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Deichertüchtigungsmaßnahmen - Ronald Haselsteiner

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Lehrstuhl und Versuchsanstalt<br />

für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

Fachtagung<br />

Deichertüchtigung und Deichverteidigung<br />

in Bayern<br />

Wallgau<br />

13./14. Juli 2006<br />

Veranstalter:<br />

Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft,<br />

Technische Universität München<br />

in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung


Technische Universität München<br />

Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

im Institut für Wasserwesen<br />

Arcisstraße 21<br />

D - 80290 München<br />

Tel.:089 / 289 23160<br />

Fax:089 / 289 23172<br />

E-Mail:wabau @ bv.tum.de<br />

Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

Oskar v. Miller - Institut<br />

Walchensee<br />

D - 82432 Obernach<br />

Tel.:08858 / 9203 0<br />

Fax:08858 / 9203 33<br />

E-Mail:obernach @ bv.tum.de<br />

ISSN 1437-3513<br />

Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt<br />

für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Th. Strobl<br />

Ordinarius für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

Druck und Einband: Meissnerdruck, Oberaudorf<br />

2


3<br />

Vorwort<br />

„Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.“<br />

(K. H. Popper, 1902 – 1994)<br />

Besonders zur Vermeidung von Schäden durch Hochwasser ist der Dialog lebenswichtig. Er<br />

muss stattfinden zwischen der Wissenschaft der Universitäten, den Möglichkeiten und<br />

Erfahrungen der Behörden, Planungsbüros und Baufirmen, den betroffenen Bürgern und<br />

Kommunen. Dabei müssen Synergien genutzt und die verfügbaren Ressourcen zur<br />

Verbesserung der Hochwassersicherheit, also auch zur Ertüchtigung von Deichen, optimal<br />

eingesetzt werden. Besonders wichtig erscheint der Dialog zwischen dem Katastrophenschutz<br />

und den Ingenieuren mit dem entsprechenden Fachwissen in Wasserbau und Geotechnik zu<br />

sein, um im Ernstfall richtig und schnell zu handeln und somit Deiche effizient verteidigen zu<br />

können.<br />

Nicht immer scheint die Bereitschaft zum Dialog vorhanden zu sein. Vielleicht sind die in<br />

letzter Zeit von der Mehrzahl der Bundesländer eigenständig erarbeiteten Richtlinien,<br />

Merkblätter, Hinweise zur Hochwasserabwehr und Deichverteidigung ein Zeichen dafür, dass<br />

die Dialogbereitschaft noch nicht einmal so weit ist, um Ländergrenzen zu überwinden. Trotz<br />

bundesweiter Fachverbände, wie z. B. dem DWA und DGGT und Vereinigungen wie der<br />

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), unter deren Federführung zahlreiche technische<br />

Werke für die länderübergreifende, bundesweiten Anwendung veröffentlicht wurden und<br />

werden, haben die Länder hier mögliche Synergieeffekte nicht genutzt und im möglicherweise<br />

auf wertvolle Erfahrungen anderer Bundesländer verzichtet.<br />

Aber es geht auch anders. Das in die Jahre gekommene Merkblatt „Flussdeiche“ des DWA<br />

(früher: DVWK) aus dem Jahre 1986 wird unter Beteiligung mehrerer Bundesländer, u. a.<br />

auch Bayerns, unter dem Dach des DWA überarbeitet. Das Merkblatt wird sich verstärkt mit<br />

Deichertüchtigung aber auch mit über die Verteidigung von Deichen hinaus reichenden<br />

Katastrophenschutz beschäftigen. Somit fließen die Erfahrungen der letzen 10 Jahre bei den<br />

letzten Hochwasserereignissen in den Einzugsgebieten der Flüsse Rhein, Elbe und Donau<br />

zwischen den Jahren 1995 und 2005 direkt ein.<br />

Mit unserer Fachtagung „Deichertüchtigung und Deichverteidigung in Bayern“ möchten wir<br />

den Dialog anregen und Diskussionen führen, in denen konkurrierende Ansichten und<br />

fachliche Meinungsverschiedenheiten in einem freundschaftlichen Miteinander ausgetragen<br />

werden können. Neben dem fachlichen Austausch soll eine solche Veranstaltung natürlich<br />

ausreichend Platz bieten, um den Teilnehmern zu ermöglichen, sich näher kennen zu lernen.<br />

Für die jahrelange Unterstützung und die zahlreichen Beiträge aus der bayerischen<br />

Wasserwirtschaftsverwaltung möchten wir uns herzlich bedanken.<br />

München, Juli 2006 Theodor Strobl<br />

Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />

Wasserwirtschaft


4<br />

Grußwort<br />

Sichere Deiche als Bausteine eines integralen Hochwasserschutzes.<br />

Die Bilder der letzten Hochwasserereignisse und vor allem die ausgedehnten<br />

Wasserlandschaften dach Deichbrüchen bleiben im Gedächtnis. “Seltene<br />

Hochwasserereignisse“ häufen sich, gleichzeitig ist das Sicherheitsbedürfnis der Bürger, aber<br />

auch das Schadenspotential in Überschwemmungsgebieten gestiegen. Zur Bewältigung der<br />

Hochwassergefahren ist ein effektives Risikomanagement erforderlich, das integrale<br />

Schutzsysteme, wie sie im Bayerischen Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020<br />

vorgesehen sind, einschließt.<br />

Eine der ältesten Methoden des Hochwasserschutzes ist der Bau von Deichen. Deiche sind<br />

neben Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken die wichtigsten<br />

Hochwasserschutzanlagen – entlang der größeren Gewässer in Bayern gibt es mehr als 1.200<br />

km Hochwasserschutzdeiche in der Unterhaltungslast des Freistaates Bayern, dazu kommen<br />

in gleicher Größenordnung Deiche von Kraftwerksbetreibern. Ein Versagen bestehender<br />

Deiche stellt eine besondere Gefahr dar, im Mittelpunkt des seit 1997 laufenden, 2004<br />

fortgeschriebenen Deichsanierungsprogramms steht daher die Sicherstellung der<br />

Standsicherheit von Deichen im Hochwasserfall.<br />

Die Daseinsvorsorge des Staates für die durch Überflutung bedrohte Bevölkerung beschränkt<br />

sich aber nicht allein auf den Bau- und die Unterhaltungstätigkeiten: Die Entwicklung von<br />

neuartigen Verfahren und Bauweisen zur Stabilisierung und Abdichtung von Deichen wird<br />

durch den Staat unterstützt. Außerdem ist die Quantifizierung und Kommunikation des<br />

Hochwasserrisikos zentraler Bestandteil staatlicher Risikovorsorge. Die Betrachtung der<br />

Versagenswahrscheinlichkeiten von Hochwasserschutzanlagen und die Abschätzung von<br />

Folgeschäden bei Versagen unter der Berücksichtigung der vorhandenen Vermögenswerte<br />

gewinnen an Bedeutung.<br />

Die Pflicht der von Hochwasser- und Eisgefahr bedrohten Gemeinden und Städten ist es, eine<br />

Dammwehr einzurichten. Bei diesen verantwortungsvollen Aufgaben werden die Gemeinden<br />

nicht sich selbst überlassen. Eine erfolgreiche Gefahrenabwehr und Deichverteidigung<br />

erfordert viel mehr den koordinierten Einsatz aller Beteiligten: Der Kommunen, Landkreise,<br />

Katastropheneinsatzkräfte, Wasserwirtschaftsverwaltungen sowie der Wasserunternehmen.<br />

Damit das funktioniert, sind eine umfassende Risikokommunikation und die fortwährende<br />

Optimierung der Hochwasserschutzstrategie und –techniken notwendig.<br />

Das Thema der Fachtagung ist hochaktuell, die Interdisziplinarität der Referenten erfreulich<br />

und auch notwendig. Ich wünsche der Veranstaltung einen guten Verlauf und hoffe, dass ein<br />

reger Gedankenaustausch während und nach der Veranstaltung beiträgt, die Sicherheit der<br />

Bevölkerung vor Hochwassergefahren zu erhöhen.<br />

München, Juli 2006 Dipl.-Ing. Martin Grambow<br />

Ltd. Ministerialrat, Leiter Abteilung Wasserwirtschaft, StMUGV


Theodor Strobl<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort .............................................................................................................................................. 3<br />

Martin Grambow<br />

Grußwort ........................................................................................................................................... 4<br />

Deichertüchtigung, 13. Juli 2006<br />

Alexander Neumann<br />

Deichnachrüstungsprogramm – Teil des Aktionsprogramms 2020 zum Hochwasserschutz<br />

............................................................................................................................................................ 8<br />

<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />

Deichertüchtigung in Bayern – Eine Übersicht ......................................................................... 13<br />

Herbert Weiß<br />

Bemessung von Deichen – Lastfälle, geotechnische Fragestellungen ................................ 29<br />

Franz Rasp<br />

Rechtliche Aspekte bei der Deichertüchtigung ......................................................................... 42<br />

Georg Heerten & Katja Werth<br />

Anwendung von Geokunststoffen bei der Deichertüchtigung ................................................ 47<br />

Sebastian Perzlmaier & <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />

Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation<br />

.......................................................................................................................................................... 57<br />

<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong> & Sebastian Perzlmaier<br />

Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation<br />

in Deichen – Praktische Beispiele............................................................................................... 75<br />

Walter Binder & Wolfgang Gröbmaier<br />

Unterhaltung von Deichen – Bewuchs und Wühltiere ............................................................. 91<br />

Dirk Heyer & Christian Schmutterer<br />

Dichtungssysteme in Deichen ..................................................................................................... 94


Johannes Plank<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Einsatz von geosynthetischen Tondichtungsbahnen. 102<br />

Uwe Kleber-Lerchbaumer<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Verwendung natürlicher Böden..................................... 107<br />

Jens Breitenstein<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz von Spundwänden............................................ 116<br />

Stephan Kirner<br />

Deichertüchtigung im Rahmen des Isar-Planes – Praktischer Einsatz des MIP-Verfahrens<br />

........................................................................................................................................................ 122<br />

Patrick Menk<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz des FMI-Verfahrens ......................................... 129<br />

Harald Wildner<br />

Leitungen in Deichen .................................................................................................................. 136<br />

Deichverteidigung & Katastrophenschutz, 14. Juli 2006<br />

Roland Wach<br />

Hinweise zur Deichverteidigung – Eine Übersicht.................................................................. 141<br />

Markus Hannweber<br />

Hochwasser 1999, 2002 und 2005 – Hydrologie und Ablauf ............................................... 148<br />

Anton Kölbl<br />

Erfahrungen bei der Deichverteidigung in Eschenlohe während der Hochwasser 1999,<br />

2002 und 2005 ............................................................................................................................. 158<br />

Georg Loy<br />

Erfahrung eines Wasserkraftbetreibers beim Katastrophenschutz während der letzten<br />

Hochwasserereignisse................................................................................................................ 165<br />

Hubert Faltermeier<br />

Erfahrungen im Rahmen des Katastrophenschutzes während des Pfingsthochwassers<br />

1999 im Landkreis Kelheim........................................................................................................ 175<br />

6


Frank Kleist & Wunibald Koppenhofer<br />

Hochwassereinsatzplan Ingolstadt – Veranlassung, Randbedingungen und Erfahrungen<br />

........................................................................................................................................................ 181<br />

Gregor Overhoff<br />

„Erfahrungen bei der Verteidigung der Deiche an der Isar während des Hochwassers<br />

2005“ ............................................................................................................................................. 187<br />

Armin Schaupp<br />

Hochwasser an der Iller 2005 – Bewährungsprobe der gewählten Bauweisen ............... 195<br />

Bernd Zaayenga<br />

Planungen für ein gemeinsames Ausbildungskonzept Hochwasser in Bayern................. 198<br />

7


Deichnachrüstungsprogramm – Teil des<br />

Aktionsprogramms 2020 zum Hochwasserschutz<br />

Kurzfassung<br />

8<br />

Alexander Neumann<br />

Für die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung hatte das Thema Hochwasserschutz<br />

schon immer einen besonders hohen Stellenwert. Häufig auftretende Hochwasser mit<br />

teilweise großen Schäden unterstrichen regelmäßig die Bedeutung dieser Aufgabe und<br />

die Notwendigkeit effektiver Schutzstrategien. Nach dem Pfingsthochwasser 1999 wurde<br />

das Aktionsprogramm 2020 mit einem Gesamtvolumen von insgesamt 2,3 Milliarden Euro<br />

aufgestellt. Es umfasst die drei Handlungsfelder, natürlicher Rückhalt, technischer<br />

Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge. Wesentlicher Baustein im Handlungsfeld<br />

technischer Hochwasserschutz ist das Deichnachrüstungsprogramm. Bestehende Deiche<br />

werden systematisch erfasst und vier verschiedenen Dringlichkeitsstufen zugeordnet.<br />

Dementsprechend werden die Schwerpunkte bei der Sanierung gesetzt.<br />

1 Aktionsprogramm 2020 zum Hochwasserschutz<br />

Das Pfingsthochwasser 1999 hat deutlich gemacht, dass an dem bereits seit längerem<br />

verfolgten integralen Strategiekonzept zum Hochwasserschutz in Bayern auch zukünftig<br />

festgehalten werden muss. Die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung hat deshalb zur<br />

konkreten Umsetzung das Programm "Nachhaltiger Hochwasserschutz in Bayern<br />

Aktionsprogramm 2020 für Donau- und Maingebiet" aufgestellt. Mit diesem Programm<br />

werden fachliche Ziele vorgegeben, alle Einzelaktivitäten an den Gewässern<br />

verschiedener Gewässerordnungen und verschiedener Projektträger zielgerichtet<br />

zusammengeführt und die daraus abzuleitenden Kosten bei einem Zeithorizont von 20<br />

Jahren aufgezeigt.<br />

Das Programm setzt sich aus drei Handlungsfeldern zusammen:<br />

• Natürlicher Rückhalt<br />

Technischer Hochwasserschutz<br />

Hochwasservorsorge<br />

Diese drei Komponenten, kombiniert angewendet, bilden die Grundlage für den langfristig<br />

tragfähigen und zukunftsweisenden Hochwasserschutz in Bayern.


Abb. 1: Die drei Handlungsfelder des Aktionsprogramms 2020<br />

1.1 Natürlicher Rückhalt<br />

Wasserrückhaltung in der Fläche – also im gesamten Einzugsgebiet, in den Auen und im<br />

Gewässer selbst – ist ein allgemeines Ziel der Wasserwirtschaft, das über den Zweck des<br />

Hochwasserschutzes weit hinausreicht. Es dient neben der Abflussvergleichmäßigung<br />

und Dämpfung der Hochwasserspitzen der Vitalität der Gewässerökosysteme und fördert<br />

die Grundwasserneubildung. Die grundsätzlichen Ziele hierzu sind im<br />

Landesentwicklungsprogramm Bayern verankert, konkrete Teilziele und entsprechende<br />

Maßnahmen sind im Aktionsprogramm 2020 formuliert.<br />

Maßnahmen sind zum Beispiel:<br />

Gewässerentwicklung und –renaturierung<br />

Deichrückverlegung<br />

9<br />

Schwerpunktprogramm: „Aktiver Wasserrückhalt in der Fläche“<br />

1.2 Technischer Hochwasserschutz<br />

Neben der Wasserrückhaltung in der Fläche müssen bebaute Gebiete und wichtige<br />

Infrastruktureinrichtungen durch technische Anlagen wie Deiche, Mauern, Flutmulden,<br />

Rückhaltebecken und Talsperren geschützt werden. Als Maßstab für die Bemessung von<br />

technischen Hochwasserschutzanlagen in Bayern wird grundsätzlich ein<br />

Hochwasserereignis zugrunde gelegt, das statistisch durchschnittlich alle 100 Jahre<br />

erreicht wird (HQ100). Das HQ100 stellt eine in der Praxis bewährte Bemessungsgrundlage<br />

dar, von der nur in besonderen Fällen nach oben oder unten abgewichen wird.<br />

Maßnahmen sind zum Beispiel:<br />

Hochwasserspeicher<br />

Gesteuerte Flutpolder


10<br />

Schutz von Städten und Gemeinden (Neubau)<br />

Wildbachverbauung<br />

Deichnachrüstungsprogramm<br />

1.3 Hochwasservorsorge<br />

Die Hochwasservorsorge zielt darauf ab, das trotz aller Maßnahmen zu natürlichem<br />

Rückhalt und technischem Hochwasserschutz verbleibende Schadenspotential zur<br />

verringern. Maßnahmen sind zum Beispiel:<br />

Ermittlung und Festsetzung von Überschwemmungsgebieten<br />

Ausweisung von Vorranggebieten<br />

Entwicklungsvorhaben Hochwasservorhersage<br />

2 Deichnachrüstungsprogramm<br />

Das Deichnachrüstungsprogramm ist ein wesentlicher Teil des Handlungsfeldes<br />

„Technischer Hochwasserschutz“ des Aktionsprogramms 2020. Es ergänzt das 1988<br />

aufgestellte Programm zur Sicherung und Ergänzung des Hochwasserschutzes an der<br />

Donau. Bis Ende 2004 wurden die Deiche Bayernweit entsprechend ihrer<br />

Sanierungspriorität erfasst mit dem Ziel, den Finanzbedarf zur Deichsanierung zu<br />

ermitteln.<br />

Dabei wurden die Deiche in vier Prioritätsstufen eingeteilt:<br />

• Priorität 1: kurzfristiger Handlungsbedarf<br />

• Priorität 2: mittelfristiger Handlungsbedarf<br />

• Priorität 3: langfristiger Handlungsbedarf<br />

• Priorität 0: kein Handlungsbedarf bzw. überwiegend Planungs- und<br />

Untersuchungsaufwand<br />

Die Prioritätsstufen waren jedoch nicht exakt definiert. Um den Mitteleinsatz<br />

zielgerichteter vorzunehmen, waren einheitliche Bewertungskriterien erforderlich.<br />

Ende 2004 wurde daher die seit 1999 durchgeführte jährliche Erhebung zu Deichen und<br />

Anlagen in der Unterhaltungslast des Freistaats Bayern geändert. Eine wesentliche<br />

Änderung war die neue Einstufung nach der Dringlichkeit einer eventuellen Sanierung<br />

bzw. Neubau mit Festlegung der Einstufungskriterien:<br />

Nunmehr werden die Deiche folgenden Dringlichkeitsstufen zugeordnet:<br />

Dringlichkeitsstufe A<br />

• Der Deichabschnitt ist bei einer Belastung durch sein Bemessungshochwasser<br />

nicht standsicher (d.h. bei einem planmäßigen Einstau mit dem<br />

Bemessungshochwasser besteht Deichbruchgefahr mit einer Gefährdung von<br />

besiedelten Gebieten), oder


11<br />

• der Deichabschnitt soll in den nächsten 2 Jahren saniert werden<br />

(Voraussetzungen sind dafür rechtzeitig erfüllt; z.B. Planung, Rechtsverfahren,<br />

Grunderwerb usw.), oder<br />

• der Deich entspricht nicht dem angestrebten HW-Schutzgrad und ist im<br />

Zusammenhang mit benachbarten Hochwasserschutzeinrichtungen zu sanieren,<br />

um evtl. Lücken im Hochwasserschutz zu schließen (z.B. oberhalb und unterhalb<br />

des betrachteten Abschnitts besteht höchste Dringlichkeitsstufe)<br />

Dringlichkeitsstufe B<br />

• Der Deichabschnitt ist nach Einschätzung des WWA standsicher, aber<br />

• der Deichabschnitt erfüllt nicht in allen Punkten die allgemein anerkannten Regeln<br />

der Technik (a.a.R.d.T.); es sind größere Ertüchtigungsmaßnahmen notwendig<br />

(z.B. Hinterwege für die Deichverteidigung, Abdichtungsmaßnahmen, Abflachung<br />

der Böschungen, Deichrückverlegung usw.), die nicht im Rahmen des<br />

Bauunterhalts durchgeführt werden können, oder<br />

• Deiche mit Sanierungsbedarf, die nicht in die Dringlichkeitsstufen A, U oder 0<br />

fallen.<br />

Dringlichkeitsstufe U (Untersuchung-/Planungsaufwand)<br />

• Der Deichabschnitt entspricht (vermutlich) noch nicht den a.a.R.d.T., die<br />

Grundlagen zur Beurteilung der Deichsicherheit sind lückenhaft, z.B.<br />

• Geometrie/Aufbau von Deich und Untergrund sind nicht / nur unvoll-ständig<br />

bekannt<br />

• (weitere) Untersuchungen zur Beurteilung sind notwendig (z.B. Befliegung,<br />

hydraulische Auswertung, Bohr-/Rammsondierungen usw.).<br />

• Das Bemessungshochwasser für den zu betrachtenden Dammabschnitt ist nicht<br />

bekannt / nicht nachgewiesen.<br />

• Der Deichabschnitt entspricht noch nicht den a.a.R.d.T; es sind Mängel<br />

vorhanden, die noch weiter untersucht werden müssen.<br />

Dringlichkeitsstufe 0<br />

• Der Deichabschnitt entspricht den a.a.R.d.T. und<br />

• die Deichsicherheit kann mit regulärem Bauunterhalt langfristig gewährleistet<br />

werden.<br />

Die erstmalige Auswertung der nach dem neuen Schema erfassten Daten (Datenstand<br />

31.12.2004) zeigt nach wie vor einen hohen Sanierungsbedarf. Von insgesamt rund<br />

1200 km Deichen an Gewässern 1. Ordnung in der Unterhaltungslast des Freistaats<br />

Bayern müssen allein in Dringlichkeitsstufe A noch rund 200 km Deiche mit einem<br />

Kostenaufwand von rund 154 Mio. € saniert werden.<br />

Auch im Hinblick auf Haftungsfragen müssen vorhandene Deiche, die nicht den Regeln<br />

der Technik entsprechen vorrangig saniert werden. Diese vom StMUGV vorgeschlagene


Schwerpunktssetzung war auch Gegenstand der Ministerratsbehandlung vom 17.01.2006<br />

und wurde dort zustimmend zur Kenntnis genommen.<br />

12<br />

Abb. 2: Deichsanierung mit MIP-Verfahren an der Oberen Iller<br />

Literatur<br />

NEUMANN, A. (2002): Jahresbericht der Wasserwirtschaft – Bayern<br />

ROGOWSKY, W.-D. (2006): Schwerpunktsetzung bei der Deichsanierung<br />

OVERHOFF, G. (2006): Priorisierung von Maßnahmen an Gewässern 1. Ordnung<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Alexander Neumann<br />

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz<br />

Abteilung 5: Wasserwirtschaft (55g)<br />

Rosenkavalierplatz 2<br />

81925 München<br />

alexander.neumann@stmugv.bayern.de


Kurzfassung<br />

13<br />

Deichertüchtigung in Bayern – Eine Übersicht<br />

<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />

Folgende Ausführungen zeigen die Spannweite sowohl der auftretenden<br />

Randbedingungen als auch der möglichen technischen Baumaßnahmen zur Ertüchtigung<br />

von Deichen auf. Hierzu werden einige Aspekte zur Feststellung des<br />

Ertüchtigungsbedarfes und Festlegung der Ertüchtigungsdringlichkeit behandelt, sowie<br />

wesentliche Grundsätze der konzeptionellen Ausführung. Die dargelegten Erkenntnisse<br />

sind das Ergebnis des von der bayrischen Wasserwirtschaftsverwaltung geförderten<br />

Forschungs- und Entwicklungsvorhabens „Deichsanierung“, das in den Jahren 2003 bis<br />

2005 am Lehrstuhl und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der<br />

Technischen Universität bearbeitet wurde (HASELSTEINER U. STROBL 2005).<br />

1 Einleitung<br />

In Bayern wurde zur Verbesserung des Hochwasserschutzes das Aktionsprogramm 2020<br />

ins Leben gerufen, im Zuge dessen auch Deichertüchtigung in großem Umfang betrieben<br />

werden soll (STMLU BY 2002). Da die Ertüchtigung von Hochwasserschutzdeichen nach<br />

den großen Hochwasserereignissen 1988, 1999, 2002 und 2005 in Bayern wieder in den<br />

Fokus des technischen Hochwasserschutzes gerückt ist, gilt es, über die bestehenden<br />

technischen Regelwerke hinaus den Behörden, Planern und Baufirmen Hinweise und<br />

Empfehlungen an die Hand zu geben, um wirtschaftlich und sicher gefährdete<br />

Deichstrecken den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) anzupassen.<br />

Dies wird u. A. mit der derzeitigen Überarbeitung des Merkblatts „Flussdeiche“ im DWA-<br />

Verband erfolgen.<br />

Den Stellenwert, den Hochwasserschutzdeiche an Fließgewässern einnehmen, kann man<br />

auch an der Tatsache festmachen, dass für sie neben den einschlägigen Normen für<br />

Wasser- und Erdbauten, eine eigene Norm, die DIN 19712/1997 „Flussdeiche“, existiert,<br />

die zurzeit überarbeitet wird. Eine analoge Behandlung basierend auf anderen Normen<br />

wie z. B. der DIN 19700 ist schwierig. Häufig ist es der Fall, dass auf DIN 19712/1997<br />

verwiesen wird, da einige Themenbereiche dort ausführlicher behandelt werden, wie z. B.<br />

Gehölze und Wühltiere auf und in Erdbauwerken oder auch die Querung von Leitungen<br />

durch Dammbauwerke. Die Ertüchtigung von Deichen wird in DIN 19712 nach Meinung<br />

des Verfassers nicht erschöpfend behandelt, da normative Regelwerke nie die ganze<br />

Spannweite von Fachthemen aufspannen können.<br />

2 Deichertüchtigung und ihre Notwendigkeit<br />

Ertüchtigung beinhaltet alle Maßnahmen, die eine Verbesserung des Ausgangszustandes<br />

bewirken. Deichertüchtigung umfasst sowohl die Instandsetzung und Sanierung eines<br />

Deiches als auch den Ausbau eines Deiches entsprechend den allgemein anerkannten<br />

Regeln der Technik sowie die Beseitigung geringer Schäden im Rahmen der<br />

Unterhaltung.


Deiche sollten so ertüchtigt werden, dass durch regelmäßige Unterhaltungsmaßnahmen<br />

das Bauwerk für die nächsten Generationen Bestand hat.<br />

Unter Berücksichtigung dieser Forderungen sind von Deichertüchtigungen zu<br />

unterscheiden:<br />

14<br />

• Notsicherungsmaßnahmen: Maßnahmen während des Hochwassers zur Abwehr<br />

einer unmittelbaren die Standsicherheit gefährdenden Gefahr<br />

• Sofortmaßnahmen: Maßnahmen, die ohne zwingend die Gesamtertüchtigung des<br />

Deiches im Auge zu haben, die Standsicherheit des Deiches auch in lokal<br />

begrenzten, standsicherheitsgefährdeten Bereichen erhöhen<br />

• Teilertüchtigungsmaßnahmen: Maßnahmen, die einen Teil einer oben definierten<br />

Deichertüchtigungsmaßnahme darstellen, um die Tragfähigkeit zu erhöhen oder<br />

die Gebrauchstauglichkeit herzustellen.<br />

• Vorwegmaßnahmen: Maßnahmen, die zeitnah, bereits zu einem früheren<br />

Zeitpunkt als abgeschlossene Baumaßnahme vorgezogen bzw. durchgeführt<br />

werden evtl. als Teilertüchtigungsmaßnahme.<br />

• Die Unterteilung einer Gesamtbaumaßnahme in Vorweg- oder<br />

Teilertüchtigungsmaßnahmen führen zwar i. d. R. zu einer Erhöhung der<br />

Gesamtkosten, bieten allerdings die Möglichkeit, mit begrenzten Finanzmitteln<br />

einen maximierten Nutzen, eine zu einem gewissen Grad ertüchtigte Deichstrecke,<br />

zu erzielen.<br />

Die Notwendigkeit einer Ertüchtigung resultiert i. d. R. aus unzureichender<br />

Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit, was in folgenden Punkten begründet sein<br />

kann:<br />

• veränderte hydrologische und hydraulische Randbedingungen<br />

• veränderter Schutzgrad des Hinterlandes<br />

• bauliche Veränderungen am und auf dem Deich<br />

• Veränderung der Eigenschaften des Deichkörpermaterials<br />

• Veränderung der Eigenschaften des Untergrundes<br />

• Auftreten von unkontrolliertem Bewuchses an und auf Deichen<br />

• Schäden am Deich<br />

3 Rahmenbedingungen<br />

Bei der Planung der Ausführung sind neben den bautechnischen und rechtlichen auch<br />

finanzierungs- und haushaltstechnische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Die<br />

Finanzierung von Maßnahmen und die Eingliederung der Mittelvergabe in<br />

Haushaltspläne, besonders der öffentlichen Hand, stellen häufig wichtige<br />

Rahmenbedingungen dar, die die Notwendigkeit der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen<br />

fordern und ggf. eine zeitliche Aufteilung in Einzelmaßnahmen nach sich ziehen.


15<br />

3.1 Bestehender Deich (Altdeich)<br />

Bestehende Deiche können in der Vergangenheit des Öfteren um- bzw. ausgebaut<br />

worden sein. Sie weisen i. d. R. einen willkürlichen und inhomogenen Aufbau auf, dessen<br />

tatsächliche Zusammensetzung auch durch intensive Erkundungsmaßnahmen nicht bis in<br />

Detail erfasst werden kann. Es ist zu entscheiden, wie der bestehende Deich in die<br />

Planung der Deichertüchtigung einbezogen werden kann oder ob er abgetragen und<br />

vollständig neu errichtet werden muss.<br />

3.2 Deichüberwachung und Deichverteidigung<br />

Den a.a.R.d.T. entsprechend sollte die Überwachung der Deiche im Hochwasserfall durch<br />

die Sicherstellung von Überwachungswegen auf Krone und/oder am landseitigen<br />

Deichfuß sichergestellt werden. Der Austritt von Sickerwasser aus dem Deich soll im<br />

unteren Drittel der landseitigen Böschung problemlos möglich sein. Zur Deichverteidigung<br />

sind Wege anzuordnen und entsprechend zu befestigen, um den Zugang zum Deich für<br />

Deichverteidigungsmannschaften und ggf. auch für Schwerlastverkehr zum Transport von<br />

Deichverteidigungsmitteln im Hochwasserfall sicherzustellen (vgl. LfW BY 2003).<br />

3.3 Unterhaltung<br />

„Flussdeiche sind so zu unterhalten, dass ihre Sicherheit ständig gegeben ist.“ (DIN<br />

19712/1997) Bei Deichstrecken kann der Kostenaufwand für die Unterhaltung erheblich<br />

sein. Deshalb sollte bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> stets versucht werden, für den<br />

Unterhalt günstige Zustände herzustellen.<br />

Durch eine standortgerechte Auswahl des Saatgutes, durch eine Anpassung der<br />

Böschungsneigungen, eine Anordnung von Deichwegen, durch bauliche<br />

Sicherungsmaßnahmen wie Spundwände sowie der Gestaltung der gesamten<br />

Deichgeometrie und -lage kann der Unterhaltungsaufwand beeinflusst werden.<br />

3.4 Platzverhältnisse<br />

Bestehende Deiche grenzen i. d. R. wasser- wie landseitig an Grundeigentum Dritter.<br />

Eine Vergrößerung des Deichlagers kann u. U. zu einem enormen Kosten- und<br />

Verwaltungsaufwand führen, da betroffene Rechtspersonen mit ihrem Einspruchsrecht<br />

erhebliche Verzögerungen verursachen und die Aufwendung zum Grunderwerb im<br />

Missverhältnis zu den bautechnisch notwendigen Kosten stehen können.<br />

Eine Ausweitung des Deiches oder von Teilen desselben zur Gewässerseite vermindert<br />

zum einen die Leistungsfähigkeit des Abflussquerschnittes und handelt wider dem<br />

Grundsatz des WHGs zur Schaffung von Retentionsraum.<br />

3.5 Berücksichtigung des Naturhaushaltes<br />

Bei einer Deichertüchtigung sind wie beim Neubau von Deichen landschaftliche,<br />

ökologische und städtebauliche Belange zu berücksichtigen. Grundwasserverhältnisse<br />

sollen von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> nicht negativ beeinflusst werden.<br />

Nur in besonderen Ausnahmefällen ist es möglich, Bewuchs in Form von Gehölzen auf<br />

dem Deich unter Gewährleistung der Bauwerkssicherheit begrenzt zuzulassen. Die<br />

Sicherheitsbeeinträchtigungen durch Bewuchs müssen mittels konstruktiver Maßnahmen<br />

und intensiver Unterhaltungsmaßnahmen ausgeglichen werden, was u. U. einen


16<br />

erheblichen (Kosten)Aufwand bedeutet. Ökologisch hochwertige Ansaatmischungen und<br />

die Schaffung besonders seltener Trockenstandorte wie z. B. Magerrasenflächen auf<br />

landseitigen Deichböschungen sind eine praktische Lösung, die sowohl der<br />

Standsicherheit von Deichen als auch den Anforderungen des Naturhaushalts genügen<br />

(vgl. DVWK 226/1993).<br />

Neben den vorkommenden üblichen Wühltieren, wie z. B. Maulwurf, Wanderratte,<br />

Kaninchen und Bisam, nutzen „noch“ geschützte Tiere, wie der Biber, den Deich als<br />

Lebensraum. Die Lebensgewohnheiten dieser Tiere sind häufig nicht mit den<br />

Grundsätzen des Hochwasserschutzes zu vereinigen. Der Biber kann sowohl das<br />

Abflussregime beeinflussen als auch den Deich direkt schädigen. Die unmittelbare<br />

Gefährdung von Deichen durch Wühltiere kann durch die Wahl konstruktiver<br />

Sicherungsmittel wie z. B. grobkörniges Schüttmaterial, Wühltiergitter oder Dichtwänden<br />

verringert werden (vgl. DVWK 247/1997).<br />

3.6 Landschafts- und Städtebild<br />

In Bereichen, in denen Deichanlagen das Landschaftsbild oder Städtebild mitprägen,<br />

sollte die ästhetische Einbindung des Deiches berücksichtigt werden. Während an freien<br />

Gewässerstrecken der Deich möglichst naturnah ausgebildet wird, können in Städten<br />

auch technische Lösungen unter Einbeziehung von Stützkonstruktionen oder mobile<br />

Elemente zum Einsatz kommen. Eine Einpassung von Deichen, besonders in das<br />

Städtebild, kann die Kosten für die Ertüchtigung erheblich erhöhen.<br />

3.7 Zeitplan<br />

Während der Ausführung von Ertüchtigungsmaßnahmen muss der Schutz des<br />

Hinterlandes sichergestellt sein. Aus diesem Grund sind Baumaßnahmen in Jahreszeiten<br />

auszuführen, in denen große Hochwasserereignisse unwahrscheinlich sind. Des Weiteren<br />

ist der Bauablauf so zu planen und zu koordinieren, dass die Baustelle durch<br />

Notsicherungsmaßnahmen innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums die festgelegte<br />

Schutzfunktion erreicht. Zur Absicherung dieser Forderung ist es i. d. R. erforderlich, ein<br />

bauzeitliches Hochwasser einer bestimmten Jährlichkeit festzulegen. Je nach Gewässer<br />

und Jahreszeit ist es möglich, <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> in ausreichend kleine<br />

Teillose aufzuteilen.<br />

Aspekte des Finanzhaushaltes können dazu führen, dass Baustellen auch in<br />

hochwasserreichen Jahreszeiten durchgeführt oder in aufeinander folgende<br />

Einzelmaßnahmen unterteilt werden.<br />

3.8 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

„Die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder<br />

seiner Ufer (Gewässerausbau) bedarf der Planfeststellung durch die zuständige<br />

Behörde.“ Darüber hinaus stehen nach § 31 Abs. 2 WHG „Deich- und Dammbauten, die<br />

den Hochwasserabfluss beeinflussen, dem Gewässerausbau gleich“. Die Unterhaltung<br />

dient nach § 28 WHG dem „Erhalt eines ordnungsgemäßen Zustandes für den<br />

Wasserabfluss“. Maßnahmen am Deich, die den Hochwasserabfluss und das<br />

Grundwasserregime nicht beeinflussen, sind demnach Unterhaltungsmaßnahmen, die<br />

grundsätzlich keiner behördlichen Genehmigung bedürfen, was im Einzelfall allerdings


geprüft werden muss. Innerhalb der Unterhaltung können i. allg. folgende Maßnahmen<br />

durchgeführt werden (vgl. RASP 2003):<br />

• Einbau von Dichtungen und Dräns<br />

• Bewuchspflege / -entfernung<br />

• Anschüttungen auf der Landseite<br />

• Abtrag und sofortiger Neubau des Deiches in den alten Abmessungen<br />

17<br />

Baumaßnahmen, die die Deichkrone erhöhen, den Abflussquerschnitt verändern oder<br />

eine Umgestaltung des Gewässers erfordern, sind dahingegen nach dem Wasserrecht<br />

genehmigungspflichtig, d.h. bedürfen eines Planfeststellungsverfahrens nach § 31 WHG<br />

und einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Dazu zählen i. d. R. im Rahmen von<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />

• Deichrückverlegungen und<br />

• Deicherhöhungen,<br />

• wasserseitige, wesentliche Änderungen am Deich.<br />

Bereits im Rahmen der Planung sollte geprüft werden, ob eine Deichertüchtigung als<br />

Unterhaltungsmaßnahme geplant und durchgeführt werden kann. Falls dies nicht der Fall<br />

ist, wie z. B. bei einer Deicherhöhung, können Einzelmaßnahmen im Rahmen von<br />

Unterhaltungsmaßnahmen als Sofortmaßnahme oder Teilertüchtigungsmaßnahmen in<br />

Abstimmung mit dem Finanzhaushaltsplan „vorlaufen“ und die genehmigungspflichtige<br />

Ausbaumaßnahme im Nachhinein als letzter Bauabschnitt durchgeführt werden.<br />

4 Technische Maßnahmen der Deichertüchtigung<br />

4.1 Übersicht und Vergleich<br />

Die technischen Möglichkeiten der Deichertüchtigung sind so weitläufig, wie die<br />

Entwicklung im Wasserbau und in der Geotechnik es bis heute zulassen (vgl. Tab. 1).<br />

Neben den klassischen erdbaulichen Lösungen gewinnt immer mehr der Einsatz von<br />

künstlichen Dichtungen und Geokunststoffen an Bedeutung, auch wenn diese nicht<br />

zuletzt aufgrund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen i. allg. nur unter Berücksichtigung<br />

besonderer Randbedingungen eingesetzt werden. In Tab. 1 sind Maßnahmen und deren<br />

Auswirkungen mit einer Matrix verknüpft, die durch farbliche Markierung zeigt, welchen<br />

positiven oder negativen Einfluss die Anwendung bestimmter Maßnahmen haben kann.<br />

Auch wenn ein qualitativer Vergleich der Kosten der Maßnahmen hinkt, da unter<br />

Beachtung der lokalen Randbedingungen stets die „günstigste“ Ausführungsvariante zum<br />

Zug kommt, zeigt der Vergleich indirekt, welche Randbedingungen teurer Maßnahmen<br />

bedürfen.


18<br />

Tab. 1: Wirkungsmatrix von technischen Maßnahmen zur Deichertüchtigung<br />

Maßnahmen<br />

Erdbauliche<br />

Maßnahmen<br />

Bauwerke<br />

MaterialverbesserungOberflächensicherung<br />

Sicherung von<br />

Deichen<br />

mit Gehölzen<br />

positiv<br />

negativ<br />

positiv / negativ<br />

Voraussetzung<br />

Mauern / Mobile Elemente / Überst. Dichtungen 4)<br />

Anordnung eines Filters<br />

Erdbauliche Erhöhung<br />

Anordnung von Stützbauwerken 4)<br />

Einbau von Dichtungen 2)<br />

Anordnung eines Dräns 2)<br />

Deich(rück)verlegung / Neutrassierung<br />

Abtrag / Neubau / Bodenaustausch<br />

Abflachung der Böschungen<br />

Anordnung von Bermen und Wegen<br />

2)<br />

Verbreiterung der Deichkrone<br />

Anmerkungen:<br />

1)<br />

Hier werden Baukosten im Vergleich der Maßnahmen untereinander betrachtet,<br />

nicht Gesamtkosten im Vergleich zu alternativen Möglichkeit mit z. B. Kostenerhöhung<br />

durch Grundstückserwerb.<br />

2) Auf die Erhöhung der Standsicherheit ausgerichtete Maßnahmen.<br />

3) Entspricht etwa dem Aufwand einer Neubaumaßnahme.<br />

Verwendung von Geokunststoffen<br />

Ausbildung von Überlaufstrecken<br />

Schütten eines Überprofils<br />

Einbau von Wurzelhemmschichten<br />

Einzelsicherung von Bäumen<br />

2)<br />

Baugrund- / Bodenverbesserung 2)<br />

Erosionssicherung der Böschung<br />

Einbau statisch wirksamer Dichtungen<br />

Oberflächenschutz<br />

Hydraulisch<br />

Überlastbarkeit<br />

Hochwassersicherheit<br />

Globale Standsicherheit<br />

Erdstatisch<br />

Lokale Standsicherheit<br />

Untergrund(verbesserung)<br />

Auswirkungen<br />

Setzungen / Verformungen<br />

Geohydraulisch<br />

Durchsickerung<br />

5)<br />

Suffosion / Erosion<br />

Gebrauchstauglichkeit<br />

5)<br />

Die GTD zählt zu den Dichtungen.<br />

6)<br />

Angenommen der Gehölzbewuchs unterliegt keiner Beschränkung und kann<br />

sich frei entfalten bis hin zu waldartigen Beständen.<br />

Dränfähig / Filterwirksam<br />

Unterhaltung<br />

Überwachung<br />

Verteidigung<br />

Kosten 1)<br />

4) Deicherhöhungen haben größere Belastungen zur Folge und treten deshalb i.<br />

d. R. in Kombination mit anderen die Standsicherheit erhöhenden Maßnahmen<br />

auf.<br />

Eine Konzentration blauer wie roter Felder der Matrix (Tab. 1) zeigt einen eindeutigen<br />

Zusammenhang an. So ziehen die meisten Maßnahmen eine Erhöhung der erdstatischen<br />

und geohydraulischen Sicherheit nach sich, da i. d. R. der Querschnitt vergrößert und die<br />

Durchsickerung vermindert wird (blau = positiv). Eine Erhöhung von Deichen bedeutet<br />

gleichzeitig eine Erhöhung der Belastung und somit eine Abnahme der erdstatischen und<br />

geohydraulischen Standsicherheitskriterien (rot = negativ), wenn nicht andere<br />

Maßnahmen wie z. B. die Anpassung der Böschungen usw. dem entgegenwirken. Einen<br />

Sonderfall stellt die Sicherung von mit Gehölz bewachsenen Deichen dar, da dort im<br />

Einzelfall die Gebrauchstauglichkeit vermindert und zugleich die Kosten für Unterhalt und<br />

Bau erhöht werden. Mögliche ökologische wie landschaftsästhetische Auswirkungen<br />

wurden hierbei jedoch nicht berücksichtigt.<br />

4.2 Erdbauliche Maßnahmen<br />

Deiche sind definitionsgemäß Erdbauwerke, weshalb den erdbaulichen Maßnahmen<br />

besondere Bedeutung zukommt. Neben dem kompletten Abtrag und Wiederaufbau – in<br />

diesem Sinne wurden auch Deichverlegungen zu den erdbaulichen Maßnahmen gezählt –<br />

ist der Teilabtrag wie –neubau bei möglicher Integration des Altdeiches in vielen Fällen<br />

möglich.<br />

Die Integration vom Altdeich hängt i. allg. von folgenden Punkten ab:<br />

Unterhaltung<br />

6)<br />

Baumaßnahme<br />

3)


19<br />

• Inhomogener, ungünstiger Aufbau durch z. B. den historischen Teilausbau und –<br />

umbau<br />

• Geringe Lagerungsdichte durch unzureichende Verdichtung beim Bau<br />

• Ungeeignete Deichbaumaterialien, wie z. B. Böden mit hohem organischem Anteil<br />

• Tiefreichende Beeinträchtigungen durch z. B. Erosion, Wühltiere und Wurzeln<br />

• Baubetriebliche Gründe und Mehrkosten<br />

Wichtig ist beim Teilneubau, dass der verbleibende Bestand ordnungsgemäß in den neu<br />

geplanten Querschnitt integriert wird. An Böschungen kann das durch eine Abtreppung<br />

(vgl. z. B. Abb. 1) des bestehenden Erdkörpers erreicht werden. Dies sorgt für eine gute<br />

Verzahnung der konstruktiven Elemente (Dichtung, Stützkörper bzw. Altdeich, Drän). Bei<br />

Böden mit hohen Scherwiderständen kann auf eine Abtreppung verzichtet werden.<br />

Der Altdeich muss so integriert werden, dass die Durchlässigkeit im Querschnitt hin zur<br />

Landseite durchlässiger wird. Je nachdem, ob eine wasserseitige Dichtung aufgebracht<br />

wird, nachträglich eine Innendichtung eingebaut wird oder ein Drän mit<br />

Deichverteidigungsweg (DVW) bzw. Deichhinterweg landseitig angeordnet wird, kann der<br />

Altdeich im Querschnitt unterschiedlich eingegliedert werden.<br />

Wie in den Regelwerken gefordert wird, sollten Böschungsneigungen möglichst flach<br />

ausgebildet werden. Böschungsneigungen von 1:3 und flacher sind aus Sicht der<br />

Standsicherheit, Unterhaltung und Deichverteidigung vorteilhaft. Maßgebend ist jedoch<br />

die globale und lokale Standsicherheit nach DIN 4084.<br />

H D<br />

Ausrundung<br />

H D /3 1<br />

5<br />

Abflachung AbtreppungKronenweg<br />

1<br />

3<br />

1<br />

2<br />

Altdeich<br />

Altes Deichlager<br />

Neues Deichlager<br />

Abflachung<br />

Abtreppung<br />

Anschüttung<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1<br />

(dränfähig, filterfest)<br />

DVW<br />

Abb. 1: Abflachen der wasserseitigen Böschung zur Gewährleistung der Standsicherheit<br />

Die Breite der Krone sollte 3 m nicht unterschreiten. Unter Einbehaltung der<br />

Deichlagerbreite kann eine Verbreiterung der Krone durch steilere Böschungen erreicht<br />

werden.<br />

Nachträglich angeordnete Bermen verbessern die Standsicherheit des Deiches. Auf einer<br />

landseitigen Berme wird idealer Weise ein Deichverteidigungsweg angeordnet. Dieser soll<br />

gemäß den Anforderungen mindestens 3,0 m breit, für schwere Lastfahrzeuge befahrbar<br />

sowie ausreichend hoch angeordnet sein, damit die Möglichkeit der Befahrung im<br />

Hochwasserfall sichergestellt ist.<br />

Dräns können in verschiedenen Ausführungen z. B. als Fußdrän oder Kamindrän oder<br />

Anschüttungen am landseitigen Deichfuß angeordnet werden. Der nachträgliche Einbau<br />

von Dränrohren am landseitigen Böschungsfuß ist möglich. Zur Gewährleistung der<br />

Filterstabilität werden neben geeigneten Kornfraktionen geotextile Filter verwendet.


20<br />

Steht Platz zur Verbreiterung des Deichlagers zur Verfügung, kann der Deich unter<br />

Beibehaltung oder Abflachung der Böschungsneigung erhöht werden. Eine Aufhöhung<br />

kann bei Böden mit hohen Scherwiderständen unter Berücksichtigung der<br />

Strömungsverhältnisse durch Aufsteilung der Böschungen ohne Verbreiterung des<br />

Deichlagers erfolgen.<br />

4.2 Bauwerke<br />

Falls die Deichmaterialien oder die Konstruktion keine ausreichend steilen<br />

Böschungsneigungen zulassen, können Stützbauwerke an den Böschungsfüßen<br />

angebracht werden (Abb. 2). Die zuverlässige Entwässerung dieser Mauern oder Wände<br />

ist zu gewährleisten.<br />

Deichbestand<br />

1<br />

2,6<br />

ΔH<br />

2,6<br />

Kronenweg / DVW<br />

> 3,0 m<br />

1<br />

1 2,6<br />

Altdeich<br />

Altes / neues Deichlager<br />

3<br />

1<br />

Drän<br />

Stützmauer<br />

Entwässerungsrohr<br />

Abb. 2: Aufhöhung des Deiches durch Einbau einer landseitigen Stützwand ohne<br />

Verbreiterung des Deichlagers<br />

In Bereichen mit beengten Platzverhältnissen können auch Mauern oder mit Mauern<br />

kombinierte Bauwerke zur Deichaufhöhung verwendet werden, die mit den Aspekten der<br />

Landschaftsästhetik und des Naturschutzes in Einklang gebracht werden können.<br />

Werden Spundwände als Innendichtung verwendet, können diese über die Deichkrone<br />

hinausragen und so eine Aufhöhung darstellen. Derartige Lösungen werden i. d. R.<br />

besonders behandelt und verkleidet mit z. B. Naturstein, um eine Einbindung in die<br />

Landschaft bzw. das Städtebild zu erreichen.<br />

Bei beengten Platzverhältnissen besonders in innerstädtischen Bereichen kann die<br />

notwendige Absperrhöhe durch das Aufsetzen von mobilen Elementen auf den Deich<br />

erfolgen. Es muss gewährleistet sein, dass die mobilen Elemente kraftschlüssig und dicht<br />

mit dem Deich verbunden sind. Dazu sind i. d. R. spezielle Gründungsbauwerke nötig. Die<br />

zusätzlichen Lasten muss das Deichbauwerk bei Vollstau aufnehmen können (BWK<br />

2005).<br />

4.3 Nachträglicher Einbau von Dichtungen<br />

Da Altdeiche meist keinen zonierten Aufbau besitzen, bietet es sich an, vergleichsweise<br />

durchlässige Altdeiche durch Anordnung eines Dichtungselementes zu ertüchtigen<br />

(Abb.3).


