Belastungsfall für die betroffenen Flussdeiche tritt nach Erfahrung aus<br />
den vergangenen Extrem-Hochwasser-Ereignissen nach monate- bis jahrelangen<br />
Trockenperioden über einen maximalen Zeitraum von drei bis vier Wochen ein. Der<br />
Anstieg der Wasserdurchlässigkeit von erdbautechnisch hergestellten mineralischen<br />
Dichtungen wurde besonders in den Oberflächendichtungen von Deponien beobachtet<br />
und untersucht. Der Einbauwassergehalt einer mineralischen Dichtung ist nur eine<br />
Momentaufnahme. Demzufolge sollten bindige Dichtungsschichten unter<br />
Berücksichtigung der nachfolgend genannten Schutzmaßnahmen verwendet werden.<br />
Alle Arten bindiger mineralischer Abdichtungsschichten sind mehr oder weniger<br />
austrocknungsgefährdet mit der Gefahr der Gefüge- bzw. Rissbildung. Ein mindestens<br />
1,50 m mächtiger Einbau wurde in Normen und Merkblättern empfohlen.<br />
Bei der Verwendung bindiger Böden im Dichtungsbau sollte mit erhöhter<br />
Verdichtungsarbeit und Wassergehalten unterhalb des Proctorwassergehaltes gearbeitet<br />
werden, um die Austrocknungsgefahr zu reduzieren. Gleichzeitig sollten zusätzliche<br />
Maßnahmen, z.B. eine Überdeckung der Dichtungsschicht mit ca. 1,50 m Oberboden<br />
getroffen werden.<br />
Die genannten Maßnahmen sind dringend zu empfehlen, da die üblicherweise<br />
verwendeten bindigen Bodenschichten für erdbautechnisch hergestellte Dichtungen unter<br />
den insitu vorhandenen Bodenschichten / Auflasten nach Rissbildung nicht wieder<br />
regenerieren/heilen und erhöhte Wasserwegigkeiten aufweisen können.<br />
Ausgetrocknete mineralische Dichtungsschichten mit Gefügebildung (Rissstruktur)<br />
können daher zu einer schnellen Aufsättigung und Durchströmen des Deichkörpers mit<br />
ggf. erheblicher Erosions- und Pipinggefahr führen. Die Anordnung von adäquat<br />
dimensionierten und ausgewählten geotextilen Filtern würde die Systemsicherheit im<br />
Hinblick auf mögliche, die Standsicherheit des Deiches gefährdende Erosionsvorgänge<br />
ausreichend erhöhen.<br />
Als Ersatz oder zur Verbesserung herkömmlicher mineralischer Ton- oder<br />
Lehmdichtungen an wasserseitigen Böschungen werden geosynthetische<br />
Tondichtungsbahnen (Bentonitmatten) eingesetzt. Die Dichtfunktion übernimmt das<br />
zwischen zwei Geotextilien (Deck- und Trägergeotextil) im Idealfall durch Vernadelung<br />
eingeschlossene hochquellfähige Bentonit. Mit geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />
kann im Vergleich zu mineralischen Dichtungsstoffen eine gleichwertige Dichtungswirkung<br />
bei wesentlich geringerer Schichtdicke (ca. 1 cm) durch den vergleichsweise sehr<br />
geringen Durchlässigkeitsbeiwert des gequollenen Bentonits erzielt werden.<br />
Der Vorteil des Austrocknungs- und Wiedervernässungsverhaltens von Bentonitmatten<br />
gegenüber erdbautechnisch hergestellten mineralischen Dichtungen kann über die<br />
erforderliche Wassermenge dargestellt werden. Der hochquellfähige Bentonit saugt
51<br />
Wasser aus den umgebenden Bodenschichten an und es wird nur ca. 1 Liter/m 2 Wasser<br />
benötigt, um die Bentonitschicht bei entsprechender Auflast immer wieder aufquellen und<br />
dichtwirksam sein zu lassen. Eine erdbautechnisch hergestellte Tondichtung nimmt<br />
vergleichsweise wesentlich verzögert wieder Wasser auf. In Abhängigkeit von der<br />
Schichtdicke der Tondichtung werden hierfür ca. 20 bis 40 Liter/m 2 Wasser benötigt.<br />
Diese Menge muss überhaupt erst einmal zur Verfügung stehen, um den Vorgang der<br />
Wiedervernässung reversibel zu gestalten. Nach Untersuchungen aus dem Deponiebau<br />
ist dennoch nicht davon auszugehen, dass ausgetrocknete, erdbautechnisch hergestellte<br />
mineralische Dichtungen nach Trockenstress je ihre Dichtwirksamkeit wieder erlangen,<br />
weil Wasserdargebot, Quellvermögen und Auflastspannung nicht ausreichen. Bei<br />
Bentonitmatten ist entsprechend positives Abdichtungsverhalten dagegen sichergestellt<br />
und nachgewiesen, da Wasseraufnahme und Wasserabgabe entsprechend den<br />
einwirkenden Randbedingungen nachhaltig reversibel erhalten bleiben.<br />
Durch die Minimierung des maschinentechnischen Aufwands (Abb. 2) während des<br />
Bauablaufs ergeben sich beim Einsatz von geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />
Vorteile gegenüber einer mineralischen Ton- und Lehmdichtung. Die ansonsten gestellten<br />
Anforderungen hinsichtlich Wassergehalt, Verdichtung und ausreichende Mächtigkeit bei<br />
Verwendung einer mineralischen Dichtung treten in den Hintergrund und Bentonitmatten<br />
können vergleichsweise witterungsunabhängig eingebaut werden.<br />
Abb.2: Kinzigdeichsanierung (2001): Einbau der GTD Bentofix ® mit Aufbringen des örtlich<br />
vorhandenen Kiessandes als "wühltierunfreundliche" Deckschicht (unten)<br />
Mögliche Auswirkungen von Durchwurzelung und/oder Nagetierbefall müssen jedoch<br />
ebenso wie bei klassischen mineralischen Dichtungen beachtet werden. Diese<br />
Auswirkungen sind aber durch Gestaltung der projektbezogenen Querschnittsgeometrie<br />
des Deiches, Einsatz nichtbindiger, wühltierunfreundlicher Deckschichten oder durch<br />
technische Zusatzmaßnahmen (z.B. Bibergitter) beherrschbar. Die geringe<br />
Setzungsempfindlichkeit ohne Beeinträchtigung der Dichtigkeitseigenschaften, konstante<br />
Qualität auch nach dem Einbau sowie gutes Reibungsverhalten an steileren Böschungen<br />
bieten zudem Vorteile.<br />
Im DWA-Themenheft werden als Oberflächendichtungen sowohl die erdbautechnisch<br />
hergestellten mineralische Dichtung als auch die GTD behandelt. Die Anforderungen<br />
hinsichtlich eines Regelaufbaus sind in Abb. 3 aufgezeigt.
52<br />
Abb. 3: Aufbau der wasserseitigen Oberflächendichtungen eines Flussdeiches mit<br />
mineralischer Dichtung (oben) und mit GTD (unten) gemäß DWA-Themenheft<br />
"Dichtungssysteme in Deichen" (2005)<br />
4 Deichertüchtigung mit Geokunststoffen – Beispiele<br />
Besonders im Elbstromgebiet, aber z.B. auch in Bayern, sind nach 2002 zahlreiche<br />
Baumaßnahmen durchgeführt worden, um verursachte Hochwasserschäden zu<br />
beseitigen und den Hochwasserschutz zusätzlich zu verbessern. Besonders<br />
hervorzuheben ist der vermehrte Einsatz von Geokunststoffen zur Erhöhung der<br />
Deichsicherheit und zur Realisierung eines Drei-Zonen-Deiches gemäß DVWK-Merkblatt<br />
"Flußdeiche" 210/1986 oder DIN 19712. Nach dem Elbe-Hochwasser 2002 umfasst die<br />
eigene Referenzliste knapp 150 Bauprojekte des Hochwasserschutzes mit dem Einsatz<br />
von ca. 2,2 Mio. m² vernadelter Vliesstoffe, ca. 300.000 m² Geogitter und ca. 700.000 m²<br />
geosynthetischer Tondichtungsbahnen, z.B.<br />
Deichsanierung Bösewig (Elbe) => Richtung, Auflastfilter, Tragfähigkeit<br />
Deichsanierung Weier (Kinzig) => Dichtung<br />
Deichsanierung Bad Freienwalde (Oder) => Dichtung, Auflastfilter<br />
Hochwasserschutzdamm Garmisch-Partenkirchen => Tragfähigkeit<br />
Elbedeiche in Sachsen-Anhalt (2003)<br />
Zwischen April 2003 und Ende 2004 wurden vom Landesamt für Hochwasserschutz und<br />
Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Niederlassungen in Halle und<br />
Wittenberg, ca. 14 Deichbaulose, vorwiegend im Elbebereich bei Dessau, im Rahmen des
53<br />
Sanierungsprogrammes nach dem Augusthochwasser 2002 ausgeschrieben. Ein<br />
typischer sanierter Deichquerschnitt mit geosynthetischer Tondichtungsbahn an der Elbe<br />
bei Dessau ist in Abb. 4 dargestellt.<br />
Kinzigdeiche (2000/2001)<br />
Schon im Jahre 1987 hatte die Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein / Hochrhein<br />
begonnen, die teilweise über 100 Jahre alten und 160 km langen Deiche an der Kinzig auf<br />
den heutigen Stand der Technik zu bringen. Hochwasserereignisse in den Jahren 1990<br />
und 1991 zeigten bereits kritische Deichdurchsickerungen. Es wurde ein umfangreiches<br />
Kinzigdeichsanierungsprogramm konzipiert, dessen Durchführung und Zielsetzung in den<br />
Jahren 2000 und 2001 einen sicheren Ausbau auf den Stand der Technik gewährleistet.<br />
Dabei wurden die Deiche an der Kinzig in definierten Abschnitten im Mittel zwischen 60<br />
cm und 80 cm erhöht, verstärkt und bei ungenügender Dichtigkeit mit einer<br />
wasserseitigen Deichdichtung aus einer vollflächig vernadelten, schubkraftübertragenden<br />
geosynthetischen Tondichtungsbahn versehen (Santo, 2003).<br />
85<br />
80<br />
75<br />
Luftseite<br />
Wasserseite<br />
Sand-Kies-Gemisch<br />
eingeschlagen in Filtervliesstoff<br />
Deichkroneauf Filtervliesstoff<br />
Oberboden mit Grasansaat (d=0,20m)<br />
Nichtbindige Deckschicht (d=0,60m)<br />
Deichverteidigungsweg<br />
Geosynthetische Tondichtungsbahn<br />
Wasserbausteine Kl. II-III<br />
(d=0,60m)<br />
auf Filtervliesstoff<br />
Geogitter<br />
alter Deichquerschnitt<br />
Untergrund / Deichkern<br />
BHW<br />
V:H=1:2<br />
V:H=1:3<br />
70<br />
w<br />
-5 0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Abb. 4: Sanierungslösung für einen Elbedeichquerschnitt Bösewig in Sachsen-Anhalt<br />
Abb. 5: Regelprofil Kinzigdeich / Weier (linke Seite)<br />
Für die linke Seite bei Weier (Fluß-km 14+750 bis 17+000) wurden 36.000 m 2<br />
geosynthetische Tondichtungsbahn eingebaut. Aufgrund der anfallenden Kosten für den<br />
Antransport von mineralischem Dichtungsmaterial wäre eine Lehmdichtung aus Sicht der<br />
Gewässerdirektion unwirtschaftlich gewesen. Die Umsetzung erfolgte im Einvernehmen<br />
mit dem Bodengutachter und der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe (BAW).<br />
Während der gesamten Baumaßnahme erfolgte eine Fremd- und Eigenüberwachung der
54<br />
angelieferten Bentonitmatten. Nach den Verlegearbeiten, die in Abschnitten von jeweils<br />
100 m erfolgten, wurde in einer Böschungsneigung von 1 : 2.8 eine 60 cm starke<br />
verdichtete Kiessandschicht aufgebracht. Der Kies wurde dabei direkt vor Ort aus der<br />
angelandeten Kinzigsohle entnommen, dadurch wurde gleichzeitig eine wichtige Funktion<br />
der Unterhaltungsmaßnahme an der Kinzig mit übernommen. Für einen raschen<br />
Oberflächenerosionsschutz mit Ausbildung einer Grasnarbe wurden die einzelnen<br />
Verlege- und Sanierungsabschnitte anschließend gleich mit Oberboden angedeckt und<br />
eingesät.<br />
Oderdeichsanierung Bad Freienwalde (2001)<br />
Das Sommerhochwasser 1997 stellte mit einem 14-tägigen Scheitel ein außergewöhnliches<br />
Ereignis an der Oder dar, bei dem die Höchstwasserstände aller Pegel<br />
überschritten wurden. Es traten erhebliche Schäden an den Deichen auf, die das<br />
Landesumweltamt Brandenburg (LUA) in der Vergangenheit in einem Sofortprogramm zur<br />
Deichsanierung und des anschließenden Generalplans Hochwasserschutz Oder beheben<br />
ließ. Im Bereich Bad Freienwalde (nördlicher Bereich des Oderbruchs) traten 1997<br />
Sickerwasserstellen am landseitigen Deichfuß und Böschungsrutschungen auf. Die<br />
Maßnahmen umfassten u. a. Erhöhung und Verbreiterung der Deichkronen, Abflachen<br />
der wasser- und landseitigen Deichböschungen sowie Anordnung von landseitigen<br />
Auflastfiltern. Das gesamte Sanierungsprogramm wird in Tönnis, Girod & Papke (2002)<br />
vorgestellt. Der vorhandene Deich wurde ausgehend vom Deichverteidigungsweg bis zum<br />
Böschungsfuß an der wasserseitigen Berme abgetragen und wasserseitig verschoben<br />
neu errichtet. Die Böschungen wurden mit Neigungen von 1 : 3 neu aufgeschüttet und<br />
wasserseitig mit einer geosynthetischen Tondichtungsbahn als Deichdichtung versehen.<br />
-2<br />
-3<br />
-4<br />
-5<br />
Abtrag<br />
Mutterboden mit Grasansaat<br />
d=0,2m<br />
Schotterband<br />
d=0,2m; L=1,0m<br />
~<br />
~<br />
DN 150<br />
Sickerschlitz<br />
1:3<br />
Filter<br />
Auftrag Stützkörper<br />
Sandausgleichsschicht<br />
Deichverteidigungsweg<br />
3%<br />
1:3<br />
-7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5<br />
3,3%<br />
1:3<br />
geosynthetische Tondichtungsbahn<br />
Auftrag Stützkörper<br />
Sandausgleichsschicht<br />
Mutterboden mit Grasansaat OK Krone 10,72m<br />
d=0,2m<br />
BHW<br />
vertikale Dichtwand bis<br />
in die gering durchlässige Schicht<br />
Abb. 6: Sanierungslösung für das Querprofil 60+762 (Tönnis, Girod & Papke, 2002)<br />
Diese Bentonitmatte wurde mit Kiessand und Mutterboden bedeckt. Zusätzlich wurde<br />
aufgrund der besonderen geologischen Situation im Deichuntergrund eine vertikale<br />
Dichtwand mit dem FMI-Verfahren im wasserseitigen Deichfußbereich hergestellt, an der<br />
die Bentonitmatte angeschlossen wurde (Abb. 6).<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Der Einsatz von Geokunststoffen zur Erhöhung der Deichsicherheit und zur Realisierung<br />
eines Drei-Zonen-Deiches gemäß DVWK- Merkblatt "Flussdeiche" 210/1986 oder DIN<br />
19712 wurde bereits seit Mitte der 90er Jahre erfolgreich realisiert, gewann aber<br />
insbesondere nach den Hochwasserkatastrophen von 1997, 1999 und 2002 stark
55<br />
zunehmend an Bedeutung. Im modernen Drei-Zonen-Deich ist der Einsatz<br />
geosynthetischer Tondichtungsbahnen (GTD, Bentonitmatten) als wasserseitige Dichtung<br />
sowie geotextiler Filtervliesstoffe zum Aufbau von sicheren, erosionsfesten Filterzonen<br />
unter dem notwendigen Deichverteidigungsweg auf der Binnenseite des Deichs zu<br />
empfehlen. Über den 3-Zonen-Deich hinaus hat sich der Einsatz von Geogittern zur<br />
Erhöhung der Tragfähigkeit bei Gründungen auf wenig tragfähigem Untergrund sowie zur<br />
Stabilisierung des Deichverteidigungsweges etabliert.<br />
Nach dem Elbe-Hochwasser 2002 umfasst die eigene Referenzliste knapp 150<br />
Bauprojekte des Hochwasserschutzes mit dem Einsatz von ca. 2,2 Mio. m² vernadelter<br />
Vliesstoffe, ca. 300.000 m² Geogitter und ca. 700.000 m² geosynthetischer<br />
Tondichtungsbahnen.<br />
6 Forschungsaktivitäten zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von<br />
Deichbinnenböschungen bei Überströmung<br />
In der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München in<br />
Obernach werden derzeit Modellversuche zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der<br />
Deichbinnenböschung bei unplanmäßiger Überströmung unter Einsatz von<br />
Geokunststoffen durchgeführt. Diese Modellversuche werden im Rahmen des<br />
Forschungsentwicklungsvorhabens "Deichsanierung" bearbeitet, das im Auftrag des<br />
Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft durchgeführt wird. Ziel der<br />
Modellversuche ist die Entwicklung einer bautechnisch einfachen und kostengünstigen<br />
Geokunststoff-Lösung (z.B. mit Geogitter-Vliesstoff-Kombinationen) zur Hemmung der<br />
Erosion der Deichbinnenböschung bei Überströmung und sichere Beherrschung des<br />
Lastfalls "Überströmen des Deiches". Ein einfacher Einbau der Erosionsschutzlage unter,<br />
in oder auf die grasbewachsene Deichböschung ist anzustreben. Die<br />
Widerstandsfähigkeit der Deiche bei Wasserständen, die über das<br />
Bemessungshochwasser hinausgehen, kann durch solche, in die Deichertüchtigung<br />
integrierte Sicherungsmaßnahmen erheblich verbessert werden. Im Katastrophenfall bei<br />
Überströmung des Deiches wird den Einsatzkräften und Anliegern mehr Zeit zur Reaktion<br />
und Schadensminderung gegeben, und der Deich wird nicht durchbrochen und durch die<br />
durchströmenden hohen Wassermengen weggerissen, sondern bleibt im Querschnitt<br />
erhalten. Erste Ergebnisse werden für Mitte 2006 erwartet.<br />
Literatur<br />
EAG-GTD (2002): Empfehlungen zur Anwendung geosynthetischer Tondichtungsbahnen<br />
EAG-GTD, DGGT e.V., Ernst & Sohn, Berlin<br />
DVWK (1992): Merkblatt 221, Anwendung von Geotextilien im Wasserbau, Verlag Paul<br />
Parey, Hamburg<br />
DVWK (1986): Merkblatt 210, Flussdeiche, Verlag Paul Parey, Hamburg<br />
HEERTEN, G. (1999): Erhöhung der Deichsicherheit mit Geokunststoffen.<br />
6. Informations- und Vortragstagung über Kunststoffe in der Geotechnik, Fachsektion<br />
"Kunststoffe in der Geotechnik" der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e. V. (DGGT),<br />
München, März 1999
HEERTEN, G. & HORLACHER, H.-B. (2002): Konsequenzen aus den Katastrophenhochwässern<br />
an Oder, Donau und Elbe, Geotechnik 25, Nr. 4, 231ff, Verlag Glückauf<br />
56<br />
NUSSBAUMER, M. & HEERTEN, G. (2003): Ohne Bauen kein Hochwasserschutz, Aqua<br />
Alta 03, Fachmesse mit Kongress für Hochwasserschutz und Katastrophenmanagement,<br />
Klima und Flussbau, München, 2003<br />
HEERTEN, G. (2003): Flussdeiche für lang einstauende Hochwasser.<br />
10. Darmstädter Geotechnik-Kolloquium, 13. März 2003, TU Darmstadt<br />
HEERTEN, G. (2003): Der sichere Deich, ATV-DVWK-Landesverbandstagung, Fürth,<br />
Oktober 2003<br />
SAATHOFF, F. & WERTH (2003): Geokunststoffe in Dämmen und Deichen. Symposium<br />
Notsicherung von Dämmen und Deichen, Siegen, Februar 2003<br />
SAATHOFF, F. & HEERTEN G. (1996): Mineralische Dichtungen von der Rolle.<br />
Festschrift anläßlich des 70. Geburtstages von Prof. Dr.-Ing. Dr.phys. H.-W. Partenscky,<br />
April 1996<br />
SANTO, J. (2003): Deichsanierung an der Kinzig. Vortrag im Rahmen des<br />
3.Geokunststoff-Kolloquiums der Naue Fasertechnik GmbH & Co. KG am<br />
30./31. Januar 2003 in Adorf/Vogtland<br />
TÖNNIS, B. & GIROD, K. & PAPKE, R. (2002): Sanierung der Oderdeiche im Bereich Bad<br />
Freienwalde. Wasserwirtschaft, Nr. 10/2002<br />
Verfasser<br />
Prof. Dr.-Ing. Georg Heerten<br />
NAUE GmbH & Co. KG<br />
Gewerbestraße 2<br />
32339 Espelkamp<br />
gheerten@naue.com<br />
Dipl.-Ing. Katja Werth<br />
BBG Bauberatung Geokunststoffe GmbH & Co. KG<br />
Gewerbestraße 2<br />
32339 Espelkamp<br />
werth@bbg-lf.de
57<br />
Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der<br />
hydrodynamischen Bodendeformation<br />
Kurzfassung<br />
Sebastian Perzlmaier & <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />
Der folgende Beitrag gibt Einblick in aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der<br />
hydrodynamischen Bodendeformation. Basierend auf Anmerkungen zur hierzulande<br />
üblichen Nachweisführung wird mit dem Systemansatz, der das Versagen durch<br />
hydrodynamische Bodendeformation als Aneinanderreihung mehrerer Teilprozesse zu<br />
verstehen hilft, eine international anerkannte Herangehensweise vorgestellt. Gemeinsam<br />
mit der Beschreibung der Erosionsphasen wird ein Überblick über den internationalen<br />
Stand der Technik bezüglich der Entwurfsgrundsätze, der vorhandenen<br />
Nachweisverfahren sowie der Beurteilung bestehender Dämme gegeben. Eine darauf<br />
basierende exemplarisch ausgeführte Anwendung zur Beurteilung der Gefahr der<br />
hydrodynamischen Bodendeformation in Deichen findet sich in dem dazugehörigen<br />
separaten Beitrag von HASELSTEINER & PERZLMAIER (2006).<br />
1 Einleitung<br />
Initiiert durch jahrelange Tätigkeit auf dem Gebiert der verteilten faseroptischen<br />
Leckageortung konnten der Lehrstuhl und die Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft der TUM in den vergangen Jahren an der Arbeit der im European Club<br />
of ICOLD organisierten Working Group on Internal Erosion in Embankment Dams<br />
teilhaben, dessen jährliches Treffen im Juni 2005 im Rahmen eines mehrtägigen<br />
Workshops an der Versuchsanstalt in Obernach statt fand. Im Zuge dieser Veranstaltung<br />
ist deutlich geworden, dass sich die Herangehensweise an das Thema in den letzten<br />
Jahren vorwiegend im angelsächsischen, westeuropäischen und skandinavischen Raum<br />
in Forschung und Praxis grundlegend gewandelt hat und mitunter von der bei uns<br />
vorherrschende Sichtweise abweicht.<br />
Die Innere Erosion, oder genauer die hydrodynamische Bodendeformation, ist weltweit<br />
nach Überströmen die häufigste Ursache für das Versagen von Dämmen. Von<br />
hydrodynamischer Bodendeformation spricht man, wenn Bodenpartikel im Damm oder<br />
dessen Untergrund bei Durchsickerung in Bewegung geraten. Es gibt mehrere Prozesse,<br />
die in diesem Sinne der Umlagerung von Bodenpartikeln zuzuordnen sind.<br />
Das Klassifizierungsschema zur Einteilung der Erscheinungsformen der<br />
hydrodynamischen Bodendeformation, auf das in Deutschland sowohl in<br />
wissenschaftlichen Arbeiten als auch in Regelwerken meist zurückgegriffen wird, geht<br />
zurück auf ZIEMS (1969). Es hat unter anderem Eingang in die ostdeutsche Talsperren<br />
TGL (ehm. DDR Standard entspr. DIN), in das Merkblatt ATV-DVWK-M 502 (2002)<br />
„Berechnungsverfahren für Staudämme – Wechselwirkung zwischen Bauwerk und<br />
Untergrund“, in das derzeit in Überarbeitung befindliche DVWK-Merkblatt 210 (1986)<br />
„Flussdeiche“ (zukünftig DWA-M „Deiche an Fließgewässern“, Gelbdruck. 2006), in das<br />
Merkblatt „Anwendung von Kornfiltern an Wasserstraßen“ (BAW MAK 1989) sowie in das
58<br />
Standardwerk zur Geohydraulik von BUSCH et al. (1993) gefunden. Die hydrodynamische<br />
Bodendeformation in körnigen Erdstoffen unterteilt sich laut Klassifizierungsschema in<br />
Erosion, Suffosion und Kolmation. Die Erosion kann als äußere Erosion 1 , als Innere<br />
Erosion, als Kontakterosion 2 und als Fugenerosion 3 auftreten. Die Suffosion wird in<br />
innere, äußere und Kontaktsuffosion unterteilt. (vgl. Abb. 1)<br />
HYDRODYNAMISCHE BODENDEFORMATION<br />
Erosion: Suffosion: Kolmation<br />
äußere Erosion<br />
innere Erosion<br />
Kontakterosion<br />
Fugenerosion<br />
innere Suffosion<br />
äußere Suffosion<br />
Kontaktsuffosion<br />
Abb. 1: Klassifizierungsschema nach ZIEMS (1969)<br />
Beim Nachweis der Sicherheit gegen hydrodynamische Bodendeformation kommen i. d.<br />
R. entweder geometrische, mitunter auch hydraulische Kriterien zur Anwendung. Mit<br />
geometrischen Kriterien für Kontakterosion (Filterkriterien) kann im Rahmen ihrer<br />
Anwendungsgrenzen ein Eindringen des Basiserdstoffes 4 in den Filtererdstoff<br />
ausgeschlossen werden. Wenn Partikeltransport geometrisch möglich ist, findet dieser nur<br />
statt, wenn die Krafteinwirkung der Durchströmung auf die Bodenkörner 5 deren<br />
Widerstandskraft überschreitet, was Grundlage der hydraulischen Kriterien ist.<br />
2 Anmerkungen zur Nachweisführung<br />
Das beschriebene Klassifizierungsschema von ZIEMS (1969) hat immer wieder zu der<br />
fälschlichen Annahme geführt, dass innere Erosion im Inneren eines Erdstoffes zur<br />
spontanen Entstehung von Erosionsröhren führen kann. ZIEMS (1969) weist jedoch<br />
selbst darauf hin, dass der inneren Erosion eine den Erosionsprozess auslösende<br />
Initiierung vorausgehen muss, wie durch kleine Hohlräume pflanzlichen oder tierischen<br />
Ursprungs oder durch rückschreitende Erosion von einem ungefilterten<br />
Sickerwasseraustritt bzw. an einem zu groben Filter.<br />
Bei Deichen lassen sich die in Abb. 1 dargestellten Phänome nach SAUCKE (2006) auf<br />
Kontakterosion senkrecht oder parallel zur Schichtgrenze, auf Suffosion und auf<br />
Erosionsgrundbruch 6 reduzieren, wie es auch im Entwurf für das DWA Merkblatt „Deiche<br />
an Fließgewässern“ enthalten ist. Die Fugenerosion entlang von Massivbauwerken wird<br />
1 z. B. Sedimenttransport in Fließgewässern<br />
2 an Schichtgrenzen zweier Erdstoffe<br />
3 unter Massivbauwerken<br />
4 feinkörnigerer, zu filternder Erdstoff<br />
5 I. d. R. verwendet man den hydraulische Gradienten, mitunter wäre die Poren- oder<br />
Filtergeschwindigkeit der aussagekräftigere Parameter, der jedoch nur schwer zu bestimmen ist.<br />
6 Aufbrechen der bindigen Deckschicht am luftseitigen Böschungsfuß mit anschließender<br />
rückschreitender Erosion und gegebenenfalls Röhrenbildung bis ins Oberwasser
gesondert betrachtet, auch wenn es an verlässlichen Kriterien zu deren Beurteilung zu<br />
mangeln scheint.<br />
59<br />
Für die Bewertung von Filtern für bindige Erdstoffe wird in BAW MAK (1989) ein Kriterium<br />
angeführt, dass sich auch in anderen Merkblättern wieder findet. Die vorgeschlagenen<br />
Filter für bindige Erdstoffe 1 entsprechen vermutlich nicht uneingeschränkt der<br />
anerkannten Forderung nach kohäsionslosen Filtern (vgl. KUTZNER 1996, SCHULER<br />
1997). Auch scheint der vorgeschlagene Bodenaustausch für Böden mit 0 ≤ cu ≤ 10 kN/m²<br />
nicht zwingend erforderlich, da auch für solche Böden bewährte Filterkriterien existieren<br />
(SHERARD & DUNNIGAN 1989).<br />
Bezüglich des oft zitierten Kriteriums für Kontakterosion nach CISTIN & ZIEMS (vgl.<br />
BUSCH et al. 1993) bleibt zu erwähnen, dass vielerorts von der Anwendung von<br />
Filterkriterien, die auf dem Abstandsverhältnis A = D50 / d50 2 basieren, abgeraten wird<br />
(u. a. BRAUNS & SCHULER 1993). Auch wenn das Kriterium durch Berücksichtigung der<br />
Ungleichförmigkeit einen scheinbaren Vorteil gegenüber klassischen Filterkriterien auf<br />
Basis D15 / d85 (z. B. TERZAGHI & PECK 1948, SHERARD & DUNNIGAN 1984a) zu<br />
haben scheint, so haben sich letztere für körnige Erdstoffe doch in unzähligen Fällen<br />
bewährt, so dass das Kriterium nach CISTIN & ZIEMS mit zunehmender<br />
Ungleichförmigkeit des Filters konservativer zu werden scheint (WITTMANN 1980), was<br />
mit einer Reduktion des Schluckvermögens einhergeht (KUTZNER 1996). Ohnehin<br />
unterliegt der Einbau sehr ungleichförmiger Filter immer der Gefahr der Entmischung.<br />
Bezüglich der hydraulischen Kriterien sollte erwähnt werden, dass sie von einer intakten<br />
Bodenmatrix ausgehen, was in der Praxis schwer einzuhalten sein dürfte. So setzt z. B.<br />
ZIEMS (1969) für die Gültigkeit seines Kriteriums für ikrit,B im Basismaterial bei aufwärts<br />
gerichteter Strömung und aufliegendem Filter die gleichmäßige Durchströmung 3 voraus.<br />
Welchen Einfluss eine lokale Variabilität der Durchlässigkeit hat, lässt sich gut aus den<br />
Diagrammen von MUCKENTHALER (1989) ablesen. Schließlich resultiert dessen Ansatz<br />
auf dem Zusammenhang zwischen erodiertem Partikeldurchmesser und<br />
Strömungsgeschwindigkeit, die um mehrere Zehnerpotenzen von der mittleren<br />
Geschwindigkeit abweichen kann. Ob die in BAW MSD (2005) aufgeführten<br />
Sicherheitsbeiwerte für hydraulische Kriterien dieser Tatsache ausreichend Rechnung<br />
tragen, bleibt zu hinterfragen. SCHULER (1997) erwähnt, dass hydraulische Kriterien bei<br />
nicht vorhandener geometrischer Filterstabilität nur bei bindiger Basis oder kurzzeitig bzw.<br />
untergeordnet wirkenden Filtersystemen zulässig sind.<br />
Der Nachweis der Filterwirksamkeit einer Filter-/ Basiskombination erfordert, abgesehen<br />
von der Wahl eines geeigneten Filterkriteriums, kein vertieftes Prozessverständnis.<br />
Hingegen muss z. B. der so genannte Erosionsgrundbruch als systematische Abfolge<br />
mehrerer Teilprozesse vom Entstehen einer Fehlstelle in der bindigen Deckschicht über<br />
einsetzende rückschreitende Erosion im darunter liegenden Erdstoff bis zur Fortpflanzung<br />
1 für Basiserdstoffe mit Plastizitätsindex IP ≥ 0,15 und undrainierter Kohäsion cu ≥ 10 kN/m² werden<br />
Filter mit D10 ≤ 0,016 mm und D60 ≤ 2 mm vorgeschlagen<br />
2 hier und im Folgenden bezieht sich D auf den Filter- und d auf den Basiserdstoff<br />
3 „keine bevorzugten Strömungswege“
einer Erosionsröhre ins Oberwasser verstanden werden, für deren Beurteilung<br />
grundlegendes Prozessverständnis unentbehrlich ist.<br />
60<br />
Im Folgenden soll dargestellt werden, wie unter Verwendung des Systemansatzes nach<br />
FELL et al. (2005) 1 die Prozesse der hydrodynamischen Bodendeformation besser<br />
verstanden und eingeordnet werden können. Er wurde entwickelt, um die<br />
Versagenswahrscheinlichkeit bestehender Dämmen durch hydrodynamische<br />
Bodendeformation unter Verwendung prozessbasierter Ereignisbäume vergleichen zu<br />
können. Der Systemansatz wird den systemimmanenten Unsicherheiten 2 bei der<br />
Bewertung der hydrodynamischen Bodendeformation besser gerecht als die isolierte<br />
Beurteilung einzelner Erosionsphänomene.<br />
FRAGEN<br />
Können<br />
Bodenpartikel in<br />
Bewegung geraten?<br />
Kommt der<br />
Transport von<br />
Bodenpartikeln<br />
zum Erliegen oder<br />
schreitet er fort?<br />
Welche Folgen hat<br />
ein progressiver<br />
Austrag von<br />
Bodenpartikeln?<br />
Welche<br />
Mechanismen<br />
führen wie schnell<br />
zum Versagen?<br />
PHASEN KRITERIEN<br />
Erosionsbeginn durch:<br />
•rückschreitende Erosion (Oberfläche / Schichtgrenze)<br />
•lokale Leckage (im Dichtungselement / an Bauwerken) Überwachung<br />
•Suffosion (Eigenstabilität der Böden)<br />
Suffosionskriterien<br />
Erosionsentwicklung:<br />
•keine Erosions<br />
•etwas Erosion<br />
•ausgeprägte Erosion<br />
•fortschreitene Erosion<br />
•keine Filter<br />
Erosionsfortschritt:<br />
•Eosionsröhrenstabilität<br />
•Erosionsröhrenvergrößerung<br />
•Setzungen / Setzungstrichter<br />
•Durchströmungsbehinderung (Stützkörper)<br />
Versagen:<br />
•Vergrößerung der Eosionsröhre<br />
•Kronensetzung mit Überströmung<br />
•Böschungsbruch mit Überströmung<br />
Abb. 2: Fragen, Phasen und Kriterien im Systemansatz<br />
Filterwirksamkeit:<br />
geometrische Kriterien<br />
hydraulische Kriterien<br />
Standfestigkeit (Feinteilanteil / Bauwerke)<br />
Erodierbarkeit / Erosionsrate<br />
3 Der Systemansatz für hydrodynamische Bodendeformation<br />
Gegenmaßnahmen<br />
Überwachung<br />
Dauer<br />
Abflussdrosselung<br />
Notmaßnahmen<br />
3.1 Phasen der hydrodynamischen Bodendeformation<br />
Das Versagen durchströmter Dämme durch hydrodynamische Bodendeformation lässt<br />
sich in vier aufeinander folgenden Phasen unterteilen (Abb. 2). Der Erosionsbeginn fasst<br />
1 Prof. Fell und Mitarbeiter arbeiten seit Ende der 90er Jahre verstärkt an einem „Framework for<br />
assessing the likelyhood of internal ersoion and piping of embankment dams and their<br />
foundations“. Vergleiche hierzu die zitierten Literaturstellen von FELL, FOSTER und WAN. Die<br />
aktuellste Übersicht dieser Arbeiten ist in FELL et al. (2005, noch unveröffentlichter Beitrag zu<br />
einem Workshop in Aoussoise, Frankreich, April 2005) enthalten, auf den hier exemplarisch<br />
verwiesen wurde. Eine ähnliche Herangehensweise wurde unter anderem beim USBR erarbeitet<br />
und umgesetzt (vgl. URS 2000). In England verfolgt man vergleichbare Ansätze (vgl. KBR 2003).<br />
2 z. B. Inhomogenität der Erdstoffe, Variabilität der hydr. Belastung, Zuverlässigkeit der Nachweise
61<br />
die Prozesse zusammen, durch die Bodenpartikel in Bewegung geraten können. Die<br />
Erosionsentwicklung bewertet, ob der Erosionsprozess z. B. durch Filterwirkung stoppt<br />
oder fortschreitet. Die Folgen eines kontinuierlichen Materialaustrages werden im<br />
Erosionsfortschritt, Bruch- und Versagensmechanismen in der Versagensphase<br />
zusammengefasst.<br />
3.2 Erosionsbeginn<br />
Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion<br />
Die rückschreitende Erosion fasst die Fälle des Erosionsbeginns zusammen, bei denen<br />
der Partikeltransport beim Austritt der Durchsickerung an einer freien Oberfläche startet.<br />
Sie tritt entweder im Bereich hinter dem luftseitigen Böschungsfuß oder an der luftseitigen<br />
Böschung auf, aber auch an Schichtgrenzen von Erdstoffen, wenn keine ausreichende<br />
Filterwirkung besteht. Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion an einer<br />
Schichtgrenze (Kontakterosion) kann unter Zuhilfenahme entsprechender Filterkriterien<br />
ausgeschlossen werden (vgl. Erosionsentwicklung).<br />
Die Durchsickerung kann bei homogenen Dämmen oder bei Versagen von Dichtungs-<br />
und Drainageelementen hinter dem Böschungsfußpunkt (Qualmwasser) oder auf der<br />
Böschung (Hangquelle) austreten. Es sind kritische hydraulische Gradienten die zu<br />
erdstatischem Versagen (abtreibende Strömungskräfte) führen und solche, die<br />
rückschreitende Erosion durch Partikeltransport beginnen, zu unterscheiden. Die<br />
hydraulische Belastung kann entweder durch mittlere Gradienten entlang des gesamten<br />
Sickerweges oder genauer durch lokale Gradienten am Punkt des Sickerwasseraustrittes<br />
beschrieben werden.<br />
Aus erdstatischer Sicht ist hinter dem luftseitigen Böschungsfußpunkt hydraulischer<br />
Grundbruch in körnigen Erdstoffen bei i ≥ ikrit = (Gs – 1)·(1 – ε) ≈ 1 bis 1,4 1 zu erwarten.<br />
Rückschreitende Erosion kann schon bei deutlich kleineren Gradienten einsetzen. Der<br />
kritische hydraulische Gradient für den Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion in<br />
körnigen Erdstoffen wird maßgeblich von der Ungleichförmigkeit und dem<br />
Korndurchmesser beeinflusst (SCHMERTMANN 2000). Besonders kritisch sind<br />
demzufolge gleichförmige körnige Erdstoffe geringen Korndurchmessers, wie Fein- und<br />
Mittelsande. SCHMERTMANN (2000) kommt durch Versuche zu kritischen lokale<br />
Gradienten iPMT , die für Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins Oberwasser überschritten<br />
werden müssen (Abb. 3), und definiert Faktoren, die deren Übertragbarkeit auf praktische<br />
Fälle erlauben 2 . WEIJERS & SELLMAIJER (1993) haben in ihren Versuchen festgestellt,<br />
dass rückschreitende Erosion bereits bei 40 % der Gradienten beginnen kann, die eine<br />
Ausbildung der Erosionsröhre bis ins Oberwasser bedingen. Aus der Zusammenschau<br />
der beiden Erkenntnisse lassen sich die in Abb. 3 dargestellten kritischen hydraulischen<br />
Gradienten für Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion abschätzen. Ein Vergleich<br />
mit Versuchen von WAN & FELL (2004, aufwärts gerichtete Durchströmung, ungefilterter<br />
Sickerwasseraustritt) zeigt, dass die kritischen lokalen Gradienten für Erosionsbeginn aus<br />
1 Nullspannungsbedingung mit Gs: spezifisches Gewicht der Körner, ε: Porosität<br />
2 u. A. Faktoren für: Länge des Sickerweges L, Dicke des Aquifers D, Korngröße d10, Anisotropie<br />
kh/kv
62<br />
Abb. 3 für U = 6 auch bei weitgestuften, suffosionssicheren Schluff-Sand-Kies-Gemischen<br />
auf der sicheren Seite liegen. Die Versuche weisen darüber hinaus auf eine<br />
Anwendbarkeit der kritischen lokalen Gradienten, die MUCKENTHALER (1989) aus der<br />
Widerstandskraft ruhender Partikel ursprünglich für horizontale Strömungen abgeleitet<br />
hat, zur Abschätzung des Erosionsbeginns durch rückschreitende Erosion bei aufwärts<br />
gerichteter Strömung an horizontalen Oberflächen hin 1 . Außerdem sind in Abb. 3 unter<br />
Berücksichtigung der Faktoren für unterschiedliche Sickerwegslängen und Anisotropien<br />
errechnete kritische lokale Gradienten iPMT für Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins<br />
Oberwasser nach SCHMERTMANN (2000) dargestellt.<br />
i PMT für Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins Oberwasser nach SCHMERTMANN (2000)<br />
d 10 = 0,2 (Mittelsand) ; D/L = 0,2 ; für verschiedene L (laut Beschriftung)<br />
Anisotropie des Untergrundes k h /k v = 1 : durchgezogene Linien ; k h /k v = 5 : gestrichelte Linien<br />
lokaler kritischer Gradient i<br />
1,2<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
100<br />
50<br />
10<br />
1 2 3 4 5 6<br />
U = d60 / d10 100<br />
50<br />
iPMT für Ausbildung einer Erosionsröhre bis<br />
ins Oberwasser nach SCHMERTMANN (2000)<br />
Modell: L = 1,52 m ; d10 = 0,2 (Mittelsand) ;<br />
D/L = 0,2 ; kh /k40% v = iPM 1T<br />
Mittelsand<br />
d 10 = 2 mm<br />
d 10 = 0,6 mm<br />
d 10 = 0,2 mm<br />
d 10 = 0,06 mm<br />
D L<br />
iPM T k/k1 L1,5<br />
k/k1 L10<br />
0,4 · k/ i k1 L50<br />
PMT für Erosionsbeginn<br />
k/k1 L100<br />
k/ k10 L50<br />
nach SCHMERTMANN (2000)<br />
nach WEIJERS et al. (1993)<br />
k/k10 L 100<br />
40% iPM T Feinsand<br />
40% iPM T Grobsand<br />
iPM T Kies<br />
Abb. 3: Kritische lokale hydraulische Gradienten für rückschreitende Erosion<br />
L: Länge des Sickerweges<br />
D: Mächtigkeit des Aquifers<br />
k h /k v : Anisotropie<br />
Die Auftriebssicherheit von bindigen Deckschichten, unter denen sich die Wasserdrücke<br />
aus dem Oberwasser fortpflanzen können, ist häufig nicht nachweisbar. Ein<br />
möglicherweise resultierendes Aufbrechen der Deckschicht kann zu hydraulischem<br />
Grundbruch oder zumindest zu Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion im<br />
darunter liegenden körnigen Erdstoff führen (FELL et al. 2005). Obwohl ein Aufbrechen<br />
der Deckschicht bei Überschreiten der Nullspannungsbedingung, bedingt durch deren<br />
Kohäsion selten zu beobachten ist, sollten zur Beurteilung eines möglichen<br />
Erosionsbeginns durch rückschreitende Erosion Fehlstellen angenommen werden, die z.<br />
B. pflanzlichen oder tierischen Ursprungs sein können. Die lokalen hydraulischen<br />
Gradienten nehmen ab, sobald Fehlstellen in der bindigen Deckschicht vorhanden sind.<br />
Der wesentliche Unterschied im Vergleich zu Fällen ohne bindige Deckschicht besteht in<br />
den anfänglich höheren lokalen hydraulischen Gradienten im Bereich der Fehlstelle.<br />
Außerdem sind Erosionsröhren, die sich unter dem Schutz der Deckschicht ausbilden, mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit standfest.<br />
1 bei Verwendung des Partikeldurchmessers d10 und der tatsächlichen Durchlässigkeit des Bodens
63<br />
Die wegen der Ähnlichkeit des Falles gerne herangezogenen Kriterien von BLIGH (1912),<br />
LANE (1935) und CHUGAEV (1962) (vgl. SAUCKE 2004) basieren auf statistischen<br />
Auswertungen vieler unterströmter Wehr- und Dammbauwerke ohne Felsgründung. Sie<br />
alle berücksichtigen nicht die Kornverteilung und fallen daher für ungleichförmigere in sich<br />
stabile Böden vermutlich konservativer aus. Die mittleren hydraulischen Gradienten nach<br />
BLIGH (1912) scheinen für die hier untersuchten Fälle mit vorwiegend horizontaler<br />
Strömung andere Sicherheiten zu enthalten als die von LANE (1935) (vgl. Tabelle 1), der<br />
horizontale Anteile des Sickerweges nur zu einem Drittel ansetzt (L = Lvert + Lhoriz / 3). Zu<br />
den kritischen mittleren Gradienten nach CHUGAEV ist zu sagen, dass die angegebenen<br />
Spannen auf einem Fortschrittskoeffizienten (1,0 bis 1,3) basieren, der aus damaliger<br />
Sicht (1962) zukünftigen Wissensgewinn berücksichtigen sollte und deshalb nur die<br />
untere Grenze ein fachlich fundiertes Kriterium darstellt. Von den zugrunde liegenden 162<br />
ausgewerteten Bauwerken haben acht versagt. Allerdings waren die kritischen mittleren<br />
Gradienten bei fünf davon kleiner als die Untergrenze des Kriteriums (vgl. DAVIDENKOFF<br />
1970). Eine vertrauenswürdigere Abschätzung, basierend auf dieser Erkenntnis, könnte<br />
mit abgeminderten Gradienten erfolgen (vgl. Tabelle 1).<br />
Tab. 1: Vergleich mittlerer kritischer hydraulischer Gradienten<br />
Bodenart<br />
ikrit<br />
CHUGAEV 1<br />
abgemindert<br />
ikrit nach<br />
CHUGAEV 2<br />
H / L = ikrit<br />
nach BLIGH 3<br />
3 H / L = ikrit<br />
nach LANE 4<br />
ikrit nach<br />
MÜLLER-KIRCHEN-<br />
BAUER 5<br />
ikrit, We nach<br />
WEIJERS &<br />
SELLMEIJER 6<br />
Kies<br />
0,25 0,25<br />
(0,10) 0,095 - (0,28 / 0,34)<br />
Grobsand<br />
0,083 0,067 0,12 – 0,17 (0,18 / 0,28)<br />
Mittelsand 0,15 0,11 (0,062)<br />
0,056 0,08 – 0,10 0,16 / 0,24<br />
Feinsand 0,12 0,10 0,056 0,061 0,06 – 0,08 0,09 / 0,14<br />
Mit dem Kriterium von WEIJERS & SELLMEIJER (1993) lässt sich ein boden- und<br />
geometrieabhängiger mittlerer kritischer Gradient ikrit,We bestimmen, der zu<br />
rückschreitender Erosion und nachfolgender Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins<br />
Oberwasser führt. Das Kriterium umfasst somit nicht nur den Erosionsbeginn, sondern<br />
auch den Erosionsfortschritt. Gleiches gilt für die bereits vorgestellten Kriterien, mit deren<br />
Ergebnissen die von WEIJERS & SELLMEIJER (1993) weitgehend übereinstimmen<br />
(Tab. 1), auch wenn die Autoren die Gültigkeit auf Fein- und Mittelsande einschränken.<br />
1<br />
CHUGAEV (1962) aus DAVIDENKOFF (1970) ohne „Fortschrittskoeffizienten 1,3“<br />
2<br />
CHUGAEV (1962) aus DAVIDENKOFF (1970) mit Berücksichtigung der aufgeführten Versagensfälle<br />
3<br />
Mittelsand und Kies sinngemäß aus Tabellen nach BLIGH (1912) in MALLET et al. (1951)<br />
4<br />
ohne vertikalen Sickerweg und L/3 für horizontalen Sickerwege nach LANE (1935) in MALLET et al. (1951)<br />
5<br />
für geschichteten Aufbau nach SAUCKE (2006)<br />
6<br />
nach WEIJERS & SELLMEIJER (1993) mit: U = 1,5 (links) / 3 (rechts);D Mächtigkeit Aquifers 10 m, L Länge<br />
des Sickerweges, D/L = 0,1; ε = 0,39; Kies und Grobsand außerhalb des Gültigkeitsbereiches,<br />
d70 Kies: 4 mm; Grobsand: 1 mm; Mittelsand 0,6 mm; Feinsand: 0,1 mm
64<br />
MÜLLER-KIRCHENBAUER et al. (1993) und SCHMERTMANN (2000) weisen auf den<br />
negativen Einfluss deichlagernaher Schichtungen des Untergrundes hin, die zu kleineren<br />
mittleren kritischen Gradienten führen (Tabelle 1).<br />
Bezüglich der rückschreitenden Erosion bei Austritt der Sickerlinie an der Böschung muss<br />
aus erdstatischer Sicht die lokale Standsicherheit erfüllt sein. Für kohäsionslose Erdstoffe<br />
ohne Vegetationsdecke und Drainagen lässt sich daraus eine maximale<br />
Böschungsneigung ableiten, die mit Reibungswinkeln zwischen 25° und 35° Werte<br />
zwischen 1:4,5 und 1:3 annimmt 1 . Unter der Annahme, dass die Sickerlinie am höchsten<br />
Austrittspunkt böschungsparallel und am Böschungsfußpunkt bei dichtem Untergrund<br />
horizontal austritt, lassen sich nach DAVIDENKOFF (1964) die lokalen hydraulischen<br />
Gradienten entsprechend Abb. 4 (links) berechnen. Der Anteile senkrecht zur Böschung<br />
ib,senk, der einen Partikeltransport durch rückschreitende Erosion verursachen kann, nimmt<br />
für die oben beschriebenen Neigungen Werte zwischen 0,05 und 0,11 an. Hierbei handelt<br />
es sich um lokale Gradienten, die verglichen mit Abb. 3 und Tab. 1 einen Erosionsbeginn<br />
durch rückschreitende Erosion für Fälle, in denen die lokale Standsicherheit der Böschung<br />
bei körnigen Erdstoffen auch ohne Berücksichtigung der Wurzelkohäsion gegeben ist,<br />
unwahrscheinlich machen.<br />
keine, bzw. duchlässigere<br />
Vegetationsdecke<br />
1 : n<br />
k f,Deich<br />
k f,Veg = k f,Deich<br />
a) b)<br />
i a<br />
β<br />
i b,senk<br />
i b<br />
lokale Fehlstellen in der unduchlässigeren<br />
Vegetationsdecke<br />
1 : n<br />
k f,Deich<br />
i a = sin β<br />
i b = tan β i b,senk = tan β · sin β i L,senk > i b,senk<br />
k f,Veg < k f,Deich<br />
i L,senk<br />
Abb. 4: Hydraulische Gradienten bei Austritt der Sickerlinie am Böschungsfuß<br />
Anders stellt sich die Situation dar, wenn auf der luftseitigen Böschung eine<br />
Vegetationsschicht vorhanden ist, die undurchlässiger als das Dammmaterial ist (Abb. 4,<br />
rechts). Neben einem möglichen Aufstau der Sickerlinie kommt es an lokalen Fehlstellen<br />
in der Vegetationsdecke zu einem deutlichen Ansteigen der lokalen hydraulischen<br />
Gradienten, und Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion ist wahrscheinlicher. Vor<br />
diesem Hintergrund erweisen sich neuerdings häufig angewendete Vegetationsdecken<br />
aus Magerrasen als günstig, da sie durchlässiger sind als die meisten<br />
Dammbaumaterialien (HASELSTEINER & STROBL 2004).<br />
Erosionsbeginn in konzentrierten Leckagen<br />
Konzentrierte Leckagen können durch Risse in bindigen Erdstoffen (z. B. Dichtungskern),<br />
durch Fehlstellen in Dichtungselementen oder durch andere Zonen erhöhter<br />
Durchlässigkeit entstehen. Risse in bindigen Erdstoffen können durch<br />
Setzungsunterschiede, Austrocknung, Frosteinwirkung oder Hydraulic Fracturing<br />
entstehen. Fehlstellen in Dichtungselementen können ausführungs- oder alterungsbedingt<br />
1 bei Entsprechung der Wichte des Bodens unter Auftrieb mit der Wichte des Wassers<br />
β
65<br />
sein. Zonen erhöhter Durchlässigkeit entstehen durch einen übermäßigen Grobkornanteil<br />
(z. B. Entmischung beim Schütten), durch schlechte Verdichtung oder durch Wühltiere<br />
und/oder Bewuchs. Konzentrierte Leckagen können außerdem an Fugen zu<br />
Massivbauwerken auftreten 1 , besonders wenn deren Oberflächen so steil geneigt sind,<br />
dass Setzungen und Verschiebungen des Erdkörpers zur Abnahme der Normalspannung<br />
in der Fuge führen.<br />
Bindige Materialien werden landläufig als sicher gegen Erosion angesehen, wenn sie eine<br />
ausreichende Plastizität und Kohäsion aufweisen (vgl. MAK BAW 1989). Diese Annahme<br />
gilt allerdings nur ohne konzentrierte Leckagen, die z. B. durch Setzungsunterschiede,<br />
Austrocknung oder Frosteinwirkung entstehen können. So kann die Erosionssicherheit<br />
bindiger Erdstoffe letztendlich nur durch Filter sichergestellt werden, die in der Lage sind,<br />
möglichen Materialaustrag zu verhindern oder zu stoppen, was thematisch in die Phase<br />
der Erosionsentwicklung fällt. Hier ist lediglich darauf hinzuweisen, dass Erosion von<br />
Kernmaterial in lokalen Leckagen nur dann gestoppt werden kann, wenn sich Risse im<br />
Kern nicht in den Filter fortpflanzen. Daher rührt die Forderung nach kohäsionslosen<br />
Filtern für natürliche Dichtungen (vgl. Kapitel 2), die durch Limitierung der Feinteile im<br />
Filter (D < 0,075 mm) auf maximal 5 % erfüllt werden kann. PARK (2003) zeigt, dass<br />
dieses Kriterium auch für plastische Feinteile Gültigkeit besitzt und für nichtplastische<br />
Feinteile bis auf 15 % erweitert werden kann.<br />
An der Kontaktfläche zu Massivbauwerken können konzentrierte Leckagen entstehen, in<br />
denen erhöhte Strömungsgeschwindigkeiten und in der Folge Materialtransport stattfinden<br />
kann. Da für die Nachweisführung keine konkreten Verfahren vorliegen, sei für horizontale<br />
Fugen auf die Überlegungen zur rückschreitenden Erosion und die Entsprechung mit den<br />
in Tabelle 1 zusammengestellten Fällen hingewiesen. Für vertikale Fugen mit aufwärts<br />
gerichteter Strömung empfiehlt SAUCKE (2006) das Kriterium von WITTMANN (1980).<br />
Hier scheinen außerdem die auf Überlegungen zum Sedimenttransport basierenden<br />
Kriterien von MUCKENTHALER (1989) zuzutreffen, wobei die Durchlässigkeit als groß<br />
anzusetzen ist und MUCKENTHALER (1989) empfiehlt, auf eine Ausnutzung der<br />
Adhäsion zu verzichten. Der Fugenerosion kann wirkungsvoll mit baulichen Maßnahmen<br />
begegnet werden (Untergrundabdichtung, Verwendung plastischer Erdstoffe im<br />
Anschlussbereich).<br />
Erosionsbeginn durch Suffosion<br />
Von Suffosion spricht man, wenn aus einem Erdstoff durch Sickerwasser selektiv Feinteile<br />
erodiert werden, ohne die Matrix aus gröberen Körnern zu zerstören, was mit einer<br />
Vergrößerung von Porenraum und Durchlässigkeit einhergeht. Die resultierenden<br />
veränderten hydraulischen Randbedingungen können neben erdstatischem Versagen<br />
einen Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion oder durch konzentrierte Leckagen<br />
begünstigen. Die Filterwirksamkeit von Filter-/ Basiskombinationen, wie sie mit<br />
Filterkriterien z. B. auf der Basis D15/d85 nachgewiesen wird, ist jedoch nur gewährleistet,<br />
wenn sowohl Filter als auch Basis in sich stabil, also nicht suffosionsanfällig sind.<br />
Andernfalls können entweder selektiv ausgetragene Feinteile der Basis den dann zu<br />
1 vgl. Fugenerosion nach ZIEMS (1969)
66<br />
groben Filter passieren, oder ein selektiver Austrag von Feinteilen aus dem Filter<br />
hinterlässt diesen zu grob, um die Basis zu filtern. Häufig wir als mögliche Folge von<br />
Suffosion eine verminderte Steifigkeit des Erdstoffes mit resultierenden Setzungen<br />
angeführt, was bestimmt vom Anteil der erodierten Fraktionen abhängt und nur schwer<br />
quantifiziert werden kann.<br />
Suffosionsanfällige Böden sind i. d. R. stetig weitgestufte Böden mit aufwärts konkaver<br />
Kornverteilungslinie sowie intermittierend gestufte Böden, also Böden mit Ausfallkörnung.<br />
Dabei sind grobkörnige Böden mit einem begrenzten Anteil sehr feiner Körner sowie<br />
locker gelagerte Böden besonders anfällig. Für einen möglichen Erosionsbeginn durch<br />
Suffosion müssen folgende Kriterien erfüllt sein (WAN & FELL 2004):<br />
• Die Körner der feinen Fraktionen müssen klein genug sein, um durch die<br />
Porenengstellen der gröberen Kornmatrix zu passen (erstes geometrisches<br />
Kriterium). Andernfalls spricht man von selbstfilternden Böden.<br />
• Der Anteil der feinen Fraktionen muss gering genug sein (< 30 bis 40 %), um die<br />
Zwischenräume der gröberen Kornmatrix nicht auszufüllen (zweites geometrisches<br />
Kriterium). Andernfalls schwimmen die groben Körner in den Feinteilen und bilden<br />
keine kraftschlüssige Bodenmatrix.<br />
• Die Porengeschwindigkeit muss ausreichend groß sein, um die Feinteile in der<br />
gröberen Kornmatrix zu bewegen (hydraulisches Kriterium). Die hydraulischen<br />
Gradienten, die erforderlich sind, um Suffosion zu beginnen, sind in der Regel<br />
kleiner als die für hydraulischen Grundbruch oder für den Beginn von<br />
rückschreitender Erosion erforderlichen.<br />
Das Phänomen der Suffosion in Sand- und Kiesböden ist Bestandteil vieler<br />
wissenschaftlicher Arbeiten. Die Suffosion in Erdstoffen mit Schluff- oder Tonanteilen fand<br />
bisher nur geringe Beachtung und wurde von WAN & FELL (2004) systematisch<br />
untersucht. Für den Nachweis der geometrischen Sicherheit gegen Suffosion empfiehlt<br />
BAW MSD (2005) eine Auftrennung in einen Fein- und einen Grobkornanteil mit<br />
nachfolgendem Nachweis der Filterstabilität. Die Trennung erfolgt in der Regel zwischen<br />
10% und 20 % Siebdurchgang, gegebenenfalls bei markanten Knickpunkten in der<br />
Kornverteilung, oder im Bereich der Ausfallkörnung (Sattelpunkt der Kornverteilung) bei<br />
intermittierend gestuften Böden. Der international gängige Nachweis nach KENNEY &<br />
LAU (1985, 1986) basiert auf der Vorstellung, dass für jede Fraktion mit dem<br />
Korndurchmesser d ein ausreichender Anteil an Korngrößen zwischen d und 4·d<br />
vorhanden sein muss, um nicht ausgespült zu werden. Das Verfahren beinhaltet eine<br />
systematische Einbeziehung aller relevanten Kombinationen aus Fein- und<br />
Grobkornanteil. Das Suffosionskriterium von BURENKOVA (1993) kann nach SAUKE<br />
(2006) empfohlen werden, ist aber nach WAN & FELL (2004) bei seiner Anwendung auf<br />
Erdstoffen mit Schluff- oder Tonanteilen weniger konservativ als das von KENNEY & LAU<br />
(1985, 1986). Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass unter Berücksichtigung sehr<br />
vieler Versuchsergebnisse ein eindeutiges geometrisches Kriterium für Sand- und<br />
Kiesböden mit und ohne Schluff- oder Tonanteile sehr konservativ ausfallen müsste,<br />
schlagen WAN & FELL (2004) ein Suffosionskriterium vor, dass die Suffosionsanfälligkeit<br />
auf wahrscheinlichkeitstheoretischer Grundlage beschreibt. Demnach sind Böden, die
67<br />
sowohl nach KENNEY & LAU (1985, 1986), als auch nach BURENKOVA (1993) als<br />
suffosionsanfällig eingestuft werden, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in sich stabil, und<br />
umgekehrt. Außerdem zeigen WAN & FELL (2004), dass die Suffosionsanfälligkeit mit<br />
zunehmender Porosität und abnehmendem Verdichtungsgrad zunimmt. Eine<br />
Abschätzung suffosionsgefährdeter Kornfraktionen kann nach BURENKOVA (1993)<br />
erfolgen.<br />
3.3 Erosionsentwicklung<br />
Ist Erosionsbeginn durch eines der oben beschriebenen Phänomene nicht<br />
auszuschließen, muss untersucht werden, ob progressiv ablaufender Materialaustrag<br />
einsetzen kann oder ob eine Veränderung der geometrischen und hydraulischen<br />
Randbedingungen diesen zum Erliegen bringt. Ob die Erosion fortschreitet, hängt in erster<br />
Linie davon ab, ob der Austrittspunkt des Sickerwassers gefiltert ist oder nicht. Bei<br />
ungefiltertem Austritt der Durchströmung wird der Erosionsprozess solange fortschreiten<br />
bis sich die hydraulischen Randbedingungen zum Besseren ändern.<br />
An der Schichtgrenze von Filter-/ Basissystemen kann Filterwirkung entweder ohne oder<br />
mit Partikelbewegung erreicht werden. Bei letzterem Fall bildet sich durch Kolmation ein<br />
Filterkuchen 1 aus. Bezüglich der geometrischen Filterkriterien, die eine<br />
Erosionsentwicklung durch Kontakterosion ausschließen können (keine Erosion), sei<br />
exemplarisch auf die in Kapitel 2 erwähnten geometrischen Kriterien vom TERZAGHI &<br />
PECK (1948) mit D15 / d85 < 4, SHERARD & DUNNIGAN (1989, vgl. Tabelle 2) und auf die<br />
reichhaltige Zusammenstellung in PARK (2003) verwiesen.<br />
Falls ein Nachweis mit geometrischen Kriterien scheitert, kann mit hydraulischen Kriterien<br />
abgeschätzt werden, ob Partikeltransport möglich ist. Bezüglich deren Anwendbarkeit sei<br />
auf die Anmerkungen in Kapitel 2 verwiesen. Hydraulische Kriterien für Kontakterosion in<br />
körnige Erdstoffe sind in SAUKE (2006) 2 zusammengestellt.<br />
Ist die Kornverteilung des Filters zu grob, um jegliche Erosion zu verhindern, kommt es im<br />
Basismaterial zu etwas, zu ausgeprägter oder zu fortschreitender Erosion. Der Ansatz von<br />
FOSTER & FELL (2001) hilft bei der Beurteilung der Erosionssicherheit von Filter-/<br />
Basissystemen, bei denen der Filter nicht modernen Filterkriterien genügt. Dabei sind die<br />
in Abb. 5 gezeigten Bereiche zu unterscheiden.<br />
1 Versiegelung der Schichtgrenze durch Partikel des Basiserdstoffes<br />
2 ZIEMS (1969): aufwärts gerichtete Strömung / horizontale Schichtgr., BRAUNS (1985):<br />
horizontale Strömung / horizontale Schichtgr., BEZUJEN et al. (1987): variabel geneigte Strömung<br />
und Schichtgr.