1<br />

3<br />

Dichter Untergrund<br />

Deichkörper<br />

Durchlässige Untergrundschicht<br />

Kronenweg<br />

Vohburg an der Donau<br />

(WWA Ingolstadt)<br />

3<br />

1<br />

DVW<br />

Drän<br />

21<br />

Innendichtung (z. B. Spundwand, Schmalwand,<br />

Schlitzwand, Bodenvermörtelung …)<br />

Winterdeiche<br />

am Main<br />

(DWA 2005)<br />

3<br />

1<br />

Deich an der „Kleinen Donau“<br />

(WWA Ingolstadt)<br />

Abb. 3: Nachträglich eingebaute vollkommene Innendichtung (Verfahrensbeispiele)<br />

Niederaltaich<br />

an der Donau<br />

(TUM)<br />

Die Notwendigkeit einer Dichtung kann in der Begrenzung der Sickeroberfläche im Deich,<br />

der Reduktion der austretenden Wassermenge, der Verhinderung von hydrodynamischer<br />

Bodendeformation oder in der Forderung einer statischen wirksamen Wand begründet<br />

liegen. Neben der Verwendung von herkömmlichen Innendichtungen wie z. B. Schmal-<br />

und Spundwand haben sich in den letzten Jahren die Verfahren der Bodenvermörtelung<br />

als geeignet und kostengünstig erwiesen. Durch das Einstellen von Stahlträgern kann<br />

auch bei der Bodenvermörtelung eine statische Tragwirkung der Wand erzeugt werden<br />

(Abb. 3 und DWA 2005).<br />

Wenn ausreichend geeignetes Schüttmaterial in der Nähe verfügbar ist, können auf der<br />

wasserseitigen Böschung eines bestehenden Deiches mineralische<br />

Oberflächendichtungen angebracht werden. Dazu ist der Oberboden mit<br />

Vegetationsdecke abzutragen und der vorhandene Deichkörper ggf. abzutreppen. Die<br />

Verdichtung der Dichtungen parallel zur Böschung in Querschnittrichtung verhindert<br />

unerwünschte horizontale Arbeitsfugen, die ggf. Sickerwegigkeiten darstellen können. Ist<br />

eine bindige Deckschicht vorhanden, kann eine Anbindung der natürlichen<br />

Oberflächendichtung mittels eines Dichtungssporns als Gesamtabdichtung ausreichend<br />

sein.<br />

Steht nicht genug geeignetes bindiges Dichtungsmaterial zur Verfügung oder sprechen<br />

finanzielle, baubetriebliche oder andere Gründe dafür, können auch geosynthetische<br />

Tondichtungsbahnen (GTD) zur Anwendung kommen (DGGT EAG-GTD 2002). Eine<br />

Anbindung an eine Untergrunddichtung kann über eine Tonplombe oder durch<br />

Überlappung erfolgen.<br />

4.4 Anwendung von Geokunststoffen<br />

In Deichen und bei der Deichertüchtigung können Geotextilien nach SAATHOFF u.<br />

WERTH (2003) als Schutz vor Erosionsprozessen im Deich und an der Deichoberfläche<br />

und zur Erhöhung der statischen Tragfähigkeit von Deichbereichen und/oder des


Untergrundes besonders an den Böschungen und unter Fahr- bzw.<br />

Deichverteidigungswegen (Abb. 4) zur Anwendung kommen.<br />

1<br />

1<br />

3<br />

Deichbestand<br />

ggf. Deckschicht<br />

Bewehren (z. B. Geogitter)<br />

2 Filtern / Dränen (z. B. Vlies)<br />

22<br />

Kronenweg<br />

> 3,0 m<br />

Altdeich<br />

Weicher Untergrund<br />

Altes Deichlager<br />

Neues Deichlager<br />

2,2<br />

1<br />

DVW<br />

> 3,0 m<br />

3 Vegetationshilfe / Schutz (z. B. Maschenware)<br />

4 Trennen / Filtern bei Deckwerken (z. B. Vlies)<br />

Abb. 4: Anwendungsbereiche von Geokunststoffen bei der Deichertüchtigung<br />

Zur Erhöhung der Tragfähigkeit von weichen Untergrundschichten können besonders im<br />

Bereich des Deichverteidigungsweges Bewehrungen z. B. mittels Geogitter vorgesehen<br />

werden. Zur Sicherstellung der Erosionsbeständigkeit von unterschiedlichen<br />

Deichmaterialien wie z. B. zwischen Altdeich und durchlässigen Anschüttungen können<br />

Vliese und Gewebe verwendet werden. Maschenware (Drahtgeflecht, Krallmatten) kann<br />

zur Erhöhung des Oberflächenerosionsschutzes und als Vegetationshilfe an den<br />

Böschungen Anwendung finden. Als Dichtung ist die geosynthetische Tondichtungsbahn<br />

(GTD) beim Deichbau gebräuchlich.<br />

4.5 Weitere Maßnahmen der Bodenverbesserung / Baugrundverbesserung<br />

Mittels Wasserentzug, Verdichtung, Austausch, Einmischen von Boden und Bindemittel<br />

sowie Bewehrung können Eigenschaften des Deiches und des Untergrundes verbessert<br />

werden. Dadurch können das Verformungs- / Setzungsverhalten, die Durchlässigkeit und<br />

die Scherparameter den Anforderungen entsprechend angepasst werden.<br />

Als Methoden zur Verbesserung der Tragfähigkeit oder zur Verringerung von Setzungen<br />

kommen z. B. in Frage:<br />

• Vorbelastung des Untergrundes über die Böschungsfüße hinaus und<br />

erforderlichenfalls noch zusätzlich eine Überbelastung durch vorübergehende<br />

Höherschüttung des Deiches (Vorbelastung und Konsolidation).<br />

• Nachträgliche Verdichtung des Deichkörpers und/oder des Untergrundes<br />

(Dynamische Tiefenverdichtung, Rüttelstopfverdichtung, u. v. m.).<br />

• Beschleunigung der Konsolidierung des Untergrundes und Erhöhung der<br />

Scherfestigkeit mittels Vertikaldränung (Tiefdränagen).<br />

• Einrütteln eines Steingerüstes in weichen Untergrund (Einmischen).<br />

3<br />

1


23<br />

• Einbau von zugfesten und verrottungsbeständigen Einlagen, wie z. B. Geotextilien,<br />

zur Verminderung der Scherbeanspruchung (Bewehrung).<br />

• Auskofferung des nicht tragfähigen Bodens und teilweiser oder vollständiger<br />

Ersatz durch Boden größerer Scherfestigkeit und geringerer<br />

Zusammendrückbarkeit (Bodenaustausch).<br />

4.6 Sicherung von Deichoberflächen und Überlaufstrecken<br />

„Der wirtschaftlichste und natürlichste Schutz für den Deichkörper ist eine stark<br />

verwurzelte und geschlossene Grasnarbe.“ (DIN 19712/1997) In Bereichen mit hohen<br />

Fließgeschwindigkeiten am Deich und ggf. hoher Wellenbelastung, besonders bei<br />

Schardeichen, kann es notwendig sein, die Deichoberfläche nachträglich flächenhaft<br />

gegen Oberflächenerosion, z. B. mittels einer Steinschüttung, zu sichern.<br />

Fertigrasen, organische Matten und Gewebe und andere organische Bauweisen sowie<br />

Geotextilien können die Deichböschungen sofort langfristig oder nur temporär direkt im<br />

Anschluss an bauliche Maßnahmen sichern. Entsprechendes gilt für die landseitige<br />

Böschung. Dort ist eine Sofortsicherung nach baulichen Maßnahmen i. allg. nicht<br />

notwendig.<br />

Zulässige Schubspannungen und Fließgeschwindigkeiten für unterschiedliche<br />

Böschungssicherungen und –beschaffenheiten sind in Tab. 2 angegeben (vgl. auch<br />

DVWK 118/1997).<br />

Tab. 2: Aufnehmbare Schubspannungen und Fließgeschwindigkeiten von Ufer- /<br />

Böschungssicherungsmaßnahmen (aus HASELSTEINER u. STROBL 2005)<br />

max. Schubspannung<br />

A)<br />

Ufersicherung [N/m²] 1<br />

max.<br />

Geschwindigkeit<br />

B)<br />

max.<br />

Geschwindigkeit<br />

C)<br />

max. Schubspannung<br />

C)<br />

Ufersicherung [m/s] Ufersicherung [m/s] [N/m²] 1<br />

Rasen 30 Gras 1,8<br />

Schotterrasen /<br />

Rasen<br />

< 1,5 < 30<br />

Pflanzung > 30 Schotterrasen 3,7 Totfaschinen 2,5 - 3 60 - 70<br />

gesicherte<br />

Pflanzung<br />

120<br />

Faschinenwalzen<br />

3,5<br />

Faschinenwalzen<br />

3 - 3,5 100 - 150<br />

WeidenWeiden-<br />

Buschmatratze 300 stecklinge 3,5 stecklinge 3 - 3,5 100 - 150<br />

mit Steinwurf<br />

mit Steinwurf<br />

Verpflockte<br />

Steinberollung<br />

250<br />

Steinwurf<br />

mit Rauhpack<br />

4,0<br />

großer<br />

Steinwurf<br />

> 3,5 > 150<br />

Lebender<br />

Steinsatz<br />

> 350<br />

1<br />

nach mehreren Vegetationsperioden<br />

A)<br />

BEGEMANN u. SCHIECHTL (1986)<br />

B)<br />

LFU BW (1991)<br />

C)<br />

HAMMANN DE SALAZAR et al. (1994)<br />

Überlaufstrecken sind „sorgfältig zu planen, auszuführen und zu unterhalten. ... Bei<br />

geringer Belastung genügt ein Abflachen der landseitigen Böschung auf 1:10 bis 1:20 mit<br />

gesichertem Böschungsfuß.“ (DIN 19712/1997)<br />

Folgende Maßnahmen können zur Sicherung von Böschungen an Überlaufstrecken<br />

herangezogen werden:<br />

• Abflachen der Böschungen (z. B. auf 1:15)


24<br />

• Naturnahe Sicherungsbauweisen (z. B. Lebender Steinsatz)<br />

• Verwendung von Geokunststoffen (z. B. Bewehrung mit Geogitter oder<br />

Maschenware)<br />

• Bodenverfestigung (z. B. mit Kalk und Zement)<br />

• Gebundene, dränfähige Baustoffe (z. B. Dränasphalt, - beton, Mastix-Schotter)<br />

• Deckwerke (z. B. Steinwurf oder Steinsatz)<br />

• Besondere Konstruktionslösungen / Kombinationen (z. B. mit Geogitter<br />

ummantelte Steinpackungen)<br />

Neben dem Schutz der Böschung sind vor allem die Krone und der landseitige Deichfuß<br />

gegen die hydrodynamischen Kräfte zu schützen (LFU BW 2004).<br />

4.7 Bauweisen für die Sicherung des Deiches bei Gehölzen<br />

Im Falle des Vorhandenseins von Gehölzen auf Deichen ist die Bauwerkssicherheit durch<br />

entsprechende<br />

sicherzustellen.<br />

bauliche Maßnahmen und/oder Unterhaltungsmaßnahmen<br />

Bei Duldung von Gehölzen innerhalb des zulässigen Bereiches können zusätzliche<br />

Maßnahmen entfallen, wenn sichergestellt wird, dass einerseits ein möglicher Windwurf<br />

und anderseits die Durchwurzelung den Deich in seiner Funktion nicht beeinträchtigen. In<br />

DIN 19712/1997 und DVWK 226/1993 ist die Zulässigkeit von Gehölz auf Deichen<br />

eindeutig geregelt (vgl. HASELSTEINER U. STROBL 2004). Durch die Auswahl der<br />

Gehölze und den Einsatz von bautechnischen Sicherungsmaßnahmen können Gehölze<br />

auch regelkonform auf Deichen platziert werden (HASELSTEINER U. STROBL 2005,<br />

2006).<br />

In jüngster Zeit werden in der Praxis für die Gehölzsicherung verstärkt statisch wirksame<br />

Dichtungen eingesetzt. Statisch wirksame Dichtungen können Stahlspundwände und<br />

bewehrte Dichtungen aus hydraulisch gebundenen Bindemitteln sein (Schlitzwand,<br />

Bohrpfahlwand, Bodenvermörtelung). Die Schmalwand kann keine Kräfte abtragen. Die<br />

Durchwurzelungssicherheit der Dichtungen muss ggf. nachgewiesen werden<br />

(HASELSTEINER U. STROBL 2006).<br />

5 Planung und Ausführung<br />

5.1 Ertüchtigungsdringlichkeit<br />

Aufgrund begrenzter Finanzmittel sollte sich die zeitliche Abfolge zur Durchführung von<br />

Ertüchtigungsmaßnahmen nach zuvor festgelegten Kriterien richten. Bei der Festlegung<br />

dringlicher Maßnahmen sind insbesondere Gesichtspunkte und Kriterien, wie die<br />

vorhandenen Defizite der Deichstrecke sowie des Hinterlandes und das<br />

Gefährdungspotential, zu berücksichtigen.<br />

Eine Einteilung der Ertüchtigungsdringlichkeit in Kategorien deckt sich i. d. R. mit der<br />

zeitlichen Notwendigkeit von Ertüchtigungsmaßnahmen mit sofortigem, mittel- oder<br />

langfristigem Handlungsbedarf. Bei sofortigem Handlungsbedarf können


Sofortsicherungsmaßnahmen, Vorwegmaßnahmen und Teilertüchtigungsmaßnahmen die<br />

Standsicherheit zeitnah herstellen.<br />

25<br />

Eine projektbezogene und regionale Anpassung der Kriterien ist i. d. R. notwendig, um mit<br />

den zur Verfügung stehenden Mittel innerhalb des damit umrissenen zeitlichen Horizonts<br />

das Schadensrisiko zu minimieren.<br />

In den Bundesländern werden die Erhebung der Deiche, die Bewertung und die<br />

Festlegung des Ertüchtigungsbedarfes und -reihenfolge nach ähnlichen Kriterien geplant<br />

und durchgeführt (vgl. z. B. SCHNEIDER ET AL. 1997).<br />

5.2 „Regelprofile“ als Orientierungshilfe<br />

Die Angabe von Regelprofilen ist bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> nur abschnittsweise<br />

möglich. Ein „Regelprofil“ bzw. „Idealprofil“ als Orientierungshilfe für Gewässer zu<br />

entwickeln, ist hilfreich. Im Einzelfall wird jedoch eine den Anforderungen entsprechende<br />

Lösung, sprich eine angepasste Form des „Idealprofils“, umgesetzt werden.<br />

So entwickelten die Behörden der Wasserwirtschaft nach dem Donauhochwasser 1988<br />

aufgrund der Erfahrung eines dreiwöchigen Einstaus ein solches „Regelprofil“ für Deiche<br />

an der Donau für den Zwischenausbau (!) im Rahmen eines Sofortprogramms (Abb. 5 aus<br />

WEISS 1997).<br />

Abb. 5: „Regelprofil“ für Sofortmaßnahmen an Donaudeichen (Zwischenausbau) im<br />

Bereich des Wasserwirtschaftsamtes Deggendorf (aus WEISS 1997)<br />

Bundesweit sind für die großen Gewässer wie z. B. dem Rhein ebenfalls derartige Profile<br />

entwickelt worden (vgl. KAST U. BRAUNS 2003).<br />

5.3 Ablauf von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärer<br />

Zusammenarbeit zwischen Behörden, Planern, Beratern und ausführenden Unternehmen<br />

und umfangreiche Kenntnisse in Erdbau und Spezialtiefbau sowie in Wasserwirtschaft<br />

und Umwelttechnik.<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> sind nicht nur eine technische Problemstellung sondern<br />

Gegenstand des öffentlichen Interesses sowie der staatlichen Fürsorge. Sobald mehrere<br />

Interessen von einem Vorhaben berührt werden, kommt es unweigerlich zum<br />

Interessenskonflikt. Dieser Interessenkonflikt kann bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> zu<br />

Verzögerungen, Neuplanungen und somit zur Erhöhung der Kosten führen. Bereits bei


26<br />

den ersten Planungs- und Entscheidungsschritten spielt deshalb die Öffentlichkeitsarbeit<br />

auch begleitend zu den einzelnen Rechtsverfahren eine wesentliche Rolle. Sie kann dabei<br />

helfen, Interessen sobald als möglich zu berücksichtigen, Interessenskonflikte zu<br />

erkennen und zu beseitigen (vgl. RASP 2003).<br />

Die technischen Arbeiten im Zuge von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> beschränken sich<br />

nicht nur auf die direkt mit der Planung und Ausführung der Maßnahme verbundenen<br />

Tätigkeiten, sondern erstrecken sich von der Instandhaltung des Deichbauwerks bis hin<br />

zur Feststellung des Ertüchtigungsbedarfes und der Festlegung der<br />

Ertüchtigungsdringlichkeit. Neben den rein technischen Gesichtspunkten der Planung, die<br />

direkt mit der Bauwerkssicherheit und der konstruktiven Gestaltung verbunden sind, ist es<br />

ratsam, so früh als möglich die Öffentlichkeit, betroffene Bürger, Körperschaften und<br />

Verbände zu informieren, um schon bei den ersten Planungsschritten einen möglichst<br />

weit reichenden Interessensausgleich im Auge haben zu können (vgl. Abb. 6).<br />

1.<br />

Schritt<br />

2.<br />

Schritt<br />

3.<br />

Schritt<br />

4.<br />

Schritt<br />

5.<br />

Schritt<br />

6.<br />

Schritt<br />

7.<br />

Schritt<br />

8.<br />

Schritt<br />

9.<br />

Schritt<br />

Feststellen des<br />

Ertüchtigungsbedarfes<br />

Festlegen der<br />

Ertüchtigungspriorität<br />

Festlegung der technisch<br />

notwend. Maßnahmen 1)<br />

Variantenstudium 2)<br />

Lösungsmöglichkeiten<br />

Ertüchtigungskonzept<br />

(ggf. mehrere Varianten)<br />

Bauentwurf /<br />

Genehmigungsplanung 3)<br />

Ausführungsplanung<br />

Ausführung, Bau,<br />

Überwachung<br />

Ablauf von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />

Beschreibung Bemerkung Hinweise<br />

Unterhalt, regelmäßige<br />

Überprüfung<br />

Vergleich<br />

Ist-Zustand mit Soll-Zustand<br />

Berücksichtigung von Risiko …<br />

Entwicklung von<br />

„Regelquerschnitten“<br />

Festlegen, ob Unterhalt oder<br />

Ausbau<br />

Bauzeitplan / Konzept<br />

Festlegen der durchzuführenden<br />

Maßnahmen<br />

Ausarbeitung der Planung für<br />

Ausführung<br />

Bauleitung,<br />

Qualitätsmanagement<br />

Instandhaltung des<br />

Hochwasserschutzbauwerks<br />

Überwachung und<br />

Unterhalt durch<br />

Technische<br />

Gewässeraufsicht<br />

(TGA)<br />

Technische<br />

Vorplanung<br />

Ggf. Raumordnungsverfahren<br />

(ROV) in<br />

Rücksprache mit<br />

Bezirksregierung<br />

Ggf. Planfeststellungsverfahren<br />

(PFV) und/oder<br />

Finanzierungsgenehmigung<br />

durch<br />

Behörde<br />

Ausschreibung und<br />

Vergabe<br />

Bauleitung<br />

Abnahme<br />

Überw. und Unterhalt<br />

durch TGA<br />

1) Neben den rein technischen Gesichtspunkten sollten so früh als möglich alle anderen Zwangpunkte aus den<br />

Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Ggf. können frühzeitige Konzepte zur Berücksichtigung des Naturhaushalts<br />

(landschaftspflegerischer Begleitplan) die Akzeptanz der Maßnahme erhöhen.<br />

2) Ggf. kann auch bei nicht genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen ein landschaftspflegerischer<br />

Begleitplan erstellt werden, in dem Auswirkungen und Ausgleich- bzw. Ersatzmaßnahmen ermittelt werden.<br />

3) Falls es sich um keinen Ausbau nach WHG handelt, ist keine Genehmigungsplanung inklusive<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig.<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Allg. Informationen<br />

(Schautafeln, Hochwassermarken,<br />

Beschilderung …)<br />

Aufklärung über techn.<br />

Maßnahmen und deren<br />

Auswirkungen<br />

Abschluss des<br />

Genehmigungsverfahren<br />

Aufwand<br />

Einbindung in<br />

LPfBP / UVP<br />

innerhalb von<br />

ROV und PFV<br />

(Runde Tische, öffentliche<br />

Informationsveranstaltungen,<br />

persönliche Gespräche …)<br />

Abb. 6: Ablauf von <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> mit Hinweisen zu den öffentlichrechtlichen<br />

Verfahren<br />

Literatur<br />

Beginn der<br />

techn. Planung<br />

Transparenz<br />

Ende der<br />

Baumaßnahme<br />

Informationen über Ergebnis<br />

(Schautafeln, Beschilderung …)<br />

BEGEMANN, W.; SCHIECHTL, H. (1986): Ingenieurbiologie – Handbuch zum naturnahen<br />

Wasser- und Erdbau. Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin, 1986


27<br />

BWK (2005): Mobile Hochwasserschutzsysteme – Grundlagen für Planung und Einsatz.<br />

Merkblatt, Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau<br />

(BWK)<br />

DGGT EAG-GTD (2002): Empfehlungen zur Anwendung geosynthetischer<br />

Tondichtungsbahnen (EAG-GTD). Deutsche Gesellschaft für Geotechnik (DGGT), Ernst &<br />

Sohn Verlag, Berlin<br />

DIN 19712 (1997): Flussdeiche. Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN)<br />

DVWK 118 (1997): Maßnahmen zur naturnahen Gewässerstabilisierung. DVWK-Schrift,<br />

Heft 118, Kommissionsvertrieb Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser<br />

mbH, Bonn 1997<br />

DVWK 226 (1993): Landschaftsökologische Gesichtspunkte bei Flussdeichen. Merkblätter<br />

zur Wasserwirtschaft, Heft 226, Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau,<br />

Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin<br />

DVWK 247 (1997): Bisam, Biber, Nutria – Erkennungsmerkmale und Lebensweisen –<br />

Gestaltung und Sicherung gefährdeter Ufer, Deiche und Dämme. Merkblätter zur<br />

Wasserwirtschaft, Heft 247, Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau,<br />

Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin<br />

DWA (2005): Dichtungssysteme in Deichen. DWA-Themen, Deutsche Vereinigung für<br />

Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef<br />

HAMANN DE SALAZAR, K.; DITTRICH, A.; DU, C. (1994): Bewertung der naturnahen<br />

Bauweisen an der Enz nach dem Hochwasser vom Dez. 1993. Bericht des Instituts für<br />

Wasserbau und Kulturtechnik, Universität Karlsruhe, 1994<br />

HASELSTEINER, R; STROBL, TH. (2004): Zum Einfluss von Bewuchs und Hohlräumen<br />

auf die Durchsickerung von Deichbauten; Lebensraum Fluss - Hochwasserschutz,<br />

Wasserkraft, Ökologie; Beiträge zum Symposium vom 16. - 19. Juni 2004 in Wallgau<br />

(Oberbayern); Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />

Wasserwirtschaft, Berichtsheft Nr. 101; Band 2, S. 92 - 100<br />

HASELSTEINER, R.; STROBL, TH. (2005): Deichsanierung. Forschungs- und<br />

Entwicklungsvorhaben, Endbericht, im Auftrag vom Bayerischen Landesamt für<br />

Wasserwirtschaft (LfW), Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />

Wasserwirtschaft, Technische Universität München (Erhältlich beim Bayerischen<br />

Landesamt für Umwelt: http://www.bayern.de/lfu)<br />

HASELSTEINER, R; STROBL, TH. (2006): Deichertüchtigung unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Gehölzbewuchses. Sicherung von Dämmen, Deichen und<br />

Stauanlagen. Handbuch für Theorie und Praxis. Hrsg. Hermann und Jensen,<br />

Universitätsverlag Siegen – universi, Siegen<br />

KAST, K.; u. BRAUNS, J. (2003): Auswirkungen des Bergbaus auf die<br />

Hochwasserschutzanlagen am Niederrhein. Hochwasserschutz und<br />

Katastrophenmanagement, Ernst & Sohn Special 02/03, S. 34 – 40


28<br />

LFU BW (1991): Bauweisen des naturnahen Wasserbaus - Umgestaltung der Enz in<br />

Pforzheim, Handbuch Wasser, 2. Band, Karlsruhe<br />

LFU BW (2004): Überströmbare Dämme und Dammscharten. Landesanstalt für<br />

Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU BW), 1. Auflage, Karlsruhe<br />

LFW BY (1990): Gehölze auf Deichen. Dokumentation von Baumwurzelaufgrabungen und<br />

Windwurf von Gehölzen. 5/89 Informationsberichte. Bayerisches Landesamt für<br />

Wasserwirtschaft, München<br />

LFW BY (2003): Hinweise zur Deichverteidigung und Deichsicherung. Bayerisches<br />

Landesamt für Wasserwirtschaft, München<br />

RASP, F. (2003): Die Deichsanierung in der Praxis. Landesverbandstagung des ATV-<br />

DVWK Landesverbandes Bayern, Fürth, 22./23. Oktober 2003<br />

SCHNEIDER, H.; SCHULER, U.; KAST, K.; BRAUNS, J. (1997): Bewertung der<br />

geotechnischen Sicherheit von Hochwasserschutzdeichen und Grundlagen zur<br />

Beurteilung von Sanierungsmaßnahmen. Abteilung Erddammbau und Deponiebau,<br />

Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik, Universität Karlsruhe, Heft 7, Karlsruhe<br />

STMLU BY (2002): Hochwasserschutz in Bayern – Aktionsprogramm 2020. Daten +<br />

Fakten + Ziele, Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen<br />

(StMLU), München<br />

WEISS, H. (1997): Projektierung von Dämmen und Deichen – Deiche und Dämme für<br />

Stauhaltungen. Lehrgangsunterlagen, Technische Akademie Esslingen,<br />

Weiterbildungszentrum<br />

WHG (1996): Wasserhaushaltsgesetz. Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes.<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />

Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

Technische Universität München<br />

Arcisstraße 21<br />

80290 München<br />

r.haselsteiner@bv.tum.de


29<br />

Bemessung von Deichen – Lastfälle, geotechnische<br />

Fragestellungen<br />

Kurzfassung<br />

Herbert Weiß<br />

Bei der „Bemessung“ werden die Abmessungen des Bauwerks ermittelt. Dabei sind eine<br />

Reihe von Faktoren und Randbedingungen zu berücksichtigen. Nach der Bayerischen<br />

Bauordnung müssen alle baulichen Anlagen so errichtet und unterhalten werden, dass die<br />

öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet ist. Werden die allgemein anerkannten<br />

Regeln der Technik beachtet, gelten diese bauaufsichtlichen Anforderungen als<br />

eingehalten. Die einschlägigen Normen DIN 19712 und vor allem die als eingeführte<br />

Technische Baubestimmung zu beachtende DIN 1054 sind deshalb für die Bemessung<br />

von Bedeutung. Dabei wiederum die als Forderung enthaltenen Gebote. Ein wesentlicher<br />

Aspekt der Sicherheit sind die im Sicherheitsnachweis zu untersuchenden Lastfälle. Mit<br />

dem in DIN 1054 enthaltenen Konzept der Teilsicherheiten ergibt sich gegenüber der<br />

bisherigen Betrachtensweise mit globalen Sicherheiten eine Änderung. Neben den aus<br />

diesem Sachverhalt resultierenden grundsätzlich bei der Bemessung wichtigen<br />

Bestimmungen werden die geotechnischen Gesichtspunkte dargestellt.<br />

1 Grundsätzliche Gesichtspunkte und rechtliche Anforderungen<br />

Der Begriff „Bemessung“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Ermittlung der<br />

Abmessungen verstanden. Die Bemessung eines Deiches wird von folgenden Faktoren<br />

bestimmt:<br />

dem erforderlichen Schutzgrad (⇒ Bemessungshochwasser BHQ ⇒<br />

Bemessungshochwasserstand HWB ⇒ ergibt mit dem Freibord die<br />

Deichhöhe)<br />

den vorhandenen Untergrundverhältnissen<br />

den Sicherheitsanforderungen an ein solches Bauwerk<br />

der Wirtschaftlichkeit der Bauweise und Baustoffe<br />

gestalterischen Anforderungen<br />

ökologischen Anforderungen<br />

In der Empfehlung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) „Instrumente und<br />

Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Leitlinien für einen zukunftsweisenden<br />

Hochwasserschutz“ [1] werden bei den Grundsätzen zur Bemessung von<br />

Hochwasserschutzanlagen als zusammenfassende Handlungsempfehlungen im Hinblick<br />

auf den Schutzgrad in Abhängigkeit von den Randbedingungen des Einzelfalles<br />

folgende Punkte genannt:


30<br />

Grundlage muss eine Risikopartnerschaft von zuständiger Verwaltung<br />

und Betroffenen sein, verbunden mit einem Existenzschutz z.B. durch<br />

eine Versicherung<br />

Er sollte sich orientieren an den Hochwasserschadenspotentialen und<br />

der gefährdeten Bevölkerung.* )<br />

Als Anmerkung * ) wird dann in einer Fußnote angeführt, dass ein geringeres<br />

Bemessungshochwasser als HQ100 im Rahmen einer Risikopartnerschaft auf erhebliche<br />

rechtliche Bedenken der bayerischen Vertreter stößt, da in Bayern durch mehrere<br />

Gerichtsurteile bestätigt wurde, dass die notwendige Sicherheit der Wohn- und<br />

Arbeitsbevölkerung vor Hochwassergefahr (eine Forderung aus dem Baugesetzbuch) erst<br />

bei einem Schutz gegenüber einem 100-jährlichen Hochwasser erreicht wird.<br />

Zu Deichsystemen wird in dem LAWA-Papier die Auffassung vertreten, dass wie das<br />

Elbehochwasser gezeigt hat, die Anwendung der DIN 19712 [2] zwingend erforderlich ist.<br />

Wird das Bemessungshochwasser so weit überschritten, dass die Deiche überströmt<br />

werden, kommt es zum Deichversagen. Zur Verhinderung von Deichbrüchen infolge<br />

Überströmung und zur Minderung des Risikos sollten eingedeichte Flussstrecken mit<br />

definierten und baulich gesicherten Entlastungsmöglichkeiten ausgestattet werden, indem<br />

beispielsweise in weniger intensiv genutzten Bereichen befestigte Deichüberlaufstrecken<br />

oder Siele angeordnet werden.<br />

Handlungsempfehlung:<br />

Unterhaltung und Ertüchtigung der Deiche im Binnenland nach<br />

DIN 19 712, Schaffung von kontrollierten Entlastungsmöglichkeiten:<br />

Kontrollierte Entlastungsmöglichkeiten von Deichsystemen bei<br />

Überschreitung des Bemessungsabflusses können das<br />

Schadensrisiko vermindern.<br />

Hierzu ist in großen Fluss-Systemen ein länderübergreifendes<br />

abgestimmtes Vorgehen erforderlich.<br />

Die Durchsickerung der Deiche durch Wühltierbefall und Bewuchs muss<br />

verhindert werden.<br />

Ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt sind die rechtlichen Vorgaben, die sich ganz<br />

allgemein für alle Bauwerke aus der Bayerischen Bauordnung (BayBO) ergeben.


Art. 1 Anwendungsbereich. (1) 1 Dieses Gesetz gilt für alle baulichen Anlagen ...<br />

31<br />

Art. 3 Allgemeine Anforderungen. (1) 1 Bauliche Anlagen ... sowie ihre Teile sind so<br />

anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instandzuhalten, dass die öffentliche Sicherheit und<br />

Ordnung, insbesondere Leben oder Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht<br />

gefährdet werden. 2 Sie müssen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung die allgemeinen<br />

Anforderungen des Satzes 1 ihrem Zweck entsprechend angemessen dauerhaft erfüllen ...<br />

(2) 1 Die ...durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen<br />

eingeführten technischen Regeln sind zu beachten. ...... 4 Werden die allgemein<br />

anerkannten Regeln der Technik und Baukunst beachtet, gelten die entsprechenden<br />

bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes<br />

geltenden Vorschriften als eingehalten.<br />

Der Art. 3 der BayBO stellt damit ein wichtiges Bindeglied zwischen Recht und Technik<br />

dar. Die Bauordnungen der einzelnen Bundesländer basieren auf einer<br />

Musterbauordnung, womit eine im Grundsatz einheitliche Rechtslage gegeben ist.<br />

Der Ausdruck „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ ist juristisch ein unbestimmter<br />

Rechtsbegriff, der genau genommen nur im jeweiligen Einzelfall an Hand einer<br />

juristischen Überprüfung definiert werden könnte. Ganz allgemein billigt die<br />

Rechtssprechung einer DIN-Norm und ähnlichen Regelwerken die widerlegbare<br />

Vermutung zu, die allgemein anerkannten Regeln der Technik auf dem jeweiligen<br />

Fachgebiet wiederzugeben.<br />

2 Bedeutung der DIN 19712 Flussdeiche für die Bemessung<br />

Da nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), § 31 Ausbau, Deich und Dammbauten, die<br />

den Hochwasserabfluss beeinflussen, dem Gewässerausbau gleich stehen, ist bei der<br />

Herstellung oder wesentlichen Umgestaltung von Deichen ein wasserrechtliches<br />

Genehmigungsverfahren erforderlich. In einem solchen Genehmigungsverfahren haben<br />

die jeweiligen DIN-Normen, bei Deichen die DIN 19712 und in Teilbereichen, die nicht<br />

durch die DIN behandelt werden auch das DVWK-Merkblatt 210/1986 Flussdeiche die<br />

Funktion, dass bei ihrer Anwendung wie in Art. 3, Abs. 2 der BayBO ausgeführt der<br />

Rückschluss gilt, dass damit die bauaufsichtlichen Anforderungen im Hinblick auf die<br />

öffentliche Sicherheit und Ordnung als eingehalten gelten können. Ein entsprechender<br />

Nachweis auf andere Art ist schwieriger, da es dafür keine Vorgehensmuster gibt und er<br />

von den am Verfahren beteiligten Planern und dem amtlichen Sachverständigen neben<br />

der Bereitschaft dafür auch ein großes Fachwissen erfordert.<br />

Von ihrer Natur her sind DIN-Normen allerdings nur Empfehlungen, die einen<br />

Ermessensspielraum enthalten und von denen Abweichungen zulässig sind, soweit<br />

dadurch Sicherheitsbelange nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Durch modale<br />

Hilfsverben (DIN 820-2 über die Anwendungsregeln für modale Hilfsverben) wird<br />

festgelegt, ob es sich um eine ungedingte Forderung oder nur um eine Empfehlung oder<br />

Möglichkeit handelt.


Anforderungen<br />

Die Ausdrücke werden<br />

benutzt, um Anforderungen<br />

zu geben, die streng<br />

beachtet werden müssen<br />

um die Norm einzuhalten<br />

Empfehlungen<br />

Ausdrücke....um<br />

anzugeben, dass unter<br />

mehreren Möglichkeiten<br />

eine als besonders<br />

angemessen empfohlen<br />

wird, ohne andere zu<br />

erwähnen oder<br />

auszuschließen<br />

32<br />

Erlaubnis<br />

Ausdrücke .. um eine im<br />

Rahmen dieser Norm<br />

zulässigen<br />

Handlungsweise<br />

anzugeben.<br />

Möglichkeit<br />

Ausdrücke ..zum Ausdruck<br />

der Möglichkeiten und der<br />

Fähigkeiten<br />

Gebot (Verbot),<br />

Fähigkeit (Aussage)<br />

unbedingte Forderung Empfehlung,Richtlinie<br />

für Auswahl<br />

Erlaubnis,freistellend Möglichkeit (Verhalten)<br />

Verb Gleichbedeutend Verb Gleichbedeutend Verb Gleichbedeutend Verb Gleichbedeutend<br />

muss ist zu .....<br />

ist erforderlich ... sollte ist in der Regel...<br />

im allgemeinen... darf ist zulässig ....<br />

.... auch .....<br />

kann es ist möglich,<br />

dass ....<br />

darf<br />

nicht<br />

ist unzulässig .... sollte<br />

nicht<br />

ist in der Regel<br />

nicht ....<br />

muss nicht .... .. läßt sich nicht ..<br />

Unter diesem Gesichtspunkt sind in DIN 19712 für die Bemessung von Deichen einige<br />

Forderungen im Sinne von Geboten enthalten. Abweichungen von diesen Forderungen<br />

sollten in jedem Fall gut begründet werden.<br />

(Um diese Unterscheidung in unbedingte Forderungen und Empfehlungen oder<br />

Möglichkeiten in den Formulierungen der DIN zu verdeutlichen, sind nachfolgend der DIN<br />

entnommene Textteile in kursiver Schrift).<br />

Bei der Deichplanung müssen die Auswirkungen, die einen über den Bemessungswert<br />

hinausgehenden Abfluss haben, bedacht werden. Das bedeutet, dass dieser Punkt in der<br />

Planung angesprochen werden muss. Als Möglichkeit zur Verminderung des Risikos<br />

eines Deichbruchs in diesem Fall wird eine Polderflutung durch die gezielte Anordnung<br />

von erosionsfesten Überlaufstrecken genannt.<br />

Die Deichhöhe ergibt sich aus dem Bemessungshochwasserstand HWB und dem<br />

Freibord. Der Freibord setzt sich aus Windstau, Wellenauflaufhöhe und gegebenenfalls<br />

Zuschlägen zusammen. Zuschläge sind aus praktischen Gründen erforderlich. Die<br />

Deichkrone muss auch im Hinblick auf Ausführungstoleranzen, Dichtungsanschlüsse und<br />

Wühltierbefall über dem Bemessungshochwasserstand liegen. In diesem Punkt ist die<br />

DIN nicht eindeutig. Einerseits enthält der Freibord „gegebenenfalls“ Zuschläge,<br />

andererseits „sind“ Zuschläge aus praktischen Gründen erforderlich. Klar ist allerdings,<br />

dass Zuschläge im Freibord nicht den Zweck haben, Ungenauigkeiten bei der<br />

Bestimmung des BHQ bzw. des HWB zu kompensieren.<br />

Wenn an kleinen Wasserläufen im Binnenland auf die Ermittlung von Windstau und<br />

Wellenauflauf verzichtet wird und kein ausgeprägter Wühltierbefall zu erwarten ist, sollte<br />

der Freibord nicht kleiner als 0,5 m angesetzt werden. Im Rückschluss heißt diese<br />

Aussage, dass im Normalfall Windstau und Wellenauflauf zu ermitteln sind, wobei der<br />

Windstau bei Windstreichlängen unter etwa einem Kilometer vernachlässigt werden kann.<br />

Der Mindestfreibord von 0,5 m ist mit „sollte“ als eine Empfehlung einzustufen.<br />

Noch weniger bindend, nur als Möglichkeit ist die Aussage zu sehen, dass der Freibord<br />

mit der Deichhöhe wachsen kann, um zu verhindern, dass bei Überschreiten des<br />

Bemessungshochwassers Deichstrecken gerade dort überflutet und zerstört werden, wo<br />

die Deichhöhe und die dann einbrechenden Wassermassen am größten sind. Diese


33<br />

Wortwahl „kann“ ist unter dem Gesichtspunkt verständlich, dass bei den Rechenansätzen<br />

zur Ermittlung des erforderlichen Freibords die Wassertiefe vor dem Deich und damit die<br />

Deichhöhe nur einen ganz geringen Einfluss hat.<br />

Nachdem die Ermittlung der Wellenauflaufhöhe mit erheblichen Ungenauigkeiten behaftet<br />

ist, sollte sinngemäß für diesen Teil des Freibords ein Zuschlag angenommen werden.<br />

In Abschnitt 5 Planungsgrundsätze sind als Forderungen enthalten:<br />

Die Standsicherheit ist nach Abschnitt 9 nachzuweisen.<br />

Bei Planungsbeginn müssen Baugrundaussagen über Deichvorland,<br />

Deichuntergrund und Deichhinterland vorliegen. Dazu gehören<br />

Kenntnisse über bindige Deckschichten oder gering durchlässige<br />

Bodenschichten sowie Mächtigkeit und Durchlässigkeit des<br />

Grundwasserleiters.<br />

Der Abschnitt 7 enthält Aussagen zum Deichquerschnitt. Allgemein verbindliche<br />

Regelprofile für Deiche können nicht festgelegt werden. Die Standsicherheit kann mit<br />

einem Deich aus homogenem Material erreicht werden. Allerdings kann bei<br />

Einheitsdeichen in Abhängigkeit von der Durchlässigkeit des Schüttmaterials der<br />

Sickerwasseranfall erheblich sein und die Standsicherheit der luftseitigen Böschung im<br />

Bereich des Sickerwasseraustritts, die örtliche (lokale) Standsicherheit (Ziffer 9.3), ist<br />

besonders nachzuweisen ( Ziffer 9.3 … Falls keine Auflast- bzw. Erosionsschutzfilter vor<br />

der landseitigen Böschung aufgebracht werden, ist die Standsicherheit im<br />

Hangquellenbereich besonders nachzuweisen. Analog gelten hier die Anforderungen des<br />

Nachweises der allgemeinen Standsicherheit und die DIN 4084).<br />

Als erstrebenswert wird aber ein Aufbau in drei Zonen bezeichnet, mit einer<br />

wasserseitigen Dichtungsschicht, einem durchlässigen Stützkörper und einem stärker<br />

durchlässigen Dränkörper landseitig. Um einen druckfreien Sickerwasserabfluss zwischen<br />

den einzelnen Zonen zur Luftseite hin zu gewährleisten sollte der Unterschied der<br />

Durchlässigkeitsbeiwerte mindestens zwei Zehnerpotenzen betragen. Dieser „Faustwert“<br />

ist vor allem beim Übergang zum Dränkörper wichtig. Dränungen sind so zu bemessen,<br />

dass sie den Wasserzufluss mit mindestens zweifacher Sicherheit abführen können.<br />

An Schichtgrenzen unterschiedlich durchlässiger Bodenarten muss die Filterstabilität<br />

beachtet werden. (Abschn. 7.4.2 Oberflächendichtungen … Zwischen der Dichtung und<br />

dem Stützkörper muss Filterfestigkeit gewährleistet sein. Andernfalls muss eine<br />

Filterschicht als Kornfilter oder aus Geotextil zwischengeschaltet werden.)<br />

Hierzu gibt es eine Reihe von Verfahren, wobei z. B. das älteste, das Korngrößen-<br />

Filterkriterium von Terzaghi und Peck für nichtbindige Böden ein einfaches und nach wie<br />

vor verwendbares Verfahren ist.<br />

D15 / d85 ≤ 4 (1) und D15 / d15 ≥ 4 (2)<br />

mit D = Filtererdstoff und d = Basiserdstoff, Indexzahl = %-Siebdurchgang.<br />

Die Forderung nach einem Mindestabstandsverhältnis entsprechend Gleichung (2)<br />

berücksichtigt dabei die größere Wasserdurchlässigkeit für die Dränagefunktion. Bei


Körnungsbändern ist zu beachten, dass die beiden Nachweise mit den ungünstigsten<br />

Rändern des Körnungsbandes geführt werden.<br />

34<br />

Bei bindigen Böden mit merklicher Kohäsion bzw. einer Plastizitätszahl IP ≥ 10 ist nach<br />

der DIN bei Dränungen die Einhaltung einer Filterregel nicht mehr erforderlich. Das<br />

Abstandsverhältnis der Körnungslinien kann dann betragen<br />

IP = 10 D50 / d50 = 90 und IP ≥ 20 D50 / d50 ≤ 150 (Zwischenwerte interpoliert)<br />

Deichwege sind zur Deichverteidigung und –unterhaltung vorzusehen. Sie müssen auch<br />

von schweren Fahrzeugen befahren werden können. Damit sind Deichwege eine<br />

unbedingte Forderung. Er sollte landseitig auf der Berme angelegt werden und nur im<br />

Ausnahmefall auf der Deichkrone.<br />

Abschnitt 9: Standsicherheit<br />

Deiche müssen für die Lastfälle nach 9.7 unter Berücksichtigung des anstehenden<br />

Untergrundes standsicher sein.<br />

Bei dem Entwurf und der Berechnung von Deichen mit und ohne Dichtung ist mit der<br />

Möglichkeit einer völligen Durchsickerung bis zur landseitigen Böschung zu rechnen.<br />

Diese Forderung ist wohl unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass bei einem Deich mit<br />

Dichtung der luftseitige Stützkörper relativ durchlässig ist und im Hochwasserfall bei<br />

hohen oder gespannten Grundwasserständen der luftseitige Stützkörper von Unten her<br />

einen Zufluss erhält und sich deshalb in kurzer Zeit ein Durchsickerung einstellen kann.<br />

Die Bemessungswerte der Einwirkungen und der Widerstände sind nach DIN V 4084-100<br />

mit den Teilsicherheitsbeiwerten der DIN V 1054-100 zu ermitteln. Für den Nachweis der<br />

Standsicherheit gilt DIN V 4084-100. (Da bei den normativen Verweisungen beide<br />

Normen undatiert aufgeführt sind, gelten die jeweils letzten Ausgaben)<br />

3 Bedeutung der DIN 1054 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd und<br />

Grundbau für die Bemessung<br />

Mit der Einführung als Technische Baubestimmung erhält diese Norm einen stärkeren<br />

rechtlichen Status, da sie entsprechend Art. 3 Abs. 2 BayBO zu beachten ist.<br />

1. Anwendungsbereich<br />

Diese Norm betrifft die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken und<br />

Bauteilen im Erd- und Grundbau. Sie gilt für deren Herstellung und Nutzung und schließt die<br />

Änderung bestehender Bauwerke ein. Sie definiert die vom Baugrund beeinflussten<br />

Grenzzustände und enthält Grundsätze und Regeln für die zugehörigen Nachweise<br />

Die Norm gilt im Wesentlichen für folgende Bauwerke und Bauteile:<br />

a) Gründungen, z.B. Flachgründungen, Pfahlgründungen<br />

……..<br />

f) Erdbauwerke, z.B. Dämme, Einschnitte<br />

In der Norm wird ausgeführt, dass der verantwortliche Entwurfsverfasser bzw. die<br />

zuständigen Fachplaner über die zur Bewältigung ihres Aufgabenbereichs erforderliche<br />

Sachkunde und Erfahrung verfügen müssen. Der Entwurfsverfasser entscheidet nach<br />

Maßgabe der fachlichen Kompetenz (für Baumaßnahmen mit mittlerem und hohem<br />

Schwierigkeitsgrad, Geotechnische Kategorien GK 2 und GK 3) und ggf. im


Einvernehmen mit dem Bauherrn über die Einschaltung eines Fachplaners für Geotechnik<br />

(Abschn. 4.1 Grundlegende Anforderungen).<br />

35<br />

Die Baumaßnahme ist zu Beginn der Planung in eine Geotechnische Kategorie (GK)<br />

einzuordnen (Definition der GK in DIN 4020, wobei Deiche mit Wasserdrücken Δ h > 2<br />

m GK 3 zugeordnet werden). Die Mindestanforderungen an Umfang und Qualität<br />

geotechnischer Untersuchungen, Berechnungen und Überwachungsmaßnahmen richten<br />

sich nach den drei Geotechnischen Kategorien. (Abschn. 12.2... Folgende Merkmale<br />

erfordern in der Regel die Zuordnung von… Dämmen … zur Geotechnischen Kategorie<br />

GK 3:… Gefahr einer rückschreitenden Erosion; Dämme oder Bauwerke auf weichem,<br />

bindigem Baugrund; …). (DIN 19712 … Ziffer 9.7 Lastfälle und Sicherheiten… Als<br />

Erdbauwerke mit hohem geotechnischem Risiko in Bezug auf das zu schützende<br />

Hinterland sind Volldeiche in die geotechnische Kategorie GK 3 nach DIN V 1054-100<br />

einzustufen...)<br />

Zur Durchführung der in dieser Norm behandelten Sicherheitsnachweise sind<br />

geotechnische Untersuchungen erforderlich, die in einem Geotechnischen Bericht zur<br />

Baugrunduntersuchung nach DIN 4020 (geotechnischer Untersuchungsbericht)<br />

darzustellen sind und Aussagen (Aufzählung) … enthalten müssen (Abschn. 5.1.1).<br />

Art und Umfang der geotechnischen Untersuchungen richten sich nach der Art des<br />

Bauwerks, den in Betracht kommenden Bauverfahren und den Baugrundverhältnissen.<br />

Einzelheiten hierzu sind in DIN 4020 geregelt. Da die Untersuchungsergebnisse zunächst<br />

nur vermutet werden können, ist eine Anpassung der Untersuchungen an den jeweils<br />

erreichten Kenntnis- und Planungsstand unabdingbar.<br />

Die für die Nachweise erforderlichen charakteristischen Werte von Bodenkenngrößen<br />

(Abschnitt 5.3) sind im Grundsatz nach DIN 4020 auf der Grundlage von<br />

Bodenaufschlüssen nach DIN 4021, von Labor- und Feldversuchen sowie augrund<br />

weiterer Informationen für jede angetroffene Bodenart so festzulegen, dass die<br />

Ergebnisse der damit durchgeführten Berechnungen auf der sicheren Seite liegen. Ein<br />

Rückgriff auf Erfahrungswerte für charakteristische Werte von Bodenkenngrößen nach<br />

DIN 1055 wird zur Ermittlung von Einwirkungen infolge von Eigenlasten des Bodens oder<br />

von Erddruck zugelassen.<br />

Bei bindigen Böden geht durch Aufweichen infolge von Wasserzutritt die Kohäsion<br />

verloren. Im Bereich von Sickerwasseraustritten an Böschungen (z.B. Hangquellen an der<br />

luftseitigen Böschung) darf deshalb nur mit dem Reibungswinkel gerechnet werden.<br />

Nach DIN 4084 darf in nichtbindigen Böden in Abstimmung mit dem Sachverständigen für<br />

Geotechnik bei oberflächennahen Gleitlinien der Reibungswinkel erhöht werden, bis zu<br />

einer Tiefe von 1 m normal zur Böschungsoberfläche um 15 % und darunter bis 2,5 m<br />

Tiefe linear auf 0 % abnehmend.<br />

4 Der Sicherheitsnachweis nach DIN 19712 und DIN 1054 - Lastfälle<br />

Beim Sicherheitsnachweis mit Teilsicherheitsbeiwerten nach DIN 1054 wird zwischen<br />

dem Nachweis<br />

• der Tragsicherheit (Versagen des Bauwerks oder von Bauteilen) und


36<br />

• der Gebrauchstauglichkeit (Erfüllung der für die Nutzung festgelegten<br />

Bedingungen) unterschieden.<br />

Bei den Nachweisen der Tragsicherheit wiederum werden vier Fälle unterschieden<br />

• Grenzzustand des Verlustes der Lagesicherheit GZ 1A<br />

Versagen des Bauwerks durch Gleichgewichtsverlust ohne Bruch, z. B.<br />

Aufschwimmen oder hydraulischer Grundbruch. Dazu werden in den<br />

Grenzzustandsbedingungen die Bemessungswerte von günstigen und<br />

ungünstigen Einwirkungen einander gegenübergestellt. Widerstände treten im GZ<br />

1A<br />

auf<br />

z. B. Auftriebssicherheit einer Bodenschicht: Ak ⋅ γG,dst ≤ Gk,stb ⋅ γG,stb<br />

nicht<br />

Dabei ist<br />

Ak die an der Unterseite einwirkende charakteristische hydrostatische<br />

Auftriebskraft<br />

γG,dst der Teilsicherheitsbeiwert für ungünstige ständige Einwirkungen im<br />

GZ 1A nach Tab. 2<br />

Gk,stb der untere charakteristische Wert günstiger ständiger Einwirkungen<br />

(Bodengewicht)<br />

γG,stb der Teilsicherheitsbeiwert für günstige ständige Einwirkungen im<br />

GZ 1A nach Tab. 2<br />

• Grenzzustand des Versagens von Bauwerken und Bauteilen GZ 1B durch Bruch<br />

im Bauwerk oder durch Bruch des stützenden Baugrunds, z. B. Materialversagen<br />

von Bauteilen, Grundbruch, Gleiten, Versagen des Erdwiderlagers<br />

• Grenzzustand des Verlustes der Gesamtstandsicherheit GZ 1C Versagen des<br />

Baugrundes, ggf. einschließlich auf oder in ihm befindlicher Bauwerke, durch<br />

Bruch im Boden, ggf. auch zusätzlich durch Bruch in mittragenden Bauteilen, z.B.<br />

Böschungsbruch<br />

Die Norm geht bei der Bemessung von Bauwerken oder einzelner Bauteile von folgender<br />

Vorgehensweise aus:<br />

• Ermittlung der charakteristischen Werte der Einwirkungen Fk,i (Index „k“) z.B.<br />

Erddruck, Wasserdruck oder Verkehr etc.<br />

• Ermittlung der charakteristischen Beanspruchungen Ek,i in Form von<br />

Schnittgrößen, Spannungen, Momenten<br />

• Ermittlung der charakteristischen Widerstände des Baugrunds Rk,i z. B.<br />

Erdwiderstand, Gleitwiderstand etc.<br />

• Ermittlung der Bemessungswerte der Beanspruchungen Ed,i (Index „d“) durch<br />

Multiplikation von Ek,i i mit den Teilsicherheitsbeiwerten für Einwirkungen γF aus<br />

Tabelle 2 ⇒Σ Ed,i = Ek,i ⋅ γF


37<br />

• Ermittlung der Bemessungswerte der Widerstände des Baugrunds Rd,i durch<br />

Division von Rk,i mit dem Teilsicherheitsbeiwert für Widerstände γR nach Tabelle<br />

3 ⇒ Rd,i = Rk,i / γR<br />

• Nachweis der Einhaltung der Grenzzustandsbedingungen durch<br />

Gegenüberstellung der Bemessungswerte Σ Ed,i ≤ Σ Rd,i<br />

Möglich ist auch die Schreibweise<br />

(mit Σ Ed,i / Σ Rd,i = μ erhält man den Ausnutzungsgrad)<br />

Σ Ed,i / Σ Rd,i ≤ 1<br />

Beispiel:<br />

Der Nachweis der Gleitsicherheit ist dem Grenzzustand GZ 1B zugeordnet:<br />

Ed,G = Ek,G ⋅γG ≤ Rd,Gl = Rk,Gl / γGl<br />

Die charakteristischen Einwirkungen Ek,G und Widerstände Rd,Gl werden auf die gleiche<br />

Weise wie bisher berechnet und damit ist das Maß der Sicherheit die Größe der<br />

Teilsicherheitsbeiwerte ⇒ E/R = γG / (1/γGl) ⇒ im LF 2 1,20 / (1/1,10) = 1,32<br />

im LF 3 …1,00 / (1/1,10) = 1,10<br />

Das bedeutet, dass im LF 2 das gleiche Sicherheitsniveau wie bisher eingehalten ist und<br />

im LF 3 mit 1,10 eine etwas geringere Sicherheit wie früher gegeben ist.<br />

Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (GZ 2) beziehen sich im Regelfall auf<br />

einzuhaltende Verformungen bzw. Verschiebungen. Im Einzelfall können auch weitere<br />

Kriterien maßgebend sein. Bei Deichen ist darunter die Ermittlung der Setzungen<br />

einzuordnen. Die zu erwartenden Setzungen sind als Überhöhung des Deichprofils zu<br />

berücksichtigen, damit der erforderliche Freibord dadurch nicht verringert wird.<br />

In DIN 19712 sind in Abschnitt 9 Standsicherheit unter Ziffer 9.1 die zu erbringenden<br />

Nachweise aufgezählt. Wie sie den Grenzzuständen in DIN 1054 zugeordnet werden<br />

können, zeigt die nachfolgende Tabelle.