Filter D 15<br />
fortschreitende Erosion<br />
ausgeprägte Erosion<br />
etwas Erosion<br />
keine Erosion<br />
z. B. Basis d 85<br />
68<br />
keine Erosion:<br />
Der Filter lässt kein Eindringen von Feinteilen der Basis zu.<br />
wenig Erosion:<br />
Der Filter verschließt sich gegen Eintreten von Feinteilen aus<br />
der Basis nach etwas Erosion des Basismaterials.<br />
ausgeprägte Erosion:<br />
der Filter verschließt sich gegen Eintreten von Feinteilen aus<br />
der Basis erst nach ausgeprägter Erosion des Basismaterials.<br />
fortschreitende Erosion:<br />
der Filters ist zu grob um ihn durch das erodierte Basismaterial<br />
zu verschließen.<br />
Abb. 5: Kriterien zur Beurteilung der Erosionsentwicklung bei Kontakterosion nach<br />
FOSTER & FELL (2001)<br />
Angelehnt an das Filterkriterium nach SHERARD & DUNNIGAN (1989) haben FOSTER &<br />
FELL (2001) ausgehend von eigenen Versuchen, die Grenze bis zu der keine Erosion<br />
auftritt, schärfer gezogen (Tab. 2). Dabei fällt auf, dass ihr Kriterium für Basiserdstoffe mit<br />
einem Feinteilanteil > 35 % strenger (feinere Filter) und für solche mit einem Feinteilanteil<br />
< 35 % weniger streng (gröbere Filter) ausfällt.<br />
Tab. 2: Filterkriterien und Grenzen zwischen keiner und etwas Erosion<br />
Feinteilanteil Filterwirksamkeit Grenze keine / etwas Erosion<br />
F Basis [%] 1 Spanne 2 Kriterium 3 Spanne 4 Kriterium 5<br />
≥ 85 D15 ≤ (7 - 12) d85 D15 ≤ 9 d85 D15 ≤ (6,5 – 13,5) d85<br />
D15 ≤ 6,5d85<br />
35 - 85 D15 ≤ 0,7 - 1,5mm D15≤0,7mm D15 ≤ 0,7 - 1,7mm D15≤0,5mm<br />
15 - 35<br />
D15 ≤ (40 - F)·<br />
(4 d85 - 0,7mm)/25 + 0,7mm<br />
D15 ≤ 1,6 ((35 - F)·<br />
(4 d85 - 0,7mm)/20 + 0,7mm)<br />
≤ 15 D15 ≤ (7 - 10) d85 D15 ≤ 4 d85 D15 ≤ (6.8 - 10) d85 D15 ≤ 7 d85<br />
Die Grenzen zwischen etwas und ausgeprägter, bzw. zwischen ausgeprägter und<br />
fortschreitender Erosion nach FOSTER & FELL (2001) können bei der Beurteilung<br />
bestehender Dämme helfen (Tabelle 3). Demnach ist ab einem Verhältnis D15 / d85 > 9<br />
unabhängig vom Basiserdstoff mit fortschreitender Erosion zu rechnen. Bei der<br />
Beurteilung der Versagenswahrscheinlichkeit durch hydrodynamische Bodendeformation<br />
im Rahmen des Systemansatzes spielen diese Kriterien eine wichtige Rolle, wobei immer<br />
Körnungsbänder betrachtet werden sollten.<br />
1<br />
F: Anteile Basis < 75 μm, Grenzen der Bodengruppen von SHERARD & DUNNIGAN (1989) modifiziert nach<br />
FOSTER & FELL (2001) 35% statt 40%, Körnungslinie Basis muss auf dmax = 4,75 mm angepasst werden (gilt<br />
entsprechend für F in Tabelle 3)<br />
2<br />
Beobachtete Spanne der Filterwirksamkeit nach SHERARD & DUNNIGAN (1989)<br />
3 2<br />
Entwurfskriterium nach SHERARD & DUNNIGAN (1989), Sicherheit vgl. , auch in US SCS (1986)<br />
4<br />
Beobachtete Spanne für keine Erosion nach FOSTER & FELL (2001)<br />
5<br />
vorgeschlagenes Kriterium für Grenze keine / etwas Erosion nach FOSTER & FELL (2001)
Tab. 2: Filterkriterium und Grenzen zwischen keiner und etwas Erosion<br />
d95 ≥ 2mm<br />
Basierstoff<br />
69<br />
Grenze etwas /<br />
ausgeprägte Erosion<br />
d95 ≤ 0,3 mm D15 > 9 d95<br />
0,3 mm < d95 < 2 mm D15 ≤ 0,7 mm<br />
F ≥ 35 nur mit Filterversuchen<br />
15 < F < 35<br />
D15 ≤ 2,5 ((35 - F)·<br />
(4 d85 - 0,7mm)/20 + 0,7mm)<br />
F ≤ 15 D15 > 9 d85<br />
Grenze ausgeprägte /<br />
fortschreitende Erosion<br />
D15 > 9 d95<br />
3.4 Erosionsfortschritt<br />
Beim Erosionsfortschritt bedingt die hydraulische Schleppspannung in dem erodierenden<br />
Boden einen anhaltenden Materialaustrag. Es kann entweder zur Ausbildung von<br />
standfesten Erosionsröhren oder zu Setzungstrichtern (Nachsacken des Bodens über<br />
Stellen des Materialaustrags) kommen. Standfeste Erosionsröhren, die nicht bereits bei<br />
geringer Größe kollabieren, können sich nach FOSTER (1999) vor allem in bindigen<br />
Böden sowie in schluffigen Sanden und sandigen Schluffen mit einem Feinkornanteil (d <<br />
0,075 mm) größer 15 % ausbilden. Die Gefahr von standfesten Röhren besteht darüber<br />
hinaus unter Massivbauwerken und unter bindigen Deckschichten. Für den Fall, dass sich<br />
keine standfesten Erosionsröhren ausbilden, kann sich der Erosionsfortschritt vorzeitig<br />
durch Sackungen oder Setzungstrichter an der Oberfläche abzeichnen, was eine gewisse<br />
Reaktionszeit für Gegenmaßnahmen einräumt. Auch die rückschreitende Erosion an<br />
einem ungefilterten Austritt der Durchsickerung macht sich i. d. R. durch Materialaustrag<br />
an der Oberfläche bemerkbar. Kritischer sind diesbezüglich Erosionsröhren in bindigen<br />
Dichtungskernen, da zum einen keine sichtbaren Anzeichen auftreten und zum anderen<br />
Maßnahmen zur Verringerung der Durchsickerung an der wasserseitigen Böschung i. d.<br />
R. unwirksam sind.<br />
Ob sich ein Riss in einem bindigen Material, dessen Partikel nicht von einem Filter<br />
aufgehalten werden, vergrößert, hängt von der Erodierbarkeit des Bodens und der<br />
hydraulischen Belastung ab. Die hydraulische Belastung (Schubspannung τ) lässt sich<br />
aus dem hydraulischen Gradienten und einer Rissweitenabschätzung rückrechnen. Die<br />
Erodierbarkeit von Böden lässt sich mit der kritischen Schubspannung τ0 für den<br />
Erosionsbeginn und dem Erosionsratenindex IHET beschreiben. Für τ > τ0 findet<br />
Materialaustrag statt, wobei die Erosionsgeschwindigkeit vom Erosionsratenindex IHET<br />
nach WAN & FELL (2002, 2004 1 ) bestimmt wird. Der Erosionsratenindex kann in so<br />
genannten Pinhole oder Slot Erosion Tests (HET, SET) versuchstechnisch bestimmt oder<br />
überschlägig nach WAN & FELL (2002, 2004) abgeschätzt werden. Für Böden mit<br />
Tonanteilen > 20 % oder Feinteilanteil > 50 % ist ein IHET > 3 wahrscheinlich. Die<br />
Erosionsrate, welche die Geschwindigkeit bestimmt, mit der sich ein Riss tatsächlich<br />
1 IHET < 2: sehr schnelle bzw IHET > 6: sehr langsame Erosion
70<br />
vergrößert, berechnet sich zu εt = 10 -I,HET (τ − τ0) in [kg/(m²s)]. Die Erodierbarkeit von<br />
Böden wird auch vom Verdichtungs- und vom Sättigungsgrad beeinflusst.<br />
Wenn die Leckageabflüsse bei Vergrößerung einer Erosionsröhre groß werden, kann der<br />
Durchfluss auch durch die Stützkörper oder andere Elemente, wie eine<br />
Betonoberflächendichtung begrenzt werden, in denen sich dann auch ein hydraulischer<br />
Gradient einstellt. Material aus dem wasserseitigen Filter wird entweder die Erosionsröhre<br />
verstopfen oder es stellt sich im äußersten Fall eine Sickerlinie wie in einem homogenen<br />
Damm ein, wenn es nicht vorher zu erdstatischem Versagen kommt.<br />
3.5 Überwachung und Gegenmaßnahmen<br />
Der Überwachung und Intervention kommt im Rahmen des Systemansatzes eine große<br />
Bedeutung zu. Es liegt auf der Hand, dass die Wahrscheinlichkeit eines Versagens wegen<br />
hydrodynamischer Bodendeformation durch Möglichkeiten eines rechtzeitigen Erkennens<br />
von Erosionsbeginn, Erosionsentwicklung oder Erosionsfortschritt abnimmt. Außerdem<br />
lassen sich durch Überwachung aus Unbekanntem resultierende Unsicherheiten<br />
minimieren. Faktisch kann eine erfolgreiche Überwachung ausreichend Zeit schaffen, um<br />
mit geeigneten Gegenmaßnahmen ein Versagen zu verhindern oder zu verzögern.<br />
Ob wirksame Gegenmaßnahmen durchgeführt werden können, hängt neben einem<br />
erfolgreichen Erkennen und Lokalisieren kritischer Erosionsprozesse von Art und Ort der<br />
hydrodynamischen Bodendeformation, von der Zugänglichkeit, von verfügbarem<br />
Personal, Gerät und Material und nicht zuletzt von der verfügbaren Zeit ab. Im Gegensatz<br />
zu Flussdeichen kann bei Speicherbauwerken unter Umständen eine<br />
Stauspiegelabsenkung durchgeführt werden.<br />
Hinweise auf hydrodynamische Bodendeformation resultieren typischer Weise aus<br />
Beobachtungen der Durchsickerung, die bei Dämmen traditionell durch visuelle<br />
Kontrollen, Sickerwasser- oder Porenwasserdruckmessungen erfolgt. Die unersetzliche<br />
visuelle Kontrolle beschränkt sich dabei naturgemäß auf das Erkennen von<br />
Veränderungen an der Luftseite und somit auf oberflächennahe Auswirkungen von<br />
Durchsickerungen. Sickerwasserabflussmessungen ermöglichen eine Ortung von<br />
Schadstellen nur bei hinreichender Schotteinteilung. Eine besondere Bedeutung kommt<br />
der Beobachtung oder Messung der Trübheit des Leckageabflusses zu. Bei<br />
Stauhaltungsdämmen oder Kraftwerkskanälen ist eine lückenlose Sickerwassermessung<br />
auf Grund ihrer großen Länge mit herkömmlichen Methoden meist nicht möglich. Hier<br />
erfolgt die Kontrolle der Durchsickerung in der Regel punktuell, z.B. mit Piezometern oder<br />
Pegeln.<br />
Von den neueren geophysikalischen Methoden 1 gilt die thermische Leckageortung als<br />
besonders wirkungsvoll (KBR 2003). Für eine lückenlose Überwachung steht seit einigen<br />
Jahren die verteilte thermische Leckageortung zur Verfügung (PERZLMAIER et al. 2006).<br />
Für die Beurteilung von Gefahrenpotentialen eignet sich dabei die verteilte<br />
Filtergeschwindigkeitsmessung mit der Aufheizmethode (PERZLMAIER 2006) besonders,<br />
1 Self potential, Electrical resistivity, Ground penetrating Radar, etc.
da sie erstmals eine direkte und verteilte Messung des für hydrodynamische<br />
Bodendeformation maßgebenden Parameters Filtergeschwindigkeit ermöglicht.<br />
71<br />
3.6 Versagen<br />
Versagensformen, die durch hydrodynamische Bodendeformation eingeleitet werden, sind<br />
entweder hydraulischer oder erdstatischer Art und unterscheiden sich in Ablauf und<br />
Dauer. Eine standfeste Erosionsröhre durch den Damm oder dessen Untergrund kann<br />
ohne Zusammenbruch des Schüttkörpers zu großen Leckageabflüssen führen. Das<br />
Versagen von Dichtungen mit resultierendem Anstieg der Sickerlinie im Stützkörper kann<br />
zu Böschungsbruch mit anschließender Überströmung und Breschenbildung führen.<br />
Sackungen oder Setzungen an der Krone können anfänglich zum Verlust des Freibordes<br />
und weiter zu Überströmung mit Breschenbildung führen. Typische Versagensformen für<br />
Deiche sind in HASELSTEINER & PERZLMAIER (2006) enthalten.<br />
Die Ereignisbäume, welche eine Aneinanderreihung von Teilprozessen bis hin zum<br />
Versagen bedingt durch hydrodynamische Bodendeformation zusammenfassen, sollten<br />
die vier in Abb. 2 beschriebenen Phasen durchlaufen. Zusätzliche Betrachtungen des<br />
Lastfalles (z. B. Normal- oder Vollstau, Erdbeben), des Ortes der hydrodynamischen<br />
Bodendeformation (z. B. im Dammkörper, im Untergrund oder an der Aufstandsfläche)<br />
sowie der Möglichkeiten einer erfolgreichen Überwachung und Intervention sollten in<br />
einem vollständigen Ereignisbaum enthalten sein. Für die Anwendung ist es von großer<br />
Bedeutung, kritische Versagensmechanismen zu extrahieren. Bei Staudämmen tritt<br />
hydrodynamische Bodendeformation im Dammkörper nach FOSTER et al. (2000) doppelt<br />
so häufig auf wie im Untergrund und zwanzigmal häufiger als vom Dam in den<br />
Untergrund. Rund zwei drittel der ausgewerteten Versagensereignisse traten in den<br />
ersten fünf Betriebsjahren auf.<br />
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Technische Universität Dresden.<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Sebastian Perzlmaier & Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />
Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
Technische Universität München<br />
Arcisstraße 21<br />
80290 München<br />
s.perzlmaier@bv.tum.de & r.haselsteiner@bv.tum.de
75<br />
Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der<br />
hydrodynamischen Bodendeformation in Deichen –<br />
Praktische Beispiele<br />
Kurzfassung<br />
<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong> & Sebastian Perzlmaier<br />
Folgender Beitrag bezieht sich auf die Ausführungen „Der Systemansatz zur Beurteilung<br />
der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation“ von PERZLMAIER u.<br />
HASELSTEINER (2006). Es werden spezielle Aspekte an Deichen erläutert und<br />
anschließend an drei praktischen Beispielen Hinweise zur Handhabung des<br />
Systemansatzes gegeben. Abschließend wird durch eine unscharfe probabilistische<br />
Abschätzung gezeigt, wie der Systemansatz dazu dienen kann,<br />
Versagenswahrscheinlichkeiten für den durch innere Erosion verursachten Beginn eines<br />
Deichbruches abzuschätzen.<br />
1 Einleitung<br />
Die Beurteilung der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation stellt sich bei<br />
Deichen aufgrund variierender Untergrundverhältnisse, inhomogenen Aufbaus oder auch<br />
veränderlicher Bodenparameter sehr schwierig dar. Eine Beurteilung, welche<br />
Auswirkungen die vielen verschiedenen Einflussfaktoren auf die geohydraulische Stabilität<br />
des Gesamtsystems haben und inwieweit die Anwendung der zahlreichen Filter-,<br />
Suffosions- und Erosionskriterien zur Beurteilung herangezogen werden können, ist nur<br />
anhand eines prozess- und risikobasierten Systemansatzes möglich (PERZLMAIER u.<br />
HASELSTEINER 2006; FELL et al. 2005). Ein allgemeingültiges Bemessungskonzept<br />
kann, wie aufgrund der Ausführungen in BAW MAK (1989) bzw. BAW MSD (2005)<br />
vermutet werden könnte, nicht angegebenen werden, was in DIN 19712/1997 richtig<br />
gestellt wird.<br />
Kritische Versagensmechanismen können in Teilprozesse, z. B. durch Aufstellen von<br />
Ereignisbäumen, untergliedert werden und diese Teilprozesse mit<br />
Eintretenswahrscheinlichkeiten belegt werden. Durch die Betrachtung unterschiedlicher<br />
Versagensmechanismen oder eines maßgebenden Ereignispfades kann anschließend<br />
einem Deichsystem eine Versagenswahrscheinlichkeit infolge hydrodynamischer<br />
Bodendeformation zugewiesen werden. Dazu bedarf es expliziter Nachweise und<br />
Kriterien ebenso wie ein fundiertes Fachwissen auf dem Deich- und Dammsektor.<br />
Zusätzlich kann durch den Systemansatz vorhandene Erfahrung transparent und sicher<br />
an richtiger Stelle eingesetzt werden.<br />
Da es, zumindest zurzeit, noch nicht möglich ist, einzelnen Prozessen der<br />
Bodenumlagerung exakte Eintretenswahrscheinlichkeiten p zuzuordnen, muss man sich<br />
mit einer groben probabilistischen Beschreibung weiterhelfen. Probabilistischen Angaben<br />
können nur bedingt Eintretenswahrscheinlichkeiten bzw.
Nichteintretenswahrscheinlichkeiten (1 – p) zugeordnet werden. Folgende Zuordnung<br />
wurde im Folgenden verwendet (Tab. 1).<br />
Tab. 1: Verwendete Bezeichnungen und ihre Zuordnung zu Wahrscheinlichkeiten (nach<br />
HUBER et al. 2003 und IDEL 1988)<br />
76<br />
Bezeichnung Wahrscheinlichkeit<br />
Sicher ≤ p = 10 0 = 1,0 (q = 1 - 10 0 )<br />
Wahrscheinlich ≤ p = 10 -1 = 0,1<br />
Möglich ≤ p = 10 -2 = 0,01<br />
Nicht auszuschließen ≤ p = 10 -3 = 0,001<br />
Unwahrscheinlich ≤ p = 10 -4 = 0,0001<br />
Auszuschließen ≤ p = 10 -5 = 0,00001<br />
2 Besondere Randbedingungen bei Deichen<br />
2.1 Einstaudauern von Deichen an bayrischen Flüssen<br />
Deiche sind, anders als Talsperren und Stauhaltungsdämme, nur im Hochwasserfall<br />
eingestaut. An bayerischen Flüssen dauern Hochwasserereignisse von wenigen Tagen<br />
bis zu mehreren Wochen an (Gesamtdauer: TG). Entsprechende Scheiteldauern TSch<br />
können sechs Stunden bis zu etwa vier Wochen betragen (vgl. Abb. 1).<br />
Abb. 1: Scheiteldauern und<br />
Gesamtdauern von<br />
Hochwasserganglinien an<br />
bayerischen Flüssen<br />
Gesamtdauer T G [h]<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
91 ausgewertete Ereignisse<br />
an unterschiedlichen Pegeln<br />
0 200 400 600 800<br />
Scheiteldauer T Sch [h]<br />
Die größten geohydraulischen Belastungen für den Deich, nimmt man die Rücksickerung<br />
an der wasserseitigen Böschung bei fallendem Wasserstand außer Betracht, ergeben<br />
sich bei hohen Wasserständen (Kronenstau).
77<br />
Zur Beurteilung der hydrodynamischen Bodendeformation ist es grundlegend über die<br />
Durchsickerungsverhältnisse im Deich und dessen Untergrund genau Bescheid zu<br />
wissen. Eine Annahme von stationären Durchsickerungsverhältnissen liegt i. d. R. auf der<br />
sicheren Seite. Für relativ undurchlässige homogene Deiche an kleineren bayrischen<br />
Flüssen, wie z. B. der Mangfall, führt diese Annahme sowohl erdstatisch als auch<br />
geohydraulisch zu einer Überdimensionierung der Deiche, wenn man in grober<br />
Abschätzung die Zeit als maßgebend ansieht, die die Durchsickerungsfront benötigt, um<br />
an der luftseitigen Böschung auszutreten (vgl. HASELSTEINER U. STROBL 2005).<br />
Eine einfache Möglichkeit, die instationären Verhältnisse in einem Deich abzuschätzen,<br />
bietet folgende Gleichung:<br />
Glg. 1 n a 2<br />
t b = ⋅ b<br />
2 ⋅ h ⋅ k<br />
Durchsickerungsdauer [s]<br />
tb<br />
na<br />
luftgefüllte Porosität [-]<br />
b Breite des Deichlagers [m]<br />
hD<br />
Höhe des Deiches [m]<br />
k Durchlässigkeit des Bodens [m/s]<br />
Für den Fall eines plötzlichen Einstaus kann somit die Dauer tb abgeschätzt werden, die<br />
besagt, wie lange es dauert, bis die Durchsickerungsfront den landseitigen Deichfuß<br />
erreicht (vgl. SCHNEIDER et al. 1997). Für einen Beispieldeich sind entsprechende Werte<br />
in Abb. 2 angegeben. Die maximale Strömungsbelastung oder die Ausbildung einer<br />
stationären Sickerlinie muss jedoch auf anderem Wege – analytisch oder numerisch –<br />
ermittelt werden.<br />
Deichhöhe hD [m]<br />
5,0<br />
4,5<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
n a = 0,25<br />
b DK = 3 m<br />
1:2<br />
k = 10 -2 m/s<br />
1:3<br />
1 h<br />
0,001 0,01 0,1 1 10 100 1000 10000<br />
Dauer tb [h]<br />
Abb. 2: Abschätzung der Durchsickerungsdauer tb für plötzlichen Einstau<br />
1:2<br />
k = 10 -3 m/s<br />
1:3<br />
1 d<br />
1:2<br />
k = 10 -4 m/s<br />
1:3<br />
7 d<br />
1:2<br />
14 d<br />
k = 10 -5 m/s<br />
28 d<br />
1:3<br />
1:2<br />
k = 10 -6 m/s<br />
1:3
78<br />
2.2 Deichaufbau und Bodenbeschaffenheit<br />
Der historischen Entwicklung im Hochwasserschutz und im Erdbau haben wir zu<br />
verdanken, dass neu gebaute und ertüchtigte Deiche heutzutage einheitlich hohen<br />
Sicherheitsansprüchen genügen. Allerdings wurden schon vor hunderten Jahren<br />
Maßnahmen ergriffen, um Siedlungen, Ackerflächen und Menschen vor Überflutungen zu<br />
schützen, während geotechnisches Wissen sowie hydrologische Bemessungshilfen noch<br />
weitgehend unbekannt waren. Daraus resultieren Deichbauwerke, die mit den heutigen<br />
technischen Standards in Bauweise, Ausführung und Instandhaltung nicht zu vergleichen<br />
sind (vgl. z. B. SCHMIDT 2000). Aufgrund immer wieder auftretender größerer<br />
Hochwasserereignisse in der Vergangenheit wurden unterdimensionierte Deiche zum Teil<br />
mehrere Male den neuen Bemessungskriterien angepasst. Das geschah i. d. R. auf dem<br />
Weg, dass überströmte, zerstörte Bereiche entsprechend dem gerade aufgetretenen<br />
Hochwasserstand zzgl. einer Freibordhöhe erhöht und/oder verstärkt wurden. Auf<br />
Anordnung und Wahl unterschiedlicher Deichbaumaterialien wurden im Einzelfall keine<br />
Anforderungen gestellt.<br />
Die meistens nur lückenhaft mögliche Erkundung des Aufbaus und der<br />
Zusammensetzung solch inhomogener Bereiche stellt einen weiteren Unsicherheitsfaktor<br />
dar. Die herkömmlichen geotechnischen direkten oder indirekten Aufschlussverfahren<br />
sind mit Unsicherheiten behaftet und werden nur punktuell eingesetzt. Wird flächig mittels<br />
geophysikalischer Verfahren wie z. B. das Georadar oder die Widerstandsgeoelektrik<br />
erkundet, bergen die Ergebnisse aufgrund des inhomogenen Aufbaus verhältnismäßig<br />
hohe Unsicherheiten. Eine kombinierte Anwendung mit geotechnischen Aufschlüssen zur<br />
Eichung kann im Vorfeld jedoch eine Unterscheidung in homogene und inhomogene<br />
Bereiche zulassen und die<br />
Erkundungstätigkeit in die<br />
maßgebenden Bereiche lenken (vgl.<br />
HASELSTEINER U. STROBL 2005).<br />
Ähnliches gilt natürlich auch für den<br />
Deichuntergrund. Der ist natürlich<br />
gewachsen, kann von einer mehr<br />
oder minder bindigen Deckschicht<br />
überlagert werden und feine<br />
Sandbänder sowie Schlufflinsen<br />
aufweisen. Daraus resultiert ein<br />
geschichteter Aufbau, der eine hohe<br />
Anisotropie aufweisen kann. Eine<br />
bindige Deckschicht nimmt bei der<br />
Beurteilung der hydrodynamischen<br />
Bodendeformation einen besonderen<br />
Stellenwert ein, da sie zum einen<br />
Deich und Untergrund weitgehend<br />
hydraulisch trennt und zum anderen<br />
Abb. 3: An abgestorbener Baumwurzel<br />
ausgetragene Kieskörner (Quelle: WWA<br />
Deggendorf)
79<br />
direkte Auswirkungen von Umlagerungen im Untergrund auf den Deich unterbindet. Diese<br />
sichernde Wirkung steht in Konkurrenz mit der höheren hydraulischen Belastung des<br />
Deiches selbst, da kein Druckabbau in den Untergrund erfolgen kann.<br />
Werden die bodenkundlichen Verhältnisse durch Deichneubau oder durch<br />
Grundwasserabsenkung gestört, können sich die Böden auf natürlichem Wege ändern.<br />
Auenböden können sich bei Trockenfallen zu Gleyböden entwickeln. An der unteren<br />
Grenzfläche zum durchlässigen Untergrundkies kann der vormals regelmäßig befeuchtete<br />
und überflutete Auenboden durch Aggregatbildung Pseudosande ausbilden, welche u. U.<br />
ursprünglich nicht vorhanden waren und erosionsanfällig sind (KUNTZE et al. 1994).<br />
Die auf den Deichböschungen üblichen Vegetationsdecken bzw. Grasnarben wirken als<br />
biologische Bewehrung, Schutz und natürlicher Filter. Trotz der schützenden<br />
Vegetationsdecke können durch Gehölzwurzeln und Wühltiertätigkeit Fehlstellen<br />
entstehen. Für den Nachweis der lokalen Standsicherheit von Dämmen an<br />
Bundeswasserstraßen kann nach BAW MSD (2005) Wurzelkohäsion angesetzt werden.<br />
Dadurch sind i. d. R. bei körnigen Erdbaustoffen steilere Böschungen möglich. Dies hat<br />
allerdings zur Folge, dass die lokalen Strömungskräfte bzw. hydraulischen Gradienten<br />
ansteigen. Solange diese „wurzelkohäsive“ Vegetationsdecke flächig funktionstüchtig und<br />
entsprechend höhere Durchlässigkeit aufweist, kann davon ausgegangen werden, dass<br />
kein Material austritt. Intensiv gepflegter Rasen auf einer mehr oder minder bindigen, bis<br />
zu 25 cm dicken Oberbodenschicht kann zu ungewünschtem Aufstau führen, wenn der<br />
Deichkörper durchlässiger ist als die Vegetationsdecke. Die Gradienten bei einer<br />
Störstelle vergrößern sich ebenfalls drastisch (vgl. PERZLMAIER u. HASELSTEINER<br />
2006). Dass dies sogar zu Ausspülung grober Kieskörner führen kann, zeigt das Beispiel<br />
in Abb. 3, in dem eine abgestorbene Baumwurzel die schützende Vegetationsdecke<br />
durchdringt. Günstiger wirkt ein wurzelintensiver Magerrasen, der im Einzelfall auch direkt<br />
auf das kiesige Deichbaumaterial angesät werden kann (HASELSTEINER U. STROBL<br />
2004, 2005).<br />
2.3 Bauwerke und Dichtungen<br />
Bauwerke, wie z. B. Siele, Tore aber auch Schöpfwerke, Brücken und private Nutzbauten<br />
bedürfen stets eines Anschlusses von Massiv- an Erdbauwerk. Im Gegensatz zur<br />
Talsperrenpraxis wird an Deichen trotz besseren Wissens im Einzelfall die notwendige<br />
Sorgfalt diesbezüglich vernachlässigt, so dass Schäden an Deichen durch<br />
hydrodynamische Bodendeformation oft an Bauwerken auftreten.<br />
Oberflächendichtungen und Innendichtungen in Deichen haben die Aufgabe, die<br />
Durchsickerung des Deiches zu reduzieren. Während hydraulisch gebundene<br />
Innendichtungen durch das Einhalten eines maximal auftretenden Gradienten und der<br />
Forderung einer Mindestfestigkeit qu [kN/m²] und eines adäquaten E-Moduls<br />
erosionsstabil und setzungsunempfindlich sind, kann bei natürlichen Dichtungen,<br />
insbesondere bei oberflächennahen, geneigten Dichtungen aus bindigen Materialien,<br />
Umlagerung nicht nur aufgrund ungeeigneter Bodeneigenschaften stattfinden, sondern<br />
auch durch auftretende Risse durch Austrocknung, Frost oder Setzungen. Eine größere<br />
Sicherheit wird durch die Anordnung eines Filters erreicht. Idealerweise kann das<br />
Deichstützkörpermaterial die Aufgabe eines Filters übernehmen. Spundwände sind
diesbezüglich unkritisch, da sie erosionsstabil und setzungsunempfindlich sind (DWA<br />
2005).<br />
80<br />
2.4 Einwirkungen der Umwelt<br />
Abhängig von Deichstandort und Deichaufbau spielen bei den zu Trockenzeiten brach<br />
liegenden Deichen die Umwelteinflüsse eine gewichtige Rolle. So können, wie bereits<br />
erwähnt, durch Austrocknung, Frosteinwirkungen aber auch durch Setzungen durch z. B.<br />
Grundwasserabsenkung Risse in bindigen Dammbaumaterialien oder Dichtungen<br />
auftreten, was zur hydrodynamischen Bodendeformation, wenn im Einzelfall auch nur<br />
begrenzt, führen kann.<br />
Weitaus wahrscheinlicher und offenkundiger sind Umlagerungen an Wühltiergängen oder<br />
–bauten sowie lebenden oder verrottenden Wurzeln. Die Röhren oder Höhlen von<br />
Wühltieren können die Durchsickerung verstärken und anfängliche Hohlräume zur<br />
Bodenumlagerung (Erosionsbeginn) bieten. Im Bereich von Wurzel oder Wühltieren sind<br />
Filterschichten entweder erst gar nicht vorhanden oder durchörtert, so dass die<br />
Erosionsentwicklung beim Prozessablauf meist übersprungen wird. Ob eine bestehende<br />
Röhre bei hydraulischer Beanspruchung zusammenbricht oder aufgrund der Kohäsion<br />
des Materials stehen bleibt, kann zu einer Beurteilung des weiteren Ablaufs<br />
herangezogen werden (Erosionsfortschritt). Falls sich noch eine Wurzel in der Röhre<br />
befindet, kann sich zwar die Röhre nicht selbst schließen, aber der freie Ausfluss und der<br />
damit verbundene Transport durch Schleppkräfte an der Röhrenwandung wird zumindest<br />
behindert (vgl. HASELSTEINER U. STROBL 2004, 2005). Die Auswüchse von<br />
durchwurzelten Deichen sind in Abb. 4 dargestellt. Egal ob über- oder durchströmt, der<br />
zwischen den Wurzeln liegende Boden ist komplett erodiert.<br />
Abb. 4: Erodierter,<br />
mit Wurzeln<br />
durchzogener<br />
Deichkörper<br />
(Quelle: WWA<br />
Weilheim)<br />
3 Risikobewertung der hydrodynamischen Bodendeformation in Deichen<br />
Die Bewertung sowohl eines in seinem Aufbau und seiner Beschaffenheit ausreichend<br />
bekannten Deiches als auch von relativ unbekannten Bestandsdeichen, die<br />
jahrzehntelang den Umwelteinflüssen ausgesetzt waren und ggf. Gehölzbewuchs
aufweisen, kann anhand des in PERZLMAIER U. HASELSTEINER (2006) beschriebenen<br />
Systemansatzes durchgeführt werden.<br />
81<br />
Bei der Beurteilung von bestehenden Deichen können die teilweise jahrzehntelangen<br />
Erfahrungen bei Hochwasser, sozusagen als Naturversuch, Aussagen ermöglichen, ob<br />
Umlagerungs- oder Ausspülungsprozesse aufgetreten sind oder nicht. Diese meist<br />
visuelle Begutachtung schließt zwar nicht aus, dass ein Bauwerk geohydraulisch nicht<br />
stabil ist und innerhalb kurzer Zeit versagen könnte, aber besagt immerhin, dass die<br />
Summe der bisher aufgetretenen Belastungen noch zu keiner oder einer geringen<br />
Umlagerung geführt hat. Sind Ausspülungen, z. B. in Form von Erosionstrichter<br />
vorhanden, sollten Ertüchtigungsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Für den Fall,<br />
dass ein Austrag aus dem Untergrund alleinig auf Suffosion geringer Bodenanteile erfolgt,<br />
sind nicht zwingend Maßnahmen erforderlich, wenn deren Unbedenklichkeit<br />
nachgewiesen wurde.<br />
3.1 Typische Deichsysteme<br />
Als Deichsystem wird das Deichbauwerk samt Untergrund mit seinen geotechnischen und<br />
geohydraulischen Eigenschaften bezeichnet.<br />
Folgende, in Abb. 4 gezeigte Deichsysteme sind für den überwiegenden Großteil von<br />
Deichen repräsentativ. Neben homogenen Deichen auf durchlässigen Untergrund weisen<br />
große Deichstrecken in Bayern einen Auenboden auf. Hauptsächlich an größeren Flüssen<br />
wie z. B. der Donau, an denen längere Hochwasser zu erwarten sind, sind bereichsweise<br />
Dichtungen angebracht. Bei Vorhandensein einer Deckschicht bietet sich es sich an, eine<br />
natürliche Oberflächendichtung an die Deckschicht anzubinden (Abb. 4).<br />
Innendichtung<br />
Durchlässiger<br />
Untergrund<br />
Deich<br />
Vegetationsdecken<br />
Oberflächendichtung<br />
Deich<br />
Auenboden<br />
Durchlässiger<br />
Untergrund<br />
Dichter Untergrundhorizont Dichter Untergrundhorizont<br />
Abb. 5: Betrachtete Deichsysteme jeweils mit und ohne Dichtung<br />
Da Innendichtungen einen Sonderfall darstellen und selbst i. d. R. erosionsfest sind,<br />
werden diese nicht näher betrachtet. Inwiefern Lastfall 3 „Ausfall der Dichtung“ nach<br />
DIN 19712/1997 berücksichtigt werden muss, kann im Einzelfall unter Erwägung z. B. der<br />
Versagenswahrscheinlichkeit von Dichtungen festgelegt werden.<br />
3.2 Deichsysteme aus der Praxis<br />
Für drei typische Versagensprozesse bis hin zum Deichbruch durch Erosion werden<br />
Ereignisbäume vorgestellt und entwickelt. Als repräsentative Bodenmaterialien wurden<br />
Kiese für Untergrund und Deich und Schluffe für Dichtung und Auenboden angenommen.<br />
Die Körnungsbänder zeigen die variierende Zusammensetzung der Böden und die<br />
Schwankungsbreiten seiner Eigenschaften u. A. die Filterwirksamkeit (Abb. 5).