38<br />

Dabei ist die Zuordnung nicht immer eindeutig zu treffen. Da die DIN 1054 auf die Art des<br />

Nachweises abzielt – z.B. bei GZ 1A treten keine Widerstände auf – Bei der<br />

Einwirkungskombination Versagen der Dichtung oder Dränage ist im luftseitigen<br />

Stützkörper eine Sickerlinie vorhanden und der rechnerische Nachweis erfolgt über eine<br />

Böschungsbruchberechnung der Luftseite und eine Überprüfung der örtlichen<br />

Standsicherheit. Damit ist, obwohl es sich um ein Versagen eines Bauteiles handelt, die<br />

Zuordnung der Nachweisführung zu GZ 1C.<br />

DIN 19712 … Folgende Nachweise sind zu erbringen: Zuordnung zu<br />

DIN 1054<br />

- allgemeine Standsicherheit der land- und wasserseitigen<br />

GZ 1C<br />

Böschungsbereiche<br />

- örtliche Standsicherheit<br />

GZ 1C *<br />

(bei weichem, bindigem Untergrund ist der Nachweis der Spreizsicherheit<br />

des Dammfußes zu führen)<br />

)<br />

DIN 19712 … Folgende Nachweise sind zu erbringen: Zuordnung zu<br />

DIN 1054<br />

- allgemeine Standsicherheit der land- und wasserseitigen<br />

GZ 1C<br />

Böschungsbereiche<br />

- örtliche Standsicherheit<br />

GZ 1C *<br />

(bei weichem, bindigem Untergrund ist der Nachweis der Spreizsicherheit<br />

des Dammfußes zu führen)<br />

)<br />

- Standsicherheit von Böschungsdichtungen bei Wasserüberdruck GZ 1A ** )<br />

- Standsicherheit von Böschungsdichtungen bei Wasserüberdruck GZ 1A ** )<br />

- Auftriebssicherheit bzw. Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch GZ 1A<br />

- Sicherheit gegen Suffosion und Erosionsgrundbruch GZ 1A<br />

* ) Die Zuordnung ist nicht eindeutig. Der Nachweis der örtlichen Standsicherheit erfolgt in<br />

der Regel mit böschungsparallelen Gleitlinien und ist dadurch als „Böschungsbruch“<br />

anzusehen (Rechenansatz des Widerstand mit Scherfestigkeit tan φ), auch wenn er von<br />

der Beschreibung der Grenzzustände wohl mehr GZ 1B, Versagen durch Bruch im<br />

Bauwerk, zuzuordnen wäre, da damit nicht der Verlust der Gesamtstandsicherheit<br />

gegeben ist.<br />

** ) Hier ist die Zuordnung ebenfalls nicht eindeutig. Der rechnerische Nachweis erfolgt<br />

aber wie beim Auftrieb und es treten keine Widerstände auf.<br />

Neben der Zuordnung der jeweiligen Nachweise zu einem Grenzzustand ist die<br />

Einordnung in einen Lastfall vorzunehmen, um aus den Tabellen 2 und 3 der DIN 1054<br />

dann den jeweiligen Teilsicherheitsbeiwert entnehmen zu können.<br />

In Abschnitt 6.3 Bemessungssituationen erfolgt über eine Verknüpfung von<br />

Einwirkungskombinationen (EK) und bei den Widerständen Sicherheitsklassen (SK) eine<br />

Definition der Lastfälle.<br />

Durch die Einführung einer zweiten Komponente neben den Einwirkungen ist dies etwas<br />

verwirrend, da bei Deichen der Begriff „Sicherheitsklassen bei den Widerständen“ nicht<br />

recht zugeordnet werden kann. Zu verstehen ist darunter aber ein Kriterium für die Dauer<br />

und Häufigkeit mit der Einwirkungen auftreten.<br />

Da Deiche nicht ständig eingestaut sind (Wasserdruck und entsprechende Strömungen<br />

sind keine ständigen Lasten), sind auch die Einwirkungen der Regel-Kombination (LF 1)<br />

nach DIN 1054 für Deiche nicht zutreffen. Damit vereinfacht sich das Schema der<br />

Lastfälle in DIN 1054 etwas.


39<br />

Einwirkungskombination + Sicherheitsklasse<br />

Regel-Kombination EK1<br />

Ständige, regelmäßig auftretende<br />

Einwirkung<br />

Seltene Kombination EK2<br />

Außer EK1 seltene oder einmalig<br />

planmäßige Einwirkung<br />

+ Sicherheitsklasse SK1<br />

Auf die Funktionszeit des Bau-<br />

werks angelegte Zunstände<br />

+ Sicherheitsklass SK1<br />

Regel-Kombination EK1 + Sicherheitsklass SK2<br />

Bauzustände oder Reparatur<br />

und Zustände durch<br />

Baumaßnahmen neben dem<br />

Außergewöhnl. Komb. EK3<br />

Außer EK1 eine gleichzeitig mög-<br />

liche außergewöhnl. Einwirkung,<br />

inbes. Erdbeben, Katastrophen<br />

Bauwerk<br />

+ Sicherheitsklass SK2<br />

Seltene Kombination EK2 + Sicherheitsklasse SK3<br />

Einmalige oder voraussichtlich<br />

nie auftretende Zustände<br />

= Lastfall<br />

LF1<br />

= „Ständige Bemessungssituation“<br />

=<br />

=<br />

=<br />

=<br />

LF2<br />

„vorrüberggehende<br />

Bemessungssituation<br />

LF3<br />

„außergewöhnliche<br />

Bemessungssituation<br />

In DIN 19712 sind als seltene Kombinationen (LF 2) folgende Einwirkungen genannt:<br />

Eigengewicht<br />

Verkehrslast auf Krone und Berme<br />

Bemessungshochwasserstand HWB<br />

Diese sind hinsichtlich der Dauer und Häufigkeit des Auftretens der Sicherheitsklasse SK<br />

1 zuzuordnen und entsprechen damit LF 2 nach DIN 1054<br />

Als außergewöhnliche Kombination (LF 3) auf der Einwirkungsseite sind aufgeführt:<br />

Eigenlast<br />

Verkehrslast auf Krone und Berme<br />

Wasserstand bis Deichkrone (ohne Wühltierzone)<br />

gegebenenfalls Versagen der Dränungen<br />

gegebenenfalls Versagen der Dichtung<br />

Nach den Definitionen der DIN 1054 sind im LF 3 einmalig oder voraussichtlich nie<br />

auftretende Zustände (SK 3) mit seltenen oder einmalig planmäßigen Einwirkung (EK 2)<br />

zu verbinden, bzw. EK 3 mit SK 2, nicht aber EK 3 mit SK 3.<br />

Bauzustände und damit SK 2 sind bei der in DIN 19712 als außergewöhnlich<br />

bezeichneten Kombination nicht gegeben. Damit wären als LF 3 Versagen von<br />

Dränungen oder Dichtung bei einer Zuordnung zu SK 3 mit EK 2, also Eigengewicht,<br />

Verkehrslast und Bemessungshochwasserstand HWB zu kombinieren und nicht mit einem<br />

Wasserstand bis zur Deichkrone.<br />

Nachdem bei einem Wasserstand bis zur Deichkrone ein gleichzeitiges Befahren der<br />

Deichkrone ein nicht nur voraussichtlicher, sonder tatsächlich nie auftretender Zustand ist,


sollte sinngemäß bei dieser Einwirkung höchstens eine Verkehrslast auf der Berme, nicht<br />

aber auf der Krone angesetzt werden.<br />

40<br />

Obwohl in DIN 19712 geforderte wird:„… Wasserseitige Böschungen und Bermen, der<br />

Bereich der Deichkrone … sind von Gehölzen freizuhalten.“ kommt es vor, dass z.B in<br />

Ortsbereichen Gehölze aufgewachsen sind, deren Entfernung auf heftigste Widerstände<br />

stößt. Damit ist eine Einwirkungskombination Windwurf von Gehölzen bei Bewuchs<br />

auf Deichböschung nicht auszuschließen. Dies gilt insbesondere für die Wasserseite, da<br />

bei Hochwasser der Boden aufweichen kann und damit die Gefahr wesentlich größer als<br />

auf der Luftseite ist. Durch die Strömung kann dann die aufgebrochene Böschung<br />

erodieren und abgetragen werden. Die Sicherheit für diese Einwirkungskombination kann<br />

meist nur dadurch erreicht werden, dass in den Deich eine Innendichtung eingebracht<br />

wird, die dann auch ohne Stützung durch die Böschung stehen bleibt, also eine statische<br />

Wirkung hat. Das Problem bei dieser Einwirkungskombination, die als außergewöhnlicher<br />

Lastfall (LF 3) anzusehen ist, ist die Festlegung der verbleibenden „Restböschung“ bzw.<br />

die Höhe der freigelegten Dichtung. Hier muss ein gewisser Kompromiss gefunden<br />

werden zwischen „Sicherheitsdenken“ und einigermaßen vertretbaren Dimensionen der<br />

Dichtungswand, die sich aus der angenommenen Belastung ergeben. Als Anhaltswert für<br />

die verbleibende Restböschung könnte in Anlehnung an das Merkblatt Standsicherheit<br />

von Dämmen an Bundeswasserstraßen (MSD) eine Böschungsneigung von β = φ /2<br />

dienen.<br />

Die in DIN 19712 enthaltene „Sicherheitsphilosophie“ geht davon aus, dass ein Deich für<br />

einen gewählten Hochwasserabfluss „bemessen“ wird und der ermittelte Freibord die<br />

Aufgabe hat, dass die Deichkrone beim Bemessungshochwasser nicht durch Wellen<br />

überspült wird. Steigt bei einem größeren Hochwasser als dem Bemessungshochwasser<br />

der Wasserstand bis über die Deichkrone wird der Deich überronnen und es ist von einem<br />

Bruch auszugehen, wenn nicht die luftseitige Böschung entsprechend gesichert wird. Eine<br />

Überströmung des Deiches erfolgt als „Bemessungsfall“ nur im Bereich von<br />

Überlaufstrecken.<br />

Eine Innendichtung ist im Katastrophenfall einer Überströmung ein „konstruktives“<br />

Element, das die Standsicherheit erhöht. Wird ein Deich überströmt und die luftseitige<br />

Böschung erodiert, so ist die verbleibende „Restböschung“ in erster Linie eine Frage der<br />

Überströmungshöhe und -dauer. Letztlich kann die Böschung bis auf Geländehöhe<br />

abgetragen werden und darüber hinaus sogar noch ein Kolk entstehen. Eine<br />

Innendichtung auf einen solchen Belastungsfall zu dimensionieren ist letztlich aus<br />

technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Ein Standsicherheitsnachweis<br />

etwa mit einer Restböschungsneigung von β = φ /2 lässt nur den Rückschluss zu, dass<br />

der Deich zwar sicherer geworden ist, das Sicherheitsniveau aber nicht dem einer<br />

geplanten Überlaufstrecke entspricht.<br />

Der Versagensmechanismus einer Deichüberströmung entzieht sich einer berechenbaren<br />

Planung und kann deshalb auch kein „Bemessungslastfall“ sein.


Literatur<br />

41<br />

[1] Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) (2003): Instrumente und<br />

Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Leitlinien für einen zukunftsweisenden<br />

Hochwasserschutz<br />

[2] DIN 19712 Flussdeiche (November 1997)<br />

[3] DIN 1054 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau (Jan. 2005)<br />

[4] Entwurf DIN 4084 Baugrund, Böschungs- und Geländebruchberechnungen (Juni 1990<br />

und November 2002)<br />

[5] Bundesanstalt für Wasserbau (2005): Merkblatt Standsicherheit von Dämmen an<br />

Bundeswasserstraßen (MSD)<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Herbert Weiß (a. D.)<br />

Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft<br />

Abteilung 4, Referat 42 „Wasserbau- und Erdbautechnik“<br />

Moosäcker 4<br />

85570 Markt Schwaben<br />

herbert.weiss@lfu.bayern.de


42<br />

Rechtliche Aspekte bei der Deichertüchtigung<br />

1. Einleitung und Abgrenzung<br />

Franz Rasp<br />

Die praktische Umsetzung von Maßnahmen zur Deichsanierung ist neben den<br />

technischen Fragestellungen wie z.B. Standsicherheit und der Verfügbarkeit von<br />

Finanzmitteln noch durch eine Vielzahl von sonstigen Randbedingungen geprägt. Im<br />

Folgenden werden exemplarisch die für Deichsanierungen in Bayern wichtigsten<br />

Rechtsvorschriften erläutert und die Folgerungen für Planung und Realisierung<br />

aufgezeigt.<br />

2. Die Deichsanierung im Kontext der wichtigsten Rechtsvorschriften<br />

2.1 Zuständigkeiten<br />

In Bayern orientiert sich nach dem Bayerischen Wassergesetz (BayWG) die Zuständigkeit<br />

für Deichsanierungsmaßnahmen an der Gewässerordnung. Dabei werden die<br />

Fließgewässer nach ihrer Größe und Bedeutung unterteilt in Gewässer erster (GEW I),<br />

zweiter (GEW II) und dritter (GEW III) Ordnung.<br />

Die Gewässer erster Ordnung sind in der Anlage zum Bayerischen BayWG aufgeführt.<br />

Sie stellen die größeren Gewässer in Bayern mit einer Gesamtlänge von etwa 4 800 km<br />

dar. Zuständig für den Bau und die Unterhaltung der Hochwasserschutzdeiche ist der<br />

Freistaat Bayern, in dessen Namen die Wasserwirtschaftsämter diese Maßnahmen<br />

durchführen.<br />

Die mittleren Gewässer zweiter Ordnung sind in der Verordnung Gewässer zweiter<br />

Ordnung (GewZweiV) mit einer Gesamtlänge von etwa 4 900 km dargestellt. Die<br />

Zuständigkeit liegt bei den Bezirken, auch hier führen die Wasserwirtschaftsämter die<br />

notwendigen Maßnahmen durch.<br />

Die Gewässer dritter Ordnung sind alle übrigen Fließgewässer mit einer Gesamtlänge von<br />

über 60 000 km in Bayern. Zuständig für die Deiche an diesen GEW III sind die jeweiligen<br />

Städte und Gemeinden, die Wasserwirtschaftsämter stehen hier beratend zur Verfügung.<br />

Diese Zuständigkeiten gelten sowohl für Neubau- als auch Sanierungsmaßnahmen an<br />

den zugehörigen Hochwasserschutzanlagen. Ausnahmen gibt es bei Wildbächen,<br />

Bundeswasserstraßen und wenn im Planfeststellungsbescheid für einen Deich etwas<br />

anderes geregelt ist, z. B. im Bereich von Wasserkraftanlagen.<br />

2.2 Unterscheidung Gewässerausbau – Gewässerunterhalt<br />

Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes und das Bayerische Wassergesetz<br />

(BayWG) unterscheiden generell bei Baumaßnahmen an Gewässern zwischen den<br />

wasserrechtlichen Begriffen „Gewässerausbau“ und „Gewässerunterhaltung“, mit jeweils<br />

unterschiedlichen Rechtsfolgen. Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen keiner Gestattung<br />

durch eine Behörde.


43<br />

Handelt es sich wasserrechtlich aber um einen Gewässerausbau, so ist ein<br />

Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. Dieses<br />

Verfahren dauert im günstigsten Fall mindestens ein halbes Jahr. Der zuständige<br />

Maßnahmenträger wird meist bestrebt sein, die Deichsanierungsmaßnahmen<br />

wasserrechtlich als Unterhaltungsmaßnahme durchzuführen, um ein zeitaufwändiges und<br />

ressourcenintensives Planfeststellungsverfahren zu vermeiden.<br />

Die Antwort auf die Frage, ob eine Deichsanierungsmaßnahme Gewässerausbau oder<br />

Gewässerunterhalt ist, ergibt sich aus dem WHG. Einschlägig ist dabei § 31 Abs. 2 WHG:<br />

„Die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder<br />

seiner Ufer (Gewässerausbau) bedarf der Planfeststellung durch die zuständige Behörde.<br />

Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, stehen dem<br />

Gewässerausbau gleich.“ Nach herrschender Meinung bedeutet der oben dargestellte<br />

§ 31 Abs. 2 WHG analog für Unterhaltungsmaßnahmen (§ 28 WHG), dass der Träger der<br />

Unterhaltungslast an einem Gewässer (s. o. Zuständigkeiten) auch für den<br />

ordnungsgemäßen Zustand der Hochwasserschutzdeiche an diesem Gewässer<br />

verantwortlich ist (Schwendner in SZDK, Rn. 36 und § 28 WHG). Bei der Beurteilung, ob<br />

es sich wasserrechtlich um einen Ausbau oder Unterhaltung handelt, stellt sich somit im<br />

Kern die Frage, ob die Deichsanierungsmaßnahme den Hochwasserabfluss beeinflusst<br />

oder nicht. Ist letzteres der Fall, so handelt es sich wasserrechtlich um eine<br />

Unterhaltungsmaßnahme. Dabei lässt sich vereinfacht sagen, dass der<br />

Hochwasserabfluss dann beeinflusst wird, wenn die Auswirkungen im Rahmen der<br />

gegebenen Ungenauigkeiten berechenbar, insbesondere aber messbar sind. Beispiele zu<br />

Verdeutlichung:<br />

Unterhaltung<br />

Ausbau<br />

Ausgleich von lokalen Setzungen<br />

Luftseitige Deichverbreiterung<br />

Uferumgestaltung<br />

Einbringen einer Innendichtung<br />

Abtrag und sofortiger Neuaufbau eines Deiches mit gleichen<br />

Abmessungen<br />

Durchgehende Deicherhöhung<br />

Erhebliche wasserseitige Verbreiterung von Schardeichen<br />

Sohlschwellen und Rampen zur Anhebung / Absenkung der<br />

Gewässersohle


Allgemein lässt sich sagen: Deichsanierungen als wasserrechtliche<br />

Unterhaltungsmaßnahmen<br />

44<br />

sind eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung<br />

bedürfen keiner behördlichen Gestattung<br />

entbinden nicht von den Verpflichtungen aufgrund anderer<br />

Rechtsvorschriften.<br />

Hinweis: Flussdeiche sind i. d. R. kein Bestandteil eines Gewässers. Dieses wird gemäß<br />

BayWG durch die Uferlinie bei Mittelwasser begrenzt. Wesentliche Umgestaltungen an<br />

Flussdeichen sind somit keine (planfeststellungspflichtige) wesentliche Umgestaltung<br />

eines Gewässers.<br />

2.3 Duldungspflicht<br />

Unterhaltungsmaßnahmen lösen eine Duldungspflicht gemäß Art. 51 BayWG i. V. m. § 30<br />

WHG aus. Die Anlieger und Hinterlieger haben dabei die erforderlichen Maßnahmen zu<br />

dulden, wie z. B. das Fällen von Bäumen auf dem Deich oder das Zwischenlagern von<br />

Oberboden. Die Beeinträchtigungen sind dabei aber so gering wie möglich zu halten,<br />

Schäden sind auszugleichen. Die Duldungspflicht tritt nur ein, wenn eine vorherige<br />

Ankündigung erfolgt ist. Es besteht dafür zwar keine Formvorschrift, persönliche<br />

Anschreiben werden aber empfohlen. Sollte der Hochwasserschutzdeich auf Privatgrund<br />

liegen, so gehören die Bäume auf dem Deich gehören dem Grundeigentümer.<br />

2.4 Retentionsraumausgleich<br />

Wird bei Deichsanierungsmaßnahmen der Deich wasserseitig verbreitert, löst dies eine<br />

Ausgleichspflicht nach § 31b Abs. 6 Satz 1 WHG (Erhalt Überschwemmungsgebiete) aus.<br />

Dabei muss ein funktionaler Ausgleich für den Verlust von natürlichen<br />

Überschwemmungsgebieten erfolgen.<br />

2.5 Naturschutzrechtlicher Ausgleich<br />

Das Naturschutzrecht wird vom Wasserrecht nicht verdrängt, sondern ist neben diesem<br />

anwendbar. Auch bei Unterhaltungsmaßnahmen kommen die naturschutzrechtlichen<br />

Regelungen zur Anwendung. Insbesondere kann eine derartige Maßnahme einen Eingriff<br />

i. S. d. Art. 6 Abs. 1 BayNatSchG darstellen. Bei Deichen und Dämmen, die den<br />

Hochwasserabfluss beeinflussen, richtet sich der Umfang der Unterhaltung nach § 28<br />

Abs. 2 WHG i. V. m. § 31 Abs. 2 Satz 2 WHG primär nach dem<br />

Planfeststellungsbeschluss. Soweit dort bestimmte Unterhaltungsmaßnahmen festgesetzt<br />

sind, wurde die Abwägung mit den Belangen des Naturschutzes bereits im<br />

Planfeststellungsverfahren getroffen.<br />

Gibt es bei alten Flussdeichen keinen Planfeststellungsbeschluss, gelten allgemeine<br />

Regelungen. Dabei sind die Wasserwirtschaftsämter rechtlich verpflichtet, bei<br />

Maßnahmen in ihrem Aufgabenbereich die Ziele des Naturschutzes und der<br />

Landschaftspflege zu beachten und mit den Naturschutzbehörden zu kooperieren. Die<br />

dafür zuständige untere Naturschutzbehörde kann zwar i. d. R. aufgrund der Bedeutung<br />

des Hochwasserschutzes für das Wohl der Allgemeinheit eine


Deichsanierungsmaßnahme, insbesondere Baumfällungen nicht untersagen, aber<br />

Ausgleichsmaßnahmen fordern.<br />

45<br />

2.6 Naturnahe Ufergestaltung<br />

Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Gewässerunterhalt verlangt, die Ufer und<br />

anschließenden Uferstreifen möglichst naturnah zu gestalten (Art. 42 BayWG i. V. m. § 28<br />

WHG, auch: Bewirtschaftungsziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie). Dazu gehört die<br />

Abflachung der Böschungen, das Herstellen von Flachwasserzonen oder der Uferschutz<br />

mit Wasserbausteinen. Diese Maßnahmen sind im Zuge des Gewässerunterhalts<br />

genehmigungsfrei möglich. Für Maßnahmen der Deichsanierung kann sich diese<br />

Forderung des BayWG zunutze gemacht werden. Maßnahmen zur Uferabflachung sind<br />

i. d. R. mit einer Aufweitung des Abflussprofils verbunden. Diese Aufweitung kann eine<br />

wasserseitige Deichverbreiterung kompensieren, sodass der Hochwasserabfluss nicht<br />

beeinflusst wird, d. h. die Wasserspiegellagen unverändert bleiben. Zudem kann dadurch<br />

ein Retentionsraumverlust zumindest volumenmäßig ausgeglichen werden. Des Weiteren<br />

kann damit ein naturschutzfachlicher Ausgleich geschaffen werden.<br />

2.7 Einbau eines Dichtelementes oder Nachrüstung Binnenentwässerung<br />

Wasserrechtlich handelt es sich hier nicht um einen Ausbautatbestand, weil der<br />

Hochwasserabfluss nicht beeinflusst wird. Dennoch ist bei der Binnenentwässerung eine<br />

wasserrechtliche Gestattung für zeitweilige Grundwasserabsenkung und Einleitung des<br />

Drainagewassers notwendig. Beim Einbau eines Dichtelementes ist ebenso eine<br />

wasserrechtliche Gestattung notwendig, wenn in das Grundwasserregime, insbesondere<br />

außerhalb des unmittelbaren Hochwasserereignisses, eingegriffen wird. Für eine<br />

Oberflächendichtung oder unvollkommene Innendichtung ist dies i. d. R. nicht der Fall.<br />

Werden diese Maßnahmen als Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt, müssen diese<br />

Gestattungen bei der unteren Wasserrechtsbehörde am Landratsamt oder der Stadt<br />

beantragt werden.<br />

2.8 Waldgesetz<br />

Das Bayerische Waldgesetz kommt zum tragen, wenn Wald (stark vereinfacht:<br />

geschlossenes Kronendach) gerodet, also auf Dauer entfernt wird.<br />

Ist der Freistaat Bayern Eigentümer des Deiches, bedarf es bei<br />

Unterhaltungsmaßnahmen keiner Rodungserlaubnis, auch wenn der Bewuchs auf dem<br />

Deich als Wald einzustufen ist. Ist der Deich dagegen in Privateigentum, bedarf es der<br />

Abstimmung mit der unteren Forstbehörde.<br />

2.9 Eigentumsverhältnisse<br />

An den bayerischen Fließgewässern ist die öffentliche Hand nicht immer Eigentümer der<br />

Deichaufstandsflächen. Im Zuge von Unterhaltungsmaßnahmen ist nur ein Ankauf dieser<br />

Flächen auf freiwilliger Basis möglich. Dies wird von den Wasserwirtschaftsämtern<br />

insbesondere auch für die Deichschutzstreifen angestrebt. Für eine Enteignung ist<br />

grundsätzlich ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren und ein anschließendes<br />

Enteignungsverfahren nötig. Diese Verfahren sind sehr personal- und zeitaufwändig und<br />

werden in der Praxis nur bei Ausbauvorhaben, nicht aber für<br />

Deichsanierungsmaßnahmen angewendet. Landseitige Deichverbreiterungen unter


Berufung auf die Duldungspflichten des Art. 51 sind de facto nur in Ausnahmefällen<br />

möglich, insbesondere wenn nur minderwertig genutzte Flächen betroffen sind.<br />

46<br />

2.10 Verkehrssicherungspflicht<br />

Die Verkehrssicherungspflicht begründet sich auf § 823 BGB (Schadenersatzpflicht). Wird<br />

im Zuge einer Deichsanierungsmaßnahme ein Deichweg angelegt, so wird damit ein<br />

neuer „Verkehrsbereich eröffnet“. Für diesen Deichweg hat der Maßnahmenträger dann<br />

auch die Verkehrssicherungspflicht. Oft wollen die Gemeinden diese Wege gerne als<br />

Rad- oder Fußwege widmen, die Verkehrssicherungspflicht geht dazu per Vereinbarung<br />

an die Gemeinde über. Ist dies nicht der Fall, so sind schon während der Planung der<br />

Deichsanierungsmaßnahmen geeignete, vollständige Absperrungen vorzusehen,<br />

Hinweisschilder reichen nicht aus.<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Franz Rasp<br />

Wasserwirtschaftsamt Traunstein<br />

Abteilungsleiter Landkreis Traunstein<br />

Rosenheimer Str. 7<br />

83278 Traunstein<br />

franz.rasp@wwa-ts.bayern.de


Kurzfassung<br />

47<br />

Anwendung von Geokunststoffen bei der<br />

Deichertüchtigung<br />

Georg Heerten & Katja Werth<br />

Geokunststoffe werden im Deichbau als flächige Dichtungs-, Filter- und Dränschichten,<br />

zum Erosionsschutz sowie zur Bewehrung eingesetzt. In den vergangenen Jahren<br />

wurden bei der Sanierung der Hochwasserschäden an den Deichen der Oder, Elbe,<br />

Donau und deren Nebenflüssen geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD,<br />

Bentonitmatten) zur Ausbildung der wasserseitigen Oberflächendichtungen, Geogitter zur<br />

Erhöhung der Tragfähigkeit der Deichunterhaltungswege sowie zur<br />

Setzungsvergleichmäßigung bei unbelasteten Untergründen (Neudeiche) und<br />

Filtervliesstoffe zur erosionsfesten Ausbildung der luftseitigen Drän- und Auflastkörper<br />

erfolgreich eingesetzt. Im vorliegenden Beitrag werden Anwendungsmöglichkeiten<br />

vorgestellt und insbesondere die erfolgreiche Bauweise mit geosynthetischen<br />

Tondichtungsbahnen vorgestellt.<br />

1 Einleitung<br />

In den letzten 10 Jahren ist Deutschland von extremen Hochwassern an Oder (1997),<br />

Donau (1999), Isar (2005) und Elbe (2002 und 2006) sowie an deren Nebenflüssen mit<br />

katastrophalen Schäden heimgesucht worden. Die Notwendigkeit eines effektiven<br />

Hochwasserschutzes wurde zuletzt im Frühjahr 2006 an der Elbe in Niedersachen<br />

deutlich, wo insbesondere die in der Unterhaltung vernachlässigten Deiche der<br />

Nebenflüsse zur Zitterpartie für die Helfer wurden. Etwa 7500 km Flussdeiche bilden das<br />

Rückgrat des Hochwasserschutzes in Deutschland. Deichbrüche von vergleichsweise<br />

"greisenhaft" alten Deichen prägten bei der Elbe-Flut 2002 die Schadensszenarien (Abb.<br />

1 allein über 100 Deichbrüche an der Mulde!), begleitet von Sandsackschlachten mit<br />

Einsatz unzähliger Helfer, die gegen das vollständige Versagen der wassergesättigten<br />

Deiche kämpften. Die erforderliche Gebrauchstauglichkeit war und ist bei diesen Deichen<br />

nicht gegeben, kann aber durch technische Maßnahmen auch für lang einstauende<br />

Hochwasser mit Hochwasserscheitelwasserständen im Rahmen des<br />

Bemessungshochwassers wieder hergestellt werden.


Abb. 1: Deichbrüche an Mulde (2002, links) und Donau (Neustadt, 1999, rechts)<br />

2 Entwurfsgrundlagen<br />

48<br />

Die Entwurfsgrundsätze zur konstruktiven Ausbildung eines Flussdeiches mit hoher<br />

Schutzwirksamkeit im Lastfall Hochwasser werden im Merkblatt 210/1986 "Flussdeiche"<br />

des ehemaligen Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (DVWK)<br />

oder in der DIN 19712 in Form des Drei-Zonen-Deiches vorgeschlagen. Neben der<br />

aktuellen Aufarbeitung des Hochwassers in vielen Veröffentlichungen, Tagungen,<br />

Kongressen sowie direkt geförderten Forschungs-vorhaben wurde im April 2005 vom<br />

Fachausschuss WW- 7 /Arbeitskreis 5.4 "Dichtungssysteme im Wasserbau" gemeinsam<br />

von DWA 1 , DGGT 2 und HTG 3 ein DWA-Themenheft "Dichtungssysteme in Deichen"<br />

veröffentlicht. Vor dem Hintergrund einer kurzfristigen Deichertüchtigung wurde der<br />

Fachausschuss<br />

WW-7 / AK 5.4 beauftragt, das Spezialthema "Dichtungssysteme in Deichen" vorrangig zu<br />

bearbeiten, um zügig aktuelle geotechnische und hydraulische Kenntnisse aus jüngsten<br />

Erfahrungen hinsichtlich Erkundung, Entwurf und Bauausführung für die Praxis zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

Zur sicheren Ausbildung eines modernen Drei-Zonen-Deiches stehen innovative und<br />

verlässliche Bauverfahren zur Verfügung. Geokunststoffe übernehmen heute die<br />

Funktionen Dichten, Filtern, Dränen, Erosionsschutz, Verpacken und Bewehren. In<br />

Deichen werden GTDs als wasserseitige Dichtungen und Filtervliesstoffe für erosionsfeste<br />

Entwässerungszonen unterhalb des notwendigen Deichverteidigungsweges auf der<br />

Luftseite eingesetzt (Tabelle 1). Bei erweiterten Anforderungen werden Geogitter und<br />

Geogitter-Vliesstoffkombinationen sowie Erosionsschutzsysteme eingesetzt. Für alle<br />

Funktionen stehen heute verlässliche Bemessungsgrundsätze, Regeln, technische<br />

Empfehlungen und jahrzehntelange Anwendungserfahrung zur Planung und Ausführung<br />

von Geokunststoffbauweisen zur Verfügung.<br />

1 Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.<br />

2 Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e.V.<br />

3 Hafenbautechnische Gesellschaft e.V.


49<br />

Tab. 1: Geokunststoffe in Dämmen und Deichen<br />

Ort<br />

Deichzone<br />

Funktion<br />

Beispiel<br />

Deichzone & Funktion<br />

Moderner Drei-Zonen-Deich mit Geokunststoffen<br />

Wasserseite Binnenseite<br />

Dichtung mit geosynthetischer Tondichtungsbahn<br />

(Bentonitmatte) als<br />

"Mineralische Dichtung von der Rolle"<br />

Mechanisch verfestigte Filtervliesstoffe<br />

für Filterstabilität zwischen Deichkern,<br />

Untergrund und Drän- und Auflastkörper<br />

Kinzigdeichsanierung 2001 Oderdeich bei Zehltendorf, 1997<br />

Weitere Geokunststoffanwendungen innerhalb des Drei-Zonen-Deiches<br />

Oberflächenerosionsschutz und Vegetationshilfe mit geosynthetischen<br />

Erosionsschutzsystemen (z.B. zur Sicherung der luftseitigen Deichböschung)<br />

Deichkernstabilisierung mit Sandcontainern aus Filtervliesstoff oder geogitterbewehrtem<br />

Boden-Verbund-System in Umschlagmethode innerhalb des<br />

Deichquerschnittes<br />

Erhöhung der Tragfähigkeit bei Gründung auf gering tragfähigem Untergrund mit<br />

Geogittern im Gründungshorizont und/oder Deichverteidigungsweg


3 Wasserseitige Deichdichtungen<br />

50<br />

Die Hochwasserereignisse haben gezeigt, dass gerade bei älteren Deichbauwerken der<br />

kritische Grenzzustand eines wasserübersättigten Deichquerschnittes zum Versagen<br />

führen kann. Durch Witterung, Erosion, Durchwurzelung und Wühltierbefall geschwächte<br />

Deichdichtungen führen zu einem Deich als Sanierungsfall.<br />

Der hydraulische Belastungsfall für die betroffenen Flussdeiche tritt nach Erfahrung aus<br />

den vergangenen Extrem-Hochwasser-Ereignissen nach monate- bis jahrelangen<br />

Trockenperioden über einen maximalen Zeitraum von drei bis vier Wochen ein. Der<br />

Anstieg der Wasserdurchlässigkeit von erdbautechnisch hergestellten mineralischen<br />

Dichtungen wurde besonders in den Oberflächendichtungen von Deponien beobachtet<br />

und untersucht. Der Einbauwassergehalt einer mineralischen Dichtung ist nur eine<br />

Momentaufnahme. Demzufolge sollten bindige Dichtungsschichten unter<br />

Berücksichtigung der nachfolgend genannten Schutzmaßnahmen verwendet werden.<br />

Alle Arten bindiger mineralischer Abdichtungsschichten sind mehr oder weniger<br />

austrocknungsgefährdet mit der Gefahr der Gefüge- bzw. Rissbildung. Ein mindestens<br />

1,50 m mächtiger Einbau wurde in Normen und Merkblättern empfohlen.<br />

Bei der Verwendung bindiger Böden im Dichtungsbau sollte mit erhöhter<br />

Verdichtungsarbeit und Wassergehalten unterhalb des Proctorwassergehaltes gearbeitet<br />

werden, um die Austrocknungsgefahr zu reduzieren. Gleichzeitig sollten zusätzliche<br />

Maßnahmen, z.B. eine Überdeckung der Dichtungsschicht mit ca. 1,50 m Oberboden<br />

getroffen werden.<br />

Die genannten Maßnahmen sind dringend zu empfehlen, da die üblicherweise<br />

verwendeten bindigen Bodenschichten für erdbautechnisch hergestellte Dichtungen unter<br />

den insitu vorhandenen Bodenschichten / Auflasten nach Rissbildung nicht wieder<br />

regenerieren/heilen und erhöhte Wasserwegigkeiten aufweisen können.<br />

Ausgetrocknete mineralische Dichtungsschichten mit Gefügebildung (Rissstruktur)<br />

können daher zu einer schnellen Aufsättigung und Durchströmen des Deichkörpers mit<br />

ggf. erheblicher Erosions- und Pipinggefahr führen. Die Anordnung von adäquat<br />

dimensionierten und ausgewählten geotextilen Filtern würde die Systemsicherheit im<br />

Hinblick auf mögliche, die Standsicherheit des Deiches gefährdende Erosionsvorgänge<br />

ausreichend erhöhen.<br />

Als Ersatz oder zur Verbesserung herkömmlicher mineralischer Ton- oder<br />

Lehmdichtungen an wasserseitigen Böschungen werden geosynthetische<br />

Tondichtungsbahnen (Bentonitmatten) eingesetzt. Die Dichtfunktion übernimmt das<br />

zwischen zwei Geotextilien (Deck- und Trägergeotextil) im Idealfall durch Vernadelung<br />

eingeschlossene hochquellfähige Bentonit. Mit geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />

kann im Vergleich zu mineralischen Dichtungsstoffen eine gleichwertige Dichtungswirkung<br />

bei wesentlich geringerer Schichtdicke (ca. 1 cm) durch den vergleichsweise sehr<br />

geringen Durchlässigkeitsbeiwert des gequollenen Bentonits erzielt werden.<br />

Der Vorteil des Austrocknungs- und Wiedervernässungsverhaltens von Bentonitmatten<br />

gegenüber erdbautechnisch hergestellten mineralischen Dichtungen kann über die<br />

erforderliche Wassermenge dargestellt werden. Der hochquellfähige Bentonit saugt


51<br />

Wasser aus den umgebenden Bodenschichten an und es wird nur ca. 1 Liter/m 2 Wasser<br />

benötigt, um die Bentonitschicht bei entsprechender Auflast immer wieder aufquellen und<br />

dichtwirksam sein zu lassen. Eine erdbautechnisch hergestellte Tondichtung nimmt<br />

vergleichsweise wesentlich verzögert wieder Wasser auf. In Abhängigkeit von der<br />

Schichtdicke der Tondichtung werden hierfür ca. 20 bis 40 Liter/m 2 Wasser benötigt.<br />

Diese Menge muss überhaupt erst einmal zur Verfügung stehen, um den Vorgang der<br />

Wiedervernässung reversibel zu gestalten. Nach Untersuchungen aus dem Deponiebau<br />

ist dennoch nicht davon auszugehen, dass ausgetrocknete, erdbautechnisch hergestellte<br />

mineralische Dichtungen nach Trockenstress je ihre Dichtwirksamkeit wieder erlangen,<br />

weil Wasserdargebot, Quellvermögen und Auflastspannung nicht ausreichen. Bei<br />

Bentonitmatten ist entsprechend positives Abdichtungsverhalten dagegen sichergestellt<br />

und nachgewiesen, da Wasseraufnahme und Wasserabgabe entsprechend den<br />

einwirkenden Randbedingungen nachhaltig reversibel erhalten bleiben.<br />

Durch die Minimierung des maschinentechnischen Aufwands (Abb. 2) während des<br />

Bauablaufs ergeben sich beim Einsatz von geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />

Vorteile gegenüber einer mineralischen Ton- und Lehmdichtung. Die ansonsten gestellten<br />

Anforderungen hinsichtlich Wassergehalt, Verdichtung und ausreichende Mächtigkeit bei<br />

Verwendung einer mineralischen Dichtung treten in den Hintergrund und Bentonitmatten<br />

können vergleichsweise witterungsunabhängig eingebaut werden.<br />

Abb.2: Kinzigdeichsanierung (2001): Einbau der GTD Bentofix ® mit Aufbringen des örtlich<br />

vorhandenen Kiessandes als "wühltierunfreundliche" Deckschicht (unten)<br />

Mögliche Auswirkungen von Durchwurzelung und/oder Nagetierbefall müssen jedoch<br />

ebenso wie bei klassischen mineralischen Dichtungen beachtet werden. Diese<br />

Auswirkungen sind aber durch Gestaltung der projektbezogenen Querschnittsgeometrie<br />

des Deiches, Einsatz nichtbindiger, wühltierunfreundlicher Deckschichten oder durch<br />

technische Zusatzmaßnahmen (z.B. Bibergitter) beherrschbar. Die geringe<br />

Setzungsempfindlichkeit ohne Beeinträchtigung der Dichtigkeitseigenschaften, konstante<br />

Qualität auch nach dem Einbau sowie gutes Reibungsverhalten an steileren Böschungen<br />

bieten zudem Vorteile.<br />

Im DWA-Themenheft werden als Oberflächendichtungen sowohl die erdbautechnisch<br />

hergestellten mineralische Dichtung als auch die GTD behandelt. Die Anforderungen<br />

hinsichtlich eines Regelaufbaus sind in Abb. 3 aufgezeigt.


52<br />

Abb. 3: Aufbau der wasserseitigen Oberflächendichtungen eines Flussdeiches mit<br />

mineralischer Dichtung (oben) und mit GTD (unten) gemäß DWA-Themenheft<br />

"Dichtungssysteme in Deichen" (2005)<br />

4 Deichertüchtigung mit Geokunststoffen – Beispiele<br />

Besonders im Elbstromgebiet, aber z.B. auch in Bayern, sind nach 2002 zahlreiche<br />

Baumaßnahmen durchgeführt worden, um verursachte Hochwasserschäden zu<br />

beseitigen und den Hochwasserschutz zusätzlich zu verbessern. Besonders<br />

hervorzuheben ist der vermehrte Einsatz von Geokunststoffen zur Erhöhung der<br />

Deichsicherheit und zur Realisierung eines Drei-Zonen-Deiches gemäß DVWK-Merkblatt<br />

"Flußdeiche" 210/1986 oder DIN 19712. Nach dem Elbe-Hochwasser 2002 umfasst die<br />

eigene Referenzliste knapp 150 Bauprojekte des Hochwasserschutzes mit dem Einsatz<br />

von ca. 2,2 Mio. m² vernadelter Vliesstoffe, ca. 300.000 m² Geogitter und ca. 700.000 m²<br />

geosynthetischer Tondichtungsbahnen, z.B.<br />

Deichsanierung Bösewig (Elbe) => Richtung, Auflastfilter, Tragfähigkeit<br />

Deichsanierung Weier (Kinzig) => Dichtung<br />

Deichsanierung Bad Freienwalde (Oder) => Dichtung, Auflastfilter<br />

Hochwasserschutzdamm Garmisch-Partenkirchen => Tragfähigkeit<br />

Elbedeiche in Sachsen-Anhalt (2003)<br />

Zwischen April 2003 und Ende 2004 wurden vom Landesamt für Hochwasserschutz und<br />

Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Niederlassungen in Halle und<br />

Wittenberg, ca. 14 Deichbaulose, vorwiegend im Elbebereich bei Dessau, im Rahmen des


53<br />

Sanierungsprogrammes nach dem Augusthochwasser 2002 ausgeschrieben. Ein<br />

typischer sanierter Deichquerschnitt mit geosynthetischer Tondichtungsbahn an der Elbe<br />

bei Dessau ist in Abb. 4 dargestellt.<br />

Kinzigdeiche (2000/2001)<br />

Schon im Jahre 1987 hatte die Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein / Hochrhein<br />

begonnen, die teilweise über 100 Jahre alten und 160 km langen Deiche an der Kinzig auf<br />

den heutigen Stand der Technik zu bringen. Hochwasserereignisse in den Jahren 1990<br />

und 1991 zeigten bereits kritische Deichdurchsickerungen. Es wurde ein umfangreiches<br />

Kinzigdeichsanierungsprogramm konzipiert, dessen Durchführung und Zielsetzung in den<br />

Jahren 2000 und 2001 einen sicheren Ausbau auf den Stand der Technik gewährleistet.<br />

Dabei wurden die Deiche an der Kinzig in definierten Abschnitten im Mittel zwischen 60<br />

cm und 80 cm erhöht, verstärkt und bei ungenügender Dichtigkeit mit einer<br />

wasserseitigen Deichdichtung aus einer vollflächig vernadelten, schubkraftübertragenden<br />

geosynthetischen Tondichtungsbahn versehen (Santo, 2003).<br />

85<br />

80<br />

75<br />

Luftseite<br />

Wasserseite<br />

Sand-Kies-Gemisch<br />

eingeschlagen in Filtervliesstoff<br />

Deichkroneauf Filtervliesstoff<br />

Oberboden mit Grasansaat (d=0,20m)<br />

Nichtbindige Deckschicht (d=0,60m)<br />

Deichverteidigungsweg<br />

Geosynthetische Tondichtungsbahn<br />

Wasserbausteine Kl. II-III<br />

(d=0,60m)<br />

auf Filtervliesstoff<br />

Geogitter<br />

alter Deichquerschnitt<br />

Untergrund / Deichkern<br />

BHW<br />

V:H=1:2<br />

V:H=1:3<br />

70<br />

w<br />

-5 0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

Abb. 4: Sanierungslösung für einen Elbedeichquerschnitt Bösewig in Sachsen-Anhalt<br />

Abb. 5: Regelprofil Kinzigdeich / Weier (linke Seite)<br />

Für die linke Seite bei Weier (Fluß-km 14+750 bis 17+000) wurden 36.000 m 2<br />

geosynthetische Tondichtungsbahn eingebaut. Aufgrund der anfallenden Kosten für den<br />

Antransport von mineralischem Dichtungsmaterial wäre eine Lehmdichtung aus Sicht der<br />

Gewässerdirektion unwirtschaftlich gewesen. Die Umsetzung erfolgte im Einvernehmen<br />

mit dem Bodengutachter und der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe (BAW).<br />

Während der gesamten Baumaßnahme erfolgte eine Fremd- und Eigenüberwachung der


54<br />

angelieferten Bentonitmatten. Nach den Verlegearbeiten, die in Abschnitten von jeweils<br />

100 m erfolgten, wurde in einer Böschungsneigung von 1 : 2.8 eine 60 cm starke<br />

verdichtete Kiessandschicht aufgebracht. Der Kies wurde dabei direkt vor Ort aus der<br />

angelandeten Kinzigsohle entnommen, dadurch wurde gleichzeitig eine wichtige Funktion<br />

der Unterhaltungsmaßnahme an der Kinzig mit übernommen. Für einen raschen<br />

Oberflächenerosionsschutz mit Ausbildung einer Grasnarbe wurden die einzelnen<br />

Verlege- und Sanierungsabschnitte anschließend gleich mit Oberboden angedeckt und<br />

eingesät.<br />

Oderdeichsanierung Bad Freienwalde (2001)<br />

Das Sommerhochwasser 1997 stellte mit einem 14-tägigen Scheitel ein außergewöhnliches<br />

Ereignis an der Oder dar, bei dem die Höchstwasserstände aller Pegel<br />

überschritten wurden. Es traten erhebliche Schäden an den Deichen auf, die das<br />

Landesumweltamt Brandenburg (LUA) in der Vergangenheit in einem Sofortprogramm zur<br />

Deichsanierung und des anschließenden Generalplans Hochwasserschutz Oder beheben<br />

ließ. Im Bereich Bad Freienwalde (nördlicher Bereich des Oderbruchs) traten 1997<br />

Sickerwasserstellen am landseitigen Deichfuß und Böschungsrutschungen auf. Die<br />

Maßnahmen umfassten u. a. Erhöhung und Verbreiterung der Deichkronen, Abflachen<br />

der wasser- und landseitigen Deichböschungen sowie Anordnung von landseitigen<br />

Auflastfiltern. Das gesamte Sanierungsprogramm wird in Tönnis, Girod & Papke (2002)<br />

vorgestellt. Der vorhandene Deich wurde ausgehend vom Deichverteidigungsweg bis zum<br />

Böschungsfuß an der wasserseitigen Berme abgetragen und wasserseitig verschoben<br />

neu errichtet. Die Böschungen wurden mit Neigungen von 1 : 3 neu aufgeschüttet und<br />

wasserseitig mit einer geosynthetischen Tondichtungsbahn als Deichdichtung versehen.<br />

-2<br />

-3<br />

-4<br />

-5<br />

Abtrag<br />

Mutterboden mit Grasansaat<br />

d=0,2m<br />

Schotterband<br />

d=0,2m; L=1,0m<br />

~<br />

~<br />

DN 150<br />

Sickerschlitz<br />

1:3<br />

Filter<br />

Auftrag Stützkörper<br />

Sandausgleichsschicht<br />

Deichverteidigungsweg<br />

3%<br />

1:3<br />

-7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5<br />

3,3%<br />

1:3<br />

geosynthetische Tondichtungsbahn<br />

Auftrag Stützkörper<br />

Sandausgleichsschicht<br />

Mutterboden mit Grasansaat OK Krone 10,72m<br />

d=0,2m<br />

BHW<br />

vertikale Dichtwand bis<br />

in die gering durchlässige Schicht<br />

Abb. 6: Sanierungslösung für das Querprofil 60+762 (Tönnis, Girod & Papke, 2002)<br />

Diese Bentonitmatte wurde mit Kiessand und Mutterboden bedeckt. Zusätzlich wurde<br />

aufgrund der besonderen geologischen Situation im Deichuntergrund eine vertikale<br />

Dichtwand mit dem FMI-Verfahren im wasserseitigen Deichfußbereich hergestellt, an der<br />

die Bentonitmatte angeschlossen wurde (Abb. 6).<br />

5 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Der Einsatz von Geokunststoffen zur Erhöhung der Deichsicherheit und zur Realisierung<br />

eines Drei-Zonen-Deiches gemäß DVWK- Merkblatt "Flussdeiche" 210/1986 oder DIN<br />

19712 wurde bereits seit Mitte der 90er Jahre erfolgreich realisiert, gewann aber<br />

insbesondere nach den Hochwasserkatastrophen von 1997, 1999 und 2002 stark


55<br />

zunehmend an Bedeutung. Im modernen Drei-Zonen-Deich ist der Einsatz<br />

geosynthetischer Tondichtungsbahnen (GTD, Bentonitmatten) als wasserseitige Dichtung<br />

sowie geotextiler Filtervliesstoffe zum Aufbau von sicheren, erosionsfesten Filterzonen<br />

unter dem notwendigen Deichverteidigungsweg auf der Binnenseite des Deichs zu<br />

empfehlen. Über den 3-Zonen-Deich hinaus hat sich der Einsatz von Geogittern zur<br />

Erhöhung der Tragfähigkeit bei Gründungen auf wenig tragfähigem Untergrund sowie zur<br />

Stabilisierung des Deichverteidigungsweges etabliert.<br />

Nach dem Elbe-Hochwasser 2002 umfasst die eigene Referenzliste knapp 150<br />

Bauprojekte des Hochwasserschutzes mit dem Einsatz von ca. 2,2 Mio. m² vernadelter<br />

Vliesstoffe, ca. 300.000 m² Geogitter und ca. 700.000 m² geosynthetischer<br />

Tondichtungsbahnen.<br />

6 Forschungsaktivitäten zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von<br />

Deichbinnenböschungen bei Überströmung<br />

In der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München in<br />

Obernach werden derzeit Modellversuche zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der<br />

Deichbinnenböschung bei unplanmäßiger Überströmung unter Einsatz von<br />

Geokunststoffen durchgeführt. Diese Modellversuche werden im Rahmen des<br />

Forschungsentwicklungsvorhabens "Deichsanierung" bearbeitet, das im Auftrag des<br />

Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft durchgeführt wird. Ziel der<br />

Modellversuche ist die Entwicklung einer bautechnisch einfachen und kostengünstigen<br />

Geokunststoff-Lösung (z.B. mit Geogitter-Vliesstoff-Kombinationen) zur Hemmung der<br />

Erosion der Deichbinnenböschung bei Überströmung und sichere Beherrschung des<br />

Lastfalls "Überströmen des Deiches". Ein einfacher Einbau der Erosionsschutzlage unter,<br />

in oder auf die grasbewachsene Deichböschung ist anzustreben. Die<br />

Widerstandsfähigkeit der Deiche bei Wasserständen, die über das<br />

Bemessungshochwasser hinausgehen, kann durch solche, in die Deichertüchtigung<br />

integrierte Sicherungsmaßnahmen erheblich verbessert werden. Im Katastrophenfall bei<br />

Überströmung des Deiches wird den Einsatzkräften und Anliegern mehr Zeit zur Reaktion<br />

und Schadensminderung gegeben, und der Deich wird nicht durchbrochen und durch die<br />

durchströmenden hohen Wassermengen weggerissen, sondern bleibt im Querschnitt<br />

erhalten. Erste Ergebnisse werden für Mitte 2006 erwartet.<br />

Literatur<br />

EAG-GTD (2002): Empfehlungen zur Anwendung geosynthetischer Tondichtungsbahnen<br />

EAG-GTD, DGGT e.V., Ernst & Sohn, Berlin<br />

DVWK (1992): Merkblatt 221, Anwendung von Geotextilien im Wasserbau, Verlag Paul<br />

Parey, Hamburg<br />

DVWK (1986): Merkblatt 210, Flussdeiche, Verlag Paul Parey, Hamburg<br />

HEERTEN, G. (1999): Erhöhung der Deichsicherheit mit Geokunststoffen.<br />

6. Informations- und Vortragstagung über Kunststoffe in der Geotechnik, Fachsektion<br />

"Kunststoffe in der Geotechnik" der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e. V. (DGGT),<br />

München, März 1999


HEERTEN, G. & HORLACHER, H.-B. (2002): Konsequenzen aus den Katastrophenhochwässern<br />

an Oder, Donau und Elbe, Geotechnik 25, Nr. 4, 231ff, Verlag Glückauf<br />

56<br />

NUSSBAUMER, M. & HEERTEN, G. (2003): Ohne Bauen kein Hochwasserschutz, Aqua<br />

Alta 03, Fachmesse mit Kongress für Hochwasserschutz und Katastrophenmanagement,<br />

Klima und Flussbau, München, 2003<br />

HEERTEN, G. (2003): Flussdeiche für lang einstauende Hochwasser.<br />

10. Darmstädter Geotechnik-Kolloquium, 13. März 2003, TU Darmstadt<br />

HEERTEN, G. (2003): Der sichere Deich, ATV-DVWK-Landesverbandstagung, Fürth,<br />

Oktober 2003<br />

SAATHOFF, F. & WERTH (2003): Geokunststoffe in Dämmen und Deichen. Symposium<br />

Notsicherung von Dämmen und Deichen, Siegen, Februar 2003<br />

SAATHOFF, F. & HEERTEN G. (1996): Mineralische Dichtungen von der Rolle.<br />

Festschrift anläßlich des 70. Geburtstages von Prof. Dr.-Ing. Dr.phys. H.-W. Partenscky,<br />

April 1996<br />

SANTO, J. (2003): Deichsanierung an der Kinzig. Vortrag im Rahmen des<br />

3.Geokunststoff-Kolloquiums der Naue Fasertechnik GmbH & Co. KG am<br />

30./31. Januar 2003 in Adorf/Vogtland<br />

TÖNNIS, B. & GIROD, K. & PAPKE, R. (2002): Sanierung der Oderdeiche im Bereich Bad<br />

Freienwalde. Wasserwirtschaft, Nr. 10/2002<br />

Verfasser<br />

Prof. Dr.-Ing. Georg Heerten<br />

NAUE GmbH & Co. KG<br />

Gewerbestraße 2<br />

32339 Espelkamp<br />

gheerten@naue.com<br />

Dipl.-Ing. Katja Werth<br />

BBG Bauberatung Geokunststoffe GmbH & Co. KG<br />

Gewerbestraße 2<br />

32339 Espelkamp<br />

werth@bbg-lf.de


57<br />

Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der<br />

hydrodynamischen Bodendeformation<br />

Kurzfassung<br />

Sebastian Perzlmaier & <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />

Der folgende Beitrag gibt Einblick in aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der<br />

hydrodynamischen Bodendeformation. Basierend auf Anmerkungen zur hierzulande<br />