82<br />
Deichsystem A stellt einen homogenen Deich auf durchlässigem Untergrund dar. Die<br />
landseitige Böschung ist durch eine 12 cm mächtige Vegetationsschicht bedeckt. Der<br />
Deich ist 3,0 m hoch, hat eine Kronenbreite von 3,0 m und Böschungsneigungen von 1:3.<br />
Aquifer hat eine Mächtigkeit von 10 m. Als Versagensfall wird die rückschreitende Erosion<br />
durch den Deichkörper untersucht. Als Erosionsbeginn wird eine Fehlstelle mit dem<br />
Durchmesser 10 cm in der Vegetationsdecke am unteren Ende des landseitigen<br />
Deichfußes angenommen (Abb. 6).<br />
Siebdurchgang in Masse-%<br />
100<br />
95%<br />
90<br />
85%<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0.001<br />
Ton<br />
0.002<br />
fein<br />
U, s, t<br />
0.006<br />
Schluff Sand Kies Steine<br />
mittel grob<br />
Feinanteile: 70 - 85%<br />
0.01<br />
fein<br />
Tonanteil: 10 - 25%<br />
Feinanteile: 0 - 10%<br />
0.02<br />
grob<br />
0.063<br />
fein mittel grob<br />
0.1<br />
0.2<br />
0.63<br />
1.0<br />
2.0<br />
Korngröße in mm<br />
fein mittel grob<br />
Abb. 6: Körnungsbänder der betrachteten Böden mit Filterkriterien<br />
G, s<br />
fein<br />
6.3<br />
SHERARD u. DUNNIGAN (1989)<br />
10<br />
grob<br />
TERZAGHI u. PECK (1948)<br />
FOSTER u. FELL (2001)<br />
20<br />
BURENKOVA (1993)<br />
63<br />
100<br />
200<br />
Blöcke<br />
GW, GI, GU<br />
ϕ = 35°<br />
γ = 19 kN/m³<br />
k = 10 -4 - 10 -2 m/s<br />
UL, UM<br />
ϕ = 25 - 30°<br />
γ = 18 kN/m³<br />
c' = 0 - 10 kN/m²<br />
c u = > 5 kN/m²<br />
k = 10 -8 - 10 -6 m/s<br />
Filterkriterium<br />
"keine Erosion"<br />
Filterkriterium<br />
"fortschr. Erosion"<br />
Suffosionskriterium<br />
In Deichsystem B ist ein Deich auf einer Auenbodenschicht gelagert. Der Deich weist<br />
Böschungsneigungen von 1:2 auf und entspricht ansonsten dem Deich von System A. Die<br />
Auenbodenschicht ist 1,0 m mächtig und von 9,0 m mächtigem Kies unterlagert. Die<br />
rückschreitende Erosion im Untergrund bei bindiger Deckschicht wird untersucht. Der<br />
Beginn der Erosion wird an einer Fehlstelle im Auenboden reichende Fehlstelle (Ø =<br />
10 cm) direkt am Deichfuß angenommen (Abb. 7).<br />
Das Deichsystem C zeigt einen Deich mit Oberflächendichtung auf Auenboden. Aufgrund<br />
der hydraulischen Trennung zwischen Untergrund und Deich interessieren hier die<br />
Untergrundverhältnisse nicht weiter. Die Oberflächendichtung weist eine Dicke von etwa<br />
50 cm auf und ist von einer 20 cm Deckschicht inklusive Vegetationsschicht geschützt.<br />
Als Ursache für den Beginn der Erosion wird einer der vorher genannten Gründe<br />
angenommen.<br />
Die vorgestellten Deichsysteme entsprechen teilweise nicht den a.a.R.d.T. und<br />
repräsentativ eher Bestandsdeichen, deren Standsicherheit mehr oder minder gefährdet<br />
ist.<br />
630<br />
1000
Vegetationsdecke<br />
(d = 0,12 m)<br />
3 m<br />
System A<br />
3<br />
3<br />
Erosionsfortschritt Bruch<br />
Ja<br />
Fehlstelle<br />
(Ø 0,10 m)<br />
kDeich = 5·10-4 m/s<br />
kUntergrund = 10-3 m/s<br />
1<br />
1<br />
3 m<br />
Zusammenbruch der<br />
Erosionsröhre<br />
Kronensackung<br />
Überströmen<br />
Deichbruch<br />
Erosion ?<br />
Ja<br />
Notmaßnahmen<br />
möglich & wirksam<br />
Durchlässiger<br />
Untergrund<br />
Erosionsdauer<br />
kritisch<br />
10 m<br />
Ja<br />
Nein<br />
Nein<br />
Ja<br />
Lokale Standsicherheit<br />
gegeben<br />
Ja<br />
Ja<br />
Notmaßnahmen<br />
möglich & wirksam<br />
Ja<br />
Nein<br />
k Veg. ≥ k Deich<br />
Ja<br />
Nein<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Nein<br />
Erosionsdauer<br />
kritisch<br />
Nein<br />
ikrit für rück.<br />
Erosion<br />
überschritten<br />
Nein<br />
Vegetationsdecke<br />
vorhanden<br />
Austritt der<br />
Sickerlinie an<br />
der Böschung<br />
HQ T<br />
Ja<br />
Ja<br />
Nein<br />
Nein<br />
Nein<br />
83<br />
Vergrößerung der<br />
Erosionsröhre<br />
Nein<br />
Großer<br />
Leckageabfluss<br />
ohne Deichbruch<br />
Böschungsversagen<br />
Kronensackung<br />
Überströmen<br />
Deichbruch<br />
Der Deichbruch selbst beinhaltet<br />
stets die Überströmung und somit<br />
die Ausbildung einer<br />
Erosionsbresche inklusive der<br />
Flutung des Deichhinterlandes. Der<br />
gesamte Bruchvorgang kann<br />
innerhalb weniger Stunden von<br />
statten gehen.<br />
Ja<br />
Schäden<br />
behoben<br />
Erosionsbeginn<br />
Nein<br />
Ausbildung einer<br />
standfesten<br />
Erosionsröhre<br />
Fehlstellen in<br />
Vegetationsdecke<br />
Schäden<br />
behoben<br />
Lokale Standsicherheit<br />
gegeben<br />
Nein<br />
Nein<br />
Erdstatisches<br />
Versagen!<br />
Nein<br />
Bei homogenen Deichen ist der Austritt<br />
der Sickerlinie vor allem von der<br />
Unterwasserrandbedingung abhängig.<br />
Endet die Erosion vor kritischen Verhältnissen, ist es möglich, dass<br />
Schäden, sofern dies möglich ist und sie erkannt wurden, zu beheben und<br />
einen stabilen Ausgangszustand wiederherzustellen. Andernfalls führt das<br />
nächste Hochwasser u. U. den Prozess an markierter Stelle fort.<br />
Wenn die Grasnarbe durchlässiger ist als der<br />
anstehende Deich, ist i. d. R. der Nachweis der<br />
lokalen Standsicherheit ausreichend.<br />
Durch Strömungskräfte können einzelne<br />
Körner des Bodens durch die Fehlstelle<br />
abtransportiert werden. Notmaßnahmen können nur dann erfolgreich<br />
Ist der Boden ausreichend kohäsiv (15% durchgeführt, wenn die Gefahr erkannt wird,<br />
Feinteilanteil d < 0,075 mm), dann bildet sich<br />
Zugangsmöglichkeiten vorhanden sind, Einsatzkräfte zur<br />
eine standfeste Erosionsröhre aus.<br />
Verfügung stehen und der Deich durch technische<br />
Maßnahmen noch gesichert werden kann.<br />
Bei üblichen Unterhaltungsmaßnahmen ist i.d.R.<br />
ein flächiges, komplettes Fehlen der<br />
Vegetationsdecke unwahrscheinlich.<br />
Fehlstellen in der Vegetationsdecke<br />
können z. B. von Gehölzwurzeln und<br />
Wühltieren herrühren.<br />
Bei großen Erosionsröhren kann deren<br />
Zusammenbruch zu einer schlagartigen<br />
Sackung an der Deichkrone und relativ<br />
plötzlichem Deichbruch führen.<br />
Die kritische Erosionsdauer entspricht der<br />
Dauer, die dafür notwendig ist, eine<br />
Erosionsröhre bis ins OW auszubilden oder<br />
zumindest in hohem Maße Material zu fördern.<br />
Zur Beurteilung können mögliche<br />
Einstauzeiten und Erosionsraten εT [kg/(sm²)]<br />
herangezogen werden.<br />
Abb. 7: System A - Rückschreitende Erosion durch einen homogenen Deichkörper<br />
beginnend an der landseitigen Böschung
kDeich = 5·10-4 m/s<br />
kAuenboden = 10-7 m/s<br />
kUntergrund = 10-3 kDeich = 5·10<br />
m/s<br />
-4 m/s<br />
kAuenboden = 10-7 m/s<br />
kUntergrund = 10-3 m/s<br />
3 m<br />
System B<br />
2<br />
1<br />
3 m<br />
Erosionsfortschritt* Bruch*<br />
Auenboden (1 m) m)<br />
Entweder:<br />
Zusammenbruch der<br />
Erosionsröhre<br />
Kronensackung<br />
Kronensackung<br />
Überströmen<br />
Überströmen<br />
Deichbruch<br />
Erosion ?<br />
Ja<br />
Ja<br />
Durchlässiger<br />
Durchlässiger<br />
Untergrund<br />
K Kh/k h/k V = 10<br />
9 m<br />
Notmaßnahmen<br />
Notmaßnahmen<br />
möglich möglich & wirksam<br />
Erosionsdauer<br />
Erosionsdauer<br />
kritisch<br />
Erosionsbeginn*<br />
Nein<br />
Nein<br />
84<br />
Oder:<br />
Großer Großer<br />
Leckageabfluss<br />
ohne Deichbruch,<br />
evtl. Setzungen<br />
Ja<br />
Schäden<br />
behoben<br />
Nein<br />
Ja<br />
Ja<br />
i ikrit krit für für rückschr.<br />
Erosion überschritten<br />
überschritten<br />
Ja<br />
Ausbildung<br />
einer stabilen<br />
Erosionsröhre<br />
Nein<br />
Fehlstellen in der<br />
bindigen Deckschicht<br />
HQ T<br />
Nein<br />
Nein<br />
Die bindige Deckschicht verhindert i. d. R. einen Einbruch der<br />
Erosionsröhre.<br />
Erosionsröhre.<br />
* Weitere Erklärungen Erklärungen sind im vorherigem Fall enthalten.<br />
Fehlstellen können können durch Gehölze, Wühltiere, Wühltiere,<br />
hydraulischen Grundbruch, etc. entstehen. Dünne Dünne<br />
Auenbodenschichten begünstigen Fehlstellen.<br />
Abb. 8: System B - Rückschreitende Erosion unter der bindigen Deckschicht beginnend<br />
am landseitigen Böschungsfuß
System C<br />
kDeich = 5·10-4 m/s<br />
kAuenboden = 10-7 m/s<br />
kDichtung = 10-7 m/s<br />
Ansteig.<br />
Sickerlinie ?<br />
3 m<br />
Erosion ?<br />
Bruch*<br />
Erosionsfortschritt*<br />
K h/k V = 2<br />
O-Dichtung<br />
Ja<br />
Ja<br />
Erosionsdauer<br />
kritisch<br />
Auenboden<br />
Notmaßnahmen<br />
möglich & wirksam<br />
Nein<br />
Ja<br />
Schäden<br />
behoben<br />
Nein<br />
Ja<br />
Erosionsentwicklung*<br />
Erosionsbeginn*<br />
Nein<br />
Ausbildung einer<br />
stabilen Erosionsröhre<br />
in der Dichtung<br />
Ja<br />
Ja<br />
Ja<br />
Uneingeschränkte geom.<br />
Filterwirksamkeit der<br />
angrenzenden Schicht<br />
Ja<br />
Nein<br />
Notmaßnahmen<br />
möglich & wirksam<br />
Ja<br />
Ja<br />
HQ T<br />
85<br />
Entweder:<br />
Kronensackung<br />
Überströmen<br />
Deichbruch<br />
Oder:<br />
Erdstatisches Versagen<br />
wg. veränderter hydraul.<br />
Beanspruchung<br />
Oder:<br />
Rückschreitende<br />
Erosion bei Austritt der<br />
Sickerlinie<br />
(siehe Beispiel)<br />
Progressiver<br />
Partikeltransport<br />
durch den Filter<br />
Nein<br />
Nein<br />
Fehlstellen in der<br />
Oberflächendichtung<br />
Nein<br />
Ja<br />
Erosionsdauer<br />
kritisch<br />
Nein<br />
Schäden<br />
behoben<br />
Nein<br />
ikrit für<br />
Partikeltransport<br />
überschritten<br />
Nein<br />
Nein<br />
Fehlstellen können z. B. durch<br />
Setzungen, Frost- oder<br />
Austrocknungsrisse, Wühltiere und<br />
Gehölze entstehen.<br />
Bei Oberflächendichtungen kann i. d. R. davon ausgegangen werden,<br />
dass aufgrund des hohen Feinkornanteils eine sich ausbildende<br />
Erosionsröhre standfest ist.<br />
Wenn Filterwirksamkeit mit „keine Erosion“<br />
beurteilt werden kann, kommt der<br />
Erosionsprozess bereits an dieser Stelle zum<br />
Abb. 9: System C - Rückschreitende Erosion durch eine natürliche Oberflächendichtung<br />
Erliegen.<br />
Hier können u. U. hydraulische Kriterien zum<br />
Einsatz kommen, da Deiche lediglich temporär<br />
eingestaut sind.<br />
* Weitere Erklärungen sind in den vorherigen Fällen enthalten.<br />
Filter-Basis-Kombinationen erlauben „etwas,<br />
ausgeprägte oder fortschreitende Erosion“.
86<br />
Für die drei Systeme wurden drei Ereignisbäume aufgestellt und anschließend der<br />
markierte Pfad bzgl. seiner Eintretenswahrscheinlichkeit beurteilt (Abschnitt 3.3). Bei<br />
diesen drei Ereignispfaden handelt es sich um typische bei Deichen mögliche<br />
Erosionsabläufe. Bei Austritt der Sickerlinie an der landseitigen Hangböschung kann<br />
rückschreitende Erosion im Deichkörper auftreten (System A). Rückschreitende Erosion<br />
kann auch Boden unter einer bindigen Deckschicht mit Folge von Auswurftrichtern fördern<br />
(System B). Als letztes werden Erosionsvorgänge in Oberflächendichtungen betrachtet<br />
(System C), die den Nachteil haben, dass u. U. die Erosion der Dichtung nicht erkannt<br />
werden kann.<br />
Die Belastung der Deiche resultiert bei allen Fällen aus einem Einstau bis zur Krone (LF<br />
3, DIN 19712/1997). Zur Beurteilung der Erosion müssen im Einzelfall die lokal<br />
auftretenden hydraulischen Gradienten betrachtet werden. Abb. 10 a enthält die die<br />
vorhandenen lokalen maximalen hydraulischen Gradienten ilok,max, die bei Deichsystem A<br />
auftreten. Die vorhandenen Gradienten unter der Deckschicht für Deichsystem B können<br />
aus Abb. 10 b entnommen werden. Die hydraulischen Gradienten beider Systeme wurden<br />
mittels eines F-E-Grundwassermodells ermittelt.<br />
H OW [m]<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
keine Fehlstelle<br />
k Vd = k Deich<br />
k Vd = k Deich<br />
R 2 = 0.97<br />
R 2 = 1.00<br />
R 2 = 0.99<br />
k Vd = 0.2 k Deich<br />
Fehlstelle<br />
R 2 = 1.00<br />
k Vd = 0.02 k Deich<br />
a)<br />
0.00 0.30 0.60 0.90 1.20 1.50<br />
i lok,max [-]<br />
H OW [m]<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
R 2 = 0.98 R 2 = 1 R 2 = 1<br />
keine Fehlstelle<br />
Deckschicht dicht bis<br />
20 m im Vorland<br />
Fehlstelle in Deckschicht<br />
am landseitigen Deichfuß<br />
Deckschicht im<br />
Vorland undicht<br />
b)<br />
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5<br />
i lok,max [-]<br />
Abb. 10: Punktgradienten innerhalb der kritischen Bereiche an der landseitigen<br />
Deichböschung am Deichauflager (a, System A, Abb. 6) und unterhalb der Deckschicht<br />
am Deichfuß (b, System B, Abb. 7)<br />
3.3 Beurteilung der hydrodynamischen Bodenumlagerung<br />
In Tab. 2 sind die in Abb. 6 bis 8 markierten Ereignispfade aufgeführt und mit unscharfen<br />
Wahrscheinlichkeiten belegt (vgl. Tab. 1). Die Gefahr des Deichbruches durch mögliche<br />
Bodenumlagerung bis hin zum Deichbruch resultiert aus der Überlagerung der markierten<br />
Einzelprozesse bzw. –wahrscheinlichkeiten. Unterschieden wird hier zwischen der<br />
absoluten Eintretenswahrscheinlichkeit, d. h. die Wahrscheinlichkeit unter<br />
Berücksichtigung des Auftretens des Bemessungshochwassers, und der bedingten<br />
Eintrittswahrscheinlichkeit, die den Zustand bei Bemessungshochwasser betrachten. Für<br />
das Bemessungshochwasser (hier: Kronenstau) wurde eine Wiederkehrzeit von T = 200 a<br />
angenommen.<br />
Die absolute Eintrittswahrscheinlichkeit kann zur Beurteilung des vorhandenen Risikos<br />
unter Verwendung des Schadenspotentials herangezogen werden. Die bedingte
Wahrscheinlichkeit dagegen ermöglicht hier eine Aussage, mit welcher Wahrscheinlichkeit<br />
der Deich als Ingenieurbauwerk bei Auftreten der Bemessungskräfte versagen kann.<br />
87<br />
Die Ergebnisse der untersuchten Versagensprozesse sind sehr unterschiedlich. System A<br />
weist bei eingetretenem Einstau bis zur Krone eine relative Eintrittswahrscheinlichkeit,<br />
dass der Deichbruch beginnt, von p = 1,0·10 -4 auf (vgl. Tab. 2, oben). Diese relativ geringe<br />
Wahrscheinlichkeit beruht auf der schützenden Wirkung der Vegetationsdecke, die relativ<br />
hohen kritischen hydraulischen Gradienten für Kies und die Möglichkeit, dass bei<br />
Kiesdeichen mit angenommenen kleinen Fehlstellen die Belastungsdauer größer sein<br />
müsste als die Dauer eines einzelnen Hochwassers.<br />
System B zeigt bei rückschreitender Erosion eine weitaus geringere<br />
Eintrittswahrscheinlichkeit für den beginnenden Deichbruch von p = 1,0·10 -6 bei<br />
eingetretenem Hochwasser (vgl. Tab. 2, mitte). Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich<br />
zuerst eine Fehlstelle durch die Deckschicht entwickeln muss und die kritischen<br />
hydraulischen Gradienten für den Beginn der Erosion für Kiese groß sind, was einen<br />
Initiationsprozess aufgrund von Strömungskräften nur „wahrscheinlich“ ermöglicht.<br />
Ausschlaggebend für die niedrige Eintretenswahrscheinlichkeit sind jedoch die<br />
Nachweise, die es ermöglichen, den Erosionsfortschritt bzw. das Eintreten einer kritischen<br />
Erosionsdauer als unwahrscheinlich zu klassifizieren. Dies hängt i. allg. mit den niedrigen<br />
mittleren hydraulischen Gradienten im Untergrundbereich zusammen und hat auch<br />
Einfluss auf eine mögliche Vergrößerung der Erosionsröhre.<br />
System C weist bei Kronenstau eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für beginnenden<br />
Deichbruch von ca. 10 -2 auf (vgl. Tab. 2, unten). Dies liegt daran, dass die mit 50 cm<br />
relativ dünne Oberflächendichtung wahrscheinlich Fehlstellen aufweist und die<br />
Filterwirksamkeit des Kiesstützkörpers sehr unwahrscheinlich ist. Eine Überprüfung der<br />
Filterkriterien (vgl. Abb. 5) zeigt, dass unter Berücksichtung der Schwankungsbreite der<br />
Deichkies gegenüber dem Bodenmaterial für die Dichtung nicht ausreichend geometrisch<br />
filterwirksam ist. Eine fortschreitende Erosion kann nicht ausgeschlossen werden. Zudem<br />
kann aufgrund der sehr hoch ermittelten Erosionsrate die kritische Erosionsdauer bei den<br />
entsprechend langen Einstauzeiten auftreten. Das Versagen bzw. der Deichbruch kann<br />
bei dem betrachteten Fall auf verschiedene Weise erfolgen. Eine davon ist, dass sich<br />
durch die erhöhte Durchsickerung der Dichtung die hydraulischen Belastungen auf die<br />
landseitige Böschung erhöhen und somit die erdstatische Standsicherheit<br />
(Böschungsbruch) gefährdet es, was zum Deichbruch führen kann. Ob und wie sich ein<br />
Deichbruch ausbildet, hängt wiederum von zahlreichen Faktoren ab, auf die im Rahmen<br />
dieser Betrachtung nicht näher eingegangen wird.<br />
Insgesamt zeigen die ermittelten Eintrittswahrscheinlichkeiten für das Versagensszenario<br />
von System A (p = 5·10 -7 bzw. 1·10 -4 ) und System B (p = 5·10 -9 bzw. 1·10 -6 ), dass in<br />
diesen Fällen ein gewisses Maß an Sicherheitsreserven in den Systemen vorhanden sind.<br />
System C mit p = 5·10 -5 bzw. 1·10 -2 kann dagegen Grund zur Besorgnis geben, wenn man<br />
bedenkt, dass dies nach Tab. 1 bedeutet, dass der Deichbruch nicht „auszuschließen“ ist.
Tab. 2: Wahrscheinlichkeitsorientierte Beurteilung der Gefahr des Deichbruchs durch<br />
Erosion<br />
System A Ja Nein<br />
Prozess / Ereignis Bezeichnung p 1- p Anmerkung*<br />
HQT - 5.0E-03 1.0E+00 Annahme eines HQ200 (Kronenstau)<br />
Austritt der Sickerlinie an der<br />
Böschung<br />
Vegetationsdecke<br />
vorhanden<br />
Fehlstellen in der<br />
Vegetationsdecke<br />
88<br />
Sicher 1.0E+00 0.0E+00<br />
Sehr durchlässiger Deichkörper,<br />
grobe Abschätzung nach Abb. 2<br />
Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Ist i. d. R. immer vorhanden.<br />
Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 Kleine Fehlstellen durch Wühltiere sind wahrscheinlich.<br />
kVeg. > kDeich Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Magerrasen mit hoher Durchlässigkeit vorhanden.<br />
Lokale Standsicherheit gegeben<br />
Auszuschließen 0.0E+00<br />
Der Nachweis des körnigen Erdmaterials muss ohne (Wurzel)Kohäsion<br />
1.0E+00<br />
geführt werden.<br />
ikrit für rück. Erosion<br />
überschritten<br />
Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 ilok,max = 0,68 (Abb. 9 a)<br />
ikrit = 0,40 (PERZLMAIER u. HASELSTEINER 2006, Abb. 3)<br />
Ausbilung einer standfesten<br />
Erosionsröhre<br />
Auszuschließen 0.0E+00 1.0E+00 Feinteilanteil des Deichbodens < 10 % (Abb. 5)<br />
Erosionsdauer kritisch Möglich 1.0E-02 9.9E-01 progressiver Materialaustrag nicht ausgeschlossen<br />
Notmaßnahmen möglich &<br />
wirksam<br />
Unwahrscheinlich 1.0E-04 1.0E+00 kein Deichverteidigungsweg vorhanden<br />
Vergrößerung der Erosionsröhre<br />
Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Materialaustrag findet in hohem Maße statt.<br />
Wahrscheinlichkeit für Beginn des Deichbruchs<br />
(bei eingetretenem Hochwasser)<br />
System B Ja Nein<br />
Bezeichnung p 1- p Anmerkung*<br />
HQT - 5.0E-03 1.0E+00 Annahme eines HQ200 (Kronenstau)<br />
Fehlstellen in der bindigen<br />
Deckschicht<br />
Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 Auenböden variieren in ihrer Dicke, Auftriebsicherheit nicht gegeben<br />
ikrit für rück. Erosion<br />
überschritten<br />
Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01<br />
ilok,max = 0,41 (Abb. 9 b): Suffosion nach KENNEY U. LAU (1989) und<br />
BURENKOVA (1993) unwahrscheinlich,<br />
ikrit = 0,40 (nach PERZLMAIER u. HASELSTEINER 2006, Abb. 3)<br />
Ausbildung einer stabilen<br />
Erosionsröhre<br />
Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Tragwirkung der bindigen Deckschicht<br />
Erosionsdauer kritisch Unwahrscheinlich 1.0E-04 1.0E+00 ivorh,mittel = 0,2: nach CHUGAEV (1960) ok / nach BLIGH (1912) nicht ok /<br />
nach SCHMERTMANN (2000) ok<br />
Notmaßnahmen möglich &<br />
wirksam<br />
Auszuschließen 0.0E+00 1.0E+00 kein Deichverteidigungsweg vorhanden<br />
Wahrscheinlichkeit für Beginn des Deichbruchs 5.0E-09<br />
(bei eingetretenem Hochwasser) 1.0E-06<br />
System C Ja Nein<br />
Bezeichnung p 1- p Anmerkung*<br />
HQT - 5.0E-03 1.0E+00 Annahme eines HQ200 (Kronenstau)<br />
Fehlstellen in der<br />
Oberflächendichtung<br />
Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 Ursache: Risse durch Austrocknung, Frost, Setzungen<br />
Geom. Filterwirksamkeit der<br />
angrenzenden Schicht<br />
Unwahrscheinlich 1.0E-04 1.0E+00<br />
Geometrischen Filerkriterien (vgl. Abb. 5): TERZAGHI u. PECK (1948)<br />
nicht ok, SHERARD u. DUNNIGAN (1989) teilweise ok<br />
i krit für Erosion überschritten Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Keine Informationen über die Erodierbarkeit der Basis.<br />
Progessiver Partikeltransport<br />
durch den Filter<br />
Ausbildung einer stabilen<br />
Erosionsröhre<br />
Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01<br />
Nach FOSTER u. FELL (2001) "fortschreitende Erosion" nur für feinste<br />
Basis und gröbsten Filter möglich.<br />
Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Schluffe sind i. d. R. ausreichend kohäsiv.<br />
Erosionsdauer kritisch Sicher 1.0E+00<br />
Lange Einstauzeit wird angenommen. Zusätzlich ist kein wasserseitiger<br />
0.0E+00 Reservefilter vorhanden. Die Erosionsrate liegt sehr hoch: εT > 50<br />
kg/(sm²) (nach WAN u. FELL)<br />
Notmaßnahmen möglich &<br />
wirksam<br />
Auszuschließen 0.0E+00<br />
Notmaßnahmen zur Verhinderung der Durchsickerung wasserseitig i.<br />
1.0E+00<br />
allg. nicht wirksam.<br />
Wahrscheinlichkeit für Beginn des Deichbruchs 5.0E-05 (erdstatisches Versagen durch Anstieg der Sickerlinie)<br />
(bei eingetretenem Hochwasser)<br />
5.0E-07<br />
1.0E-04<br />
1.0E-02<br />
* zitierte Literatur aus PERZLMAIER u. HASELSTEINER (2006)
4 Resümee und Ausblick<br />
89<br />
Die Anwendung des Systemansatzes mag beim ersten Blick aufwendig und<br />
unübersichtlich erscheinen, ist jedoch genau das Gegenteil. Abläufe können auf diese<br />
Weise in Prozesse unterteilt werden, dass es möglich ist, wenn auch teilweise nur<br />
qualitativ, Einzelprozessen entsprechende Wahrscheinlichkeiten zuzuweisen. Dadurch ist<br />
die Beurteilung der Gefährdung eines Deiches durch Erosion möglich.<br />
Schwierigkeiten liegen sicherlich darin, die Prozesse ordentlich aufzuschlüsseln und zu<br />
beschreiben und die Ergebnisse von Nachweisen an richtiger Stelle einfließen zu lassen.<br />
Es besteht deshalb sowohl bei der Weiterentwicklung der vorhandenen Nachweise als<br />
auch bei der probabilistischen Beurteilung von nicht direkt greifbaren Einflussgrößen wie<br />
z. B. die Wahrscheinlichkeit einer wirksamen Deichverteidigung Forschungs- und<br />
Klärungsbedarf. Erfahrungswerte, die seit langem bei Deichbau und –verteidigung<br />
gemacht wurden, lassen sich bei der Beurteilung von Deichsystemen auf diese Weise<br />
nachweislich sicherer verwerten. Um sich beim Versuch, die Gefährdung eines Deiches<br />
mit einer Wahrscheinlichkeit zu belegen, nicht in den vielen, unterschiedlichen<br />
Versagensabläufen, Ereignisbäumen und Nachweisen zu verlieren, ist es notwendig,<br />
wenige für das jeweilige Deichsystem maßgebende Versagensabläufe herauszufiltern.<br />
Literatur<br />
BAW MAK (1989): Anwendung von Kornfiltern an Wasserstraßen (MAK). Merkblatt,<br />
Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), Karlsruhe<br />
BAW MSD (2005): Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen (MSD).<br />
Merkblatt, Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), Karlsruhe<br />
DIN 19712 (1997): Flussdeiche. Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN)<br />
DWA (2005): Dichtungssysteme in Deichen. DWA-Themen, Deutsche Vereinigung für<br />
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef<br />
FELL, R.; FOSTER, M.; WAN, C. F. (2005): A Framework for Assessing the Likelihood of<br />
Internal Erosion and Piping of Embankment Dams and their Foundation. Workshop on<br />
Internal Erosion and Piping of Dams and Foundations, Aussois (France) 2005<br />
HASELSTEINER, R; STROBL, TH. (2004): Zum Einfluss von Bewuchs und Hohlräumen<br />
auf die Durchsickerung von Deichbauten; Lebensraum Fluss - Hochwasserschutz,<br />
Wasserkraft, Ökologie; Beiträge zum Symposium vom 16. - 19. Juni 2004 in Wallgau<br />
(Oberbayern); Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft, Berichtsheft Nr. 101; Band 2, S. 92 - 100<br />
HASELSTEINER, R.; STROBL, TH. (2005): Deichsanierung. Forschungs- und<br />
Entwicklungsvorhaben, Endbericht, im Auftrag vom Bayerischen Landesamt für<br />
Wasserwirtschaft (LfW), Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft, Technische Universität München (Erhältlich beim Bayerischen<br />
Landesamt für Umwelt: http://www.bayern.de/lfu)<br />
HASELSTEINER, R; STROBL, TH. (2006): Deichertüchtigung unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Gehölzbewuchses. Sicherung von Dämmen, Deichen und
Stauanlagen. Handbuch für Theorie und Praxis. Hrsg. Hermann und Jensen,<br />
Universitätsverlag Siegen – universi, Siegen<br />
90<br />
HUBER, N. P.; STAMM, J.; RETTEMEIER, K.; KÖNGETER, J. (2003):<br />
Ereignisbaumanalysen zur Identifikation von relevanten Versagensmechanismen bei<br />
Staudämmen.<br />
IDEL, K. H. (1988): Sicherheitsuntersuchungen auf probabilistischer Grundlage für<br />
Staudämme. Abschlussbericht, Anwendungsband. Untersuchungen für einen<br />
Referenzstaudamm, Deutsche Gesellschaft für Erd- und Grundbau, Essen<br />
KUNTZE, H; ROESCHMANN, G.; SCHWERDTFEGER, G. (1994): Bodenkunde. 5., neu<br />
bearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart<br />
PERZLMAIER, S.; HASELSTEINER, R. (2006): Der Systemansatz zur Beurteilung der<br />
Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation. Tagungsband, Fachtagung<br />
„Deichertüchtigung und Deichverteidigung in Bayern“, 13. – 14. Juli 2006, Lehrstuhl und<br />
Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft, Technische Universität München,<br />
Wallgau<br />
SAUCKE, U. (2006): Nachweis der Sicherheit gegen innere Erosion für körnige Erdstoffe.<br />
Geotechnik 29, Nr. 1, S. 43 – 54<br />
SCHMIDT, M. (2000): Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850 –<br />
Eine Auswertung der Quellen und Karten. Oldenbourg Industrieverlag, München<br />
SCHNEIDER, H.; SCHULER, U.; KAST, K.; BRAUNS, J. (1997): Bewertung der<br />
geotechnischen Sicherheit von Hochwasserschutzdeichen und Grundlagen zur<br />
Beurteilung von Sanierungsmaßnahmen. Abteilung Erddammbau und Deponiebau,<br />
Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik, Universität Karlsruhe, Heft 7, Karlsruhe<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong> & Dipl.-Ing. Sebastian Perzlmaier<br />
Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />
Technische Universität München<br />
Arcisstraße 21<br />
80290 München<br />
r.haselsteiner@bv.tum.de & s.perzlmaier@bv.tum.de
91<br />
Unterhaltung von Deichen – Bewuchs und Wühltiere<br />
Einführung<br />
Walter Binder & Wolfgang Gröbmaier<br />
Deiche sind Erdbauwerke. Sie werden zum Schutz vor Überschwemmungen errichtet.<br />
Entscheidend für ihre Schutzfunktion bei Hochwasser sind der Bewuchs im Vorland, auf<br />
den Deichböschungen und auf der Deichkrone sowie der Befall durch Wühltiere. Im<br />
Belastungsfall darf die Standsicherheit sowohl durch den Bewuchs wie durch Wühltiere<br />
nicht beeinträchtigt sein.<br />
DIN 19472 gibt Empfehlungen für den Bau und die Unterhaltung von Deichen auch im<br />
Hinblick auf den Aufbau und die Pflege des Bewuchses so wie die Überwachung von<br />
Wühltieren.<br />
Bewuchs<br />
Ausbildung der Grasnarbe<br />
Die Ausbildung einer Grasnarbe wird bestimmt durch<br />
• den Bodenaufbau (Art und Mächtigkeit des Oberbodensubstrats,<br />
Nährstoffangebot, Wasserhaushalt)<br />
• den Standort (Böschungsneigung, Exposition Sonne / Beschattung ) und<br />
• die Pflege.<br />
Sie bestimmen<br />
• die Artenzusammensetzung der Grasnarbe (Anteil von Gräsern und Kräutern),<br />
• die Ausbildung des Wurzelfilzes und die Bestockungsdichte.<br />
Im Hinblick auf den Schutz vor den Angriffen des Wassers (Wellenschlag) sowie die<br />
Durchsickerungen ist eine tiefwurzelnde und möglichst dichte (geschlossene) Grasnarbe<br />
wünschenswert. Deshalb wird beim Bau und der Sanierung von Deichen eine<br />
flachgründige Oberbodenandeckung empfohlen, die den Aufwuchs artenreicher<br />
Magerrasengesellschaften fördert bei geringem Anfall von Mähgut. Eine weitere<br />
Voraussetzung für die Entwicklung und Erhaltung solcher Vegetationsdecken ist die<br />
regelmäßige Mahd (1 – 2 x im Jahr) mit Beseitigung des Mähguts. Bei einer zu extensiven<br />
Pflege der Deiche können Gehölze aufwachsen. Dies ist bei der Deichpflege zu beachten.<br />
Gemäht werden sollte möglichst spät, im Jahr, nicht vor Mitte Juli und das Mähgut wird<br />
abgefahren. Bereiche mit Gehölzanflug und Aufwuchs von Neophyten wie z. B. Sachalin<br />
Knöterich, sind 2 x zu mähen. Auf Düngung ist in allen Fällen zu verzichten. Auf<br />
zahlreichen Flussdeiche und Stauhaltungsdämmen die so gepflegt werden, haben sich<br />
artenreiche Magerrasengesellschaften mit flach- und tiefwurzelnden Arten ausgebildet,<br />
die aufgrund ihrer Artenzusammenstellung naturschutzfachlich von Bedeutung sind.<br />
Alternativ zur Mahd bietet sich die Beweidung durch Schafe an. Die Schafe werden<br />
mehrmals im Jahr über den Deich getrieben. Bei großen Schafherden kommt es dabei zu
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Trittschäden, die Pflanzendecke wird teilweise zerstört und der Anflug von Gehölzen wird<br />
dadurch gefördert. Bei der Beweidung ist in der Regel zusätzlich eine Pflegemahd im<br />
Herbst erforderlich.<br />
Gehölze auf Deichen<br />
Deiche sind Erdbauwerke, sie werden zum Schutz vor Überschwemmungen errichtet. Im<br />
Hinblick auf die Standsicherheit ist die Bepflanzung mit Gehölzen i. d. R. zu unterlassen.<br />
Sollten aus Gründen der landschaftlichen Einbildung Gehölzgruppen oder Einzelgehölze<br />
angepflanzt werden, so ist in diesen Bereichen der Deichkörper konstruktiv so<br />
auszubilden, dass die Standsicherheit gewährleistet ist. Die Beispiele dazu gibt es in<br />
innerstädtischen Bereichen, z. B. am Inn in Wasserburg und an der Isar in München.<br />
Gehölze mit ihrem Wurzelwerk können die Standsicherheit in den ersten Jahrzehnten<br />
erhöhen (ingenieurbiologische Wirkung), doch mit zunehmender Größe (und Alter)<br />
belasten sie das Bauwerk und gefährden die Standsicherheit. Der Gehölzaufwuchs auf<br />
Deichen sowie am wasser- und landseitigen Deichfuß bedarf deshalb der Kontrolle im<br />
Hinblick auf die Standsicherheit und ggf. die Verkehrssicherungspflicht.<br />
Die Ausbildung der Gehölzwurzeln ist abhängig vom Substrat, vom Nährstoff- und<br />
Wasserangebot. Aufgrabungen von Gehölzwurzeln auf Deichen zeigen, dass die<br />
Wurzelausbildung von Gehölzen auf inhomogenen Standorten große Abweichungen<br />
zeigen kann. Aussagen zur Ausbildung der Wurzeln im Hinblick auf die Standsicherheit<br />
von Deichkörpern sind deshalb nur mit Einschränkungen möglich.<br />
Aufgrund der Erfahrungen der Hochwasser in den letzten Jahren ist zu empfehlen, den<br />
Gehölzaufwuchs auf Deichen, soweit es die Standsicherheit und die Kontrolle von<br />
Wühltieren erfordern, durch eine entsprechende Pflege zu lichten, auf den Stock zu<br />
setzten ggf. zu roden. In begründeten Fällen, in denen die Gehölze erhalten bleiben<br />
sollen, ist der Deichkörper durch technische Maßnahmen zu ertüchtigen (z. B.<br />
Innendichtung).<br />
Deiche und Wühltiere<br />
Wühltiere wie Biber, Bisam, Nutria und mit Einschränkung Mäuse und Maulwurf können<br />
mit ihren Bauten bzw. Gangsystemen die Standsicherheit von Deichen gefährden. Zur<br />
Abwehr von Wühltieren und zur Überwachung des Wühltierbefalls bieten sich an:<br />
1 Konstruktive Maßnahmen<br />
Keine Schardeiche; der Befall durch Bisam und Biber wird bei Schardeichen begünstigt,<br />
da die Tiere den Zugang zu ihrem Bau im Deichkörper unter Wasser anlegen. In solchen<br />
Fällen eine Berme vorschütten mit Grobmaterialien (Wasserbausteine, Schotter, Kies...).<br />
Baustahlgewebe, Maschendraht und ähnliche Werkstoffe im Deichfuß und Böschung<br />
unterbinden die Grabtätigkeit von Biber, Bisam und Nutria.<br />
2 Pflegemaßnahmen<br />
Gehölzfreie Deiche erleichtern die Überwachung, dies gilt insbesondere bei Befall durch<br />
Wühltiere. Schafbeweidung beeinträchtigt unterbindet den Gehölzaufwuchs. Durch den<br />
Tritt der Schafe werden Nester und Gänge von Mäusen zerstört.
Zusammenfassung<br />
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Deiche sind Erdbauwerke. Bei Bau und Sanierung bereits auf die zukünftige Unterhaltung<br />
der Bauwerke zu achten. Im Hinblick auf die Standsicherheit ist der Gehölzaufwuchs<br />
i.d.R. zu unterbinden. In besonderen Fällen, z. B. im städtischen Bereich, ist der<br />
Deichkörper konstruktiv so zu verstärken, dass Gehölze bis zu einer bestimmten Größe<br />
toleriert werden können.<br />
Die Ausbildung artenreicher Magerrasengesellschaften entspricht den Zielen der<br />
Deichüberwachung und -unterhaltung und ist deshalb zu fördern. Dazu sind die<br />
Deichflächen regelmäßig zu mähen; das Mähguts ist abzufahren. Nährstoffarme,<br />
flachgründige Oberbodensubstrate auf den Deichböschungen verringern den Aufwuchs<br />
von Biomasse und damit die Kosten für die Mäharbeiten und die Abfuhr des Mähgutes.<br />
Magerrasengesellschaften sparen Unterhaltskosten, und erleichtern die Überwachung im<br />
Hinblick auf den Befall durch Wühltiere. Solche Deiche sind Ersatzstandorte für Brennen<br />
(durchlässige, grobkiesige Standorte in der Aue) und deren Pflanzengesellschaften. Sie<br />
sind naturschutzfachlich im Hinblick auf ihre Artenvielfalt wie Vernetzungsfunktion von<br />
besonderer Bedeutung und kostengünstig zu pflegen. Dagegen erfordern Gehölze auf<br />
Deichen einen hohen Überwachungs- und Pflegeaufwand.<br />
Literatur<br />
1986 DVWK Merkblatt 210 Flussdeiche<br />
1987 Grundzüge der Gewässerpflege, Fließgewässer Bayerisches Landesamt für<br />
Wasserwirtschaft, H. 21, München<br />
1989 Gehölze auf Deichen, Informationsberichte Bayerisches Landesamt für<br />
Wasserwirtschaft, Heft 5<br />
1993 DVWK Merkblatt 226 Ökologische Aspekte bei Bau und Unterhaltung von<br />
Deichen<br />
1997 DVWK Merkblatt 247 / Bisam, Biber, Nutria<br />
1997 DIN 19712 Flussdeiche<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Walter Binder & Dipl.-Ing. Wolfgang Gröbmaier<br />
Bayerisches Landesamt für Umwelt<br />
Referat 63<br />
Lazarettstrasse 67<br />
80636 München<br />
walter.binder@lfu.bayern.de & wolfgang.groebmaier@lfu.bayern.de
Kurzfassung<br />
94<br />
Dichtungssysteme in Deichen<br />
Dirk Heyer & Christian Schmutterer<br />
Nach den verschiedenen großen Hochwasserereignissen in den vergangenen Jahren<br />
werden zur Verbesserung des Hochwasserschutzes <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> u. a.<br />
mit der Anlage von Dichtungssystemen durchgeführt. Für die Auswahl und Bemessung<br />
von Dichtungssystemen ist eine detaillierte geotechnische Erkundung des Altdeiches<br />
einschließlich des Untergrundes notwendig. In Abhängigkeit von den örtlichen<br />
Randbedingungen können wasserseitige oder innenliegende Dichtungen zum Einsatz<br />
kommen, die unterschiedliche technische und wirtschaftliche Vor- und Nachteile<br />
aufweisen. Das in diesem Beitrag vorgestellte DWA-Thema soll eine Hilfestellung bei der<br />
Auswahl, Planung und Ausführung von derartigen Dichtungssystemen geben.<br />
1 Einleitung<br />
Innerhalb des Gemeinschaftsausschusses von DGGT und DWA, Arbeitskreis 5.4 bzw.<br />
Fachausschuss WW-7 "Dichtungssysteme im Wasserbau", wurde durch eine<br />
Arbeitsgruppe ein Bericht zum speziellen Thema der „Dichtungssysteme in Deichen“<br />
erarbeitet, der als DWA-Thema veröffentlicht wurde. Ziel des Berichts ist es, eine<br />
Hilfestellung bei der Planung und Ausführung von Deichbaumaßnahmen im Rahmen des<br />
Hochwasserschutzes an den Fließgewässern in Deutschland zu geben. Im Bericht<br />
werden deichbauspezifisch die erforderlichen geotechnischen Erkundungen sowie die<br />
Auswahl und die Bemessung von Dichtungssystemen erläutert. Es werden die<br />
Sickerwasserströmungen im Deich in Abhängigkeit von der Anordnung der verschiedenen<br />
Dichtungselemente und der Untergrundeigenschaften sowie ggf. erforderliche<br />
Maßnahmen bei hydraulisch ungünstiger Bodenbeschaffenheit beschrieben. Es werden<br />
Vor- und Nachteile bezüglich der Ausführung der Dichtungen sowie in Hinblick auf die<br />
Wirksamkeit erläutert. Anhand von Fallbeispielen werden in der Praxis ausgeführte<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> vorgestellt.<br />
Bei der Aufstellung des Berichtes haben in der Arbeitsgruppe mitgewirkt: Dipl.-Ing.<br />
Eckehard Bielitz, Pirna, Dipl.-Ing. Jens Breitenstein, München, Dipl.-Ing. Petra Fleischer,<br />
Karlsruhe, Dr.-Ing. Jörg Franke, Hamburg, Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong>, München, Prof.<br />
Dr.-Ing. Georg Heerten, Lübbecke, Dr.-Ing. Dirk Heyer, München (Sprecher), Prof. Dr.-<br />
Ing. habil. H.-B. Horlacher, Dresden, Dr.-Ing. Frank Kleist, München, Dipl.-Ing. Christian<br />
Schmutterer, Pirna, Dr.-Ing. Barbara Tönnis, Bad Vilbel.<br />
2 Geotechnische Erkundung, Erfassung des Deich-Ist-Zustandes<br />
Zur Planung von Dichtungssystemen in Deichen sind hinreichende Informationen über<br />
den Deich sowie den Untergrund erforderlich. Insbesondere sind Kenntnisse zum<br />
Bodenaufbau, zu den Grundwasserverhältnissen, zur Deichgeometrie sowie zu<br />
vorhandenen Sicherungselementen von entscheidender Bedeutung. Bei Altdeichen muss
teilweise von einem sehr heterogenen Deichaufbau ausgegangen werden, der mit den<br />
geplanten Erkundungsmaßnahmen hinreichend genau zu erfassen ist.<br />
95<br />
Zunächst sind Altunterlagen dahingehend zu bewerten, ob die zur Verfügung stehenden<br />
Informationen für die zu planende Maßnahme ausreichen. Anderenfalls sind zusätzliche<br />
Baugrundaufschlüsse wie Schürfe, Bohrungen und Sondierungen auszuführen (DIN 4020,<br />
DIN 4094). Mit Hilfe von Bohrungen können Schichtungen im Boden zuverlässig erkannt<br />
werden. Maßgebende bodenmechanische Kennwerte wie Durchlässigkeitsbeiwert,<br />
Scherparameter oder Steifemodul sind im Labor anhand von Bodenproben (DIN 4021) zu<br />
bestimmen. Sondierungen können zur Beurteilung der Lagerungsdichte/Konsistenz sowie<br />
zur Bestimmung von Schichtgrenzen herangezogen werden. Für Voruntersuchungen<br />
sowie für die Planung von punktuellen Aufschlüssen können auch geophysikalische<br />
Verfahren, wie z.B. Geoelektrik, Georadar oder Seismik, angewendet werden. Hinsichtlich<br />
der für die Planung wichtigen Erkundungsziele ist im DWA-AT (2005) ein Fragenkatalog<br />
enthalten.<br />
3 Einwirkungen auf Dichtungselemente, Anforderungen und<br />
Auswahlkriterien für Dichtungen<br />
Für die Bemessung von Dichtungen in Deichen sind alle relevanten Einwirkungen und die<br />
daraus resultierenden Lastfälle nach DIN 19712 zu betrachten. Zu den Einwirkungen<br />
gehören Verkehrslasten, Eigenlast, Bemessungshochwasserstand (BHW), fallender<br />
Wasserspiegel, ggf. Versagen der Dichtung oder Dränagen, Sackungen sowie Windwurf<br />
und Durchwurzelung. Ein maßgebender Faktor für die Dimensionierung von Deich und<br />
Dichtung ist die Begrenzung der durchsickernden Wassermenge. Die Wirksamkeit<br />
verschiedener Dichtungselemente lässt sich dabei mit Hilfe der Permittivität ψ bewerten.<br />
ψ = k / d = q / Δh<br />
mit<br />
k Durchlässigkeitsbeiwert [m/s]<br />
d Dicke der Dichtung [m]<br />
q Flächenbezogener Durchfluss [m³ / (s⋅m²)]<br />
Δh Potenzialdifferenz [m]<br />
Neben der Permittivität sind an die Dichtungssysteme weitere Anforderungen bezüglich<br />
Erosions- und Suffosionssicherheit sowie Langzeit- und Witterungsbeständigkeit (Frost,<br />
UV-Strahlung) zu stellen. Relevante Anforderungen können sich auch hinsichtlich der<br />
Beständigkeit gegen mechanischen (z.B. Wellen, Steinschlag), chemischen und<br />
biologischen (Mikroorganismen, Wühltiere, Durchwurzelung, usw.) Angriff sowie der<br />
Festigkeit und Verformbarkeit (ohne Nachteile für die Materialeigenschaften) ergeben.<br />
Für die Auswahl eines geeigneten Dichtungssystems sind technische und wirtschaftliche<br />
Gesichtspunkte zu betrachten. Wesentliche technische Kriterien sind u.a. die<br />
Anforderungen an das Dichtungselement (statische und hydraulische Wirksamkeit), der<br />
Aufbau und die Beschaffenheit des Deichkörpers und des Untergrundes sowie die<br />
Herstellbarkeit. Zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit ist neben den Bauaufwendungen
insbesondere die Verfügbarkeit geeigneter Böden sowie ggf. der Aufwand zur Entsorgung<br />
von Aushubmassen zu betrachten.<br />
4 Dichtungen in Deichen<br />
Dichtungen in Deichen vermindern eine Strömungsbelastung des hinter der Dichtung<br />
liegenden Deichkörpers und erhöhen damit die Standsicherheit des Deiches.<br />
96<br />
4.1 Anordnung von Dichtungen<br />
Zur Sanierung und Ertüchtigung können an Deichen prinzipiell wasserseitige<br />
Oberflächendichtungen aufgebracht oder innenliegende Dichtungselemente eingebaut<br />
werden. Dabei können die Dichtungen als sogenannte „vollkommene“ Dichtungen<br />
ausgebildet werden. Bei der Anordnung vollkommener Dichtungen muss jedoch der<br />
Einfluss auf die natürliche Grundwasserströmung in Zeiten normaler Wasserstände<br />
beachtet werden. Häufig ist aus diesem Grund nur die Anwendung „unvollkommener“<br />
Dichtungen zulässig, bei der zwar der Deich, nicht aber der Untergrund vollständig<br />
abgedichtet wird. Beispiele für unvollkommene Dichtungen sind z.B.<br />
Oberflächendichtungen mit wasserseitigem Dichtungsteppich im Vorland. Die Wirksamkeit<br />
einer solchen Dichtung besteht in der Verlängerung des Sickerweges und damit in einer<br />
Verringerung der Strömungsbelastung des Deichkörpers hinter der Dichtung. Bezüglich<br />
der Dichtungswirksamkeit bei unterschiedlichen Dichtungsanordnungen wird auf den<br />
Tagungsbeitrag „Funktionsweise unterschiedlicher Dichtungssysteme in Deichen“ von<br />
Frau Fleischer und Herrn Dr. Franke verwiesen, in dem die Problematik ausführlich<br />
behandelt wird.<br />
4.2 Wasserseitige Oberflächendichtungen an Deichen<br />
Als wasserseitige Oberflächendichtungen werden in der Regel mineralische Dichtungen<br />
(Lehm und Ton) oder geosynthetische Tondichtungsbahnen (Bentonitmatten) verwendet.<br />
Die Oberflächendichtungen werden auf der wasserseitigen Böschung (Neigung 1:3 oder<br />
flacher) des durchlässigen Deichstützkörpers aufgebracht und müssen über den<br />
Bemessungswasserstand hinaus reichen.<br />
Als mineralische Oberflächendichtungen werden natürliche, gering durchlässige Böden<br />
verwendet. Es lassen sich auch künstlich zusammengesetzte Dichtungsstoffe einsetzen,<br />
die vor Ort (mixed-in-place) oder in Mischanlagen (mixed-in-plant) hergestellt werden. Im<br />
eingebauten Zustand sollte der Boden eine Permittivität von ψ=1⋅10 -8 1/s oder kleiner<br />
aufweisen. Der Durchlässigkeitsbeiwert k des Dichtungsmaterials sollte mindestens zwei<br />
Zehnerpotenzen kleiner als der des Stützkörpers sein. Die mineralische Dichtung ist<br />
insbesondere aufgrund der Empfindlichkeit mineralischer Dichtungen gegenüber Frostund<br />
Tauwechsel sowie Austrocknung durch eine Deckschicht zu schützen. Bei der<br />
Planung einer mineralischen Dichtungsschicht ist zu beachten, dass sich durch Wühltiere,<br />
Durchwurzelung oder Windwurf die Dichtungswirkung verringern kann und ggf.<br />
konstruktive Sicherungsmaßnahmen (z.B. Bibergitter) erforderlich sind. In der Abb. 1 ist<br />
die Anordnung einer mineralischen Dichtung am Beispiel des sanierten Elbdeiches bei<br />
Riesa dargestellt, der während des Hochwasserereignisses 2002 auf einer Länge von ca.<br />
120m nach Überströmung zerstört worden war. Im Rahmen der Sanierung war danach<br />
zunächst ein ausgedehnter Kolk mit Tiefen bis zu 10 m zu verfüllen.
Abb. 1: Deichquerschnitt mit mineralischer Oberflächendichtung, Sanierter Elbdeich bei<br />
Riesa, Sachsen (Quelle: LTV)<br />
Deckschicht d ≥ 80 cm<br />
GTD<br />
Sandausgleichsschicht<br />
Stützkörper<br />
BHW Freibord<br />
1:3<br />
•<br />
•<br />
Krone<br />
Deich<br />
Dichter Untergrund<br />
97<br />
1:3<br />
Deichweg<br />
Abb. 2: Deichquerschnitt mit geosynthetischer Tondichtungsbahn (Quelle: Ingenieurbüro<br />
HPI, Bad Vilbel)<br />
Geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD), die aus zwei Geotextillagen und einer<br />
dazwischen angeordneten Bentonitschicht bestehen, können wie in Abbildung 2<br />
dargestellt, wasserseitig als Oberflächendichtungen angeordnet werden. Wie bei den<br />
mineralischen Dichtungen sind eine Deckschicht sowie ggf. konstruktive<br />
Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Wegen des hohen Quellvermögens des Bentonits<br />
kann durch Wiederbefeuchtung eine gewisse Selbstheilung von Schrumpfrissen erfolgen.<br />
GTD weisen eine geringe Setzungsempfindlichkeit auf. Es werden vernadelte oder<br />
vernähte GTD eingesetzt. Um eine fachgerechte Verlegung auf der Baustelle<br />
sicherzustellen, ist eine kontinuierliche Bauüberwachung erforderlich. Ein<br />
Sanierungsbeispiel mit Einsatz von GTD zeigt die Abbildung 3. Im dargestellten Fall war<br />
die Ertüchtigung mit einer mineralischen Oberflächendichtung aufgrund der Kosten für<br />
den Antransport unwirtschaftlich, da für die Dichtung geeigneter Lehm oder Ton in der<br />
näheren Umgebung nicht verfügbar war. Das Material für die Deckschicht über der GTD<br />
aus Kiessand wurde direkt aus der angelandeten Kinzigsohle gewonnen.
Abb. 3: Verlegte GTD-Bahnen mit Deckschicht, Sanierung der Kinzigdeiche (Quelle:<br />
Ingenieurbüro BBG, Lemförde)<br />
Innenliegende Dichtungselemente<br />
98<br />
Als innenliegende Dichtungselemente in Deichen können Spundwände,<br />
Einphasenschlitzwände, Schmalwände oder Bodenvermörtelungen zum Einsatz kommen.<br />
Abb. 4: Deichertüchtigung/-erhöhung mittels Spundwand und aufgesetzter Betonmauer,<br />
Hochwasserschutz Aiterbach, Bayern (Quelle: Wasserwirtschaftsamt Deggendorf)<br />
Spundwände können in nahezu alle Böden bis in Tiefen von 30 m eingebracht werden.<br />
Die Wahl des Einbringverfahrens (Rammen, Rütteln oder Einpressen, ggf. Vorbohren) ist<br />
von den anstehenden Bodenarten abhängig. Zur Herstellung der Spundwand ist für das<br />
schwere Trägergerät ein tragfähiger Untergrund als Arbeitsebene erforderlich. Ein Vorteil<br />
von Spundwänden ist die vergleichsweise einfache Anschlussmöglichkeit von weiteren<br />
permanenten oder temporären Dichtungselementen. Abb.4 zeigt ein Beispiel für den<br />
Einsatz einer Spundwand in Kombination mit einer aufgesetzten Betonwand zur<br />
Deichertüchtigung/-erhöhung. In dem dargestellten Anwendungsfall war eine<br />
erdbautechnische Lösung aufgrund der beengten Platzverhältnisse durch die<br />
angrenzende Siedlungsbebauung nicht möglich.
99<br />
Bei einer Einphasenschlitzwand wird entlang der Deichachse der Boden in Schlitzen<br />
ausgehoben und mit einer Bentonit-Zement-Suspension gefüllt. Die Herstellung von<br />
Einphasenschlitzwänden ist mit Ausnahme von sehr eng gestuften Kiesen in nahezu allen<br />
Lockergesteinen ausführbar. Im Deichbau werden hierzu zwei Verfahren angewendet. Bei<br />
geringeren Tiefen bis ca. 7 m werden die Schlitze mit einem Tieflöffelbagger von der<br />
Stirnseite des Schlitzes von der Deichkrone aus errichtet. Für größere Tiefen werden<br />
Seilbagger eingesetzt, die vom Fuß des Deiches arbeiten. Die Herstellung erfolgt im<br />
Pilgerschrittverfahren. Für die Abtragung von Lasten können Spundbohlen oder<br />
Stahlträger in die noch nicht abgebundene Suspension eingestellt werden.<br />
Zur Herstellung von Schmalwänden wird der Boden durch das Einbringen von<br />
Doppel-T-Stahlprofilen vollständig verdrängt. Während des anschließenden Ziehens der<br />
Profile wird eine Suspension (Zement, Bentonit und Steinmehl) über Injektionsleitungen in<br />
den entstandenen Hohlraum eingepresst. Durch Überschneiden der Flansche entsteht<br />
eine Wand mit Dicken von 8 bis 30 cm. Schmalwände können bis in Tiefen von ca. 30m<br />
eingebracht werden. Die Herstellung von Schmalwänden ist insbesondere in Kiesen und<br />
Grobsanden möglich. Eine Weiterentwicklung dieser Technologie zur Anwendung in<br />
Feinsanden und bindigen Böden stellt die düsenstrahlunterstützte Schmalwand dar.<br />
Innenliegende Dichtungen in Deichen können auch durch Bodenvermörtelung hergestellt<br />
werden. Unter dem Begriff der Bodenvermörtelung werden Verfahren zusammengefasst,<br />
bei denen das Korngefüge des Bodens insitu vollständig zerstört und mit einer<br />
Zementsuspension versetzt wird. Die verschiedenen Verfahren [u. a. mixed-in-place<br />
(MIP), soil mixing wall (SMW), Fräs-Misch-Injektion (FMI), cutter soil mixing (CSM)]<br />
unterscheiden sich in dem maschinentechnischen Verfahren der Vermörtelung des<br />
Bodens. Der Großteil des Bodens verbleibt bei allen Verfahren im Untergrund. Die<br />
Bodenvermörtelung kann in nahezu allen Böden zum Einsatz kommen. Durch eine<br />
gezielte Einstellung der Rezeptur kann das Spannungs-Verformungs-Verhalten an das<br />
Verformungsverhalten des umgebenden Bodens angepasst werden. Durch das Einstellen<br />
von Stahlträgern in die frisch hergestellte Wand ist ebenfalls das Abtragen statischer<br />
Lasten und der Anschluss von permanenten oder temporären Dichtungselementen an der<br />
Deichkrone möglich. Abbildung 5 zeigt die Deichertüchtigung mittels einer FMI-Wand. In<br />
dem dargestellten Beispiel erfolgte die Ertüchtigung im Rahmen einer<br />
Unterhaltungsmaßnahme (keine Erfordernis für Genehmigungsverfahren). Die<br />
ursprüngliche Geometrie des Deiches konnte dabei weitgehend erhalten bleiben. In der<br />
Planung wurde aus diesem Grund eine Überströmung des Deiches im Katastrophenfall<br />
bzw. ein teilweiser Stützkörperverlust berücksichtigt. Um ein plötzliches Versagen des<br />
Deiches ausschließen zu können, sollte die einzubauende Dichtwand statisch wirksam<br />
ausgebildet werden. Für die geforderte statische Wirksamkeit wurden im Abstand von<br />
2,40 m Stahlträger IPE 160 eingestellt.
100<br />
Abb. 5: FMI-Dichtwand, Deichinstandsetzung an der Mangfall, Aiblinger Au, Bayern<br />
(Quelle: Ingenieurbüro SKI, München)<br />
5 Maßnahmen bei hydraulisch ungünstiger Untergrundbeschaffenheit<br />
Eine ungünstige Untergrundbeschaffenheit stellen beispielsweise stark durchlässige<br />
Schichten im Untergrund des Deichkörpers dar. Im Hochwasserfall kann es im<br />
Deichhinterland aufgrund des geringen Druckabbaus zu Sohlaufbrüchen kommen. Liegen<br />
derartige Untergrundverhältnisse vor, sind entsprechende Sicherungs- und<br />
Ertüchtigungsmaßnahmen anzuwenden.<br />
Eine mögliche, zumeist kostengünstige Maßnahme sind landseitig aufgebrachte<br />
Auflastfilter. Hierbei ist jedoch auf eine Vermeidung der Verlagerung der Problembereiche<br />
zu achten. Eine andere Möglichkeit, die Druckhöhe im Deichhinterland zu vermindern,<br />
kann durch die Anlage eines Dichtungsteppichs im Vorland (Verlängerung des<br />
Sickerweges) erreicht werden.<br />
Neben der Abdichtung des Vorlandes besteht auch die Möglichkeit, durch vertikale<br />
Dichtungselemente den Sickerweg wirkungsvoll zu verlängern. Um einen Zufluss des<br />
Grundwassers zum Gewässer zu erhalten, werden diese in der Regel nicht bis in die<br />
undurchlässigen Stauer geführt (unvollkommene Abdichtung). Es ist jedoch darauf zu<br />
achten, dass durch die Einschnürung der Strömungsfläche keine unzulässigen<br />
Strömungsgeschwindigkeiten und somit lokal suffosionsgefährdete Bereiche erzeugt<br />
werden.<br />
In Einzelfällen reicht es zur Verbesserung des Untergrundes aus, dessen Durchlässigkeit<br />
zu reduzieren. In Abhängigkeit von den Randbedingungen kann dies durch das<br />
Einmischen von entsprechenden Körnungen, ggf. in Verbindung mit Bindemitteln sowie<br />
bei nicht zu tief anstehenden Schichten durch Bodenaustausch erreicht werden.
Literatur<br />
101<br />
DWA – Themen (2005): Dichtungssysteme in Deichen, DWA-Arbeitsgruppe WW-7.3,<br />
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., Hennef, April 2005<br />
Verfasser<br />
Dr.-Ing. Dirk Heyer<br />
Zentrum Geotechnik<br />
TU München<br />
Baumbachstraße 7<br />
81245 München<br />
d.heyer@bv.tum.de<br />
Dipl.-Ing. Christian Schmutterer<br />
Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen (LTV)<br />
Bahnhofstraße 14<br />
01796 Pirna<br />
christian.schmutterer@ltv.smul.sachsen.de
Kurzfassung<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Einsatz von<br />
geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />
Johannes Plank<br />
Während des Pfingsthochwassers 1999 zeigte sich, dass der vorhandene<br />
Hochwasserschutz in Neuburg a. d. Donau nicht ausreichend ist. Die Standsicherheit<br />
einzelner Deichabschnitte war durch eindringendes Sickerwasser gefährdet, teilweise<br />
reichten die Höhen der bestehenden Anlagen nicht aus.<br />
Nach Vorliegen der wasserrechtlichen Genehmigungen wurde unverzüglich mit den<br />
Sanierungsarbeiten begonnen. Der folgende Beitrag beschreibt eine Deichsanierung und<br />
einen Deichneubau mit geosynthetischen Tondichtungsbahnen. Durch den Einsatz von<br />
geosynthetischen Tondichtungsbahnen konnte bei der Deichsanierung der bestehende<br />
Altdeich in die Sanierung miteingebunden werden; der Deichneubau konnte andererseits<br />
im Winterhalbjahr rasch und witterungsunabhängig durchgeführt werden.<br />
1 Anlass<br />
Am 24.05.1999 überschritt die Donau am Pegel Ingolstadt die bisher noch nie da<br />
gewesene Marke von 748 cm. Der entsprechende Scheitelabfluss von 2270 m³/s<br />
entspricht einem Ereignis, das ca. alle 190 Jahre erreicht oder überschritten wird.<br />
Das Pfingsthochwasser 1999 zeigte, dass die Hochwasserschutzanlagen in Neuburg a. d.<br />
Donau nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entsprachen. Die Mängel<br />
umfassten vor allem einen zu geringen Freibord, fehlende Deichhinter- und<br />
Deichkronenwege sowie ungenügende Dichtigkeit und Standsicherheit. In einigen<br />
Bereichen der Stadt war noch kein Hochwasserschutz vorhanden.<br />
Sofort nach dem Pfingsthochwasser wurde mit der Planung für die Sanierung der<br />
bestehenden Hochwasserschutzanlagen sowie der Neubauten begonnen.<br />
Die Entwurfsplanungen wurden im Frühjahr 2000 abgeschlossen und die Unterlagen für<br />
das Wasserrechtsverfahren eingereicht. Der Planfeststellungsbeschluss erfolgte im<br />
August 2000.<br />
2 Deichsanierung Schlösslwiese<br />
Mit der Sanierung des Bereiches "Schlösslwiese" wurde der erste Bauabschnitt in<br />
Neuburg a. d. Donau im Bereich des nördlichen Donauufers im Juni 2002 abgeschlossen.<br />
Der bereits bestehende Deich wurde an die a. a. Regeln der Technik angepasst. Die<br />
Böschungen wurden auf 1:2,5 abgeflacht, der Deich wurde teilweise um über 80 cm<br />
erhöht, verbreitert und mit einem neuen Deichkronenweg versehen.
Tab. 1: Projektdaten Schlösslwiese<br />
Projektdaten<br />
Lage: Neuburg a. d. Donau<br />
Deichlänge: ca. 600 m<br />
Deichhöhe alt: 3 m<br />
Deichhöhe neu: 3,8 m<br />
Dichtungsart: Bentonitmatte<br />
Bauzeitraum: Dezember 2001 - Juni 2002<br />
103<br />
Zusätzliche Bauwerke:<br />
Pumpwerk zur Entwässerung von Neuburg Nord<br />
Verbaute Massen<br />
3.800 m³ Oberboden<br />
11.000 m³ Kies<br />
8.000 m² Bentonitmatte<br />
5.000 m³ Schotter<br />
60 m³ Beton<br />
5 t Bewehrungsstahl<br />
Gleichzeitig erhielt der vorhandene Deich eine neue wasserseitige Oberflächendichtung in<br />
Form von Bentonitdichtungsbahnen, da geeignetes Schüttmaterial für eine natürliche<br />
Außendichtung aus Ton oder Lehm in der näheren Umgebung nicht in ausreichender<br />
Menge vorhanden war. Bentonitmatten sind geosynthetische Tondichtungsbahnen. Sie<br />
bestehen aus zwei Geotextillagen und sind mit Bentonit gefüllt. Die Geotextillagen<br />
bestehen aus Polypropylen und das Deck- und Trägergeotextil ist durch die<br />
Bentonitschicht hindurch durch Vernadelung vollflächig verbunden, so dass eine<br />
Schubkraftübertragung gewährleistet ist. Durch diese Vernadelung wird das<br />
Bentonitpulver innerhalb der Matte gleichmäßig fixiert, was auch einen Einbau der<br />
Bentonitmatten auf steileren Böschungsneigungen ermöglicht. Zusätzlich wurde die<br />
Oberfläche des Deckgeotextils thermisch behandelt, um eine Erhöhung des Scherwinkels<br />
zwischen Vlies und Abdeckmaterial zu erreichen.<br />
Tabelle 2: Technische Daten der GDT<br />
Trägerschicht: PP-Verbundstoff > 350 g/m²<br />
Bentoniteinlage: Natriumbentonit in Granulatform<br />
Wasserdurchlässigkeitsbeiwert < 5x10 -11 m/s<br />
Bentonitanteil bei 12% Wassergehalt > 5000 g/m²<br />
Deckvlies: PP mit zusätzlicher thermischer Behandlung > 300 g/m²<br />
Überlappung: > 30 cm<br />
Deckschicht: > 80 cm<br />
Zugfestigkeit > 15 kN/m<br />
Scherfestigkeit > 35°<br />
Gemischtkörniger Boden 0/45, Reibungswinkel 35°<br />
Vorlage der bauaufsichtlichen Zulassung (DIBt),<br />
Nachweise und Prüfzeugnisse eines unabhängigen Prüfinstituts (BAW)
104<br />
Am Böschungsfuß bindet die Bentonitmatte mittels eines mind. 50 cm tiefen Grabens in<br />
den Untergrund ein. Die Einbindung erfolgte bis in Schluff-/Feinsandlagen. Die<br />
geosynthetische Tonabdichtung wird im Graben durch Folieneinlage (PE, Stärke 1 mm,<br />
Überlappung 50 cm) vor Durchwurzelung und Nagetierbefall geschützt und gewährt somit<br />
Durchströmungssicherheit am Böschungsfuß. Die Bentonitmatten sind zum Schutz vor<br />
Frost, Austrocknung und Beschädigungen mit Abdeckmaterial ca. 80 cm überdeckt. Im<br />
Kronenbereich wird die geosynthetische Dichtungsbahn ca. 50 cm horizontal verlegt.<br />
Durch die Verwendung einer geosynthetische Dichtungsbahn als Oberflächenabdichtung<br />
konnte der bestehende Stützkörper in den neuen Deich integriert werden. Bei<br />
Hochwasser quillt das Bentonit durch die Feuchtigkeit auf und erfüllt so seine<br />
Dichtfunktion.<br />
Zur Deichverteidigung wurde ein neuer Deichhinterweg angelegt. Dieser dient im Ernstfall<br />
dazu, mit Einsatzfahrzeugen an den Deich zu gelangen, um den Deich zu kontrollieren<br />
und notfalls erforderliche Reparaturen durchzuführen.<br />
Im Zuge dieser Sanierungsmaßnahmen wurde außerdem das Sielbauwerk/ Pumpwerk<br />
am Ende des Deiches angepasst. An der Funktionsweise des Bauwerks hat sich nichts<br />
geändert.<br />
Bauherr ist der Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt.<br />
Die Kosten dieses Abschnittes beliefen sich auf 570.000,- €. Diese wurden zu 50% vom<br />
Freistaat Bayern und zu 50% aus Fördermitteln der Europäischen Union (Programm<br />
EFRE) aufgebracht.<br />
Abb. 1: Verlegen der GTD mit Einbinden in den Untergrund
3 Deichneubau Bittenbrunn<br />
105<br />
In Neuburg a. d. Donau, OT Bittenbrunn im Bereich der Eulatalstraße existierte noch kein<br />
Hochwasserschutz. Zum Schutz von Wohn- und Gewerbebetrieben wurde ein neuer<br />
Hochwasserdeich mit einer Länge von 330 m gebaut.<br />
Die 330 m lange Deichtrasse wurde so gewählt, dass einerseits möglichst wenig<br />
Retentionsraum verloren geht, der Eingriff in Privatgrundstücke aber minimiert wird.<br />
Die Dichtung des Deiches erfolgte - wie schon bei dem Deich an der Schlösslwiese - mit<br />
Bentonitmatten. Dies sind geosynthetische Tondichtungsbahnen, die bei Hochwasser<br />
aufquellen und den Deich abdichten.<br />
Hinter dem Deich verläuft ein Sickerschlitz zur Aufnahme von Sickerwasser. Über ein<br />
Pumpwerk wird das Wasser zurück in die Donau gefördert.<br />
Tab. 3: Projektdaten Bittenbrunn<br />
Projektdaten Verbaute Massen<br />
Lage: Neuburg a. d. Donau<br />
Deichlänge: ca. 330 m<br />
Deichhöhe neu: 2,50 m<br />
Dichtungsart: Bentonitmatte<br />
Zusätzliche Bauwerke:<br />
Pumpwerk zur Entwässerung<br />
Bauzeitraum: September 2002 - Mai 2003<br />
- 3.700 m³ Oberboden<br />
- 15.000 m³ Kies<br />
- 3.700 m² Bentonitmatte<br />
- 900 m³ Schotter<br />
- 7 m³ Beton<br />
Die Kosten von ca. 600.000,-- € wurden vom Freistaat Bayern, der Stadt Neuburg und der<br />
EU (Fördermittel aus dem Programm EFRE) getragen.<br />
Die technische Ausführung entsprach der Ausführung „Deichsanierung Schlösslwiese“<br />
(siehe Tab. 2).<br />
Abb. 2: eingebaute<br />
Tondichtungsbahn mit<br />
Abdeckmaterial
106<br />
Vorteile von geosynthetischen Tondichtungsbahnen gegenüber mineralischer<br />
Oberflächendichtung<br />
Literatur<br />
Dichtung wird weitgehend werksseitig hergestellt<br />
Qualitätsüberwachung erfolgt im Werk<br />
Baustellentransport: geringere Mengen (Mattendicke ca. 1 cm)<br />
Kurze Bauzeit: einfacher und schneller Einbau<br />
Einbau weniger frost- und nassempfindlich<br />
Bei Lehmdichtung: hoher Einbau- und Kontrollaufwand (evtl.<br />
Baustellenlabor)<br />
Integration von Altdeich möglich<br />
Sehr hohe Verformbarkeit und Setzungsunempfindlichkeit<br />
Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt: Sanierung Hochwasserschutz Neuburg a.d. Donau,<br />
April 2000<br />
Naue Fasertechnik: Deichsicherung mit Bentofix, Februar 2005<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Einsatz von geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Johannes Plank<br />
Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt<br />
Fachbereichsleiter Wasserbau und Gewässerentwicklung<br />
Auf der Schanz 26<br />
85049Ingolstadt<br />
johannes.plank@wwa-in.bayern.de
Kurzfassung<br />
107<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Verwendung<br />
natürlicher Böden<br />
Uwe Kleber-Lerchbaumer<br />
Der folgende Beitrag beschreibt die konventionelle Sanierung bestehender Deiche durch<br />
Vorschüttung (und gegebenenfalls Erhöhung) mineralischer Dichtungen. Das Verfahren<br />
hat sich im Hinblick auf das bautechnische Anforderungsprofil entsprechend Nr. 16.4.4<br />
DIN 19712 bewährt und stellt eine im Allgemeinen auch wirtschaftliche<br />
Sanierungsvariante dar. Voraussetzung ist, dass Schüttmaterial ausreichender Qualität<br />
und Menge einbaunah verfügbar ist, die Standsicherheit nachgewiesen werden kann und<br />
die Einengung der Abflussquerschnitte keine nachteiligen Auswirkungen auf Dritte<br />
verursacht.<br />
1 Einführung<br />
Der überwiegende Teil der insgesamt rund 1200 km Deiche an Gewässern I. Ordnung in<br />
der Baulast des Freistaates Bayern wurde im Zuge der großen Flusskorrektionen<br />
zwischen 1880 und 1930 in Form einfacher Einheitsdeiche unter Verwendung der<br />
anstehenden quartären Talschotter mit bautechnisch sehr ungünstigen<br />
Durchlässigkeitsbeiwerten (kf = 10 -2 – 10 -3 m/s) errichtet. Die Dichtung dieser Deiche<br />
besteht ausschließlich aus gering mächtigen Oberbodenauflagen. Die zusätzlich durch<br />
Materialumlagerung (Austrag der Feinkornfraktionen) bewirkte Erhöhung der<br />
Durchlässigkeit bei gleichzeitiger Reduzierung der Lagerungsdichte bewirkt eine die<br />
Standsicherheit gefährdende Zunahme der Sickerwasserverluste auch bei an sich<br />
unkritischen Beaufschlagungen. Hinzu kommt, dass viele dieser Deichabschnitte wegen<br />
veränderter Randbedingungen (Bemessungsabfluss, Freibordbemessung,<br />
Vorlandnutzungen) und ungenügender Profilabmessungen erhöht oder verstärkt und mit<br />
ursprünglich nicht vorgesehenen Deichverteidigungswegen erschlossen werden müssen.<br />
Die Auswertung der aktuellen Deicherhebung für den Freistaat Bayern (2005) nach<br />
Dichtungsarten (unabhängig vom Sanierungsstand) ergibt folgendes Bild:<br />
92 % konventionelle Erddeiche<br />
3 % technische Oberflächendichtungen (Tondichtungsbahnen)<br />
5 % technische Innendichtungen (Spundwände, Erdbetonwände)<br />
Der überwiegende Anteil der bestehenden Hochwasserdeiche ist demnach in<br />
konventioneller Erdbauweise errichtet. Bei den seit dem Pfingsthochwasser 1999<br />
durchgeführten Sanierungen zeichnet sich aber insbesondere bei größeren Flussdeichen<br />
(Donau und ihre südbayerischen Zuflüsse) eine zunehmende Anwendung technischkonstruktiver<br />
Innendichtungen ab. 65 % der seitdem durchgeführten Sanierungen<br />
erfolgten anfänglich unter Verwendung von Stahlspundwänden, nach dem Anstieg der<br />
Rohstahlpreise zunehmend unter Einsatz von Erdbetonwänden (MIP/FMI-Verfahren).
108<br />
Technisch-konstruktive Innendichtungen haben sich bewährt und stellen bei<br />
Überschreitung der Bemessungslastfälle für die Standsicherheit nach DIN 1054<br />
(Überströmung) unstrittig ein gegenüber reinen Erddeichen erhöhtes Sicherheitsniveau<br />
dar. Ihr Einsatz bleibt jedoch letztlich unter Abwägung wirtschaftlicher Kriterien in jedem<br />
Einzelfall zu prüfen. Auch künftig wird dabei ein nicht zu vernachlässigender Anteil der<br />
bayerischen Deiche in konventioneller Erdbauweise ausgeführt werden.<br />
2 Bautechnische Grundlagen<br />
Grundlage für den Bau von Hochwasserdeichen ist DIN 19712 (1997) in Verbindung mit<br />
dem DVWK Merkblatt 210 (1994). Beide Regelwerke sind derzeit in erster Linie wegen<br />
der Anpassung an das mit DIN 1054 (2005) bauaufsichtlich eingeführte Konzept der<br />
Teilsicherheitsbeiwerte (vgl. Kap. 3) in Überarbeitung.<br />
Abb. 1: Drei-Zonen-Deich nach DIN 19712<br />
Ohne Vorgabe verbindlicher Regelprofile führt Nr. 7.1 DIN 19712 den Drei-Zonen-Deich<br />
als „erstrebenswerten Deichaufbau“ (gegenüber homogenen Einheitsdeichen) an.<br />
Drei-Zonen-Deiche bestehen aus einer wasserseitigen Dichtungsschicht, einem<br />
durchlässigen Stützkörper und einem binnenseitigen Auflastfilter in Form einer<br />
Böschungsberme, die einen befestigten Deichverteidigungsweg trägt. Die<br />
Dichtungsschicht besteht bei den hier vorgestellten Isardeichen im Raum<br />
München/Landshut überwiegend aus massiven Vorschüttungen tertiärer Kiessande mit<br />
Einbaubreiten am Deichfuß von 3,0 bis 5,0 m, die durch Sporneinbindung auf die<br />
tragfähigen quartären Schotter gegründet und somit vor Abrutschen auf der<br />
Aulehmschicht geschützt werden. Konstruktive Abdichtungen in den Untergrund (sofern<br />
technisch überhaupt realisierbar) und Sickerwegverlängerungen sind zum Nachweis der<br />
Standsicherheit regelmäßig nicht erforderlich.
109<br />
Bild 1: Freigestellter Altdeich Bild 2: Einbau Dichtungsschicht<br />
Diese Bauweise wird technisch erfolgreich und kostengünstig angewendet bei der<br />
Sanierung bestehender Deichtrassen unter Beibehaltung der alten Kiesdeiche als<br />
Stützkörper. Voraussetzung ist die Verfügbarkeit geeigneten Materials in einer<br />
wirtschaftlich interessanten Entfernung.<br />
Bild 3: Profilierung der Böschung Bild 4: Fertiggestellter Deichabschnitt<br />
Bei Neubauten (z.B. Deichrückverlegungen) führen höhere Kosten für die quartären Kiese<br />
des Stützkörpers (meist Nassabbau) und die bauablaufbedingten Mehraufwendungen<br />
dazu, dass Einheitsdeiche aus tertiären Kiessanden preislich deutlich günstiger (25-30 %<br />
Kosteneinsparung) zu erstellen sind. Hierzu ist zur schadlosen Ableitung des<br />
Sickerwassers (Nachweis der örtlichen Standsicherheit) in praktisch allen Fällen ein<br />
binnenseitiger Filterdrän erforderlich<br />
3 Anforderungen an die Standsicherheit<br />
Nach Nr. 9 DIN 19712 ist die Standsicherheit konventioneller Erdeiche für die nachfolgend<br />
genannten Kriterien jeweils für die Lastfälle LF 2 (Bemessungswasserstand BHW) und LF<br />
3 (Kronenstau) mit den Teilsicherheitsbeiwerten nach DIN 1054 nachzuweisen. Ein<br />
Versagen der Dichtungsschicht muss bei mineralischen Vorschüttungen nicht<br />
nachgewiesen werden.<br />
Allgemeine Standsicherheit (Nr. 9.2 DIN 19712, DIN 4084)<br />
Örtliche Standsicherheit (Nr. 9.3 DIN 19712, DIN 4084)
110<br />
Auftriebssicherheit (Nr. 9.5 DIN 19712)<br />
Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch (Nr. 9.5 DIN 19712)<br />
Sicherheit gegen Erosionsgrundbruch und Suffosion (Nr. 9.6 DIN 19712)<br />
Deiche bis 2 m Höhe, Mindestkronenbreiten von 3 m und Böschungsneigungen flacher<br />
1 : 3 können nach DIN 19712 ohne rechnerischen Nachweis als standsicher angesetzt<br />
werden.<br />
Für den Nachweis der allgemeinen und örtlichen Standsicherheit ist eine stationäre, d.h.<br />
möglichst hoch liegende Sickerlinie maßgebend. Die allgemeine Standsicherheit<br />
(Gleitkreisberechnung nach DIN 4084) ist für die binnen- und (abhängig von der<br />
realistischen Sinkgeschwindigkeit der Hochwasserwelle) wasserseitigen Böschungen<br />
nachzuweisen. Ein möglicher Porenwasserüberdruck in bindigen Decklehmschichten ist<br />
zu berücksichtigen. Bei der örtlichen Standsicherheit sind verbliebene Gehölze und die<br />
Standsicherheit im Hangquellenbereich (bei weichem, bindigen Untergrund zusätzlich die<br />
Spreizsicherheit) zu berücksichtigen. Letztere kann durch die Anlage eines Auflastfilters<br />
erreicht werden.<br />
Die Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch, Erosionsgrundbruch und Auftrieb wird<br />
nach DIN 19712 durch die Anlage eines entsprechend dimensionierten Auflastdräns<br />
nachgewiesen. Rechnerisch zu bestimmen ist die erforderliche Höhe der Berme.<br />
Hinsichtlich der Bermenbreite gibt es keine technischen Vorschriften. Abgesehen von<br />
Bereichen geogener Störungen mit hohen Wegigkeiten sollten 5,0 m breite Bermen<br />
ausreichend sein.<br />
Bei Suffosion ist abweichend vom Nachweis der Böschungssicherheit ein instationärer,<br />
d.h. möglichst steiler Verlauf der Sickerlinie bzw. ein hoher hydraulischer Gradient<br />
maßgebend. Während die vorgenannten Nachweise bei Erddeichen geotechnisch im<br />
allgemeinen keine Probleme bereiten, kommt es beim Nachweis der Suffosions- und<br />
Filterstabilität des verwendeten Schüttmaterials häufiger zu Unsicherheiten bis hin zu<br />
Streitigkeiten vor den Vergabestellen hinsichtlich des Nachweises der Materialeignung.<br />
DIN 19712 nennt kein allgemeingültiges Verfahren, die zitierten Nachweisverfahren<br />
basieren in erster Linie auf Versuchsreihen zum Erosionsgrundbruch mit aufwärts<br />
gerichteten Sickerströmungen und sind nur begrenzt auf die Betrachtung durchsickerter<br />
Deiche anwendbar. Ausführungen zum Nachweis der Materialeignung hinsichtlich<br />
Suffosion und Filterstabilität sind in Kap. 4 formuliert.<br />
Die Standsicherheit von Böschungsdichtungen bei Wasserüberdrücken (Nr. 9.4 DIN<br />
19712, EAK) ist bei mineralisch gedichteten Deichen wegen der Restdurchlässigkeit des<br />
Dichtkörpers und dessen relativ hohem Gewicht zu vernachlässigen.<br />
4 Anforderungen an die Materialeignung<br />
Für die Dichtungsschicht wird gemischtkörniger, nichtbindiger Boden der Bodenklasse IV<br />
(Schluff-Sand-Kies-Gemische) mit mindestens 15 % Kornanteilen unter 0,06 mm der<br />
Bodenarten GU (5-15 % unter 0,06 mm), in Ausnahmefällen GÚ (15-40 % unter 0,06 mm)<br />
verwendet. Verlangt wird eine stetige Kornverteilung (üblicherweise durch die Vorgabe<br />
der Bandbreite einer zulässigen Kornverteilungslinie), ein maximaler
111<br />
Durchlässigkeitsbeiwert max kf = 1 bis 5 x 10 -6 m/s bei einer Mindestverdichtung (97 %<br />
einfache Proctordichte, vgl. Kap. 5) im Einbauzustand. Die Mindestanforderung an<br />
mineralische Oberflächendichtungen nach DVWK M215 (kf = 10 -7 m/s) können wegen der<br />
massiven Vorschüttung ohne Einschränkungen der Funktions- und Standsicherheit<br />
unterschritten werden. Die Verwendung autochthoner Kiessande ist damit möglich. Der<br />
hydraulische Gradient in der Dichtungsschicht liegt dann immer im nach DVWK M215<br />
geforderten Bereich unter i = 5, der kf -Wert um mindestens zwei Zehnerpotenzen über<br />
demjenigen des Stützkörpers. Organische Bestandteile und Gesteinsfraktionen sind<br />
weitgehend auszuschalten.<br />
Die Materialeignung und die durchzuführenden Nachweise werden in den<br />
Verdingungsunterlagen definiert und von den in die engere Wahl genommenen Bietern<br />
nach Reihung der Submission vor Auftragsvergabe angefordert. Regelmäßig werden<br />
folgende Nachweise verlangt:<br />
Kornverteilung (Sieblinie nach DIN 18123 und DIN 18916)<br />
Proctorversuch (DIN 18127)<br />
Wasserdurchlässigkeit (DIN 18130)<br />
Scherfestigkeit (DIN 18137)<br />
Der Eignungsnachweis durch ein qualifiziertes Erdbaulabor ist nach Nr. 3.9.2 DIN 18300<br />
keine besondere Leistung und wird demnach nicht vergütet. Die Vergabestelle nimmt<br />
Rückstellproben, die bei fraglichen oder unklaren Ergebnissen auf Kosten der<br />
Vergabestellen durch den Fremdüberwacher (vgl. Kap. 5) untersucht werden.<br />
In der Praxis kommt es bei autochthonen tertiären Kiessanden (GU) häufig zu einem<br />
geologisch bedingten, unstetigen Verlauf der Kornverteilungslinie mit ein deutlichen<br />
Anstieg der Sieblinie im Bereich der Mittelsandfraktion bei Ausfallkörnungen im Bereich<br />
der Grobsand- und Kiesfraktionen. Dabei wird die mit Kornverteilungsband geforderte<br />
Mindestkiesfraktion relativ häufig unterschritten. Rechnerisch wird dabei der zulässige<br />
hydraulische Gradient ikrit beim Nachweis der Suffosionsstabilität nach geometrischen<br />
Kriterien (z.B. nach Bild 8 DIN 19712) zumeist größer (U = d60 / d10 wird bei steilem<br />
Verlauf in der Sandfraktion gegenüber einer linear-stetigen Sieblinie kleiner).<br />
Bild 5: Abbauhalde Bild 6: Lastplattenversuche
112<br />
Nichtbindige, intermittierend gestufte Böden mit einer Ungleichförmigkeitszahl<br />
U > 8 und Krümmungszahlen Cc < 1 bzw. > 3 (DIN 18916) gelten jedoch prinzipiell als<br />
nicht suffosionssicher. Da Suffosion ohne Austrag von Material im allgemeinen zum<br />
Aufbau eines natürlichen Filters führt, kann abweichend von DIN 19712 nach dem<br />
deutlich strengeren Kriterien des BAW Merkblatt Anwendung von Kornfiltern an<br />
Wasserstrassen (MAK) im Bereich der Ausfallkörnung gewählte Trenndurchmesser nach<br />
der Filterregel von CISTIN/ZIEMS überprüft werden. Die Frage des geometrischen<br />
Suffosionskriterium kann dabei als vergleichsweise unkritisch betrachtet werden, wenn<br />
der Siebdurchgang des Sattelpunktes der Ausfallkörnung über 30 % Gewichtsanteilen<br />
liegt.<br />
Abb. 2: Kornverteilungslinien tertiärer Kiessande<br />
Höheren Anteile der Mittelsandfraktionen ergeben aber insbesondere bei nicht<br />
homogenem Einbau ein erhöhtes Risiko hinsichtlich der Suffosions- und Erosionsstabilität<br />
und führen zu erhöhten Aufwendungen im Bereich der Einbaukontrolle, zur Aufbereitung<br />
(eventuell Zumischung der Ausfallkörnung, i.d.R. Erhöhung der Kiesanteile) des Materials<br />
vor Einbau (im Abbaubetrieb), in Ausnahmefällen auch zur Zumischung im Baubetrieb<br />
(Frästechnik). Zu berücksichtigen ist, dass die Abbauhorizonte der tertiären Kiesgruben<br />
überwiegend deutlich geschichteten, inhomogenen Aufbau aufweisen.<br />
Geotextilien finden bei nicht gegebener Suffosionssicherheit (Trennvlies) und zur<br />
Sicherung der Filtereigenschaften (Filtervlies, Tragschichtbau des<br />
Deichverteidigungsweges) Verwendung. Die Erhöhung der Standsicherheit der<br />
Deichböschung bei Überströmung durch geotextile Verbundbauweisen<br />
(Bodenverfestigungen im Baumischverfahren oder Deckwerke) ist auf definierte<br />
Überlaufstrecken zu begrenzen. Eine gezielte Entlastung in Bereich geringer<br />
Gefährdungen ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht einer durchgehenden Sicherung gegen<br />
Erosionsschäden vorzuziehen.<br />
Bei hoher hydraulischer Belastung ist eine temporäre Ansaatsicherung mit organischen<br />
Aufwuchsmatten (Jute, Kokosfasern), in Ausnahmefällen ein massives Deckwerk<br />
erforderlich.<br />
Bestehen hinsichtlich der Materialeignung Bedenken, kann die Herstellung einer<br />
Probeschüttung mit nachfolgendem Gütenachweis vereinbart werden.
113<br />
Neben dem qualitativen Aspekt spielt bei Auftragsvergabe auch die Frage der<br />
Verfügbarkeit (Abbaugenehmigungen) eine Rolle. Da die Kieslieferung häufig aus<br />
Fremdbetrieben erfolgt, wird der vor Auftragserteilung hinsichtlich Materialeignung und<br />
Abbaukapazitäten überprüfte Abbaubetrieb (Festlegung der Grube, teilweise auch der<br />
Abbauhorizonte) bauvertraglich vereinbart. Gemäß der Nachunternehmerregelung kann<br />
der Auftragnehmer den Lieferbetrieb dann nur mit Zustimmung des Auftraggebers<br />
wechseln.<br />
Nach Auftragerteilung ist die Materialeignung entsprechend dem Baufortschritt<br />
kontinuierlich zu überprüfen. Aus Zeit- und Kostengründen kann dabei auf die<br />
Schlämmanalyse für die Kornfraktionen unter 0,06 mm verzichtet werden. Die<br />
Eigenüberwachung des Auftragnehmers durch ein qualifiziertes Prüflabor ist<br />
insbesondere dann durch Fremdüberwachungen des Auftraggebers zu ergänzen, wenn<br />
der Auftragnehmer eigenes Material liefert.<br />
5 Einbau, Qualitäts- und Gütenachweise<br />
Anforderungen an Qualitäts- und Gütenachweise werden nach FGSV Nr. 599 ZTV E StB<br />
(Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für Erdarbeiten im Straßenbau) mit den in<br />
den Anhängen 2 und 3 aufgenommenen DIN 18299 und DIN 18300 (beide als ATV<br />
Bestandteil der VOB/C) geregelt. ZTV E StB wird bei Ausschreibungen staatlicher<br />
Vergabestellen auch im Bereich der Wasserwirtschaft normalerweise verbindlich<br />
vereinbart.<br />
Während des Einbauvorganges werden neben der kontinuierlichen Materialprüfung (vgl.<br />
Kap. 4) Verdichtungsprüfungen nach Nr. 14 ZTV E StB durchgeführt. Eingesetzt werden<br />
dabei heute überwiegend flächendeckende dynamische Verdichtungskontrollen mit<br />
Vibrationswalzen (FDVK) oder (zeit – und kostenintensivere) dynamische<br />
Lastplattenversuche. In beiden Fällen handelt es sich um indirekte Prüfverfahren, die aus<br />
dem ermittelten Verformungsmodul die Proctordichte bestimmen. Der Umfang der<br />
Prüfungen ist nach Tab. 7 ZTV E StB abhängig von der Einbauleistung vertraglich zu<br />
vereinbaren. Zu beauftragen ist ein anerkanntes Erdbaulabor.<br />
Die Wahl des Bauverfahren und der eingesetzten Geräte ist nach Nr. 3.1.1 DIN 18300<br />
grundsätzlich Sache des Auftragnehmers. Sollen z.B. bestimmte Verdichtungsgeräte<br />
eingesetzt werden, muss dies in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genannt<br />
werden.<br />
Der Einbau erfolgt nach Nr. 3.7.6 DIN 18300 lagenweise (Schüttstärke 0,4 m,<br />
Endverdichtung 0,3 m) mit einer 3 % Neigung zur Außenseite möglichst im Bereich des<br />
optimalen Wassergehaltes. Um eine ausreichende Materialdurchmischung<br />
sicherzustellen, erfolgt der Einbau üblicherweise unter Verwendung von Schaffußwalzen<br />
und statischer Verdichtung. Auch bei Zulassung hochverdichtender Segmentwalzen<br />
sollten keine höheren Schüttlagen akzeptiert werden. Temporäre Sicherungen der<br />
Böschungen gegen Witterungseinflüsse sind im Allgemeinen nicht erforderlich.<br />
Schüttungen sind nach Nr. 3.1.2 DIN 18300 bei Frost einzustellen. Winterbauregelungen<br />
sind in Nr. 11 WBVB VHB Was Bayern zu vereinbaren.
114<br />
Verlangt wird eine Mindestverdichtung von 97 % einfacher Proctordichte nach Nr. 9.1 ZTV<br />
E StB (95 – 97% für nichtbindige Böden nach Nr. 10.2.4 DIN 19712). Der<br />
Durchlässigkeitsbeiwert kann wegen der versuchsbedingten Randbedingungen beim<br />
Nachweis der Materialeignung bei Auftragserteilung (gesättigte Bodenprobe) aus der<br />
Kornverteilungslinie abgeleitet werden.<br />
Die Abrechnung erfolgt nach Einbaumenge (Abs. 5 DIN 18299), nur ausnahmsweise nach<br />
Gewicht. Der Spornaushub (Regelaushubtiefe 1,0 m) sollte im Leistungsverzeichnis<br />
angemessen gestaffelt werden, fehlen Angaben muss der Bieter nach Nr. 3.10.2 DIN<br />
18300 Sporntiefen bis 1,75 m preislich kalkulieren und (da der Aushub im allgemeinen<br />
abzutransportieren ist) entsprechend höhere Einheitspreise anbieten.<br />
6 Kosten<br />
Kosten sind insbesondere bei tertiären Kiesen in erster Linie durch den Transport<br />
verursacht. Im Raum Landshut/Moosburg fällt tertiäres Deckmaterial z.B. im Rahmen des<br />
Bentonit Tagebaues nahezu unbegrenzt als Abraummaterial an und wird wegen der<br />
Rekultivierungspflicht bei zulässiger Verfüllung der Gruben mit unbelasteten<br />
Fremdmaterialien im allgemeinen zum Selbstkostenpreis frei Baustelle (Mischen, Laden<br />
und Transport) angeboten. Bei günstig gelegenen Abbaugruben ergaben sich dann<br />
mittlere Einbaupreise zwischen 5 und 7 €/m³ und spezifische Kosten für<br />
Deichverstärkungen durch Vorschüttung tertiärer Dichtungsschichten mit 3,0 m<br />
Kronenbreiten und Böschungsneigungen 1:2,5 zwischen 125 und 250 €/m bei<br />
Deichhöhen zwischen 2,0 und 3,0 m für die Deichverstärkung. Die Kosten für die<br />
Erstellung eines binnenseitigen Auflastdräns einschließlich Deichverteidigungsweg<br />
betrugen zwischen 150 und 200 €/m. Die Anlage von Kronenwegen setzt eine<br />
Kronenbreite von 5,0 m voraus und verursacht vergleichbare Kosten.<br />
Abb. 3: Wertansätze für Flussdeiche (Kb = Kronenbreite)<br />
In Abb. 3 wurde versucht, anhand bayernweit abgerechneter Baumaßnahmen den<br />
tatsächlichen Wertansatz (unter Berücksichtigung übernommener Baukörper) und damit<br />
die Wiederherstellungskosten konventioneller Erddeiche einschließlich
115<br />
Deichverteidigungswegen, Filter (Auflastfilter), Binnengräben und Dränagen (ohne<br />
Grunderwerb, Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen und Ingenieurleistungen) abhängig von<br />
Deichhöhe und Kronenbreite (Kb) zu ermitteln. Übernommene quartäre Stützkörper<br />
wurden dabei mit 15 – 20 €/m³, Oberbodenarbeiten mit 2 - 4 €/m² angesetzt.<br />
Einheitsdeiche (EhD) bilden dabei eher die untere, Drei-Zonen-Deiche nach DIN 19712<br />
die eher obere Begrenzungslinie.<br />
Die reinen Baukosten konnten sich unter diesen Bedingungen in öffentlichen<br />
Ausschreibungen gegenüber technischen Innendichtungen wirtschaftlich relativ häufig<br />
durchsetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass für den Geräteeinsatz bei Spund- bzw.<br />
Erdbetonwände meist vorbereitende Erdarbeiten zur Herstellung eines Arbeitsplanums<br />
(Kronenbreite der alten Deiche um 2,0 m) und Wegebauten erforderlich waren.<br />
Die Wahl der Sanierungsvariante ist bei Einhaltung der bautechnischen Anforderungen in<br />
erster Linie eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Konventionelle Erddeiche erfüllen bei<br />
insgesamt wirtschaftlicher Bauweise die normierten Standards. Beim erforderlichen<br />
Kostenvergleich technisch möglicher Sanierungen ist jedoch fairer Weise zu<br />
berücksichtigen, dass die Vorschüttung mineralischer Dichtungen mit Rodungsbreiten<br />
zwischen 15,0 und 20,0 m sehr flächenintensiv ist und neben Grunderwerbskosten auch<br />
naturschutz- und waldrechtliche Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen provoziert. Die<br />
hierfür erforderlichen Kostenanteile können die spezifischen Deichbaukosten erheblich<br />
erhöhen. Veränderungen der Deichgeometrie sind zudem immer wasserrechtlich<br />
genehmigungspflichtig.<br />
Literatur<br />
BAW-Mitteilungsblatt Nr. 85: Empfehlungen zur Anwendung von Oberflächendichtungen<br />
an Sohle und Böschungen von Wasserstrassen BAW EAO (2004)<br />
DIN 19712 Flussdeiche (1997)<br />
DVWK M210 Flussdeiche (1994)<br />
DVWK M215 Dichtungselemente im Wasserbau (1990)<br />
FGSV Nr. 599 Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für<br />
Erdarbeiten im Straßenbau ZTV E StB 94 (1997)<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Uwe Kleber-Lerchbaumer<br />
Bayerisches Landesamt für Umwelt<br />
Referat 62 Wasserbautechnik<br />
Edmund-Rumpler-Str.<br />
80939 München<br />
uwe.kleber-lerchbaumer@lfu.bayern.de
Kurzfassung<br />
116<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz von<br />
Spundwänden<br />
Jens Breitenstein<br />
Im folgenden Beitrag werden Beispiele von realisierten Hochwasserschutzmaßnahmen an<br />
der Donau zwischen Straubing und Vilshofen gezeigt, bei welchen Spundwände in<br />
verschiedenster Weise zum Einsatz gekommen sind. Es werden die Randbedingungen für<br />
die Planung und Ausführung der Maßnahmen dargelegt sowie die Kriterien für die Auswahl<br />
und Festlegung der ausgeführten Konstruktionen erläutert. Spezielle Aspekte der Planung<br />
und Ausführung in Spundwandbauweise werden illustriert.<br />
Einführung<br />
Der bestehende Hochwasserschutz zwischen Straubing und Vilshofen wurde zum<br />
überwiegenden Teil in den 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen und in<br />
den 50-er Jahren fertig gestellt. Die vorhandenen Anlagen bieten Schutz vor einem ca.<br />
30jährlichen Hochwasser. Gemäß Landesentwicklungsprogramm Bayern soll der<br />
Hochwasserschutz so ausgebaut werden, dass besiedelte Gebiete vor einem 100-jährlichen<br />
Hochwasserereignis mit dem zusätzlich erforderlichen Freibord geschützt werden.<br />
Der Hochwasserschutz entlang der Donau ist Bestandteil des geplanten Donauausbaus<br />
zwischen Straubing und Vilshofen, für den das Raumordnungsverfahren nunmehr<br />
abgeschlossen wurde, wobei eine endgültige Entscheidung jedoch noch aussteht.<br />
Zur Vermeidung einer Verzögerung bei der Herstellung des Hochwasserschutzes haben die<br />
Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern beschlossen, 24 vom Donauausbau<br />
variantenunabhängige vorgezogene Hochwasserschutzmaßnahmen im Zuge des<br />
Donauausbaus zu realisieren. Davon sind derzeit 10 Maßnahmen abgeschlossen, 6<br />
Maßnahmen im Bau sowie 8 Maßnahmen in der Planung oder im öffentlich-rechtlichen<br />
Verfahren (Stand Juli 2006).<br />
Die Durchführung der Hochwasserschutzmaßnahmen ist der Rhein-Main-Donau AG<br />
übertragen, die Planung und Abwicklung der Maßnahmen erfolgt durch die RMD<br />
Wasserstraßen GmbH.<br />
Die 24 Maßnahmen mit einem Umfang von ca. 70 Mio. € werden im Zeitraum von 1999 bis<br />
ca. 2008 realisiert.<br />
Im Folgenden werden einige dieser Projekte vorgestellt, bei denen Deichertüchtigungen in<br />
Spundwandbauweise zur Ausführung kamen.<br />
2 Bauprojekt Stögermühlbach – Spundwand im Deich<br />
2.1 Überblick und Randbedingungen<br />
Die Baumaßnahme liegt im naturschutzfachlich bedeutsamen Isarmündungsgebiet, der<br />
Stögermühlbach mündet etwas unterhalb der Isar in die Donau. Zu sanieren waren die<br />
Rücklaufdeiche beidseits des Stögermühlbaches auf einer Länge von ca. 6 km, wobei auf<br />
einer Länge von ca. 1.700 m eine Spundwandlösung zur Ausführung kam.
117<br />
Im betreffenden Abschnitt wies der zu sanierende, i. M. ca. 4,5 m hohe Deich eine<br />
mineralische Oberflächendichtung auf, die Böschungsneigungen sind sehr steil, teilweise mit<br />
Neigungen bis 1:1,7. Zudem sind die Deichböschungen aus naturschutzfachlicher Sicht als<br />
wertvoll einzustufen (Magerrasenbestände und Orchideenstandorte) und mussten<br />
weitgehend unangetastet bleiben. Baumbepflanzungen reichen bis an den Böschungsfuß<br />
heran, im Vorland ist der Biber ansässig.<br />
Der Grundwasseraustausch durfte nicht nachteilig beeinträchtigt werden.<br />
2.2 Konstruktion in Spundwandbauweise<br />
Gewählt wurde eine innen liegende, aus statischen Gründen an der wasserseitigen<br />
Böschungsschulter angeordneten Deichdichtung in Form einer Spundwand.<br />
Abb. 1: Spundwand als Innendichtung im Isar-Mündungsbereich (Stögermühlbach)<br />
Alternative Dichtungen konnten den gestellten statischen Anforderungen in wirtschaftlicher<br />
Weise nicht gerecht werden.<br />
Durch Abtrag der Deichkrone um ca. 40 cm wurde die für das Rammgerät notwendige<br />
Aufstandsfläche mit der notwendigen Standsicherheit geschaffen.<br />
Eingebracht wurden Doppelbohlen vom Profil Hoesch 703 mit Längen von 4,00 – 6,00 m.<br />
Die Unterkante der Spundwand wurden so festgelegt, dass neben den statischen<br />
Anforderungen eine genügende Einbindung in die vorhandene Auelehmschicht sichergestellt<br />
war und die Anforderungen des Wühltierschutzes gem. DVWK- Merkblatt 247/1997 erfüllt<br />
waren. Mit dem Einbau einer Spundwand ist die Bibersicherheit auf der vollen Deichhöhe<br />
gegeben.<br />
Zur Sicherstellung der Standsicherheit auch bei schnell fallendem Hochwasser wurden in<br />
Abständen von 25 m Sickerschlitze (Dränkies 8/32) in der bestehende Oberflächendichtung<br />
angeordnet, um einen Überdruck auf die alte mineralische Oberflächendichtung zu<br />
verhindern.
a) b)<br />
Abb. 2: Spundwand im Deich, Bauausführung<br />
118<br />
Aufgrund der statischen Auslegung sowie der Durchwurzelungssicherheit der Spundwand<br />
konnte auf eine konsequente Gehölzfreistellung des wasserseitigen Deichvorlandes<br />
(Schutzstreifen) verzichtet werden.<br />
3 Bauprojekt Hafen Deggendorf – Spundwand mit Holm<br />
3.1 Überblick und Randbedingungen<br />
Die Baumaßnahme befindet sich Bereich des Hafens Deggendorf in einem durch<br />
Industriebetriebe sowie Hafen- und Gleisanlagen geprägten Umfeld. Der auf einer Länge von<br />
750 m zu ertüchtigende Deich ist ca. 1,5 m hoch und wird von zahlreichen Leitungen und<br />
Verkehrsverbindungen gequert. Die örtlichen Gegebenheiten sind durch die vorhandenen<br />
Gebäude und Anlagen beengt. Der Hochwasserdeich musste um ca. 1,20 m aufgehöht<br />
werden.<br />
3.2 Konstruktionen in Spundwandbauweise<br />
Nachdem eine Verbreiterung des Deiches aufgrund der beengten örtlichen Situation und der<br />
vorhandenen Anlagen nicht machbar war, kam nur eine Aufhöhung des Deichs mittels einer<br />
im Deich gegründeten Mauer in Frage. Als Lösung bot sich eine aus dem Deich<br />
herausragende Spundwand mit aufgesetztem Betonholm an, welche an der wasserseitigen<br />
Deichschulter angeordnet ist und auch aus landschaftspflegerischer Sicht in dem<br />
betreffenden Gebiet vertretbar war. Zur Ausführung kamen Doppelbohlen Profil Larssen<br />
603k mit einer Einbindetiefe von ca. 5 m. Die Spundbohlen waren im herausragenden<br />
Kopfbereich werksseitig mit einer Beschichtung versehen und mittels Schlossdichtung<br />
gedichtet. Der Betonholm sollte dicht auf die Spundwand aufgesetzt werden, so dass auch<br />
eine weitere Aufhöhung der Hochwasserschutzmauer mit Sandsäcken möglich ist. Die<br />
Unterschalung für den Betonholm wurde mit einer Hängekonstruktion direkt an der<br />
Spundwandoberkante befestigt.