üblichen Nachweisführung wird mit dem Systemansatz, der das Versagen durch<br />

hydrodynamische Bodendeformation als Aneinanderreihung mehrerer Teilprozesse zu<br />

verstehen hilft, eine international anerkannte Herangehensweise vorgestellt. Gemeinsam<br />

mit der Beschreibung der Erosionsphasen wird ein Überblick über den internationalen<br />

Stand der Technik bezüglich der Entwurfsgrundsätze, der vorhandenen<br />

Nachweisverfahren sowie der Beurteilung bestehender Dämme gegeben. Eine darauf<br />

basierende exemplarisch ausgeführte Anwendung zur Beurteilung der Gefahr der<br />

hydrodynamischen Bodendeformation in Deichen findet sich in dem dazugehörigen<br />

separaten Beitrag von HASELSTEINER & PERZLMAIER (2006).<br />

1 Einleitung<br />

Initiiert durch jahrelange Tätigkeit auf dem Gebiert der verteilten faseroptischen<br />

Leckageortung konnten der Lehrstuhl und die Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />

Wasserwirtschaft der TUM in den vergangen Jahren an der Arbeit der im European Club<br />

of ICOLD organisierten Working Group on Internal Erosion in Embankment Dams<br />

teilhaben, dessen jährliches Treffen im Juni 2005 im Rahmen eines mehrtägigen<br />

Workshops an der Versuchsanstalt in Obernach statt fand. Im Zuge dieser Veranstaltung<br />

ist deutlich geworden, dass sich die Herangehensweise an das Thema in den letzten<br />

Jahren vorwiegend im angelsächsischen, westeuropäischen und skandinavischen Raum<br />

in Forschung und Praxis grundlegend gewandelt hat und mitunter von der bei uns<br />

vorherrschende Sichtweise abweicht.<br />

Die Innere Erosion, oder genauer die hydrodynamische Bodendeformation, ist weltweit<br />

nach Überströmen die häufigste Ursache für das Versagen von Dämmen. Von<br />

hydrodynamischer Bodendeformation spricht man, wenn Bodenpartikel im Damm oder<br />

dessen Untergrund bei Durchsickerung in Bewegung geraten. Es gibt mehrere Prozesse,<br />

die in diesem Sinne der Umlagerung von Bodenpartikeln zuzuordnen sind.<br />

Das Klassifizierungsschema zur Einteilung der Erscheinungsformen der<br />

hydrodynamischen Bodendeformation, auf das in Deutschland sowohl in<br />

wissenschaftlichen Arbeiten als auch in Regelwerken meist zurückgegriffen wird, geht<br />

zurück auf ZIEMS (1969). Es hat unter anderem Eingang in die ostdeutsche Talsperren<br />

TGL (ehm. DDR Standard entspr. DIN), in das Merkblatt ATV-DVWK-M 502 (2002)<br />

„Berechnungsverfahren für Staudämme – Wechselwirkung zwischen Bauwerk und<br />

Untergrund“, in das derzeit in Überarbeitung befindliche DVWK-Merkblatt 210 (1986)<br />

„Flussdeiche“ (zukünftig DWA-M „Deiche an Fließgewässern“, Gelbdruck. 2006), in das<br />

Merkblatt „Anwendung von Kornfiltern an Wasserstraßen“ (BAW MAK 1989) sowie in das


58<br />

Standardwerk zur Geohydraulik von BUSCH et al. (1993) gefunden. Die hydrodynamische<br />

Bodendeformation in körnigen Erdstoffen unterteilt sich laut Klassifizierungsschema in<br />

Erosion, Suffosion und Kolmation. Die Erosion kann als äußere Erosion 1 , als Innere<br />

Erosion, als Kontakterosion 2 und als Fugenerosion 3 auftreten. Die Suffosion wird in<br />

innere, äußere und Kontaktsuffosion unterteilt. (vgl. Abb. 1)<br />

HYDRODYNAMISCHE BODENDEFORMATION<br />

Erosion: Suffosion: Kolmation<br />

äußere Erosion<br />

innere Erosion<br />

Kontakterosion<br />

Fugenerosion<br />

innere Suffosion<br />

äußere Suffosion<br />

Kontaktsuffosion<br />

Abb. 1: Klassifizierungsschema nach ZIEMS (1969)<br />

Beim Nachweis der Sicherheit gegen hydrodynamische Bodendeformation kommen i. d.<br />

R. entweder geometrische, mitunter auch hydraulische Kriterien zur Anwendung. Mit<br />

geometrischen Kriterien für Kontakterosion (Filterkriterien) kann im Rahmen ihrer<br />

Anwendungsgrenzen ein Eindringen des Basiserdstoffes 4 in den Filtererdstoff<br />

ausgeschlossen werden. Wenn Partikeltransport geometrisch möglich ist, findet dieser nur<br />

statt, wenn die Krafteinwirkung der Durchströmung auf die Bodenkörner 5 deren<br />

Widerstandskraft überschreitet, was Grundlage der hydraulischen Kriterien ist.<br />

2 Anmerkungen zur Nachweisführung<br />

Das beschriebene Klassifizierungsschema von ZIEMS (1969) hat immer wieder zu der<br />

fälschlichen Annahme geführt, dass innere Erosion im Inneren eines Erdstoffes zur<br />

spontanen Entstehung von Erosionsröhren führen kann. ZIEMS (1969) weist jedoch<br />

selbst darauf hin, dass der inneren Erosion eine den Erosionsprozess auslösende<br />

Initiierung vorausgehen muss, wie durch kleine Hohlräume pflanzlichen oder tierischen<br />

Ursprungs oder durch rückschreitende Erosion von einem ungefilterten<br />

Sickerwasseraustritt bzw. an einem zu groben Filter.<br />

Bei Deichen lassen sich die in Abb. 1 dargestellten Phänome nach SAUCKE (2006) auf<br />

Kontakterosion senkrecht oder parallel zur Schichtgrenze, auf Suffosion und auf<br />

Erosionsgrundbruch 6 reduzieren, wie es auch im Entwurf für das DWA Merkblatt „Deiche<br />

an Fließgewässern“ enthalten ist. Die Fugenerosion entlang von Massivbauwerken wird<br />

1 z. B. Sedimenttransport in Fließgewässern<br />

2 an Schichtgrenzen zweier Erdstoffe<br />

3 unter Massivbauwerken<br />

4 feinkörnigerer, zu filternder Erdstoff<br />

5 I. d. R. verwendet man den hydraulische Gradienten, mitunter wäre die Poren- oder<br />

Filtergeschwindigkeit der aussagekräftigere Parameter, der jedoch nur schwer zu bestimmen ist.<br />

6 Aufbrechen der bindigen Deckschicht am luftseitigen Böschungsfuß mit anschließender<br />

rückschreitender Erosion und gegebenenfalls Röhrenbildung bis ins Oberwasser


gesondert betrachtet, auch wenn es an verlässlichen Kriterien zu deren Beurteilung zu<br />

mangeln scheint.<br />

59<br />

Für die Bewertung von Filtern für bindige Erdstoffe wird in BAW MAK (1989) ein Kriterium<br />

angeführt, dass sich auch in anderen Merkblättern wieder findet. Die vorgeschlagenen<br />

Filter für bindige Erdstoffe 1 entsprechen vermutlich nicht uneingeschränkt der<br />

anerkannten Forderung nach kohäsionslosen Filtern (vgl. KUTZNER 1996, SCHULER<br />

1997). Auch scheint der vorgeschlagene Bodenaustausch für Böden mit 0 ≤ cu ≤ 10 kN/m²<br />

nicht zwingend erforderlich, da auch für solche Böden bewährte Filterkriterien existieren<br />

(SHERARD & DUNNIGAN 1989).<br />

Bezüglich des oft zitierten Kriteriums für Kontakterosion nach CISTIN & ZIEMS (vgl.<br />

BUSCH et al. 1993) bleibt zu erwähnen, dass vielerorts von der Anwendung von<br />

Filterkriterien, die auf dem Abstandsverhältnis A = D50 / d50 2 basieren, abgeraten wird<br />

(u. a. BRAUNS & SCHULER 1993). Auch wenn das Kriterium durch Berücksichtigung der<br />

Ungleichförmigkeit einen scheinbaren Vorteil gegenüber klassischen Filterkriterien auf<br />

Basis D15 / d85 (z. B. TERZAGHI & PECK 1948, SHERARD & DUNNIGAN 1984a) zu<br />

haben scheint, so haben sich letztere für körnige Erdstoffe doch in unzähligen Fällen<br />

bewährt, so dass das Kriterium nach CISTIN & ZIEMS mit zunehmender<br />

Ungleichförmigkeit des Filters konservativer zu werden scheint (WITTMANN 1980), was<br />

mit einer Reduktion des Schluckvermögens einhergeht (KUTZNER 1996). Ohnehin<br />

unterliegt der Einbau sehr ungleichförmiger Filter immer der Gefahr der Entmischung.<br />

Bezüglich der hydraulischen Kriterien sollte erwähnt werden, dass sie von einer intakten<br />

Bodenmatrix ausgehen, was in der Praxis schwer einzuhalten sein dürfte. So setzt z. B.<br />

ZIEMS (1969) für die Gültigkeit seines Kriteriums für ikrit,B im Basismaterial bei aufwärts<br />

gerichteter Strömung und aufliegendem Filter die gleichmäßige Durchströmung 3 voraus.<br />

Welchen Einfluss eine lokale Variabilität der Durchlässigkeit hat, lässt sich gut aus den<br />

Diagrammen von MUCKENTHALER (1989) ablesen. Schließlich resultiert dessen Ansatz<br />

auf dem Zusammenhang zwischen erodiertem Partikeldurchmesser und<br />

Strömungsgeschwindigkeit, die um mehrere Zehnerpotenzen von der mittleren<br />

Geschwindigkeit abweichen kann. Ob die in BAW MSD (2005) aufgeführten<br />

Sicherheitsbeiwerte für hydraulische Kriterien dieser Tatsache ausreichend Rechnung<br />

tragen, bleibt zu hinterfragen. SCHULER (1997) erwähnt, dass hydraulische Kriterien bei<br />

nicht vorhandener geometrischer Filterstabilität nur bei bindiger Basis oder kurzzeitig bzw.<br />

untergeordnet wirkenden Filtersystemen zulässig sind.<br />

Der Nachweis der Filterwirksamkeit einer Filter-/ Basiskombination erfordert, abgesehen<br />

von der Wahl eines geeigneten Filterkriteriums, kein vertieftes Prozessverständnis.<br />

Hingegen muss z. B. der so genannte Erosionsgrundbruch als systematische Abfolge<br />

mehrerer Teilprozesse vom Entstehen einer Fehlstelle in der bindigen Deckschicht über<br />

einsetzende rückschreitende Erosion im darunter liegenden Erdstoff bis zur Fortpflanzung<br />

1 für Basiserdstoffe mit Plastizitätsindex IP ≥ 0,15 und undrainierter Kohäsion cu ≥ 10 kN/m² werden<br />

Filter mit D10 ≤ 0,016 mm und D60 ≤ 2 mm vorgeschlagen<br />

2 hier und im Folgenden bezieht sich D auf den Filter- und d auf den Basiserdstoff<br />

3 „keine bevorzugten Strömungswege“


einer Erosionsröhre ins Oberwasser verstanden werden, für deren Beurteilung<br />

grundlegendes Prozessverständnis unentbehrlich ist.<br />

60<br />

Im Folgenden soll dargestellt werden, wie unter Verwendung des Systemansatzes nach<br />

FELL et al. (2005) 1 die Prozesse der hydrodynamischen Bodendeformation besser<br />

verstanden und eingeordnet werden können. Er wurde entwickelt, um die<br />

Versagenswahrscheinlichkeit bestehender Dämmen durch hydrodynamische<br />

Bodendeformation unter Verwendung prozessbasierter Ereignisbäume vergleichen zu<br />

können. Der Systemansatz wird den systemimmanenten Unsicherheiten 2 bei der<br />

Bewertung der hydrodynamischen Bodendeformation besser gerecht als die isolierte<br />

Beurteilung einzelner Erosionsphänomene.<br />

FRAGEN<br />

Können<br />

Bodenpartikel in<br />

Bewegung geraten?<br />

Kommt der<br />

Transport von<br />

Bodenpartikeln<br />

zum Erliegen oder<br />

schreitet er fort?<br />

Welche Folgen hat<br />

ein progressiver<br />

Austrag von<br />

Bodenpartikeln?<br />

Welche<br />

Mechanismen<br />

führen wie schnell<br />

zum Versagen?<br />

PHASEN KRITERIEN<br />

Erosionsbeginn durch:<br />

•rückschreitende Erosion (Oberfläche / Schichtgrenze)<br />

•lokale Leckage (im Dichtungselement / an Bauwerken) Überwachung<br />

•Suffosion (Eigenstabilität der Böden)<br />

Suffosionskriterien<br />

Erosionsentwicklung:<br />

•keine Erosions<br />

•etwas Erosion<br />

•ausgeprägte Erosion<br />

•fortschreitene Erosion<br />

•keine Filter<br />

Erosionsfortschritt:<br />

•Eosionsröhrenstabilität<br />

•Erosionsröhrenvergrößerung<br />

•Setzungen / Setzungstrichter<br />

•Durchströmungsbehinderung (Stützkörper)<br />

Versagen:<br />

•Vergrößerung der Eosionsröhre<br />

•Kronensetzung mit Überströmung<br />

•Böschungsbruch mit Überströmung<br />

Abb. 2: Fragen, Phasen und Kriterien im Systemansatz<br />

Filterwirksamkeit:<br />

geometrische Kriterien<br />

hydraulische Kriterien<br />

Standfestigkeit (Feinteilanteil / Bauwerke)<br />

Erodierbarkeit / Erosionsrate<br />

3 Der Systemansatz für hydrodynamische Bodendeformation<br />

Gegenmaßnahmen<br />

Überwachung<br />

Dauer<br />

Abflussdrosselung<br />

Notmaßnahmen<br />

3.1 Phasen der hydrodynamischen Bodendeformation<br />

Das Versagen durchströmter Dämme durch hydrodynamische Bodendeformation lässt<br />

sich in vier aufeinander folgenden Phasen unterteilen (Abb. 2). Der Erosionsbeginn fasst<br />

1 Prof. Fell und Mitarbeiter arbeiten seit Ende der 90er Jahre verstärkt an einem „Framework for<br />

assessing the likelyhood of internal ersoion and piping of embankment dams and their<br />

foundations“. Vergleiche hierzu die zitierten Literaturstellen von FELL, FOSTER und WAN. Die<br />

aktuellste Übersicht dieser Arbeiten ist in FELL et al. (2005, noch unveröffentlichter Beitrag zu<br />

einem Workshop in Aoussoise, Frankreich, April 2005) enthalten, auf den hier exemplarisch<br />

verwiesen wurde. Eine ähnliche Herangehensweise wurde unter anderem beim USBR erarbeitet<br />

und umgesetzt (vgl. URS 2000). In England verfolgt man vergleichbare Ansätze (vgl. KBR 2003).<br />

2 z. B. Inhomogenität der Erdstoffe, Variabilität der hydr. Belastung, Zuverlässigkeit der Nachweise


61<br />

die Prozesse zusammen, durch die Bodenpartikel in Bewegung geraten können. Die<br />

Erosionsentwicklung bewertet, ob der Erosionsprozess z. B. durch Filterwirkung stoppt<br />

oder fortschreitet. Die Folgen eines kontinuierlichen Materialaustrages werden im<br />

Erosionsfortschritt, Bruch- und Versagensmechanismen in der Versagensphase<br />

zusammengefasst.<br />

3.2 Erosionsbeginn<br />

Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion<br />

Die rückschreitende Erosion fasst die Fälle des Erosionsbeginns zusammen, bei denen<br />

der Partikeltransport beim Austritt der Durchsickerung an einer freien Oberfläche startet.<br />

Sie tritt entweder im Bereich hinter dem luftseitigen Böschungsfuß oder an der luftseitigen<br />

Böschung auf, aber auch an Schichtgrenzen von Erdstoffen, wenn keine ausreichende<br />

Filterwirkung besteht. Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion an einer<br />

Schichtgrenze (Kontakterosion) kann unter Zuhilfenahme entsprechender Filterkriterien<br />

ausgeschlossen werden (vgl. Erosionsentwicklung).<br />

Die Durchsickerung kann bei homogenen Dämmen oder bei Versagen von Dichtungs-<br />

und Drainageelementen hinter dem Böschungsfußpunkt (Qualmwasser) oder auf der<br />

Böschung (Hangquelle) austreten. Es sind kritische hydraulische Gradienten die zu<br />

erdstatischem Versagen (abtreibende Strömungskräfte) führen und solche, die<br />

rückschreitende Erosion durch Partikeltransport beginnen, zu unterscheiden. Die<br />

hydraulische Belastung kann entweder durch mittlere Gradienten entlang des gesamten<br />

Sickerweges oder genauer durch lokale Gradienten am Punkt des Sickerwasseraustrittes<br />

beschrieben werden.<br />

Aus erdstatischer Sicht ist hinter dem luftseitigen Böschungsfußpunkt hydraulischer<br />

Grundbruch in körnigen Erdstoffen bei i ≥ ikrit = (Gs – 1)·(1 – ε) ≈ 1 bis 1,4 1 zu erwarten.<br />

Rückschreitende Erosion kann schon bei deutlich kleineren Gradienten einsetzen. Der<br />

kritische hydraulische Gradient für den Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion in<br />

körnigen Erdstoffen wird maßgeblich von der Ungleichförmigkeit und dem<br />

Korndurchmesser beeinflusst (SCHMERTMANN 2000). Besonders kritisch sind<br />

demzufolge gleichförmige körnige Erdstoffe geringen Korndurchmessers, wie Fein- und<br />

Mittelsande. SCHMERTMANN (2000) kommt durch Versuche zu kritischen lokale<br />

Gradienten iPMT , die für Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins Oberwasser überschritten<br />

werden müssen (Abb. 3), und definiert Faktoren, die deren Übertragbarkeit auf praktische<br />

Fälle erlauben 2 . WEIJERS & SELLMAIJER (1993) haben in ihren Versuchen festgestellt,<br />

dass rückschreitende Erosion bereits bei 40 % der Gradienten beginnen kann, die eine<br />

Ausbildung der Erosionsröhre bis ins Oberwasser bedingen. Aus der Zusammenschau<br />

der beiden Erkenntnisse lassen sich die in Abb. 3 dargestellten kritischen hydraulischen<br />

Gradienten für Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion abschätzen. Ein Vergleich<br />

mit Versuchen von WAN & FELL (2004, aufwärts gerichtete Durchströmung, ungefilterter<br />

Sickerwasseraustritt) zeigt, dass die kritischen lokalen Gradienten für Erosionsbeginn aus<br />

1 Nullspannungsbedingung mit Gs: spezifisches Gewicht der Körner, ε: Porosität<br />

2 u. A. Faktoren für: Länge des Sickerweges L, Dicke des Aquifers D, Korngröße d10, Anisotropie<br />

kh/kv


62<br />

Abb. 3 für U = 6 auch bei weitgestuften, suffosionssicheren Schluff-Sand-Kies-Gemischen<br />

auf der sicheren Seite liegen. Die Versuche weisen darüber hinaus auf eine<br />

Anwendbarkeit der kritischen lokalen Gradienten, die MUCKENTHALER (1989) aus der<br />

Widerstandskraft ruhender Partikel ursprünglich für horizontale Strömungen abgeleitet<br />

hat, zur Abschätzung des Erosionsbeginns durch rückschreitende Erosion bei aufwärts<br />

gerichteter Strömung an horizontalen Oberflächen hin 1 . Außerdem sind in Abb. 3 unter<br />

Berücksichtigung der Faktoren für unterschiedliche Sickerwegslängen und Anisotropien<br />

errechnete kritische lokale Gradienten iPMT für Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins<br />

Oberwasser nach SCHMERTMANN (2000) dargestellt.<br />

i PMT für Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins Oberwasser nach SCHMERTMANN (2000)<br />

d 10 = 0,2 (Mittelsand) ; D/L = 0,2 ; für verschiedene L (laut Beschriftung)<br />

Anisotropie des Untergrundes k h /k v = 1 : durchgezogene Linien ; k h /k v = 5 : gestrichelte Linien<br />

lokaler kritischer Gradient i<br />

1,2<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

100<br />

50<br />

10<br />

1 2 3 4 5 6<br />

U = d60 / d10 100<br />

50<br />

iPMT für Ausbildung einer Erosionsröhre bis<br />

ins Oberwasser nach SCHMERTMANN (2000)<br />

Modell: L = 1,52 m ; d10 = 0,2 (Mittelsand) ;<br />

D/L = 0,2 ; kh /k40% v = iPM 1T<br />

Mittelsand<br />

d 10 = 2 mm<br />

d 10 = 0,6 mm<br />

d 10 = 0,2 mm<br />

d 10 = 0,06 mm<br />

D L<br />

iPM T k/k1 L1,5<br />

k/k1 L10<br />

0,4 · k/ i k1 L50<br />

PMT für Erosionsbeginn<br />

k/k1 L100<br />

k/ k10 L50<br />

nach SCHMERTMANN (2000)<br />

nach WEIJERS et al. (1993)<br />

k/k10 L 100<br />

40% iPM T Feinsand<br />

40% iPM T Grobsand<br />

iPM T Kies<br />

Abb. 3: Kritische lokale hydraulische Gradienten für rückschreitende Erosion<br />

L: Länge des Sickerweges<br />

D: Mächtigkeit des Aquifers<br />

k h /k v : Anisotropie<br />

Die Auftriebssicherheit von bindigen Deckschichten, unter denen sich die Wasserdrücke<br />

aus dem Oberwasser fortpflanzen können, ist häufig nicht nachweisbar. Ein<br />

möglicherweise resultierendes Aufbrechen der Deckschicht kann zu hydraulischem<br />

Grundbruch oder zumindest zu Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion im<br />

darunter liegenden körnigen Erdstoff führen (FELL et al. 2005). Obwohl ein Aufbrechen<br />

der Deckschicht bei Überschreiten der Nullspannungsbedingung, bedingt durch deren<br />

Kohäsion selten zu beobachten ist, sollten zur Beurteilung eines möglichen<br />

Erosionsbeginns durch rückschreitende Erosion Fehlstellen angenommen werden, die z.<br />

B. pflanzlichen oder tierischen Ursprungs sein können. Die lokalen hydraulischen<br />

Gradienten nehmen ab, sobald Fehlstellen in der bindigen Deckschicht vorhanden sind.<br />

Der wesentliche Unterschied im Vergleich zu Fällen ohne bindige Deckschicht besteht in<br />

den anfänglich höheren lokalen hydraulischen Gradienten im Bereich der Fehlstelle.<br />

Außerdem sind Erosionsröhren, die sich unter dem Schutz der Deckschicht ausbilden, mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit standfest.<br />

1 bei Verwendung des Partikeldurchmessers d10 und der tatsächlichen Durchlässigkeit des Bodens


63<br />

Die wegen der Ähnlichkeit des Falles gerne herangezogenen Kriterien von BLIGH (1912),<br />

LANE (1935) und CHUGAEV (1962) (vgl. SAUCKE 2004) basieren auf statistischen<br />

Auswertungen vieler unterströmter Wehr- und Dammbauwerke ohne Felsgründung. Sie<br />

alle berücksichtigen nicht die Kornverteilung und fallen daher für ungleichförmigere in sich<br />

stabile Böden vermutlich konservativer aus. Die mittleren hydraulischen Gradienten nach<br />

BLIGH (1912) scheinen für die hier untersuchten Fälle mit vorwiegend horizontaler<br />

Strömung andere Sicherheiten zu enthalten als die von LANE (1935) (vgl. Tabelle 1), der<br />

horizontale Anteile des Sickerweges nur zu einem Drittel ansetzt (L = Lvert + Lhoriz / 3). Zu<br />

den kritischen mittleren Gradienten nach CHUGAEV ist zu sagen, dass die angegebenen<br />

Spannen auf einem Fortschrittskoeffizienten (1,0 bis 1,3) basieren, der aus damaliger<br />

Sicht (1962) zukünftigen Wissensgewinn berücksichtigen sollte und deshalb nur die<br />

untere Grenze ein fachlich fundiertes Kriterium darstellt. Von den zugrunde liegenden 162<br />

ausgewerteten Bauwerken haben acht versagt. Allerdings waren die kritischen mittleren<br />

Gradienten bei fünf davon kleiner als die Untergrenze des Kriteriums (vgl. DAVIDENKOFF<br />

1970). Eine vertrauenswürdigere Abschätzung, basierend auf dieser Erkenntnis, könnte<br />

mit abgeminderten Gradienten erfolgen (vgl. Tabelle 1).<br />

Tab. 1: Vergleich mittlerer kritischer hydraulischer Gradienten<br />

Bodenart<br />

ikrit<br />

CHUGAEV 1<br />

abgemindert<br />

ikrit nach<br />

CHUGAEV 2<br />

H / L = ikrit<br />

nach BLIGH 3<br />

3 H / L = ikrit<br />

nach LANE 4<br />

ikrit nach<br />

MÜLLER-KIRCHEN-<br />

BAUER 5<br />

ikrit, We nach<br />

WEIJERS &<br />

SELLMEIJER 6<br />

Kies<br />

0,25 0,25<br />

(0,10) 0,095 - (0,28 / 0,34)<br />

Grobsand<br />

0,083 0,067 0,12 – 0,17 (0,18 / 0,28)<br />

Mittelsand 0,15 0,11 (0,062)<br />

0,056 0,08 – 0,10 0,16 / 0,24<br />

Feinsand 0,12 0,10 0,056 0,061 0,06 – 0,08 0,09 / 0,14<br />

Mit dem Kriterium von WEIJERS & SELLMEIJER (1993) lässt sich ein boden- und<br />

geometrieabhängiger mittlerer kritischer Gradient ikrit,We bestimmen, der zu<br />

rückschreitender Erosion und nachfolgender Ausbildung einer Erosionsröhre bis ins<br />

Oberwasser führt. Das Kriterium umfasst somit nicht nur den Erosionsbeginn, sondern<br />

auch den Erosionsfortschritt. Gleiches gilt für die bereits vorgestellten Kriterien, mit deren<br />

Ergebnissen die von WEIJERS & SELLMEIJER (1993) weitgehend übereinstimmen<br />

(Tab. 1), auch wenn die Autoren die Gültigkeit auf Fein- und Mittelsande einschränken.<br />

1<br />

CHUGAEV (1962) aus DAVIDENKOFF (1970) ohne „Fortschrittskoeffizienten 1,3“<br />

2<br />

CHUGAEV (1962) aus DAVIDENKOFF (1970) mit Berücksichtigung der aufgeführten Versagensfälle<br />

3<br />

Mittelsand und Kies sinngemäß aus Tabellen nach BLIGH (1912) in MALLET et al. (1951)<br />

4<br />

ohne vertikalen Sickerweg und L/3 für horizontalen Sickerwege nach LANE (1935) in MALLET et al. (1951)<br />

5<br />

für geschichteten Aufbau nach SAUCKE (2006)<br />

6<br />

nach WEIJERS & SELLMEIJER (1993) mit: U = 1,5 (links) / 3 (rechts);D Mächtigkeit Aquifers 10 m, L Länge<br />

des Sickerweges, D/L = 0,1; ε = 0,39; Kies und Grobsand außerhalb des Gültigkeitsbereiches,<br />

d70 Kies: 4 mm; Grobsand: 1 mm; Mittelsand 0,6 mm; Feinsand: 0,1 mm


64<br />

MÜLLER-KIRCHENBAUER et al. (1993) und SCHMERTMANN (2000) weisen auf den<br />

negativen Einfluss deichlagernaher Schichtungen des Untergrundes hin, die zu kleineren<br />

mittleren kritischen Gradienten führen (Tabelle 1).<br />

Bezüglich der rückschreitenden Erosion bei Austritt der Sickerlinie an der Böschung muss<br />

aus erdstatischer Sicht die lokale Standsicherheit erfüllt sein. Für kohäsionslose Erdstoffe<br />

ohne Vegetationsdecke und Drainagen lässt sich daraus eine maximale<br />

Böschungsneigung ableiten, die mit Reibungswinkeln zwischen 25° und 35° Werte<br />

zwischen 1:4,5 und 1:3 annimmt 1 . Unter der Annahme, dass die Sickerlinie am höchsten<br />

Austrittspunkt böschungsparallel und am Böschungsfußpunkt bei dichtem Untergrund<br />

horizontal austritt, lassen sich nach DAVIDENKOFF (1964) die lokalen hydraulischen<br />

Gradienten entsprechend Abb. 4 (links) berechnen. Der Anteile senkrecht zur Böschung<br />

ib,senk, der einen Partikeltransport durch rückschreitende Erosion verursachen kann, nimmt<br />

für die oben beschriebenen Neigungen Werte zwischen 0,05 und 0,11 an. Hierbei handelt<br />

es sich um lokale Gradienten, die verglichen mit Abb. 3 und Tab. 1 einen Erosionsbeginn<br />

durch rückschreitende Erosion für Fälle, in denen die lokale Standsicherheit der Böschung<br />

bei körnigen Erdstoffen auch ohne Berücksichtigung der Wurzelkohäsion gegeben ist,<br />

unwahrscheinlich machen.<br />

keine, bzw. duchlässigere<br />

Vegetationsdecke<br />

1 : n<br />

k f,Deich<br />

k f,Veg = k f,Deich<br />

a) b)<br />

i a<br />

β<br />

i b,senk<br />

i b<br />

lokale Fehlstellen in der unduchlässigeren<br />

Vegetationsdecke<br />

1 : n<br />

k f,Deich<br />

i a = sin β<br />

i b = tan β i b,senk = tan β · sin β i L,senk > i b,senk<br />

k f,Veg < k f,Deich<br />

i L,senk<br />

Abb. 4: Hydraulische Gradienten bei Austritt der Sickerlinie am Böschungsfuß<br />

Anders stellt sich die Situation dar, wenn auf der luftseitigen Böschung eine<br />

Vegetationsschicht vorhanden ist, die undurchlässiger als das Dammmaterial ist (Abb. 4,<br />

rechts). Neben einem möglichen Aufstau der Sickerlinie kommt es an lokalen Fehlstellen<br />

in der Vegetationsdecke zu einem deutlichen Ansteigen der lokalen hydraulischen<br />

Gradienten, und Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion ist wahrscheinlicher. Vor<br />

diesem Hintergrund erweisen sich neuerdings häufig angewendete Vegetationsdecken<br />

aus Magerrasen als günstig, da sie durchlässiger sind als die meisten<br />

Dammbaumaterialien (HASELSTEINER & STROBL 2004).<br />

Erosionsbeginn in konzentrierten Leckagen<br />

Konzentrierte Leckagen können durch Risse in bindigen Erdstoffen (z. B. Dichtungskern),<br />

durch Fehlstellen in Dichtungselementen oder durch andere Zonen erhöhter<br />

Durchlässigkeit entstehen. Risse in bindigen Erdstoffen können durch<br />

Setzungsunterschiede, Austrocknung, Frosteinwirkung oder Hydraulic Fracturing<br />

entstehen. Fehlstellen in Dichtungselementen können ausführungs- oder alterungsbedingt<br />

1 bei Entsprechung der Wichte des Bodens unter Auftrieb mit der Wichte des Wassers<br />

β


65<br />

sein. Zonen erhöhter Durchlässigkeit entstehen durch einen übermäßigen Grobkornanteil<br />

(z. B. Entmischung beim Schütten), durch schlechte Verdichtung oder durch Wühltiere<br />

und/oder Bewuchs. Konzentrierte Leckagen können außerdem an Fugen zu<br />

Massivbauwerken auftreten 1 , besonders wenn deren Oberflächen so steil geneigt sind,<br />

dass Setzungen und Verschiebungen des Erdkörpers zur Abnahme der Normalspannung<br />

in der Fuge führen.<br />

Bindige Materialien werden landläufig als sicher gegen Erosion angesehen, wenn sie eine<br />

ausreichende Plastizität und Kohäsion aufweisen (vgl. MAK BAW 1989). Diese Annahme<br />

gilt allerdings nur ohne konzentrierte Leckagen, die z. B. durch Setzungsunterschiede,<br />

Austrocknung oder Frosteinwirkung entstehen können. So kann die Erosionssicherheit<br />

bindiger Erdstoffe letztendlich nur durch Filter sichergestellt werden, die in der Lage sind,<br />

möglichen Materialaustrag zu verhindern oder zu stoppen, was thematisch in die Phase<br />

der Erosionsentwicklung fällt. Hier ist lediglich darauf hinzuweisen, dass Erosion von<br />

Kernmaterial in lokalen Leckagen nur dann gestoppt werden kann, wenn sich Risse im<br />

Kern nicht in den Filter fortpflanzen. Daher rührt die Forderung nach kohäsionslosen<br />

Filtern für natürliche Dichtungen (vgl. Kapitel 2), die durch Limitierung der Feinteile im<br />

Filter (D < 0,075 mm) auf maximal 5 % erfüllt werden kann. PARK (2003) zeigt, dass<br />

dieses Kriterium auch für plastische Feinteile Gültigkeit besitzt und für nichtplastische<br />

Feinteile bis auf 15 % erweitert werden kann.<br />

An der Kontaktfläche zu Massivbauwerken können konzentrierte Leckagen entstehen, in<br />

denen erhöhte Strömungsgeschwindigkeiten und in der Folge Materialtransport stattfinden<br />

kann. Da für die Nachweisführung keine konkreten Verfahren vorliegen, sei für horizontale<br />

Fugen auf die Überlegungen zur rückschreitenden Erosion und die Entsprechung mit den<br />

in Tabelle 1 zusammengestellten Fällen hingewiesen. Für vertikale Fugen mit aufwärts<br />

gerichteter Strömung empfiehlt SAUCKE (2006) das Kriterium von WITTMANN (1980).<br />

Hier scheinen außerdem die auf Überlegungen zum Sedimenttransport basierenden<br />

Kriterien von MUCKENTHALER (1989) zuzutreffen, wobei die Durchlässigkeit als groß<br />

anzusetzen ist und MUCKENTHALER (1989) empfiehlt, auf eine Ausnutzung der<br />

Adhäsion zu verzichten. Der Fugenerosion kann wirkungsvoll mit baulichen Maßnahmen<br />

begegnet werden (Untergrundabdichtung, Verwendung plastischer Erdstoffe im<br />

Anschlussbereich).<br />

Erosionsbeginn durch Suffosion<br />

Von Suffosion spricht man, wenn aus einem Erdstoff durch Sickerwasser selektiv Feinteile<br />

erodiert werden, ohne die Matrix aus gröberen Körnern zu zerstören, was mit einer<br />

Vergrößerung von Porenraum und Durchlässigkeit einhergeht. Die resultierenden<br />

veränderten hydraulischen Randbedingungen können neben erdstatischem Versagen<br />

einen Erosionsbeginn durch rückschreitende Erosion oder durch konzentrierte Leckagen<br />

begünstigen. Die Filterwirksamkeit von Filter-/ Basiskombinationen, wie sie mit<br />

Filterkriterien z. B. auf der Basis D15/d85 nachgewiesen wird, ist jedoch nur gewährleistet,<br />

wenn sowohl Filter als auch Basis in sich stabil, also nicht suffosionsanfällig sind.<br />

Andernfalls können entweder selektiv ausgetragene Feinteile der Basis den dann zu<br />

1 vgl. Fugenerosion nach ZIEMS (1969)


66<br />

groben Filter passieren, oder ein selektiver Austrag von Feinteilen aus dem Filter<br />

hinterlässt diesen zu grob, um die Basis zu filtern. Häufig wir als mögliche Folge von<br />

Suffosion eine verminderte Steifigkeit des Erdstoffes mit resultierenden Setzungen<br />

angeführt, was bestimmt vom Anteil der erodierten Fraktionen abhängt und nur schwer<br />

quantifiziert werden kann.<br />

Suffosionsanfällige Böden sind i. d. R. stetig weitgestufte Böden mit aufwärts konkaver<br />

Kornverteilungslinie sowie intermittierend gestufte Böden, also Böden mit Ausfallkörnung.<br />

Dabei sind grobkörnige Böden mit einem begrenzten Anteil sehr feiner Körner sowie<br />

locker gelagerte Böden besonders anfällig. Für einen möglichen Erosionsbeginn durch<br />

Suffosion müssen folgende Kriterien erfüllt sein (WAN & FELL 2004):<br />

• Die Körner der feinen Fraktionen müssen klein genug sein, um durch die<br />

Porenengstellen der gröberen Kornmatrix zu passen (erstes geometrisches<br />

Kriterium). Andernfalls spricht man von selbstfilternden Böden.<br />

• Der Anteil der feinen Fraktionen muss gering genug sein (< 30 bis 40 %), um die<br />

Zwischenräume der gröberen Kornmatrix nicht auszufüllen (zweites geometrisches<br />

Kriterium). Andernfalls schwimmen die groben Körner in den Feinteilen und bilden<br />

keine kraftschlüssige Bodenmatrix.<br />

• Die Porengeschwindigkeit muss ausreichend groß sein, um die Feinteile in der<br />

gröberen Kornmatrix zu bewegen (hydraulisches Kriterium). Die hydraulischen<br />

Gradienten, die erforderlich sind, um Suffosion zu beginnen, sind in der Regel<br />

kleiner als die für hydraulischen Grundbruch oder für den Beginn von<br />

rückschreitender Erosion erforderlichen.<br />

Das Phänomen der Suffosion in Sand- und Kiesböden ist Bestandteil vieler<br />

wissenschaftlicher Arbeiten. Die Suffosion in Erdstoffen mit Schluff- oder Tonanteilen fand<br />

bisher nur geringe Beachtung und wurde von WAN & FELL (2004) systematisch<br />

untersucht. Für den Nachweis der geometrischen Sicherheit gegen Suffosion empfiehlt<br />

BAW MSD (2005) eine Auftrennung in einen Fein- und einen Grobkornanteil mit<br />

nachfolgendem Nachweis der Filterstabilität. Die Trennung erfolgt in der Regel zwischen<br />

10% und 20 % Siebdurchgang, gegebenenfalls bei markanten Knickpunkten in der<br />

Kornverteilung, oder im Bereich der Ausfallkörnung (Sattelpunkt der Kornverteilung) bei<br />

intermittierend gestuften Böden. Der international gängige Nachweis nach KENNEY &<br />

LAU (1985, 1986) basiert auf der Vorstellung, dass für jede Fraktion mit dem<br />

Korndurchmesser d ein ausreichender Anteil an Korngrößen zwischen d und 4·d<br />

vorhanden sein muss, um nicht ausgespült zu werden. Das Verfahren beinhaltet eine<br />

systematische Einbeziehung aller relevanten Kombinationen aus Fein- und<br />

Grobkornanteil. Das Suffosionskriterium von BURENKOVA (1993) kann nach SAUKE<br />

(2006) empfohlen werden, ist aber nach WAN & FELL (2004) bei seiner Anwendung auf<br />

Erdstoffen mit Schluff- oder Tonanteilen weniger konservativ als das von KENNEY & LAU<br />

(1985, 1986). Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass unter Berücksichtigung sehr<br />

vieler Versuchsergebnisse ein eindeutiges geometrisches Kriterium für Sand- und<br />

Kiesböden mit und ohne Schluff- oder Tonanteile sehr konservativ ausfallen müsste,<br />

schlagen WAN & FELL (2004) ein Suffosionskriterium vor, dass die Suffosionsanfälligkeit<br />

auf wahrscheinlichkeitstheoretischer Grundlage beschreibt. Demnach sind Böden, die


67<br />

sowohl nach KENNEY & LAU (1985, 1986), als auch nach BURENKOVA (1993) als<br />

suffosionsanfällig eingestuft werden, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in sich stabil, und<br />

umgekehrt. Außerdem zeigen WAN & FELL (2004), dass die Suffosionsanfälligkeit mit<br />

zunehmender Porosität und abnehmendem Verdichtungsgrad zunimmt. Eine<br />

Abschätzung suffosionsgefährdeter Kornfraktionen kann nach BURENKOVA (1993)<br />

erfolgen.<br />

3.3 Erosionsentwicklung<br />

Ist Erosionsbeginn durch eines der oben beschriebenen Phänomene nicht<br />

auszuschließen, muss untersucht werden, ob progressiv ablaufender Materialaustrag<br />

einsetzen kann oder ob eine Veränderung der geometrischen und hydraulischen<br />

Randbedingungen diesen zum Erliegen bringt. Ob die Erosion fortschreitet, hängt in erster<br />

Linie davon ab, ob der Austrittspunkt des Sickerwassers gefiltert ist oder nicht. Bei<br />

ungefiltertem Austritt der Durchströmung wird der Erosionsprozess solange fortschreiten<br />

bis sich die hydraulischen Randbedingungen zum Besseren ändern.<br />

An der Schichtgrenze von Filter-/ Basissystemen kann Filterwirkung entweder ohne oder<br />

mit Partikelbewegung erreicht werden. Bei letzterem Fall bildet sich durch Kolmation ein<br />

Filterkuchen 1 aus. Bezüglich der geometrischen Filterkriterien, die eine<br />

Erosionsentwicklung durch Kontakterosion ausschließen können (keine Erosion), sei<br />

exemplarisch auf die in Kapitel 2 erwähnten geometrischen Kriterien vom TERZAGHI &<br />

PECK (1948) mit D15 / d85 < 4, SHERARD & DUNNIGAN (1989, vgl. Tabelle 2) und auf die<br />

reichhaltige Zusammenstellung in PARK (2003) verwiesen.<br />

Falls ein Nachweis mit geometrischen Kriterien scheitert, kann mit hydraulischen Kriterien<br />

abgeschätzt werden, ob Partikeltransport möglich ist. Bezüglich deren Anwendbarkeit sei<br />

auf die Anmerkungen in Kapitel 2 verwiesen. Hydraulische Kriterien für Kontakterosion in<br />

körnige Erdstoffe sind in SAUKE (2006) 2 zusammengestellt.<br />

Ist die Kornverteilung des Filters zu grob, um jegliche Erosion zu verhindern, kommt es im<br />

Basismaterial zu etwas, zu ausgeprägter oder zu fortschreitender Erosion. Der Ansatz von<br />

FOSTER & FELL (2001) hilft bei der Beurteilung der Erosionssicherheit von Filter-/<br />

Basissystemen, bei denen der Filter nicht modernen Filterkriterien genügt. Dabei sind die<br />

in Abb. 5 gezeigten Bereiche zu unterscheiden.<br />

1 Versiegelung der Schichtgrenze durch Partikel des Basiserdstoffes<br />

2 ZIEMS (1969): aufwärts gerichtete Strömung / horizontale Schichtgr., BRAUNS (1985):<br />

horizontale Strömung / horizontale Schichtgr., BEZUJEN et al. (1987): variabel geneigte Strömung<br />

und Schichtgr.


Filter D 15<br />

fortschreitende Erosion<br />

ausgeprägte Erosion<br />

etwas Erosion<br />

keine Erosion<br />

z. B. Basis d 85<br />

68<br />

keine Erosion:<br />

Der Filter lässt kein Eindringen von Feinteilen der Basis zu.<br />

wenig Erosion:<br />

Der Filter verschließt sich gegen Eintreten von Feinteilen aus<br />

der Basis nach etwas Erosion des Basismaterials.<br />

ausgeprägte Erosion:<br />

der Filter verschließt sich gegen Eintreten von Feinteilen aus<br />

der Basis erst nach ausgeprägter Erosion des Basismaterials.<br />

fortschreitende Erosion:<br />

der Filters ist zu grob um ihn durch das erodierte Basismaterial<br />

zu verschließen.<br />

Abb. 5: Kriterien zur Beurteilung der Erosionsentwicklung bei Kontakterosion nach<br />

FOSTER & FELL (2001)<br />

Angelehnt an das Filterkriterium nach SHERARD & DUNNIGAN (1989) haben FOSTER &<br />

FELL (2001) ausgehend von eigenen Versuchen, die Grenze bis zu der keine Erosion<br />

auftritt, schärfer gezogen (Tab. 2). Dabei fällt auf, dass ihr Kriterium für Basiserdstoffe mit<br />

einem Feinteilanteil > 35 % strenger (feinere Filter) und für solche mit einem Feinteilanteil<br />

< 35 % weniger streng (gröbere Filter) ausfällt.<br />

Tab. 2: Filterkriterien und Grenzen zwischen keiner und etwas Erosion<br />

Feinteilanteil Filterwirksamkeit Grenze keine / etwas Erosion<br />

F Basis [%] 1 Spanne 2 Kriterium 3 Spanne 4 Kriterium 5<br />

≥ 85 D15 ≤ (7 - 12) d85 D15 ≤ 9 d85 D15 ≤ (6,5 – 13,5) d85<br />

D15 ≤ 6,5d85<br />

35 - 85 D15 ≤ 0,7 - 1,5mm D15≤0,7mm D15 ≤ 0,7 - 1,7mm D15≤0,5mm<br />

15 - 35<br />

D15 ≤ (40 - F)·<br />

(4 d85 - 0,7mm)/25 + 0,7mm<br />

D15 ≤ 1,6 ((35 - F)·<br />

(4 d85 - 0,7mm)/20 + 0,7mm)<br />

≤ 15 D15 ≤ (7 - 10) d85 D15 ≤ 4 d85 D15 ≤ (6.8 - 10) d85 D15 ≤ 7 d85<br />

Die Grenzen zwischen etwas und ausgeprägter, bzw. zwischen ausgeprägter und<br />

fortschreitender Erosion nach FOSTER & FELL (2001) können bei der Beurteilung<br />

bestehender Dämme helfen (Tabelle 3). Demnach ist ab einem Verhältnis D15 / d85 > 9<br />

unabhängig vom Basiserdstoff mit fortschreitender Erosion zu rechnen. Bei der<br />

Beurteilung der Versagenswahrscheinlichkeit durch hydrodynamische Bodendeformation<br />

im Rahmen des Systemansatzes spielen diese Kriterien eine wichtige Rolle, wobei immer<br />

Körnungsbänder betrachtet werden sollten.<br />

1<br />

F: Anteile Basis < 75 μm, Grenzen der Bodengruppen von SHERARD & DUNNIGAN (1989) modifiziert nach<br />

FOSTER & FELL (2001) 35% statt 40%, Körnungslinie Basis muss auf dmax = 4,75 mm angepasst werden (gilt<br />

entsprechend für F in Tabelle 3)<br />

2<br />

Beobachtete Spanne der Filterwirksamkeit nach SHERARD & DUNNIGAN (1989)<br />

3 2<br />

Entwurfskriterium nach SHERARD & DUNNIGAN (1989), Sicherheit vgl. , auch in US SCS (1986)<br />

4<br />

Beobachtete Spanne für keine Erosion nach FOSTER & FELL (2001)<br />

5<br />

vorgeschlagenes Kriterium für Grenze keine / etwas Erosion nach FOSTER & FELL (2001)


Tab. 2: Filterkriterium und Grenzen zwischen keiner und etwas Erosion<br />

d95 ≥ 2mm<br />

Basierstoff<br />

69<br />

Grenze etwas /<br />

ausgeprägte Erosion<br />

d95 ≤ 0,3 mm D15 > 9 d95<br />

0,3 mm < d95 < 2 mm D15 ≤ 0,7 mm<br />

F ≥ 35 nur mit Filterversuchen<br />

15 < F < 35<br />

D15 ≤ 2,5 ((35 - F)·<br />

(4 d85 - 0,7mm)/20 + 0,7mm)<br />

F ≤ 15 D15 > 9 d85<br />

Grenze ausgeprägte /<br />

fortschreitende Erosion<br />

D15 > 9 d95<br />

3.4 Erosionsfortschritt<br />

Beim Erosionsfortschritt bedingt die hydraulische Schleppspannung in dem erodierenden<br />

Boden einen anhaltenden Materialaustrag. Es kann entweder zur Ausbildung von<br />

standfesten Erosionsröhren oder zu Setzungstrichtern (Nachsacken des Bodens über<br />

Stellen des Materialaustrags) kommen. Standfeste Erosionsröhren, die nicht bereits bei<br />

geringer Größe kollabieren, können sich nach FOSTER (1999) vor allem in bindigen<br />

Böden sowie in schluffigen Sanden und sandigen Schluffen mit einem Feinkornanteil (d <<br />

0,075 mm) größer 15 % ausbilden. Die Gefahr von standfesten Röhren besteht darüber<br />

hinaus unter Massivbauwerken und unter bindigen Deckschichten. Für den Fall, dass sich<br />

keine standfesten Erosionsröhren ausbilden, kann sich der Erosionsfortschritt vorzeitig<br />

durch Sackungen oder Setzungstrichter an der Oberfläche abzeichnen, was eine gewisse<br />

Reaktionszeit für Gegenmaßnahmen einräumt. Auch die rückschreitende Erosion an<br />

einem ungefilterten Austritt der Durchsickerung macht sich i. d. R. durch Materialaustrag<br />

an der Oberfläche bemerkbar. Kritischer sind diesbezüglich Erosionsröhren in bindigen<br />

Dichtungskernen, da zum einen keine sichtbaren Anzeichen auftreten und zum anderen<br />

Maßnahmen zur Verringerung der Durchsickerung an der wasserseitigen Böschung i. d.<br />

R. unwirksam sind.<br />

Ob sich ein Riss in einem bindigen Material, dessen Partikel nicht von einem Filter<br />

aufgehalten werden, vergrößert, hängt von der Erodierbarkeit des Bodens und der<br />

hydraulischen Belastung ab. Die hydraulische Belastung (Schubspannung τ) lässt sich<br />

aus dem hydraulischen Gradienten und einer Rissweitenabschätzung rückrechnen. Die<br />

Erodierbarkeit von Böden lässt sich mit der kritischen Schubspannung τ0 für den<br />

Erosionsbeginn und dem Erosionsratenindex IHET beschreiben. Für τ > τ0 findet<br />

Materialaustrag statt, wobei die Erosionsgeschwindigkeit vom Erosionsratenindex IHET<br />

nach WAN & FELL (2002, 2004 1 ) bestimmt wird. Der Erosionsratenindex kann in so<br />

genannten Pinhole oder Slot Erosion Tests (HET, SET) versuchstechnisch bestimmt oder<br />

überschlägig nach WAN & FELL (2002, 2004) abgeschätzt werden. Für Böden mit<br />

Tonanteilen > 20 % oder Feinteilanteil > 50 % ist ein IHET > 3 wahrscheinlich. Die<br />

Erosionsrate, welche die Geschwindigkeit bestimmt, mit der sich ein Riss tatsächlich<br />

1 IHET < 2: sehr schnelle bzw IHET > 6: sehr langsame Erosion


70<br />

vergrößert, berechnet sich zu εt = 10 -I,HET (τ − τ0) in [kg/(m²s)]. Die Erodierbarkeit von<br />

Böden wird auch vom Verdichtungs- und vom Sättigungsgrad beeinflusst.<br />

Wenn die Leckageabflüsse bei Vergrößerung einer Erosionsröhre groß werden, kann der<br />

Durchfluss auch durch die Stützkörper oder andere Elemente, wie eine<br />

Betonoberflächendichtung begrenzt werden, in denen sich dann auch ein hydraulischer<br />

Gradient einstellt. Material aus dem wasserseitigen Filter wird entweder die Erosionsröhre<br />

verstopfen oder es stellt sich im äußersten Fall eine Sickerlinie wie in einem homogenen<br />

Damm ein, wenn es nicht vorher zu erdstatischem Versagen kommt.<br />

3.5 Überwachung und Gegenmaßnahmen<br />

Der Überwachung und Intervention kommt im Rahmen des Systemansatzes eine große<br />

Bedeutung zu. Es liegt auf der Hand, dass die Wahrscheinlichkeit eines Versagens wegen<br />

hydrodynamischer Bodendeformation durch Möglichkeiten eines rechtzeitigen Erkennens<br />

von Erosionsbeginn, Erosionsentwicklung oder Erosionsfortschritt abnimmt. Außerdem<br />

lassen sich durch Überwachung aus Unbekanntem resultierende Unsicherheiten<br />

minimieren. Faktisch kann eine erfolgreiche Überwachung ausreichend Zeit schaffen, um<br />

mit geeigneten Gegenmaßnahmen ein Versagen zu verhindern oder zu verzögern.<br />

Ob wirksame Gegenmaßnahmen durchgeführt werden können, hängt neben einem<br />

erfolgreichen Erkennen und Lokalisieren kritischer Erosionsprozesse von Art und Ort der<br />

hydrodynamischen Bodendeformation, von der Zugänglichkeit, von verfügbarem<br />

Personal, Gerät und Material und nicht zuletzt von der verfügbaren Zeit ab. Im Gegensatz<br />

zu Flussdeichen kann bei Speicherbauwerken unter Umständen eine<br />

Stauspiegelabsenkung durchgeführt werden.<br />

Hinweise auf hydrodynamische Bodendeformation resultieren typischer Weise aus<br />

Beobachtungen der Durchsickerung, die bei Dämmen traditionell durch visuelle<br />

Kontrollen, Sickerwasser- oder Porenwasserdruckmessungen erfolgt. Die unersetzliche<br />

visuelle Kontrolle beschränkt sich dabei naturgemäß auf das Erkennen von<br />

Veränderungen an der Luftseite und somit auf oberflächennahe Auswirkungen von<br />

Durchsickerungen. Sickerwasserabflussmessungen ermöglichen eine Ortung von<br />

Schadstellen nur bei hinreichender Schotteinteilung. Eine besondere Bedeutung kommt<br />

der Beobachtung oder Messung der Trübheit des Leckageabflusses zu. Bei<br />

Stauhaltungsdämmen oder Kraftwerkskanälen ist eine lückenlose Sickerwassermessung<br />

auf Grund ihrer großen Länge mit herkömmlichen Methoden meist nicht möglich. Hier<br />

erfolgt die Kontrolle der Durchsickerung in der Regel punktuell, z.B. mit Piezometern oder<br />

Pegeln.<br />

Von den neueren geophysikalischen Methoden 1 gilt die thermische Leckageortung als<br />

besonders wirkungsvoll (KBR 2003). Für eine lückenlose Überwachung steht seit einigen<br />

Jahren die verteilte thermische Leckageortung zur Verfügung (PERZLMAIER et al. 2006).<br />

Für die Beurteilung von Gefahrenpotentialen eignet sich dabei die verteilte<br />

Filtergeschwindigkeitsmessung mit der Aufheizmethode (PERZLMAIER 2006) besonders,<br />

1 Self potential, Electrical resistivity, Ground penetrating Radar, etc.


da sie erstmals eine direkte und verteilte Messung des für hydrodynamische<br />

Bodendeformation maßgebenden Parameters Filtergeschwindigkeit ermöglicht.<br />

71<br />

3.6 Versagen<br />

Versagensformen, die durch hydrodynamische Bodendeformation eingeleitet werden, sind<br />

entweder hydraulischer oder erdstatischer Art und unterscheiden sich in Ablauf und<br />

Dauer. Eine standfeste Erosionsröhre durch den Damm oder dessen Untergrund kann<br />

ohne Zusammenbruch des Schüttkörpers zu großen Leckageabflüssen führen. Das<br />

Versagen von Dichtungen mit resultierendem Anstieg der Sickerlinie im Stützkörper kann<br />

zu Böschungsbruch mit anschließender Überströmung und Breschenbildung führen.<br />

Sackungen oder Setzungen an der Krone können anfänglich zum Verlust des Freibordes<br />

und weiter zu Überströmung mit Breschenbildung führen. Typische Versagensformen für<br />

Deiche sind in HASELSTEINER & PERZLMAIER (2006) enthalten.<br />

Die Ereignisbäume, welche eine Aneinanderreihung von Teilprozessen bis hin zum<br />

Versagen bedingt durch hydrodynamische Bodendeformation zusammenfassen, sollten<br />

die vier in Abb. 2 beschriebenen Phasen durchlaufen. Zusätzliche Betrachtungen des<br />

Lastfalles (z. B. Normal- oder Vollstau, Erdbeben), des Ortes der hydrodynamischen<br />

Bodendeformation (z. B. im Dammkörper, im Untergrund oder an der Aufstandsfläche)<br />

sowie der Möglichkeiten einer erfolgreichen Überwachung und Intervention sollten in<br />

einem vollständigen Ereignisbaum enthalten sein. Für die Anwendung ist es von großer<br />

Bedeutung, kritische Versagensmechanismen zu extrahieren. Bei Staudämmen tritt<br />

hydrodynamische Bodendeformation im Dammkörper nach FOSTER et al. (2000) doppelt<br />

so häufig auf wie im Untergrund und zwanzigmal häufiger als vom Dam in den<br />

Untergrund. Rund zwei drittel der ausgewerteten Versagensereignisse traten in den<br />

ersten fünf Betriebsjahren auf.<br />

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Technische Universität Dresden.<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Sebastian Perzlmaier & Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong><br />

Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

Technische Universität München<br />

Arcisstraße 21<br />

80290 München<br />

s.perzlmaier@bv.tum.de & r.haselsteiner@bv.tum.de


75<br />

Der Systemansatz zur Beurteilung der Gefahr der<br />

hydrodynamischen Bodendeformation in Deichen –<br />

Praktische Beispiele<br />

Kurzfassung<br />

<strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong> & Sebastian Perzlmaier<br />

Folgender Beitrag bezieht sich auf die Ausführungen „Der Systemansatz zur Beurteilung<br />

der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation“ von PERZLMAIER u.<br />

HASELSTEINER (2006). Es werden spezielle Aspekte an Deichen erläutert und<br />

anschließend an drei praktischen Beispielen Hinweise zur Handhabung des<br />

Systemansatzes gegeben. Abschließend wird durch eine unscharfe probabilistische<br />

Abschätzung gezeigt, wie der Systemansatz dazu dienen kann,<br />

Versagenswahrscheinlichkeiten für den durch innere Erosion verursachten Beginn eines<br />

Deichbruches abzuschätzen.<br />

1 Einleitung<br />

Die Beurteilung der Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation stellt sich bei<br />

Deichen aufgrund variierender Untergrundverhältnisse, inhomogenen Aufbaus oder auch<br />

veränderlicher Bodenparameter sehr schwierig dar. Eine Beurteilung, welche<br />

Auswirkungen die vielen verschiedenen Einflussfaktoren auf die geohydraulische Stabilität<br />

des Gesamtsystems haben und inwieweit die Anwendung der zahlreichen Filter-,<br />

Suffosions- und Erosionskriterien zur Beurteilung herangezogen werden können, ist nur<br />

anhand eines prozess- und risikobasierten Systemansatzes möglich (PERZLMAIER u.<br />

HASELSTEINER 2006; FELL et al. 2005). Ein allgemeingültiges Bemessungskonzept<br />

kann, wie aufgrund der Ausführungen in BAW MAK (1989) bzw. BAW MSD (2005)<br />

vermutet werden könnte, nicht angegebenen werden, was in DIN 19712/1997 richtig<br />

gestellt wird.<br />

Kritische Versagensmechanismen können in Teilprozesse, z. B. durch Aufstellen von<br />

Ereignisbäumen, untergliedert werden und diese Teilprozesse mit<br />

Eintretenswahrscheinlichkeiten belegt werden. Durch die Betrachtung unterschiedlicher<br />

Versagensmechanismen oder eines maßgebenden Ereignispfades kann anschließend<br />

einem Deichsystem eine Versagenswahrscheinlichkeit infolge hydrodynamischer<br />

Bodendeformation zugewiesen werden. Dazu bedarf es expliziter Nachweise und<br />

Kriterien ebenso wie ein fundiertes Fachwissen auf dem Deich- und Dammsektor.<br />

Zusätzlich kann durch den Systemansatz vorhandene Erfahrung transparent und sicher<br />

an richtiger Stelle eingesetzt werden.<br />

Da es, zumindest zurzeit, noch nicht möglich ist, einzelnen Prozessen der<br />

Bodenumlagerung exakte Eintretenswahrscheinlichkeiten p zuzuordnen, muss man sich<br />

mit einer groben probabilistischen Beschreibung weiterhelfen. Probabilistischen Angaben<br />

können nur bedingt Eintretenswahrscheinlichkeiten bzw.