119<br />
Abb. 3: Spundwand mit Betonholm im Hafenbereich Deggendorf<br />
Im Bereich einer vorhandenen Kabel- und Leitungsbrücke über die Hochwasserschutzmauer<br />
war der vorhandene Lichtraum für die Einbringung der Spundwand beschränkt. Hier konnte<br />
aber durch Einbringen von Vierfachbohlen mit exzentrischem Anschlag eine schnelle Lösung<br />
realisiert werden.<br />
Aufgrund der vorhandenen Bebauungen und Anlagen, darunter auch ein längs verlaufender<br />
Abwasserkanal, wurden eine vorausgehende Beweissicherung sowie baubegleitende<br />
Erschütterungsüberwachungen durchgeführt. Im Rahmen der Erschütterungsüberwachung<br />
wurde baubegleitend die Einhaltung der Grenzwerte nach DIN 4150 Teil 3 gemessen und<br />
beurteilt.<br />
a) b)<br />
Abb. 4: Spundwand mit Holm im Hafenbereich Deggendorf, Bauausführung<br />
4 Bauprojekt Aiterach/Straubing – Hochwasserschutzmauern auf Spundwand<br />
4.1 Überblick<br />
Die Baumaßnahme Aiterach befindet sich im Ortsteil Ittling der Stadt Straubing im Bereich<br />
der Rücklaufdeiche der Aiterach in relativ dicht besiedeltem Gebiet. Die bestehenden<br />
Deiche, von denen einer entlang der Aiterachstraße auf der Landseite mit einer ökologisch
120<br />
bedeutenden Trockenmauer versehen war, mussten auf einer Länge von ca. 2 km um ca.<br />
1,0 m aufgehöht werden.<br />
4.2 Konstruktionen in Spundwandbauweise<br />
Aufgrund der äußerst beengten Platzverhältnisse zwischen Wohnbebauungen, Straßen und<br />
Gewässer war eine erdbautechnische Aufhöhung als landschaftsgerechteste Variante nicht<br />
möglich. Deshalb wurde als Deichdichtung eine Spundwand mit aufgesetzter Betonmauer<br />
gewählt. Die Gestaltung der Mauern erfolgt streckenweise durch strukturierte Schalung,<br />
steinmetzmäßige Oberflächenbearbeitung oder durch Verkleidung mit Natursteinmauerwerk.<br />
Zur Sicherstellung des Grundwasseraustausches wurde die Unterkante der Spundwand<br />
gestaffelt ausgeführt. Im Bereich der Aitrachstraße konnte eine bestehende ökologisch<br />
wertvolle Trockenmauer mit bedeutenden Zauneidechsen-Populationen erhalten werden.<br />
a) b)<br />
Abb. 5: Spundwand mit aufgesetzter Mauer, Ittling/Straubing<br />
Im Bereich einer vorhandenen abzubrechenden Hochwasserschutzmauer wurde die<br />
Spundwand so weit in die neue Betonmauer eingebunden, dass durch die Wahl der<br />
Oberkante die Spundwand den erforderlichen temporären Hochwasserschutz während der<br />
Baumaßnahme sicherstellen konnte.<br />
Auch hier wurden umfangreiche Beweissicherungsmaßnahmen sowie Proberammungen und<br />
baubegleitende Erschütterungsmessungen durchgeführt.<br />
Analoge Konstruktionen, bei denen eine Spundwand als Gründungselement für eine<br />
Hochwasserschutzmauer aus Beton und als Untergrundabdichtung dient, wurden auch in<br />
zahlreichen anderen Projekten an der Donau zwischen Straubing und Vilshofen realisiert.<br />
Die Randbedingungen, welche zu einer Spundwandlösung führen, sind dabei jeweils ähnlich<br />
wie an der Aiterach in Straubing. Als determinierender Umstand sind es überwiegend die<br />
beengten Platzverhältnisse im innerörtlichen Bereich, welche den wirtschaftlichen Einsatz<br />
von Spundwänden gestatten. Die Wahl des Einbringverfahrens ist jeweils auf die<br />
vorhandenen Baugrundverhältnisse und die örtlichen Gegebenheiten abzustimmen. Bei<br />
angrenzenden erschütterungsempfindlichen Bebauungen wurden auch Einpressverfahren<br />
eingesetzt.<br />
5 Ausblick<br />
Spundwände können bei Deichertüchtigungen in vielfältiger Weise eingesetzt werden.<br />
Spundwandbauweisen kommen überwiegend dort zum Einsatz, wo spezielle
121<br />
Randbedingungen wie z. B. beengte Platzverhältnisse den Einsatz von anderen<br />
Dichtungssystemen ausschließen. Insbesondere in der Funktion als Abdichtung und<br />
Gründungselement für Hochwasserschutzmauern ist die Spundwand gegenüber anderen<br />
Bauweisen im Vorteil.<br />
a) b)<br />
Abb. 6: Spundwand mit aufgesetzter Mauer, Aiterach/Straubing, Bauausführung<br />
Literatur<br />
[1] DWA-Themen (2005); Dichtungssysteme in Deichen; Deutsche Vereinigung für<br />
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.; DWA Arbeitsgruppe WW-7.3; ISBN 3-937758-<br />
65-8<br />
[2] DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Heft 210 (1996)<br />
Flussdeiche, Verlag Paul Parey, Hamburg Berlin<br />
[3] DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Heft 247 (1997)<br />
Bisam, Biber, Nutria, Verlag Paul Parey, Hamburg Berlin<br />
[4] DIN 19712, Flussdeiche (11/1997) Beuth Verlag Berlin<br />
[5] DIN 4150-3: Erschütterungen im Bauwesen – Teil 3: Einwirkungen auf bauliche Anlagen,<br />
(02/1999), Beuth Verlag Berlin<br />
[6] EAU 2004 Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Ufereinfassungen“, 10.Auflage 2004<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Jens Breitenstein<br />
RMD Wasserstrassen GmbH<br />
Blutenburgstr. 20<br />
80636 München<br />
jens.breitenstein@rmd-wasserstrassen.de
Kurzfassung<br />
122<br />
Deichertüchtigung im Rahmen des Isar-Planes –<br />
Praktischer Einsatz des MIP-Verfahrens<br />
Stephan Kirner<br />
Die Ertüchtigung von Deichen erfordert normalerweise die radikale Freistellung der<br />
Deichböschungen von Gehölzen. Im folgenden Beitrag soll aufgezeigt werden, unter<br />
welchen Bedingungen und unter welchen Voraussetzungen der Einsatz eines<br />
Spezialbauverfahrens die Möglichkeit bietet, auf einen wertvollen und landschaftsprägenden<br />
Gehölzbestand auf Deichen weitestgehend Rücksicht zu nehmen.<br />
1 Veranlassung<br />
Der Isar-Plan ist ein gemeinsames Vorhaben der Landeshauptstadt München und des<br />
Freistaates Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt München. Vordringlichstes<br />
Ziel des Isar-Planes ist, neben der naturnahen Umgestaltung der Isar und der<br />
Berücksichtigung der Erholungsnutzung, vor allem die Verbesserung des<br />
Hochwasserschutzes für die Landeshauptstadt München.<br />
Im Bauabschnitt III (Ausführung im Winter 2001/02) wurden die Isardeiche im Bereich<br />
Thalkirchen zur Herstellung eines wirksamen Hochwasserschutzes saniert.<br />
Die Isar wird in dieser Strecke beidseitig von ca. drei Meter hohen Deichen begleitet.<br />
Unmittelbar neben dem linken Isardeich verläuft der Werkkanal der Stadtwerke München.<br />
Die Anlage eines Deichhinterweges zur Deichverteidigung war daher nicht möglich.<br />
Zusätzlich wies der Deich sowohl wasser- als auch der luftseitig einen erhaltenswerten<br />
Baumbestand auf.<br />
Abb. 1: Baumbestand auf Deichböschung (vor Sanierung)
2 Anforderungen an den Deich<br />
123<br />
Die für einen ausreichenden Hochwasserschutz notwendige Höhe der Deichkrone ergibt sich<br />
aus dem Bemessungshochwasser (1100 m 3 /s) und einer Freibordhöhe von einem Meter. Für<br />
die Deichverteidigung muss eine durchgehende Befahrbarkeit der Deichkrone gewährleistet<br />
sein. Die Mindestbreite für den Deichkronenweg wurde daher mit drei Meter festgelegt. Der<br />
Deich muss zudem eine ausreichende Standsicherheit haben. Diese ersten beiden<br />
Bedingungen sind beim bestehenden Isardeich größtenteils bereits gegeben. Da der Deich<br />
zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, muss das Kriterium der Standsicherheit<br />
daher gründlich hinterfragt werden.<br />
3 Mögliche Schadensursachen<br />
Die Untersuchungen im Vorfeld der Planung ergaben bereits, dass der Deich meist aus<br />
anstehendem Material geschüttet wurde. Ein homogener Deichaufbau war daher nicht<br />
gegeben. Neben den möglichen Versagensursachen wie Oberflächenerosion, Innere Erosion<br />
oder Böschungsbruch erwies sich der Bewuchs auf der wasserseitigen Deichböschung als<br />
kritischer Lastfall.<br />
Nach DIN 19712 muss die wasserseitige Deichböschung gehölzfrei sein. Wegen der<br />
besonderen Lage im innerstädtischen Bereich war jedoch mit großem Widerstand gegen die<br />
Rodung des Baumbestandes zu rechnen. Die Entfernung einer derart landschaftsprägenden<br />
Gehölzkulisse war politisch und vor allem öffentlich nicht durchsetzbar. Folgende Probleme<br />
entstehen durch große Bäume auf dem Deich: Bei längerer Beaufschlagung des Deiches bei<br />
Hochwasser wird die Deichböschung und damit der Wurzelraum der Bäume aufgeweicht.<br />
Die Stabilität der Aufstandsfläche der Bäume wird dadurch stark vermindert. Bei Windwurf<br />
wird der Baum mitsamt seinem Wurzelballen aus der Deichflanke herausgerissen. Dadurch<br />
wird eine Wunde in die Deichflanke geschlagen, die eine Angriffsfläche für das abfließende<br />
Hochwasser bietet und zum Deichbruch und damit zum Versagen des<br />
Hochwasserschutzsystems führt.<br />
4 Gewählte Lösung<br />
Zur Gewährleistung der Standsicherheit des Deiches bei gleichzeitigem Verbleib der<br />
Gehölze auf der wasserseitigen Deichböschung wird eine statisch tragende Wand im<br />
Deichkern eingebaut. Selbst bei vollständiger Erosion des wasserseitigen Deichkörpers ist<br />
so die Sicherheit der Hochwasserschutzeinrichtung gegeben.<br />
Um zu verhindern, dass die Feinwurzeln der Bäume beeinträchtigt werden, muss ein<br />
erschütterungsfreies Bauverfahren gewählt werden. Rammverfahren wie sie zum Einbau<br />
einer Spundwand notwendig wären, führen nach Aussagen von Baumschutzexperten zu<br />
nachhaltigen und tief wirksamen Bodenverdichtungen, die den Bodenluft- und<br />
Bodenwasserhaushalt massiv beeinträchtigen können. Damit würde das Ziel, den<br />
Baumbestand zu schonen und zu erhalten längerfristig konterkariert.<br />
5 Gewähltes System<br />
Für eine VOB-konforme Ausschreibung ist eine neutrale Beschreibung des gewählten<br />
Systems für den Einbau einer Wand im Deichkern Voraussetzung. Auch sollten mit<br />
Angebotsabgabe die Vorteile der jeweiligen Verfahrenstechnik aufgezeigt und die Eignung<br />
des Bauverfahrens dargestellt werden.
124<br />
Es wurde daher eine “Trägerbohlenwand mit Erdbetonausfachung“ ausgeschrieben.<br />
Stahlträger mit einer Länge von sechs bis acht Metern je nach statischen Erfordernissen<br />
werden im Abstand von drei Metern in vorgebohrte Löcher eingestellt. Der Raum zwischen<br />
den Trägern wird mit einer Erdbetonwand ausgefacht, die bis ca. einen Meter unter<br />
Deichaufstandsfläche einbindet.<br />
Die Wand hat eine Dicke von ca. 40 cm, so dass eine Gewölbeausbildung in der Wand zur<br />
Lastabtragung auf die Träger möglich ist.<br />
Abb. 2: Schemazeichnung Gewölbeausbildung<br />
Die Höhe der Druckfestigkeit der Erdbetonwand wurde mit min. 1,8 MN/m 2 gewählt. Sie ist<br />
abhängig von den statischen Anforderungen an das Gewölbe, über das die Lasten aus Erd-,<br />
Wasserdruck und Verkehrslast auf die Träger abgetragen wird.<br />
Lastannahmen<br />
(ungünstigster Fall)<br />
Wasserseitiger Deichkörper bis<br />
Deichfuß erodiert<br />
Hochwasser zurückgegangen<br />
Abb. 3: Lastannahmen<br />
Luftseitiger Deich<br />
wassergesättigt<br />
Als ungünstigster Lastfall wird ein bis zur Deichaufstandsfläche erodierter Deich<br />
angenommen. Das Hochwasser ist abgeflossen, die luftseitige Böschung des Deiches<br />
jedoch noch bis zur Bemessungswasserspiegelhöhe wassergesättigt. Zusätzlich wird auf der<br />
Deichkrone eine Flächenlast von 16,67 kN/m 2 angesetzt. Dies entspricht einer Ersatzlast für<br />
einen SLW 30. Im Rahmen der Deichverteidigung werden voraussichtlich leichtere<br />
Fahrzeuge eingesetzt, so dass diese Annahme auf der sicheren Seite liegt.<br />
Als oberer Abschluss der Erdbetonwand ist ein Kopfbalken aus Stahlbeton vorgesehen, der<br />
die Betonqualität der Wand im frostbelasteten Bereich des Deichkörpers garantieren soll.<br />
Zusätzlich bietet der Kopfbalken eine erhöhte Sicherheit für den Fall des Überströmen des<br />
Deichkörpers.<br />
6 Bauverfahren für Erdbetonwände<br />
Eine Möglichkeit zur Herstellung der Wand im Deichkörper ist ein offener Verbau. Dieses<br />
Verfahren ist jedoch wegen der beengten Platzverhältnisse und der schwierigen Andienung
125<br />
der Baustelle zu aufwändig. Dieses Verfahren wurde auch im Rahmen der Ausschreibung<br />
nicht angeboten.<br />
Das Fräs-Misch-Injektionsverfahren (FMI) der Firma Sidla-Schönberger wurde angeboten.<br />
Hierbei wird eine Wand durch das Einfräsen von Bindemitteln in den anstehenden Boden<br />
ohne Bodenaustausch hergestellt. Nachteilige Eigenschaften des Verfahrens sind u. a., dass<br />
beim Fräs-Mischvorgang ein erheblicher Anteil des anstehenden Bodens nach oben<br />
transportiert wird. Bei den beengten Platzverhältnissen gelangt ein Teil des Mischgutes über<br />
Deichkrone und –böschung, wodurch die Deichflanken erheblich beeinträchtigt werden. Auch<br />
wird durch die Art der Fräsmischung der Suspension mit dem anstehenden Boden keine<br />
vollkommen homogene Erdbetonmischung erreicht.<br />
Das Mixed-in-Place-Verfahren (MIP) der Firma Bauer wurde ebenfalls angeboten. Bei<br />
diesem Verfahren wird die Dreifachschnecke unter Suspensionszugabe in der mittleren<br />
Schnecke abgebohrt. Nach Erreichen der Endteufe wird durch wechselseitiges Drehen der<br />
einzelnen Schnecken – bei gleichzeitigem Auf- und Abbewegen des gesamten<br />
Schneckenstranges – das Boden-Bindemittelgemisch homogenisiert. Das Ergebnis ist ein<br />
verfestigter, durch die Schneckengeometrie definierter, scheibenförmiger Erdbetonkörper.<br />
Die nachteiligen Eigenschaften des FMI Verfahrens treten hierbei nicht auf.<br />
7 Einbau der Trägerbohlenwand mit Erdbetonausfachung<br />
Zur Ausführung kam ein Sondervorschlag<br />
der Firma Bauer, der sowohl das<br />
Bauverfahren wesentlich vereinfachte als<br />
auch Verbesserungen der Eigenschaften im<br />
fertigen Endprodukt „Trägerbohlenwand mit<br />
Erdbetonausfachung“ zur Folge hatte. Es<br />
wurden alle Arbeiten mit nur einem Gerät<br />
bzw. Geräteträger durchgeführt.<br />
Im Vorlauf wird das Lichtraumprofil für das<br />
Bohrgerät freigemacht. Hierzu werden<br />
Bäume und Äste, die dem Bohrgestell im<br />
Wege stehen, entfernt. Die Größe des<br />
Lichtraumprofils beträgt ca. 18 m x 3 m.<br />
Danach erfolgt der Voraushub im Bereich<br />
des späteren Kopfbalkens.<br />
Abb. 4: Freischneiden des Lichtraumprofils
Abb. 5: Voraushub<br />
126<br />
Der Bohransatzpunkt wird dadurch einerseits tiefer gesetzt andererseits ist in diesem<br />
Bereich auch ein Freiraum, in dem das Übermaterial aus der Bohrung aufgefangen werden<br />
kann.<br />
Abb.6 : Bohrer im Voraushub<br />
Die Deichflanken und damit auch die darauf stehende Vegetation werden dadurch<br />
wesentlich geschont.<br />
Die Herstellung der Wand erfolgt im Pilgerschrittverfahren wodurch eine optimal homogene<br />
Struktur der Wand erreicht wird. Im nächsten Schritt erfolgt das Abteufen der Bohrungen<br />
zum Einstellen der Träger ebenfalls mit dem Bohrgerät. Im Anschluss daran erfolgt<br />
wiederum mit demselben Geräteträger das Einstellen der Stahlträger in die frisch gebohrte<br />
Wand alleine durch die Schwerkraft. Der Vorteil dabei ist, dass nur ein Gerät auf dem Deich<br />
eingesetzt werden muss und dass keine Umrüstarbeiten nötig sind. Dies kommt den<br />
beengten Platzverhältnissen entgegen. Außerdem wird so einen optimaler Verbund<br />
zwischen Träger und Erdbetonwand gewährleistet.
Abb. 7: Einstellen der Stahlträger<br />
127<br />
Nach erfolgter Reinigung der Trägerköpfe wird das Kopfband bewehrt, geschalt und<br />
betoniert.<br />
Abb. 8: Kopfbalken (Bewehrung u. Schalung)<br />
Beim Hinterfüllen der Arbeitsräume des Kopfbandes ist besonderes Augenmerk auf die<br />
Verdichtung zu legen, da ansonsten die Wegeoberflächen erhebliche Unebenheiten<br />
aufweisen.
Abb. 9: Wegeeinbau<br />
128<br />
Zum Abschluss der Arbeiten wird der Deichkronenweg mit wassergebundener Decke<br />
eingebaut.<br />
Abb. 10: Schematischer Deichschnitt<br />
Abb. 10 verdeutlicht nochmals das gesamte Einbauverfahren der Trägerbohlenwand mit<br />
Erdbetonausfachung im Herstellungsprozess als Schnitt.<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Stephan Kirner<br />
Wasserwirtschaftsamt München<br />
Abteilungsleiter Isar<br />
Praterinsel 2<br />
80538 München<br />
stephan.kirner@wwa-m.bayern.de
129<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz des FMI-<br />
Verfahrens<br />
Kurzfassung<br />
Patrick Menk<br />
Der nachfolgende Beitrag soll einen kurzen Überblick über die bislang gemachten<br />
Erfahrungen mit dem Fräs-Misch-Injektions-Verfahren bei Baumaßnahmen zum<br />
Hochwasserschutz an der Donau zwischen Straubing und Vilshofen geben. Nach<br />
Anmerkungen zur Planung sollen vor allem die Erkenntnisse aus der Bauausführung sowie<br />
die durchgeführte Qualitätssicherung dargestellt werden.<br />
1 Einführung<br />
Grundlage für die Planung einer Dichtung an Hochwasserschutzdeichen an den bislang<br />
ausgeführten Maßnahmen war die DIN 19712 und das DVWK-Merkblatt 215/1990<br />
Dichtungselemente im Wasserbau. In diesen Schriften sind keine Verfahren zu Herstellung<br />
insitu gemischter Erdbetonkörper (wie z.B. das MIP-Verfahren der Fa. Bauer oder die Fräs-<br />
Misch-Injektion nach dem Verfahren der Fa. Sidla & Schönberger, siehe hierzu (2)) derart<br />
beschrieben, dass Angaben zur konstruktiven Durchbildung und Überwachung während der<br />
Ausführung möglich waren.<br />
Erfahrungswerte mit den genannten Verfahren lagen für andere Einsatzbereiche (z.B.<br />
Bodenverbesserung mittels FMI-Verfahren bei der Bahn) und –zwecke (z.B. temporäre<br />
Baugrubensicherung durch die Kombination einer statisch nicht wirksamen MIP-Dichtwand in<br />
einer geböschten Baugrube) vor.<br />
Da das FMI-Verfahren grundsätzlich für einen Einsatz als Dichtungselement im<br />
Hochwasserschutz geeignet erschien, jedoch keine einschlägigen Erfahrungen in Bayern<br />
vorlagen, wurde im Jahre 2000 unter anderem in Zusammenarbeit mit dem<br />
Wasserwirtschaftsamt Deggendorf ein Grundlagenversuch mit dem FMI-Verfahren<br />
durchgeführt. In diesem Grundlagenversuch wurde die Eignung im Hinblick auf Dichtwirkung<br />
und Standsicherheitsfragen sowie den Wühltierschutz geprüft. Die<br />
FMI-Wand wurde hier nach einem durch die Fa. Sidla & Schönberger patentierten Verfahren<br />
hergestellt.<br />
Als Ergebnis hat das Wasserwirtschaftsamt Deggendorf für die Anwendung des<br />
FMI-Verfahrens im Hochwasserschutz eine Empfehlung ausgesprochen und die Anwendung<br />
als Verfahren zur Herstellung einer Innendichtung unter Berücksichtigung bestimmter<br />
Maßgaben zugelassen.<br />
Im April 2005 ist nun als Veröffentlichung der DWA Arbeitsgruppe WW-7.3 der Bericht<br />
„Dichtungssysteme in Deichen“ erschienen. Dieser stellt nun die für die Planung<br />
erforderlichen Grundlagen zur Verfügung. Die FMI-Wand wird hier unter dem Oberbegriff der<br />
Bodenvermörtelung als Verfahren zur Herstellung einer innenliegenden Dichtungswand<br />
genannt.
2 Ausgeführte Maßnahmen<br />
130<br />
In den vergangenen fünf Jahren wurde das FMI-Verfahren bei drei, durch die RMD<br />
Wasserstrassen GmbH geplanten Hochwasserschutzprojekten als Innendichtung ausgeführt<br />
bzw. wird derzeit hergestellt. Bei diesen Maßnahmen wurde das<br />
FMI-Verfahren mit dem durch die Fa. Sidla&Schönberger patentierten Gerät zur<br />
Bodenverfestigung ausgeführt. Die Maßnahmen sind nachfolgend kurz beschrieben und die<br />
wichtigsten Daten zusammengefasst.<br />
Deichsanierung Seebach-Niederalteich (Ausführungszeitraum Ende 2001 bis 2002)<br />
Der bestehende Donaudeich war im Rahmen einer Sanierung mit einer funktionstüchtigen<br />
Dichtung auszustatten. Es wurde eine mittig in Deichkrone liegende Innendichtung<br />
ausgeführt. Sie hat eine Tiefe von ca. 6 m bei einer Gesamtfläche von ca. 4.500 m². Die<br />
Dicke der ausgeführten Wand beträgt mind. 0,6 m.<br />
Hochwasserschutz Mariaposching (Ausführungszeitraum 2003)<br />
Der Ortsschutzdeich in Mariaposching war um ca. 1,0 m auf den Schutzgrad eines HW100<br />
der Donau zuzüglich eines Freibords zu erhöhen. Bereichsweise musste auf der Deichkrone<br />
eine HWS-Mauer mit Spundwand als Dichtungs- und Gründungselement errichtet werden.<br />
Wo die Platzverhältnisse es zuließen wurde der Deich erdbaulich erhöht und mit einer FMI-<br />
Wand als Innendichtung in der Mitte der Deichkrone ausgestattet. Die Dichtwand hat eine<br />
Tiefe von ca. 7,6 m, ist ca. 60 cm dick und hat eine Fläche von ca. 5.000 m².<br />
Hochwasserschutz Eisenbahnbrücke Deggendorf – Schöpfwerk Saubach<br />
(Ausführungszeitraum ab Sommer 2005, derzeit im Bau)<br />
Analog zu Mariaposching war der Hochwasserschutzdeich für den Ortsbereich Deggendorf-<br />
Fischerdorf um ca. 1,1 m zu erhöhen. In Teilbereichen der Baumaßnahme wurde eine FMI-<br />
Wand als Innendichtung in der Mitte der Deichkrone ausgeführt. Die Innendichtung wurde<br />
ca. 5,5 m tief auf einer Fläche von ca. 7.250 m² und ca. 8,3 m tief auf einer Fläche von ca.<br />
1.650 m² ausgeführt. Die Dicke der ausgeführten Wand beträgt mind. 0,5 m. In einem kurzen<br />
Teilbereich wurde die FMI-Wand mit eingestellten IPE-Trägern und aufgesetzter HWS-Mauer<br />
hergestellt.<br />
3 Planung und Ausschreibung<br />
Die Planung erfolgte nach der DIN 19712 und in Anlehnung an das DVWK-Merkblatt<br />
215/1990. Die Innendichtung wurde funktional als vertikales Dichtelement ausgeschrieben,<br />
i.d.R. orientiert an den Angaben zur Schlitzwand. Die Art der Wand war dem AG im Regelfall<br />
freigestellt, solange die folgenden Rahmenbedingungen eingehalten wurden:<br />
die Durchlässigkeit k bzw. Permittivität Ψ der Dichtung ist sicherzustellen,<br />
z.B. Ψ= 1,0*10 -8 1/s.<br />
die Innendichtung ist sicher gegen innere und äußere Erosion, dauerhaft<br />
und witterungsbeständig auszuführen.<br />
auftretende Kräfte z.B. aus Erd- oder Wasserdruck sind aufzunehmen und<br />
schadlos abzuleiten. Hierfür ist ein statischer Nachweis zu erbringen.<br />
die Mindestdicke der Wand liegt bei 0,5 m (Wühltiersicherheit), galt nicht für<br />
Spundwand
131<br />
keine baubedingten Verunreinigungen der Deichböschungen<br />
sicher gegen Schäden durch Wühltiere<br />
Waren weitergehende, ausführungs- und kalkulationsrelevante Zwangspunkte oder<br />
Randbedingungen vorhanden (z.B. kreuzende Leitungen, eingeschränkte Bauhöhe,<br />
Auflagen des Naturschutzes), so wurden diese beschrieben.<br />
Sondervorschläge wurden für die Dichtwand ausdrücklich zugelassen.<br />
Da das FMI-Verfahren nicht eindeutig einem Verfahren in dem DVWK-Merkblatt 215/1990<br />
zuzuordnen war, hatte die Fa. Sidla&Schönberger die technische Gleichwertigkeit des<br />
Verfahrens und die Einhaltung der Rahmenbedingungen zu belegen. Dies erfolgte unter<br />
anderem über das im Jahr 2000 ausgeführte Referenzprojekt, aber auch durch zum DVWK-<br />
Merkblatt 215/1990 analoge Verfahrenbeschreibungen, sowie ausführliche Beschreibung der<br />
vorgesehenen Qualitätssicherung.<br />
4 Qualitätssicherung<br />
Qualitätssicherung AN:<br />
Die Qualitätssicherung (QS) wurde in einem Qualitätssicherungsplan (QS-Plan)<br />
zusammengestellt. Nach einleitenden Angaben zur Baumaßnahme und den an der<br />
Maßnahme beteiligten Firmen sind hier auch die für eine Eignungsprüfung notwendigen<br />
Schritte beschrieben. Diese sind:<br />
• Angabe der Zielwerte (Druckfestigkeit, Durchlässigkeit/Permittivität,<br />
Erosionsstabilität)<br />
• Festlegung eines repräsentativen Bodenaufbaus und Entnahme von Probenmaterial<br />
mittels Baggerschurf im Baufeld einschließlich Dokumentation<br />
• Festlegung der Bodenmischung und bodenmechanische Untersuchung der<br />
festgelegten Mischung<br />
• Ermittlung der Festigkeiten (Druckfestigkeiten nach DIN 18 136 (in Anlehnung an<br />
Kap. 8 des DVWK-Merkblattes 215/1990 bei geringen Druckfestigkeiten bis ca. 2<br />
N/mm²) oder der Würfeldruckfestigkeit nach DIN 1045, ggf. Zugfestigkeiten)<br />
• falls erforderlich Festlegung der Umrechungsfaktoren für die jeweilige Dichtwand z.B.<br />
der Spaltzugfestigkeit zur Biegezugfestigkeit oder der Druckfestigkeit zur<br />
Biegzugfestigkeit<br />
• Ermittlung der Wasserdurchlässigkeit nach DIN 18 130<br />
• Prüfung des Anmachwassers auf schädliche Bestandteile<br />
Im Zuge der Ausführung waren die folgenden Arbeiten zur QS vorgesehen:<br />
• Prüfung der Geräte, insbesondere die Mischanlage und die Transportleitung (über<br />
Durchflussmenge). Die Ergebnisse sind (arbeitstäglich) zu dokumentieren<br />
• Prüfung der Baustoffe<br />
• Zugabewasser<br />
• Bindemittelart: Prüfung über Lieferscheine
132<br />
• Suspension: Dichteprüfung einmalig zu Schichtbeginn und im Schichtverlauf<br />
stichprobenartig mit Dokumentation der gemessenen Werte<br />
• Prüfung des Boden-Bindemittel-Gemisches nach dem Einfräsen nach Augenschein<br />
und Entnahme von Schöpfproben aus unterschiedlichen Tiefen<br />
• Überprüfung der Frästiefe durch Lotung im Abstand von 25 m mit Dokumentation<br />
• Überprüfung der Einbaudicke mit Angabe der Breite über die Höhe<br />
• Prüfung der Vertikalität der Wand über Einmessen des Fräsbaumes zu Schichtbeginn<br />
und alle 50 m<br />
Aus den Schöpfproben werden Probekörper erstellt. Diese Probekörper werden auf die<br />
Zielvorgaben der Eignungsprüfung im Rahmen der Eigenüberwachung (EÜ) hin geprüft. Der<br />
AN stellt pro Entnahmestelle je eine Serie von 3 Probekörpern für die Eigenüberwachung<br />
des AN (EÜ) und die Kontrollprüfungen (KP) des AG.<br />
Hierbei wurde folgende Probenanzahl festgelegt:<br />
Prüfung Anzahl<br />
Druckfestigkeit Je 3 Stück alle 500m³ für EÜ und KP<br />
Zugfestigkeit Je 3 Stück alle 500m³ für EÜ und KP<br />
Wasserdurchlässigkeit Je 3 Stück alle 1.000m² für EÜ und KP<br />
Die Standsicherheitsnachweise nach DIN 4026 für Schlitzwände werden für die<br />
FMI-Wand nicht geführt. Da die Dichte des Boden-Suspensionsgemisches mit ca. 2,0 t/m³<br />
annähernd so hoch ist wie die Dichte des umgebenden Bodens, wurden diese Nachweise<br />
nicht verlangt.<br />
Im Rahmen der QS wird der QS-Plan bei Änderungen und Ergänzungen fortgeschrieben.<br />
Die QS wird mit einem zusammenfassenden Bericht abgeschlossen.<br />
Qualitätssicherung AG:<br />
Der QS-Plan wird in enger Zusammenarbeit zwischen AG und AN erstellt und durch den AG<br />
freigegeben. Zudem werden die Ergebnisse der EÜ zeitnah dem AG zu Kenntnis vorgelegt.<br />
Im Regelfall haben die KP des AG ca. 1/3 des Umfangs der EÜ des AN. Die verbleibenden<br />
Proben werden bis zum Abschluss der QS und Vorliegen sämtlicher Prüfungen als<br />
Rückstellproben gelagert. Die Rückstellproben werden in Zweifelsfällen im Auftrag des AG<br />
untersucht.<br />
5 Erkenntnisse<br />
• Die Festigkeitsentwicklung und die absoluten Festigkeiten der Dichtwand hängen<br />
stark von der Zusammensetzung des Bodens und der Art des Bindemittels ab. Eine<br />
allgemeine Prognose kann somit nicht gegeben werden. Druckfestigkeiten nach 28<br />
Tagen von > 5 N/mm² wurden jedoch bei den o. g. Maßnahmen durchgängig<br />
problemlos erreicht.<br />
• Folgende Verhältnisse der Festigkeiten der verwendeten Suspensionen wurden<br />
ermittelt:
133<br />
• 1,75 βSpaltzugfestigkeit ~ βBiegezugfestigkeit ~ 0,12 βDruckfestigkeit<br />
• Eine signifikante Veränderung der Festigkeiten über die Wandhöhe wurde nicht<br />
festgestellt, die Homogenität der FMI-Wand ist auf Grundlage der Laborergebnisse<br />
als gut einzustufen.<br />
• Suspensionsverluste wurden nicht beobachtet. Dies ist auf die hohe Dichte des<br />
Boden-Bindemittel-Gemisches im Schlitz, z.B. im Vergleich mit einer<br />
Einphasenschlitzwand zurückzuführen.<br />
• Die Maßgenauigkeit des Schlitzes wurde sowohl durch die Lotung als auch die<br />
Breitenmessung im Zuge des QS bestätigt.<br />
• Bei der Herstellung der FMI-Wand wurden Tagesleistungen von bis zu ca. 200 m bei<br />
Wandtiefen zwischen 5 und 8 m erreicht<br />
• Bei Anschlüssen an Bauwerken wurde stets eine Spundwand vorgesehen, die direkt<br />
mit dem Bauwerk verbunden wurde. Die Dichtigkeit wurde durch fräsen eines Y-<br />
Anschlusses und ggf. Verpressen des Zwickels hergestellt.<br />
Abb. 1: Fräse stellt Y-Anschluss links und rechts der Spundwand her<br />
• Leitungskreuzungen sind verfahrensabhängig auszuführen. Ein allgemein gültiges<br />
Patentrezept für alle Bauverfahren ist nicht möglich. Bekannte Leitungen wurden<br />
daher in den Ausschreibungsunterlagen dargestellt.<br />
• Im Untergrund kreuzende, erschütterungsunempfindliche Leitungen wurden, wo<br />
möglich, im Bereich der Dichtwandachse freigelegt und mit einem ausreichend<br />
dimensionierten Lehmschlag umhüllt. Die Dichtwand wir bis zum Erreichen des<br />
Lehmschlags hergestellt, angehoben und im Lehmschlag über die Leitung eingebaut.<br />
Hierbei wurde auf ausreichenden Abstand zwischen Leitung und Schlitz geachtet (><br />
2,0 m). Die Einbindung der Dichtwand in den Lehmschlag wurde mit mind. 80 cm<br />
angegeben. Eine Abdichtung unter der Leitung über dem Lehmschlag hinaus ist<br />
aufgrund der Leitungstiefe (ca. 1,0 m) i. d. R. nicht erforderlich.
134<br />
• Ist als Arbeitsplanum für die Herstellung der FMI-Wand eine grobe Kies- oder<br />
Schotterlage vorgesehen, so ist der Stand der Suspension im Schlitz unter dieser<br />
Lage zu halten, wenn eine Verschmutzung der Schicht nicht zulässig ist. Andernfalls<br />
ist diese Schicht vor Abbinden der Suspension auszubauen und zu entsorgen. Die<br />
Deichkrone kann im Anschluss aufgebaut werden.<br />
Abb. 2: Fräsbaum wird in Schlitz eingefahren und erreicht senkrechte Arbeitsstellung.<br />
Abb. 3: Dichtwand im FMI-Verfahren nach Herstellung – Im Kronenbereich muss vor dem<br />
endgültigen Aufbau noch der mit Suspension verunreinigte Schotter entfernt werden
6 Zusammenfassung<br />
135<br />
Das FMI-Verfahren hat sich in Zuge der o. g. Maßnahmen als homogenes Dichtungselement<br />
bewährt, wenn der anstehende Boden geeignet ist. Besonders zu erwähnen ist die große<br />
Einbauleistung und die damit verbundene kurze Bauzeit, was für den Bauherrn von<br />
Bedeutung sein kann.<br />
Literatur<br />
(1) DVWK-Merkblatt 215/1990, Dichtungselemente im Wasserbau, Deutscher Verband für<br />
Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V., Verlag Paul Parey, 1990, ISBN 3-490-31597-9<br />
(2) DWA-Themen (2005); Dichtungssysteme in Deichen; Deutsche Vereinigung für<br />
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.; DWA Arbeitsgruppe WW-7.3; ISBN 3-937758-<br />
65-8<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Patrick Menk<br />
RMD Wasserstrassen GmbH<br />
Blutenburgstraße 20<br />
80636 München<br />
patrick.menk@rmd-wasserstrassen.de
Kurzfassung<br />
136<br />
Leitungen in Deichen<br />
Harald Wildner<br />
Meist sind bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> Leitungen in und unter Deichen zu<br />
berücksichtigen oder der nachträgliche Einbau von Leitungen im Bereich bestehender<br />
Hochwasserschutzdeiche ist oft unvermeidbar. Die gültigen Regelwerke können lediglich<br />
Hinweise zu dieser Problematik geben, jedoch nicht als detaillierte Anleitung für die<br />
Behandlung jedes Einzelfalls dienen. Jeder Anwendungsfall erfordert eine „individuelle“ und<br />
sorgfältig geplante Bemessung und Konstruktion, vorwiegend unter Berücksichtigung des<br />
gewählten Dichtungssystems sowie der gewählten bzw. vorhandenen<br />
Deichschütt- und Bodenmaterialien.<br />
1 Allgemeines<br />
Insbesondere im Hochwasserfall können sich entlang von Leitungen unter<br />
Hochwasserschutzbauwerken bevorzugt Sickerwege ausbilden (Abb. 1). Bei<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> ist einerseits bereits in der Planungsphase entsprechend<br />
Rücksicht auf vorhandene Bauwerke und Leitungen in der Deichtrasse zu nehmen.<br />
Andererseits sind bestehende Deiche oftmals auch von neu zu errichtenden Bauwerken und<br />
Leitungen betroffen. Der vorliegende Betrag beschäftigt sich hauptsächlich mit querenden<br />
Leitungen. Unter Leitungen werden dabei Rohre und Kabel verstanden.<br />
Abb. 1: Sickerwege entlang von Leitungen (aus LfW, 2003, modifiziert)
2 Regelwerke<br />
137<br />
DIN 19712 (1990) und DVWK-Merkblatt 210/1986 treffen einige Festlegungen in Bezug auf<br />
Leitungen in Deichen. Die wesentlichen sind nachfolgend aufgelistet:<br />
• Durch das Verlegen von Leitungen dürfen die Durchlässigkeitsverhältnisse im Deich<br />
und im Untergrund nicht nachteilig verändert werden (Erosionssicherheit).<br />
• Leitungen dürfen unter und unmittelbar neben dem Deich nicht parallel zur<br />
Deichtrasse verlaufen (bei bestehenden Deichen oft nicht eingehalten).<br />
• Querende Leitungen müssen die Deichachse möglichst rechtwinklig kreuzen (bei<br />
bestehenden Deichen oft nicht eingehalten).<br />
• Leitungskreuzungen in Deichen sind nicht zulässig.<br />
• Falls mehrere Leitungen nebeneinander verlegt werden, sind gewisse<br />
Mindestabstände in Abhängigkeit vom Leitungsdurchmesser einzuhalten.<br />
• Zu bestehenden Bauwerken ist ein ausreichender Abstand einzuhalten.<br />
Betreffend nachträglich einzubauender Leitungen im Untergrund gibt DIN 19712 (1990) den<br />
Hinweis, dass sie dann durchzupressen oder in offener, geböschter Baugrube im Deich und<br />
immer in einem Schutzrohr zu verlegen sind. Dem Einbau in offener Bauweise ist der Vorzug<br />
zu geben (Entwurf DWA-Merkblatt).<br />
Folgende rechnerischen Nachweise sind immer zu führen (DIN 19712, 1997):<br />
• Nachweis der Auftriebssicherheit (auch bei leerer Leitung).<br />
• Nachweis der Erosionssicherheit entlang der Leitung.<br />
• Sicherheit gegen erhöhten Rohrinnendruck und Druckstoßbelastung.<br />
3 Nachträglicher Einbau von querenden Leitungen<br />
Rohrleitungen sollten nur in Ausnahmefällen unter dem Deich durchgepresst werden<br />
(Entwurf DWA-Merkblatt). Deshalb wird im folgenden nur auf den nachträglichen Einbau von<br />
Leitungen in offener Baugrube eingegangen. Bei geringer Mächtigkeit einer vorhandenen<br />
Auelehmschicht ist die Rohrleitung am besten unter der Auelehmschicht zu verlegen. Die<br />
Leitungen sollten mit plastischem Material umhüllt/eingebettet werden. Davon abgewichen<br />
werden darf nur, „wenn im Deich die Bodenarten konstruktiv getrennt sind“ (DIN 19712,<br />
1997).<br />
Bei Deichen mit massiven Innendichtungen (z. B. Schlitz- oder Spundwände) ist der<br />
Leitungsgraben in offener Bauweise herzustellen. Die Innendichtung wird dabei punktuell<br />
aufgebrochen und ist wieder ordnungsgemäß und dauerhaft zu verschließen. Das<br />
Schutzrohr ist gelenkig (und verschieblich) an die starre Dichtwand anzuschließen, um<br />
Rohrbrüche oder Hohlraumbildungen infolge von Setzungsdifferenzen zu vermeiden.<br />
(Entwurf DWA-Merkblatt). Der Hohlraum zwischen Schutzrohr und Transportrohrleitung ist<br />
wasserseitig dauerelastisch auszubilden.<br />
Besonders wichtig beim nachträglichen Einbau von Leitungen ist eine entsprechende<br />
Überwachung des Erdbaus mit Überprüfung des Verdichtungsgrads der eingebauten<br />
Materialien. Neben- und auf der Leitung ist beispielsweise ein Verdichtungsgrad Dpr von
138<br />
mindestens 92 %, möglichst 95 % (bei bindigem Material gem. DIN 19712) und ein<br />
Durchlässigkeitsbeiwert kf von höchstens 1 x 10 -8 m/s zu fordern. In Ergänzung zu den<br />
Festlegungen in DIN 19712 sollten folgende geohydraulischen Nachweise geführt werden:<br />
• Nachweis der inneren Erosions- und Suffosionsstabilität der eingebauten Materialien.<br />
• Stabilität gegen Kontakterosion und Kontaktsuffosion zwischen Lehmummantelung<br />
der Leitung und dem umgebenden<br />
Boden- bzw. Stützkörpermaterial.<br />
• Erosionsnachweis gegen konzentriertes Durchspülen in der Lehmummantelung.<br />
4 Berücksichtigung querender Leitungen im Zuge von<br />
<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />
Generell ist die konstruktive Ausbildung des Deiches im Bereich von bestehende Leitungen<br />
durch den Deich abhängig von der Art des gewählten Ertüchtigungsverfahrens (z. B.<br />
Oberflächendichtung aus natürlichem Boden oder Bentonitmatte, z. B. Innendichtung als<br />
mineralische Dichtung oder als Spundwand) sowie abhängig von den vorhandenen<br />
Deichschütt- und Bodenmaterialien (z. B. vorhandener Auelehmschicht). Aufgrund<br />
unvollständiger Unterlagen bzw. unzureichender Kenntnis betreffend Leitungen in Deichen<br />
sind bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> häufig kurzfristig entsprechende Umplanungen<br />
erforderlich. Der nachträgliche Einbau von Dichtungsschürzen oder Schleichringen,<br />
besonders unter bestehenden Leitungen, ist wegen der schwierigen Verdichtungsfähigkeit<br />
sowie oft aufgrund hoher Grundwasserstände meist schwierig durchzuführen. Nachfolgend<br />
werden lediglich einige Ausführungsbeispiele kurz vorgestellt.<br />
Nachrüstung eines Deiches mit einer Oberflächendichtung<br />
Wird beispielsweise eine Oberflächendichtung aus Lehm im Rahmen einer<br />
Deichertüchtigungsmaßnahme nachgerüstet, so hat dies den Vorteil, dass bestehende<br />
Leitungen die die Deichtrasse im Untergrund queren, vom wasserseitigen<br />
Böschungsfußpunkt des zu sanierenden Deiches erkundet und freigelegt werden können. An<br />
die freigelegte Leitung kann dann verhältnismäßig einfach die natürliche<br />
Oberflächendichtung angeschlossen werden (Abb. 2).<br />
Abb. 2: Anschluss einer neuen Oberflächendichtung aus Lehm an einen bestehenden Kanal<br />
Nachrüstung eines Deiches mit einer Innendichtung
139<br />
Ist die Ertüchtigung eines Deiches mittels Innendichtung vorgesehen, bestehen u. a.<br />
nachfolgend beschriebene Möglichkeiten, die Dichtung an die vorhandene Leitung<br />
anzuschließen.<br />
Deichabtrag und Freilegung der Leitung im Kreuzungsbereich. Einbau einer ausreichend<br />
mächtigen Dichtschürze aus plastischem Material um und über die Leitung. Führen der<br />
Innendichtung über die Leitung mit Einbindung in die Dichtschürze (Abb. 3).<br />
Deichabtrag und Freilegung der Leitung im Kreuzungsbereich. Ersatz des bestehenden<br />
Stützkörpermaterials durch „geringdurchlässiges“ Material. Einbinden der Innendichtung<br />
beidseits der querenden Leitung in den neuen Stützkörper aus „gering durchlässigem“<br />
Material (Abb. 4).<br />
Abb. 3: „Überführen“ einer Innendichtung über eine querende Leitung<br />
b. 4: „Heranführen“ einer Innendichtung an eine querende Leitung<br />
Die beschriebenen konstruktiven Lösungen stellen nur einen Auszug üblicher<br />
Anwendungsfälle exemplarisch dar und sind stets sorgfältig mit dem betroffenen<br />
Versorgungslastträger abzustimmen.<br />
Ab
Literatur<br />
140<br />
Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, LfW (2003): Hinweise zur Deichverteidigung<br />
und Deichsicherung, August 2003.<br />
DIN 19712 (1997): Flussdeiche. Beuth Verlag GmbH, Berlin, November 1997.<br />
DVWK-Merkblatt Nr. 210/1986: Flussdeiche. Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und<br />
Kulturbau, Verlag Paul Parey, Hamburg, Berlin, 1986.<br />
Entwurf DWA-Merkblatt M 507: Deiche an Fließgewässern. Deutsche Vereinigung für<br />
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V, Hennef, erscheint voraussichtlich 2007 als<br />
Gelbdruck.<br />
Verfasser<br />
Dr.-Ing. Harald Wildner<br />
SKI GmbH + Co.KG<br />
Beratende Ingenieure für Wasserbau, Wasserwirtschaft und Grundbau<br />
Adlzreiterstraße 25<br />
80337 München<br />
wildner@ski-ing.de
141<br />
Hinweise zur Deichverteidigung – Eine Übersicht<br />
1. Allgemeines<br />
Roland Wach<br />
Bei den sich häufenden dramatischen Hochwasserereignissen der letzten Jahre mussten die<br />
vor Ort eingesetzten Deichwehren zu oft zu Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der<br />
bedrohten Deiche greifen.<br />
Die eingeleiteten Deichverteidigungsmaßnahmen konnten in den meisten Fällen ein<br />
Versagen der Deiche mit mehr oder minder großem Einsatz von Personal, Material und<br />
Gerät verhindern.<br />
In mehreren Fällen waren die vor Ort eingesetzten Kräfte mit der Situation überfordert oder<br />
hatte nicht die Möglichkeiten Deichbrüche zu verhindern.<br />
Die Ursachen, warum Deiche bei Hochwasser versagen können, sind vielfältig. Neben dem<br />
eigentlichen Dammaufbau welcher nicht immer dem Stand der Technik entspricht können<br />
auch falsche Verteidigungsmaßnahmen zu Schäden führen.<br />
Bei Hochwasser ist es sinnvoll, qualifizierte Fachleute bei der Deichverteidigung<br />
einzubinden. Auch Fachleute können jedoch aufgrund der spontanen Konfrontation mit<br />
Problemstellungen zu Fehleinschätzungen kommen.<br />
Da der Aufbau der Deiche bei einem Hochwasserereignis den vor Ort eingesetzten<br />
Deichwehren und deren Führungspersonal nicht immer bekannt sein kann, muss eine<br />
Einschätzung der Deichstandsicherheit anhand einer optischen Beurteilung erfolgen.<br />
Die beiden wesentlichen Beurteilungskriterien sind erkennbare Verformungen und<br />
Sickerwasseraustritte.<br />
Abb. 1<br />
Erkennbare Verformungen kündigen in aller Regel einen weiteres Versagen des Deiches an.<br />
Sickerwasseraustritte müssen nicht immer gefährlich sein. Sie lassen sich gut beobachten<br />
und im Gefährdungsgrad einschätzen. Austritte im unteren Böschungsdrittel sind bei<br />
homogenen Deichen noch ungefährlich. Austritte hoch an der Böschung, starke und
142<br />
steigende Sickerwassermengen und Trübungen sind hingegen mindestens als problematisch<br />
einzuschätzen.<br />
Abb. 2<br />
Um die Zusammenhänge von Durchsickerungen, Verformungen und Standsicherheit der<br />
Deiche richtig zu deuten, sollte der Deichwehr einfaches Grundwissen bekannt sein:<br />
• Jeder Deich ist mit einem Freibord geplant. Der Freibord soll eine Erosion der<br />
Deichkrone infolge Überströmung verhindern. Bei Überschreitung des<br />
Bemessungswasserstands im Gerinne reduziert sich der Freibord und somit die<br />
Überströmsicherheit.<br />
• Deiche können auch mit einer innen liegenden Dichtung gebaut sein. Die<br />
Beschädigung der Dichtung führt zu einer verstärkten Durchströmung.<br />
• Je stärker und je länger ein Deich durchnässt ist, desto mehr wird seine<br />
Standsicherheit geschwächt.<br />
• Je breiter die Deichkrone und je flacher die Böschungen des Deiches, desto stabiler<br />
verhält sich der Deich bei Hochwasser.<br />
Die Grundlage jeder Deichverteidigung ist die Beobachtung von Sickerwasseraustritten an<br />
Deichen. Hierzu sind die Deiche regelmäßig zu begehen und Unregelmäßigkeiten zu<br />
beobachten.
143<br />
In folgenden Fällen sollte eine aktive Deichverteidigung erwogen werden:<br />
• •Sickerwasseraustritte oberhalb eines Deichhinterweges<br />
• Sickerwasseraustritte im oberen Bereich der Deichböschung<br />
• Austritt von trübem Sickerwasser<br />
• Anstieg der Sickerwassermengen<br />
• Wasseraustritte im Deichhinterland<br />
• Risse und Rutschungen an den Deichböschungen und an der Deichkrone<br />
• Gefahr der Deichüberströmung<br />
2. Deichwehr und Einschätzung der Gefährdungsstufe<br />
Für eine erfolgreiche Deichverteidigung ist der Einsatz von Personal, Material und Gerät<br />
erforderlich.<br />
Die Deichverteidigung beginnt mit der planmäßigen Einrichtung der Deichwehr, welche die<br />
Deiche begeht und auf Schwachstellen untersucht. Unregelmäßigkeiten sind von der<br />
Deichwehr zu registrieren, markieren und weiter zu beobachten.<br />
Die Deichwehr beurteilt die Situation und ordnet die Beobachtung einer Gefährdungsstufe<br />
zu:<br />
• Ungefährlich: Eine weitere Beobachtung ist in der Regel ausreichend<br />
• Problematisch: Verhaltensmaßregeln sind erforderlich<br />
• Gefährlich: Eine Deichverteidigung wird erforderlich. Die Evakuierung des bedrohten<br />
Gebietes ist zu prüfen. Für Einsatzkräfte müssen Rettungsgeräte bereitstehen<br />
• Sehr gefährlich: Es sind unverzüglich massive Deichverteidigungsmaßnahmen<br />
einzuleiten. Einsatzkräfte müssen Rettungsgeräte angelegt haben. Im bedrohten<br />
Bereich sollen nur die unmittelbar am Einsatz Beteiligten verbleiben.<br />
3. Verhaltensregeln<br />
Ziel der Deichverteidigung ist der Erhalt der Standsicherheit des Deiches. Um den Deich<br />
nicht unnötig durch menschliches Einwirken zu schwächen gelten folgende Regeln:<br />
• Der Deich sollte nicht unnötig belastet werden. Schwere punktuelle Auflasten (z. B.<br />
Fahrzeuge) sollten vermieden werden. Die Befahrung der Deichkrone ist möglichst zu<br />
vermeiden.<br />
• Die Deichböschung sollte nicht unnötig betreten werden.<br />
• Die Deichhinterwege und das Deichhinterland sollte nicht unnötig befahren werden.<br />
• Erschütterungen durch schweres Gerät sind zu vermeiden.<br />
Sofern Sickerwasseraustritte erkannt werden gelten folgende Regeln:<br />
• Der Abfluss des Sickerwassers darf nicht behindert werden, da sonst die Sickerlinie<br />
im Deich unnötig ansteigt und zu einer Schwächung führt.