Nichteintretenswahrscheinlichkeiten (1 – p) zugeordnet werden. Folgende Zuordnung<br />

wurde im Folgenden verwendet (Tab. 1).<br />

Tab. 1: Verwendete Bezeichnungen und ihre Zuordnung zu Wahrscheinlichkeiten (nach<br />

HUBER et al. 2003 und IDEL 1988)<br />

76<br />

Bezeichnung Wahrscheinlichkeit<br />

Sicher ≤ p = 10 0 = 1,0 (q = 1 - 10 0 )<br />

Wahrscheinlich ≤ p = 10 -1 = 0,1<br />

Möglich ≤ p = 10 -2 = 0,01<br />

Nicht auszuschließen ≤ p = 10 -3 = 0,001<br />

Unwahrscheinlich ≤ p = 10 -4 = 0,0001<br />

Auszuschließen ≤ p = 10 -5 = 0,00001<br />

2 Besondere Randbedingungen bei Deichen<br />

2.1 Einstaudauern von Deichen an bayrischen Flüssen<br />

Deiche sind, anders als Talsperren und Stauhaltungsdämme, nur im Hochwasserfall<br />

eingestaut. An bayerischen Flüssen dauern Hochwasserereignisse von wenigen Tagen<br />

bis zu mehreren Wochen an (Gesamtdauer: TG). Entsprechende Scheiteldauern TSch<br />

können sechs Stunden bis zu etwa vier Wochen betragen (vgl. Abb. 1).<br />

Abb. 1: Scheiteldauern und<br />

Gesamtdauern von<br />

Hochwasserganglinien an<br />

bayerischen Flüssen<br />

Gesamtdauer T G [h]<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

91 ausgewertete Ereignisse<br />

an unterschiedlichen Pegeln<br />

0 200 400 600 800<br />

Scheiteldauer T Sch [h]<br />

Die größten geohydraulischen Belastungen für den Deich, nimmt man die Rücksickerung<br />

an der wasserseitigen Böschung bei fallendem Wasserstand außer Betracht, ergeben<br />

sich bei hohen Wasserständen (Kronenstau).


77<br />

Zur Beurteilung der hydrodynamischen Bodendeformation ist es grundlegend über die<br />

Durchsickerungsverhältnisse im Deich und dessen Untergrund genau Bescheid zu<br />

wissen. Eine Annahme von stationären Durchsickerungsverhältnissen liegt i. d. R. auf der<br />

sicheren Seite. Für relativ undurchlässige homogene Deiche an kleineren bayrischen<br />

Flüssen, wie z. B. der Mangfall, führt diese Annahme sowohl erdstatisch als auch<br />

geohydraulisch zu einer Überdimensionierung der Deiche, wenn man in grober<br />

Abschätzung die Zeit als maßgebend ansieht, die die Durchsickerungsfront benötigt, um<br />

an der luftseitigen Böschung auszutreten (vgl. HASELSTEINER U. STROBL 2005).<br />

Eine einfache Möglichkeit, die instationären Verhältnisse in einem Deich abzuschätzen,<br />

bietet folgende Gleichung:<br />

Glg. 1 n a 2<br />

t b = ⋅ b<br />

2 ⋅ h ⋅ k<br />

Durchsickerungsdauer [s]<br />

tb<br />

na<br />

luftgefüllte Porosität [-]<br />

b Breite des Deichlagers [m]<br />

hD<br />

Höhe des Deiches [m]<br />

k Durchlässigkeit des Bodens [m/s]<br />

Für den Fall eines plötzlichen Einstaus kann somit die Dauer tb abgeschätzt werden, die<br />

besagt, wie lange es dauert, bis die Durchsickerungsfront den landseitigen Deichfuß<br />

erreicht (vgl. SCHNEIDER et al. 1997). Für einen Beispieldeich sind entsprechende Werte<br />

in Abb. 2 angegeben. Die maximale Strömungsbelastung oder die Ausbildung einer<br />

stationären Sickerlinie muss jedoch auf anderem Wege – analytisch oder numerisch –<br />

ermittelt werden.<br />

Deichhöhe hD [m]<br />

5,0<br />

4,5<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

n a = 0,25<br />

b DK = 3 m<br />

1:2<br />

k = 10 -2 m/s<br />

1:3<br />

1 h<br />

0,001 0,01 0,1 1 10 100 1000 10000<br />

Dauer tb [h]<br />

Abb. 2: Abschätzung der Durchsickerungsdauer tb für plötzlichen Einstau<br />

1:2<br />

k = 10 -3 m/s<br />

1:3<br />

1 d<br />

1:2<br />

k = 10 -4 m/s<br />

1:3<br />

7 d<br />

1:2<br />

14 d<br />

k = 10 -5 m/s<br />

28 d<br />

1:3<br />

1:2<br />

k = 10 -6 m/s<br />

1:3


78<br />

2.2 Deichaufbau und Bodenbeschaffenheit<br />

Der historischen Entwicklung im Hochwasserschutz und im Erdbau haben wir zu<br />

verdanken, dass neu gebaute und ertüchtigte Deiche heutzutage einheitlich hohen<br />

Sicherheitsansprüchen genügen. Allerdings wurden schon vor hunderten Jahren<br />

Maßnahmen ergriffen, um Siedlungen, Ackerflächen und Menschen vor Überflutungen zu<br />

schützen, während geotechnisches Wissen sowie hydrologische Bemessungshilfen noch<br />

weitgehend unbekannt waren. Daraus resultieren Deichbauwerke, die mit den heutigen<br />

technischen Standards in Bauweise, Ausführung und Instandhaltung nicht zu vergleichen<br />

sind (vgl. z. B. SCHMIDT 2000). Aufgrund immer wieder auftretender größerer<br />

Hochwasserereignisse in der Vergangenheit wurden unterdimensionierte Deiche zum Teil<br />

mehrere Male den neuen Bemessungskriterien angepasst. Das geschah i. d. R. auf dem<br />

Weg, dass überströmte, zerstörte Bereiche entsprechend dem gerade aufgetretenen<br />

Hochwasserstand zzgl. einer Freibordhöhe erhöht und/oder verstärkt wurden. Auf<br />

Anordnung und Wahl unterschiedlicher Deichbaumaterialien wurden im Einzelfall keine<br />

Anforderungen gestellt.<br />

Die meistens nur lückenhaft mögliche Erkundung des Aufbaus und der<br />

Zusammensetzung solch inhomogener Bereiche stellt einen weiteren Unsicherheitsfaktor<br />

dar. Die herkömmlichen geotechnischen direkten oder indirekten Aufschlussverfahren<br />

sind mit Unsicherheiten behaftet und werden nur punktuell eingesetzt. Wird flächig mittels<br />

geophysikalischer Verfahren wie z. B. das Georadar oder die Widerstandsgeoelektrik<br />

erkundet, bergen die Ergebnisse aufgrund des inhomogenen Aufbaus verhältnismäßig<br />

hohe Unsicherheiten. Eine kombinierte Anwendung mit geotechnischen Aufschlüssen zur<br />

Eichung kann im Vorfeld jedoch eine Unterscheidung in homogene und inhomogene<br />

Bereiche zulassen und die<br />

Erkundungstätigkeit in die<br />

maßgebenden Bereiche lenken (vgl.<br />

HASELSTEINER U. STROBL 2005).<br />

Ähnliches gilt natürlich auch für den<br />

Deichuntergrund. Der ist natürlich<br />

gewachsen, kann von einer mehr<br />

oder minder bindigen Deckschicht<br />

überlagert werden und feine<br />

Sandbänder sowie Schlufflinsen<br />

aufweisen. Daraus resultiert ein<br />

geschichteter Aufbau, der eine hohe<br />

Anisotropie aufweisen kann. Eine<br />

bindige Deckschicht nimmt bei der<br />

Beurteilung der hydrodynamischen<br />

Bodendeformation einen besonderen<br />

Stellenwert ein, da sie zum einen<br />

Deich und Untergrund weitgehend<br />

hydraulisch trennt und zum anderen<br />

Abb. 3: An abgestorbener Baumwurzel<br />

ausgetragene Kieskörner (Quelle: WWA<br />

Deggendorf)


79<br />

direkte Auswirkungen von Umlagerungen im Untergrund auf den Deich unterbindet. Diese<br />

sichernde Wirkung steht in Konkurrenz mit der höheren hydraulischen Belastung des<br />

Deiches selbst, da kein Druckabbau in den Untergrund erfolgen kann.<br />

Werden die bodenkundlichen Verhältnisse durch Deichneubau oder durch<br />

Grundwasserabsenkung gestört, können sich die Böden auf natürlichem Wege ändern.<br />

Auenböden können sich bei Trockenfallen zu Gleyböden entwickeln. An der unteren<br />

Grenzfläche zum durchlässigen Untergrundkies kann der vormals regelmäßig befeuchtete<br />

und überflutete Auenboden durch Aggregatbildung Pseudosande ausbilden, welche u. U.<br />

ursprünglich nicht vorhanden waren und erosionsanfällig sind (KUNTZE et al. 1994).<br />

Die auf den Deichböschungen üblichen Vegetationsdecken bzw. Grasnarben wirken als<br />

biologische Bewehrung, Schutz und natürlicher Filter. Trotz der schützenden<br />

Vegetationsdecke können durch Gehölzwurzeln und Wühltiertätigkeit Fehlstellen<br />

entstehen. Für den Nachweis der lokalen Standsicherheit von Dämmen an<br />

Bundeswasserstraßen kann nach BAW MSD (2005) Wurzelkohäsion angesetzt werden.<br />

Dadurch sind i. d. R. bei körnigen Erdbaustoffen steilere Böschungen möglich. Dies hat<br />

allerdings zur Folge, dass die lokalen Strömungskräfte bzw. hydraulischen Gradienten<br />

ansteigen. Solange diese „wurzelkohäsive“ Vegetationsdecke flächig funktionstüchtig und<br />

entsprechend höhere Durchlässigkeit aufweist, kann davon ausgegangen werden, dass<br />

kein Material austritt. Intensiv gepflegter Rasen auf einer mehr oder minder bindigen, bis<br />

zu 25 cm dicken Oberbodenschicht kann zu ungewünschtem Aufstau führen, wenn der<br />

Deichkörper durchlässiger ist als die Vegetationsdecke. Die Gradienten bei einer<br />

Störstelle vergrößern sich ebenfalls drastisch (vgl. PERZLMAIER u. HASELSTEINER<br />

2006). Dass dies sogar zu Ausspülung grober Kieskörner führen kann, zeigt das Beispiel<br />

in Abb. 3, in dem eine abgestorbene Baumwurzel die schützende Vegetationsdecke<br />

durchdringt. Günstiger wirkt ein wurzelintensiver Magerrasen, der im Einzelfall auch direkt<br />

auf das kiesige Deichbaumaterial angesät werden kann (HASELSTEINER U. STROBL<br />

2004, 2005).<br />

2.3 Bauwerke und Dichtungen<br />

Bauwerke, wie z. B. Siele, Tore aber auch Schöpfwerke, Brücken und private Nutzbauten<br />

bedürfen stets eines Anschlusses von Massiv- an Erdbauwerk. Im Gegensatz zur<br />

Talsperrenpraxis wird an Deichen trotz besseren Wissens im Einzelfall die notwendige<br />

Sorgfalt diesbezüglich vernachlässigt, so dass Schäden an Deichen durch<br />

hydrodynamische Bodendeformation oft an Bauwerken auftreten.<br />

Oberflächendichtungen und Innendichtungen in Deichen haben die Aufgabe, die<br />

Durchsickerung des Deiches zu reduzieren. Während hydraulisch gebundene<br />

Innendichtungen durch das Einhalten eines maximal auftretenden Gradienten und der<br />

Forderung einer Mindestfestigkeit qu [kN/m²] und eines adäquaten E-Moduls<br />

erosionsstabil und setzungsunempfindlich sind, kann bei natürlichen Dichtungen,<br />

insbesondere bei oberflächennahen, geneigten Dichtungen aus bindigen Materialien,<br />

Umlagerung nicht nur aufgrund ungeeigneter Bodeneigenschaften stattfinden, sondern<br />

auch durch auftretende Risse durch Austrocknung, Frost oder Setzungen. Eine größere<br />

Sicherheit wird durch die Anordnung eines Filters erreicht. Idealerweise kann das<br />

Deichstützkörpermaterial die Aufgabe eines Filters übernehmen. Spundwände sind


diesbezüglich unkritisch, da sie erosionsstabil und setzungsunempfindlich sind (DWA<br />

2005).<br />

80<br />

2.4 Einwirkungen der Umwelt<br />

Abhängig von Deichstandort und Deichaufbau spielen bei den zu Trockenzeiten brach<br />

liegenden Deichen die Umwelteinflüsse eine gewichtige Rolle. So können, wie bereits<br />

erwähnt, durch Austrocknung, Frosteinwirkungen aber auch durch Setzungen durch z. B.<br />

Grundwasserabsenkung Risse in bindigen Dammbaumaterialien oder Dichtungen<br />

auftreten, was zur hydrodynamischen Bodendeformation, wenn im Einzelfall auch nur<br />

begrenzt, führen kann.<br />

Weitaus wahrscheinlicher und offenkundiger sind Umlagerungen an Wühltiergängen oder<br />

–bauten sowie lebenden oder verrottenden Wurzeln. Die Röhren oder Höhlen von<br />

Wühltieren können die Durchsickerung verstärken und anfängliche Hohlräume zur<br />

Bodenumlagerung (Erosionsbeginn) bieten. Im Bereich von Wurzel oder Wühltieren sind<br />

Filterschichten entweder erst gar nicht vorhanden oder durchörtert, so dass die<br />

Erosionsentwicklung beim Prozessablauf meist übersprungen wird. Ob eine bestehende<br />

Röhre bei hydraulischer Beanspruchung zusammenbricht oder aufgrund der Kohäsion<br />

des Materials stehen bleibt, kann zu einer Beurteilung des weiteren Ablaufs<br />

herangezogen werden (Erosionsfortschritt). Falls sich noch eine Wurzel in der Röhre<br />

befindet, kann sich zwar die Röhre nicht selbst schließen, aber der freie Ausfluss und der<br />

damit verbundene Transport durch Schleppkräfte an der Röhrenwandung wird zumindest<br />

behindert (vgl. HASELSTEINER U. STROBL 2004, 2005). Die Auswüchse von<br />

durchwurzelten Deichen sind in Abb. 4 dargestellt. Egal ob über- oder durchströmt, der<br />

zwischen den Wurzeln liegende Boden ist komplett erodiert.<br />

Abb. 4: Erodierter,<br />

mit Wurzeln<br />

durchzogener<br />

Deichkörper<br />

(Quelle: WWA<br />

Weilheim)<br />

3 Risikobewertung der hydrodynamischen Bodendeformation in Deichen<br />

Die Bewertung sowohl eines in seinem Aufbau und seiner Beschaffenheit ausreichend<br />

bekannten Deiches als auch von relativ unbekannten Bestandsdeichen, die<br />

jahrzehntelang den Umwelteinflüssen ausgesetzt waren und ggf. Gehölzbewuchs


aufweisen, kann anhand des in PERZLMAIER U. HASELSTEINER (2006) beschriebenen<br />

Systemansatzes durchgeführt werden.<br />

81<br />

Bei der Beurteilung von bestehenden Deichen können die teilweise jahrzehntelangen<br />

Erfahrungen bei Hochwasser, sozusagen als Naturversuch, Aussagen ermöglichen, ob<br />

Umlagerungs- oder Ausspülungsprozesse aufgetreten sind oder nicht. Diese meist<br />

visuelle Begutachtung schließt zwar nicht aus, dass ein Bauwerk geohydraulisch nicht<br />

stabil ist und innerhalb kurzer Zeit versagen könnte, aber besagt immerhin, dass die<br />

Summe der bisher aufgetretenen Belastungen noch zu keiner oder einer geringen<br />

Umlagerung geführt hat. Sind Ausspülungen, z. B. in Form von Erosionstrichter<br />

vorhanden, sollten Ertüchtigungsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Für den Fall,<br />

dass ein Austrag aus dem Untergrund alleinig auf Suffosion geringer Bodenanteile erfolgt,<br />

sind nicht zwingend Maßnahmen erforderlich, wenn deren Unbedenklichkeit<br />

nachgewiesen wurde.<br />

3.1 Typische Deichsysteme<br />

Als Deichsystem wird das Deichbauwerk samt Untergrund mit seinen geotechnischen und<br />

geohydraulischen Eigenschaften bezeichnet.<br />

Folgende, in Abb. 4 gezeigte Deichsysteme sind für den überwiegenden Großteil von<br />

Deichen repräsentativ. Neben homogenen Deichen auf durchlässigen Untergrund weisen<br />

große Deichstrecken in Bayern einen Auenboden auf. Hauptsächlich an größeren Flüssen<br />

wie z. B. der Donau, an denen längere Hochwasser zu erwarten sind, sind bereichsweise<br />

Dichtungen angebracht. Bei Vorhandensein einer Deckschicht bietet sich es sich an, eine<br />

natürliche Oberflächendichtung an die Deckschicht anzubinden (Abb. 4).<br />

Innendichtung<br />

Durchlässiger<br />

Untergrund<br />

Deich<br />

Vegetationsdecken<br />

Oberflächendichtung<br />

Deich<br />

Auenboden<br />

Durchlässiger<br />

Untergrund<br />

Dichter Untergrundhorizont Dichter Untergrundhorizont<br />

Abb. 5: Betrachtete Deichsysteme jeweils mit und ohne Dichtung<br />

Da Innendichtungen einen Sonderfall darstellen und selbst i. d. R. erosionsfest sind,<br />

werden diese nicht näher betrachtet. Inwiefern Lastfall 3 „Ausfall der Dichtung“ nach<br />

DIN 19712/1997 berücksichtigt werden muss, kann im Einzelfall unter Erwägung z. B. der<br />

Versagenswahrscheinlichkeit von Dichtungen festgelegt werden.<br />

3.2 Deichsysteme aus der Praxis<br />

Für drei typische Versagensprozesse bis hin zum Deichbruch durch Erosion werden<br />

Ereignisbäume vorgestellt und entwickelt. Als repräsentative Bodenmaterialien wurden<br />

Kiese für Untergrund und Deich und Schluffe für Dichtung und Auenboden angenommen.<br />

Die Körnungsbänder zeigen die variierende Zusammensetzung der Böden und die<br />

Schwankungsbreiten seiner Eigenschaften u. A. die Filterwirksamkeit (Abb. 5).


82<br />

Deichsystem A stellt einen homogenen Deich auf durchlässigem Untergrund dar. Die<br />

landseitige Böschung ist durch eine 12 cm mächtige Vegetationsschicht bedeckt. Der<br />

Deich ist 3,0 m hoch, hat eine Kronenbreite von 3,0 m und Böschungsneigungen von 1:3.<br />

Aquifer hat eine Mächtigkeit von 10 m. Als Versagensfall wird die rückschreitende Erosion<br />

durch den Deichkörper untersucht. Als Erosionsbeginn wird eine Fehlstelle mit dem<br />

Durchmesser 10 cm in der Vegetationsdecke am unteren Ende des landseitigen<br />

Deichfußes angenommen (Abb. 6).<br />

Siebdurchgang in Masse-%<br />

100<br />

95%<br />

90<br />

85%<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0.001<br />

Ton<br />

0.002<br />

fein<br />

U, s, t<br />

0.006<br />

Schluff Sand Kies Steine<br />

mittel grob<br />

Feinanteile: 70 - 85%<br />

0.01<br />

fein<br />

Tonanteil: 10 - 25%<br />

Feinanteile: 0 - 10%<br />

0.02<br />

grob<br />

0.063<br />

fein mittel grob<br />

0.1<br />

0.2<br />

0.63<br />

1.0<br />

2.0<br />

Korngröße in mm<br />

fein mittel grob<br />

Abb. 6: Körnungsbänder der betrachteten Böden mit Filterkriterien<br />

G, s<br />

fein<br />

6.3<br />

SHERARD u. DUNNIGAN (1989)<br />

10<br />

grob<br />

TERZAGHI u. PECK (1948)<br />

FOSTER u. FELL (2001)<br />

20<br />

BURENKOVA (1993)<br />

63<br />

100<br />

200<br />

Blöcke<br />

GW, GI, GU<br />

ϕ = 35°<br />

γ = 19 kN/m³<br />

k = 10 -4 - 10 -2 m/s<br />

UL, UM<br />

ϕ = 25 - 30°<br />

γ = 18 kN/m³<br />

c' = 0 - 10 kN/m²<br />

c u = > 5 kN/m²<br />

k = 10 -8 - 10 -6 m/s<br />

Filterkriterium<br />

"keine Erosion"<br />

Filterkriterium<br />

"fortschr. Erosion"<br />

Suffosionskriterium<br />

In Deichsystem B ist ein Deich auf einer Auenbodenschicht gelagert. Der Deich weist<br />

Böschungsneigungen von 1:2 auf und entspricht ansonsten dem Deich von System A. Die<br />

Auenbodenschicht ist 1,0 m mächtig und von 9,0 m mächtigem Kies unterlagert. Die<br />

rückschreitende Erosion im Untergrund bei bindiger Deckschicht wird untersucht. Der<br />

Beginn der Erosion wird an einer Fehlstelle im Auenboden reichende Fehlstelle (Ø =<br />

10 cm) direkt am Deichfuß angenommen (Abb. 7).<br />

Das Deichsystem C zeigt einen Deich mit Oberflächendichtung auf Auenboden. Aufgrund<br />

der hydraulischen Trennung zwischen Untergrund und Deich interessieren hier die<br />

Untergrundverhältnisse nicht weiter. Die Oberflächendichtung weist eine Dicke von etwa<br />

50 cm auf und ist von einer 20 cm Deckschicht inklusive Vegetationsschicht geschützt.<br />

Als Ursache für den Beginn der Erosion wird einer der vorher genannten Gründe<br />

angenommen.<br />

Die vorgestellten Deichsysteme entsprechen teilweise nicht den a.a.R.d.T. und<br />

repräsentativ eher Bestandsdeichen, deren Standsicherheit mehr oder minder gefährdet<br />

ist.<br />

630<br />

1000


Vegetationsdecke<br />

(d = 0,12 m)<br />

3 m<br />

System A<br />

3<br />

3<br />

Erosionsfortschritt Bruch<br />

Ja<br />

Fehlstelle<br />

(Ø 0,10 m)<br />

kDeich = 5·10-4 m/s<br />

kUntergrund = 10-3 m/s<br />

1<br />

1<br />

3 m<br />

Zusammenbruch der<br />

Erosionsröhre<br />

Kronensackung<br />

Überströmen<br />

Deichbruch<br />

Erosion ?<br />

Ja<br />

Notmaßnahmen<br />

möglich & wirksam<br />

Durchlässiger<br />

Untergrund<br />

Erosionsdauer<br />

kritisch<br />

10 m<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nein<br />

Ja<br />

Lokale Standsicherheit<br />

gegeben<br />

Ja<br />

Ja<br />

Notmaßnahmen<br />

möglich & wirksam<br />

Ja<br />

Nein<br />

k Veg. ≥ k Deich<br />

Ja<br />

Nein<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Nein<br />

Erosionsdauer<br />

kritisch<br />

Nein<br />

ikrit für rück.<br />

Erosion<br />

überschritten<br />

Nein<br />

Vegetationsdecke<br />

vorhanden<br />

Austritt der<br />

Sickerlinie an<br />

der Böschung<br />

HQ T<br />

Ja<br />

Ja<br />

Nein<br />

Nein<br />

Nein<br />

83<br />

Vergrößerung der<br />

Erosionsröhre<br />

Nein<br />

Großer<br />

Leckageabfluss<br />

ohne Deichbruch<br />

Böschungsversagen<br />

Kronensackung<br />

Überströmen<br />

Deichbruch<br />

Der Deichbruch selbst beinhaltet<br />

stets die Überströmung und somit<br />

die Ausbildung einer<br />

Erosionsbresche inklusive der<br />

Flutung des Deichhinterlandes. Der<br />

gesamte Bruchvorgang kann<br />

innerhalb weniger Stunden von<br />

statten gehen.<br />

Ja<br />

Schäden<br />

behoben<br />

Erosionsbeginn<br />

Nein<br />

Ausbildung einer<br />

standfesten<br />

Erosionsröhre<br />

Fehlstellen in<br />

Vegetationsdecke<br />

Schäden<br />

behoben<br />

Lokale Standsicherheit<br />

gegeben<br />

Nein<br />

Nein<br />

Erdstatisches<br />

Versagen!<br />

Nein<br />

Bei homogenen Deichen ist der Austritt<br />

der Sickerlinie vor allem von der<br />

Unterwasserrandbedingung abhängig.<br />

Endet die Erosion vor kritischen Verhältnissen, ist es möglich, dass<br />

Schäden, sofern dies möglich ist und sie erkannt wurden, zu beheben und<br />

einen stabilen Ausgangszustand wiederherzustellen. Andernfalls führt das<br />

nächste Hochwasser u. U. den Prozess an markierter Stelle fort.<br />

Wenn die Grasnarbe durchlässiger ist als der<br />

anstehende Deich, ist i. d. R. der Nachweis der<br />

lokalen Standsicherheit ausreichend.<br />

Durch Strömungskräfte können einzelne<br />

Körner des Bodens durch die Fehlstelle<br />

abtransportiert werden. Notmaßnahmen können nur dann erfolgreich<br />

Ist der Boden ausreichend kohäsiv (15% durchgeführt, wenn die Gefahr erkannt wird,<br />

Feinteilanteil d < 0,075 mm), dann bildet sich<br />

Zugangsmöglichkeiten vorhanden sind, Einsatzkräfte zur<br />

eine standfeste Erosionsröhre aus.<br />

Verfügung stehen und der Deich durch technische<br />

Maßnahmen noch gesichert werden kann.<br />

Bei üblichen Unterhaltungsmaßnahmen ist i.d.R.<br />

ein flächiges, komplettes Fehlen der<br />

Vegetationsdecke unwahrscheinlich.<br />

Fehlstellen in der Vegetationsdecke<br />

können z. B. von Gehölzwurzeln und<br />

Wühltieren herrühren.<br />

Bei großen Erosionsröhren kann deren<br />

Zusammenbruch zu einer schlagartigen<br />

Sackung an der Deichkrone und relativ<br />

plötzlichem Deichbruch führen.<br />

Die kritische Erosionsdauer entspricht der<br />

Dauer, die dafür notwendig ist, eine<br />

Erosionsröhre bis ins OW auszubilden oder<br />

zumindest in hohem Maße Material zu fördern.<br />

Zur Beurteilung können mögliche<br />

Einstauzeiten und Erosionsraten εT [kg/(sm²)]<br />

herangezogen werden.<br />

Abb. 7: System A - Rückschreitende Erosion durch einen homogenen Deichkörper<br />

beginnend an der landseitigen Böschung


kDeich = 5·10-4 m/s<br />

kAuenboden = 10-7 m/s<br />

kUntergrund = 10-3 kDeich = 5·10<br />

m/s<br />

-4 m/s<br />

kAuenboden = 10-7 m/s<br />

kUntergrund = 10-3 m/s<br />

3 m<br />

System B<br />

2<br />

1<br />

3 m<br />

Erosionsfortschritt* Bruch*<br />

Auenboden (1 m) m)<br />

Entweder:<br />

Zusammenbruch der<br />

Erosionsröhre<br />

Kronensackung<br />

Kronensackung<br />

Überströmen<br />

Überströmen<br />

Deichbruch<br />

Erosion ?<br />

Ja<br />

Ja<br />

Durchlässiger<br />

Durchlässiger<br />

Untergrund<br />

K Kh/k h/k V = 10<br />

9 m<br />

Notmaßnahmen<br />

Notmaßnahmen<br />

möglich möglich & wirksam<br />

Erosionsdauer<br />

Erosionsdauer<br />

kritisch<br />

Erosionsbeginn*<br />

Nein<br />

Nein<br />

84<br />

Oder:<br />

Großer Großer<br />

Leckageabfluss<br />

ohne Deichbruch,<br />

evtl. Setzungen<br />

Ja<br />

Schäden<br />

behoben<br />

Nein<br />

Ja<br />

Ja<br />

i ikrit krit für für rückschr.<br />

Erosion überschritten<br />

überschritten<br />

Ja<br />

Ausbildung<br />

einer stabilen<br />

Erosionsröhre<br />

Nein<br />

Fehlstellen in der<br />

bindigen Deckschicht<br />

HQ T<br />

Nein<br />

Nein<br />

Die bindige Deckschicht verhindert i. d. R. einen Einbruch der<br />

Erosionsröhre.<br />

Erosionsröhre.<br />

* Weitere Erklärungen Erklärungen sind im vorherigem Fall enthalten.<br />

Fehlstellen können können durch Gehölze, Wühltiere, Wühltiere,<br />

hydraulischen Grundbruch, etc. entstehen. Dünne Dünne<br />

Auenbodenschichten begünstigen Fehlstellen.<br />

Abb. 8: System B - Rückschreitende Erosion unter der bindigen Deckschicht beginnend<br />

am landseitigen Böschungsfuß


System C<br />

kDeich = 5·10-4 m/s<br />

kAuenboden = 10-7 m/s<br />

kDichtung = 10-7 m/s<br />

Ansteig.<br />

Sickerlinie ?<br />

3 m<br />

Erosion ?<br />

Bruch*<br />

Erosionsfortschritt*<br />

K h/k V = 2<br />

O-Dichtung<br />

Ja<br />

Ja<br />

Erosionsdauer<br />

kritisch<br />

Auenboden<br />

Notmaßnahmen<br />

möglich & wirksam<br />

Nein<br />

Ja<br />

Schäden<br />

behoben<br />

Nein<br />

Ja<br />

Erosionsentwicklung*<br />

Erosionsbeginn*<br />

Nein<br />

Ausbildung einer<br />

stabilen Erosionsröhre<br />

in der Dichtung<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Uneingeschränkte geom.<br />

Filterwirksamkeit der<br />

angrenzenden Schicht<br />

Ja<br />

Nein<br />

Notmaßnahmen<br />

möglich & wirksam<br />

Ja<br />

Ja<br />

HQ T<br />

85<br />

Entweder:<br />

Kronensackung<br />

Überströmen<br />

Deichbruch<br />

Oder:<br />

Erdstatisches Versagen<br />

wg. veränderter hydraul.<br />

Beanspruchung<br />

Oder:<br />

Rückschreitende<br />

Erosion bei Austritt der<br />

Sickerlinie<br />

(siehe Beispiel)<br />

Progressiver<br />

Partikeltransport<br />

durch den Filter<br />

Nein<br />

Nein<br />

Fehlstellen in der<br />

Oberflächendichtung<br />

Nein<br />

Ja<br />

Erosionsdauer<br />

kritisch<br />

Nein<br />

Schäden<br />

behoben<br />

Nein<br />

ikrit für<br />

Partikeltransport<br />

überschritten<br />

Nein<br />

Nein<br />

Fehlstellen können z. B. durch<br />

Setzungen, Frost- oder<br />

Austrocknungsrisse, Wühltiere und<br />

Gehölze entstehen.<br />

Bei Oberflächendichtungen kann i. d. R. davon ausgegangen werden,<br />

dass aufgrund des hohen Feinkornanteils eine sich ausbildende<br />

Erosionsröhre standfest ist.<br />

Wenn Filterwirksamkeit mit „keine Erosion“<br />

beurteilt werden kann, kommt der<br />

Erosionsprozess bereits an dieser Stelle zum<br />

Abb. 9: System C - Rückschreitende Erosion durch eine natürliche Oberflächendichtung<br />

Erliegen.<br />

Hier können u. U. hydraulische Kriterien zum<br />

Einsatz kommen, da Deiche lediglich temporär<br />

eingestaut sind.<br />

* Weitere Erklärungen sind in den vorherigen Fällen enthalten.<br />

Filter-Basis-Kombinationen erlauben „etwas,<br />

ausgeprägte oder fortschreitende Erosion“.


86<br />

Für die drei Systeme wurden drei Ereignisbäume aufgestellt und anschließend der<br />

markierte Pfad bzgl. seiner Eintretenswahrscheinlichkeit beurteilt (Abschnitt 3.3). Bei<br />

diesen drei Ereignispfaden handelt es sich um typische bei Deichen mögliche<br />

Erosionsabläufe. Bei Austritt der Sickerlinie an der landseitigen Hangböschung kann<br />

rückschreitende Erosion im Deichkörper auftreten (System A). Rückschreitende Erosion<br />

kann auch Boden unter einer bindigen Deckschicht mit Folge von Auswurftrichtern fördern<br />

(System B). Als letztes werden Erosionsvorgänge in Oberflächendichtungen betrachtet<br />

(System C), die den Nachteil haben, dass u. U. die Erosion der Dichtung nicht erkannt<br />

werden kann.<br />

Die Belastung der Deiche resultiert bei allen Fällen aus einem Einstau bis zur Krone (LF<br />

3, DIN 19712/1997). Zur Beurteilung der Erosion müssen im Einzelfall die lokal<br />

auftretenden hydraulischen Gradienten betrachtet werden. Abb. 10 a enthält die die<br />

vorhandenen lokalen maximalen hydraulischen Gradienten ilok,max, die bei Deichsystem A<br />

auftreten. Die vorhandenen Gradienten unter der Deckschicht für Deichsystem B können<br />

aus Abb. 10 b entnommen werden. Die hydraulischen Gradienten beider Systeme wurden<br />

mittels eines F-E-Grundwassermodells ermittelt.<br />

H OW [m]<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0.0<br />

keine Fehlstelle<br />

k Vd = k Deich<br />

k Vd = k Deich<br />

R 2 = 0.97<br />

R 2 = 1.00<br />

R 2 = 0.99<br />

k Vd = 0.2 k Deich<br />

Fehlstelle<br />

R 2 = 1.00<br />

k Vd = 0.02 k Deich<br />

a)<br />

0.00 0.30 0.60 0.90 1.20 1.50<br />

i lok,max [-]<br />

H OW [m]<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0.0<br />

R 2 = 0.98 R 2 = 1 R 2 = 1<br />

keine Fehlstelle<br />

Deckschicht dicht bis<br />

20 m im Vorland<br />

Fehlstelle in Deckschicht<br />

am landseitigen Deichfuß<br />

Deckschicht im<br />

Vorland undicht<br />

b)<br />

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5<br />

i lok,max [-]<br />

Abb. 10: Punktgradienten innerhalb der kritischen Bereiche an der landseitigen<br />

Deichböschung am Deichauflager (a, System A, Abb. 6) und unterhalb der Deckschicht<br />

am Deichfuß (b, System B, Abb. 7)<br />

3.3 Beurteilung der hydrodynamischen Bodenumlagerung<br />

In Tab. 2 sind die in Abb. 6 bis 8 markierten Ereignispfade aufgeführt und mit unscharfen<br />

Wahrscheinlichkeiten belegt (vgl. Tab. 1). Die Gefahr des Deichbruches durch mögliche<br />

Bodenumlagerung bis hin zum Deichbruch resultiert aus der Überlagerung der markierten<br />

Einzelprozesse bzw. –wahrscheinlichkeiten. Unterschieden wird hier zwischen der<br />

absoluten Eintretenswahrscheinlichkeit, d. h. die Wahrscheinlichkeit unter<br />

Berücksichtigung des Auftretens des Bemessungshochwassers, und der bedingten<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit, die den Zustand bei Bemessungshochwasser betrachten. Für<br />

das Bemessungshochwasser (hier: Kronenstau) wurde eine Wiederkehrzeit von T = 200 a<br />

angenommen.<br />

Die absolute Eintrittswahrscheinlichkeit kann zur Beurteilung des vorhandenen Risikos<br />

unter Verwendung des Schadenspotentials herangezogen werden. Die bedingte


Wahrscheinlichkeit dagegen ermöglicht hier eine Aussage, mit welcher Wahrscheinlichkeit<br />

der Deich als Ingenieurbauwerk bei Auftreten der Bemessungskräfte versagen kann.<br />

87<br />

Die Ergebnisse der untersuchten Versagensprozesse sind sehr unterschiedlich. System A<br />

weist bei eingetretenem Einstau bis zur Krone eine relative Eintrittswahrscheinlichkeit,<br />

dass der Deichbruch beginnt, von p = 1,0·10 -4 auf (vgl. Tab. 2, oben). Diese relativ geringe<br />

Wahrscheinlichkeit beruht auf der schützenden Wirkung der Vegetationsdecke, die relativ<br />

hohen kritischen hydraulischen Gradienten für Kies und die Möglichkeit, dass bei<br />

Kiesdeichen mit angenommenen kleinen Fehlstellen die Belastungsdauer größer sein<br />

müsste als die Dauer eines einzelnen Hochwassers.<br />

System B zeigt bei rückschreitender Erosion eine weitaus geringere<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit für den beginnenden Deichbruch von p = 1,0·10 -6 bei<br />

eingetretenem Hochwasser (vgl. Tab. 2, mitte). Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich<br />

zuerst eine Fehlstelle durch die Deckschicht entwickeln muss und die kritischen<br />

hydraulischen Gradienten für den Beginn der Erosion für Kiese groß sind, was einen<br />

Initiationsprozess aufgrund von Strömungskräften nur „wahrscheinlich“ ermöglicht.<br />

Ausschlaggebend für die niedrige Eintretenswahrscheinlichkeit sind jedoch die<br />

Nachweise, die es ermöglichen, den Erosionsfortschritt bzw. das Eintreten einer kritischen<br />

Erosionsdauer als unwahrscheinlich zu klassifizieren. Dies hängt i. allg. mit den niedrigen<br />

mittleren hydraulischen Gradienten im Untergrundbereich zusammen und hat auch<br />

Einfluss auf eine mögliche Vergrößerung der Erosionsröhre.<br />

System C weist bei Kronenstau eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für beginnenden<br />

Deichbruch von ca. 10 -2 auf (vgl. Tab. 2, unten). Dies liegt daran, dass die mit 50 cm<br />

relativ dünne Oberflächendichtung wahrscheinlich Fehlstellen aufweist und die<br />

Filterwirksamkeit des Kiesstützkörpers sehr unwahrscheinlich ist. Eine Überprüfung der<br />

Filterkriterien (vgl. Abb. 5) zeigt, dass unter Berücksichtung der Schwankungsbreite der<br />

Deichkies gegenüber dem Bodenmaterial für die Dichtung nicht ausreichend geometrisch<br />

filterwirksam ist. Eine fortschreitende Erosion kann nicht ausgeschlossen werden. Zudem<br />

kann aufgrund der sehr hoch ermittelten Erosionsrate die kritische Erosionsdauer bei den<br />

entsprechend langen Einstauzeiten auftreten. Das Versagen bzw. der Deichbruch kann<br />

bei dem betrachteten Fall auf verschiedene Weise erfolgen. Eine davon ist, dass sich<br />

durch die erhöhte Durchsickerung der Dichtung die hydraulischen Belastungen auf die<br />

landseitige Böschung erhöhen und somit die erdstatische Standsicherheit<br />

(Böschungsbruch) gefährdet es, was zum Deichbruch führen kann. Ob und wie sich ein<br />

Deichbruch ausbildet, hängt wiederum von zahlreichen Faktoren ab, auf die im Rahmen<br />

dieser Betrachtung nicht näher eingegangen wird.<br />

Insgesamt zeigen die ermittelten Eintrittswahrscheinlichkeiten für das Versagensszenario<br />

von System A (p = 5·10 -7 bzw. 1·10 -4 ) und System B (p = 5·10 -9 bzw. 1·10 -6 ), dass in<br />

diesen Fällen ein gewisses Maß an Sicherheitsreserven in den Systemen vorhanden sind.<br />

System C mit p = 5·10 -5 bzw. 1·10 -2 kann dagegen Grund zur Besorgnis geben, wenn man<br />

bedenkt, dass dies nach Tab. 1 bedeutet, dass der Deichbruch nicht „auszuschließen“ ist.