144<br />
• Beobachtung des Sickerwassers auf vorhandene oder einsetzende Trübung. Der<br />
Austrag von Feinteilen aus dem Deich führt zu einer Schwächung der inneren<br />
Struktur und einer Verstärkung der Wasseraustritte.<br />
• Beobachtung des Umfeldes auf weitere Austrittstellen und auf Zunahme der<br />
Sickerwasseraustritte.<br />
Bei Verformungen des Deiches und auf oberflächliche Beschädigung gelten folgende<br />
Regeln:<br />
• Abgerutschtes Deichmaterial soll nicht entfernt werden, da es auch im abgerutschten<br />
Zustand den Deich stabilisiert.<br />
4. Maßnahmen<br />
Je nach Gefährdungsstufe und –situation werden Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Jede<br />
Sicherungsmaßnahme kann bei nicht fachgerechter Ausführung den Deich zusätzlich<br />
schädigen anstatt ihn zu sichern. Zur Leitung der Verteidigungsmaßnahmen sollte deshalb<br />
immer ein Fachmann hinzugezogen werden.<br />
Eine gut geplante Deichsicherungsmaßnahme erfolgt mit optimalem Personal-, Geräte und<br />
Materialeinsatz. Dem Fachmann fällt dabei die Aufgabe zu, den erforderlichen Umfang von<br />
Hilfsmaterialien (z. B. Sandsäcke) richtig einzuschätzen. Der Sandsack ist bei der<br />
Deichverteidigung noch immer das wichtigste Hilfsmittel. Dessen Bereitstellung am Einbauort<br />
erfordert für Befüllung und Antransport einen hohen Geräte- und Materialaufwand.<br />
Abb. 3<br />
Im optimalen Fall stehen Füllmaterialien und passende Geräte zur Verfügung. Mit modernen<br />
Befüllmaschinen können mit wenig Personal bis zu 4500 Sandsäcke pro Stunde befüllt<br />
werden.<br />
Die Sicherungsmaßnahmen sind der Gefährdungssituation und dem Schadensbild<br />
anzupassen. Folgende grundlegenden Maßnahmen sind sinnvoll:
145<br />
Abb. 4: Ein geschwächter Deich<br />
kann durch Stützung seiner<br />
luftseitigen Böschung mit einer<br />
Kiesanschüttung oder mit<br />
Sandsäcken stabilisiert werden.<br />
Dabei ist darauf zu achten, dass der Sickerwasserabfluss nicht behindert wird.<br />
Abb. 5: Analog kann eine bereits<br />
abgerutschte luftseitige<br />
Böschung gesichert werden.<br />
Dabei ist darauf zu achten, dass<br />
der Aufbau von unten nach oben<br />
erfolgt.<br />
Abb. 6: Bei punktuellen oder<br />
flächig stärkeren<br />
Wasseraustritten eigenen<br />
sich Fangedämme, welche<br />
das Sickerwasser auf der<br />
luftseitigen Böschung<br />
aufstauen und somit einen<br />
Gegendruck aufbauen.<br />
Die Durchsickerung wird dadurch reduziert. Nachteilig ist jedoch der Anstieg der Sickerlinie<br />
im Deich, weshalb auf weitere evtl. neu entstehende Sickerwasseraustritte in benachbarten<br />
Bereichen zu achten ist.<br />
Abb. 7: Schadstellen auf<br />
der wasserseitigen<br />
Böschung können lokal<br />
durch ein Lecksegel<br />
abgedichtet werden.<br />
Dadurch kann der Zutritt<br />
von Sickerwasser in den<br />
Deich reduziert werden.<br />
Die Abdichtung von längeren Deichabschnitten durch Auflegen von Folien auf der<br />
wasserseitigen Böschung zeigt jedoch praktisch keine Abdichtungswirkung.
146<br />
Abb. 8: Eine wasserseitig<br />
abgerutschte Böschung<br />
ist zunächst gegen<br />
weiteren<br />
Strömungsangriff zu<br />
schützen. Raubäume<br />
eignen sich besonders,<br />
da sie die Ablagerung von<br />
Schwebstoffen und<br />
Geschiebe fördern.<br />
Eine Auffüllung mit Kies oder Sandsäcken ist auch denkbar, jedoch wird der Antransport<br />
über die geschwächte Deichkrone erschwert.<br />
Abb. 9: Bei nur noch<br />
geringem Freibord kann<br />
die Dammkrone zum<br />
Schutz gegen<br />
Überströmung noch<br />
geringfügig mit<br />
Sandsäcken oder mit<br />
einer Anschüttung<br />
erhöht werden.<br />
Die Deichbruchgefahr wird jedoch verstärkt, da die Sickerlinie ansteigt und der Deich<br />
zusätzlich ungünstig belastet wird. Ein schlagartiges Versagen wird wahrscheinlicher.<br />
Abb. 10: Bei<br />
vorhandenen<br />
Auelehmschichten<br />
können sich im<br />
Intergrund<br />
Erosionskanäle<br />
bilden.<br />
Im Deichhinterland treten diese in Form von Quelltrichtern zu Tage. Um den<br />
Materialtransport und die Durchsickerung einzuschränken kann ein Ringdamm aus<br />
Sandsäcken errichtet werden um einen hydrostatischen Gegendruck aufzubauen. Alternativ<br />
kann ein Auflastfilter mit abgestuftem Kies geschüttet werden. Hier kann das Sickerwasser<br />
ablaufen, wobei die Feinteile im Filterkies zurückgehalten werden.<br />
5. Zusammenfassung<br />
Die Deichverteidigung setzt ein notwendiges Maß an Fachkenntnis voraus um<br />
Gefährdungssituationen rechtzeitig erkennen zu können. Durch Beobachtung und
147<br />
Zuordnung der Gefahrenstelle zu einer Gefährdungsstufe sind die Verhaltensregeln vor Ort<br />
aufzustellen und ggf. Sicherungsmaßnahmen einzuleiten.<br />
Die richtige Sicherungsmaßnahme sollte in Abstimmung mit Fachleuten festgelegt und<br />
durchgeführt werden.<br />
Bei richtiger Einschätzung des Bedarfs an Sicherungsmaterial, Gerät und Personal werden<br />
diese nicht unnötig von anderen Einsatzorten abgezogen. In jedem Fall ist eine<br />
vorausschauende Vorbereitung der Deichverteidigung anzustreben.<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Roland Wach<br />
Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft München<br />
Bruderhoferstraße 20<br />
81371 München<br />
hf@hydroprojekt.de
148<br />
Hochwasser 1999, 2002 und 2005 – Hydrologie und Ablauf<br />
Kurzfassung<br />
Markus Hannweber<br />
Hochwasser hat es immer gegeben und es wird sie immer geben. Nach zwei Jahrzehnten<br />
ohne großes Hochwasser im Bayerischen Alpenraum, kam es beginnend mit dem<br />
Hochwasser Mai 1999, dem Hochwasser August 2002 und dem Hochwasser August 2005<br />
zu drei extremen Hochwasserereignissen in relativ kurzer Folge. Sie verursachten extreme<br />
Sachschäden und forderten sogar Menschenleben.<br />
Der Auslöser dieser Hochwasser waren Starkregenereignisse mit einem sogenannten<br />
Vb („fünf-B“) - Wetterverlauf. Der Beitrag beschreibt die Entstehung dieser<br />
Hochwasserlagen, ihre Wirkung im Flussverlauf und die schadensmindernden Maßnahmen<br />
des Hochwassermanagements.<br />
1 Vb- Wetterlage<br />
Mit einer "Vb-Wetterlage" ist eine vom niederländischen Meteorologen van Bebber (1841-<br />
1905) analysierte Zugbahn atlantischer Tiefdruckgebiete gemeint. Außer dieser speziellen<br />
Tiefdruck-Zugbahn "Vb" hat van Bebbers auch andere typische Tiefdruck-Zugbahnen<br />
erforscht und mit römischen Ziffern benannt. Die Vb-Zugbahn verläuft vom Nordatlantik über<br />
Südfrankreich nach Norditalien. Von der Adria schwenken diese Tiefdruckgebiete nordwärts<br />
und ziehen dann am Ostrand der Alpen über Oberitalien, Österreich, Tschechien nach<br />
Norden. Diese Tiefdruckgebiete ziehen in der Regel sehr langsam und nehmen aus dem<br />
Mittelmeerraum warme und sehr feuchte Luftmassen auf.<br />
Abb. 1: Tiefdruckzugbahnen nach W.J van Bebber<br />
Die Vb- Wetterlagen haben im Vergleich zu den Westwetterlagen (II,III) eine deutlich<br />
geringere Eintreffwahrscheinlichkeit, wenn sie sich aber einstellen, dann oft mit<br />
verheerenden Folgen für den Alpenraum, Ostdeutschland und das Erzgebirge. Durch den<br />
linksdrehenden Wirbel des Tiefdruckgebietes werden die feuchten Luftmassen dann von<br />
Norden gegen die Alpen geführt. Die orographische Hebung an den Bergen und die damit<br />
verbundene Abkühlung der Luftmassen, oft verstärkt durch Kaltlufteinbruch auf der Nordseite
149<br />
der Alpen, führt dann zu lang anhaltenden, sehr heftigen Niederschlägen im gesamten<br />
Alpenraum. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die dramatischen Hochwasserlagen<br />
zu Pfingsten 1999, im August 2002 und schließlich an das Hochwasser August 2005. Ob das<br />
gehäufte Auftreten solcher Wetterlagen in den letzten Jahren allerdings mit dem derzeit viel<br />
zitierten Klimawandel in einem Zusammenhang steht, ist unsicher.<br />
Abb. 2 : Infrarot-Satellitenbild vom 22.08.2005, 12 Uhr mit Zugbahn des Tiefs "Norbert" (Vb-<br />
Wetterlage)<br />
Im Tiefdruckgebiet strömen die Luftmassen gegen den Uhrzeigersinn, d.h. an der Südflanke<br />
von Tief "Norbert" konnte sich die Luft über dem Mittelmeerraum stark erwärmen und große<br />
Mengen an Wasserdampf aufnehmen. Ab dem 21. (Montag) lag Südbayern im Bereich der<br />
Nordflanke des Tiefs "Norbert" in einer östlichen Strömung. Die warmen, feuchten<br />
Luftmassen aus dem Mittelmeerraum trafen in Südbayern auf kühlere Luft, wurden<br />
angehoben und regneten aus. Diese Hebung wurde insbesondere an den Alpen verstärkt<br />
(erzwungene Hebung) und zunächst setzten besonders starke Regenfälle im Oberallgäu ein.<br />
Ab dem 22. (Dienstag) verlagerte sich das Tief nur sehr langsam von der Adria nach<br />
Nordosten, eine sog. Vb-Wetterlage entstand und verursachte ergiebigen Dauerregen. Durch<br />
die nachfolgend zunehmend nördliche Anströmung verstärkte sich der Staueffekt an den<br />
Alpen und das Niederschlagsgebiet dehnte sich vom Bodensee bis zum Inn aus.
2 Niederschläge<br />
150<br />
Alpennah fielen August 2005 vielerorts mehr als 150 Liter pro Quadratmeter (150 mm)<br />
Regen in 72 Stunden. Die höchsten Niederschlagssummen wurden im Oberallgäu (z. B.<br />
Oberstdorf/Rohrmoos: 179 l/m² bzw. mm in 72 h) und im Raum Garmisch-Partenkirchen und<br />
Bad Tölz (z. B. Kochel-Einsiedl: 245 l/m² bzw. mm in 72 h) gemessen.<br />
Abb. 3: 3-Tages-Niederschlagssummen vom 21. bis 24.08.2005<br />
Der Vergleich der Niederschlagsverteilungen Pfingsten 1999 und August 2005 zeigt eine<br />
große Ähnlichkeit beider Ereignisse. Die Niederschlagssummen zu Pfingsten 1999 fielen<br />
verbreitet deutlich höher aus als August 2002 bzw. August 2005. Das Besondere am<br />
Niederschlagsereignis August 2005 sind die verbreitet aufgetretenen ergiebigen<br />
Niederschlagsmengen im Zeitbereich 24 Stunden.
151<br />
Abb. 4: 3-Tages-Niederschlagssummen vom 20. bis 22.05.1999<br />
Abb. 5: 7-Tages-Niederschlagssummen vom 6. bis 12.08.2002
152<br />
Tab 1: Vergleich hochwasserrelevanter Niederschläge (August 2005, August 2002, Pfingsten<br />
1999)<br />
3 Abflüsse<br />
Die intensiven und anhaltenden Niederschläge ließen die Flüsse in den Alpen ab dem Abend<br />
des 22.08.05 dramatisch schnell ansteigen. Besonders betroffen waren die Flussgebiete der<br />
Oberen Argen, der Iller, der Mindel, der Zusam, der Schmutter, des Lechs, der Loisach, der<br />
Isar, der Mangfall und des Inn. An Iller, Loisach und Isar, aber auch an der Donau ab<br />
Ingolstadt wurde die Meldestufe 4 vielerorts überschritten. Ab dieser Meldestufe sind<br />
bebaute Gebiete in größerem Umfang überflutet und/ oder der Einsatz der Wasser- oder<br />
Dammwehr in großem Umfang erforderlich. In den Landkreisen Freising und Erding drohten<br />
die Isardeiche zu versagen. Die nicht vermeidbaren Grundwasseranstiege im Bereich der<br />
Gewässer führten noch lang anhaltend zu Problemen und Schäden.<br />
Die Jährlichkeiten der Abflüsse des Pfingst-Hochwassers 1999, des August-Hochwassers<br />
2002 und des August-Hochwassers 2005 an den betroffenen Pegeln sind in Abb. 6 grafisch<br />
gegenübergestellt.
153<br />
Abb. 6: Übersicht über die Verteilung der Jährlichkeiten der Hochwasserereignisse Pfingsten<br />
1999, August 2002 und August 2005<br />
Anhand der Ganglinien der Pegel Eschenlohe/Loisach und Freising/Isar soll die<br />
unterschiedliche Beanspruchung der Deiche durch das Augusthochwasser 2005 gezeigt<br />
werden.
154<br />
Abb. 7: Wasserstandsganglinie Pegel Eschenlohe / Loisach<br />
Abb. 8: Wasserstandsganglinie Pegel Freising / Isar<br />
Bei den Pegeln im Oberlauf der Gewässer (Abb. 7) kam es zu steil ansteigenden, hohen<br />
Hochwasserscheiteln. Die Dauer der kritischen Wasserstände (oberhalb Meldestufe 2) ist<br />
dort mit etwa 2 Tagen aber relativ kurz. Kritisch wurde hier die Überströmung der Deiche, die<br />
im Beispiel Eschenlohe zum Deichbruch führte.<br />
Bei den Pegeln im Unterlauf (Abb. 8) ist der Anstieg bedingt durch die geringere<br />
Niederschlagsbelastung, die Laufzeitverzögerung und natürliche bzw. künstliche<br />
Rückhaltung (Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken) im Gewässerverlauf deutlich flacher,
155<br />
dafür aber lang anhaltend auf kritischem Niveau. Wie Abb. 8 zeigt, halten sich die<br />
Wasserstände fast 5 Tage über Meldestufe 2. Dadurch beginnen die Dämme zu<br />
durchweichen und verlieren an Stabilität.<br />
Abb. 9: Überströmen der Deiche in Eschenlohe (Pfingsten 1999)<br />
Abb. 10: Aufgeweichte und durchsickerte Deiche bei Freising, Sicherungsmaßnahmen auf<br />
der Luftseite (August 2005)<br />
4 Hochwassermanagement<br />
Das August-Hochwasser 2005 ist in seiner Charakteristik vergleichbar mit dem<br />
Pfingsthochwasser 1999, hat aber insbesondere im Bereich Iller/Lech und Loisach/<br />
Isar dessen Dimensionen um bis zu 25 % überschritten. Dank<br />
• der rechtzeitigen Hochwasserwarnung ,
156<br />
• der vorausschauenden Bewirtschaftung der Talsperren,<br />
• der vorhandenen (und insb. seit 1999 nachgerüsteten) Hochwasserschutzanlagen,<br />
• des engagierten Einsatzes der Katastrophenschutzdienste,<br />
• der bereits ergriffenen Maßnahmen zur Nachrüstung von Heizölanlagen in<br />
Überschwemmungsgebieten<br />
• und der Verbesserungen bei Wassergewinnungsanlagen,<br />
blieben die eingetretenen Schäden deutlich geringer als 1999.<br />
Wesentlicher Baustein des erfolgreichen Hochwassermanagements sind<br />
Hochwasservorhersage und Hochwassernachrichtendienst. Grundlage dafür sind<br />
Niederschlagsvorhersagen sowie Niederschlags- und Abflussmessungen. Besonders die<br />
Pegel an den Gewässern bewährten sich, nicht zuletzt dank der seit 1999 betriebenen<br />
Pegelerneuerung. Trotz der extremen Abflüsse fiel kein einziger Pegel komplett aus.<br />
Abb. 11: Eingangsseite des Internetangebotes Hochwassernachrichtendienst Bayern<br />
(www.hnd.bayern.de)
Literatur<br />
157<br />
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz,<br />
August-Hochwasser 2005 in Südbayern, Landtagsbericht 24.Nov.2005<br />
Bayerisches Landesamt für Umwelt, Hochwasserarchiv<br />
Wasserwirtschaftsamt Weilheim, Hochwasserarchiv<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Markus Hannweber<br />
Wasserwirtschaftsamt Weilheim<br />
Gewässerkunde / Ingenieurhydrologie<br />
Pütrichstr. 15<br />
82362 Weilheim<br />
Markus.Hannweber@wwa-wm.bayern.de
158<br />
Erfahrungen bei der Deichverteidigung in Eschenlohe<br />
während der Hochwasser 1999, 2002 und 2005<br />
Kurzfassung<br />
Anton Kölbl<br />
Der Ort Eschenlohe wurde in den vergangenen Jahren drei Mal von einem schweren<br />
Hochwasser getroffen.<br />
Der folgende Beitrag behandelt die dadurch gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen,<br />
aus der Sicht der örtlichen Feuerwehr. Nach einem langen Zeitraum ohne Hochwasser<br />
wurden die Einsatzkräfte plötzlich wieder mit dieser Materie konfrontiert. Man verbesserte<br />
sich dabei von Hochwasser zu Hochwasser.<br />
Dabei gewann man die eindeutige Erkenntnis, dass bauliche Schutzmassnahmen, auch<br />
nicht durch einen noch so gut vorbereiteten Katastropheneinsatz, ersetzt werden können.<br />
Nur mit entsprechenden Schutzbauten wird es möglich sein, den Ort vor weiteren<br />
Überschwemmungen wirksam zu schützen.<br />
1 Ausgangssituation<br />
Der Ort Eschenlohe hat ca. 1600 Einwohner und liegt beidseits an den Ufern der Loisach,<br />
verbunden durch eine 100 Jahre alte Betonbrücke mit Mittelpfeiler. Die Bebauung reichte<br />
schon vor Erstellung dieser Brücke, bis unmittelbar an den Flussbereich. Das Tal verengt<br />
sich in Eschenlohe. So muss sich die Loisach im Hochwasserfall durch eine Breite von ca.<br />
100 m hindurchzwängen. Die vorhandenen Flussdeiche sind nicht sehr hoch, und fassen<br />
dadurch weit weniger Wasser als unter der alten Brücke Platz hätte. Aufgrund der damaligen<br />
technischen Möglichkeiten, ist der bestehende, relativ niedrige Steinverbau aus ziemlich<br />
kleinen Steinen gefertigt. Die Längssicherungen bestehen aus unter Wasser befestigten<br />
Baumstämmen. Die für die Einsatzkräfte im Notfall zu verbauende Stecke beträgt bei einem<br />
normalen Hochwasser etwa 1,4 km, wobei davon 800 m nicht befahrbar sind.<br />
Die letzten Hochwasser, bei denen Häuser überflutet wurden, waren 1977, und in kleinerem<br />
Masse 1981. Die Abflussleistung liegt bordvoll bei ca. 200 m3/Sek. Dies entspricht einem<br />
Pegel von 280 bis 300 cm. Das nach 2005 neu erreichte HQ100 liegt bei 320 m 3 /Sek. Dies<br />
entspricht einem Pegel von 420 cm. Aufgrund dieser Wassermenge ergab sich<br />
vergleichsweise 2005 ein Wasserstand, der bis zu 140 cm über der Dammkrone lag.
159<br />
Abb. 1: Überflutung der provisorischen Verbauung 2005<br />
2 Hochwasser 1999<br />
Das letzte richtige Hochwasser lag über 20 Jahre zurück. Das Thema Hochwasser war in<br />
den Köpfen nicht mehr präsent. Es wurde durch die mittlerweile häufigen Diskussionen um<br />
die Klimaerwärmung regelrecht weggeredet. Man glaubte, wenn es wärmer wird, gibt es<br />
weniger Niederschlag, und somit auch keine Hochwasser mehr. Die Vorbereitung auf ein<br />
derartiges Naturereignis war dadurch bei den Bewohnern als auch bei den Einsatzkräften,<br />
sowie den zuständigen Amtsstellen, nicht sehr ausgeprägt. Erschwerend kam hinzu, dass es<br />
sich um den Freitag vor dem Pfingstwochenende handelte, und somit viele<br />
Entscheidungsträger nicht sofort verfügbar, bzw. in der Kürze der Zeit in den Ämtern auch<br />
keine Ersatzleute, greifbar waren.<br />
So kamen auch die Meldungen des, zu diesem Zeitpunkt bereits existierenden,<br />
Hochwassernachrichtendienstes, nicht rechtzeitig, oder nur zögerlich, bei den Einsatzkräften<br />
an. Eine Verbreitung via Internet war damals aufgrund der geringen Verbreitung von<br />
Internetzugängen noch nicht möglich. Dadurch erreichte uns auch keine Entwicklung des<br />
Pegels im Oberlauf der Loisach. Mit Zuspitzung der Lage wurde das Telefonnetz überlastet,<br />
und einen Mobilfunkempfang gab es zu diesem Zeitpunkt in Eschenlohe noch nicht. Ebenso<br />
war auch der überörtliche Funk der Feuerwehr überlastet. Der Ortsfunk, wie wir ihn heute<br />
kennen, war damals in kleineren Feuerwehren noch nicht im nötigen Masse verbreitet. Es<br />
wurde örtlich um 19.30 Uhr alarmiert. Überörtlich aufgrund der Unkenntnis der Gesamtlage<br />
erst um 22.00 Uhr. Kurz darauf gingen sämtliche Zufahrtsstraßen unter, und die<br />
Verstärkungskräfte mussten riesige Umwege fahren. Vergleichsweise würde heute bei<br />
gleicher Lageentwicklung spätestens um 17.00 Uhr Großalarm ausgelöst werden. (6 Std.<br />
früher).<br />
Das Wasser kam dann auch noch wesentlich höher, als alles bis dahin Erlebte. Die<br />
Schutzdeiche wurden überflutet, und was sich bis dahin keiner so recht vorstellen konnte: Es<br />
folgte relativ schnell in weiten Teilen Dammbruch. Auch Tiere konnten aus ihren Ställen nicht
160<br />
mehr rechtzeitig evakuiert werden. Glücklicherweise entstanden bei aller Problematik nur<br />
Sachschäden.<br />
3 Was veränderte sich nach dem Hochwasser 1999<br />
Eine Verbesserung der Schutzbauwerke wurde leider nicht durchgeführt. Unklarheiten, viele<br />
Einzelinteressen, Einigung mit Grundeigentümern, sowie technische und optische Probleme<br />
machten einen erforderlichen Ausbau der Schutzanlagen, zu diesem Zeitpunkt für das<br />
Wasserwirtschaftsamt nicht möglich. Bei Feuerwehr und Katastrophenschutz wurde die<br />
Situation nachbereitet, und bezüglich Notfallverbauung viele Verbesserungen gemacht.<br />
4 Hochwasser 2002<br />
Dieses Hochwasser traf uns nicht mehr so unerwartet wie 1999. Die Meldekette des<br />
Hochwassernachrichtendienstes funktionierte bis zu den untersten Entscheidungsträgern<br />
einwandfrei. Auch das Landratsamt war kompetent besetzt und jederzeit ansprechbar. Wir<br />
wussten über die Pegelentwicklung im Oberlauf genau Bescheid, und konnten rechtzeitig<br />
und früh genug, großem Umfang überörtliche Hilfe anfordern.<br />
Es waren im Vorfeld schon Checklisten, was ist wann zu tun, ausgearbeitet worden. Der<br />
Ortsfunk wurde auf das entsprechende Maß erweitert, und in der örtlichen Feuerwehr gab es<br />
jetzt eine Funkzentrale mit Telefon, Fax und Internetzugang. Auch ein Mobilfunkmast war<br />
zwischenzeitlich in Eschenlohe in Betrieb gegangen. Durch diese Verbesserungen konnte<br />
eine Deichverteidigung wesentlich effektiver durchgeführt werden als 1999.<br />
Der Wasserstand von 1999 wurde glücklicherweise nicht erreicht, aber in großen Bereichen<br />
stand das Wasser bis zu 30 cm über der Dammkrone. Dies konnte mit großem technischem<br />
und personellem Aufwand gehalten werden. Austretendes Qualmwasser wurde in den Fluss<br />
zurückgepumpt. Es gelang dadurch eine Ableitung dieses Hochwassers in seinem<br />
eigentlichen Flusslauf, wobei nur geringste Sach- und Umweltschäden zu verzeichnen<br />
waren.<br />
5 Beim Hochwasser 2002 neu erkannte Problemstellen<br />
Hauptvoraussetzung für eine erfolgreiche Deichverteidigung ist die Befahrbarkeit der<br />
Dammbereiche. Die Wiesenbereiche hatten durch Qualmwasser stark an Festigkeit verloren.<br />
Wir sind trotz zwei vorgespannten Traktoren mit den Sandsackfuhrwerken stecken<br />
geblieben. Es entstand ein unglaublich hohes Verkehrsaufkommen durch Verbaufahrzeuge.<br />
Teilweise wurde daher kurzerhand eine Einbahnregelung aufgebaut.<br />
Kontrolle der Verbauarbeiten und Erkundung war nur mit dem Fahrrad effektiv möglich. Die<br />
Hauptkraft wurde für das Befüllen der Sandsäcke verwendet (ca. 50.000 Säcke). Wir stellten<br />
weiterhin fest, dass das herkömmliche Einrammen von Pfosten mit Bretterverschlag, bei so<br />
langen Verbaustrecken, sehr zeitaufwändig ist, und vor allem die Dammoberfläche sehr<br />
beschädigt.<br />
Im Falle eines Umdrückens durch einen höheren Wasserstand, ergäbe im Abstand von 2m<br />
eine große Anzahl von Löchern als Angriffspunkt für das Wasser. Regenwasserdurchlässe<br />
der Uferanlieger stellten ein nicht zu verschließendes Problem dar. Das dabei ausgetretene<br />
Wasser musste durch sehr viele Pumpstellen zurückgepumpt werden, und eine Ausspülung
161<br />
des Deiches konnte dabei nicht ausgeschlossen werden. Es entstand ein gewisser<br />
Zeitverlust, da kein örtliches Lager für Verbaumaterial zur Verfügung stand.<br />
Die Dammzonen wurden in den meisten Bereichen bis zu 30 cm aufgebaut. An den<br />
unbefahrbaren Stellen leisteten kommunale Klein-LKWs, die unmittelbar auf der Dammkrone<br />
fahren konnten, wertvolle Dienste. Der Freibord unter der Brücke betrug trotz der künstlichen<br />
Erhöhung des Wasserstandes im Fluss, welche aus der Erhöhung der Dämme entstand,<br />
immer noch 60 cm!!<br />
6 Weitere Verbesserungsmassnahmen für eine Notfallverbauung nach den<br />
Erkenntnissen des Hochwassers 2002<br />
Es wurden die Deiche teilweise in der Dicke verstärkt, und in den meisten Bereichen eine<br />
Befahrbarkeit hergestellt. Geländedellen wurden dabei ausgeglichen, aber aus rechtlichen<br />
Gründen keine Deicherhöhung durchgeführt. Zwischenzeitlich hieß es, dass die Eschenlohe<br />
nahe liegenden Bundeswehrkasernen aufgelöst werden. Ohne die Soldaten war aber keine<br />
Deichverteidigung nach herkömmlichem Muster möglich. Aus diesem Grund beschaffte die<br />
Gemeinde verzahnte Betonsteine für eine Verbaulänge von 1,2 km. Der Rest war mit<br />
Sandsäcken zu bewältigen, welche durch eine neu angeschaffte Befüllmaschine gefüllt<br />
werden konnten.<br />
Diese Betonsteine waren mit einer großen Anzahl von Hydraulikbaggern, in kurzer Zeit, mit<br />
relativ wenig Personaleinsatz, auf die Deiche zu verbringen. Außerdem wurde durch das<br />
Hinstellen der Damm nicht mit unzähligen Löchern beschädigt. Die Volumen der Steine war<br />
so berechnet, dass sie einerseits transportierbar waren, dem Wasserdruck standhalten<br />
konnten, und von der Höhe her den Freibord unter der Brücke ausschöpften.<br />
Für die schnelle Greifbarkeit sonstiger Verbaumaterialien wie Sandsäcke, Paletten,<br />
Gitterboxen, Bretter, Werkzeuge, Folien usw. wurde extra ein Stadel aufgebaut.<br />
Ein Alarmplan für das alarmieren der nötigen schweren Baumaschinen wurde erstellt.<br />
Ebenso, da der Empfang jetzt einwandfrei war, eine spezielle Mobilfunk-<br />
Telefonnummernliste für alle unter bestimmten Gegebenheiten benötigten Personen oder<br />
Gerätschaften.<br />
Wir waren nun für einen Wasserstand gerüstet, der gerade noch unter der Brücke hindurch<br />
passen würde. Dies entspricht einem höheren Wasserstand als bei dem<br />
Katastrophenhochwasser von 1970. Sollte das Wasser unter der Brücke nicht hindurch<br />
passen, wäre ohnehin alle Mühe umsonst, denn dann kann man es notfallmäßig nicht mehr<br />
halten.<br />
Außerdem würde ein Wasserstand wie 1999, nach allgemeiner Meinung, sowieso erst in 30<br />
Jahren wieder erreicht werden, und bis dahin haben wir sicher eine richtige<br />
Hochwasserverbauung im Ort. Aber es sollte nicht solange gut gehen.
162<br />
Abb. 2: Verlegen der Betonsteine mit schwerem Baugerät<br />
7 Hochwasser 2005<br />
Drei Jahre waren seit dem letzten Hochwasser vergangen.<br />
Die große bauliche Hochwasserfreilegung von Eschenlohe war aus bereits genannten<br />
Gründen weiterhin nur mühsam vorangegangen, aber es gab nun bereits fertige Pläne in<br />
denen es nur noch Detailfragen zu klären gab. So gut wie alle großen Probleme waren<br />
ausgeräumt, und die Planung sollte noch in diesem Sommer in die Planfeststellung gehen.<br />
Jedoch stiegen im August 2005 erneut die Pegel bis zu einem Hochwasser an. Der<br />
Hochwassernachrichtendienst arbeitete bereits weit vor dem Ereignis höchst präzise. Es<br />
konnte dadurch früh genug der gesamte Alarmplan generalstabsmäßig ablaufen. Die<br />
Entwicklung der Wetterlage war permanent bekannt, die Kommunikation und Koordination<br />
verlief bestens.<br />
Mit 10 Hydraulikbaggern wurden die Betonsteine auf dem Deich aufgestellt. Es waren auch<br />
noch mehrere Bagger zur Reserve eingetroffen. Die Steine wurden zusätzlich zur<br />
Verzahnung, mit Folien und Sandsäcken, untereinander abgedichtet. Durch den Einsatz von<br />
schwerem Baugerät erreichten wir schnell, im Vergleich zu früher mit relativ wenig<br />
Personaleinsatz, eine große Verbauhöhe. Somit konnten sich viele um das Abfüllen von<br />
Sandsäcken kümmern, oder in den Häusern mithelfen, Dinge hochzustellen oder die<br />
Gebäude abzudichten.<br />
Zeitgleich wurde eine große Anzahl von Viehanhängern alarmiert, welche die Tiere aus den<br />
Ställen, noch relativ ruhig und trockenen Fußes, evakuieren konnten. Als sicher war, dass<br />
das Wasser noch höher kommen würde, wurden mehrere Sandsackabfüllanlagen<br />
nachalarmiert. Dabei bewährte sich besonders die Beschickung dieser Maschinen mittels<br />
Betonmischer mit angebautem Förderband. Auch auf die Betonblöcke wurden durchgehend<br />
noch 3 Reihen Sandsäcke aufgebracht und mit Folie gedichtet. Mit all diesen Maßnahmen<br />
und Anstrengungen gelang binnen weniger Stunden eine Erhöhung der Deiche auf eine<br />
Strecke von 2 km (!!) um 110 cm mit mobilen Teilen.
163<br />
Bis zu dieser Höhe (110 cm) funktionierte diese provisorisch errichtete Schutzanlage<br />
weitgehend einwandfrei. Die Wassermenge, die bis zu diesem Zeitpunkt noch völlig<br />
schadenfrei abgeleitet wurde, übertraf alle Erwartungen.<br />
laut Aussage des Wasserwirtschaftsamts Weilheim lag diese schadlos abgeleitete<br />
Wassermenge im Bereich des 1999er Hochwassers.<br />
8 Der Wasserstand stieg über das Niveau von 1999.<br />
Es entstand ein neues HQ100 Hochwasser<br />
Durch den weiteren Anstieg des Pegels wurde das provisorische Schutzbauwerk überlastet.<br />
Die Brücke wurde fast komplett eingestaut. Nur noch in der Mitte schaute der Scheitelpunkt<br />
heraus. Die gesamte Verbaukonstruktion auf den Dämmen wurde fast komplett überflutet.<br />
Das Wasser hatte im Fluss keinen Platz mehr. Die Sandsäcke wurden durch<br />
Wasserströmung und Treibholz von den Betonsteinen gespült. An der Stauwurzel der Brücke<br />
brach in Folge beidseitig der Damm. Die Häuser wurden teilweise bis 180 cm im<br />
Erdgeschoss überflutet. Es wurde noch versucht, das ausgetretene Wasser durch die<br />
Häuser hindurch zu kanalisieren, aber aufgrund der dammbildenden Bundesbahn und<br />
Bundesstraße konnte es nicht richtig aus dem Ort hinausgeleitet werden. Weite<br />
Überflutungen von Häusern war die Folge. Es gab dabei den höchsten Wasserstand seit<br />
Menschengedenken in Eschenlohe.<br />
Abb. 3: Beginnende Deichzerstörung von der Rückseite her, nach Überspülung der<br />
provisorischen Verbauung<br />
9 Erkenntnisse, die erst bei unerwartetem Extremwasserstand sichtbar werden<br />
Ohne entsprechende Untergrundbefestigung bzw. Hinterfütterung, ist es fast nicht möglich,<br />
bei hohen Fließgeschwindigkeiten und damit auch schnellem Treibholz, notfallmäßig höher<br />
aufzubauen, als in unserem Fall geschehen. Man muss unbedingt vor Eintritt eines<br />
Hochwassers das Gelände unter hydraulischen Gesichtspunkten erkunden, damit man weiß,
164<br />
wohin Wasser im Überflutungsfall läuft, bzw. evtl. geleitet werden könnte. Im Ernstfall ist<br />
nach einer Überlastung des Schutzverbaus die Entscheidungszeit hierfür extrem kurz!!<br />
Man muss daran denken, dass vor Überlastung der Schutzanlagen in dann abgeschnittenen<br />
Gebieten rechtzeitig für Brandschutz, Sanitäter / Notarzt, und Medikamentenzugänglichkeit<br />
gesorgt wird. Ebenso ist an die Betreuung älterer Menschen und vieler psychisch<br />
angeschlagener Bewohner zu denken.<br />
Im Vorfeld müssen Bewohner von potentiellen Überflutungszonen über das Verhalten von<br />
Stromverteilerkästen und Haussicherungskästen im Keller, bei einer möglichen Überflutung,<br />
informiert werden. Es bildet sich starker Wasserdampf, der sehr häufig als „Brand“ gemeldet<br />
wurde, und dadurch zu erheblichem Stress bei Bewohnern und Feuerwehr sorgte.<br />
Glücklicherweise war bei dem gesamten Hochwasserereignis 2005 in Eschenlohe, kein<br />
Personen oder Tierschaden zu verzeichnen.<br />
10 Stand Juni 2006 in Eschenlohe<br />
Die bereits fertigen Pläne zur Hochwasserfreilegung mussten kurzfristig auf das neue HQ<br />
100 umgearbeitet werden. Mittlerweile liegt der Planfeststellungsbeschluss vor, und das<br />
Wasserwirtschaftsamt arbeitet mit einer großen Anzahl von Baggern und LKW, mit<br />
Hochdruck an der Hochwasserfreilegung in Eschenlohe. Die alte Loisachbrücke ist entfernt,<br />
und die neue Brücke ohne Mittelpfeiler wird bald fertig. Wir hoffen alle, dass dadurch<br />
Eschenlohe in Zukunft von Hochwasserschäden verschont bleibt.<br />
Verfasser<br />
Anton Kölbl<br />
Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Eschenlohe<br />
Asamklammstr. 1a<br />
82438 Eschenlohe<br />
KoelblT@aol.com
Kurzfassung<br />
165<br />
Erfahrung eines Wasserkraftbetreibers beim<br />
Katastrophenschutz während der letzten<br />
Hochwasserereignisse<br />
Georg Loy<br />
Im folgenden Beitrag wird über die Konsequenzen und die Erfahrungen berichtet, die aus<br />
historischen Hochwasserereignissen und dem aktuellen Hochwassergeschehen 2005<br />
erwachsen sind. Das Augenmerk wird darauf gerichtet, welches Problem im Einzelnen<br />
erkannt, welche Konsequenzen ergriffen und wie die Organisation und Vorbereitung zur<br />
Bewältigung extremer Ereignisse zielgerichtet aufgebaut und weiterentwickelt wird. Es<br />
werden historische, bauliche und organisatorische Anpassungen als Konsequenz<br />
vorangegangener Hochwasserereignisse aufgezeigt und der Ablauf und die<br />
Problemlösungen am konkreten Ereignis 2005 an Beispielen aufgezeigt. Da sich ein<br />
Hochwasserereignis in „Vor“, „Während“ und „ Nach“ gliedern lässt und in der Konsequenz<br />
gelten muss: „Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser“, wird dieses Leitbild auch für<br />
die Nachfolgeprojekte und organisatorischen Anpassungen verwendet.<br />
1 Historische Hochwasserereignisse (Vor dem Hochwasser)<br />
Die Anlagen am Inn wurden ab 1919 bis 1982 gebaut. Die Bauwerke, Dämme und Deiche<br />
wurden nach den historischen hydrologischen Ereignissen dimensioniert und gebaut. Das<br />
Bemessungshochwasser und die Dimensionierung wurden entsprechend den damaligen<br />
Normen und dem damaligen Wissen festgelegt.<br />
1.1 Konsequenzen und Maßnahmen nach den historischen Hochwasserereignissen<br />
Die letzten großen Ereignisse waren am Oberen und Unteren Inn 1985 und am Unteren Inn<br />
2002. Vor allem das Ereignis 1985 hatte eine tief greifende Veränderung und Anpassung zur<br />
Folge. In den Folgejahren wurden Anpassungsmaßnahmen durchgeführt, die systematisch<br />
in der Budgetplanung der E.ON Wasserkraft abgearbeitet wurden. Das Hochwasserereignis<br />
1985 hatte als Konsequenz eine Anpassung des Bemessungshochwassers (HQ100neu) durch<br />
die Verwaltung (v. a. am Oberen Inn) zur Folge.<br />
Dies führte neben den gemachten Erfahrungen des damaligen Betreibers zu den<br />
nachfolgend stichpunktartig zusammengefassten Maßnahmen:<br />
• Wesentliche Verbesserung der Infrastruktur und Stansicherheit Beispiel: Errichtung<br />
durchgehender Dammkronen, -fußfahrten, Auflastfilter mit Fahrten zur Erhöhung der<br />
Dammstabilität, Sickerwegsverlängerungen, Anpassung der Dichtung und<br />
Kontrollsysteme, etc.<br />
• Damm- und Deicherhöhung und Dichtungsverlängerungen zur Freiborderhöhung als<br />
Anpassung zum HQ100neu und eine laufende Verifizierung der berechneten<br />
Wasserspiegellagen<br />
• Verifizierung der WSP–Lagen durch Messungen unter Einbeziehung der<br />
durchgeführten Maßnahmen
166<br />
• Baggerungen von Ablagerungsmaterial wurden durchgeführt<br />
• Ertüchtigung der Pumpwerke erfolgte besonders in den Poldern<br />
• Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Wehranlagen wurden durchgeführt<br />
• Einbau von zusätzlichen automatischen Pegeln zur HW - Dokumentation<br />
• Uferversteinungen und Kolkverbau etc.<br />
1.2 Die Organisation und Vorbereitung<br />
Als Konsequenz der großen Hochwasserereignisse wurde eine Organisation geschaffen, die<br />
in eine konkrete „Ausführungsbestimmung für den Hochwassereinsatz und den<br />
Bereitschaftsdienst“ mündete. Diese wird jährlich entsprechend dem Personal- und<br />
Wissenstand fortgeschrieben und aktualisiert. Diese Ausführungsbestimmung regelt die zu<br />
kontrollierenden Damm- und Deichbereiche, als auch die Häufigkeit und Art der<br />
Beobachtung, stellt die Meldeköpfe zur lückenlosen Informationsverarbeitung und<br />
Weitergabe zusammen und listet die zum Hochwassereinsatz verpflichteten Beihilfen von<br />
Fremdfirmen auf. So wird zusätzliches Personal zur Dammkontrolle und als Personalpuffer<br />
(Beihilfe am Wehr, Treibzeugbergung und –abfuhr, Fahrdienste etc.) und auch Material und<br />
Gerätebeistellung durch Dritte aufgezeigt. Durch Rahmenverträge werden laufend<br />
Geräteführer und Fremdpersonal in der Strecke eingesetzt und für die Dammkontrolle<br />
regelmäßig geschult. So werden im Sommerhalbjahr die Dämme nach Einweisung durch<br />
Dritte begangen (Anlagenkenntnis vor dem Ereignis).<br />
An allen Bauhöfen stehen im Lager Geotextilien, Sandsäcke etc. für den HW – Einsatz zur<br />
Verfügung und in der Strecke werden Lager mit größeren Mengen Wasserbausteinen<br />
vorgehalten. Für Kies (Dammschüttmaterial) gibt es z. Teil eigene Lager. Im Bedarfsfall kann<br />
dieser aber ebenso über Rahmenverträge von lokalen Unternehmern abgerufen werden.
167<br />
Abb. 1: Der Inn mit den Kraftwerken der EWK und den eingezeichneten Meisterbereichen<br />
Die ständig besetzte Warte erhält jährlich eine klare Anweisung über Meldewege und auch<br />
den Bereitschaftsdienst während der dienstfreien Tage.<br />
2 Das „Katastrophenhochwasser“ 2005 am Inn (Während dem Hochwasser)<br />
Exemplarisch werden am Hochwasserereignis des Inn am 23./24.08.2005 die gemachten<br />
Erfahrungen dargestellt und Probleme und Lösungen währen des Hochwassers aufgezeigt.<br />
2.1 Vor dem Hochwasser (der Tag)<br />
Das Niederschlagsereignis war gekennzeichnet durch eine sog. Vb ähnliche Wetterlage.<br />
Diese führte im oberen Inneinzugsgebiet vor allem im hochalpinen Bereich des<br />
Einzugsgebietes der Sanna (23.08.2005 um 03:30 Uhr) mit den Seitenzuflüssen Rosanna<br />
(St. Anton) und Trisanna (Galtür) zu extremstem Niederschlag und Abflussereignissen. Nach<br />
einer ersten Einordnung der Jährlichkeit handelt es sich um Ereignisse > 5000 (1). Dieser<br />
Abfluss führte im Oberlauf des Inn bei Innsbruck noch zu einem > 200-jährigen<br />
Abflussereignis. Aber auch die weiter stromab liegenden Teileinzugsgebiete haben lokal<br />
noch bis zu 100-jährige Abflussereignisse erhalten. So waren auch auf der bayerischen Seite<br />
die Seitenbäche stark dotiert und die Mangfall addierte zur Abflussspitze bei Rosenheim<br />
~350 m³/s. Am Oberen Inn von Nußdorf bis Mühldorf führte dies in der Einordnung zu einem<br />
100-jährigen Abflussereignis. Dies war gekennzeichnet von einem rapiden Anstieg der<br />
Abflüsse, der über Stunden zu einer Abflusssteigerung von bis zu 250 m³/s/h führte. Um 8<br />
Uhr früh am 23.08.2005 waren an der Stufe Nußdorf um die 1000 m³/s Abfluss, gegen 12<br />
Uhr bereits über 2000 m³/s und um 18 Uhr wurde mit 2330 m³/s der Scheitel erreicht. An der<br />
Stufe Feldkirchen (Bereich Rosenheim) wurden hohe Abflüsse über 2000 m³/s 20 Stunden<br />
lang registriert.
168<br />
Um 12:30 Uhr meldet der Oberstufenbetreiber, die GKW, dass diese bei der Stufe<br />
Oberaudorf die Wehre komplett geöffnet hat, aber die Pegelstände im Stauraum noch<br />
steigen.<br />
Der 23.08.05 ist somit gekennzeichnet von einer sehr kurzen Vorwarnzeit bis zum Erreichen<br />
des 100-jährigen Abflussereignisses. Am 23.08.2005 war aber auch bedingt durch die bei<br />
solchen Ereignissen für den Fachmann bewusste Unsicherheit bei der Abflussbestimmung<br />
an den Pegelständen im Oberlauf nicht klar, dass es bei dem sicher abführbaren 100jährigen<br />
Ereignis für den Inn an diesem Tag bleiben wird. Daher ist am 23.08.2005 das Wort<br />
Katastrophenhochwasser am Inn sicher noch gültig, selbst wenn es später am bayerischen<br />
Inn tatsächlich zu keiner Katastrophe kam.<br />
2.2 Während dem Hochwasser incl. Sofortmaßnahmen<br />
Der Hochwassereinsatzplan und die Besetzung der Kraftwerke verliefen plangemäß. An den<br />
Stufen Nußdorf und Rosenheim wurden von den Dammgehern und den im Staugebiet<br />
beobachtenden Trupps keine wesentlichen Schwachstellen identifiziert. Ein relativ<br />
unwesentlicher Leitdamm drohte zu überfluten, aber mit Schäden bei Dritten durch den Inn<br />
musste nach einer ersten Einschätzung nicht gerechnet werden. Gegen 14 Uhr meldet sich<br />
der Krisenstab in Rosenheim beim Betreiber, der wegen der kritischen Situation im Bereich<br />
Rosenheim eingesetzt wurde, mit der Bitte eine fachkompetente Person in den Krisenstab zu<br />
entsenden. Gegen 15:15 Uhr erreicht ein Ingenieur der Werkgruppe den Krisenstab und<br />
arbeitet aktiv mit im Krisenstab. Gegen 15:40 Uhr wird gemeldet, dass das Freibord im<br />
Bereich Hofleiten rechts des Inn nur noch 0,40 m beträgt. Im Bereich der Mangfall werden<br />
durch die Feuerwehr lokal die Dämme erhöht. Gegen 17 Uhr ruft das LRA Rosenheim<br />
wegen der kritischen Situation an der Mangfall den K – Fall aus. Durch Rückmeldungen aus<br />
dem Seitengewässer rechts des Inn z. B. der Rohrdorfer Ache wird EWK gemeldet, dass die<br />
örtliche Feuerwehr den niedrig liegenden Bereich Thansau im Griff hat und örtliche<br />
Schwachstellen sichert. Die Kläranlage Thansau wird aktiv verteidigt. Die Kommunikation<br />
zwischen Krisenstab und E.ON Wasserkraft erfolgt sehr direkt und konstruktiv. Gegen 19<br />
Uhr wird der Krisenstab über nun sehr starke Sickerwasseraustritte im Bereich der<br />
Rücklaufdeiche links des Inn im Bereich Wasserburg informiert. Der lokal eingerichtete<br />
Meldekopf in Wasserburg wird von Dammgehern laufend informiert und an Problemstellen<br />
werden Maßnahmen eingeleitet.<br />
Im Bereich Rosenheim (19 Uhr) wird aufgrund des geringen Freibordes rechts des Inn der<br />
Gemeindebereich Hofleiten (Innschiffersiedlung) der Gemeinde Stephanskirchen evakuiert.
169<br />
Abb. 2: Der Inn im Bereich Hofleiten (Rosenheim) am 23.08.2005<br />
Im Stauraum Wasserburg (19 Uhr) wird eine Evakuierung der Gemeindebereiche Oberwöhrn<br />
mit Einzelgehöften dem Krisenstab wegen starker Sickerwasseraustritte durch EWK<br />
angetragen. Es setzt sich ein lokaler Krisenstab gegen 19:30 Uhr zusammen und<br />
entscheidet über das weitere Vorgehen – keine Evakuierung.<br />
Folgende Maßnahmen wurden ergriffen oder liefen bereits durch EWK veranlasst:<br />
• Verstärkung des Auflastfilters im Bereich Lengdorf–Katzbach durch Wasserbausteine<br />
mit verpflichteter Fremdfirma<br />
• Schütten eines Auflastfilters im Bereich der Rücklaufdämme Rott links auf ~ 500<br />
Metern (5000 m³ Kies) mit verpflichteter Fremdfirma<br />
• Schütten eines Auflastfilters (50m) auf Filtermatte oberhalb der Kapser Brücke mit<br />
verpflichteter Fremdfirma<br />
• Schütten eines Auflastfilters (50 m) im Bereich zweier Einzelgehöfte (Moosgraben)<br />
mit verpflichteter Fremdfirma<br />
• Sandsäcke legen durch die FFW an den Inndämmen im Bereich Sendling (300 m)<br />
auch zur Beruhigung der lokalen Bevölkerung<br />
• Die FFW befahren die Dämme zur Kontrolle - EWK begeht die Dämme systematisch<br />
und protokolliert
170<br />
Abb. 3: Nachts geschüttete Auflastfilter im Bereich von Wohngebäuden<br />
Durch die Einrichtung des lokalen Krisenstabes im Bereich WAB stehen EWK die<br />
Einsatzkräfte der Feuerwehr (Kreisbrandinspektor vor Ort) und der lokale Bürgermeister<br />
konstruktiv zur Seite. Problemstellen werden vor Ort angegangen. Es mehren sich direkte<br />
Meldungen an den Meldekopf Wasserburg von Bürgern über Sickerwasseraustritte an<br />
Dämmen, denen im Einzelnen nachgegangen wird. Es handelt sich dabei nicht immer um<br />
Problemstellen, aber den Befürchtungen der lokalen Bevölkerung bei Sickerwasseraustritten,<br />
die z. B. von den Bildern des Elbehochwassers geprägt sind, wird durch Maßnahmen<br />
Rechnung getragen.<br />
Abb. 4: Feuerwehren errichten Auflast durch Sandsäcke im Bereich Sendling WAB<br />
Gegen 20 Uhr wird durch den extremen Treibzeuganfall in WAB ein Wehrfeld verklaust und<br />
gleichzeitig zeigen sich wegen der bisher höchsten gemessenen Wasserstände im Inn<br />
konstruktive Mängel an drei Pumpwerken. Wasser tritt vehement an Schächten aus. In<br />
Zusammenarbeit mit FFW, THW und Fremdfirmen werden lokale Lösungen an den<br />
Pumpwerken umgesetzt. Es werden hauptsächlich Auflast auf Revisionsschächten und<br />
Sandsäcke zum Abdichten aufgebracht. Die Lage ist nach ~ 2 Stunden im Griff.
171<br />
Abb. 5: Auflast am Schacht eines Pumpwerkes<br />
Gegen 22 Uhr ist klar, dass vom Oberlauf des Inn nicht mit mehr Wasser zu rechnen ist,<br />
aber die Abflussspitze der Mangfall in Rosenheim wird erst gegen 24 Uhr mit ~ 350 m³/s<br />
erwartet.<br />
Die Verklausung WAB führt nur zu 18 cm Überstau und kann gegen 23 Uhr durch EWK<br />
beseitigt werden.<br />
Die Stadt Wasserburg im UW – der Stufe erlebt ein sehr geringes Freibord an den<br />
Inndämmen und hat durch den Bruch eines vergessenen verschlossenen Zuleitungskanals<br />
zu einer Mühle massive Probleme mit vehementen Wasserzutritten zur Innenstadt. Der<br />
amtliche Pegel Wasserburg war defekt und zeigte zu niedrige Koten an.<br />
Am frühen Morgen fällt ein Pumpwerk im Bereich WAB durch Verschmutzung der Lager aus<br />
Ersatzpumpen werden besorgt und installiert.<br />
Ab Unterwasser der Stufe Wasserburg treten im Verantwortungsbereich des<br />
Kraftwerksbetreibers keine Krisensituationen auf. Im Landkreis Mühldorf treten noch<br />
Freiborddefizite und lokale Überschwemmungen auf. Der Treibzeuganfall fordert auch an<br />
den Unteren Innstufen (Teilverklausung Wehrfeld Stammham) einen permanenten Einsatz<br />
der Kraftwerksmannschaft zur sicheren Wasserabfuhr. Ab dem Zusammenfluss mit der<br />
Salzach ist das Innhochwasser mit Ausnahme des Treibzeuges ein ~ 20 jähriges<br />
Abflussereignis und stellt keine Rekorde auf.<br />
Die Information an die Krisenstäbe, Gemeinden, einzelne Bürgermeister lief sehr direkt nach<br />
Eingang, so dass Zeit zum Reagieren für alle Betroffenen gegeben war.<br />
Verbesserungsbedürftig war die Information über das Abflussgeschehen per Internet (Amt),<br />
da Pegel ausfielen, der Vertrauensbereich nicht gegeben oder der Zugriff zeitlich limitiert war<br />
(dies bezieht sich nicht auf Kraftwerkspegel des Betreibers!). Die Kraftwerkspegel zeigten mit<br />
Ausnahme des verklausten Wehrfeldes die Tendenzen und Größenordnung des Abflusses<br />
und waren somit zur Beurteilung der Situation wesentlich. Bestätigt wurde dies laufend durch<br />
eine visuelle Kontrolle durch das Personal vor Ort. An den Dämmen wurden ebenso laufend<br />
die aktuellen Wasserstände durch die Dammkontrolle aufgezeichnet.<br />
2.3 Schadensbeseitigung nach dem Hochwasser<br />
Eine Schadensaufnahme sowie eine Wasserspiegelfixierung erfolgten sofort nach dem<br />
Hochwasserereignis. Wesentlich war auch, dass EWK mit eigenem Personal und Ing.- Büros<br />
eine lückenlose Dokumentation des Ereignisses erarbeitete. Dies bezieht sich auf
172<br />
Wasserstände, Beobachtungen während und nach dem Ereignis und die<br />
Schadensdokumentation.<br />
Die während dem Hochwasser aufgeschütteten Auflastfilter stellen lokal Übergangslösungen<br />
dar, die bis zur konstruktiven systematischen Umsetzung eine Sicherung gewährleisten.<br />
Aktuell sind bereits Anpassungsmaßnahmen an Auflastfiltern in der Ausführung.<br />
Alle automatischen Pegel im Staugebiet wurden ausgelesen und analysiert.<br />
Die wesentlichen Schäden werden nachfolgend aufgezeigt und sind in Anbetracht der<br />
Jährlichkeit des Ereignisses nicht ungewöhnlich:<br />
Ein Uferanbruch mit Ufererosion im Staugebiet Nussdorf und im Unterwasser der Stufe<br />
Wasserburg. Diese Schäden wurden sofort analysiert. Planung, Sofortmaßnahmen und der<br />
Beginn der Behebung des Schadens erfolgten bereits in der kommenden Woche nach dem<br />
Hochwasser. Durch Linienpeilungen wurden Brücken und bekannte Schwachstellen<br />
angefahren und mit historischen Ereignissen verglichen. Es wurde keine Gefährdung<br />
identifiziert. Die systematische Fächerecholotpeilung erfolgte im Nachgang. Kolkschäden im<br />
Ober– und Unterwasser der Kraftwerke wurden festgestellt und befinden sich in der<br />
Bearbeitung. Ein Uferschaden im Nahbereich eines durch Spundwand fixierten Dammfußes<br />
wurde identifiziert und konnte ebenso bereits im Jahr 2005 fixiert werden. Im Frühjahr 2006<br />
wurde die Maßnahme abgeschlossen. Der Kraftwerksrechen am Kraftwerk<br />
Rosenheim wurde aus der Verankerung gerissen und musst gefunden und ersetzt werden.<br />
Der vehemente Treibzeuganfall – es wurden offensichtlich ganze Holzlagerplätze in<br />
Österreich geräumt und Großbäume trieben durch die Wehrfelder - blieb beim ablaufenden<br />
Hochwasser in den Stauräumen und Vorländern zurück. Diese blockierten Wege und<br />
Fahrten und mussten auch im Nahbereich der Kraftwerke und Anlagen beseitigt. werden<br />
Abb. 6: Treibzeug im OW Rosenheim (l) und im UW – Neuötting (r)<br />
Der durch das Hochwasser hervorgerufene Sedimenttrieb v. a. Sand blockierte Vorfluter, die<br />
geräumt werden mussten und führte in den Stauräumen zu Ablagerungen, die analysiert<br />
wurden. Es stellte sich durch Flussbohrungen heraus, dass der Inn hauptsächlich Sand<br />
umlagerte und wenig Geschiebe aus den Oberliegerkraftwerken in die Stauräume<br />
eingetragen wurde. Diese Ablagerungen (~ 1,4 Mio. m³) werden durch die jährliche<br />
Sedimenttrift bis zur Einstellung einer sog. Gleichgewichtssohle wieder ausgeräumt und<br />
stellen somit nach einer ersten Analyse keinen Schaden dar. Die gemessenen<br />
Wasserspiegellagen bestätigen die dynamische Sohle des Inn in den Stauräumen. Durch die<br />
Pegelaufzeichnungen kann diese Ausräumung nachvollzogen werden.
173<br />
3 Hochwassernachsorgeprojekte und Folgerungen (Nach dem Hochwasser)<br />
3.1 Hochwassernachsorgeprojekte und Lehren<br />
EWK hat 2005 nicht nur am Inn ein Hochwasser erlebt, sondern auch an Lech (Forggensee),<br />
Isar und Donau, so dass sofort nach Ablauf des Hochwassers alle Erkenntnisse,<br />
Schwachstellen und Daten zusammengetragen und aufgearbeitet wurden und werden.<br />
Dabei wurde im ersten Schritt das Ereignis dokumentiert und die Schwachstellen<br />
werkgruppenübergreifend betrachtet.<br />
In Projektgruppen werden die Einzelthemen abgearbeitet und Maßnahmen wurden in die<br />
Budgetplanung eingearbeitet.<br />
Als Hauptarbeitsgruppen sind zu nennen:<br />
• Hochwasserbericht und Datenerhebung<br />
• Schadenanalyse und Defizitanalyse<br />
• Verbesserungsmöglichkeiten<br />
Erkannte Defizite werden so möglichst schnell beseitigt, so dass für das nächste<br />
Hochwasser Konfliktstellen beseitigt werden.<br />
Dies bezieht sich auf z. B.:<br />
• Beseitigung von lokalen Freiborddefiziten bezogen auf das HW 2005<br />
• Beseitigung von konstruktiven Schwachstellen an Bauwerken, z. B. Pump-werken<br />
und Durchführungen<br />
• Errichtung von Dammfußfahrten und Auflastfiltern in Bereichen mit erhöhtem<br />
Sickerwasseranfall (Infrastruktur)<br />
• Lokale Sickerwegsverlängerungen an Einzelstellen<br />
• Stauraumbaggerungen und Flussaufweitung zur Gewährleistung von WSP- Lagen<br />
etc.<br />
3.2 Schadensbeseitigung und Konfliktvermeidung<br />
Als Thema wurde auch die zukünftige Konfliktvermeidung mit Dritten in Anbetracht einer<br />
Konzentration des eingesetzten Personals auf die wirklichen Problemstellen beim<br />
Hochwasser einbezogen. So stellen Sickerwasseraustritte an Deichen bei großen<br />
Dammquerschnitten aus durchlässigem Kiesmaterial keine Gefahr dar. Doch lassen sich vor<br />
Ort im Hochwasserfall Anlieger, v. a. nachts, nur schwer von der Unbedenklichkeit von<br />
Sickerwasser überzeugen. So werden identifizierte Einzelbereiche mit zusätzlichen<br />
Dränagen und Auflastfiltern konstruktiv ausgestattet, um auch einen visuellen Eindruck der<br />
Sicherheit für einen Nicht-Fachmann zu gewährleisten.<br />
3.3 Organisation (Vor dem nächsten Hochwasser)<br />
Als wichtige Lehre wurde ein permanenter Austausch über Zuständigkeit, Deichschau und<br />
Deichverteidigung mit den lokalen Feuerwehren vereinbart. Hier sollen die Dämme und<br />
Deiche in den Gemeindebereichen (Zuständigkeit EWK) im regelmäßigen Abstand<br />
gemeinsam besichtigt und Ansprechpartner definiert werden.
174<br />
EWK erweitert ihr internes Hochwasserinformationssystem, um neben den internen<br />
Meldewegen auch externe Zuständigkeiten und Ämter mit Ansprechpartnern laufend zu<br />
erfassen und zu aktualisieren. Ein intensiver Datenaustausch mit Behörden ist vorgesehen.<br />
Der Hochwassereinsatzplan der EWK wurde im Frühjahr 2006 aktualisiert und im Hinblick<br />
auf den Zugriff auf Dritte verbessert. So war wesentlich, dass ortskundiges eigenes Personal<br />
durch Begleitpersonen unterstützt und somit neben dem Arbeitszeit – und<br />
Arbeitssicherheitsaspekt ein Personalpuffer vorhanden ist, der zu einfachen Diensten z.B.<br />
Fahrdiensten der Wissensträger bereit steht. Des Weiteren hat sich eine flexible<br />
Personalergänzung auf der Meisterebene aus anderen Flussbereichen bewährt und wird nun<br />
systematisch mit lokalen Ortskenntnissen vertieft.<br />
Fazit: Durch die Beseitigung der Schwachstellen nach dem Hochwasser 1985 konnten<br />
wesentliche Defizite beseitigt werden. Es traten jedoch beim Ereignis 2005 andere<br />
Schadstellen auf die systematisch analysiert und beseitigt wurden und werden.<br />
Literatur<br />
(1) R. Godina, P. Lalk, P. Lorenz, G. Müller, V. Weilguni; Bundesministerium für Land und<br />
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Abteilung VII/3), 2005 Wien, Das Hochwasser<br />
in Österreich vom 21.08.2005 bis 25.08.2005; www.lebensministerium.at<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Georg Loy<br />
E.ON Wasserkraft GmbH<br />
Werkgruppe Inn<br />
Werkstraße 1<br />
84513 Töging am Inn<br />
Georg.Loy@eon-energie.com
175<br />
Erfahrungen im Rahmen des Katastrophenschutzes<br />
während des Pfingsthochwassers 1999 im Landkreis<br />
Kelheim<br />
Hubert Faltermeier<br />
Pfingsthochwasser 1999 - Erfahrungsbericht<br />
Über Pfingsten 1999 wurden an der Donau Wasserstände gemessen, wie sie in diesem<br />
Jahrhundert noch nicht beobachtet wurden. Auch der Landkreis Kelheim war vom<br />
Pfingsthochwasser 1999 massiv betroffen, da viele Anwesen in den Bereichen, in denen es<br />
keine Hochwasserschutz gibt, überflutet wurden und es im Bereich der Stadt Neustadt a. d.<br />
Donau zu einem Deichversagen kam und somit weite Teile der Stadt Neustadt a. d. Donau,<br />
die hinter dem Deich liegen, vollständig überflutet wurden. Der nachfolgende Beitrag gibt<br />
einen Überblick über die Maßnahmen und Entscheidungen des Krisenstabes während der<br />
Hochwasserkatastrophe an Pfingsten 1999, insbesondere im Einsatzbereich der Stadt<br />
Neustadt a. d. Donau.<br />
1 Chronologie der Ereignisse bis zum Deichbruch<br />
Die ersten Hinweise auf ein Hochwasserereignis gingen am Donnerstag, den 20. Mai 1999<br />
beim Landratsamt Kelheim ein. Der Deutsche Wetterdienst hatte eine Starkregenwarnung für<br />
Südbayern herausgegeben. Von der Wasserwirtschaft wurde das Landratsamt Kelheim dann<br />
darüber informiert, dass bei Eintreffen der Vorhersagen mit einer starken Gefährdung durch<br />
Hochwasser zu rechnen ist.<br />
Am Freitag, den 21. Mai 1999 vormittags wurden Informationen über den zu erwartenden<br />
Wasserstand der Donau eingeholt. Der erwartete Pegelstand für den Pegel Kelheim lag zu<br />
diesem Zeitpunkt bei 650 cm. Die Presse, die Gemeinden, die Feuerwehrführung des<br />
Landkreises Kelheim und die Feuerwehren wurden von den steigenden Pegelständen<br />
informiert, für die Führungsgruppe Katastrophenschutz wurde der Bereitschaftsdienst über<br />
das Pfingstwochenende geregelt.<br />
Am Samstag, den 22. Mai 1999 Vormittags verdichteten sich die Hinweise, dass das<br />
Hochwasser der Donau deutlich über dem Stand von 650 cm und auch über dem<br />
Hochwasserstand der vorangegangenen Wochenendes von 681 cm, Pegel Kelheim liegen<br />
würde und ein Wasserstand von 725 cm, dem selben Wert wie 1965 bzw. 1924, also den<br />
höchsten Wasserständen im 20. Jahrhundert möglich wäre.<br />
Der Krisenstab kam zu einer ersten Lagebesprechung zusammen, bei der die vorliegenden<br />
Informationen ausgewertet und die zu veranlassenden Maßnahmen festgelegt wurden. Der<br />
Katastrophenfall wurde noch nicht ausgerufen, ein Örtlicher Einsatzleiter wurde nach Art. 15<br />
BayKSG, also unterhalb der Katastrophenschwelle bestellt, Presse und Rundfunk und die<br />
betroffenen Kommunen wurden über die neue Prognose informiert, von der Wasserwirtschaft<br />
wurde nach der Lagebesprechung der Donaudeich im Bereich von Neustadt a. d. Donau<br />
untersucht, irgendwelche Auffälligkeiten, wie Sackung der Deichkrone, Wölbung der Luftseite<br />
oder sonstige ungewöhnliche Veränderungen der Deichgestalt waren jedoch nicht<br />
erkennbar.
176<br />
Gegen 16.00 Uhr traf dann die Nachricht ein, dass nach den neuesten Berechnungen eine<br />
Durchlaufmenge der Donau von 2200 m²/s und damit ein Höchststand des Pegel Kelheim<br />
von 800 cm zu erwarten wäre, auch kam hier der Hinweis, dass bei diesem Wasserstand die<br />
Möglichkeit des Deichbruchs zwischen Vohburg und Neustadt besteht.<br />
Vom Krisenstab wurde geprüft, ob eine kurzfristige Verstärkung oder Erhöhung der Deiche<br />
möglich ist, leider stellte sich heraus, dass dies wegen der Länge sowie wegen der örtlichen<br />
Situation (Rücklaufbedeichung) nicht möglich ist.<br />
Zur Information der Bevölkerung wurde erneut eine Pressemitteilung herausgegeben, Kräfte<br />
der Bundeswehr wurden zur Verstärkung der örtlichen Einsatzkräfte angefordert,<br />
Deichwachen wurden aufgezogen, in den betroffenen Ortsteilen wurden die<br />
Einsatzmaßnahmen, wie die Sicherung und Räumung von Anwesen, die Sicherung von<br />
Heizöl und Gastanks, der Ausbau von Heizungssteuerungen, der Bau von Stegen usw.<br />
weiter durchgeführt.<br />
Die Bürgertelefone im Landratsamt Kelheim wurden ab Sonntag, den 23.05.1999, 8.00 Uhr<br />
besetzt. In einer weiteren Besprechung des Krisenstabs um 9.00 Uhr, in die die betroffenen<br />
Gemeinden, das Wasserwirtschaftsamt, Vertreter der Feuerwehren, des THW, des BRK, der<br />
Bundeswehr, der Polizei eingebunden waren, wurde die derzeitige Lage dargestellt und<br />
entschieden, welche weiteren Maßnahmen zu veranlassen sind und wer diese durchführt.<br />
Da nach den Aussagen der Wasserwirtschaft für den Pfingstmontag Vormittag ein Pegel<br />
Kelheim von 810 cm erwartet wurde und es dadurch in Neustadt zu einem Bruch des<br />
Deiches mit massivem Wassereinbruch den Stadtteilen Wöhr, Schwaigfeld, am<br />
Volksfestplatz und in Bad Gögging kommen konnte, wurden nochmals eingehend alle<br />
theoretisch denkbaren Möglichkeiten zur Verstärkung bzw. Erhöhung der Deiche vom<br />
Boden, vom Wasser bzw. aus der Luft geprüft. Der gesamte Krisenstab einschließlich deren<br />
Fachberater kam zu dem Ergebnis, dass keine Möglichkeit zur Verstärkung oder Erhöhung<br />
der Deiche bestand, ohne Leib und Leben der eingesetzten Kräfte und der freiwilligen Helfer<br />
aufs Spiel zu setzen. Zur Warnung und Information der Bevölkerung wurden folgende<br />
Maßnahmen ergriffen:<br />
• in der Stadt Neustadt a. d. Donau wurde zusätzlich Bürgertelefone eingerichtet<br />
• die Warnung der Bevölkerung in Wöhr, Schwaigfeld, am Volksfestplatz und in Bad<br />
Gögging mittels Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr<br />
• die persönliche Information der Schausteller am Volksfestplatz<br />
um 12.52 Uhr wurde eine weitere Pressemitteilung, um 14.32 Uhr wurde eine erste amtliche<br />
Gefahrendurchsage an den Rundfunk herausgegeben, in der auch konkret auf die Gefahr<br />
des Deichbruchs und der Überflutung Neustädter Stadtteile hingewiesen wurde.<br />
Am Sonntag, den 23.05.1999 wurde in einer dritten Lagebesprechung auf Grund des sich<br />
konkretisierenden Risikos einer Überflutung größerer bewohnter Gebiete um 18.00 Uhr das<br />
Vorliegen einer Katastrophe festgestellt.<br />
Um 20.20 Uhr wurde erneut eine Pressemitteilung und um 21.40 Uhr eine zweite amtliche<br />
Gefahrendurchsage herausgegeben. Die Einsatzmaßnahmen vor Ort liefen weiter.<br />
Am Montag, den 24.05.1999 beobachtete ein Hubschrauber mit Nachtsichtgerät den Deich<br />
in Neustadt, die Lage war zu diesem Zeitpunkt schon sehr kritisch. Um 3.00 Uhr wurden in
177<br />
den betroffenen Gebieten nochmals Lautsprecherdurchsagen zur Warnung der Bevölkerung<br />
veranlasst. Ab 3.00 Uhr stagnierte der Pegel Ingolstadt bei 748 cm, was einem Abfluss von<br />
2057 m³/s entspricht, der Höchststand in Neustadt war somit gegen 8.00 bis 9.00 Uhr zu<br />
erwarten.<br />
Um 3.45 Uhr erfolgte die Mitteilung, dass der Deich im Bereich des Schöpfwerkes gebrochen<br />
ist, eine weitere amtliche Gefahrendurchsage wurde veranlasst, um 4.25 Uhr wurde<br />
gemeldet, dass sich der Deichbruch nicht bestätigt habe.<br />
Um 5.15 Uhr wurde von der Örtlichen Einsatzleitung und von der Wasserwirtschaft eine<br />
Ortseinsicht am Neustädter Polder vorgenommen, da dort ein Deichversagen befürchtet<br />
wurde, es wurde jedoch festgestellt, dass eine akute Bruchgefahr für den Polderdeich nicht<br />
bestand.<br />
Gegen 6.00 Uhr wurde an der Neustädter Donaubrücke der Freibord zwischen Donau und<br />
Deichkrone auf 20 bis 25 cm geschätzt. Der Pegel Ingolstadt war seit ca. 3 Stunden<br />
konstant, in Kelheim betrug der Pegel 785 cm mit einem Abfluss von 2177 m³/s und stieg<br />
dort weiter an. Neustadt lag unmittelbar vor dem Durchgang der Hochwasserspitze.<br />
Am Pfingstmontag, den 24.05.1999 um 7.50 Uhr erreichte den Krisenstab die Mitteilung,<br />
dass Wasser im Bereich von Wöhr auf einer Länge von 10 m über den Deich laufe.<br />
2 Gründe für den Deichbruch im Bereich von Neustadt a. d. Donau<br />
Neustadt a. d. Donau liegt 24,5 km unterhalb von Ingolstadt und 17 km oberhalb von<br />
Kelheim. Bei einer Fließzeit einer Welle zwischen Ingolstadt und Kelheim von im Mittel zehn<br />
Stunden erreicht diese Neustadt rund sechs Stunden nach Ingolstadt. Seit 3.00 Uhr<br />
stagnierte der Pegel Ingolstadt. Das heißt, dass der Deich in Neustadt zum Zeitpunkt des<br />
Durchgangs der Hochwasserspitze versagt hat. Belegt wird dies auch durch die Tatsache,<br />
dass bereits um 11.00 Uhr, also nur 2 ½ Stunden später der Pegel in Kelheim bereits (durch<br />
das Versagen des Deiches bedingt) wieder sank.<br />
Der höchste Wasserstand in Kelheim betrug 795 cm, d. h. rund 5 cm über dem HQ100, der<br />
Abfluss betrug gemäß Abflusstafel vom Landesamt für Wasserwirtschaft 2233 m³/s. Bei<br />
Überlagerung der Abflusskurven von Ingolstadt und Kelheim und unter Berücksichtigung der<br />
Fließzeit zwischen Neustadt und Kelheim kann davon ausgegangen werden, dass unter<br />
normalen Umständen der Pegel Kelheim 815 cm oder gar 820 cm erreicht hätte, ein Wert<br />
deutlich über 2300 m³/s und damit deutlich über dem HQ100.
178<br />
Das Hochwassersystem bei Neustadt wurde zum Zeitpunkt der Katastrophe an vier Stellen<br />
überströmt:<br />
• Bei Irnsing Donau-Fluss-km 2431,0 – 2431,4 an mehreren Stellen, wobei an einer<br />
Stelle landseitig bereits Auskolkungen von ca. 1 m bestanden.<br />
• Bein Irnsing Donau-Fluss-km 2429,0. Der Deich war auf 20 m Länge bereits um 1 m<br />
abgetragen.<br />
• Am Schöpfwerk des Neustädter Polders durch den Rückstau der Donau bedingt.<br />
• Im Bereich der Deichbruchstelle bei Fluss-km 2431,2.<br />
3 Möglichkeiten der Deichverteidigung während des Hochwasserereignisses<br />
Aus Sicht aller am Hochwassereinsatz beteiligten Kräfte war eine Deichverteidigung<br />
während des Hochwasserereignisses, ausgenommen am Polderdeich, wo sie erfolgreich<br />
war, nicht möglich.<br />
Vor Samstagnachmittag war bei einem prognostizierten Pegelstand für Kelheim von 730 cm<br />
mit einer Überspülung oder einem Bruch des Deiches bei Neustadt a. d. Donau nicht zu<br />
rechnen.<br />
Als kritische Pegelstände prognostiziert wurden, waren wirksame Maßnahmen zur<br />
Verstärkung oder Erhöhung der Deiche, die den Bruch verhindern hätten können, nicht mehr<br />
möglich.<br />
Ab Samstagnachmittag war für Kelheim ein Pegelstand von 800 cm prognostiziert worden.<br />
Folge diese Prognose war, dass nunmehr zwei Schadensereignisse als „worst case“<br />
denkbar wurden, zum einen die Möglichkeit eines Reißens des durch das vergangene<br />
Hochwasser aufgeweichten Deiches, zum anderen die Möglichkeit einer Überspülung des<br />
Deiches, die dann ebenfalls zum Bruch führen würde. Als Maßnahme gegen das erste<br />
Szenario wäre eine Verstärkung des Deiches denkbar, als Maßnahme gegen das zweite<br />
hätte es einer Erhöhung bedurft. Beide zu diesem Zeitpunkt lediglich theoretische denkbaren<br />
Ereignisse konnten sowohl an der Neustädter als auch an der Irnsinger Donauseite<br />
auftreten.<br />
Vom Krisenstab wurden alle Möglichkeiten einer Deichverstärkung oder –erhöhung geprüft<br />
und einhellig als nicht realisierbar verworfen.<br />
Auf Grund der verbleibenden Zeit und der Deichlänge von insgesamt ca. 10 km wäre eine<br />
flächendeckende Stützung oder Erhöhung der Deiche nicht möglich gewesen.<br />
Der Einsatz von LKWs, Booten und Hubschraubern hätte jeweils erhebliche Risiken für den<br />
Deich beinhaltet, die zur vorzeitigen Beschädigung bzw. zum Bruch des Deiches hätten<br />
führen können.<br />
Ab Sonntag Nachmittag kam hinzu, dass ein weiteres Betreten der Deiche durch<br />
Einsatzkräfte nicht mehr verantwortet werden konnte, da bei einem plötzlichen Reißen eines<br />
auf beiden Seiten von Wasser umgebenen Deiches den betroffenen Einsatzkräften den<br />
Rückweg abgeschnitten hätte und eine Rettung nahezu unmöglich gewesen wäre.
179<br />
4 Maßnahmen zur Warnung der Bevölkerung<br />
Vor dem Deichbruch<br />
Bereits 18 Stunden vor dem Deichbruch wurde die Bevölkerung auf die drohende Gefahr<br />
hingewiesen. Dabei wurde sowohl mit Lautsprecherwagen als auch durch amtliche<br />
Gefahrendurchsagen im Rundfunk gewarnt. Zudem wurden vom Landratsamt Kelheim<br />
Pressemitteilung herausgegeben und Auskünfte über die bei den Gemeinden und beim<br />
Landratsamt Kelheim eingerichteten Bürgertelefone erteilt. Im Vordergrund der ersten<br />
Warnungen stand der Hinweis auf die Möglichkeit eines Deichbruchs im Bereich von<br />
Neustadt a. d. Donau und die damit verbundene Hochwassergefahr für die Gebiete hinter<br />
den Deichen. Zudem wurde die Bevölkerung aufgefordert Heizöl und Gastanks zu sichern<br />
und Kraftfahrzeuge auf den speziell genannten sicheren Parkplätzen abzustellen.<br />
Diese Warnungen konnte keine konkreten Angaben zur Frage enthalten, wie hoch das<br />
Wasser im Falle eines Deichbruchs steigen würde, weil eine solche Aussage davon<br />
abhängig war, welcher Deich (Donaudeich oder Polderdeich) brechen und wo sich die<br />
Deichbruchstelle befinden würde.<br />
Nach dem Deichbruch<br />
Nach dem Bruch des Deiches wurde sofort auf die veränderte Situation reagiert. Es erfolgten<br />
sowohl aktualisierte Lautsprecherdurchsagen als auch aktualisierte amtliche<br />
Gefahrendurchsagen im Rundfunk. Beide enthielten die Informationen über das Ereignis<br />
(Deichbruch) und den ausdrücklichen Hinweis, dass obere Stockwerke aufzusuchen seien.<br />
Erst zu diesem Zeitpunkt konnte durch das Wasserwirtschaftsamt in Zusammenarbeit mit der<br />
Flussmeisterstelle und der Stadt Neustadt eine geodätische Karte erstellt und die Höhenkote<br />
ermittelt werden, bis zu der das Wasser steigen würde. Diese Höhenkote enthielt jedoch für<br />
die Bevölkerung keinen brauchbaren Informationsgehalt, da amtliche Hochwassermarken<br />
nicht existierten.<br />
Ein ausdrücklicher Hinweis, dass das Erdgeschoss auszuräumen sei, konnte schon deshalb<br />
nicht erfolgen, weil gerade nicht alle Häuser mit Wasser im Erdgeschoss betroffen waren,<br />
sondern manche auch mit Wasser im ersten Stock und viele andere mit Wasser im Keller.<br />
Eine nach Straßen differenzierte Warnung war bei der zunächst prognostizierten Zeit von<br />
drei Stunden bis zum Vollaufen des Polders nicht möglich.<br />
5 Zusammenfassung<br />
Zur Bewältigung des Hochwasserereignisses zu Pfingsten 1999 waren allein im Landkreis<br />
Kelheim ca. 5000 Kräfte verschiedenen Behörden, Stellen und Hilfsorganisationen tätig. Die<br />
Schäden im Landkreis Kelheim bei Landwirten, privaten Haus- und Grundbesitz, Hausrat,<br />
gewerblich und freiberuflich Tätigen lagen bei rund 122,5 Millionen Deutsche Mark.<br />
Die Fülle der ergriffenen Maßnahmen, die nicht nur im Einsatzschwerpunkt Neustadt a. d.<br />
Donau, sondern auch in den übrigen vom Donauhochwasser betroffenen Gemeinden<br />
durchgeführt wurden, war immens.<br />
Der Katastrophenfall wurde am Sonntag, den 23.05.1999 um 18.00 Uhr ausgerufen und erst<br />
am Freitag, den 28.05.1999 wieder aufgehoben. Alle Mitarbeiter des Krisenstabs,<br />
insbesondere die Führungskräfte bei den eingebundenen Behörden, Stellen und<br />
Hilfsorganisationen, aber auch die eingesetzten Kräfte waren bis zu den Grenzen ihrer
180<br />
Leistungsfähigkeit tätig. Die Leidtragenden sind die Betroffenen, die die Ereignisse an<br />
Pfingsten 1999 nicht vergessen werden.<br />
Das Pfingsthochwasser 1999 hat auch gezeigt, dass vorausschauende Planungen<br />
erforderlich sind, im Bereich von Neustadt a. d. Donau waren kurzfristige<br />
Deichverteidigungen nicht möglich, auch die an anderen Stelle errichteten provisorische<br />
Deiche (z. B. bei Kloster und Ortschaft Weltenburg) konnten bei diesem Jahrhundertereignis<br />
den Wassermassen nicht standhalten.<br />
Abb. 1: Überflutete Teile der Stadt Neustadt a. d. Donau an Pfingsten 1999<br />
Verfasser<br />
Dr. Hubert Faltermeier<br />
Landrat des Landkreises Kelheim<br />
Schlossweg 3<br />
93309 Kelheim<br />
landrat@landkreis-kelheim.de
181<br />
Hochwassereinsatzplan Ingolstadt – Veranlassung,<br />
Randbedingungen und Erfahrungen<br />
Kurzfassung<br />
Frank Kleist & Wunibald Koppenhofer<br />
Die Hochwasserschutzeinrichtungen im Stadtbereich von Ingolstadt sind zum Teil nicht<br />
ausreichend dimensioniert oder genügen nicht den anerkannten Regeln der Technik. Da<br />
nicht alle Sanierungs- und Neubaumaßnahmen unverzüglich realisierbar waren, sondern<br />
nach und nach in Angriff genommen werden mussten, wurde für die Stadt Ingolstadt ein<br />
Einsatzplan für den Katastrophenschutz im Hochwasserfall erstellt. Im folgenden Beitrag<br />
werden die Randbedingungen für den Maßnahmenplan sowie die praktischen Erfahrungen<br />
bei der Umsetzung des Plans während der Hochwasser 2003 und 2005 geschildert.<br />
1 Veranlassung des Maßnahmenplans<br />
Beim Pfingsthochwasser 1999 zeigten sich erhebliche Probleme bezüglich der<br />
Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Hochwasserschutzeinrichtungen an der<br />
Donau in Ingolstadt. Aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen konnten die<br />
Defizitbereiche im Hochwasserschutz nicht alle gleichzeitig und unverzüglich ausgeräumt<br />
werden. Im Zuge einer Priorisierung der Sanierungsbereiche beauftragte das<br />
Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt eine Reihe so genannter „Zustandserfassungen“, die<br />
jeweils einen Abschnitt des Hochwasserschutzes im Stadtbereich von Ingolstadt umfassten.<br />
Die Stadt Ingolstadt erkannte, dass bei einem realistisch eingeschätzten Zeitraum zur<br />
Verwirklichung des Hochwasserschutzes durch den Freistaat Bayern die Stadt mehrere<br />
Jahre mit einer reduzierten Hochwassersicherheit zurechtkommen müsse. Die Bereiche mit<br />
reduzierter Hochwassersicherheit würden im Hochwasserfall natürlich vom<br />
Katastrophenschutz zuerst gesichert werden müssen.
182<br />
Raffinerien in Ingolstadt<br />
Abb. 1: Problembereiche der bestehenden Hochwasserschutzeinrichtungen<br />
Insbesondere das Schadenspotential an den Raffinerien war so groß, dass von Seiten der<br />
Stadt Ingolstadt alles versucht wurde, bis zum Erreichen eines ausreichenden und den<br />
anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Hochwasserschutzes (BHQ = HQ100) der<br />
Katastrophenschutz möglichst optimal vorbereitet die Sicherung der unzureichenden<br />
Hochwasserschutzeinrichtungen vornehmen kann.<br />
Im Juli 2001 wurde deshalb das Ingenieurbüro SKI von der Stadt Ingolstadt beauftragt, für<br />
den Katastrophenschutz der Stadt mögliche Brennpunkte bei einem Hochwasser aufzuzeigen<br />
und Einsatzprioritäten vorzuschlagen. Dabei sollten die Ergebnisse der Zustandserfassungen<br />
zu den Hochwasserschutzsystemen in Ingolstadt berücksichtigt werden. Diese Erhebung<br />
mündete in einen Maßnahmenplan dessen Randbedingungen und Konzept im Folgenden<br />
dargestellt werden.<br />
Bei den Hochwasserereignissen in den Jahren 2003 und 2005 wurden Teile des<br />
Maßnahmenplans bereits verwirklicht. Deshalb können auch die Erfahrungen der Stadt<br />
Ingolstadt bei der Umsetzung des Maßnahmenplans im vorliegenden Beitrag erläutert<br />
werden.<br />
2Randbedingungen für den Maßnahmenplan<br />
Folgende Randbedingungen bestimmten den Einsatzplan:<br />
• Auflaufzeit der Hochwasserwelle / Vorwarnzeit<br />
Alle vorgeschlagenen Maßnahmen müssen innerhalb der Vorwarnzeit vor einem<br />
Hochwasserereignis abzuwickeln sein. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Maßnahmenplans<br />
sollte von einer 24-stündigen Vorwarnzeit ausgegangen werden.<br />
• Kapazitäten<br />
Die einzelnen Maßnahmen mussten auf die vorhandenen Möglichkeiten des<br />
Katastrophenschutzes abgestimmt werden. Dazu wurden vom Katastrophenschutz
183<br />
Erfahrungen zur Leistungsfähigkeit beigesteuert. z.B. wurde die Kapazität einer<br />
Arbeitsgruppe beim Sandsackbefüllen, -transport und –verlegung mit in den<br />
Maßnahmenplan eingearbeitet.<br />
• Gefahrbereiche<br />
Da die Deiche in Ingolstadt teilweise erheblich zu steil waren und die Böschungssicherheit<br />
im Hochwasserfall nicht gewährleistet war, mussten Bereiche ausgewiesen<br />
werden, die bei Einstau der Deiche nicht betreten werden durften. Diese Bereiche<br />
mussten also bereits vor Einstau der Deiche gesichert werden. Um die Katastrophenhelfer<br />
nicht einem erheblichen Risiko auszusetzen, konnte in diesen Bereichen keine<br />
Arbeiten zugelassen werden, während die Deiche im Vollstau waren.<br />
• Wasserseite / Luftseite<br />
Natürlich mussten vor Einstau der Deiche alle kritischen Bereiche auf der<br />
Wasserseite gesichert sein, da Arbeiten bei Einstau nicht mehr möglich sind.<br />
Anhand dieser Randbedingungen konnte ein Maßnahmenplan ausgearbeitet werden, der<br />
ausgehend vom prognostizierten Zeitpunkt des Erreichens eines bestimmten Abflusses in<br />
Ingolstadt einen Startzeitpunkt für jede einzelne Maßnahme ausweist.<br />
Tab. 1: Beispiel: Entwicklung der Vorlaufszeiten einzelner<br />
Vorgänge<br />
Vorgangsnummer<br />
5<br />
3 Ergebnisdarstellung<br />
Beschreibung der Teilleistungen<br />
- Charge 1: Befüllen, Verschnüren, Beladen von 450 Säcken<br />
lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />
- Charge 2: Befüllen, Verschnüren, Beladen von 450 Säcken<br />
lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />
- Charge 3: Befüllen, Verschnüren, Beladen von 450 Säcken<br />
lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />
- Transport von C 1 zum Tatort während Befüllen von C 2<br />
- Transport von C 2 zum Tatort während Befüllen von C 3<br />
- Transport von C 3 zum Tatort<br />
- Verlegen von C 1 während Befüllen von C 2 (v=3 Säcke/min)<br />
lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />
- Verlegen von C 2 mit 2 Gruppen während Befüllen von C 3<br />
(v=3 Säcke/min)<br />
- Verlegen von C 3 mit 2 Gruppen (→v=6 Säcke/min)<br />
Vorlaufdauer<br />
[h]<br />
5,5<br />
5,5<br />
5,5<br />
0<br />
0<br />
0,25<br />
0<br />
0<br />
1,25<br />
∑ 18,0<br />
Die Maßnahmen wurden im Lageplan dargestellt und priorisiert. Daneben wurde eine<br />
tabellarische Darstellung entwickelt (siehe Abb. 4).
Abb. 2: Beispiel Maßnahmenplan – Lageplan<br />
184<br />
Basierend auf den ermittelten Maßnahmen und den zu bewegenden Erdmassen, entschied<br />
sich die Stadt Ingolstadt in einem Rahmenvertrag mit einem Erdbauunternehmer, die entsprechenden<br />
Maschinenkapazitäten im Katastrophenfall zu sichern.<br />
berlegung zur Einsatznotwendigkeit vor Ort<br />
Transportkapazitäten – Einsatzplanung<br />
Abb. 3: Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes<br />
Ü
185<br />
Abb. 4: Darstellung im Maßnahmenplan - tabellarisch
186<br />
Dieses Vorgehen erwies sich als sehr hilfreich bei den praktischen „Probeläufen“ zum<br />
Hochwassermaßnahmenplan während der Hochwasserereignisse in den Jahren 2003 und<br />
2005.<br />
Problematisch ist dagegen die derzeit mögliche Prognosequalität der bayerischen Wasserwirtschaft.<br />
In beiden Fällen zum Hochwassereinsatz 2003 und 2005 waren die jeweils vom<br />
LfU (vormals LfW) prognostizierten Wellenscheitel um fast 1,0 m zu hoch vorhergesagt.<br />
Ebenso war der Zeitpunkt der Hochwasserspitze wesentlich zu früh prognostiziert. Aus<br />
diesem Grund wurde der Katastrophenschutz letztlich zu früh und zu umfangreich in Aktion<br />
gesetzt.<br />
Es scheint so, als könnte mit einer optimierten Prognosequalität ein erhebliches<br />
Verbesserungs- und Einsparpotential für den Katastrophenschutz geleistet werden.<br />
Als Vorteil des Einsatzplanes bleibt zu erwähnen, dass durch das Wissen der Öffentlichkeit<br />
um die Sicherheitsdefizite Hochwasserschutzmaßnahmen leichter realisierbar sind.<br />
Verfasser<br />
Dr.-Ing. Frank Kleist<br />
SKI GmbH + Co.KG<br />
Beratende Ingenieure für Wasserbau, Wasserwirtschaft und Grundbau<br />
Adlzreiterstraße 25<br />
80337 München<br />
kleist@ski-ing.de<br />
Dipl.-Ing (FH) Wunibald Koppenhofer<br />
Ingolstädter Kommunalbetriebe AöR<br />
Hindemithstraße 30<br />
85057 Ingolstadt<br />
wunibald.koppenhofer@in-kb.de
187<br />
„Erfahrungen bei der Verteidigung der Deiche an der Isar<br />
während des Hochwassers 2005“<br />
Kurzfassung<br />
Gregor Overhoff<br />
Im August 2005 war der Süden Bayerns erneut von einem großen Hochwasser betroffen.<br />
Wie an einigen anderen alpinen Flüssen in Bayern auch wurden die<br />
Hochwasserschutzeinrichtungen an der Isar bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit<br />
beansprucht. Die Hochwasserspitze im Oberlauf der Isar konnte durch den Rückhalt im<br />
Sylvensteinspeicher zwar von 1100 m³/s auf 350 m³/s gedrosselt und damit Schlimmeres<br />
verhindert werden, die anschließende Leerung des Speichers zusammen mit der lange<br />
nachlaufenden Abflusswelle in der Isar führte jedoch im Raum Freising – Moosburg zu<br />
Problemen mit der Standsicherheit der alten Deiche.<br />
Nur durch den tatkräftigen Einsatz des Katastrophenschutzes gelang es, die Deiche zu<br />
verteidigen und Deichbrüche zu verhindern. Im Beitrag werden die Maßnahmen und<br />
Erfahrungen bei der Deichverteidigung wiedergegeben.<br />
1 Wetterlage im August 2005<br />
Der südbayerische Raum lag ab dem 21.08.2005 im Bereich der Nordflanke eines<br />
ausgeprägten Tiefs in einer östlichen Strömung, das sich nur sehr langsam von der<br />
Adria nach Nordosten verlagerte. Zusammen mit den feucht-warmen Luftmassen aus dem<br />
Mittelmeerraum baute sich<br />
eine „Vb-Wetterlage“ 1 auf<br />
und verursachte<br />
ergiebigen Dauerregen.<br />
Durch die nachfolgend<br />
zunehmend nördliche<br />
Anströmung verstärkte<br />
sich der Staueffekt an den<br />
Alpen und das<br />
Niederschlagsgebiet<br />
dehnte sich vom<br />
Bodensee bis zum Inn<br />
aus. Die ungewöhnlichen<br />
Niederschlagsintensitäten<br />
führten zu besonders<br />
steilen Anstiegen der<br />
Abflüsse und brachten im<br />
Oberlauf der alpinen<br />
Abb. 1: Jährlichkeiten der Scheitelabflüsse beim<br />
Augusthochwasser 2005 im südbayerischen Raum<br />
1 Adriatief mit feuchtwarmer Mittelmeerluft, das an der Alpennordseite abregnet<br />
Flüsse<br />
Hochwasserspitzen mit
188<br />
Jährlichkeiten deutlich größer als 100 Jahre (Abb. 1). Am Oberlauf der Isar und an der Iller<br />
wurden sogar Abflussspitzen im Bereich eines 300-jährlichen Ereignisses beobachtet.<br />
An der Oberen Isar wurden stellenweise Niederschlagssummen von über 200 mm innerhalb<br />
24 Stunden gemessen, die binnen weniger Stunden zu einer Zuflussspitze zum<br />
Sylvensteinspeicher von 1100 m³/s führten.<br />
2 Hochwasserrückhalt durch den Sylvensteinspeicher<br />
Abb. 2:<br />
Niederschlagssumme<br />
im Isargebiet vom<br />
21.08. bis 24.08.2005<br />
Die ersten Niederschlagsprognosen am Sonntag, 21.08.2005 ließen auf ein weniger großes<br />
Hochwasser schließen. Die dann ab Montagmittag einsetzenden Niederschläge, die sich in<br />
der Nacht auf Dienstag zu lang anhaltenden Starkniederschlägen intensivierten, führten am<br />
Dienstag, 23.08. in der Früh ab 2 Uhr zu einem stark anschwellenden Zufluss in den<br />
Sylvensteinspeicher. Die erste Zuflussspitze mit ca. 950 m³/s wurde am Nachmittag von<br />
einer zweiten Spitze mit 1100 m³/s nochmals deutlich übertroffen.<br />
Wegen der hohen Isarabflüsse unterhalb des Sylvensteinspeichers konnte bis<br />
Dienstagmittag nur wenig aus dem Speicher abgegeben werden, ohne Bad Tölz zu<br />
gefährden. Der Seewasserstand stieg daher innerhalb von 37 Stunden um knapp 11 Meter<br />
an. Bei einem Füllungsgrad des bewirtschaftbaren Hochwasser-Rückhalteraums von 65 %<br />
wurde ab Dienstagnachmittag 23.08.05 die Abgabe aus dem Speicher deutlich erhöht, um<br />
das Anspringen der Hochwasserentlastung und die dann kaum mehr kontrollierbaren<br />
Abflüsse zu verhindern.<br />
Insgesamt konnten von der rund 72 Mio. m³ großen Fülle des Hochwassers ca. 52 Mio. m³<br />
(= 72%) im Sylvensteinspeicher zurückgehalten werden. Der Seewasserstand stieg dabei bis<br />
auf 8 cm unter die Überlaufschwelle der alten Hochwasserentlastung an. Der<br />
bewirtschaftbare Hochwasser-Schutzraum wurde dabei zu 94 % genutzt (Abb. 3).