Tab. 2: Wahrscheinlichkeitsorientierte Beurteilung der Gefahr des Deichbruchs durch<br />

Erosion<br />

System A Ja Nein<br />

Prozess / Ereignis Bezeichnung p 1- p Anmerkung*<br />

HQT - 5.0E-03 1.0E+00 Annahme eines HQ200 (Kronenstau)<br />

Austritt der Sickerlinie an der<br />

Böschung<br />

Vegetationsdecke<br />

vorhanden<br />

Fehlstellen in der<br />

Vegetationsdecke<br />

88<br />

Sicher 1.0E+00 0.0E+00<br />

Sehr durchlässiger Deichkörper,<br />

grobe Abschätzung nach Abb. 2<br />

Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Ist i. d. R. immer vorhanden.<br />

Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 Kleine Fehlstellen durch Wühltiere sind wahrscheinlich.<br />

kVeg. > kDeich Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Magerrasen mit hoher Durchlässigkeit vorhanden.<br />

Lokale Standsicherheit gegeben<br />

Auszuschließen 0.0E+00<br />

Der Nachweis des körnigen Erdmaterials muss ohne (Wurzel)Kohäsion<br />

1.0E+00<br />

geführt werden.<br />

ikrit für rück. Erosion<br />

überschritten<br />

Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 ilok,max = 0,68 (Abb. 9 a)<br />

ikrit = 0,40 (PERZLMAIER u. HASELSTEINER 2006, Abb. 3)<br />

Ausbilung einer standfesten<br />

Erosionsröhre<br />

Auszuschließen 0.0E+00 1.0E+00 Feinteilanteil des Deichbodens < 10 % (Abb. 5)<br />

Erosionsdauer kritisch Möglich 1.0E-02 9.9E-01 progressiver Materialaustrag nicht ausgeschlossen<br />

Notmaßnahmen möglich &<br />

wirksam<br />

Unwahrscheinlich 1.0E-04 1.0E+00 kein Deichverteidigungsweg vorhanden<br />

Vergrößerung der Erosionsröhre<br />

Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Materialaustrag findet in hohem Maße statt.<br />

Wahrscheinlichkeit für Beginn des Deichbruchs<br />

(bei eingetretenem Hochwasser)<br />

System B Ja Nein<br />

Bezeichnung p 1- p Anmerkung*<br />

HQT - 5.0E-03 1.0E+00 Annahme eines HQ200 (Kronenstau)<br />

Fehlstellen in der bindigen<br />

Deckschicht<br />

Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 Auenböden variieren in ihrer Dicke, Auftriebsicherheit nicht gegeben<br />

ikrit für rück. Erosion<br />

überschritten<br />

Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01<br />

ilok,max = 0,41 (Abb. 9 b): Suffosion nach KENNEY U. LAU (1989) und<br />

BURENKOVA (1993) unwahrscheinlich,<br />

ikrit = 0,40 (nach PERZLMAIER u. HASELSTEINER 2006, Abb. 3)<br />

Ausbildung einer stabilen<br />

Erosionsröhre<br />

Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Tragwirkung der bindigen Deckschicht<br />

Erosionsdauer kritisch Unwahrscheinlich 1.0E-04 1.0E+00 ivorh,mittel = 0,2: nach CHUGAEV (1960) ok / nach BLIGH (1912) nicht ok /<br />

nach SCHMERTMANN (2000) ok<br />

Notmaßnahmen möglich &<br />

wirksam<br />

Auszuschließen 0.0E+00 1.0E+00 kein Deichverteidigungsweg vorhanden<br />

Wahrscheinlichkeit für Beginn des Deichbruchs 5.0E-09<br />

(bei eingetretenem Hochwasser) 1.0E-06<br />

System C Ja Nein<br />

Bezeichnung p 1- p Anmerkung*<br />

HQT - 5.0E-03 1.0E+00 Annahme eines HQ200 (Kronenstau)<br />

Fehlstellen in der<br />

Oberflächendichtung<br />

Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01 Ursache: Risse durch Austrocknung, Frost, Setzungen<br />

Geom. Filterwirksamkeit der<br />

angrenzenden Schicht<br />

Unwahrscheinlich 1.0E-04 1.0E+00<br />

Geometrischen Filerkriterien (vgl. Abb. 5): TERZAGHI u. PECK (1948)<br />

nicht ok, SHERARD u. DUNNIGAN (1989) teilweise ok<br />

i krit für Erosion überschritten Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Keine Informationen über die Erodierbarkeit der Basis.<br />

Progessiver Partikeltransport<br />

durch den Filter<br />

Ausbildung einer stabilen<br />

Erosionsröhre<br />

Wahrscheinlich 1.0E-01 9.0E-01<br />

Nach FOSTER u. FELL (2001) "fortschreitende Erosion" nur für feinste<br />

Basis und gröbsten Filter möglich.<br />

Sicher 1.0E+00 0.0E+00 Schluffe sind i. d. R. ausreichend kohäsiv.<br />

Erosionsdauer kritisch Sicher 1.0E+00<br />

Lange Einstauzeit wird angenommen. Zusätzlich ist kein wasserseitiger<br />

0.0E+00 Reservefilter vorhanden. Die Erosionsrate liegt sehr hoch: εT > 50<br />

kg/(sm²) (nach WAN u. FELL)<br />

Notmaßnahmen möglich &<br />

wirksam<br />

Auszuschließen 0.0E+00<br />

Notmaßnahmen zur Verhinderung der Durchsickerung wasserseitig i.<br />

1.0E+00<br />

allg. nicht wirksam.<br />

Wahrscheinlichkeit für Beginn des Deichbruchs 5.0E-05 (erdstatisches Versagen durch Anstieg der Sickerlinie)<br />

(bei eingetretenem Hochwasser)<br />

5.0E-07<br />

1.0E-04<br />

1.0E-02<br />

* zitierte Literatur aus PERZLMAIER u. HASELSTEINER (2006)


4 Resümee und Ausblick<br />

89<br />

Die Anwendung des Systemansatzes mag beim ersten Blick aufwendig und<br />

unübersichtlich erscheinen, ist jedoch genau das Gegenteil. Abläufe können auf diese<br />

Weise in Prozesse unterteilt werden, dass es möglich ist, wenn auch teilweise nur<br />

qualitativ, Einzelprozessen entsprechende Wahrscheinlichkeiten zuzuweisen. Dadurch ist<br />

die Beurteilung der Gefährdung eines Deiches durch Erosion möglich.<br />

Schwierigkeiten liegen sicherlich darin, die Prozesse ordentlich aufzuschlüsseln und zu<br />

beschreiben und die Ergebnisse von Nachweisen an richtiger Stelle einfließen zu lassen.<br />

Es besteht deshalb sowohl bei der Weiterentwicklung der vorhandenen Nachweise als<br />

auch bei der probabilistischen Beurteilung von nicht direkt greifbaren Einflussgrößen wie<br />

z. B. die Wahrscheinlichkeit einer wirksamen Deichverteidigung Forschungs- und<br />

Klärungsbedarf. Erfahrungswerte, die seit langem bei Deichbau und –verteidigung<br />

gemacht wurden, lassen sich bei der Beurteilung von Deichsystemen auf diese Weise<br />

nachweislich sicherer verwerten. Um sich beim Versuch, die Gefährdung eines Deiches<br />

mit einer Wahrscheinlichkeit zu belegen, nicht in den vielen, unterschiedlichen<br />

Versagensabläufen, Ereignisbäumen und Nachweisen zu verlieren, ist es notwendig,<br />

wenige für das jeweilige Deichsystem maßgebende Versagensabläufe herauszufiltern.<br />

Literatur<br />

BAW MAK (1989): Anwendung von Kornfiltern an Wasserstraßen (MAK). Merkblatt,<br />

Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), Karlsruhe<br />

BAW MSD (2005): Standsicherheit von Dämmen an Bundeswasserstraßen (MSD).<br />

Merkblatt, Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), Karlsruhe<br />

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Wasserwirtschaft, Berichtsheft Nr. 101; Band 2, S. 92 - 100<br />

HASELSTEINER, R.; STROBL, TH. (2005): Deichsanierung. Forschungs- und<br />

Entwicklungsvorhaben, Endbericht, im Auftrag vom Bayerischen Landesamt für<br />

Wasserwirtschaft (LfW), Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />

Wasserwirtschaft, Technische Universität München (Erhältlich beim Bayerischen<br />

Landesamt für Umwelt: http://www.bayern.de/lfu)<br />

HASELSTEINER, R; STROBL, TH. (2006): Deichertüchtigung unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Gehölzbewuchses. Sicherung von Dämmen, Deichen und


Stauanlagen. Handbuch für Theorie und Praxis. Hrsg. Hermann und Jensen,<br />

Universitätsverlag Siegen – universi, Siegen<br />

90<br />

HUBER, N. P.; STAMM, J.; RETTEMEIER, K.; KÖNGETER, J. (2003):<br />

Ereignisbaumanalysen zur Identifikation von relevanten Versagensmechanismen bei<br />

Staudämmen.<br />

IDEL, K. H. (1988): Sicherheitsuntersuchungen auf probabilistischer Grundlage für<br />

Staudämme. Abschlussbericht, Anwendungsband. Untersuchungen für einen<br />

Referenzstaudamm, Deutsche Gesellschaft für Erd- und Grundbau, Essen<br />

KUNTZE, H; ROESCHMANN, G.; SCHWERDTFEGER, G. (1994): Bodenkunde. 5., neu<br />

bearbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart<br />

PERZLMAIER, S.; HASELSTEINER, R. (2006): Der Systemansatz zur Beurteilung der<br />

Gefahr der hydrodynamischen Bodendeformation. Tagungsband, Fachtagung<br />

„Deichertüchtigung und Deichverteidigung in Bayern“, 13. – 14. Juli 2006, Lehrstuhl und<br />

Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft, Technische Universität München,<br />

Wallgau<br />

SAUCKE, U. (2006): Nachweis der Sicherheit gegen innere Erosion für körnige Erdstoffe.<br />

Geotechnik 29, Nr. 1, S. 43 – 54<br />

SCHMIDT, M. (2000): Hochwasser und Hochwasserschutz in Deutschland vor 1850 –<br />

Eine Auswertung der Quellen und Karten. Oldenbourg Industrieverlag, München<br />

SCHNEIDER, H.; SCHULER, U.; KAST, K.; BRAUNS, J. (1997): Bewertung der<br />

geotechnischen Sicherheit von Hochwasserschutzdeichen und Grundlagen zur<br />

Beurteilung von Sanierungsmaßnahmen. Abteilung Erddammbau und Deponiebau,<br />

Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik, Universität Karlsruhe, Heft 7, Karlsruhe<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong> & Dipl.-Ing. Sebastian Perzlmaier<br />

Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft<br />

Technische Universität München<br />

Arcisstraße 21<br />

80290 München<br />

r.haselsteiner@bv.tum.de & s.perzlmaier@bv.tum.de


91<br />

Unterhaltung von Deichen – Bewuchs und Wühltiere<br />

Einführung<br />

Walter Binder & Wolfgang Gröbmaier<br />

Deiche sind Erdbauwerke. Sie werden zum Schutz vor Überschwemmungen errichtet.<br />

Entscheidend für ihre Schutzfunktion bei Hochwasser sind der Bewuchs im Vorland, auf<br />

den Deichböschungen und auf der Deichkrone sowie der Befall durch Wühltiere. Im<br />

Belastungsfall darf die Standsicherheit sowohl durch den Bewuchs wie durch Wühltiere<br />

nicht beeinträchtigt sein.<br />

DIN 19472 gibt Empfehlungen für den Bau und die Unterhaltung von Deichen auch im<br />

Hinblick auf den Aufbau und die Pflege des Bewuchses so wie die Überwachung von<br />

Wühltieren.<br />

Bewuchs<br />

Ausbildung der Grasnarbe<br />

Die Ausbildung einer Grasnarbe wird bestimmt durch<br />

• den Bodenaufbau (Art und Mächtigkeit des Oberbodensubstrats,<br />

Nährstoffangebot, Wasserhaushalt)<br />

• den Standort (Böschungsneigung, Exposition Sonne / Beschattung ) und<br />

• die Pflege.<br />

Sie bestimmen<br />

• die Artenzusammensetzung der Grasnarbe (Anteil von Gräsern und Kräutern),<br />

• die Ausbildung des Wurzelfilzes und die Bestockungsdichte.<br />

Im Hinblick auf den Schutz vor den Angriffen des Wassers (Wellenschlag) sowie die<br />

Durchsickerungen ist eine tiefwurzelnde und möglichst dichte (geschlossene) Grasnarbe<br />

wünschenswert. Deshalb wird beim Bau und der Sanierung von Deichen eine<br />

flachgründige Oberbodenandeckung empfohlen, die den Aufwuchs artenreicher<br />

Magerrasengesellschaften fördert bei geringem Anfall von Mähgut. Eine weitere<br />

Voraussetzung für die Entwicklung und Erhaltung solcher Vegetationsdecken ist die<br />

regelmäßige Mahd (1 – 2 x im Jahr) mit Beseitigung des Mähguts. Bei einer zu extensiven<br />

Pflege der Deiche können Gehölze aufwachsen. Dies ist bei der Deichpflege zu beachten.<br />

Gemäht werden sollte möglichst spät, im Jahr, nicht vor Mitte Juli und das Mähgut wird<br />

abgefahren. Bereiche mit Gehölzanflug und Aufwuchs von Neophyten wie z. B. Sachalin<br />

Knöterich, sind 2 x zu mähen. Auf Düngung ist in allen Fällen zu verzichten. Auf<br />

zahlreichen Flussdeiche und Stauhaltungsdämmen die so gepflegt werden, haben sich<br />

artenreiche Magerrasengesellschaften mit flach- und tiefwurzelnden Arten ausgebildet,<br />

die aufgrund ihrer Artenzusammenstellung naturschutzfachlich von Bedeutung sind.<br />

Alternativ zur Mahd bietet sich die Beweidung durch Schafe an. Die Schafe werden<br />

mehrmals im Jahr über den Deich getrieben. Bei großen Schafherden kommt es dabei zu


92<br />

Trittschäden, die Pflanzendecke wird teilweise zerstört und der Anflug von Gehölzen wird<br />

dadurch gefördert. Bei der Beweidung ist in der Regel zusätzlich eine Pflegemahd im<br />

Herbst erforderlich.<br />

Gehölze auf Deichen<br />

Deiche sind Erdbauwerke, sie werden zum Schutz vor Überschwemmungen errichtet. Im<br />

Hinblick auf die Standsicherheit ist die Bepflanzung mit Gehölzen i. d. R. zu unterlassen.<br />

Sollten aus Gründen der landschaftlichen Einbildung Gehölzgruppen oder Einzelgehölze<br />

angepflanzt werden, so ist in diesen Bereichen der Deichkörper konstruktiv so<br />

auszubilden, dass die Standsicherheit gewährleistet ist. Die Beispiele dazu gibt es in<br />

innerstädtischen Bereichen, z. B. am Inn in Wasserburg und an der Isar in München.<br />

Gehölze mit ihrem Wurzelwerk können die Standsicherheit in den ersten Jahrzehnten<br />

erhöhen (ingenieurbiologische Wirkung), doch mit zunehmender Größe (und Alter)<br />

belasten sie das Bauwerk und gefährden die Standsicherheit. Der Gehölzaufwuchs auf<br />

Deichen sowie am wasser- und landseitigen Deichfuß bedarf deshalb der Kontrolle im<br />

Hinblick auf die Standsicherheit und ggf. die Verkehrssicherungspflicht.<br />

Die Ausbildung der Gehölzwurzeln ist abhängig vom Substrat, vom Nährstoff- und<br />

Wasserangebot. Aufgrabungen von Gehölzwurzeln auf Deichen zeigen, dass die<br />

Wurzelausbildung von Gehölzen auf inhomogenen Standorten große Abweichungen<br />

zeigen kann. Aussagen zur Ausbildung der Wurzeln im Hinblick auf die Standsicherheit<br />

von Deichkörpern sind deshalb nur mit Einschränkungen möglich.<br />

Aufgrund der Erfahrungen der Hochwasser in den letzten Jahren ist zu empfehlen, den<br />

Gehölzaufwuchs auf Deichen, soweit es die Standsicherheit und die Kontrolle von<br />

Wühltieren erfordern, durch eine entsprechende Pflege zu lichten, auf den Stock zu<br />

setzten ggf. zu roden. In begründeten Fällen, in denen die Gehölze erhalten bleiben<br />

sollen, ist der Deichkörper durch technische Maßnahmen zu ertüchtigen (z. B.<br />

Innendichtung).<br />

Deiche und Wühltiere<br />

Wühltiere wie Biber, Bisam, Nutria und mit Einschränkung Mäuse und Maulwurf können<br />

mit ihren Bauten bzw. Gangsystemen die Standsicherheit von Deichen gefährden. Zur<br />

Abwehr von Wühltieren und zur Überwachung des Wühltierbefalls bieten sich an:<br />

1 Konstruktive Maßnahmen<br />

Keine Schardeiche; der Befall durch Bisam und Biber wird bei Schardeichen begünstigt,<br />

da die Tiere den Zugang zu ihrem Bau im Deichkörper unter Wasser anlegen. In solchen<br />

Fällen eine Berme vorschütten mit Grobmaterialien (Wasserbausteine, Schotter, Kies...).<br />

Baustahlgewebe, Maschendraht und ähnliche Werkstoffe im Deichfuß und Böschung<br />

unterbinden die Grabtätigkeit von Biber, Bisam und Nutria.<br />

2 Pflegemaßnahmen<br />

Gehölzfreie Deiche erleichtern die Überwachung, dies gilt insbesondere bei Befall durch<br />

Wühltiere. Schafbeweidung beeinträchtigt unterbindet den Gehölzaufwuchs. Durch den<br />

Tritt der Schafe werden Nester und Gänge von Mäusen zerstört.


Zusammenfassung<br />

93<br />

Deiche sind Erdbauwerke. Bei Bau und Sanierung bereits auf die zukünftige Unterhaltung<br />

der Bauwerke zu achten. Im Hinblick auf die Standsicherheit ist der Gehölzaufwuchs<br />

i.d.R. zu unterbinden. In besonderen Fällen, z. B. im städtischen Bereich, ist der<br />

Deichkörper konstruktiv so zu verstärken, dass Gehölze bis zu einer bestimmten Größe<br />

toleriert werden können.<br />

Die Ausbildung artenreicher Magerrasengesellschaften entspricht den Zielen der<br />

Deichüberwachung und -unterhaltung und ist deshalb zu fördern. Dazu sind die<br />

Deichflächen regelmäßig zu mähen; das Mähguts ist abzufahren. Nährstoffarme,<br />

flachgründige Oberbodensubstrate auf den Deichböschungen verringern den Aufwuchs<br />

von Biomasse und damit die Kosten für die Mäharbeiten und die Abfuhr des Mähgutes.<br />

Magerrasengesellschaften sparen Unterhaltskosten, und erleichtern die Überwachung im<br />

Hinblick auf den Befall durch Wühltiere. Solche Deiche sind Ersatzstandorte für Brennen<br />

(durchlässige, grobkiesige Standorte in der Aue) und deren Pflanzengesellschaften. Sie<br />

sind naturschutzfachlich im Hinblick auf ihre Artenvielfalt wie Vernetzungsfunktion von<br />

besonderer Bedeutung und kostengünstig zu pflegen. Dagegen erfordern Gehölze auf<br />

Deichen einen hohen Überwachungs- und Pflegeaufwand.<br />

Literatur<br />

1986 DVWK Merkblatt 210 Flussdeiche<br />

1987 Grundzüge der Gewässerpflege, Fließgewässer Bayerisches Landesamt für<br />

Wasserwirtschaft, H. 21, München<br />

1989 Gehölze auf Deichen, Informationsberichte Bayerisches Landesamt für<br />

Wasserwirtschaft, Heft 5<br />

1993 DVWK Merkblatt 226 Ökologische Aspekte bei Bau und Unterhaltung von<br />

Deichen<br />

1997 DVWK Merkblatt 247 / Bisam, Biber, Nutria<br />

1997 DIN 19712 Flussdeiche<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Walter Binder & Dipl.-Ing. Wolfgang Gröbmaier<br />

Bayerisches Landesamt für Umwelt<br />

Referat 63<br />

Lazarettstrasse 67<br />

80636 München<br />

walter.binder@lfu.bayern.de & wolfgang.groebmaier@lfu.bayern.de


Kurzfassung<br />

94<br />

Dichtungssysteme in Deichen<br />

Dirk Heyer & Christian Schmutterer<br />

Nach den verschiedenen großen Hochwasserereignissen in den vergangenen Jahren<br />

werden zur Verbesserung des Hochwasserschutzes <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> u. a.<br />

mit der Anlage von Dichtungssystemen durchgeführt. Für die Auswahl und Bemessung<br />

von Dichtungssystemen ist eine detaillierte geotechnische Erkundung des Altdeiches<br />

einschließlich des Untergrundes notwendig. In Abhängigkeit von den örtlichen<br />

Randbedingungen können wasserseitige oder innenliegende Dichtungen zum Einsatz<br />

kommen, die unterschiedliche technische und wirtschaftliche Vor- und Nachteile<br />

aufweisen. Das in diesem Beitrag vorgestellte DWA-Thema soll eine Hilfestellung bei der<br />

Auswahl, Planung und Ausführung von derartigen Dichtungssystemen geben.<br />

1 Einleitung<br />

Innerhalb des Gemeinschaftsausschusses von DGGT und DWA, Arbeitskreis 5.4 bzw.<br />

Fachausschuss WW-7 "Dichtungssysteme im Wasserbau", wurde durch eine<br />

Arbeitsgruppe ein Bericht zum speziellen Thema der „Dichtungssysteme in Deichen“<br />

erarbeitet, der als DWA-Thema veröffentlicht wurde. Ziel des Berichts ist es, eine<br />

Hilfestellung bei der Planung und Ausführung von Deichbaumaßnahmen im Rahmen des<br />

Hochwasserschutzes an den Fließgewässern in Deutschland zu geben. Im Bericht<br />

werden deichbauspezifisch die erforderlichen geotechnischen Erkundungen sowie die<br />

Auswahl und die Bemessung von Dichtungssystemen erläutert. Es werden die<br />

Sickerwasserströmungen im Deich in Abhängigkeit von der Anordnung der verschiedenen<br />

Dichtungselemente und der Untergrundeigenschaften sowie ggf. erforderliche<br />

Maßnahmen bei hydraulisch ungünstiger Bodenbeschaffenheit beschrieben. Es werden<br />

Vor- und Nachteile bezüglich der Ausführung der Dichtungen sowie in Hinblick auf die<br />

Wirksamkeit erläutert. Anhand von Fallbeispielen werden in der Praxis ausgeführte<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> vorgestellt.<br />

Bei der Aufstellung des Berichtes haben in der Arbeitsgruppe mitgewirkt: Dipl.-Ing.<br />

Eckehard Bielitz, Pirna, Dipl.-Ing. Jens Breitenstein, München, Dipl.-Ing. Petra Fleischer,<br />

Karlsruhe, Dr.-Ing. Jörg Franke, Hamburg, Dipl.-Ing. <strong>Ronald</strong> <strong>Haselsteiner</strong>, München, Prof.<br />

Dr.-Ing. Georg Heerten, Lübbecke, Dr.-Ing. Dirk Heyer, München (Sprecher), Prof. Dr.-<br />

Ing. habil. H.-B. Horlacher, Dresden, Dr.-Ing. Frank Kleist, München, Dipl.-Ing. Christian<br />

Schmutterer, Pirna, Dr.-Ing. Barbara Tönnis, Bad Vilbel.<br />

2 Geotechnische Erkundung, Erfassung des Deich-Ist-Zustandes<br />

Zur Planung von Dichtungssystemen in Deichen sind hinreichende Informationen über<br />

den Deich sowie den Untergrund erforderlich. Insbesondere sind Kenntnisse zum<br />

Bodenaufbau, zu den Grundwasserverhältnissen, zur Deichgeometrie sowie zu<br />

vorhandenen Sicherungselementen von entscheidender Bedeutung. Bei Altdeichen muss


teilweise von einem sehr heterogenen Deichaufbau ausgegangen werden, der mit den<br />

geplanten Erkundungsmaßnahmen hinreichend genau zu erfassen ist.<br />

95<br />

Zunächst sind Altunterlagen dahingehend zu bewerten, ob die zur Verfügung stehenden<br />

Informationen für die zu planende Maßnahme ausreichen. Anderenfalls sind zusätzliche<br />

Baugrundaufschlüsse wie Schürfe, Bohrungen und Sondierungen auszuführen (DIN 4020,<br />

DIN 4094). Mit Hilfe von Bohrungen können Schichtungen im Boden zuverlässig erkannt<br />

werden. Maßgebende bodenmechanische Kennwerte wie Durchlässigkeitsbeiwert,<br />

Scherparameter oder Steifemodul sind im Labor anhand von Bodenproben (DIN 4021) zu<br />

bestimmen. Sondierungen können zur Beurteilung der Lagerungsdichte/Konsistenz sowie<br />

zur Bestimmung von Schichtgrenzen herangezogen werden. Für Voruntersuchungen<br />

sowie für die Planung von punktuellen Aufschlüssen können auch geophysikalische<br />

Verfahren, wie z.B. Geoelektrik, Georadar oder Seismik, angewendet werden. Hinsichtlich<br />

der für die Planung wichtigen Erkundungsziele ist im DWA-AT (2005) ein Fragenkatalog<br />

enthalten.<br />

3 Einwirkungen auf Dichtungselemente, Anforderungen und<br />

Auswahlkriterien für Dichtungen<br />

Für die Bemessung von Dichtungen in Deichen sind alle relevanten Einwirkungen und die<br />

daraus resultierenden Lastfälle nach DIN 19712 zu betrachten. Zu den Einwirkungen<br />

gehören Verkehrslasten, Eigenlast, Bemessungshochwasserstand (BHW), fallender<br />

Wasserspiegel, ggf. Versagen der Dichtung oder Dränagen, Sackungen sowie Windwurf<br />

und Durchwurzelung. Ein maßgebender Faktor für die Dimensionierung von Deich und<br />

Dichtung ist die Begrenzung der durchsickernden Wassermenge. Die Wirksamkeit<br />

verschiedener Dichtungselemente lässt sich dabei mit Hilfe der Permittivität ψ bewerten.<br />

ψ = k / d = q / Δh<br />

mit<br />

k Durchlässigkeitsbeiwert [m/s]<br />

d Dicke der Dichtung [m]<br />

q Flächenbezogener Durchfluss [m³ / (s⋅m²)]<br />

Δh Potenzialdifferenz [m]<br />

Neben der Permittivität sind an die Dichtungssysteme weitere Anforderungen bezüglich<br />

Erosions- und Suffosionssicherheit sowie Langzeit- und Witterungsbeständigkeit (Frost,<br />

UV-Strahlung) zu stellen. Relevante Anforderungen können sich auch hinsichtlich der<br />

Beständigkeit gegen mechanischen (z.B. Wellen, Steinschlag), chemischen und<br />

biologischen (Mikroorganismen, Wühltiere, Durchwurzelung, usw.) Angriff sowie der<br />

Festigkeit und Verformbarkeit (ohne Nachteile für die Materialeigenschaften) ergeben.<br />

Für die Auswahl eines geeigneten Dichtungssystems sind technische und wirtschaftliche<br />

Gesichtspunkte zu betrachten. Wesentliche technische Kriterien sind u.a. die<br />

Anforderungen an das Dichtungselement (statische und hydraulische Wirksamkeit), der<br />

Aufbau und die Beschaffenheit des Deichkörpers und des Untergrundes sowie die<br />

Herstellbarkeit. Zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit ist neben den Bauaufwendungen


insbesondere die Verfügbarkeit geeigneter Böden sowie ggf. der Aufwand zur Entsorgung<br />

von Aushubmassen zu betrachten.<br />

4 Dichtungen in Deichen<br />

Dichtungen in Deichen vermindern eine Strömungsbelastung des hinter der Dichtung<br />

liegenden Deichkörpers und erhöhen damit die Standsicherheit des Deiches.<br />

96<br />

4.1 Anordnung von Dichtungen<br />

Zur Sanierung und Ertüchtigung können an Deichen prinzipiell wasserseitige<br />

Oberflächendichtungen aufgebracht oder innenliegende Dichtungselemente eingebaut<br />

werden. Dabei können die Dichtungen als sogenannte „vollkommene“ Dichtungen<br />

ausgebildet werden. Bei der Anordnung vollkommener Dichtungen muss jedoch der<br />

Einfluss auf die natürliche Grundwasserströmung in Zeiten normaler Wasserstände<br />

beachtet werden. Häufig ist aus diesem Grund nur die Anwendung „unvollkommener“<br />

Dichtungen zulässig, bei der zwar der Deich, nicht aber der Untergrund vollständig<br />

abgedichtet wird. Beispiele für unvollkommene Dichtungen sind z.B.<br />

Oberflächendichtungen mit wasserseitigem Dichtungsteppich im Vorland. Die Wirksamkeit<br />

einer solchen Dichtung besteht in der Verlängerung des Sickerweges und damit in einer<br />

Verringerung der Strömungsbelastung des Deichkörpers hinter der Dichtung. Bezüglich<br />

der Dichtungswirksamkeit bei unterschiedlichen Dichtungsanordnungen wird auf den<br />

Tagungsbeitrag „Funktionsweise unterschiedlicher Dichtungssysteme in Deichen“ von<br />

Frau Fleischer und Herrn Dr. Franke verwiesen, in dem die Problematik ausführlich<br />

behandelt wird.<br />

4.2 Wasserseitige Oberflächendichtungen an Deichen<br />

Als wasserseitige Oberflächendichtungen werden in der Regel mineralische Dichtungen<br />

(Lehm und Ton) oder geosynthetische Tondichtungsbahnen (Bentonitmatten) verwendet.<br />

Die Oberflächendichtungen werden auf der wasserseitigen Böschung (Neigung 1:3 oder<br />

flacher) des durchlässigen Deichstützkörpers aufgebracht und müssen über den<br />

Bemessungswasserstand hinaus reichen.<br />

Als mineralische Oberflächendichtungen werden natürliche, gering durchlässige Böden<br />

verwendet. Es lassen sich auch künstlich zusammengesetzte Dichtungsstoffe einsetzen,<br />

die vor Ort (mixed-in-place) oder in Mischanlagen (mixed-in-plant) hergestellt werden. Im<br />

eingebauten Zustand sollte der Boden eine Permittivität von ψ=1⋅10 -8 1/s oder kleiner<br />

aufweisen. Der Durchlässigkeitsbeiwert k des Dichtungsmaterials sollte mindestens zwei<br />

Zehnerpotenzen kleiner als der des Stützkörpers sein. Die mineralische Dichtung ist<br />

insbesondere aufgrund der Empfindlichkeit mineralischer Dichtungen gegenüber Frostund<br />

Tauwechsel sowie Austrocknung durch eine Deckschicht zu schützen. Bei der<br />

Planung einer mineralischen Dichtungsschicht ist zu beachten, dass sich durch Wühltiere,<br />

Durchwurzelung oder Windwurf die Dichtungswirkung verringern kann und ggf.<br />

konstruktive Sicherungsmaßnahmen (z.B. Bibergitter) erforderlich sind. In der Abb. 1 ist<br />

die Anordnung einer mineralischen Dichtung am Beispiel des sanierten Elbdeiches bei<br />

Riesa dargestellt, der während des Hochwasserereignisses 2002 auf einer Länge von ca.<br />

120m nach Überströmung zerstört worden war. Im Rahmen der Sanierung war danach<br />

zunächst ein ausgedehnter Kolk mit Tiefen bis zu 10 m zu verfüllen.


Abb. 1: Deichquerschnitt mit mineralischer Oberflächendichtung, Sanierter Elbdeich bei<br />

Riesa, Sachsen (Quelle: LTV)<br />

Deckschicht d ≥ 80 cm<br />

GTD<br />

Sandausgleichsschicht<br />

Stützkörper<br />

BHW Freibord<br />

1:3<br />

•<br />

•<br />

Krone<br />

Deich<br />

Dichter Untergrund<br />

97<br />

1:3<br />

Deichweg<br />

Abb. 2: Deichquerschnitt mit geosynthetischer Tondichtungsbahn (Quelle: Ingenieurbüro<br />

HPI, Bad Vilbel)<br />

Geosynthetische Tondichtungsbahnen (GTD), die aus zwei Geotextillagen und einer<br />

dazwischen angeordneten Bentonitschicht bestehen, können wie in Abbildung 2<br />

dargestellt, wasserseitig als Oberflächendichtungen angeordnet werden. Wie bei den<br />

mineralischen Dichtungen sind eine Deckschicht sowie ggf. konstruktive<br />

Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Wegen des hohen Quellvermögens des Bentonits<br />

kann durch Wiederbefeuchtung eine gewisse Selbstheilung von Schrumpfrissen erfolgen.<br />

GTD weisen eine geringe Setzungsempfindlichkeit auf. Es werden vernadelte oder<br />

vernähte GTD eingesetzt. Um eine fachgerechte Verlegung auf der Baustelle<br />

sicherzustellen, ist eine kontinuierliche Bauüberwachung erforderlich. Ein<br />

Sanierungsbeispiel mit Einsatz von GTD zeigt die Abbildung 3. Im dargestellten Fall war<br />

die Ertüchtigung mit einer mineralischen Oberflächendichtung aufgrund der Kosten für<br />

den Antransport unwirtschaftlich, da für die Dichtung geeigneter Lehm oder Ton in der<br />

näheren Umgebung nicht verfügbar war. Das Material für die Deckschicht über der GTD<br />

aus Kiessand wurde direkt aus der angelandeten Kinzigsohle gewonnen.


Abb. 3: Verlegte GTD-Bahnen mit Deckschicht, Sanierung der Kinzigdeiche (Quelle:<br />

Ingenieurbüro BBG, Lemförde)<br />

Innenliegende Dichtungselemente<br />

98<br />

Als innenliegende Dichtungselemente in Deichen können Spundwände,<br />

Einphasenschlitzwände, Schmalwände oder Bodenvermörtelungen zum Einsatz kommen.<br />

Abb. 4: Deichertüchtigung/-erhöhung mittels Spundwand und aufgesetzter Betonmauer,<br />

Hochwasserschutz Aiterbach, Bayern (Quelle: Wasserwirtschaftsamt Deggendorf)<br />

Spundwände können in nahezu alle Böden bis in Tiefen von 30 m eingebracht werden.<br />

Die Wahl des Einbringverfahrens (Rammen, Rütteln oder Einpressen, ggf. Vorbohren) ist<br />

von den anstehenden Bodenarten abhängig. Zur Herstellung der Spundwand ist für das<br />

schwere Trägergerät ein tragfähiger Untergrund als Arbeitsebene erforderlich. Ein Vorteil<br />

von Spundwänden ist die vergleichsweise einfache Anschlussmöglichkeit von weiteren<br />

permanenten oder temporären Dichtungselementen. Abb.4 zeigt ein Beispiel für den<br />

Einsatz einer Spundwand in Kombination mit einer aufgesetzten Betonwand zur<br />

Deichertüchtigung/-erhöhung. In dem dargestellten Anwendungsfall war eine<br />

erdbautechnische Lösung aufgrund der beengten Platzverhältnisse durch die<br />

angrenzende Siedlungsbebauung nicht möglich.


99<br />

Bei einer Einphasenschlitzwand wird entlang der Deichachse der Boden in Schlitzen<br />

ausgehoben und mit einer Bentonit-Zement-Suspension gefüllt. Die Herstellung von<br />

Einphasenschlitzwänden ist mit Ausnahme von sehr eng gestuften Kiesen in nahezu allen<br />

Lockergesteinen ausführbar. Im Deichbau werden hierzu zwei Verfahren angewendet. Bei<br />

geringeren Tiefen bis ca. 7 m werden die Schlitze mit einem Tieflöffelbagger von der<br />

Stirnseite des Schlitzes von der Deichkrone aus errichtet. Für größere Tiefen werden<br />

Seilbagger eingesetzt, die vom Fuß des Deiches arbeiten. Die Herstellung erfolgt im<br />

Pilgerschrittverfahren. Für die Abtragung von Lasten können Spundbohlen oder<br />

Stahlträger in die noch nicht abgebundene Suspension eingestellt werden.<br />

Zur Herstellung von Schmalwänden wird der Boden durch das Einbringen von<br />

Doppel-T-Stahlprofilen vollständig verdrängt. Während des anschließenden Ziehens der<br />

Profile wird eine Suspension (Zement, Bentonit und Steinmehl) über Injektionsleitungen in<br />

den entstandenen Hohlraum eingepresst. Durch Überschneiden der Flansche entsteht<br />

eine Wand mit Dicken von 8 bis 30 cm. Schmalwände können bis in Tiefen von ca. 30m<br />

eingebracht werden. Die Herstellung von Schmalwänden ist insbesondere in Kiesen und<br />

Grobsanden möglich. Eine Weiterentwicklung dieser Technologie zur Anwendung in<br />

Feinsanden und bindigen Böden stellt die düsenstrahlunterstützte Schmalwand dar.<br />

Innenliegende Dichtungen in Deichen können auch durch Bodenvermörtelung hergestellt<br />

werden. Unter dem Begriff der Bodenvermörtelung werden Verfahren zusammengefasst,<br />

bei denen das Korngefüge des Bodens insitu vollständig zerstört und mit einer<br />

Zementsuspension versetzt wird. Die verschiedenen Verfahren [u. a. mixed-in-place<br />

(MIP), soil mixing wall (SMW), Fräs-Misch-Injektion (FMI), cutter soil mixing (CSM)]<br />

unterscheiden sich in dem maschinentechnischen Verfahren der Vermörtelung des<br />

Bodens. Der Großteil des Bodens verbleibt bei allen Verfahren im Untergrund. Die<br />

Bodenvermörtelung kann in nahezu allen Böden zum Einsatz kommen. Durch eine<br />

gezielte Einstellung der Rezeptur kann das Spannungs-Verformungs-Verhalten an das<br />

Verformungsverhalten des umgebenden Bodens angepasst werden. Durch das Einstellen<br />

von Stahlträgern in die frisch hergestellte Wand ist ebenfalls das Abtragen statischer<br />

Lasten und der Anschluss von permanenten oder temporären Dichtungselementen an der<br />

Deichkrone möglich. Abbildung 5 zeigt die Deichertüchtigung mittels einer FMI-Wand. In<br />

dem dargestellten Beispiel erfolgte die Ertüchtigung im Rahmen einer<br />

Unterhaltungsmaßnahme (keine Erfordernis für Genehmigungsverfahren). Die<br />

ursprüngliche Geometrie des Deiches konnte dabei weitgehend erhalten bleiben. In der<br />

Planung wurde aus diesem Grund eine Überströmung des Deiches im Katastrophenfall<br />

bzw. ein teilweiser Stützkörperverlust berücksichtigt. Um ein plötzliches Versagen des<br />

Deiches ausschließen zu können, sollte die einzubauende Dichtwand statisch wirksam<br />

ausgebildet werden. Für die geforderte statische Wirksamkeit wurden im Abstand von<br />

2,40 m Stahlträger IPE 160 eingestellt.


100<br />

Abb. 5: FMI-Dichtwand, Deichinstandsetzung an der Mangfall, Aiblinger Au, Bayern<br />

(Quelle: Ingenieurbüro SKI, München)<br />

5 Maßnahmen bei hydraulisch ungünstiger Untergrundbeschaffenheit<br />

Eine ungünstige Untergrundbeschaffenheit stellen beispielsweise stark durchlässige<br />

Schichten im Untergrund des Deichkörpers dar. Im Hochwasserfall kann es im<br />

Deichhinterland aufgrund des geringen Druckabbaus zu Sohlaufbrüchen kommen. Liegen<br />

derartige Untergrundverhältnisse vor, sind entsprechende Sicherungs- und<br />

Ertüchtigungsmaßnahmen anzuwenden.<br />

Eine mögliche, zumeist kostengünstige Maßnahme sind landseitig aufgebrachte<br />

Auflastfilter. Hierbei ist jedoch auf eine Vermeidung der Verlagerung der Problembereiche<br />

zu achten. Eine andere Möglichkeit, die Druckhöhe im Deichhinterland zu vermindern,<br />

kann durch die Anlage eines Dichtungsteppichs im Vorland (Verlängerung des<br />

Sickerweges) erreicht werden.<br />

Neben der Abdichtung des Vorlandes besteht auch die Möglichkeit, durch vertikale<br />

Dichtungselemente den Sickerweg wirkungsvoll zu verlängern. Um einen Zufluss des<br />

Grundwassers zum Gewässer zu erhalten, werden diese in der Regel nicht bis in die<br />

undurchlässigen Stauer geführt (unvollkommene Abdichtung). Es ist jedoch darauf zu<br />

achten, dass durch die Einschnürung der Strömungsfläche keine unzulässigen<br />

Strömungsgeschwindigkeiten und somit lokal suffosionsgefährdete Bereiche erzeugt<br />

werden.<br />

In Einzelfällen reicht es zur Verbesserung des Untergrundes aus, dessen Durchlässigkeit<br />

zu reduzieren. In Abhängigkeit von den Randbedingungen kann dies durch das<br />

Einmischen von entsprechenden Körnungen, ggf. in Verbindung mit Bindemitteln sowie<br />

bei nicht zu tief anstehenden Schichten durch Bodenaustausch erreicht werden.


Literatur<br />

101<br />

DWA – Themen (2005): Dichtungssysteme in Deichen, DWA-Arbeitsgruppe WW-7.3,<br />

Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., Hennef, April 2005<br />

Verfasser<br />

Dr.-Ing. Dirk Heyer<br />

Zentrum Geotechnik<br />

TU München<br />

Baumbachstraße 7<br />

81245 München<br />

d.heyer@bv.tum.de<br />

Dipl.-Ing. Christian Schmutterer<br />

Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen (LTV)<br />

Bahnhofstraße 14<br />

01796 Pirna<br />

christian.schmutterer@ltv.smul.sachsen.de


Kurzfassung<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Einsatz von<br />

geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />

Johannes Plank<br />

Während des Pfingsthochwassers 1999 zeigte sich, dass der vorhandene<br />

Hochwasserschutz in Neuburg a. d. Donau nicht ausreichend ist. Die Standsicherheit<br />

einzelner Deichabschnitte war durch eindringendes Sickerwasser gefährdet, teilweise<br />

reichten die Höhen der bestehenden Anlagen nicht aus.<br />

Nach Vorliegen der wasserrechtlichen Genehmigungen wurde unverzüglich mit den<br />

Sanierungsarbeiten begonnen. Der folgende Beitrag beschreibt eine Deichsanierung und<br />

einen Deichneubau mit geosynthetischen Tondichtungsbahnen. Durch den Einsatz von<br />

geosynthetischen Tondichtungsbahnen konnte bei der Deichsanierung der bestehende<br />

Altdeich in die Sanierung miteingebunden werden; der Deichneubau konnte andererseits<br />

im Winterhalbjahr rasch und witterungsunabhängig durchgeführt werden.<br />

1 Anlass<br />

Am 24.05.1999 überschritt die Donau am Pegel Ingolstadt die bisher noch nie da<br />

gewesene Marke von 748 cm. Der entsprechende Scheitelabfluss von 2270 m³/s<br />

entspricht einem Ereignis, das ca. alle 190 Jahre erreicht oder überschritten wird.<br />

Das Pfingsthochwasser 1999 zeigte, dass die Hochwasserschutzanlagen in Neuburg a. d.<br />

Donau nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entsprachen. Die Mängel<br />

umfassten vor allem einen zu geringen Freibord, fehlende Deichhinter- und<br />

Deichkronenwege sowie ungenügende Dichtigkeit und Standsicherheit. In einigen<br />

Bereichen der Stadt war noch kein Hochwasserschutz vorhanden.<br />

Sofort nach dem Pfingsthochwasser wurde mit der Planung für die Sanierung der<br />

bestehenden Hochwasserschutzanlagen sowie der Neubauten begonnen.<br />

Die Entwurfsplanungen wurden im Frühjahr 2000 abgeschlossen und die Unterlagen für<br />

das Wasserrechtsverfahren eingereicht. Der Planfeststellungsbeschluss erfolgte im<br />

August 2000.<br />

2 Deichsanierung Schlösslwiese<br />

Mit der Sanierung des Bereiches "Schlösslwiese" wurde der erste Bauabschnitt in<br />

Neuburg a. d. Donau im Bereich des nördlichen Donauufers im Juni 2002 abgeschlossen.<br />

Der bereits bestehende Deich wurde an die a. a. Regeln der Technik angepasst. Die<br />

Böschungen wurden auf 1:2,5 abgeflacht, der Deich wurde teilweise um über 80 cm<br />

erhöht, verbreitert und mit einem neuen Deichkronenweg versehen.


Tab. 1: Projektdaten Schlösslwiese<br />

Projektdaten<br />

Lage: Neuburg a. d. Donau<br />

Deichlänge: ca. 600 m<br />

Deichhöhe alt: 3 m<br />

Deichhöhe neu: 3,8 m<br />

Dichtungsart: Bentonitmatte<br />

Bauzeitraum: Dezember 2001 - Juni 2002<br />

103<br />

Zusätzliche Bauwerke:<br />

Pumpwerk zur Entwässerung von Neuburg Nord<br />

Verbaute Massen<br />

3.800 m³ Oberboden<br />

11.000 m³ Kies<br />

8.000 m² Bentonitmatte<br />

5.000 m³ Schotter<br />

60 m³ Beton<br />

5 t Bewehrungsstahl<br />

Gleichzeitig erhielt der vorhandene Deich eine neue wasserseitige Oberflächendichtung in<br />

Form von Bentonitdichtungsbahnen, da geeignetes Schüttmaterial für eine natürliche<br />

Außendichtung aus Ton oder Lehm in der näheren Umgebung nicht in ausreichender<br />

Menge vorhanden war. Bentonitmatten sind geosynthetische Tondichtungsbahnen. Sie<br />

bestehen aus zwei Geotextillagen und sind mit Bentonit gefüllt. Die Geotextillagen<br />

bestehen aus Polypropylen und das Deck- und Trägergeotextil ist durch die<br />

Bentonitschicht hindurch durch Vernadelung vollflächig verbunden, so dass eine<br />

Schubkraftübertragung gewährleistet ist. Durch diese Vernadelung wird das<br />

Bentonitpulver innerhalb der Matte gleichmäßig fixiert, was auch einen Einbau der<br />

Bentonitmatten auf steileren Böschungsneigungen ermöglicht. Zusätzlich wurde die<br />

Oberfläche des Deckgeotextils thermisch behandelt, um eine Erhöhung des Scherwinkels<br />

zwischen Vlies und Abdeckmaterial zu erreichen.<br />

Tabelle 2: Technische Daten der GDT<br />

Trägerschicht: PP-Verbundstoff > 350 g/m²<br />

Bentoniteinlage: Natriumbentonit in Granulatform<br />

Wasserdurchlässigkeitsbeiwert < 5x10 -11 m/s<br />

Bentonitanteil bei 12% Wassergehalt > 5000 g/m²<br />

Deckvlies: PP mit zusätzlicher thermischer Behandlung > 300 g/m²<br />

Überlappung: > 30 cm<br />

Deckschicht: > 80 cm<br />

Zugfestigkeit > 15 kN/m<br />

Scherfestigkeit > 35°<br />

Gemischtkörniger Boden 0/45, Reibungswinkel 35°<br />

Vorlage der bauaufsichtlichen Zulassung (DIBt),<br />

Nachweise und Prüfzeugnisse eines unabhängigen Prüfinstituts (BAW)


104<br />

Am Böschungsfuß bindet die Bentonitmatte mittels eines mind. 50 cm tiefen Grabens in<br />

den Untergrund ein. Die Einbindung erfolgte bis in Schluff-/Feinsandlagen. Die<br />

geosynthetische Tonabdichtung wird im Graben durch Folieneinlage (PE, Stärke 1 mm,<br />

Überlappung 50 cm) vor Durchwurzelung und Nagetierbefall geschützt und gewährt somit<br />

Durchströmungssicherheit am Böschungsfuß. Die Bentonitmatten sind zum Schutz vor<br />

Frost, Austrocknung und Beschädigungen mit Abdeckmaterial ca. 80 cm überdeckt. Im<br />

Kronenbereich wird die geosynthetische Dichtungsbahn ca. 50 cm horizontal verlegt.<br />

Durch die Verwendung einer geosynthetische Dichtungsbahn als Oberflächenabdichtung<br />

konnte der bestehende Stützkörper in den neuen Deich integriert werden. Bei<br />

Hochwasser quillt das Bentonit durch die Feuchtigkeit auf und erfüllt so seine<br />

Dichtfunktion.<br />

Zur Deichverteidigung wurde ein neuer Deichhinterweg angelegt. Dieser dient im Ernstfall<br />

dazu, mit Einsatzfahrzeugen an den Deich zu gelangen, um den Deich zu kontrollieren<br />

und notfalls erforderliche Reparaturen durchzuführen.<br />

Im Zuge dieser Sanierungsmaßnahmen wurde außerdem das Sielbauwerk/ Pumpwerk<br />

am Ende des Deiches angepasst. An der Funktionsweise des Bauwerks hat sich nichts<br />

geändert.<br />

Bauherr ist der Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt.<br />

Die Kosten dieses Abschnittes beliefen sich auf 570.000,- €. Diese wurden zu 50% vom<br />

Freistaat Bayern und zu 50% aus Fördermitteln der Europäischen Union (Programm<br />

EFRE) aufgebracht.<br />

Abb. 1: Verlegen der GTD mit Einbinden in den Untergrund


3 Deichneubau Bittenbrunn<br />

105<br />

In Neuburg a. d. Donau, OT Bittenbrunn im Bereich der Eulatalstraße existierte noch kein<br />

Hochwasserschutz. Zum Schutz von Wohn- und Gewerbebetrieben wurde ein neuer<br />

Hochwasserdeich mit einer Länge von 330 m gebaut.<br />

Die 330 m lange Deichtrasse wurde so gewählt, dass einerseits möglichst wenig<br />

Retentionsraum verloren geht, der Eingriff in Privatgrundstücke aber minimiert wird.<br />

Die Dichtung des Deiches erfolgte - wie schon bei dem Deich an der Schlösslwiese - mit<br />

Bentonitmatten. Dies sind geosynthetische Tondichtungsbahnen, die bei Hochwasser<br />

aufquellen und den Deich abdichten.<br />

Hinter dem Deich verläuft ein Sickerschlitz zur Aufnahme von Sickerwasser. Über ein<br />

Pumpwerk wird das Wasser zurück in die Donau gefördert.<br />

Tab. 3: Projektdaten Bittenbrunn<br />

Projektdaten Verbaute Massen<br />

Lage: Neuburg a. d. Donau<br />

Deichlänge: ca. 330 m<br />

Deichhöhe neu: 2,50 m<br />

Dichtungsart: Bentonitmatte<br />

Zusätzliche Bauwerke:<br />

Pumpwerk zur Entwässerung<br />

Bauzeitraum: September 2002 - Mai 2003<br />

- 3.700 m³ Oberboden<br />

- 15.000 m³ Kies<br />

- 3.700 m² Bentonitmatte<br />

- 900 m³ Schotter<br />

- 7 m³ Beton<br />

Die Kosten von ca. 600.000,-- € wurden vom Freistaat Bayern, der Stadt Neuburg und der<br />

EU (Fördermittel aus dem Programm EFRE) getragen.<br />

Die technische Ausführung entsprach der Ausführung „Deichsanierung Schlösslwiese“<br />

(siehe Tab. 2).<br />

Abb. 2: eingebaute<br />

Tondichtungsbahn mit<br />

Abdeckmaterial


106<br />

Vorteile von geosynthetischen Tondichtungsbahnen gegenüber mineralischer<br />

Oberflächendichtung<br />

Literatur<br />

Dichtung wird weitgehend werksseitig hergestellt<br />

Qualitätsüberwachung erfolgt im Werk<br />

Baustellentransport: geringere Mengen (Mattendicke ca. 1 cm)<br />

Kurze Bauzeit: einfacher und schneller Einbau<br />

Einbau weniger frost- und nassempfindlich<br />

Bei Lehmdichtung: hoher Einbau- und Kontrollaufwand (evtl.<br />

Baustellenlabor)<br />

Integration von Altdeich möglich<br />

Sehr hohe Verformbarkeit und Setzungsunempfindlichkeit<br />

Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt: Sanierung Hochwasserschutz Neuburg a.d. Donau,<br />

April 2000<br />

Naue Fasertechnik: Deichsicherung mit Bentofix, Februar 2005<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Einsatz von geosynthetischen Tondichtungsbahnen<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Johannes Plank<br />

Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt<br />

Fachbereichsleiter Wasserbau und Gewässerentwicklung<br />

Auf der Schanz 26<br />

85049Ingolstadt<br />

johannes.plank@wwa-in.bayern.de


Kurzfassung<br />

107<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> - Verwendung<br />

natürlicher Böden<br />

Uwe Kleber-Lerchbaumer<br />

Der folgende Beitrag beschreibt die konventionelle Sanierung bestehender Deiche durch<br />

Vorschüttung (und gegebenenfalls Erhöhung) mineralischer Dichtungen. Das Verfahren<br />

hat sich im Hinblick auf das bautechnische Anforderungsprofil entsprechend Nr. 16.4.4<br />

DIN 19712 bewährt und stellt eine im Allgemeinen auch wirtschaftliche<br />

Sanierungsvariante dar. Voraussetzung ist, dass Schüttmaterial ausreichender Qualität<br />

und Menge einbaunah verfügbar ist, die Standsicherheit nachgewiesen werden kann und<br />

die Einengung der Abflussquerschnitte keine nachteiligen Auswirkungen auf Dritte<br />

verursacht.<br />

1 Einführung<br />

Der überwiegende Teil der insgesamt rund 1200 km Deiche an Gewässern I. Ordnung in<br />

der Baulast des Freistaates Bayern wurde im Zuge der großen Flusskorrektionen<br />

zwischen 1880 und 1930 in Form einfacher Einheitsdeiche unter Verwendung der<br />

anstehenden quartären Talschotter mit bautechnisch sehr ungünstigen<br />

Durchlässigkeitsbeiwerten (kf = 10 -2 – 10 -3 m/s) errichtet. Die Dichtung dieser Deiche<br />

besteht ausschließlich aus gering mächtigen Oberbodenauflagen. Die zusätzlich durch<br />

Materialumlagerung (Austrag der Feinkornfraktionen) bewirkte Erhöhung der<br />

Durchlässigkeit bei gleichzeitiger Reduzierung der Lagerungsdichte bewirkt eine die<br />

Standsicherheit gefährdende Zunahme der Sickerwasserverluste auch bei an sich<br />

unkritischen Beaufschlagungen. Hinzu kommt, dass viele dieser Deichabschnitte wegen<br />

veränderter Randbedingungen (Bemessungsabfluss, Freibordbemessung,<br />

Vorlandnutzungen) und ungenügender Profilabmessungen erhöht oder verstärkt und mit<br />

ursprünglich nicht vorgesehenen Deichverteidigungswegen erschlossen werden müssen.<br />

Die Auswertung der aktuellen Deicherhebung für den Freistaat Bayern (2005) nach<br />

Dichtungsarten (unabhängig vom Sanierungsstand) ergibt folgendes Bild:<br />

92 % konventionelle Erddeiche<br />

3 % technische Oberflächendichtungen (Tondichtungsbahnen)<br />

5 % technische Innendichtungen (Spundwände, Erdbetonwände)<br />

Der überwiegende Anteil der bestehenden Hochwasserdeiche ist demnach in<br />

konventioneller Erdbauweise errichtet. Bei den seit dem Pfingsthochwasser 1999<br />

durchgeführten Sanierungen zeichnet sich aber insbesondere bei größeren Flussdeichen<br />

(Donau und ihre südbayerischen Zuflüsse) eine zunehmende Anwendung technischkonstruktiver<br />

Innendichtungen ab. 65 % der seitdem durchgeführten Sanierungen<br />

erfolgten anfänglich unter Verwendung von Stahlspundwänden, nach dem Anstieg der<br />

Rohstahlpreise zunehmend unter Einsatz von Erdbetonwänden (MIP/FMI-Verfahren).


108<br />

Technisch-konstruktive Innendichtungen haben sich bewährt und stellen bei<br />

Überschreitung der Bemessungslastfälle für die Standsicherheit nach DIN 1054<br />

(Überströmung) unstrittig ein gegenüber reinen Erddeichen erhöhtes Sicherheitsniveau<br />

dar. Ihr Einsatz bleibt jedoch letztlich unter Abwägung wirtschaftlicher Kriterien in jedem<br />

Einzelfall zu prüfen. Auch künftig wird dabei ein nicht zu vernachlässigender Anteil der<br />

bayerischen Deiche in konventioneller Erdbauweise ausgeführt werden.<br />

2 Bautechnische Grundlagen<br />

Grundlage für den Bau von Hochwasserdeichen ist DIN 19712 (1997) in Verbindung mit<br />

dem DVWK Merkblatt 210 (1994). Beide Regelwerke sind derzeit in erster Linie wegen<br />

der Anpassung an das mit DIN 1054 (2005) bauaufsichtlich eingeführte Konzept der<br />

Teilsicherheitsbeiwerte (vgl. Kap. 3) in Überarbeitung.<br />

Abb. 1: Drei-Zonen-Deich nach DIN 19712<br />

Ohne Vorgabe verbindlicher Regelprofile führt Nr. 7.1 DIN 19712 den Drei-Zonen-Deich<br />

als „erstrebenswerten Deichaufbau“ (gegenüber homogenen Einheitsdeichen) an.<br />

Drei-Zonen-Deiche bestehen aus einer wasserseitigen Dichtungsschicht, einem<br />

durchlässigen Stützkörper und einem binnenseitigen Auflastfilter in Form einer<br />

Böschungsberme, die einen befestigten Deichverteidigungsweg trägt. Die<br />

Dichtungsschicht besteht bei den hier vorgestellten Isardeichen im Raum<br />

München/Landshut überwiegend aus massiven Vorschüttungen tertiärer Kiessande mit<br />

Einbaubreiten am Deichfuß von 3,0 bis 5,0 m, die durch Sporneinbindung auf die<br />

tragfähigen quartären Schotter gegründet und somit vor Abrutschen auf der<br />

Aulehmschicht geschützt werden. Konstruktive Abdichtungen in den Untergrund (sofern<br />

technisch überhaupt realisierbar) und Sickerwegverlängerungen sind zum Nachweis der<br />

Standsicherheit regelmäßig nicht erforderlich.


109<br />

Bild 1: Freigestellter Altdeich Bild 2: Einbau Dichtungsschicht<br />

Diese Bauweise wird technisch erfolgreich und kostengünstig angewendet bei der<br />

Sanierung bestehender Deichtrassen unter Beibehaltung der alten Kiesdeiche als<br />

Stützkörper. Voraussetzung ist die Verfügbarkeit geeigneten Materials in einer<br />

wirtschaftlich interessanten Entfernung.<br />

Bild 3: Profilierung der Böschung Bild 4: Fertiggestellter Deichabschnitt<br />

Bei Neubauten (z.B. Deichrückverlegungen) führen höhere Kosten für die quartären Kiese<br />

des Stützkörpers (meist Nassabbau) und die bauablaufbedingten Mehraufwendungen<br />

dazu, dass Einheitsdeiche aus tertiären Kiessanden preislich deutlich günstiger (25-30 %<br />

Kosteneinsparung) zu erstellen sind. Hierzu ist zur schadlosen Ableitung des<br />

Sickerwassers (Nachweis der örtlichen Standsicherheit) in praktisch allen Fällen ein<br />

binnenseitiger Filterdrän erforderlich<br />

3 Anforderungen an die Standsicherheit<br />

Nach Nr. 9 DIN 19712 ist die Standsicherheit konventioneller Erdeiche für die nachfolgend<br />

genannten Kriterien jeweils für die Lastfälle LF 2 (Bemessungswasserstand BHW) und LF<br />

3 (Kronenstau) mit den Teilsicherheitsbeiwerten nach DIN 1054 nachzuweisen. Ein<br />

Versagen der Dichtungsschicht muss bei mineralischen Vorschüttungen nicht<br />

nachgewiesen werden.<br />

Allgemeine Standsicherheit (Nr. 9.2 DIN 19712, DIN 4084)<br />

Örtliche Standsicherheit (Nr. 9.3 DIN 19712, DIN 4084)


110<br />

Auftriebssicherheit (Nr. 9.5 DIN 19712)<br />

Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch (Nr. 9.5 DIN 19712)<br />

Sicherheit gegen Erosionsgrundbruch und Suffosion (Nr. 9.6 DIN 19712)<br />

Deiche bis 2 m Höhe, Mindestkronenbreiten von 3 m und Böschungsneigungen flacher<br />

1 : 3 können nach DIN 19712 ohne rechnerischen Nachweis als standsicher angesetzt<br />

werden.<br />

Für den Nachweis der allgemeinen und örtlichen Standsicherheit ist eine stationäre, d.h.<br />

möglichst hoch liegende Sickerlinie maßgebend. Die allgemeine Standsicherheit<br />

(Gleitkreisberechnung nach DIN 4084) ist für die binnen- und (abhängig von der<br />

realistischen Sinkgeschwindigkeit der Hochwasserwelle) wasserseitigen Böschungen<br />

nachzuweisen. Ein möglicher Porenwasserüberdruck in bindigen Decklehmschichten ist<br />

zu berücksichtigen. Bei der örtlichen Standsicherheit sind verbliebene Gehölze und die<br />

Standsicherheit im Hangquellenbereich (bei weichem, bindigen Untergrund zusätzlich die<br />

Spreizsicherheit) zu berücksichtigen. Letztere kann durch die Anlage eines Auflastfilters<br />

erreicht werden.<br />

Die Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch, Erosionsgrundbruch und Auftrieb wird<br />

nach DIN 19712 durch die Anlage eines entsprechend dimensionierten Auflastdräns<br />

nachgewiesen. Rechnerisch zu bestimmen ist die erforderliche Höhe der Berme.<br />

Hinsichtlich der Bermenbreite gibt es keine technischen Vorschriften. Abgesehen von<br />

Bereichen geogener Störungen mit hohen Wegigkeiten sollten 5,0 m breite Bermen<br />

ausreichend sein.<br />

Bei Suffosion ist abweichend vom Nachweis der Böschungssicherheit ein instationärer,<br />

d.h. möglichst steiler Verlauf der Sickerlinie bzw. ein hoher hydraulischer Gradient<br />

maßgebend. Während die vorgenannten Nachweise bei Erddeichen geotechnisch im<br />

allgemeinen keine Probleme bereiten, kommt es beim Nachweis der Suffosions- und<br />

Filterstabilität des verwendeten Schüttmaterials häufiger zu Unsicherheiten bis hin zu<br />

Streitigkeiten vor den Vergabestellen hinsichtlich des Nachweises der Materialeignung.<br />

DIN 19712 nennt kein allgemeingültiges Verfahren, die zitierten Nachweisverfahren<br />

basieren in erster Linie auf Versuchsreihen zum Erosionsgrundbruch mit aufwärts<br />

gerichteten Sickerströmungen und sind nur begrenzt auf die Betrachtung durchsickerter<br />

Deiche anwendbar. Ausführungen zum Nachweis der Materialeignung hinsichtlich<br />

Suffosion und Filterstabilität sind in Kap. 4 formuliert.<br />

Die Standsicherheit von Böschungsdichtungen bei Wasserüberdrücken (Nr. 9.4 DIN<br />

19712, EAK) ist bei mineralisch gedichteten Deichen wegen der Restdurchlässigkeit des<br />

Dichtkörpers und dessen relativ hohem Gewicht zu vernachlässigen.<br />

4 Anforderungen an die Materialeignung<br />

Für die Dichtungsschicht wird gemischtkörniger, nichtbindiger Boden der Bodenklasse IV<br />

(Schluff-Sand-Kies-Gemische) mit mindestens 15 % Kornanteilen unter 0,06 mm der<br />

Bodenarten GU (5-15 % unter 0,06 mm), in Ausnahmefällen GÚ (15-40 % unter 0,06 mm)<br />

verwendet. Verlangt wird eine stetige Kornverteilung (üblicherweise durch die Vorgabe<br />

der Bandbreite einer zulässigen Kornverteilungslinie), ein maximaler


111<br />

Durchlässigkeitsbeiwert max kf = 1 bis 5 x 10 -6 m/s bei einer Mindestverdichtung (97 %<br />

einfache Proctordichte, vgl. Kap. 5) im Einbauzustand. Die Mindestanforderung an<br />

mineralische Oberflächendichtungen nach DVWK M215 (kf = 10 -7 m/s) können wegen der<br />

massiven Vorschüttung ohne Einschränkungen der Funktions- und Standsicherheit<br />

unterschritten werden. Die Verwendung autochthoner Kiessande ist damit möglich. Der<br />

hydraulische Gradient in der Dichtungsschicht liegt dann immer im nach DVWK M215<br />

geforderten Bereich unter i = 5, der kf -Wert um mindestens zwei Zehnerpotenzen über<br />

demjenigen des Stützkörpers. Organische Bestandteile und Gesteinsfraktionen sind<br />

weitgehend auszuschalten.<br />

Die Materialeignung und die durchzuführenden Nachweise werden in den<br />

Verdingungsunterlagen definiert und von den in die engere Wahl genommenen Bietern<br />

nach Reihung der Submission vor Auftragsvergabe angefordert. Regelmäßig werden<br />

folgende Nachweise verlangt:<br />

Kornverteilung (Sieblinie nach DIN 18123 und DIN 18916)<br />

Proctorversuch (DIN 18127)<br />

Wasserdurchlässigkeit (DIN 18130)<br />

Scherfestigkeit (DIN 18137)<br />

Der Eignungsnachweis durch ein qualifiziertes Erdbaulabor ist nach Nr. 3.9.2 DIN 18300<br />

keine besondere Leistung und wird demnach nicht vergütet. Die Vergabestelle nimmt<br />

Rückstellproben, die bei fraglichen oder unklaren Ergebnissen auf Kosten der<br />

Vergabestellen durch den Fremdüberwacher (vgl. Kap. 5) untersucht werden.<br />

In der Praxis kommt es bei autochthonen tertiären Kiessanden (GU) häufig zu einem<br />

geologisch bedingten, unstetigen Verlauf der Kornverteilungslinie mit ein deutlichen<br />

Anstieg der Sieblinie im Bereich der Mittelsandfraktion bei Ausfallkörnungen im Bereich<br />

der Grobsand- und Kiesfraktionen. Dabei wird die mit Kornverteilungsband geforderte<br />

Mindestkiesfraktion relativ häufig unterschritten. Rechnerisch wird dabei der zulässige<br />

hydraulische Gradient ikrit beim Nachweis der Suffosionsstabilität nach geometrischen<br />

Kriterien (z.B. nach Bild 8 DIN 19712) zumeist größer (U = d60 / d10 wird bei steilem<br />

Verlauf in der Sandfraktion gegenüber einer linear-stetigen Sieblinie kleiner).<br />

Bild 5: Abbauhalde Bild 6: Lastplattenversuche


112<br />

Nichtbindige, intermittierend gestufte Böden mit einer Ungleichförmigkeitszahl<br />

U > 8 und Krümmungszahlen Cc < 1 bzw. > 3 (DIN 18916) gelten jedoch prinzipiell als<br />

nicht suffosionssicher. Da Suffosion ohne Austrag von Material im allgemeinen zum<br />

Aufbau eines natürlichen Filters führt, kann abweichend von DIN 19712 nach dem<br />

deutlich strengeren Kriterien des BAW Merkblatt Anwendung von Kornfiltern an<br />

Wasserstrassen (MAK) im Bereich der Ausfallkörnung gewählte Trenndurchmesser nach<br />

der Filterregel von CISTIN/ZIEMS überprüft werden. Die Frage des geometrischen<br />

Suffosionskriterium kann dabei als vergleichsweise unkritisch betrachtet werden, wenn<br />

der Siebdurchgang des Sattelpunktes der Ausfallkörnung über 30 % Gewichtsanteilen<br />

liegt.<br />

Abb. 2: Kornverteilungslinien tertiärer Kiessande<br />

Höheren Anteile der Mittelsandfraktionen ergeben aber insbesondere bei nicht<br />

homogenem Einbau ein erhöhtes Risiko hinsichtlich der Suffosions- und Erosionsstabilität<br />

und führen zu erhöhten Aufwendungen im Bereich der Einbaukontrolle, zur Aufbereitung<br />

(eventuell Zumischung der Ausfallkörnung, i.d.R. Erhöhung der Kiesanteile) des Materials<br />

vor Einbau (im Abbaubetrieb), in Ausnahmefällen auch zur Zumischung im Baubetrieb<br />

(Frästechnik). Zu berücksichtigen ist, dass die Abbauhorizonte der tertiären Kiesgruben<br />

überwiegend deutlich geschichteten, inhomogenen Aufbau aufweisen.<br />

Geotextilien finden bei nicht gegebener Suffosionssicherheit (Trennvlies) und zur<br />

Sicherung der Filtereigenschaften (Filtervlies, Tragschichtbau des<br />

Deichverteidigungsweges) Verwendung. Die Erhöhung der Standsicherheit der<br />

Deichböschung bei Überströmung durch geotextile Verbundbauweisen<br />

(Bodenverfestigungen im Baumischverfahren oder Deckwerke) ist auf definierte<br />

Überlaufstrecken zu begrenzen. Eine gezielte Entlastung in Bereich geringer<br />

Gefährdungen ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht einer durchgehenden Sicherung gegen<br />

Erosionsschäden vorzuziehen.<br />

Bei hoher hydraulischer Belastung ist eine temporäre Ansaatsicherung mit organischen<br />

Aufwuchsmatten (Jute, Kokosfasern), in Ausnahmefällen ein massives Deckwerk<br />

erforderlich.<br />

Bestehen hinsichtlich der Materialeignung Bedenken, kann die Herstellung einer<br />

Probeschüttung mit nachfolgendem Gütenachweis vereinbart werden.


113<br />

Neben dem qualitativen Aspekt spielt bei Auftragsvergabe auch die Frage der<br />

Verfügbarkeit (Abbaugenehmigungen) eine Rolle. Da die Kieslieferung häufig aus<br />

Fremdbetrieben erfolgt, wird der vor Auftragserteilung hinsichtlich Materialeignung und<br />

Abbaukapazitäten überprüfte Abbaubetrieb (Festlegung der Grube, teilweise auch der<br />

Abbauhorizonte) bauvertraglich vereinbart. Gemäß der Nachunternehmerregelung kann<br />

der Auftragnehmer den Lieferbetrieb dann nur mit Zustimmung des Auftraggebers<br />

wechseln.<br />

Nach Auftragerteilung ist die Materialeignung entsprechend dem Baufortschritt<br />

kontinuierlich zu überprüfen. Aus Zeit- und Kostengründen kann dabei auf die<br />

Schlämmanalyse für die Kornfraktionen unter 0,06 mm verzichtet werden. Die<br />

Eigenüberwachung des Auftragnehmers durch ein qualifiziertes Prüflabor ist<br />

insbesondere dann durch Fremdüberwachungen des Auftraggebers zu ergänzen, wenn<br />

der Auftragnehmer eigenes Material liefert.<br />

5 Einbau, Qualitäts- und Gütenachweise<br />

Anforderungen an Qualitäts- und Gütenachweise werden nach FGSV Nr. 599 ZTV E StB<br />

(Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für Erdarbeiten im Straßenbau) mit den in<br />

den Anhängen 2 und 3 aufgenommenen DIN 18299 und DIN 18300 (beide als ATV<br />

Bestandteil der VOB/C) geregelt. ZTV E StB wird bei Ausschreibungen staatlicher<br />

Vergabestellen auch im Bereich der Wasserwirtschaft normalerweise verbindlich<br />

vereinbart.<br />

Während des Einbauvorganges werden neben der kontinuierlichen Materialprüfung (vgl.<br />

Kap. 4) Verdichtungsprüfungen nach Nr. 14 ZTV E StB durchgeführt. Eingesetzt werden<br />

dabei heute überwiegend flächendeckende dynamische Verdichtungskontrollen mit<br />

Vibrationswalzen (FDVK) oder (zeit – und kostenintensivere) dynamische<br />

Lastplattenversuche. In beiden Fällen handelt es sich um indirekte Prüfverfahren, die aus<br />

dem ermittelten Verformungsmodul die Proctordichte bestimmen. Der Umfang der<br />

Prüfungen ist nach Tab. 7 ZTV E StB abhängig von der Einbauleistung vertraglich zu<br />

vereinbaren. Zu beauftragen ist ein anerkanntes Erdbaulabor.<br />

Die Wahl des Bauverfahren und der eingesetzten Geräte ist nach Nr. 3.1.1 DIN 18300<br />

grundsätzlich Sache des Auftragnehmers. Sollen z.B. bestimmte Verdichtungsgeräte<br />

eingesetzt werden, muss dies in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich genannt<br />

werden.<br />

Der Einbau erfolgt nach Nr. 3.7.6 DIN 18300 lagenweise (Schüttstärke 0,4 m,<br />

Endverdichtung 0,3 m) mit einer 3 % Neigung zur Außenseite möglichst im Bereich des<br />

optimalen Wassergehaltes. Um eine ausreichende Materialdurchmischung<br />

sicherzustellen, erfolgt der Einbau üblicherweise unter Verwendung von Schaffußwalzen<br />

und statischer Verdichtung. Auch bei Zulassung hochverdichtender Segmentwalzen<br />

sollten keine höheren Schüttlagen akzeptiert werden. Temporäre Sicherungen der<br />

Böschungen gegen Witterungseinflüsse sind im Allgemeinen nicht erforderlich.<br />

Schüttungen sind nach Nr. 3.1.2 DIN 18300 bei Frost einzustellen. Winterbauregelungen<br />

sind in Nr. 11 WBVB VHB Was Bayern zu vereinbaren.


114<br />

Verlangt wird eine Mindestverdichtung von 97 % einfacher Proctordichte nach Nr. 9.1 ZTV<br />

E StB (95 – 97% für nichtbindige Böden nach Nr. 10.2.4 DIN 19712). Der<br />

Durchlässigkeitsbeiwert kann wegen der versuchsbedingten Randbedingungen beim<br />

Nachweis der Materialeignung bei Auftragserteilung (gesättigte Bodenprobe) aus der<br />

Kornverteilungslinie abgeleitet werden.<br />

Die Abrechnung erfolgt nach Einbaumenge (Abs. 5 DIN 18299), nur ausnahmsweise nach<br />

Gewicht. Der Spornaushub (Regelaushubtiefe 1,0 m) sollte im Leistungsverzeichnis<br />

angemessen gestaffelt werden, fehlen Angaben muss der Bieter nach Nr. 3.10.2 DIN<br />

18300 Sporntiefen bis 1,75 m preislich kalkulieren und (da der Aushub im allgemeinen<br />

abzutransportieren ist) entsprechend höhere Einheitspreise anbieten.<br />

6 Kosten<br />

Kosten sind insbesondere bei tertiären Kiesen in erster Linie durch den Transport<br />

verursacht. Im Raum Landshut/Moosburg fällt tertiäres Deckmaterial z.B. im Rahmen des<br />

Bentonit Tagebaues nahezu unbegrenzt als Abraummaterial an und wird wegen der<br />

Rekultivierungspflicht bei zulässiger Verfüllung der Gruben mit unbelasteten<br />

Fremdmaterialien im allgemeinen zum Selbstkostenpreis frei Baustelle (Mischen, Laden<br />

und Transport) angeboten. Bei günstig gelegenen Abbaugruben ergaben sich dann<br />

mittlere Einbaupreise zwischen 5 und 7 €/m³ und spezifische Kosten für<br />

Deichverstärkungen durch Vorschüttung tertiärer Dichtungsschichten mit 3,0 m<br />

Kronenbreiten und Böschungsneigungen 1:2,5 zwischen 125 und 250 €/m bei<br />

Deichhöhen zwischen 2,0 und 3,0 m für die Deichverstärkung. Die Kosten für die<br />

Erstellung eines binnenseitigen Auflastdräns einschließlich Deichverteidigungsweg<br />

betrugen zwischen 150 und 200 €/m. Die Anlage von Kronenwegen setzt eine<br />

Kronenbreite von 5,0 m voraus und verursacht vergleichbare Kosten.<br />

Abb. 3: Wertansätze für Flussdeiche (Kb = Kronenbreite)<br />

In Abb. 3 wurde versucht, anhand bayernweit abgerechneter Baumaßnahmen den<br />

tatsächlichen Wertansatz (unter Berücksichtigung übernommener Baukörper) und damit<br />

die Wiederherstellungskosten konventioneller Erddeiche einschließlich


115<br />

Deichverteidigungswegen, Filter (Auflastfilter), Binnengräben und Dränagen (ohne<br />

Grunderwerb, Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen und Ingenieurleistungen) abhängig von<br />

Deichhöhe und Kronenbreite (Kb) zu ermitteln. Übernommene quartäre Stützkörper<br />

wurden dabei mit 15 – 20 €/m³, Oberbodenarbeiten mit 2 - 4 €/m² angesetzt.<br />

Einheitsdeiche (EhD) bilden dabei eher die untere, Drei-Zonen-Deiche nach DIN 19712<br />

die eher obere Begrenzungslinie.<br />

Die reinen Baukosten konnten sich unter diesen Bedingungen in öffentlichen<br />

Ausschreibungen gegenüber technischen Innendichtungen wirtschaftlich relativ häufig<br />

durchsetzen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass für den Geräteeinsatz bei Spund- bzw.<br />

Erdbetonwände meist vorbereitende Erdarbeiten zur Herstellung eines Arbeitsplanums<br />

(Kronenbreite der alten Deiche um 2,0 m) und Wegebauten erforderlich waren.<br />

Die Wahl der Sanierungsvariante ist bei Einhaltung der bautechnischen Anforderungen in<br />

erster Linie eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Konventionelle Erddeiche erfüllen bei<br />

insgesamt wirtschaftlicher Bauweise die normierten Standards. Beim erforderlichen<br />

Kostenvergleich technisch möglicher Sanierungen ist jedoch fairer Weise zu<br />

berücksichtigen, dass die Vorschüttung mineralischer Dichtungen mit Rodungsbreiten<br />

zwischen 15,0 und 20,0 m sehr flächenintensiv ist und neben Grunderwerbskosten auch<br />

naturschutz- und waldrechtliche Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen provoziert. Die<br />

hierfür erforderlichen Kostenanteile können die spezifischen Deichbaukosten erheblich<br />

erhöhen. Veränderungen der Deichgeometrie sind zudem immer wasserrechtlich<br />

genehmigungspflichtig.<br />

Literatur<br />

BAW-Mitteilungsblatt Nr. 85: Empfehlungen zur Anwendung von Oberflächendichtungen<br />

an Sohle und Böschungen von Wasserstrassen BAW EAO (2004)<br />

DIN 19712 Flussdeiche (1997)<br />

DVWK M210 Flussdeiche (1994)<br />

DVWK M215 Dichtungselemente im Wasserbau (1990)<br />

FGSV Nr. 599 Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für<br />

Erdarbeiten im Straßenbau ZTV E StB 94 (1997)<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Uwe Kleber-Lerchbaumer<br />

Bayerisches Landesamt für Umwelt<br />

Referat 62 Wasserbautechnik<br />

Edmund-Rumpler-Str.<br />

80939 München<br />

uwe.kleber-lerchbaumer@lfu.bayern.de


Kurzfassung<br />

116<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz von<br />

Spundwänden<br />

Jens Breitenstein<br />

Im folgenden Beitrag werden Beispiele von realisierten Hochwasserschutzmaßnahmen an<br />

der Donau zwischen Straubing und Vilshofen gezeigt, bei welchen Spundwände in<br />

verschiedenster Weise zum Einsatz gekommen sind. Es werden die Randbedingungen für<br />

die Planung und Ausführung der Maßnahmen dargelegt sowie die Kriterien für die Auswahl<br />

und Festlegung der ausgeführten Konstruktionen erläutert. Spezielle Aspekte der Planung<br />

und Ausführung in Spundwandbauweise werden illustriert.<br />

Einführung<br />

Der bestehende Hochwasserschutz zwischen Straubing und Vilshofen wurde zum<br />

überwiegenden Teil in den 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen und in<br />

den 50-er Jahren fertig gestellt. Die vorhandenen Anlagen bieten Schutz vor einem ca.<br />

30jährlichen Hochwasser. Gemäß Landesentwicklungsprogramm Bayern soll der<br />

Hochwasserschutz so ausgebaut werden, dass besiedelte Gebiete vor einem 100-jährlichen<br />

Hochwasserereignis mit dem zusätzlich erforderlichen Freibord geschützt werden.<br />

Der Hochwasserschutz entlang der Donau ist Bestandteil des geplanten Donauausbaus<br />

zwischen Straubing und Vilshofen, für den das Raumordnungsverfahren nunmehr<br />

abgeschlossen wurde, wobei eine endgültige Entscheidung jedoch noch aussteht.<br />

Zur Vermeidung einer Verzögerung bei der Herstellung des Hochwasserschutzes haben die<br />

Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern beschlossen, 24 vom Donauausbau<br />

variantenunabhängige vorgezogene Hochwasserschutzmaßnahmen im Zuge des<br />

Donauausbaus zu realisieren. Davon sind derzeit 10 Maßnahmen abgeschlossen, 6<br />

Maßnahmen im Bau sowie 8 Maßnahmen in der Planung oder im öffentlich-rechtlichen<br />

Verfahren (Stand Juli 2006).<br />

Die Durchführung der Hochwasserschutzmaßnahmen ist der Rhein-Main-Donau AG<br />

übertragen, die Planung und Abwicklung der Maßnahmen erfolgt durch die RMD<br />

Wasserstraßen GmbH.<br />

Die 24 Maßnahmen mit einem Umfang von ca. 70 Mio. € werden im Zeitraum von 1999 bis<br />

ca. 2008 realisiert.<br />

Im Folgenden werden einige dieser Projekte vorgestellt, bei denen Deichertüchtigungen in<br />

Spundwandbauweise zur Ausführung kamen.<br />

2 Bauprojekt Stögermühlbach – Spundwand im Deich<br />

2.1 Überblick und Randbedingungen<br />

Die Baumaßnahme liegt im naturschutzfachlich bedeutsamen Isarmündungsgebiet, der<br />

Stögermühlbach mündet etwas unterhalb der Isar in die Donau. Zu sanieren waren die<br />

Rücklaufdeiche beidseits des Stögermühlbaches auf einer Länge von ca. 6 km, wobei auf<br />

einer Länge von ca. 1.700 m eine Spundwandlösung zur Ausführung kam.


117<br />

Im betreffenden Abschnitt wies der zu sanierende, i. M. ca. 4,5 m hohe Deich eine<br />

mineralische Oberflächendichtung auf, die Böschungsneigungen sind sehr steil, teilweise mit<br />

Neigungen bis 1:1,7. Zudem sind die Deichböschungen aus naturschutzfachlicher Sicht als<br />

wertvoll einzustufen (Magerrasenbestände und Orchideenstandorte) und mussten<br />

weitgehend unangetastet bleiben. Baumbepflanzungen reichen bis an den Böschungsfuß<br />

heran, im Vorland ist der Biber ansässig.<br />

Der Grundwasseraustausch durfte nicht nachteilig beeinträchtigt werden.<br />

2.2 Konstruktion in Spundwandbauweise<br />

Gewählt wurde eine innen liegende, aus statischen Gründen an der wasserseitigen<br />

Böschungsschulter angeordneten Deichdichtung in Form einer Spundwand.<br />

Abb. 1: Spundwand als Innendichtung im Isar-Mündungsbereich (Stögermühlbach)<br />

Alternative Dichtungen konnten den gestellten statischen Anforderungen in wirtschaftlicher<br />

Weise nicht gerecht werden.<br />

Durch Abtrag der Deichkrone um ca. 40 cm wurde die für das Rammgerät notwendige<br />

Aufstandsfläche mit der notwendigen Standsicherheit geschaffen.<br />

Eingebracht wurden Doppelbohlen vom Profil Hoesch 703 mit Längen von 4,00 – 6,00 m.<br />

Die Unterkante der Spundwand wurden so festgelegt, dass neben den statischen<br />

Anforderungen eine genügende Einbindung in die vorhandene Auelehmschicht sichergestellt<br />

war und die Anforderungen des Wühltierschutzes gem. DVWK- Merkblatt 247/1997 erfüllt<br />

waren. Mit dem Einbau einer Spundwand ist die Bibersicherheit auf der vollen Deichhöhe<br />

gegeben.<br />

Zur Sicherstellung der Standsicherheit auch bei schnell fallendem Hochwasser wurden in<br />

Abständen von 25 m Sickerschlitze (Dränkies 8/32) in der bestehende Oberflächendichtung<br />

angeordnet, um einen Überdruck auf die alte mineralische Oberflächendichtung zu<br />

verhindern.


a) b)<br />

Abb. 2: Spundwand im Deich, Bauausführung<br />

118<br />

Aufgrund der statischen Auslegung sowie der Durchwurzelungssicherheit der Spundwand<br />

konnte auf eine konsequente Gehölzfreistellung des wasserseitigen Deichvorlandes<br />

(Schutzstreifen) verzichtet werden.<br />

3 Bauprojekt Hafen Deggendorf – Spundwand mit Holm<br />

3.1 Überblick und Randbedingungen<br />

Die Baumaßnahme befindet sich Bereich des Hafens Deggendorf in einem durch<br />

Industriebetriebe sowie Hafen- und Gleisanlagen geprägten Umfeld. Der auf einer Länge von<br />

750 m zu ertüchtigende Deich ist ca. 1,5 m hoch und wird von zahlreichen Leitungen und<br />

Verkehrsverbindungen gequert. Die örtlichen Gegebenheiten sind durch die vorhandenen<br />

Gebäude und Anlagen beengt. Der Hochwasserdeich musste um ca. 1,20 m aufgehöht<br />

werden.<br />

3.2 Konstruktionen in Spundwandbauweise<br />

Nachdem eine Verbreiterung des Deiches aufgrund der beengten örtlichen Situation und der<br />

vorhandenen Anlagen nicht machbar war, kam nur eine Aufhöhung des Deichs mittels einer<br />

im Deich gegründeten Mauer in Frage. Als Lösung bot sich eine aus dem Deich<br />

herausragende Spundwand mit aufgesetztem Betonholm an, welche an der wasserseitigen<br />

Deichschulter angeordnet ist und auch aus landschaftspflegerischer Sicht in dem<br />

betreffenden Gebiet vertretbar war. Zur Ausführung kamen Doppelbohlen Profil Larssen<br />

603k mit einer Einbindetiefe von ca. 5 m. Die Spundbohlen waren im herausragenden<br />

Kopfbereich werksseitig mit einer Beschichtung versehen und mittels Schlossdichtung<br />

gedichtet. Der Betonholm sollte dicht auf die Spundwand aufgesetzt werden, so dass auch<br />

eine weitere Aufhöhung der Hochwasserschutzmauer mit Sandsäcken möglich ist. Die<br />

Unterschalung für den Betonholm wurde mit einer Hängekonstruktion direkt an der<br />

Spundwandoberkante befestigt.


119<br />

Abb. 3: Spundwand mit Betonholm im Hafenbereich Deggendorf<br />

Im Bereich einer vorhandenen Kabel- und Leitungsbrücke über die Hochwasserschutzmauer<br />

war der vorhandene Lichtraum für die Einbringung der Spundwand beschränkt. Hier konnte<br />

aber durch Einbringen von Vierfachbohlen mit exzentrischem Anschlag eine schnelle Lösung<br />

realisiert werden.<br />

Aufgrund der vorhandenen Bebauungen und Anlagen, darunter auch ein längs verlaufender<br />

Abwasserkanal, wurden eine vorausgehende Beweissicherung sowie baubegleitende<br />

Erschütterungsüberwachungen durchgeführt. Im Rahmen der Erschütterungsüberwachung<br />

wurde baubegleitend die Einhaltung der Grenzwerte nach DIN 4150 Teil 3 gemessen und<br />

beurteilt.<br />

a) b)<br />

Abb. 4: Spundwand mit Holm im Hafenbereich Deggendorf, Bauausführung<br />

4 Bauprojekt Aiterach/Straubing – Hochwasserschutzmauern auf Spundwand<br />

4.1 Überblick<br />

Die Baumaßnahme Aiterach befindet sich im Ortsteil Ittling der Stadt Straubing im Bereich<br />

der Rücklaufdeiche der Aiterach in relativ dicht besiedeltem Gebiet. Die bestehenden<br />

Deiche, von denen einer entlang der Aiterachstraße auf der Landseite mit einer ökologisch


120<br />

bedeutenden Trockenmauer versehen war, mussten auf einer Länge von ca. 2 km um ca.<br />

1,0 m aufgehöht werden.<br />

4.2 Konstruktionen in Spundwandbauweise<br />

Aufgrund der äußerst beengten Platzverhältnisse zwischen Wohnbebauungen, Straßen und<br />

Gewässer war eine erdbautechnische Aufhöhung als landschaftsgerechteste Variante nicht<br />

möglich. Deshalb wurde als Deichdichtung eine Spundwand mit aufgesetzter Betonmauer<br />

gewählt. Die Gestaltung der Mauern erfolgt streckenweise durch strukturierte Schalung,<br />

steinmetzmäßige Oberflächenbearbeitung oder durch Verkleidung mit Natursteinmauerwerk.<br />

Zur Sicherstellung des Grundwasseraustausches wurde die Unterkante der Spundwand<br />

gestaffelt ausgeführt. Im Bereich der Aitrachstraße konnte eine bestehende ökologisch<br />

wertvolle Trockenmauer mit bedeutenden Zauneidechsen-Populationen erhalten werden.<br />

a) b)<br />

Abb. 5: Spundwand mit aufgesetzter Mauer, Ittling/Straubing<br />

Im Bereich einer vorhandenen abzubrechenden Hochwasserschutzmauer wurde die<br />

Spundwand so weit in die neue Betonmauer eingebunden, dass durch die Wahl der<br />

Oberkante die Spundwand den erforderlichen temporären Hochwasserschutz während der<br />

Baumaßnahme sicherstellen konnte.<br />

Auch hier wurden umfangreiche Beweissicherungsmaßnahmen sowie Proberammungen und<br />

baubegleitende Erschütterungsmessungen durchgeführt.<br />

Analoge Konstruktionen, bei denen eine Spundwand als Gründungselement für eine<br />

Hochwasserschutzmauer aus Beton und als Untergrundabdichtung dient, wurden auch in<br />

zahlreichen anderen Projekten an der Donau zwischen Straubing und Vilshofen realisiert.<br />

Die Randbedingungen, welche zu einer Spundwandlösung führen, sind dabei jeweils ähnlich<br />

wie an der Aiterach in Straubing. Als determinierender Umstand sind es überwiegend die<br />

beengten Platzverhältnisse im innerörtlichen Bereich, welche den wirtschaftlichen Einsatz<br />

von Spundwänden gestatten. Die Wahl des Einbringverfahrens ist jeweils auf die<br />

vorhandenen Baugrundverhältnisse und die örtlichen Gegebenheiten abzustimmen. Bei<br />

angrenzenden erschütterungsempfindlichen Bebauungen wurden auch Einpressverfahren<br />

eingesetzt.<br />

5 Ausblick<br />

Spundwände können bei Deichertüchtigungen in vielfältiger Weise eingesetzt werden.<br />

Spundwandbauweisen kommen überwiegend dort zum Einsatz, wo spezielle


121<br />

Randbedingungen wie z. B. beengte Platzverhältnisse den Einsatz von anderen<br />

Dichtungssystemen ausschließen. Insbesondere in der Funktion als Abdichtung und<br />

Gründungselement für Hochwasserschutzmauern ist die Spundwand gegenüber anderen<br />

Bauweisen im Vorteil.<br />

a) b)<br />

Abb. 6: Spundwand mit aufgesetzter Mauer, Aiterach/Straubing, Bauausführung<br />

Literatur<br />

[1] DWA-Themen (2005); Dichtungssysteme in Deichen; Deutsche Vereinigung für<br />

Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.; DWA Arbeitsgruppe WW-7.3; ISBN 3-937758-<br />

65-8<br />

[2] DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Heft 210 (1996)<br />

Flussdeiche, Verlag Paul Parey, Hamburg Berlin<br />

[3] DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Heft 247 (1997)<br />

Bisam, Biber, Nutria, Verlag Paul Parey, Hamburg Berlin<br />

[4] DIN 19712, Flussdeiche (11/1997) Beuth Verlag Berlin<br />

[5] DIN 4150-3: Erschütterungen im Bauwesen – Teil 3: Einwirkungen auf bauliche Anlagen,<br />

(02/1999), Beuth Verlag Berlin<br />

[6] EAU 2004 Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Ufereinfassungen“, 10.Auflage 2004<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Jens Breitenstein<br />

RMD Wasserstrassen GmbH<br />

Blutenburgstr. 20<br />

80636 München<br />

jens.breitenstein@rmd-wasserstrassen.de


Kurzfassung<br />

122<br />

Deichertüchtigung im Rahmen des Isar-Planes –<br />

Praktischer Einsatz des MIP-Verfahrens<br />

Stephan Kirner<br />

Die Ertüchtigung von Deichen erfordert normalerweise die radikale Freistellung der<br />

Deichböschungen von Gehölzen. Im folgenden Beitrag soll aufgezeigt werden, unter<br />

welchen Bedingungen und unter welchen Voraussetzungen der Einsatz eines<br />

Spezialbauverfahrens die Möglichkeit bietet, auf einen wertvollen und landschaftsprägenden<br />

Gehölzbestand auf Deichen weitestgehend Rücksicht zu nehmen.<br />

1 Veranlassung<br />

Der Isar-Plan ist ein gemeinsames Vorhaben der Landeshauptstadt München und des<br />

Freistaates Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt München. Vordringlichstes<br />

Ziel des Isar-Planes ist, neben der naturnahen Umgestaltung der Isar und der<br />

Berücksichtigung der Erholungsnutzung, vor allem die Verbesserung des<br />

Hochwasserschutzes für die Landeshauptstadt München.<br />

Im Bauabschnitt III (Ausführung im Winter 2001/02) wurden die Isardeiche im Bereich<br />

Thalkirchen zur Herstellung eines wirksamen Hochwasserschutzes saniert.<br />

Die Isar wird in dieser Strecke beidseitig von ca. drei Meter hohen Deichen begleitet.<br />

Unmittelbar neben dem linken Isardeich verläuft der Werkkanal der Stadtwerke München.<br />

Die Anlage eines Deichhinterweges zur Deichverteidigung war daher nicht möglich.<br />

Zusätzlich wies der Deich sowohl wasser- als auch der luftseitig einen erhaltenswerten<br />

Baumbestand auf.<br />

Abb. 1: Baumbestand auf Deichböschung (vor Sanierung)


2 Anforderungen an den Deich<br />

123<br />

Die für einen ausreichenden Hochwasserschutz notwendige Höhe der Deichkrone ergibt sich<br />

aus dem Bemessungshochwasser (1100 m 3 /s) und einer Freibordhöhe von einem Meter. Für<br />

die Deichverteidigung muss eine durchgehende Befahrbarkeit der Deichkrone gewährleistet<br />

sein. Die Mindestbreite für den Deichkronenweg wurde daher mit drei Meter festgelegt. Der<br />

Deich muss zudem eine ausreichende Standsicherheit haben. Diese ersten beiden<br />

Bedingungen sind beim bestehenden Isardeich größtenteils bereits gegeben. Da der Deich<br />

zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, muss das Kriterium der Standsicherheit<br />

daher gründlich hinterfragt werden.<br />

3 Mögliche Schadensursachen<br />

Die Untersuchungen im Vorfeld der Planung ergaben bereits, dass der Deich meist aus<br />

anstehendem Material geschüttet wurde. Ein homogener Deichaufbau war daher nicht<br />

gegeben. Neben den möglichen Versagensursachen wie Oberflächenerosion, Innere Erosion<br />

oder Böschungsbruch erwies sich der Bewuchs auf der wasserseitigen Deichböschung als<br />

kritischer Lastfall.<br />

Nach DIN 19712 muss die wasserseitige Deichböschung gehölzfrei sein. Wegen der<br />

besonderen Lage im innerstädtischen Bereich war jedoch mit großem Widerstand gegen die<br />

Rodung des Baumbestandes zu rechnen. Die Entfernung einer derart landschaftsprägenden<br />

Gehölzkulisse war politisch und vor allem öffentlich nicht durchsetzbar. Folgende Probleme<br />

entstehen durch große Bäume auf dem Deich: Bei längerer Beaufschlagung des Deiches bei<br />

Hochwasser wird die Deichböschung und damit der Wurzelraum der Bäume aufgeweicht.<br />

Die Stabilität der Aufstandsfläche der Bäume wird dadurch stark vermindert. Bei Windwurf<br />

wird der Baum mitsamt seinem Wurzelballen aus der Deichflanke herausgerissen. Dadurch<br />

wird eine Wunde in die Deichflanke geschlagen, die eine Angriffsfläche für das abfließende<br />

Hochwasser bietet und zum Deichbruch und damit zum Versagen des<br />

Hochwasserschutzsystems führt.<br />

4 Gewählte Lösung<br />

Zur Gewährleistung der Standsicherheit des Deiches bei gleichzeitigem Verbleib der<br />

Gehölze auf der wasserseitigen Deichböschung wird eine statisch tragende Wand im<br />

Deichkern eingebaut. Selbst bei vollständiger Erosion des wasserseitigen Deichkörpers ist<br />

so die Sicherheit der Hochwasserschutzeinrichtung gegeben.<br />

Um zu verhindern, dass die Feinwurzeln der Bäume beeinträchtigt werden, muss ein<br />

erschütterungsfreies Bauverfahren gewählt werden. Rammverfahren wie sie zum Einbau<br />

einer Spundwand notwendig wären, führen nach Aussagen von Baumschutzexperten zu<br />

nachhaltigen und tief wirksamen Bodenverdichtungen, die den Bodenluft- und<br />

Bodenwasserhaushalt massiv beeinträchtigen können. Damit würde das Ziel, den<br />

Baumbestand zu schonen und zu erhalten längerfristig konterkariert.<br />

5 Gewähltes System<br />

Für eine VOB-konforme Ausschreibung ist eine neutrale Beschreibung des gewählten<br />

Systems für den Einbau einer Wand im Deichkern Voraussetzung. Auch sollten mit<br />

Angebotsabgabe die Vorteile der jeweiligen Verfahrenstechnik aufgezeigt und die Eignung<br />

des Bauverfahrens dargestellt werden.


124<br />

Es wurde daher eine “Trägerbohlenwand mit Erdbetonausfachung“ ausgeschrieben.<br />

Stahlträger mit einer Länge von sechs bis acht Metern je nach statischen Erfordernissen<br />

werden im Abstand von drei Metern in vorgebohrte Löcher eingestellt. Der Raum zwischen<br />

den Trägern wird mit einer Erdbetonwand ausgefacht, die bis ca. einen Meter unter<br />

Deichaufstandsfläche einbindet.<br />

Die Wand hat eine Dicke von ca. 40 cm, so dass eine Gewölbeausbildung in der Wand zur<br />

Lastabtragung auf die Träger möglich ist.<br />

Abb. 2: Schemazeichnung Gewölbeausbildung<br />

Die Höhe der Druckfestigkeit der Erdbetonwand wurde mit min. 1,8 MN/m 2 gewählt. Sie ist<br />

abhängig von den statischen Anforderungen an das Gewölbe, über das die Lasten aus Erd-,<br />

Wasserdruck und Verkehrslast auf die Träger abgetragen wird.<br />

Lastannahmen<br />

(ungünstigster Fall)<br />

Wasserseitiger Deichkörper bis<br />

Deichfuß erodiert<br />

Hochwasser zurückgegangen<br />

Abb. 3: Lastannahmen<br />

Luftseitiger Deich<br />

wassergesättigt<br />

Als ungünstigster Lastfall wird ein bis zur Deichaufstandsfläche erodierter Deich<br />

angenommen. Das Hochwasser ist abgeflossen, die luftseitige Böschung des Deiches<br />

jedoch noch bis zur Bemessungswasserspiegelhöhe wassergesättigt. Zusätzlich wird auf der<br />

Deichkrone eine Flächenlast von 16,67 kN/m 2 angesetzt. Dies entspricht einer Ersatzlast für<br />

einen SLW 30. Im Rahmen der Deichverteidigung werden voraussichtlich leichtere<br />

Fahrzeuge eingesetzt, so dass diese Annahme auf der sicheren Seite liegt.<br />

Als oberer Abschluss der Erdbetonwand ist ein Kopfbalken aus Stahlbeton vorgesehen, der<br />

die Betonqualität der Wand im frostbelasteten Bereich des Deichkörpers garantieren soll.<br />

Zusätzlich bietet der Kopfbalken eine erhöhte Sicherheit für den Fall des Überströmen des<br />

Deichkörpers.<br />

6 Bauverfahren für Erdbetonwände<br />

Eine Möglichkeit zur Herstellung der Wand im Deichkörper ist ein offener Verbau. Dieses<br />

Verfahren ist jedoch wegen der beengten Platzverhältnisse und der schwierigen Andienung


125<br />

der Baustelle zu aufwändig. Dieses Verfahren wurde auch im Rahmen der Ausschreibung<br />

nicht angeboten.<br />

Das Fräs-Misch-Injektionsverfahren (FMI) der Firma Sidla-Schönberger wurde angeboten.<br />

Hierbei wird eine Wand durch das Einfräsen von Bindemitteln in den anstehenden Boden<br />

ohne Bodenaustausch hergestellt. Nachteilige Eigenschaften des Verfahrens sind u. a., dass<br />

beim Fräs-Mischvorgang ein erheblicher Anteil des anstehenden Bodens nach oben<br />

transportiert wird. Bei den beengten Platzverhältnissen gelangt ein Teil des Mischgutes über<br />

Deichkrone und –böschung, wodurch die Deichflanken erheblich beeinträchtigt werden. Auch<br />

wird durch die Art der Fräsmischung der Suspension mit dem anstehenden Boden keine<br />

vollkommen homogene Erdbetonmischung erreicht.<br />

Das Mixed-in-Place-Verfahren (MIP) der Firma Bauer wurde ebenfalls angeboten. Bei<br />

diesem Verfahren wird die Dreifachschnecke unter Suspensionszugabe in der mittleren<br />

Schnecke abgebohrt. Nach Erreichen der Endteufe wird durch wechselseitiges Drehen der<br />

einzelnen Schnecken – bei gleichzeitigem Auf- und Abbewegen des gesamten<br />

Schneckenstranges – das Boden-Bindemittelgemisch homogenisiert. Das Ergebnis ist ein<br />

verfestigter, durch die Schneckengeometrie definierter, scheibenförmiger Erdbetonkörper.<br />

Die nachteiligen Eigenschaften des FMI Verfahrens treten hierbei nicht auf.<br />

7 Einbau der Trägerbohlenwand mit Erdbetonausfachung<br />

Zur Ausführung kam ein Sondervorschlag<br />

der Firma Bauer, der sowohl das<br />

Bauverfahren wesentlich vereinfachte als<br />

auch Verbesserungen der Eigenschaften im<br />

fertigen Endprodukt „Trägerbohlenwand mit<br />

Erdbetonausfachung“ zur Folge hatte. Es<br />

wurden alle Arbeiten mit nur einem Gerät<br />

bzw. Geräteträger durchgeführt.<br />

Im Vorlauf wird das Lichtraumprofil für das<br />

Bohrgerät freigemacht. Hierzu werden<br />

Bäume und Äste, die dem Bohrgestell im<br />

Wege stehen, entfernt. Die Größe des<br />

Lichtraumprofils beträgt ca. 18 m x 3 m.<br />

Danach erfolgt der Voraushub im Bereich<br />

des späteren Kopfbalkens.<br />

Abb. 4: Freischneiden des Lichtraumprofils


Abb. 5: Voraushub<br />

126<br />

Der Bohransatzpunkt wird dadurch einerseits tiefer gesetzt andererseits ist in diesem<br />

Bereich auch ein Freiraum, in dem das Übermaterial aus der Bohrung aufgefangen werden<br />

kann.<br />

Abb.6 : Bohrer im Voraushub<br />

Die Deichflanken und damit auch die darauf stehende Vegetation werden dadurch<br />

wesentlich geschont.<br />

Die Herstellung der Wand erfolgt im Pilgerschrittverfahren wodurch eine optimal homogene<br />

Struktur der Wand erreicht wird. Im nächsten Schritt erfolgt das Abteufen der Bohrungen<br />

zum Einstellen der Träger ebenfalls mit dem Bohrgerät. Im Anschluss daran erfolgt<br />

wiederum mit demselben Geräteträger das Einstellen der Stahlträger in die frisch gebohrte<br />

Wand alleine durch die Schwerkraft. Der Vorteil dabei ist, dass nur ein Gerät auf dem Deich<br />

eingesetzt werden muss und dass keine Umrüstarbeiten nötig sind. Dies kommt den<br />

beengten Platzverhältnissen entgegen. Außerdem wird so einen optimaler Verbund<br />

zwischen Träger und Erdbetonwand gewährleistet.


Abb. 7: Einstellen der Stahlträger<br />

127<br />

Nach erfolgter Reinigung der Trägerköpfe wird das Kopfband bewehrt, geschalt und<br />

betoniert.<br />

Abb. 8: Kopfbalken (Bewehrung u. Schalung)<br />

Beim Hinterfüllen der Arbeitsräume des Kopfbandes ist besonderes Augenmerk auf die<br />

Verdichtung zu legen, da ansonsten die Wegeoberflächen erhebliche Unebenheiten<br />

aufweisen.


Abb. 9: Wegeeinbau<br />

128<br />

Zum Abschluss der Arbeiten wird der Deichkronenweg mit wassergebundener Decke<br />

eingebaut.<br />

Abb. 10: Schematischer Deichschnitt<br />

Abb. 10 verdeutlicht nochmals das gesamte Einbauverfahren der Trägerbohlenwand mit<br />

Erdbetonausfachung im Herstellungsprozess als Schnitt.<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Stephan Kirner<br />

Wasserwirtschaftsamt München<br />

Abteilungsleiter Isar<br />

Praterinsel 2<br />

80538 München<br />

stephan.kirner@wwa-m.bayern.de


129<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> – Einsatz des FMI-<br />

Verfahrens<br />

Kurzfassung<br />

Patrick Menk<br />

Der nachfolgende Beitrag soll einen kurzen Überblick über die bislang gemachten<br />

Erfahrungen mit dem Fräs-Misch-Injektions-Verfahren bei Baumaßnahmen zum<br />

Hochwasserschutz an der Donau zwischen Straubing und Vilshofen geben. Nach<br />

Anmerkungen zur Planung sollen vor allem die Erkenntnisse aus der Bauausführung sowie<br />

die durchgeführte Qualitätssicherung dargestellt werden.<br />

1 Einführung<br />

Grundlage für die Planung einer Dichtung an Hochwasserschutzdeichen an den bislang<br />

ausgeführten Maßnahmen war die DIN 19712 und das DVWK-Merkblatt 215/1990<br />

Dichtungselemente im Wasserbau. In diesen Schriften sind keine Verfahren zu Herstellung<br />

insitu gemischter Erdbetonkörper (wie z.B. das MIP-Verfahren der Fa. Bauer oder die Fräs-<br />

Misch-Injektion nach dem Verfahren der Fa. Sidla & Schönberger, siehe hierzu (2)) derart<br />

beschrieben, dass Angaben zur konstruktiven Durchbildung und Überwachung während der<br />

Ausführung möglich waren.<br />

Erfahrungswerte mit den genannten Verfahren lagen für andere Einsatzbereiche (z.B.<br />

Bodenverbesserung mittels FMI-Verfahren bei der Bahn) und –zwecke (z.B. temporäre<br />

Baugrubensicherung durch die Kombination einer statisch nicht wirksamen MIP-Dichtwand in<br />

einer geböschten Baugrube) vor.<br />

Da das FMI-Verfahren grundsätzlich für einen Einsatz als Dichtungselement im<br />

Hochwasserschutz geeignet erschien, jedoch keine einschlägigen Erfahrungen in Bayern<br />

vorlagen, wurde im Jahre 2000 unter anderem in Zusammenarbeit mit dem<br />

Wasserwirtschaftsamt Deggendorf ein Grundlagenversuch mit dem FMI-Verfahren<br />

durchgeführt. In diesem Grundlagenversuch wurde die Eignung im Hinblick auf Dichtwirkung<br />

und Standsicherheitsfragen sowie den Wühltierschutz geprüft. Die<br />

FMI-Wand wurde hier nach einem durch die Fa. Sidla & Schönberger patentierten Verfahren<br />

hergestellt.<br />

Als Ergebnis hat das Wasserwirtschaftsamt Deggendorf für die Anwendung des<br />

FMI-Verfahrens im Hochwasserschutz eine Empfehlung ausgesprochen und die Anwendung<br />

als Verfahren zur Herstellung einer Innendichtung unter Berücksichtigung bestimmter<br />

Maßgaben zugelassen.<br />

Im April 2005 ist nun als Veröffentlichung der DWA Arbeitsgruppe WW-7.3 der Bericht<br />

„Dichtungssysteme in Deichen“ erschienen. Dieser stellt nun die für die Planung<br />

erforderlichen Grundlagen zur Verfügung. Die FMI-Wand wird hier unter dem Oberbegriff der<br />

Bodenvermörtelung als Verfahren zur Herstellung einer innenliegenden Dichtungswand<br />

genannt.