189<br />
Unter Berücksichtigung der Unterlieger wurde der Speicher wegen der nächsten<br />
anrückenden Tiefdruckzone über mehrere Tage zügig geleert, um Retentionsraum für neue<br />
Hochwasserwellen zu schaffen. Nachdem für das Speichereinzugsgebiet erneut bis zu 60<br />
mm Niederschlag prognostiziert waren, wurde über 32 Stunden die Abgabe aus dem<br />
Sylvensteinspeicher mit 350 m³/s gefahren, anschließend auf 300 m³/s leicht gesenkt und<br />
über weitere 30 Stunden beibehalten. Erst nach der Entspannung der Wettersituation wurde<br />
der Abfluss aus dem Speicher auf unter 200 m³/s zurückgenommen.<br />
765<br />
760<br />
755<br />
750<br />
745<br />
740<br />
735<br />
Speicherbewirtschaftung<br />
Stau (Stundenwerte); Zufluss, Abfluss (Stundenmittelwerte)<br />
mNN m³/s<br />
770<br />
1400<br />
1100<br />
m³/s<br />
HW-<br />
Rückhaltung<br />
52,3 Mio m³<br />
762,42 mNN<br />
350 m³/s<br />
0 24 48 72 96 120 144<br />
21.08.05 22.08.05 23.08.05 24.08.05 25.08.05 26.08.05<br />
Stau SP-Zufluss SP-Abfluss<br />
Abb. 3: Hochwasserbewirtschaftung des Sylvensteinspeichers vom 21. - 26.08.2005<br />
3 Hochwassersituation in München und Freising<br />
Beim Hochwassermanagement durch den Sylvensteinspeicher sind neben Bad Tölz auch<br />
die Abflüsse in München und Freising zu beachten. Die Abgabe aus dem Speicher wird so<br />
geregelt, dass sie sich nicht mit Hochwasserspitzen aus den Seitengewässern unterhalb<br />
überlagert. Dabei soll in München und im Raum Freising Moosburg ein Abfluss von rund 900<br />
m³/s eingehalten bzw. bei extremen Hochwasserereignissen - soweit möglich - der Wert von<br />
etwa 1000 bis 1100 m³/s nicht überschritten werden.<br />
In München wurde am Mittwoch 24.08. etwa um 6:00 Uhr die Abflussspitze mit knapp 1000<br />
m³/s erreicht (Abb. 4). Diese Spitze war auch geprägt durch das Hochwasser der Loisach,<br />
das in Eschenlohe zu großen Schäden geführt hat. Abgesehen von kleineren lokalen<br />
Schadenspunkten konnte München vor größeren Hochwasserschäden geschützt werden.<br />
Im Raum Freising - Moosburg führte das ablaufende Hochwasser zu Problemen bei der<br />
Standsicherheit der ca. 70 – 80 Jahre alten Isardeichen. Dabei war die Isar-Abflussspitze in<br />
Freising mit rund 860 m³/s das geringere Problem, da der Freibord ausreichend war. Die<br />
Schwierigkeiten ergaben sich erst mit der längeren Beaufschlagung der Deiche durch den<br />
Hochwasserabfluss, der zu deutlichen Sickerwasseraustritten auf der Dammluftseite führte.<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
190<br />
Pegel Bad Tölz / München / Freising<br />
m³/s Stundenwerte<br />
m³/s<br />
0 24 48 72 96 120<br />
0<br />
144<br />
21.08.05 22.08.05 23.08.05 24.08.05 25.08.05 26.08.05<br />
P.München P. Bad Tölz B.T. (Q krit.) M (Q krit.) P. Freising<br />
Abb. 4: Abflussganglinien des Isarhochwassers vom 21.08. bis 26.08.2005 an den<br />
Pegeln Bad Tölz, München und Freising<br />
4 Deichverteidigung im Raum Freising - Moosburg<br />
Unterhalb von Freising verlaufen die Hochwasserschutzdeiche an der Isar auf einem<br />
längeren Abschnitt durch das Naturschutz- und FFH-Gebiet „Isarauen bei Hangenham“.<br />
Nach dem Hochwasser 1999 wurde auf der linken Flussseite von der etwa 11 km langen<br />
Deichstrecke bis Moosburg die Hälfte saniert. Die rund 7 km langen Deichabschnitte auf der<br />
rechten Flussseite waren noch im ursprünglichen Zustand belassen worden, da das<br />
Sanierungskonzept mit einer Rückverlegung der Deiche verfahrenstechnisch noch nicht<br />
abgeschlossen ist. Die weiteren Ausführungen<br />
beziehen sich auf die<br />
Deichverteidigungsmaßnahmen an der rechten<br />
Isarseite.<br />
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (23.-<br />
24.08.2005) wurde bei einem Abfluss von rund<br />
600 m³/s eine deutliche Zunahme von<br />
Sickerwasseraustritten auf der Luftseite der<br />
unsanierten Deichabschnitte festgestellt, die mit<br />
weiter steigendem Pegel der Isar zunahmen. Mit<br />
den Vorbereitungsmaßnahmen zur<br />
Deichverteidigung war bereits frühzeitig am<br />
Dienstag früh begonnen worden, da die ersten<br />
Abflussprognosen einen noch höheren Spitzen-<br />
Abfluss in Freising erwarten ließen.<br />
Mit zunehmender Dauer der lang gestreckten<br />
Hochwasserwelle, die auch „künstlich<br />
beeinflusst“ war durch die zügige und<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
Abb. 5: „Sickerwasserquelle“ am<br />
luftseitigen Deichfuß
191<br />
kontrollierte Leerung des Sylvensteinspeichers, wurden in den alten Deichabschnitten neben<br />
den flächigen Sickerwasseraustritten auch lokale „Quellaustritte“ mit Beginn einer<br />
rückschreitenden Erosion an der Luftseite der durchnässten Deichfüße festgestellt (Abb. 5).<br />
Da die Gefahr von Deichbrüchen drohte und eine Deichverteidigung mit den örtlichen Kräften<br />
alleine nicht ausreichte, war von den Landratsämtern Freising und Erding bereits ab<br />
Dienstagnachmittag der Katastrophenalarm ausgerufen worden. Damit konnte auch<br />
Unterstützung durch das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr angefordert werden.<br />
Abb. 6: Festsitzendes Feuerwehrfahrzeug blockiert den<br />
aufgeweichten Deichhinterweg<br />
Zur schnellen und effektiven<br />
Stabilisierung der Deiche wurden<br />
am luftseitigen Deichfuß<br />
großflächige Auflastschüttungen<br />
aus kiesigem Material<br />
vorgenommen, die mit Radlader<br />
oder Bagger einplaniert wurden.<br />
Probleme bereitete dabei in<br />
einigen Abschnitten die<br />
Zugänglichkeit zu den Deichen.<br />
Das vorhandene Wegenetz war<br />
wegen des durchnässten und<br />
wenig tragfähigen Untergrunds<br />
den schweren Achslasten der<br />
Transportfahrzeuge oft nicht<br />
gewachsen, so dass neben der<br />
Deichverteidigung auch große<br />
Anstrengungen zur „(Wieder-)<br />
Herstellung“ der Zufahrts- und Deichhinterwege unternommen bzw. festsitzende Fahrzeuge<br />
herausgezogen werden mussten (Abb. 6).<br />
In einigen Deichabschnitten konnte wegen<br />
schlechter Zufahrten nicht mit Großgerät<br />
gearbeitet werden. Hier wurde die<br />
Deichverteidigung überwiegend durch den Bau<br />
von Fangedämmen aus Sandsäcken<br />
sichergestellt (Abb.7). Durch die den Deichfuß<br />
stützende Wirkung der „Querrippen“ und das<br />
Wasserpolster als Gegendruck zum<br />
ausströmenden Sickerwasser konnte die Erosion<br />
wirksam gebremst werden. Zum Antransport der<br />
Sandsäcke dienten kleinere Fahrzeuge wie<br />
Unimog, Radlader oder Kettenraupen. Nachdem<br />
auf der rechten Isarseite zwischen den<br />
Ortschaften Gaden und Rosenau (Gemeinde<br />
Eitting) die Zufahrt zu den Deichen durch<br />
festsitzende LKW blockiert war, kamen für den<br />
Antransport schließlich auch schwere<br />
Lastenhubschrauber der Bundeswehr zum<br />
Einsatz. Die weitere Verteilung bis an die<br />
Abb. 7: Deichsicherung durch<br />
Fangedämme am luftseitigen Deichfuß;<br />
alleine im Bereich Gaden wurden rund<br />
750.000 Sandsäcke verbaut
192<br />
Einsatzstellen erfolgte dann über Sandsackketten oder mit Schubkarren.<br />
Eine kritische Einsatzstelle bei der Deichverteidigung war der Abschnitt unterhalb der<br />
Ortschaft Rosenau, bei dem in der Nacht auf den 26.08. auf etwa 300 Meter Länge der<br />
durchweichte luftseitige Deichkörper abrutschte. Hier konnte von der unmittelbar dahinter<br />
liegenden Kreisstraße aus der<br />
Deichstützkörper durch etwa 100<br />
LKW-Ladungen Grubenkies<br />
wiederhergestellt werden.<br />
Abb. 8: Dammbalkennische in der Deichlinie (oben),<br />
teilweise unterspülte Kreisstraße zwischen Gaden -<br />
Oberhummel (unten)<br />
Eine weitere schwer einschätzbare<br />
Gefahrenstelle war die Kreuzung der<br />
Ortsverbindung Gaden –<br />
Oberhummel (über die Isar) mit dem<br />
Hochwasserschutzdeich. Die<br />
Deichlinie wird hier durch die Straße<br />
unterbrochen und muss im<br />
Hochwasserfall durch eine doppelte<br />
Dammbalkenlage verschlossen<br />
werden. Durch das schnell strömende<br />
Hochwasser im Vorland und die<br />
Unstetigkeit in der Deichlinie war der<br />
wasserseitige Deichfuß besonders<br />
hohen hydraulischen Belastungen<br />
ausgesetzt. Der hohe und dichte<br />
Grasbewuchs, der durch die<br />
Strömung auf den Untergrund<br />
gedrückt wurde, schützte diesen vor<br />
größeren Erosionen. An scheinbar<br />
wesentlich stabileren Stellen wurde<br />
das Bankett der Verbindungsstraße<br />
durch die Überströmung soweit<br />
erodiert, dass die Straße nach Ablauf<br />
des Hochwassers teilweise gesperrt<br />
werden musste (Abb. 8).<br />
Mit dem Rückgang des Hochwasserabflusses in der Isar ab Samstagmittag auf unter 400<br />
m³/s entspannte sich die Situation an den Deichen im Raum Freising – Moosburg spürbar.<br />
Die Sickerwasseraustritte kamen zum Erliegen und das Ausmaß der zu sanierten Schäden<br />
wurde sichtbar. Der Einsatz des Katastrophenschutzes, der in den Landkreisen Erding und<br />
Freising rund 5 Mio. € Kosten verursacht hat, konnte schließlich am Samstagnachmittag<br />
27.07.05 bzw. in Freising am Samstagabend beendet werden.<br />
5 Erfahrungen und Schlussfolgerungen<br />
Durch den konzentrierten Einsatz der örtlichen Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks<br />
und der Bundeswehr konnten die gefährdeten Deichabschnitte an der Isar im Bereich<br />
Freising – Moosburg über mehrere Tage erfolgreich verteidigt werden. Ohne die tatkräftige
193<br />
Unterstützung der über 1500 Personen wären einige Deichabschnitte mit Sicherheit<br />
gebrochen und hätten zu großflächigen Überschwemmungen geführt.<br />
Aus dem insgesamt sehr erfolgreichen Einsatz lassen sich folgende Rückschlüsse ziehen:<br />
• Wichtigste Grundlage zur Deichverteidigung ist ein Wegenetz mit Zufahrtswegen und<br />
Deichhinterwegen. Im Idealfall sollten die Zufahrtswege so angelegt sein, dass etwa<br />
alle 200 - 300m der Deichhinterweg angefahren werden kann. Die Wege sollten<br />
genügend breit sein oder Ausweichstellen besitzen, einen stabilen Unterbau mit<br />
ausreichender Tragfähigkeit haben und eine befestigte Fahrbahn (z.B.<br />
wassergebundene Decke aus Erdbeton) aufweisen. Bei der Beseitigung der<br />
Hochwasserschäden war die Wiederherstellung der Wege der mit Abstand größte<br />
Schadensblock. Daher wären einmalige Investitionen in einen sachgerechten Ausbau<br />
des Wegenetzes langfristig sinnvoll und wirtschaftlich.<br />
• Eine schnelle und effektive Maßnahme zur<br />
Verbesserung der Standsicherheit<br />
• gefährdeter Deiche ist ein Auflastfilter aus<br />
sandig-kiesigem Material am luftseitigen<br />
Deichfuß. Der maschinelle Auftrag mit<br />
Bagger oder Radlader setzt entsprechende<br />
Arbeitsräume voraus sowie ausreichend<br />
breite und befahrbare Nachschubwege.<br />
• Die Stabilisierung von Deichen durch<br />
Fangdämme oder Quellkaden ist ebenfalls<br />
eine wirksame Maßnahme der<br />
Deichverteidigung. Wegen des hohen<br />
personellen Aufwands sollte er jedoch auf<br />
Bereiche beschränkt bleiben, in denen der<br />
Einsatz von Erdbaugerät nicht möglich ist<br />
oder nur lokale Schwachstellen im Deich<br />
verstärkt werden müssen.<br />
Abb. 10: Platzierung des Notstromaggregats<br />
auf einer Palette am Deichfuß<br />
Abb. 9: Sandsack als Not-Sicherung<br />
einer Erosionsstelle<br />
• Eine wirksame Notmaßnahme<br />
gegen fortschreitende Erosion<br />
bei Wühltiergängen in<br />
kiesigschluffigen Deichen ist<br />
das „Verstopfen“ des Lochs<br />
mit einem Sandsack. Diese<br />
Maßnahme sollte jedoch nur<br />
als „adhoc“-Hilfe betrachtet<br />
und durch einen anschließend<br />
zu bauenden Fangdamm<br />
ergänzt werden (Abb. 9).<br />
• Um den durch das<br />
Hochwasser stark<br />
beanspruchten Deich nicht
194<br />
weiter zu belasten, sollten Notstromaggregate nicht auf der Deichkrone oder direkt<br />
am Deichfuß platziert werden (Abb. 10). Die von den laufenden Geräten<br />
ausgehenden Schwingungen übertragen sich in den Deichkörper und können die<br />
Ausspülung von Feinteilen beschleunigen. Falls die Aufstellung nur in unmittelbare<br />
Deichnähe möglich ist, sollten mehrere Lagen Sandsäcke und ggf. Paletten unter<br />
• dem Stromaggregat die Erschütterungen in den Untergrund abpuffern.<br />
• Eine geschlossene und durchwurzelte Oberbodenschicht ist der beste natürliche<br />
Schutz gegen Erosionen<br />
durch den<br />
Oberflächenabfluss oder<br />
durch ausströmendes<br />
Sickerwasser an<br />
Böschungsflächen. Daher ist<br />
die Pflege einer dichten und<br />
geschlossenen Grasnabe<br />
eine nicht zu<br />
unterschätzende Aufgabe<br />
der Deichunterhaltung. Bei<br />
der Deichverteidigung sollte<br />
auch darauf geachtet<br />
werden, dass der luftseitige<br />
Deichfuß nicht unnötig<br />
begangen oder durch<br />
Fahrzeuge befahren und<br />
beschädigt wird.<br />
• Insgesamt sollte der sachgerechten Deichunterhaltung wieder mehr Aufmerksamkeit<br />
gewidmet werden. Die technischen Anforderungen an die Deiche und ihre<br />
Unterhaltung, die in verschiedenen Regelwerken festgehalten sind (DIN 19712<br />
„Flußdeiche“; DVWK Merkblatt 210 bzw. künftig DWA-M 513 „Deiche an<br />
Fließgewässern“, z. Zt. in Erstellung) sollten besser beachtet und auch in<br />
Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten konsequent angewandt werden.<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Gregor Overhoff<br />
Bayerisches Landesamt für Umwelt<br />
Referat 62<br />
Edmund-Rumpler-Str 7<br />
80939 München<br />
gregor.overhoff@lfu.bayern.de<br />
Abb. 11: stark beanspruchte Oberbodenschicht am<br />
luftseitigen Deichfuß nach dem Hochwasser
195<br />
Hochwasser an der Iller 2005 – Bewährungsprobe der<br />
gewählten Bauweisen<br />
Kurzfassung<br />
Armin Schaupp<br />
Das Hochwasserschutzprojekt Obere Iller wurde nach dem Pfingsthochwasser 1999 aus der<br />
Taufe gehoben. Ziel war es, einen Hochwasserschutz auf das abgelaufene<br />
Pfingsthochwasser 1999 (ca. 200 mm Niederschlag zu realisieren. Dabei wurden durchaus<br />
ungewöhnliche Wege gegangen.<br />
Die erste Bewährungsprobe bestanden die durchgeführten Maßnahmen und gewählten<br />
Bauweisen beim Augusthochwasser 2005, das das Pfingsthochwasser 1999 übertraf.<br />
Schäden in zigfacher Millionenhöhe konnten verhindert werden.<br />
1 Gewählte Strategie<br />
• Dem Hochwasserschutzprojekt<br />
Obere Iller wurde folgende<br />
Strategie zugrunde gelegt:<br />
• Ein einheitlicher Schutzgrad<br />
vom Ursprung bis zur<br />
Mündung<br />
• Bauweisen, die eine<br />
Deichverteidigung sehr<br />
unwahrscheinlich machen, den<br />
Deichunterhalt minimieren und<br />
bei Überströmung eine höhere<br />
Standsicherheit aufweisen.<br />
• Durch gezielten Rückhalt die<br />
vorhandenen<br />
Überschwemmungsgebiete<br />
effektiver nutzen<br />
• Durch Hochwassermanagement eine optimierte Steuerung der Talsperren und eine<br />
verbesserte Vorwarnzeit für die evtl. Betroffenen<br />
2 Umsetzung<br />
Abb. 1: „Strategie im Hochwasserschutzprojekt<br />
Obere Iller“<br />
Das Gesamtprojekt umfasst einen Kostenrahmen von ca. 100 Mio. €. Bis zum 31.12.2005<br />
wurden bereits ca. 70 Mio. € umgesetzt.<br />
Von Sonthofen über Blaichach, Burgberg und Immenstadt konnte damit ein<br />
Hochwasserschutz-Niveau Pfingsthochwasser 1999 – bevor das Augusthochwasser 2005<br />
eintraf – hergestellt werden.
3 Bewährungsprobe<br />
Der Abschnitt Fischen, der südlichste<br />
Abschnitt, war von Haus aus in der<br />
Verwirklichung als letzter Abschnitt<br />
vorgesehen. Hier waren noch keine<br />
Baumaßnahmen vorgenommen worden, die<br />
Planung war aber bereits am Laufen.<br />
August 2005 war der Schwerpunkt der<br />
Niederschläge im Raum Oberstdorf. Die Iller<br />
führte teilweise ein 500-jähriges Ereignis. Die<br />
alten Deiche in Fischen waren bordvoll<br />
eingestaut, teilweise bereits überronnen,<br />
aber hielten sich noch.<br />
Problematisch wurde es erst, als der<br />
Wasserspiegel wieder sank. Durch Wildholz<br />
wurde eine Eisenbahnbrücke (2 Pfeiler im<br />
Gewässerbett) verklaust, das zulaufende<br />
Wasser wurde aufgestaut und strömte links<br />
und rechts großflächig über die Deiche. Die<br />
Folge waren große Deichbrüche auf der<br />
linken wie rechten Seite. Die Iller verließ ihr<br />
angestammtes Gewässerbett. Auf der<br />
orographisch linken Seite wurden Teile von<br />
Fischen und landwirtschaftliche Flächen in<br />
großem Umfang eingestaut und<br />
verschlemmt.<br />
196<br />
Abb. 2: Investitionen im Hochwasserschutzprojekt Obere Iller<br />
Abb. 3: Fischen – Sonthofen Szenario 2005<br />
Das orographisch rechts ausströmende Wasser staute Teile von Au durch Rückstau ein und<br />
floss dann über landwirtschaftliche Flächen auf den Abschnitt Sonthofen zu.
197<br />
Am Hinanger Bach war der Rücklaufdeich<br />
ebenfalls mit einer ca. 6 m tiefen MIP-Wand<br />
ausgestattet worden. Das ausgeströmte<br />
Wasser schoss über den Rücklaufdeich und<br />
floss dann Richtung Sonthofen. Die MIP-Wand<br />
wurde teilweise 3 – 4 m frei gespült, hielt aber<br />
stand. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden,<br />
dass sich das eingestaute rückliegende<br />
Becken (ca. 250.000 m³) flutwellenartig in<br />
Richtung Sonthofen entleert hätte.<br />
Vor Sonthofen konnte die realisierte<br />
Abb. 3: Frei gespülte MIP-Wand<br />
sogenannte 2. Verteidigungslinie aktiviert und<br />
die Stadt Sonthofen damit vor wesentlichen Schäden bewahrt werden.<br />
Fazit<br />
Die gewählte Strategie und insbesondere die gewählten Deichbauweisen haben sich<br />
bewährt. Es musste kein Deich von Sonthofen bis Immenstadt verteidigt werden. Selbst lang<br />
anhaltenden Überströmungen hat die MIP-Wand standgehalten und nicht zuletzt den Einstau<br />
von Sonthofen damit verhindert.<br />
Verfasser<br />
Dipl.-Ing. Armin Schaupp<br />
Wasserwirtschaftsamt Kempten<br />
Abteilung B - Neubau<br />
Rottachstraße 15<br />
87439 Kempten<br />
armin.schaupp@wwa-ke.bayern.de
198<br />
Planungen für ein gemeinsames Ausbildungskonzept<br />
Hochwasser in Bayern<br />
Kurzzusammenfassung<br />
Bernd Zaayenga<br />
Das Pfingsthochwasser 1999 sowie die Augusthochwasser in den Jahren 2002 und 2005<br />
sind in lebhafter Erinnerung. Ob diese Hochwasser die Vorboten einer sich bereits<br />
ankündigenden Klimaänderung sind, kann dahingestellt bleiben. Die massiven und oft lang<br />
andauernden Katastropheneinsätze haben jedoch eindeutig gezeigt, dass der Erfolg von<br />
Einsatzmaßnahmen neben anderen Faktoren auch von der guten Zusammenarbeit zwischen<br />
Wasserwirtschaftsverwaltung und Katastrophenschutz abhängig war. Koordinierte und<br />
abgestimmte Einsatz- und Schutzmaßnahmen sind erfolgreicher, als ein unkoordiniertes<br />
Nebeneinander; hier sind sich alle Fachleute einig. Als Grundlage hierfür entscheidend ist<br />
zunächst die effiziente und wirkungsvolle Kooperation bei der Aus- und Fortbildung von<br />
Einsatzkräften, die für Hochwassereinsätze in Frage kommen. Das Bayerische<br />
Staatsministerium des Innern plant deshalb in enger Zusammenarbeit mit dem Bayer.<br />
Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und der<br />
Wasserwirtschaftsverwaltung ein gemeinsames Ausbildungskonzept „Hochwasserschutz in<br />
Bayern“.<br />
Grundlagen der angestrebten Konzeption<br />
Die Grundüberlegung für die angestrebte Zusammenarbeit geht von einer notwendigen<br />
Zusammenarbeit aller Verantwortungs- und Entscheidungsträger, Fachberater sowie<br />
Einsatz- und Hilfskräfte aus, die mit Hochwasserereignissen und -einsätzen konfrontiert<br />
werden. Dieser Personenkreis sollte die Möglichkeit haben, in theoretischen und/oder<br />
praktischen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen grundlegendes Wissen zu erlangen, zu<br />
vertiefen und Erfahrungen auszutauschen. Im Rahmen dieser Veranstaltungen sollte neben<br />
den präventiven Maßnahmen im administrativen-organisatorischen Bereich (z.B.<br />
Ausarbeitung von Gefährdungsanalysen, Aufstellung von Einsatzplänen) auch das<br />
strategisch-operative (z.B. Einsatzleitung bei Hochwasserkatastrophen) und technischtaktische<br />
Hochwassermanagement (z.B. praktische Übungen zur Deichverteidigung an<br />
verschiedenen Deichbauten) geschult und in einem kontinuierlichen Prozess optimiert<br />
werden.<br />
Großflächige Hochwasserereignisse sind eigentlich natürliche Ereignisse und können, wenn<br />
überhaupt, nur schwer und mit hohem finanziellem Einsatz verhindert werden. Das<br />
Umweltministerium hat hierfür das Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020 aufgelegt, mit<br />
dem bis zum Jahr 2020 ein weitgehender Hochwasserschutz verwirklicht werden soll. Als<br />
flankierende Maßnahme sollten die Auswirkungen und Schäden durch Hochwasser auch<br />
durch eine transdisziplinäre Aus- und Fortbildung aller betroffener Behörden, Stellen und<br />
Einsatzkräfte begrenzt werden. Dies ist das Ziel des Ausbildungskonzeptes<br />
„Hochwasserschutz in Bayern“.<br />
In einer zentralen Ausbildungsveranstaltung (theoretisch und praktisch) sollten Grundlagen<br />
der richtigen und sicheren Deichverteidigung und der Schutz betroffener Objekte erlernt und<br />
geübt werden. Neben dieser „zentralen Ausbildung“ ist es sicherlich auch notwendig,
199<br />
dezentrale Veranstaltungen durchzuführen, um die Bedürfnisse und Erfordernisse den<br />
örtlichen Verhältnisse sowie topographischen Gegebenheiten anzupassen.<br />
Deichverteidigung ist an großen Flüssen grundsätzlich anders zu bewerten und zu<br />
behandeln, als an kleineren Flüssen, Wildbächen oder in Gebieten mit der Gefahr von<br />
Hangrutschen. Dies gilt es in den dezentralen Veranstaltungen zu behandeln.<br />
Wir haben deshalb Überlegungen angestellt, ein Aus- und Fortbildungskonzept mit<br />
unterschiedlichen Modulen aufzubauen, das die Bereiche administrativ-organisatorische<br />
strategisch-operative sowie<br />
technisch-taktische<br />
Komponenten umfasst.<br />
Administrativ-organisatorische Komponente<br />
Für dieses Ausbildungsmodul kommen als Zielgruppe Vertreter der<br />
Katastrophenschutzbehörden und der Kommunen/Gemeinden in Betracht. In einer zentralen<br />
Veranstaltung sollen als Basismodul die Grundlagen der Hochwasserabwehr für Gemeinden<br />
und Katastrophenschutzbehörden vermittelt werden. Als Inhalte kommen hierfür rechtliche<br />
Grundlagen und Zuständigkeiten bei der Hochwasserabwehr, der Aufbau und die Erstellung<br />
von Gefährdungsanalysen, das Vorhersage- und Warnmanagement sowie die Ausarbeitung<br />
von Organisations-, Muster- und Alarm- und Einsatzplänen in Betracht. Aufbauend darauf<br />
soll in dezentralen Spezialausbildungen, die auf die jeweiligen Flusseinzugsgebiete<br />
zugeschnittenen sind, die Hochwasserabwehr an Flussgebietsmodulen geschult werden.<br />
Hierzu wäre vorstellbar in einem Workshop maßgeschneiderte Lösungen für Einzugsgebiete<br />
größerer Flüsse zusammen mit den zuständigen Gemeinden und<br />
Katastrophenschutzbehörde zu behandeln.<br />
Strategisch-operative Komponente<br />
Als Zielgruppe sind hierfür Vertreter von Katastrophenschutzbehörden und<br />
Wasserwirtschaftsämtern vorgesehen. In zwei zentralen und einer dezentralen Veranstaltung<br />
sollten das Hochwassermanagement und die Koordination von<br />
Hochwasserschutzmaßnahmen für Führungskräfte und Fachberater im Katastrophenschutz<br />
vermittelt werden. Denkbar wäre in einem Tagesmodul das Management im<br />
Hochwasserereignis und die Zusammenarbeit im Katastrophenfall zu simulieren und in<br />
einem Aufbaumodul anhand von Einsatzberichten und tatsächlichen Einsatzerfahrungen<br />
einen qualifizierten Erfahrungsaustausch anzuregen. Diese Aufbauschulung böte zudem<br />
Gelegenheit, Änderungen und Neuerungen zu vorausgegangenen Veranstaltungen<br />
darzustellen und die Erfahrungen im Rahmen einer Planübung zu überprüfen.<br />
Mit einer Standortschulung (dezentralen Veranstaltung) könnten die im jeweiligen<br />
Zuständigkeitsbereich existierenden Planungen zur Hochwasserabwehr anhand von<br />
Musterfällen und vorbereiteter Schadensszenarien in Form einer Stabsrahmenübung<br />
überprüft werden.<br />
Um auch die Besonderheiten von Berg- und Wildbächen sowie großen Flüssen<br />
berücksichtigen zu können, müssten unter der strategisch-operativen Komponente mit der<br />
gleichen Zielgruppe (Katastrophenschutzbehörden, Wasserwirtschaftsämter) zwei<br />
Spezialausbildungsmodule für Führungskräfte und Fachberater im Katastrophenschutz für
200<br />
das Hochwassermanagement im Bergland und an größeren Flüssen angeboten werden. Das<br />
Modul Bergland sollte dabei im Wesentlichen das besondere Management bei<br />
Hochwasserlagen im Bergland, die Problematik der Wildbäche, Hangrutsche und Muren<br />
behandeln und in Planübungen auf die damit zusammenhängenden besondere Probleme<br />
eingehen und Lösungsansätze aufzeigen. Überdies könnte dieses Spezialausbildungsmodul<br />
eine wertvolle Plattform für einen Erfahrungsaustausch der Beteiligten bieten.<br />
In dem Modul Hochwassermanagement für größere Flüsse könnte insbesondere das<br />
unterschiedliche Management für Hochwasserlagen an großen Flüssen und die geeigneten<br />
Deichverteidigungsmaßnahmen behandelt und zur Vertiefung des Wissens Planübungen<br />
durchgeführt werden. Auch dieses Modul würde sich hervorragend für einen umfassenden<br />
Erfahrungsaustausch eignen.<br />
Technisch-taktische Komponente<br />
Zielgruppe für diese Veranstaltung sind die Einsatzorganisationen wie Feuerwehren,<br />
Hilfsorganisationen, Technisches Hilfswerk, Bundeswehr sowie weitere Kräfte, die z.B. von<br />
der Gemeinde gestellt werden (gemeindliche Bauhöfe). In zentralen und dezentralen<br />
Veranstaltung könnten die technischen Grundlagen der Hochwasserabwehr und<br />
Deichverteidigung, aber auch Sonderthemen, wie Objektschutz, Schadensbeseitigung,<br />
Einsatz von Hilfsgeräten und das besondere Thema Menschenrettung, Rettung aus<br />
Gebäuden, Rettung und Anlanden von Brücken usw., behandelt werden.<br />
In dezentralen Veranstaltungen könnten insbesondere regionalbezogen die Themen für<br />
Wildbäche, Muren und Hangrutsch, aber auch größere Flussgebiete behandelt und für das<br />
Einzugsgebiet großer Flüsse die Arbeit mit mobilen Hochwasserschutzelementen und der<br />
Umgang mit Großgerät vermittelt werden.<br />
Zusammenfassung<br />
Durch den modularen Aufbau der Ausbildungen können Planungen und Vorbereitungen von<br />
Hochwasserschutzmaßnahmen angesprochen, aber auch die Organisation für einen<br />
erfolgreichen Hochwassereinsatz dargestellt sowie rechtliche Grundlagen und allgemein<br />
gültige Standards vermittelt werden. Dabei gewährleisten die geplanten dezentralen<br />
Veranstaltungen die Einbeziehung der regionalen und örtlichen Besonderheiten in die Aus-<br />
und Fortbildung. Als Plattform für einen umfassenden breit angelegten Erfahrungsaustausch<br />
könnten Informationen über neue Techniken vermittelt werden, was grundsätzlich zur<br />
weiteren Verbesserung der Hochwasserabwehr führen wird. Durch die Zusammensetzung<br />
der Lehrgänge, an denen sowohl Katastrophenschutzbehörden wie Kommunalvertreter, aber<br />
auch Vertreter der Wasserwirtschaftsverwaltung teilnehmen, ist gewährleistet, dass sich die<br />
bei Hochwasser handelnden Personen bereits kennen gelernt haben; dies dürfte bei einem<br />
Hochwassereinsatz die erforderliche Zusammenarbeit sehr fördern.<br />
Die Hochwasser der letzten Jahre in Bayern haben nach einer Schätzung des Bayer.<br />
Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Schäden in<br />
Privathaushalten, Land- und Forstwirtschaft, kommunale und staatliche Infrastruktur,<br />
Gewässern und Wildbauten im Jahr 1999 in Höhe von 346 Mio. Euro, 2002 in Höhe von 188<br />
Mio. Euro und 2005 in Höhe von 189 Mio. Euro angerichtet. Die Kosten für den Aufbau und<br />
die Durchführung von Ausbildungsveranstaltungen dürften in der Relation zu diesen<br />
Schadenssummen verschwindend gering und im Interesse einer erfolgreichen
201<br />
Hochwasserverteidigung die sich auch in der Schadensbegrenzung widerspiegelt, gut<br />
angelegt sein.<br />
Das Ausbildungskonzept in Bayern ist im Aufbau. Wir hoffen aber dennoch, noch dieses Jahr<br />
mit den ersten Ausbildungsveranstaltungen beginnen zu können.<br />
Der Beitrag stützt sich auf Konzeptentwürfe von Herrn Rasp, Wasserwirtschaftsamt<br />
Traunstein, und Herrn Dr. Schwarz, Leiter der Staatlichen Feuerwehrschule Geretsried. Für<br />
die Überlassung der Unterlagen bedanke ich mich herzlich.<br />
Verfasser<br />
Bernd Zaayenga<br />
Bayerisches Staatsministerium des Innern<br />
Sachgebiet ID4<br />
Odeonsplatz 3<br />
80539 München<br />
Bernd.Zaayenga@stmi.bayern.de
202<br />
Bisher erschienene Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft der Technischen Universität München<br />
Nr. 1 Häusler, Erich: Energieumwandlung bei einem frei fallenden, kreisrunden Strahl in einem<br />
Wasserpolster, 1962, vergriffen<br />
Nr. 2 Spiekermann, Günter: Instabile Formen des Schußstrahles beim Abfluß unter Schützen<br />
und seine Kraftwirkungen auf die Schützenkonstruktion, 1962, vergriffen<br />
Nr. 3 Linder, Gaspar: Über die Gestaltung von Durchlaßausläufen, 1963, vergriffen<br />
Nr. 4 Knauss, Jost: Modellversuche über die Hochwasserentlastungsanlagen an kleinen<br />
Rückhaltespeichern in Südbayern, 1963, vergriffen<br />
Nr. 5 Mahida, Vijaysinh: Mechanismus der Schnellsandfiltration, 1964, vergriffen<br />
Nr. 6 Rothmund, Hermann: Energieumwandlung durch Strahlumlenkung in einer Toskammer,<br />
1966, vergriffen<br />
Nr. 7 Häusler, Erich: Luftsiphons für den pneumatischen Verschluß von<br />
Wassereinlauföffnungen, 1966, vergriffen<br />
Nr. 8 Seus, Günther J.: Die Anfangskavitation, 1966, vergriffen<br />
Nr. 9 Knauss, Jost: Schießender Abfluß in offenen Gerinnen mit fächerförmiger Verengung,<br />
1967, vergriffen<br />
Nr. 10 Häusler, Erich; Bormann, Klaus: Schießender bzw.strömender Abfluß in Bächen<br />
Schultz, Gert A.: Die Anwendung von Computer-Programmen für das Unit-Hydrograph-<br />
Verfahren am Beispiel der Iller<br />
Bauch, Wolfram: Untersuchungen über Wasserstandsvorhersagen an einem 600 m langen<br />
Modell der Donaustrecke Regensburg-Straubing, 1967, vergriffen<br />
Nr. 11 Schultz, Gert A.: Bestimmung theoretischer Abflußganglinien durch elektronische<br />
Berechnung von Niederschlagskonzentration und Retention (Hyreun-Verfahren), 1968,<br />
vergriffen<br />
Nr. 12 Raumer, Friedrich von: Verteilung von Bewässerungswasser in Kanälen - Eine<br />
Systematik großer Kanalsysteme zur Verteilung von Bewässerungswasser unter besonderer<br />
Berücksichtigung von Regulier- und Meßvorgängen, 1968, vergriffen<br />
Nr. 13 Bormann, Klaus: Der Abfluß in Schußrinnen unter Berücksichtigung der Luftaufnahme,<br />
1968<br />
Nr. 14 Scheuerlein, Helmut: Der Rauhgerinneabfluß, 1968, vergriffen<br />
Nr. 15 Koch, Kurt: Die gegenseitige Strahlablenkung auf horizontaler Sohle, 1968<br />
Nr. 16 Bauch, Wolfram: Die Hochwasserwelle im ungestauten und gestauten Fluß, 1968<br />
Nr. 17 Marr, Gerhard: Vergleich zweier Differenzenverfahren in einem mathematischen Modell<br />
zur Berechung von instationären Abflußvorgängen in Flüssen, 1970, vergriffen<br />
Nr. 18 Herbrand, Karl: Der räumliche Wechselsprung, 1970, vergriffen<br />
Nr. 19 Seus, Günther J.: Betrachtungen zur Kontinuitätsbedingung der Hydromechanik;<br />
Zielke, Werner: Zur linearen Theorie langer Wellen in Freispiegelgerinnen, 1971<br />
Nr. 20 Häusler, Erich: Entnahmetürme mit Luftsiphons, 1971, vergriffen<br />
Nr. 21 Herbrand, Karl: Das Tosbecken mit seitlicher Aufweitung, 1971<br />
Nr. 22 Knauss, Jost: Hydraulische Probleme beim Entwurf von Hochwasserentlastungsanlagen<br />
an großen und kleinen Staudämmen, 1971, vergriffen
203<br />
Nr. 23 Zielke, Werner: Brechnung der Frequenzganglinien und Eigenschwingungen von<br />
Rohrleitungssystemen<br />
Zielke, Werner; Wylie, E.Benjamin: Zwei Verfahren zur Berechnung instationärer<br />
Strömungen in Gasfernleitungen und Gasrohrnetzen, 1971<br />
Nr. 24 Knauss, Jost: Wirbel an Einläufen zu Wasserkraftanlagen, 1972, vergriffen<br />
Nr. 25 Kotoulas, Dimitrios: Die Wildbäche Süddeutschlands und Griechenlands, Teil 1, 1972,<br />
vergriffen<br />
Nr. 26 Keller, Andreas: Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Problem der<br />
modellmäßigen Behandlung von Strömungskavitation, 1973, vergriffen<br />
Nr. 27 Horn, Heinrich: Hochwasserabfluß in automatisch geregelten Staustufen, 1973<br />
Nr. 28 Bonasoundas, Markos: Strömungsvorgang und Kolkproblem am runden Brückenpfeiler,<br />
1973<br />
Nr. 29 Horn, Heinrich; Zielke, Werner: Das dynamische Verhalten von Flußstauhaltungen,<br />
1973<br />
Nr. 30 Uslu, Orhan: Dynamische Optimierung der Fließbeiwerte in mathematischen<br />
Flußmodellen und Berücksichtigung der Vorlandüberströmung - Eine Anwendung des<br />
Operations Research im theoretischen Flußbau, 1974<br />
Nr. 31 Kotoulas, Dimitrios: Die Wildbäche Süddeutschlands und Griechenlands, Teil 2, 1975,<br />
vergriffen<br />
Nr. 32 50 Jahre Versuchsanstalt Obernach<br />
Hartung, Fritz: Einführung: Was treiben eigentlich die Obernacher?<br />
Knauss, Jost: Strategien und Entscheidungshilfen beim Hochwasserschutz in Städten,<br />
dargestellt am Beispiel der Hochwasserfreilegung der Stadt Harburg an der Wörnitz<br />
Häusler, Erich: Abstürze und Stützschwellen in hydraulischer und konstruktiver<br />
Betrachtung (Mindestfallhöhen zur Erzielung einer genügenden hydraulischen<br />
Wirksamkeit)<br />
Seus, Günther J.; Hack, Hans-Peter: Erster Vergleich der Ergebnisse des physikalischen<br />
Modells in Obernach mit denen des neuen mathematischen Modells<br />
Uslu, Orhan; Schmitz, Gerd: Parameteridentifikation und Sensitivitätsanalyse bei<br />
mathematischen Modellen in der Hydrologie<br />
Keller, Andreas; Zielke, Werner: Veränderung des freien Gasgehaltes in turbulenten<br />
Rohrströmungen bei plötzlichen Druckabsenkungen<br />
Herbrand, Karl: Zusammenführung von Schußstrahlen. Zwei praktische Beispiele<br />
konstruktiver Lösungen aus Modellversuchen<br />
Zielke, Werner: Grenzen der deterministischen Betrachtungsweise in der<br />
Strömungsmechanik, 1976<br />
Nr. 33 Probleme der Arbeit des beratenden Ingenieurs in der Wasserwirtschaft der<br />
Entwicklungsländer. Symposium am 13.10.1976 in Wallgau<br />
Bauch, Wolfram: Besondere Probleme bei der Planung und Ausführung der<br />
Gesamtentwässerung Busan/Korea<br />
Bormann, Klaus: Wasserkraftstudie West Kamerun und Bau der Wasserkraftanlage<br />
Batang Agam, Indonesien, zwei Entwicklungshilfe-Projekte unter extremen Bedingungen<br />
Raumer, Friedrich von: Zielvorstellungen und Verwirklichung eines<br />
wasserwirtschaftlichen Mehrzweckprojektes in Ecuador<br />
Krombach, Jürgen: Der beratende Ingenieur in Entwicklungsländern gestern und heute:<br />
Berater, Kontrolleur, Entwicklungshelfer oder Geschäftsmann? (am Beispiel<br />
wasserwirtschaftlicher Projekte), 1977
204<br />
Nr. 34 50 Jahre Versuchsanstalt Obernach, Feierstunde am 14.10.1976 in Wallgau<br />
Hartung, Fritz: Die Wasserbauversuchsanstalt Obernach im Strom der Zeit<br />
Bischofsberger, Wolfgang: Laudatio für Professor Dr.-Ing. E. Mosonyi<br />
Mosonyi, Emil: Wasserbau, Technik oder Kunst? 1977<br />
Nr. 35 50 Jahre Versuchsanstalt Obernach,<br />
Ausleitungen aus geschiebeführenden Flüssen, Seminar am 15.10.1976 in Obernach<br />
Cecen, Kazim: Die Verhinderung des Geschiebeeinlaufes zu Wasserfassungsanlagen<br />
Midgley, D.C.: Abstraction of water from sediment-laden rivers in Southern Africa<br />
Jacobsen, J.C.: Geschiebefreie Triebwasserfassungen - Modellversuche am Beispiel des<br />
sogenannten Geschiebeabzuges<br />
Scheuerlein, Helmut: Die Bedeutung des wasserbaulichen Modellversuchs für die<br />
Gestaltung von Ausleitungen aus geschiebeführenden Flüssen, 1977<br />
Nr. 36 Hack, Hans-Peter: Lufteinzug in Fallschächten mit ringförmiger Strömung durch<br />
turbulente Diffusion, 1977<br />
Nr. 37 Csallner, Klausotto: Strömungstechnische und konstruktive Kriterien für die Wahl<br />
zwischen Druck- und Zugsegment als Wehrverschluß, 1978<br />
Nr. 38 Kanzow, Dietz: Ein Finites Element Modell zur Berechnung instationärer Abflüsse in<br />
Gerinnen und seine numerischen Eigenschaften, 1978<br />
Nr. 39 Keller, Andreas; Prasad, Rama: Der Einfluß der Vorgeschichte des Testwassers auf den<br />
Kavitationsbeginn an umströmten Körpern - Ein Beitrag zur Frage der Rolle der<br />
Kavitationskeime bei Strömungskavitation, 1978<br />
Nr. 40 Hartung, Fritz: 75 Jahre Nilstau bei Assuan - Entwicklung und Fehlentwicklung, 1979,<br />
vergriffen<br />
Nr. 41 Knauss, Jost: Flachgeneigte Abstürze, glatte und rauhe Sohlrampen<br />
Scheuerlein, Helmut: Wasserentnahme aus geschiebeführenden Flüssen<br />
Häusler, Erich: Unkonventionelle neuere Stauhaltungswehre an bayerischen Flüssen als<br />
gleichzeitige Sohlsicherungsbauwerke, 1979, vergriffen<br />
Nr. 42 Seus, Günther J.; Joeres, Erhard P.; Engelmann, Herbert M.: Lineare<br />
Entscheidungsregeln und stochastische Restriktionen bei Bemessung und Betrieb von<br />
Speichern, 1979, vergriffen<br />
Nr. 43 Meier, Rupert C.: Analyse und Vorhersage von Trockenwetterabflüssen - Eine<br />
Anwendung der Systemhydrologie, 1980, vergriffen<br />
Nr. 44 Treske, Arnold: Experimentelle Überprüfung numerischer Berechnungsverfahren von<br />
Hochwasserwellen, 1980, vergriffen<br />
Nr. 45 Csallner, Klausotto; Häusler, Erich: Abflußinduzierte Schwingungen an Zugsegmenten -<br />
Ursachen, Sanierung und allgemeine Folgerungen<br />
Herbrand, Karl; Renner, Dietrich: Aufnahme und Wiedergabe der Bewegung von<br />
Schwimmkörpern mit einem Video-Meßsystem<br />
Keller, Andreas: Messungen des Kavitationskeimspektrums im Nachstrom eines Schiffes<br />
- die ersten Großausführungsmessungen mit der Laser-Streulichtmethode<br />
Knauss, Jost: Neuere Beispiele für Blocksteinrampen an Flachlandflüssen<br />
Scheuerlein, Helmut: Der gelbe Fluß - nach wie vor Chinas Sorge oder die<br />
Unerbittlichkeit der Natur gegenüber 4000 Jahren menschlicher Bemühungen<br />
Seus, Günther J.: Nochmals: Das Muskingum-Verfahren. Fingerübungen zu einem<br />
bekannten Thema als "gradus ad parnassum" sowie neue Gedanken zur Interpretation des<br />
Anwendungsbereiches und eine Lösung des Problems der Nebenflüsse<br />
Treske, Arnold: Hochwasserentlastung an Dämmen. Zwei konstruktiv ähnliche Lösungen<br />
im Modellversuch, 1981, vergriffen
205<br />
Nr. 46 Schmitz, Gerd: Instationäre Eichung mathematischer Hochwasserablauf-Modelle auf der<br />
Grundlage einesneuen Lösungsprinzips für hyperbolische Differentialgleichungs-Systeme,<br />
1981, vergriffen<br />
Nr. 47 Scheuerlein, Helmut: Der wasserbauliche Modellversuch als Hilfsmittel bei der<br />
Bewältigung von Verlandungsproblemen in Flüssen<br />
Knauss, Jost: Rundkronige und breitkronige Wehre, hydraulischer Entwurf und bauliche<br />
Gestaltung<br />
Keller, Andreas: Maßstabseffekte bei der Anfangskavitation, 1983, vergriffen<br />
Nr. 48 Renner, Dietrich: Schiffahrtstechnische Modellversuche für Binnenwasserstraßen - Ein<br />
neues System und neue Auswertungsmöglichkeiten, 1984, vergriffen<br />
Nr. 49 Sonderheft: Erhaltung und Umbau alter Wehre (Wasserbau im historischen Ensemble,<br />
drei Beispiele aus dem Hochwasserschutz bayerischer Städte), 1984, vergriffen<br />
Nr. 50 Knauss, Jost; Heinrich, B.; Kalcyk, H.: Die Wasserbauten der Minyer in der Kopais - die<br />
älteste Flußregulierung Europas, 1984, vergriffen<br />
Nr. 51 Hartung, Fritz; Ertl, Walter; Herbrand, Karl: Das Donaumodell Straubing als Hilfe für<br />
die Planung und Bauausführung der Staustufe Straubing, 1984<br />
Nr. 52 Hahn, Ulrich: Lufteintrag, Lufttransport und Entmischungsvorgang nach einem<br />
Wechselsprung in flachgeneigten, geschlossenen Rechteckgerinnen, 1985<br />
Nr. 53 Bergmann, Norbert: Entwicklung eines Verfahrens zur Messung und Auswertung von<br />
Strömungsfeldern am wasserbaulichen Modell, 1985<br />
Nr. 54 Schwarz, Jürgen: Druckstollen und Druckschächte - Bemessung und Konstruktion, 1985,<br />
vergriffen<br />
Nr. 55 Schwarz, Jürgen: Berechnung von Druckstollen - Entwicklung und Anwendung eines<br />
mathematischen Modells und Ermittlung der felsmechanischen Parameter, 1987<br />
Nr. 56 Seus, Günther J.; Edenhofer, Johann; Czirwitzky, Hans-Joachim; Kiefer, Ernst-<br />
Martin; Schmitz, Gerd; Zunic, Franz: Ein HN-Modellsystem für zweidimensionale,<br />
stationäre und instationäre Strömungen beim Hochwasserschutz von Städten und<br />
Siedlungen, 1987<br />
Nr. 57 Knauss, Jost: Die Melioration des Kopaisbeckens durch die Minyer im 2. Jt.v.Chr. –<br />
Kopais 2 - Wasserbau und Siedlungsbedingungen im Altertum, 1987<br />
Nr. 58 Mtalo, Felix: Geschiebeabzug aus Kanälen mit Hilfe von Wirbelröhren, 1988<br />
Nr. 59 Yalin, M. Selim; Scheuerlein, Helmut: Friction factors in alluvial rivers<br />
Yalin, M. Selim: On the formation mechanism of dunes and ripples<br />
Keller, Andreas: Cavitation investigations at one family of NACA-hydrofoils at different<br />
angles of attack, as a contribution to the clarification of scale effects at cavitation inception,<br />
1988<br />
Nr. 60 Schmitz, Gerd H.: Strömungsvorgänge auf der Oberfläche und im Bodeninneren beim<br />
Bewässerungslandbau. Grundlagen, Kritik der herkömmlichen Praxis und neue<br />
hydrodynamisch-analytische Modelle zur Oberflächenbewässerung, 1989<br />
Nr. 61 Muckenthaler, Peter: Hydraulische Sicherheit von Staudämmen, 1989, vergriffen<br />
Nr. 62 Kalenda, Reinhard: Zur Quantifizierung der hydraulischen Versagenswahrscheinlichkeit<br />
beweglicher Wehre, 1990<br />
Nr. 63 Knauss, Jost: Kopais 3, Wasserbau und Geschichte, Minysche Epoche - Bayerische Zeit<br />
(vier Jahrhunderte - ein Jahrzehnt), 1990<br />
Nr. 64 Kiefer, Ernst-Martin; Liedl, Rudolf; Schmitz Gerd H.; Seus Günther J.: Konservative<br />
Strömungsmodelle auf der Basis krummliniger Koordinaten unter besonderer<br />
Berücksichtigung von Wasserbewegungen im ungesättigt-gesättigten Boden, 1990
206<br />
Nr. 65 Hartung, Fritz: Der ägyptische Nil 190 Jahre im Spiel der Politik (1798-1988)<br />
Hartung, Fritz: Gedanken zur Problematik der Nilwehre<br />
Döscher, Hans-Dieter; Hartung, Fritz: Kritische Betrachtungen zum Stützwehr im<br />
Toschka-Entlastungsgerinne des Assuan-Hochdammes, 1991<br />
Nr. 66 Schmitz, Gerd H.; Seus, Günther J.; Liedl, Rudolf: Ein semi-analytisches<br />
Infiltrationsmodell für Füllung und Entleerung von Erdkanälen<br />
Keller, Andreas P.: Chinese-German comparative cavitation tests in different test facilities<br />
on models of interest for hydraulic civil engineering, 1991<br />
Nr. 67 Liedl, Rudolf: Funktionaldifferentialgleichungen zur Beschreibung von<br />
Wasserbewegungen in Böden natürlicher Variabilität - Beiträge zur Theorie und<br />
Entwicklung eines numerischen Lösungsverfahrens, 1991<br />
Nr. 68 Zunic, Franz: Gezielte Vermaschung bestehender Kanalisationssysteme - Methodische<br />
Studien zur Aktivierung freier Rückhalteräume unter besonderer Berücksichtigung der<br />
Abflusssteuerung, 1991<br />
Nr. 69 Eickmann, Gerhard: Maßstabseffekte bei der beginnenden Kavitation - Ihre<br />
gesetzmäßige Erfassung unter Berücksichtigung der wesentlichen Einflußgrößen, 1991<br />
Nr. 70 Schmid, Reinhard: Das Tragverhalten von Erd- und Steinschüttdämmen mit<br />
Asphaltbeton-Kerndichtungen, 1991<br />
Nr. 71 Kiefer, Ernst-Martin: Hydrodynamisch-numerische Simulation der Wasserbewegung im<br />
ungesättigten und gesättigten Boden unter besonderer Berücksichtigung seiner natürlichen<br />
Variabilität, 1991<br />
Nr. 72 Strobl, Th.; Steffen, H.; Haug, W.; Geiseler, W.-D.: Kerndichtungen aus Asphaltbeton<br />
für Erd- und Steinschüttdämme, 1992<br />
Nr. 73 Symposium: Betrieb, Unterhalt und Modernisierung von Wasserbauten.<br />
Garmisch-Partenkirchen, 29. - 31. Oktober 1992<br />
Nr. 74 Heilmair, Thomas; Strobl, Theodor: Erfassung der sohlnahen Strömungen in<br />
Ausleitungsstrecken mit FST-Halbkugeln und Mikro-Flowmeter - ein Vergleich der<br />
Methoden, 1994<br />
Nr. 75 Godde, Dominik: Experimentelle Untersuchungen zur Anströmung von Rohrturbinen -<br />
Ein Beitrag zur Optimierung des Turbineneinlaufs, 1994<br />
Nr. 76 Knauss, Jost: Von der Oberen zur Unteren Isar<br />
Alte und neue Wasserbauten rund um die Benediktenwand. Bachumleitungen -<br />
Treibholzfänge - durchschwallte Rohre - eine besondere Entlastungsanlage<br />
Sohlensicherung an der Unteren Isar. Sohlstufenkonzept - Belegung der Sohle mit größeren<br />
Steinen in offener Anordnung, 1995<br />
Nr. 77 Knauss, Jost: Argolische Studien: Alte Straßen - alte Wasserbauten. Talsperre von<br />
Mykene; Flußumleitung von Tiryns; Hydra von Lerna; Küstenpass Anigraia, 1996<br />
Nr. 78 Aufleger, Markus: Ein Beitrag zur Auswertung von Erddruckmessungen in Staudämmen,<br />
1996<br />
Nr. 79 Heilmair, Thomas: Hydraulische und morphologische Kriterien bei der Beurteilung von<br />
Mindestabflüssen unter besonderer Berücksichtigung der sohlnahen<br />
Strömungsverhältnisse, 1997<br />
Nr. 80 Maile, Willibald: Bewertung von Fließgewässer-Biozönosen im Bereich von<br />
Ausleitungskraftwerken (Schwerpunkt Makrozoobenthos), 1997<br />
Nr. 81 Knauss, Jost: Olympische Studien: Herakles und der Stall des Augias. Kladeosmauer und<br />
Alpheiosdamm, die Hochwasserfreilegung von Alt-Olympia, 1998<br />
Nr. 82 Symposium: Planung und Realisierung im Wasserbau - Vergleich von<br />
Zielvorstellungen mit den Ergebnissen, Garmisch-Partenkirchen 15. – 17. Oktober 1998
207<br />
Nr. 83 Hauger, Stefan: Verkehrssteuerung auf Binnenwasserstraßen – Ein Beitrag zur<br />
Optimierung der Schleusungsreihenfolge in Stillwasserkanälen und staugeregelten Flüssen,<br />
1998<br />
Nr. 84 Herbrand, Karl: Schiffahrtstechnische Untersuchungen der Versuchsanstalt Obernach;<br />
Ein Rückblick auf ein traditionelles Untersuchungsgebiet der VAO, 1998<br />
Nr. 85 Hartlieb, Arnd: Offene Deckwerke – Eine naturnahe Methode zur Sohlstabilisierung<br />
eintiefungsgefährdeter Flußabschnitte, 1999<br />
Nr. 86 Spannring, Michael: Die Wirkung von Buhnen auf Strömung und Sohle eines<br />
Fließgewässers – Parameterstudie an einem numerischen Modell, 1999<br />
Nr. 87 Kleist, Frank: Die Systemdurchlässigkeit von Schmalwänden. Ein Beitrag zur Herstellung<br />
von Schmalwänden und zur Prognose der Systemdurchlässigkeit, 1999<br />
Nr. 88 Lang, Tobias: Geometrische Kriterien zur Gestaltung von Kraftwerkseinläufen.<br />
Experimentelle Untersuchungen an Rohr-S-Turbine und Durchströmturbine, 1999<br />
Nr. 89 Aufleger, Markus: Verteilte faseroptische Temperaturmessungen im Wasserbau, 2000<br />
Nr. 90 Knauss, Jost: Späthelladische Wasserbauten. Erkundungen zu wasserwirtschaftlichen<br />
Infrastrukturen der mykenischen Welt, 2001<br />
Nr. 91 Festschrift aus Anlass des 75-jährigen Bestehens der Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />
Wasserwirtschaft der Technischen Universität München in Obernach – Oskar v. Miller-<br />
Institut, 2001<br />
Nr. 92 Wildner, Harald: Injektion von porösem Massenbeton mit hydraulischen Bindemitteln,<br />
2002<br />
Nr. 93 Wildbach Naturversuche<br />
Loipersberger, Anton und Sadgorski, Constantin: Schwemmholz in Wildbächen –<br />
Problematik und Abhilfemaßnahmen; Geschiebeuntersuchungen; 1D und 2D<br />
Abflussmodelle in einem Wildbach<br />
Rimböck, Andreas: Naturversuch Seilnetzsperren zum Schwemmholzrückhalt in<br />
Wildbächen – Planung, Aufbau, Versuchsdurchführung und Ergebnisse<br />
Hübl, Johannes und Pichler, Andreas: Zur berührungslosen Erfassung der Fließtiefe und<br />
Fließgeschwindigkeit in einem Wildbachgerinne zum Zeitpunkt des Durchganges der<br />
Hochwasserwelle, 2002<br />
Nr. 94 Rimböck, Andreas: Schwemmholzrückhalt in Wildbächen – Grundlagen zu Planung und<br />
Berechnung von Seilnetzsperren, 2003<br />
Nr. 95 Nothhaft, Sabine: Die hydrodynamische Belastung von Störkörpern, 2003<br />
Nr. 96 Schmautz, Markus: Eigendynamische Aufweitung in einer geraden Gewässerstrecke –<br />
Entwicklung und Untersuchungen an einem numerischen Modell, 2003<br />
Nr. 97 Neuner, Johann: Ein Beitrag zur Bestimmung der horizontalen Sicherheitsabstände und<br />
Fahrrinnenbreiten für Wasserstraßen, 2004<br />
Nr. 98 Göhl, Christian: Bypasseinrichtungen zum Abstieg von Aalen an Wasserkraftanlagen,<br />
2004<br />
Nr. 99 Haimerl, Gerhard: Groundwater Recharge in Wadi Channels Downstream of Dams -<br />
Efficiency and Management Strategies, 2004<br />
Nr. 100 Symposium: Lebensraum Fluss – Hochwasserschutz, Wasserkraft, Ökologie<br />
Band 1; Wallgau, Oberbayern, 16. - 19. Juni 2004<br />
Nr. 101 Symposium: Lebensraum Fluss – Hochwasserschutz, Wasserkraft, Ökologie<br />
Band 2; Wallgau, Oberbayern, 16. - 19. Juni 2004<br />
Nr. 102 Huber, Richard: Geschwindigkeitsmaßstabseffekte bei der Kavitationserosion in der<br />
Scherschicht nach prismatischen Kavitatoren, 2004<br />
Nr. 103 Exposed Thermoplastic Geomembranes for Sealing of Water Conveyance Canals<br />
Guidelines for Design, Supply and Installation, 2005
208<br />
Nr. 104 Workshop „Anwendung und Grenzen physikalischer und numerischer Modelle im<br />
Wasserbau“. Wallgau, Oberbayern, 29. und 30. September 2005<br />
Nr. 105 Conrad, Marco: A contribution to the thermal stress behaviour of Roller-Compacted-<br />
Concrete (RCC) gravity dams – Field and numerical investigations, 2006<br />
Nr. 106 Patrick, Schäfer: Basic Research on Rehabilitation of Aged Free Flow Canals with<br />
Geomembranes, 2006<br />
Nr. 107 Fachtagung: Deichertüchtigung und Deichverteidigung in Bayern<br />
Wallgau, Oberbayern, 13. und 14. Juli 2006