2 Ausgeführte Maßnahmen<br />

130<br />

In den vergangenen fünf Jahren wurde das FMI-Verfahren bei drei, durch die RMD<br />

Wasserstrassen GmbH geplanten Hochwasserschutzprojekten als Innendichtung ausgeführt<br />

bzw. wird derzeit hergestellt. Bei diesen Maßnahmen wurde das<br />

FMI-Verfahren mit dem durch die Fa. Sidla&Schönberger patentierten Gerät zur<br />

Bodenverfestigung ausgeführt. Die Maßnahmen sind nachfolgend kurz beschrieben und die<br />

wichtigsten Daten zusammengefasst.<br />

Deichsanierung Seebach-Niederalteich (Ausführungszeitraum Ende 2001 bis 2002)<br />

Der bestehende Donaudeich war im Rahmen einer Sanierung mit einer funktionstüchtigen<br />

Dichtung auszustatten. Es wurde eine mittig in Deichkrone liegende Innendichtung<br />

ausgeführt. Sie hat eine Tiefe von ca. 6 m bei einer Gesamtfläche von ca. 4.500 m². Die<br />

Dicke der ausgeführten Wand beträgt mind. 0,6 m.<br />

Hochwasserschutz Mariaposching (Ausführungszeitraum 2003)<br />

Der Ortsschutzdeich in Mariaposching war um ca. 1,0 m auf den Schutzgrad eines HW100<br />

der Donau zuzüglich eines Freibords zu erhöhen. Bereichsweise musste auf der Deichkrone<br />

eine HWS-Mauer mit Spundwand als Dichtungs- und Gründungselement errichtet werden.<br />

Wo die Platzverhältnisse es zuließen wurde der Deich erdbaulich erhöht und mit einer FMI-<br />

Wand als Innendichtung in der Mitte der Deichkrone ausgestattet. Die Dichtwand hat eine<br />

Tiefe von ca. 7,6 m, ist ca. 60 cm dick und hat eine Fläche von ca. 5.000 m².<br />

Hochwasserschutz Eisenbahnbrücke Deggendorf – Schöpfwerk Saubach<br />

(Ausführungszeitraum ab Sommer 2005, derzeit im Bau)<br />

Analog zu Mariaposching war der Hochwasserschutzdeich für den Ortsbereich Deggendorf-<br />

Fischerdorf um ca. 1,1 m zu erhöhen. In Teilbereichen der Baumaßnahme wurde eine FMI-<br />

Wand als Innendichtung in der Mitte der Deichkrone ausgeführt. Die Innendichtung wurde<br />

ca. 5,5 m tief auf einer Fläche von ca. 7.250 m² und ca. 8,3 m tief auf einer Fläche von ca.<br />

1.650 m² ausgeführt. Die Dicke der ausgeführten Wand beträgt mind. 0,5 m. In einem kurzen<br />

Teilbereich wurde die FMI-Wand mit eingestellten IPE-Trägern und aufgesetzter HWS-Mauer<br />

hergestellt.<br />

3 Planung und Ausschreibung<br />

Die Planung erfolgte nach der DIN 19712 und in Anlehnung an das DVWK-Merkblatt<br />

215/1990. Die Innendichtung wurde funktional als vertikales Dichtelement ausgeschrieben,<br />

i.d.R. orientiert an den Angaben zur Schlitzwand. Die Art der Wand war dem AG im Regelfall<br />

freigestellt, solange die folgenden Rahmenbedingungen eingehalten wurden:<br />

die Durchlässigkeit k bzw. Permittivität Ψ der Dichtung ist sicherzustellen,<br />

z.B. Ψ= 1,0*10 -8 1/s.<br />

die Innendichtung ist sicher gegen innere und äußere Erosion, dauerhaft<br />

und witterungsbeständig auszuführen.<br />

auftretende Kräfte z.B. aus Erd- oder Wasserdruck sind aufzunehmen und<br />

schadlos abzuleiten. Hierfür ist ein statischer Nachweis zu erbringen.<br />

die Mindestdicke der Wand liegt bei 0,5 m (Wühltiersicherheit), galt nicht für<br />

Spundwand


131<br />

keine baubedingten Verunreinigungen der Deichböschungen<br />

sicher gegen Schäden durch Wühltiere<br />

Waren weitergehende, ausführungs- und kalkulationsrelevante Zwangspunkte oder<br />

Randbedingungen vorhanden (z.B. kreuzende Leitungen, eingeschränkte Bauhöhe,<br />

Auflagen des Naturschutzes), so wurden diese beschrieben.<br />

Sondervorschläge wurden für die Dichtwand ausdrücklich zugelassen.<br />

Da das FMI-Verfahren nicht eindeutig einem Verfahren in dem DVWK-Merkblatt 215/1990<br />

zuzuordnen war, hatte die Fa. Sidla&Schönberger die technische Gleichwertigkeit des<br />

Verfahrens und die Einhaltung der Rahmenbedingungen zu belegen. Dies erfolgte unter<br />

anderem über das im Jahr 2000 ausgeführte Referenzprojekt, aber auch durch zum DVWK-<br />

Merkblatt 215/1990 analoge Verfahrenbeschreibungen, sowie ausführliche Beschreibung der<br />

vorgesehenen Qualitätssicherung.<br />

4 Qualitätssicherung<br />

Qualitätssicherung AN:<br />

Die Qualitätssicherung (QS) wurde in einem Qualitätssicherungsplan (QS-Plan)<br />

zusammengestellt. Nach einleitenden Angaben zur Baumaßnahme und den an der<br />

Maßnahme beteiligten Firmen sind hier auch die für eine Eignungsprüfung notwendigen<br />

Schritte beschrieben. Diese sind:<br />

• Angabe der Zielwerte (Druckfestigkeit, Durchlässigkeit/Permittivität,<br />

Erosionsstabilität)<br />

• Festlegung eines repräsentativen Bodenaufbaus und Entnahme von Probenmaterial<br />

mittels Baggerschurf im Baufeld einschließlich Dokumentation<br />

• Festlegung der Bodenmischung und bodenmechanische Untersuchung der<br />

festgelegten Mischung<br />

• Ermittlung der Festigkeiten (Druckfestigkeiten nach DIN 18 136 (in Anlehnung an<br />

Kap. 8 des DVWK-Merkblattes 215/1990 bei geringen Druckfestigkeiten bis ca. 2<br />

N/mm²) oder der Würfeldruckfestigkeit nach DIN 1045, ggf. Zugfestigkeiten)<br />

• falls erforderlich Festlegung der Umrechungsfaktoren für die jeweilige Dichtwand z.B.<br />

der Spaltzugfestigkeit zur Biegezugfestigkeit oder der Druckfestigkeit zur<br />

Biegzugfestigkeit<br />

• Ermittlung der Wasserdurchlässigkeit nach DIN 18 130<br />

• Prüfung des Anmachwassers auf schädliche Bestandteile<br />

Im Zuge der Ausführung waren die folgenden Arbeiten zur QS vorgesehen:<br />

• Prüfung der Geräte, insbesondere die Mischanlage und die Transportleitung (über<br />

Durchflussmenge). Die Ergebnisse sind (arbeitstäglich) zu dokumentieren<br />

• Prüfung der Baustoffe<br />

• Zugabewasser<br />

• Bindemittelart: Prüfung über Lieferscheine


132<br />

• Suspension: Dichteprüfung einmalig zu Schichtbeginn und im Schichtverlauf<br />

stichprobenartig mit Dokumentation der gemessenen Werte<br />

• Prüfung des Boden-Bindemittel-Gemisches nach dem Einfräsen nach Augenschein<br />

und Entnahme von Schöpfproben aus unterschiedlichen Tiefen<br />

• Überprüfung der Frästiefe durch Lotung im Abstand von 25 m mit Dokumentation<br />

• Überprüfung der Einbaudicke mit Angabe der Breite über die Höhe<br />

• Prüfung der Vertikalität der Wand über Einmessen des Fräsbaumes zu Schichtbeginn<br />

und alle 50 m<br />

Aus den Schöpfproben werden Probekörper erstellt. Diese Probekörper werden auf die<br />

Zielvorgaben der Eignungsprüfung im Rahmen der Eigenüberwachung (EÜ) hin geprüft. Der<br />

AN stellt pro Entnahmestelle je eine Serie von 3 Probekörpern für die Eigenüberwachung<br />

des AN (EÜ) und die Kontrollprüfungen (KP) des AG.<br />

Hierbei wurde folgende Probenanzahl festgelegt:<br />

Prüfung Anzahl<br />

Druckfestigkeit Je 3 Stück alle 500m³ für EÜ und KP<br />

Zugfestigkeit Je 3 Stück alle 500m³ für EÜ und KP<br />

Wasserdurchlässigkeit Je 3 Stück alle 1.000m² für EÜ und KP<br />

Die Standsicherheitsnachweise nach DIN 4026 für Schlitzwände werden für die<br />

FMI-Wand nicht geführt. Da die Dichte des Boden-Suspensionsgemisches mit ca. 2,0 t/m³<br />

annähernd so hoch ist wie die Dichte des umgebenden Bodens, wurden diese Nachweise<br />

nicht verlangt.<br />

Im Rahmen der QS wird der QS-Plan bei Änderungen und Ergänzungen fortgeschrieben.<br />

Die QS wird mit einem zusammenfassenden Bericht abgeschlossen.<br />

Qualitätssicherung AG:<br />

Der QS-Plan wird in enger Zusammenarbeit zwischen AG und AN erstellt und durch den AG<br />

freigegeben. Zudem werden die Ergebnisse der EÜ zeitnah dem AG zu Kenntnis vorgelegt.<br />

Im Regelfall haben die KP des AG ca. 1/3 des Umfangs der EÜ des AN. Die verbleibenden<br />

Proben werden bis zum Abschluss der QS und Vorliegen sämtlicher Prüfungen als<br />

Rückstellproben gelagert. Die Rückstellproben werden in Zweifelsfällen im Auftrag des AG<br />

untersucht.<br />

5 Erkenntnisse<br />

• Die Festigkeitsentwicklung und die absoluten Festigkeiten der Dichtwand hängen<br />

stark von der Zusammensetzung des Bodens und der Art des Bindemittels ab. Eine<br />

allgemeine Prognose kann somit nicht gegeben werden. Druckfestigkeiten nach 28<br />

Tagen von > 5 N/mm² wurden jedoch bei den o. g. Maßnahmen durchgängig<br />

problemlos erreicht.<br />

• Folgende Verhältnisse der Festigkeiten der verwendeten Suspensionen wurden<br />

ermittelt:


133<br />

• 1,75 βSpaltzugfestigkeit ~ βBiegezugfestigkeit ~ 0,12 βDruckfestigkeit<br />

• Eine signifikante Veränderung der Festigkeiten über die Wandhöhe wurde nicht<br />

festgestellt, die Homogenität der FMI-Wand ist auf Grundlage der Laborergebnisse<br />

als gut einzustufen.<br />

• Suspensionsverluste wurden nicht beobachtet. Dies ist auf die hohe Dichte des<br />

Boden-Bindemittel-Gemisches im Schlitz, z.B. im Vergleich mit einer<br />

Einphasenschlitzwand zurückzuführen.<br />

• Die Maßgenauigkeit des Schlitzes wurde sowohl durch die Lotung als auch die<br />

Breitenmessung im Zuge des QS bestätigt.<br />

• Bei der Herstellung der FMI-Wand wurden Tagesleistungen von bis zu ca. 200 m bei<br />

Wandtiefen zwischen 5 und 8 m erreicht<br />

• Bei Anschlüssen an Bauwerken wurde stets eine Spundwand vorgesehen, die direkt<br />

mit dem Bauwerk verbunden wurde. Die Dichtigkeit wurde durch fräsen eines Y-<br />

Anschlusses und ggf. Verpressen des Zwickels hergestellt.<br />

Abb. 1: Fräse stellt Y-Anschluss links und rechts der Spundwand her<br />

• Leitungskreuzungen sind verfahrensabhängig auszuführen. Ein allgemein gültiges<br />

Patentrezept für alle Bauverfahren ist nicht möglich. Bekannte Leitungen wurden<br />

daher in den Ausschreibungsunterlagen dargestellt.<br />

• Im Untergrund kreuzende, erschütterungsunempfindliche Leitungen wurden, wo<br />

möglich, im Bereich der Dichtwandachse freigelegt und mit einem ausreichend<br />

dimensionierten Lehmschlag umhüllt. Die Dichtwand wir bis zum Erreichen des<br />

Lehmschlags hergestellt, angehoben und im Lehmschlag über die Leitung eingebaut.<br />

Hierbei wurde auf ausreichenden Abstand zwischen Leitung und Schlitz geachtet (><br />

2,0 m). Die Einbindung der Dichtwand in den Lehmschlag wurde mit mind. 80 cm<br />

angegeben. Eine Abdichtung unter der Leitung über dem Lehmschlag hinaus ist<br />

aufgrund der Leitungstiefe (ca. 1,0 m) i. d. R. nicht erforderlich.


134<br />

• Ist als Arbeitsplanum für die Herstellung der FMI-Wand eine grobe Kies- oder<br />

Schotterlage vorgesehen, so ist der Stand der Suspension im Schlitz unter dieser<br />

Lage zu halten, wenn eine Verschmutzung der Schicht nicht zulässig ist. Andernfalls<br />

ist diese Schicht vor Abbinden der Suspension auszubauen und zu entsorgen. Die<br />

Deichkrone kann im Anschluss aufgebaut werden.<br />

Abb. 2: Fräsbaum wird in Schlitz eingefahren und erreicht senkrechte Arbeitsstellung.<br />

Abb. 3: Dichtwand im FMI-Verfahren nach Herstellung – Im Kronenbereich muss vor dem<br />

endgültigen Aufbau noch der mit Suspension verunreinigte Schotter entfernt werden


6 Zusammenfassung<br />

135<br />

Das FMI-Verfahren hat sich in Zuge der o. g. Maßnahmen als homogenes Dichtungselement<br />

bewährt, wenn der anstehende Boden geeignet ist. Besonders zu erwähnen ist die große<br />

Einbauleistung und die damit verbundene kurze Bauzeit, was für den Bauherrn von<br />

Bedeutung sein kann.<br />

Literatur<br />

(1) DVWK-Merkblatt 215/1990, Dichtungselemente im Wasserbau, Deutscher Verband für<br />

Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V., Verlag Paul Parey, 1990, ISBN 3-490-31597-9<br />

(2) DWA-Themen (2005); Dichtungssysteme in Deichen; Deutsche Vereinigung für<br />

Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.; DWA Arbeitsgruppe WW-7.3; ISBN 3-937758-<br />

65-8<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Patrick Menk<br />

RMD Wasserstrassen GmbH<br />

Blutenburgstraße 20<br />

80636 München<br />

patrick.menk@rmd-wasserstrassen.de


Kurzfassung<br />

136<br />

Leitungen in Deichen<br />

Harald Wildner<br />

Meist sind bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> Leitungen in und unter Deichen zu<br />

berücksichtigen oder der nachträgliche Einbau von Leitungen im Bereich bestehender<br />

Hochwasserschutzdeiche ist oft unvermeidbar. Die gültigen Regelwerke können lediglich<br />

Hinweise zu dieser Problematik geben, jedoch nicht als detaillierte Anleitung für die<br />

Behandlung jedes Einzelfalls dienen. Jeder Anwendungsfall erfordert eine „individuelle“ und<br />

sorgfältig geplante Bemessung und Konstruktion, vorwiegend unter Berücksichtigung des<br />

gewählten Dichtungssystems sowie der gewählten bzw. vorhandenen<br />

Deichschütt- und Bodenmaterialien.<br />

1 Allgemeines<br />

Insbesondere im Hochwasserfall können sich entlang von Leitungen unter<br />

Hochwasserschutzbauwerken bevorzugt Sickerwege ausbilden (Abb. 1). Bei<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> ist einerseits bereits in der Planungsphase entsprechend<br />

Rücksicht auf vorhandene Bauwerke und Leitungen in der Deichtrasse zu nehmen.<br />

Andererseits sind bestehende Deiche oftmals auch von neu zu errichtenden Bauwerken und<br />

Leitungen betroffen. Der vorliegende Betrag beschäftigt sich hauptsächlich mit querenden<br />

Leitungen. Unter Leitungen werden dabei Rohre und Kabel verstanden.<br />

Abb. 1: Sickerwege entlang von Leitungen (aus LfW, 2003, modifiziert)


2 Regelwerke<br />

137<br />

DIN 19712 (1990) und DVWK-Merkblatt 210/1986 treffen einige Festlegungen in Bezug auf<br />

Leitungen in Deichen. Die wesentlichen sind nachfolgend aufgelistet:<br />

• Durch das Verlegen von Leitungen dürfen die Durchlässigkeitsverhältnisse im Deich<br />

und im Untergrund nicht nachteilig verändert werden (Erosionssicherheit).<br />

• Leitungen dürfen unter und unmittelbar neben dem Deich nicht parallel zur<br />

Deichtrasse verlaufen (bei bestehenden Deichen oft nicht eingehalten).<br />

• Querende Leitungen müssen die Deichachse möglichst rechtwinklig kreuzen (bei<br />

bestehenden Deichen oft nicht eingehalten).<br />

• Leitungskreuzungen in Deichen sind nicht zulässig.<br />

• Falls mehrere Leitungen nebeneinander verlegt werden, sind gewisse<br />

Mindestabstände in Abhängigkeit vom Leitungsdurchmesser einzuhalten.<br />

• Zu bestehenden Bauwerken ist ein ausreichender Abstand einzuhalten.<br />

Betreffend nachträglich einzubauender Leitungen im Untergrund gibt DIN 19712 (1990) den<br />

Hinweis, dass sie dann durchzupressen oder in offener, geböschter Baugrube im Deich und<br />

immer in einem Schutzrohr zu verlegen sind. Dem Einbau in offener Bauweise ist der Vorzug<br />

zu geben (Entwurf DWA-Merkblatt).<br />

Folgende rechnerischen Nachweise sind immer zu führen (DIN 19712, 1997):<br />

• Nachweis der Auftriebssicherheit (auch bei leerer Leitung).<br />

• Nachweis der Erosionssicherheit entlang der Leitung.<br />

• Sicherheit gegen erhöhten Rohrinnendruck und Druckstoßbelastung.<br />

3 Nachträglicher Einbau von querenden Leitungen<br />

Rohrleitungen sollten nur in Ausnahmefällen unter dem Deich durchgepresst werden<br />

(Entwurf DWA-Merkblatt). Deshalb wird im folgenden nur auf den nachträglichen Einbau von<br />

Leitungen in offener Baugrube eingegangen. Bei geringer Mächtigkeit einer vorhandenen<br />

Auelehmschicht ist die Rohrleitung am besten unter der Auelehmschicht zu verlegen. Die<br />

Leitungen sollten mit plastischem Material umhüllt/eingebettet werden. Davon abgewichen<br />

werden darf nur, „wenn im Deich die Bodenarten konstruktiv getrennt sind“ (DIN 19712,<br />

1997).<br />

Bei Deichen mit massiven Innendichtungen (z. B. Schlitz- oder Spundwände) ist der<br />

Leitungsgraben in offener Bauweise herzustellen. Die Innendichtung wird dabei punktuell<br />

aufgebrochen und ist wieder ordnungsgemäß und dauerhaft zu verschließen. Das<br />

Schutzrohr ist gelenkig (und verschieblich) an die starre Dichtwand anzuschließen, um<br />

Rohrbrüche oder Hohlraumbildungen infolge von Setzungsdifferenzen zu vermeiden.<br />

(Entwurf DWA-Merkblatt). Der Hohlraum zwischen Schutzrohr und Transportrohrleitung ist<br />

wasserseitig dauerelastisch auszubilden.<br />

Besonders wichtig beim nachträglichen Einbau von Leitungen ist eine entsprechende<br />

Überwachung des Erdbaus mit Überprüfung des Verdichtungsgrads der eingebauten<br />

Materialien. Neben- und auf der Leitung ist beispielsweise ein Verdichtungsgrad Dpr von


138<br />

mindestens 92 %, möglichst 95 % (bei bindigem Material gem. DIN 19712) und ein<br />

Durchlässigkeitsbeiwert kf von höchstens 1 x 10 -8 m/s zu fordern. In Ergänzung zu den<br />

Festlegungen in DIN 19712 sollten folgende geohydraulischen Nachweise geführt werden:<br />

• Nachweis der inneren Erosions- und Suffosionsstabilität der eingebauten Materialien.<br />

• Stabilität gegen Kontakterosion und Kontaktsuffosion zwischen Lehmummantelung<br />

der Leitung und dem umgebenden<br />

Boden- bzw. Stützkörpermaterial.<br />

• Erosionsnachweis gegen konzentriertes Durchspülen in der Lehmummantelung.<br />

4 Berücksichtigung querender Leitungen im Zuge von<br />

<strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong><br />

Generell ist die konstruktive Ausbildung des Deiches im Bereich von bestehende Leitungen<br />

durch den Deich abhängig von der Art des gewählten Ertüchtigungsverfahrens (z. B.<br />

Oberflächendichtung aus natürlichem Boden oder Bentonitmatte, z. B. Innendichtung als<br />

mineralische Dichtung oder als Spundwand) sowie abhängig von den vorhandenen<br />

Deichschütt- und Bodenmaterialien (z. B. vorhandener Auelehmschicht). Aufgrund<br />

unvollständiger Unterlagen bzw. unzureichender Kenntnis betreffend Leitungen in Deichen<br />

sind bei <strong>Deichertüchtigungsmaßnahmen</strong> häufig kurzfristig entsprechende Umplanungen<br />

erforderlich. Der nachträgliche Einbau von Dichtungsschürzen oder Schleichringen,<br />

besonders unter bestehenden Leitungen, ist wegen der schwierigen Verdichtungsfähigkeit<br />

sowie oft aufgrund hoher Grundwasserstände meist schwierig durchzuführen. Nachfolgend<br />

werden lediglich einige Ausführungsbeispiele kurz vorgestellt.<br />

Nachrüstung eines Deiches mit einer Oberflächendichtung<br />

Wird beispielsweise eine Oberflächendichtung aus Lehm im Rahmen einer<br />

Deichertüchtigungsmaßnahme nachgerüstet, so hat dies den Vorteil, dass bestehende<br />

Leitungen die die Deichtrasse im Untergrund queren, vom wasserseitigen<br />

Böschungsfußpunkt des zu sanierenden Deiches erkundet und freigelegt werden können. An<br />

die freigelegte Leitung kann dann verhältnismäßig einfach die natürliche<br />

Oberflächendichtung angeschlossen werden (Abb. 2).<br />

Abb. 2: Anschluss einer neuen Oberflächendichtung aus Lehm an einen bestehenden Kanal<br />

Nachrüstung eines Deiches mit einer Innendichtung


139<br />

Ist die Ertüchtigung eines Deiches mittels Innendichtung vorgesehen, bestehen u. a.<br />

nachfolgend beschriebene Möglichkeiten, die Dichtung an die vorhandene Leitung<br />

anzuschließen.<br />

Deichabtrag und Freilegung der Leitung im Kreuzungsbereich. Einbau einer ausreichend<br />

mächtigen Dichtschürze aus plastischem Material um und über die Leitung. Führen der<br />

Innendichtung über die Leitung mit Einbindung in die Dichtschürze (Abb. 3).<br />

Deichabtrag und Freilegung der Leitung im Kreuzungsbereich. Ersatz des bestehenden<br />

Stützkörpermaterials durch „geringdurchlässiges“ Material. Einbinden der Innendichtung<br />

beidseits der querenden Leitung in den neuen Stützkörper aus „gering durchlässigem“<br />

Material (Abb. 4).<br />

Abb. 3: „Überführen“ einer Innendichtung über eine querende Leitung<br />

b. 4: „Heranführen“ einer Innendichtung an eine querende Leitung<br />

Die beschriebenen konstruktiven Lösungen stellen nur einen Auszug üblicher<br />

Anwendungsfälle exemplarisch dar und sind stets sorgfältig mit dem betroffenen<br />

Versorgungslastträger abzustimmen.<br />

Ab


Literatur<br />

140<br />

Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, LfW (2003): Hinweise zur Deichverteidigung<br />

und Deichsicherung, August 2003.<br />

DIN 19712 (1997): Flussdeiche. Beuth Verlag GmbH, Berlin, November 1997.<br />

DVWK-Merkblatt Nr. 210/1986: Flussdeiche. Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und<br />

Kulturbau, Verlag Paul Parey, Hamburg, Berlin, 1986.<br />

Entwurf DWA-Merkblatt M 507: Deiche an Fließgewässern. Deutsche Vereinigung für<br />

Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V, Hennef, erscheint voraussichtlich 2007 als<br />

Gelbdruck.<br />

Verfasser<br />

Dr.-Ing. Harald Wildner<br />

SKI GmbH + Co.KG<br />

Beratende Ingenieure für Wasserbau, Wasserwirtschaft und Grundbau<br />

Adlzreiterstraße 25<br />

80337 München<br />

wildner@ski-ing.de


141<br />

Hinweise zur Deichverteidigung – Eine Übersicht<br />

1. Allgemeines<br />

Roland Wach<br />

Bei den sich häufenden dramatischen Hochwasserereignissen der letzten Jahre mussten die<br />

vor Ort eingesetzten Deichwehren zu oft zu Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der<br />

bedrohten Deiche greifen.<br />

Die eingeleiteten Deichverteidigungsmaßnahmen konnten in den meisten Fällen ein<br />

Versagen der Deiche mit mehr oder minder großem Einsatz von Personal, Material und<br />

Gerät verhindern.<br />

In mehreren Fällen waren die vor Ort eingesetzten Kräfte mit der Situation überfordert oder<br />

hatte nicht die Möglichkeiten Deichbrüche zu verhindern.<br />

Die Ursachen, warum Deiche bei Hochwasser versagen können, sind vielfältig. Neben dem<br />

eigentlichen Dammaufbau welcher nicht immer dem Stand der Technik entspricht können<br />

auch falsche Verteidigungsmaßnahmen zu Schäden führen.<br />

Bei Hochwasser ist es sinnvoll, qualifizierte Fachleute bei der Deichverteidigung<br />

einzubinden. Auch Fachleute können jedoch aufgrund der spontanen Konfrontation mit<br />

Problemstellungen zu Fehleinschätzungen kommen.<br />

Da der Aufbau der Deiche bei einem Hochwasserereignis den vor Ort eingesetzten<br />

Deichwehren und deren Führungspersonal nicht immer bekannt sein kann, muss eine<br />

Einschätzung der Deichstandsicherheit anhand einer optischen Beurteilung erfolgen.<br />

Die beiden wesentlichen Beurteilungskriterien sind erkennbare Verformungen und<br />

Sickerwasseraustritte.<br />

Abb. 1<br />

Erkennbare Verformungen kündigen in aller Regel einen weiteres Versagen des Deiches an.<br />

Sickerwasseraustritte müssen nicht immer gefährlich sein. Sie lassen sich gut beobachten<br />

und im Gefährdungsgrad einschätzen. Austritte im unteren Böschungsdrittel sind bei<br />

homogenen Deichen noch ungefährlich. Austritte hoch an der Böschung, starke und


142<br />

steigende Sickerwassermengen und Trübungen sind hingegen mindestens als problematisch<br />

einzuschätzen.<br />

Abb. 2<br />

Um die Zusammenhänge von Durchsickerungen, Verformungen und Standsicherheit der<br />

Deiche richtig zu deuten, sollte der Deichwehr einfaches Grundwissen bekannt sein:<br />

• Jeder Deich ist mit einem Freibord geplant. Der Freibord soll eine Erosion der<br />

Deichkrone infolge Überströmung verhindern. Bei Überschreitung des<br />

Bemessungswasserstands im Gerinne reduziert sich der Freibord und somit die<br />

Überströmsicherheit.<br />

• Deiche können auch mit einer innen liegenden Dichtung gebaut sein. Die<br />

Beschädigung der Dichtung führt zu einer verstärkten Durchströmung.<br />

• Je stärker und je länger ein Deich durchnässt ist, desto mehr wird seine<br />

Standsicherheit geschwächt.<br />

• Je breiter die Deichkrone und je flacher die Böschungen des Deiches, desto stabiler<br />

verhält sich der Deich bei Hochwasser.<br />

Die Grundlage jeder Deichverteidigung ist die Beobachtung von Sickerwasseraustritten an<br />

Deichen. Hierzu sind die Deiche regelmäßig zu begehen und Unregelmäßigkeiten zu<br />

beobachten.


143<br />

In folgenden Fällen sollte eine aktive Deichverteidigung erwogen werden:<br />

• •Sickerwasseraustritte oberhalb eines Deichhinterweges<br />

• Sickerwasseraustritte im oberen Bereich der Deichböschung<br />

• Austritt von trübem Sickerwasser<br />

• Anstieg der Sickerwassermengen<br />

• Wasseraustritte im Deichhinterland<br />

• Risse und Rutschungen an den Deichböschungen und an der Deichkrone<br />

• Gefahr der Deichüberströmung<br />

2. Deichwehr und Einschätzung der Gefährdungsstufe<br />

Für eine erfolgreiche Deichverteidigung ist der Einsatz von Personal, Material und Gerät<br />

erforderlich.<br />

Die Deichverteidigung beginnt mit der planmäßigen Einrichtung der Deichwehr, welche die<br />

Deiche begeht und auf Schwachstellen untersucht. Unregelmäßigkeiten sind von der<br />

Deichwehr zu registrieren, markieren und weiter zu beobachten.<br />

Die Deichwehr beurteilt die Situation und ordnet die Beobachtung einer Gefährdungsstufe<br />

zu:<br />

• Ungefährlich: Eine weitere Beobachtung ist in der Regel ausreichend<br />

• Problematisch: Verhaltensmaßregeln sind erforderlich<br />

• Gefährlich: Eine Deichverteidigung wird erforderlich. Die Evakuierung des bedrohten<br />

Gebietes ist zu prüfen. Für Einsatzkräfte müssen Rettungsgeräte bereitstehen<br />

• Sehr gefährlich: Es sind unverzüglich massive Deichverteidigungsmaßnahmen<br />

einzuleiten. Einsatzkräfte müssen Rettungsgeräte angelegt haben. Im bedrohten<br />

Bereich sollen nur die unmittelbar am Einsatz Beteiligten verbleiben.<br />

3. Verhaltensregeln<br />

Ziel der Deichverteidigung ist der Erhalt der Standsicherheit des Deiches. Um den Deich<br />

nicht unnötig durch menschliches Einwirken zu schwächen gelten folgende Regeln:<br />

• Der Deich sollte nicht unnötig belastet werden. Schwere punktuelle Auflasten (z. B.<br />

Fahrzeuge) sollten vermieden werden. Die Befahrung der Deichkrone ist möglichst zu<br />

vermeiden.<br />

• Die Deichböschung sollte nicht unnötig betreten werden.<br />

• Die Deichhinterwege und das Deichhinterland sollte nicht unnötig befahren werden.<br />

• Erschütterungen durch schweres Gerät sind zu vermeiden.<br />

Sofern Sickerwasseraustritte erkannt werden gelten folgende Regeln:<br />

• Der Abfluss des Sickerwassers darf nicht behindert werden, da sonst die Sickerlinie<br />

im Deich unnötig ansteigt und zu einer Schwächung führt.


144<br />

• Beobachtung des Sickerwassers auf vorhandene oder einsetzende Trübung. Der<br />

Austrag von Feinteilen aus dem Deich führt zu einer Schwächung der inneren<br />

Struktur und einer Verstärkung der Wasseraustritte.<br />

• Beobachtung des Umfeldes auf weitere Austrittstellen und auf Zunahme der<br />

Sickerwasseraustritte.<br />

Bei Verformungen des Deiches und auf oberflächliche Beschädigung gelten folgende<br />

Regeln:<br />

• Abgerutschtes Deichmaterial soll nicht entfernt werden, da es auch im abgerutschten<br />

Zustand den Deich stabilisiert.<br />

4. Maßnahmen<br />

Je nach Gefährdungsstufe und –situation werden Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Jede<br />

Sicherungsmaßnahme kann bei nicht fachgerechter Ausführung den Deich zusätzlich<br />

schädigen anstatt ihn zu sichern. Zur Leitung der Verteidigungsmaßnahmen sollte deshalb<br />

immer ein Fachmann hinzugezogen werden.<br />

Eine gut geplante Deichsicherungsmaßnahme erfolgt mit optimalem Personal-, Geräte und<br />

Materialeinsatz. Dem Fachmann fällt dabei die Aufgabe zu, den erforderlichen Umfang von<br />

Hilfsmaterialien (z. B. Sandsäcke) richtig einzuschätzen. Der Sandsack ist bei der<br />

Deichverteidigung noch immer das wichtigste Hilfsmittel. Dessen Bereitstellung am Einbauort<br />

erfordert für Befüllung und Antransport einen hohen Geräte- und Materialaufwand.<br />

Abb. 3<br />

Im optimalen Fall stehen Füllmaterialien und passende Geräte zur Verfügung. Mit modernen<br />

Befüllmaschinen können mit wenig Personal bis zu 4500 Sandsäcke pro Stunde befüllt<br />

werden.<br />

Die Sicherungsmaßnahmen sind der Gefährdungssituation und dem Schadensbild<br />

anzupassen. Folgende grundlegenden Maßnahmen sind sinnvoll:


145<br />

Abb. 4: Ein geschwächter Deich<br />

kann durch Stützung seiner<br />

luftseitigen Böschung mit einer<br />

Kiesanschüttung oder mit<br />

Sandsäcken stabilisiert werden.<br />

Dabei ist darauf zu achten, dass der Sickerwasserabfluss nicht behindert wird.<br />

Abb. 5: Analog kann eine bereits<br />

abgerutschte luftseitige<br />

Böschung gesichert werden.<br />

Dabei ist darauf zu achten, dass<br />

der Aufbau von unten nach oben<br />

erfolgt.<br />

Abb. 6: Bei punktuellen oder<br />

flächig stärkeren<br />

Wasseraustritten eigenen<br />

sich Fangedämme, welche<br />

das Sickerwasser auf der<br />

luftseitigen Böschung<br />

aufstauen und somit einen<br />

Gegendruck aufbauen.<br />

Die Durchsickerung wird dadurch reduziert. Nachteilig ist jedoch der Anstieg der Sickerlinie<br />

im Deich, weshalb auf weitere evtl. neu entstehende Sickerwasseraustritte in benachbarten<br />

Bereichen zu achten ist.<br />

Abb. 7: Schadstellen auf<br />

der wasserseitigen<br />

Böschung können lokal<br />

durch ein Lecksegel<br />

abgedichtet werden.<br />

Dadurch kann der Zutritt<br />

von Sickerwasser in den<br />

Deich reduziert werden.<br />

Die Abdichtung von längeren Deichabschnitten durch Auflegen von Folien auf der<br />

wasserseitigen Böschung zeigt jedoch praktisch keine Abdichtungswirkung.


146<br />

Abb. 8: Eine wasserseitig<br />

abgerutschte Böschung<br />

ist zunächst gegen<br />

weiteren<br />

Strömungsangriff zu<br />

schützen. Raubäume<br />

eignen sich besonders,<br />

da sie die Ablagerung von<br />

Schwebstoffen und<br />

Geschiebe fördern.<br />

Eine Auffüllung mit Kies oder Sandsäcken ist auch denkbar, jedoch wird der Antransport<br />

über die geschwächte Deichkrone erschwert.<br />

Abb. 9: Bei nur noch<br />

geringem Freibord kann<br />

die Dammkrone zum<br />

Schutz gegen<br />

Überströmung noch<br />

geringfügig mit<br />

Sandsäcken oder mit<br />

einer Anschüttung<br />

erhöht werden.<br />

Die Deichbruchgefahr wird jedoch verstärkt, da die Sickerlinie ansteigt und der Deich<br />

zusätzlich ungünstig belastet wird. Ein schlagartiges Versagen wird wahrscheinlicher.<br />

Abb. 10: Bei<br />

vorhandenen<br />

Auelehmschichten<br />

können sich im<br />

Intergrund<br />

Erosionskanäle<br />

bilden.<br />

Im Deichhinterland treten diese in Form von Quelltrichtern zu Tage. Um den<br />

Materialtransport und die Durchsickerung einzuschränken kann ein Ringdamm aus<br />

Sandsäcken errichtet werden um einen hydrostatischen Gegendruck aufzubauen. Alternativ<br />

kann ein Auflastfilter mit abgestuftem Kies geschüttet werden. Hier kann das Sickerwasser<br />

ablaufen, wobei die Feinteile im Filterkies zurückgehalten werden.<br />

5. Zusammenfassung<br />

Die Deichverteidigung setzt ein notwendiges Maß an Fachkenntnis voraus um<br />

Gefährdungssituationen rechtzeitig erkennen zu können. Durch Beobachtung und


147<br />

Zuordnung der Gefahrenstelle zu einer Gefährdungsstufe sind die Verhaltensregeln vor Ort<br />

aufzustellen und ggf. Sicherungsmaßnahmen einzuleiten.<br />

Die richtige Sicherungsmaßnahme sollte in Abstimmung mit Fachleuten festgelegt und<br />

durchgeführt werden.<br />

Bei richtiger Einschätzung des Bedarfs an Sicherungsmaterial, Gerät und Personal werden<br />

diese nicht unnötig von anderen Einsatzorten abgezogen. In jedem Fall ist eine<br />

vorausschauende Vorbereitung der Deichverteidigung anzustreben.<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Roland Wach<br />

Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft München<br />

Bruderhoferstraße 20<br />

81371 München<br />

hf@hydroprojekt.de


148<br />

Hochwasser 1999, 2002 und 2005 – Hydrologie und Ablauf<br />

Kurzfassung<br />

Markus Hannweber<br />

Hochwasser hat es immer gegeben und es wird sie immer geben. Nach zwei Jahrzehnten<br />

ohne großes Hochwasser im Bayerischen Alpenraum, kam es beginnend mit dem<br />

Hochwasser Mai 1999, dem Hochwasser August 2002 und dem Hochwasser August 2005<br />

zu drei extremen Hochwasserereignissen in relativ kurzer Folge. Sie verursachten extreme<br />

Sachschäden und forderten sogar Menschenleben.<br />

Der Auslöser dieser Hochwasser waren Starkregenereignisse mit einem sogenannten<br />

Vb („fünf-B“) - Wetterverlauf. Der Beitrag beschreibt die Entstehung dieser<br />

Hochwasserlagen, ihre Wirkung im Flussverlauf und die schadensmindernden Maßnahmen<br />

des Hochwassermanagements.<br />

1 Vb- Wetterlage<br />

Mit einer "Vb-Wetterlage" ist eine vom niederländischen Meteorologen van Bebber (1841-<br />

1905) analysierte Zugbahn atlantischer Tiefdruckgebiete gemeint. Außer dieser speziellen<br />

Tiefdruck-Zugbahn "Vb" hat van Bebbers auch andere typische Tiefdruck-Zugbahnen<br />

erforscht und mit römischen Ziffern benannt. Die Vb-Zugbahn verläuft vom Nordatlantik über<br />

Südfrankreich nach Norditalien. Von der Adria schwenken diese Tiefdruckgebiete nordwärts<br />

und ziehen dann am Ostrand der Alpen über Oberitalien, Österreich, Tschechien nach<br />

Norden. Diese Tiefdruckgebiete ziehen in der Regel sehr langsam und nehmen aus dem<br />

Mittelmeerraum warme und sehr feuchte Luftmassen auf.<br />

Abb. 1: Tiefdruckzugbahnen nach W.J van Bebber<br />

Die Vb- Wetterlagen haben im Vergleich zu den Westwetterlagen (II,III) eine deutlich<br />

geringere Eintreffwahrscheinlichkeit, wenn sie sich aber einstellen, dann oft mit<br />

verheerenden Folgen für den Alpenraum, Ostdeutschland und das Erzgebirge. Durch den<br />

linksdrehenden Wirbel des Tiefdruckgebietes werden die feuchten Luftmassen dann von<br />

Norden gegen die Alpen geführt. Die orographische Hebung an den Bergen und die damit<br />

verbundene Abkühlung der Luftmassen, oft verstärkt durch Kaltlufteinbruch auf der Nordseite


149<br />

der Alpen, führt dann zu lang anhaltenden, sehr heftigen Niederschlägen im gesamten<br />

Alpenraum. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die dramatischen Hochwasserlagen<br />

zu Pfingsten 1999, im August 2002 und schließlich an das Hochwasser August 2005. Ob das<br />

gehäufte Auftreten solcher Wetterlagen in den letzten Jahren allerdings mit dem derzeit viel<br />

zitierten Klimawandel in einem Zusammenhang steht, ist unsicher.<br />

Abb. 2 : Infrarot-Satellitenbild vom 22.08.2005, 12 Uhr mit Zugbahn des Tiefs "Norbert" (Vb-<br />

Wetterlage)<br />

Im Tiefdruckgebiet strömen die Luftmassen gegen den Uhrzeigersinn, d.h. an der Südflanke<br />

von Tief "Norbert" konnte sich die Luft über dem Mittelmeerraum stark erwärmen und große<br />

Mengen an Wasserdampf aufnehmen. Ab dem 21. (Montag) lag Südbayern im Bereich der<br />

Nordflanke des Tiefs "Norbert" in einer östlichen Strömung. Die warmen, feuchten<br />

Luftmassen aus dem Mittelmeerraum trafen in Südbayern auf kühlere Luft, wurden<br />

angehoben und regneten aus. Diese Hebung wurde insbesondere an den Alpen verstärkt<br />

(erzwungene Hebung) und zunächst setzten besonders starke Regenfälle im Oberallgäu ein.<br />

Ab dem 22. (Dienstag) verlagerte sich das Tief nur sehr langsam von der Adria nach<br />

Nordosten, eine sog. Vb-Wetterlage entstand und verursachte ergiebigen Dauerregen. Durch<br />

die nachfolgend zunehmend nördliche Anströmung verstärkte sich der Staueffekt an den<br />

Alpen und das Niederschlagsgebiet dehnte sich vom Bodensee bis zum Inn aus.


2 Niederschläge<br />

150<br />

Alpennah fielen August 2005 vielerorts mehr als 150 Liter pro Quadratmeter (150 mm)<br />

Regen in 72 Stunden. Die höchsten Niederschlagssummen wurden im Oberallgäu (z. B.<br />

Oberstdorf/Rohrmoos: 179 l/m² bzw. mm in 72 h) und im Raum Garmisch-Partenkirchen und<br />

Bad Tölz (z. B. Kochel-Einsiedl: 245 l/m² bzw. mm in 72 h) gemessen.<br />

Abb. 3: 3-Tages-Niederschlagssummen vom 21. bis 24.08.2005<br />

Der Vergleich der Niederschlagsverteilungen Pfingsten 1999 und August 2005 zeigt eine<br />

große Ähnlichkeit beider Ereignisse. Die Niederschlagssummen zu Pfingsten 1999 fielen<br />

verbreitet deutlich höher aus als August 2002 bzw. August 2005. Das Besondere am<br />

Niederschlagsereignis August 2005 sind die verbreitet aufgetretenen ergiebigen<br />

Niederschlagsmengen im Zeitbereich 24 Stunden.


151<br />

Abb. 4: 3-Tages-Niederschlagssummen vom 20. bis 22.05.1999<br />

Abb. 5: 7-Tages-Niederschlagssummen vom 6. bis 12.08.2002


152<br />

Tab 1: Vergleich hochwasserrelevanter Niederschläge (August 2005, August 2002, Pfingsten<br />

1999)<br />

3 Abflüsse<br />

Die intensiven und anhaltenden Niederschläge ließen die Flüsse in den Alpen ab dem Abend<br />

des 22.08.05 dramatisch schnell ansteigen. Besonders betroffen waren die Flussgebiete der<br />

Oberen Argen, der Iller, der Mindel, der Zusam, der Schmutter, des Lechs, der Loisach, der<br />

Isar, der Mangfall und des Inn. An Iller, Loisach und Isar, aber auch an der Donau ab<br />

Ingolstadt wurde die Meldestufe 4 vielerorts überschritten. Ab dieser Meldestufe sind<br />

bebaute Gebiete in größerem Umfang überflutet und/ oder der Einsatz der Wasser- oder<br />

Dammwehr in großem Umfang erforderlich. In den Landkreisen Freising und Erding drohten<br />

die Isardeiche zu versagen. Die nicht vermeidbaren Grundwasseranstiege im Bereich der<br />

Gewässer führten noch lang anhaltend zu Problemen und Schäden.<br />

Die Jährlichkeiten der Abflüsse des Pfingst-Hochwassers 1999, des August-Hochwassers<br />

2002 und des August-Hochwassers 2005 an den betroffenen Pegeln sind in Abb. 6 grafisch<br />

gegenübergestellt.


153<br />

Abb. 6: Übersicht über die Verteilung der Jährlichkeiten der Hochwasserereignisse Pfingsten<br />

1999, August 2002 und August 2005<br />

Anhand der Ganglinien der Pegel Eschenlohe/Loisach und Freising/Isar soll die<br />

unterschiedliche Beanspruchung der Deiche durch das Augusthochwasser 2005 gezeigt<br />

werden.


154<br />

Abb. 7: Wasserstandsganglinie Pegel Eschenlohe / Loisach<br />

Abb. 8: Wasserstandsganglinie Pegel Freising / Isar<br />

Bei den Pegeln im Oberlauf der Gewässer (Abb. 7) kam es zu steil ansteigenden, hohen<br />

Hochwasserscheiteln. Die Dauer der kritischen Wasserstände (oberhalb Meldestufe 2) ist<br />

dort mit etwa 2 Tagen aber relativ kurz. Kritisch wurde hier die Überströmung der Deiche, die<br />

im Beispiel Eschenlohe zum Deichbruch führte.<br />

Bei den Pegeln im Unterlauf (Abb. 8) ist der Anstieg bedingt durch die geringere<br />

Niederschlagsbelastung, die Laufzeitverzögerung und natürliche bzw. künstliche<br />

Rückhaltung (Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken) im Gewässerverlauf deutlich flacher,


155<br />

dafür aber lang anhaltend auf kritischem Niveau. Wie Abb. 8 zeigt, halten sich die<br />

Wasserstände fast 5 Tage über Meldestufe 2. Dadurch beginnen die Dämme zu<br />

durchweichen und verlieren an Stabilität.<br />

Abb. 9: Überströmen der Deiche in Eschenlohe (Pfingsten 1999)<br />

Abb. 10: Aufgeweichte und durchsickerte Deiche bei Freising, Sicherungsmaßnahmen auf<br />

der Luftseite (August 2005)<br />

4 Hochwassermanagement<br />

Das August-Hochwasser 2005 ist in seiner Charakteristik vergleichbar mit dem<br />

Pfingsthochwasser 1999, hat aber insbesondere im Bereich Iller/Lech und Loisach/<br />

Isar dessen Dimensionen um bis zu 25 % überschritten. Dank<br />

• der rechtzeitigen Hochwasserwarnung ,


156<br />

• der vorausschauenden Bewirtschaftung der Talsperren,<br />

• der vorhandenen (und insb. seit 1999 nachgerüsteten) Hochwasserschutzanlagen,<br />

• des engagierten Einsatzes der Katastrophenschutzdienste,<br />

• der bereits ergriffenen Maßnahmen zur Nachrüstung von Heizölanlagen in<br />

Überschwemmungsgebieten<br />

• und der Verbesserungen bei Wassergewinnungsanlagen,<br />

blieben die eingetretenen Schäden deutlich geringer als 1999.<br />

Wesentlicher Baustein des erfolgreichen Hochwassermanagements sind<br />

Hochwasservorhersage und Hochwassernachrichtendienst. Grundlage dafür sind<br />

Niederschlagsvorhersagen sowie Niederschlags- und Abflussmessungen. Besonders die<br />

Pegel an den Gewässern bewährten sich, nicht zuletzt dank der seit 1999 betriebenen<br />

Pegelerneuerung. Trotz der extremen Abflüsse fiel kein einziger Pegel komplett aus.<br />

Abb. 11: Eingangsseite des Internetangebotes Hochwassernachrichtendienst Bayern<br />

(www.hnd.bayern.de)


Literatur<br />

157<br />

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz,<br />

August-Hochwasser 2005 in Südbayern, Landtagsbericht 24.Nov.2005<br />

Bayerisches Landesamt für Umwelt, Hochwasserarchiv<br />

Wasserwirtschaftsamt Weilheim, Hochwasserarchiv<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Markus Hannweber<br />

Wasserwirtschaftsamt Weilheim<br />

Gewässerkunde / Ingenieurhydrologie<br />

Pütrichstr. 15<br />

82362 Weilheim<br />

Markus.Hannweber@wwa-wm.bayern.de


158<br />

Erfahrungen bei der Deichverteidigung in Eschenlohe<br />

während der Hochwasser 1999, 2002 und 2005<br />

Kurzfassung<br />

Anton Kölbl<br />

Der Ort Eschenlohe wurde in den vergangenen Jahren drei Mal von einem schweren<br />

Hochwasser getroffen.<br />

Der folgende Beitrag behandelt die dadurch gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen,<br />

aus der Sicht der örtlichen Feuerwehr. Nach einem langen Zeitraum ohne Hochwasser<br />

wurden die Einsatzkräfte plötzlich wieder mit dieser Materie konfrontiert. Man verbesserte<br />

sich dabei von Hochwasser zu Hochwasser.<br />

Dabei gewann man die eindeutige Erkenntnis, dass bauliche Schutzmassnahmen, auch<br />

nicht durch einen noch so gut vorbereiteten Katastropheneinsatz, ersetzt werden können.<br />

Nur mit entsprechenden Schutzbauten wird es möglich sein, den Ort vor weiteren<br />

Überschwemmungen wirksam zu schützen.<br />

1 Ausgangssituation<br />

Der Ort Eschenlohe hat ca. 1600 Einwohner und liegt beidseits an den Ufern der Loisach,<br />

verbunden durch eine 100 Jahre alte Betonbrücke mit Mittelpfeiler. Die Bebauung reichte<br />

schon vor Erstellung dieser Brücke, bis unmittelbar an den Flussbereich. Das Tal verengt<br />

sich in Eschenlohe. So muss sich die Loisach im Hochwasserfall durch eine Breite von ca.<br />

100 m hindurchzwängen. Die vorhandenen Flussdeiche sind nicht sehr hoch, und fassen<br />

dadurch weit weniger Wasser als unter der alten Brücke Platz hätte. Aufgrund der damaligen<br />

technischen Möglichkeiten, ist der bestehende, relativ niedrige Steinverbau aus ziemlich<br />

kleinen Steinen gefertigt. Die Längssicherungen bestehen aus unter Wasser befestigten<br />

Baumstämmen. Die für die Einsatzkräfte im Notfall zu verbauende Stecke beträgt bei einem<br />

normalen Hochwasser etwa 1,4 km, wobei davon 800 m nicht befahrbar sind.<br />

Die letzten Hochwasser, bei denen Häuser überflutet wurden, waren 1977, und in kleinerem<br />

Masse 1981. Die Abflussleistung liegt bordvoll bei ca. 200 m3/Sek. Dies entspricht einem<br />

Pegel von 280 bis 300 cm. Das nach 2005 neu erreichte HQ100 liegt bei 320 m 3 /Sek. Dies<br />

entspricht einem Pegel von 420 cm. Aufgrund dieser Wassermenge ergab sich<br />

vergleichsweise 2005 ein Wasserstand, der bis zu 140 cm über der Dammkrone lag.


159<br />

Abb. 1: Überflutung der provisorischen Verbauung 2005<br />

2 Hochwasser 1999<br />

Das letzte richtige Hochwasser lag über 20 Jahre zurück. Das Thema Hochwasser war in<br />

den Köpfen nicht mehr präsent. Es wurde durch die mittlerweile häufigen Diskussionen um<br />

die Klimaerwärmung regelrecht weggeredet. Man glaubte, wenn es wärmer wird, gibt es<br />

weniger Niederschlag, und somit auch keine Hochwasser mehr. Die Vorbereitung auf ein<br />

derartiges Naturereignis war dadurch bei den Bewohnern als auch bei den Einsatzkräften,<br />

sowie den zuständigen Amtsstellen, nicht sehr ausgeprägt. Erschwerend kam hinzu, dass es<br />

sich um den Freitag vor dem Pfingstwochenende handelte, und somit viele<br />

Entscheidungsträger nicht sofort verfügbar, bzw. in der Kürze der Zeit in den Ämtern auch<br />

keine Ersatzleute, greifbar waren.<br />

So kamen auch die Meldungen des, zu diesem Zeitpunkt bereits existierenden,<br />

Hochwassernachrichtendienstes, nicht rechtzeitig, oder nur zögerlich, bei den Einsatzkräften<br />

an. Eine Verbreitung via Internet war damals aufgrund der geringen Verbreitung von<br />

Internetzugängen noch nicht möglich. Dadurch erreichte uns auch keine Entwicklung des<br />

Pegels im Oberlauf der Loisach. Mit Zuspitzung der Lage wurde das Telefonnetz überlastet,<br />

und einen Mobilfunkempfang gab es zu diesem Zeitpunkt in Eschenlohe noch nicht. Ebenso<br />

war auch der überörtliche Funk der Feuerwehr überlastet. Der Ortsfunk, wie wir ihn heute<br />

kennen, war damals in kleineren Feuerwehren noch nicht im nötigen Masse verbreitet. Es<br />

wurde örtlich um 19.30 Uhr alarmiert. Überörtlich aufgrund der Unkenntnis der Gesamtlage<br />

erst um 22.00 Uhr. Kurz darauf gingen sämtliche Zufahrtsstraßen unter, und die<br />

Verstärkungskräfte mussten riesige Umwege fahren. Vergleichsweise würde heute bei<br />

gleicher Lageentwicklung spätestens um 17.00 Uhr Großalarm ausgelöst werden. (6 Std.<br />

früher).<br />

Das Wasser kam dann auch noch wesentlich höher, als alles bis dahin Erlebte. Die<br />

Schutzdeiche wurden überflutet, und was sich bis dahin keiner so recht vorstellen konnte: Es<br />

folgte relativ schnell in weiten Teilen Dammbruch. Auch Tiere konnten aus ihren Ställen nicht


160<br />

mehr rechtzeitig evakuiert werden. Glücklicherweise entstanden bei aller Problematik nur<br />

Sachschäden.<br />

3 Was veränderte sich nach dem Hochwasser 1999<br />

Eine Verbesserung der Schutzbauwerke wurde leider nicht durchgeführt. Unklarheiten, viele<br />

Einzelinteressen, Einigung mit Grundeigentümern, sowie technische und optische Probleme<br />

machten einen erforderlichen Ausbau der Schutzanlagen, zu diesem Zeitpunkt für das<br />

Wasserwirtschaftsamt nicht möglich. Bei Feuerwehr und Katastrophenschutz wurde die<br />

Situation nachbereitet, und bezüglich Notfallverbauung viele Verbesserungen gemacht.<br />

4 Hochwasser 2002<br />

Dieses Hochwasser traf uns nicht mehr so unerwartet wie 1999. Die Meldekette des<br />

Hochwassernachrichtendienstes funktionierte bis zu den untersten Entscheidungsträgern<br />

einwandfrei. Auch das Landratsamt war kompetent besetzt und jederzeit ansprechbar. Wir<br />

wussten über die Pegelentwicklung im Oberlauf genau Bescheid, und konnten rechtzeitig<br />

und früh genug, großem Umfang überörtliche Hilfe anfordern.<br />

Es waren im Vorfeld schon Checklisten, was ist wann zu tun, ausgearbeitet worden. Der<br />

Ortsfunk wurde auf das entsprechende Maß erweitert, und in der örtlichen Feuerwehr gab es<br />

jetzt eine Funkzentrale mit Telefon, Fax und Internetzugang. Auch ein Mobilfunkmast war<br />

zwischenzeitlich in Eschenlohe in Betrieb gegangen. Durch diese Verbesserungen konnte<br />

eine Deichverteidigung wesentlich effektiver durchgeführt werden als 1999.<br />

Der Wasserstand von 1999 wurde glücklicherweise nicht erreicht, aber in großen Bereichen<br />

stand das Wasser bis zu 30 cm über der Dammkrone. Dies konnte mit großem technischem<br />

und personellem Aufwand gehalten werden. Austretendes Qualmwasser wurde in den Fluss<br />

zurückgepumpt. Es gelang dadurch eine Ableitung dieses Hochwassers in seinem<br />

eigentlichen Flusslauf, wobei nur geringste Sach- und Umweltschäden zu verzeichnen<br />

waren.<br />

5 Beim Hochwasser 2002 neu erkannte Problemstellen<br />

Hauptvoraussetzung für eine erfolgreiche Deichverteidigung ist die Befahrbarkeit der<br />

Dammbereiche. Die Wiesenbereiche hatten durch Qualmwasser stark an Festigkeit verloren.<br />

Wir sind trotz zwei vorgespannten Traktoren mit den Sandsackfuhrwerken stecken<br />

geblieben. Es entstand ein unglaublich hohes Verkehrsaufkommen durch Verbaufahrzeuge.<br />

Teilweise wurde daher kurzerhand eine Einbahnregelung aufgebaut.<br />

Kontrolle der Verbauarbeiten und Erkundung war nur mit dem Fahrrad effektiv möglich. Die<br />

Hauptkraft wurde für das Befüllen der Sandsäcke verwendet (ca. 50.000 Säcke). Wir stellten<br />

weiterhin fest, dass das herkömmliche Einrammen von Pfosten mit Bretterverschlag, bei so<br />

langen Verbaustrecken, sehr zeitaufwändig ist, und vor allem die Dammoberfläche sehr<br />

beschädigt.<br />

Im Falle eines Umdrückens durch einen höheren Wasserstand, ergäbe im Abstand von 2m<br />

eine große Anzahl von Löchern als Angriffspunkt für das Wasser. Regenwasserdurchlässe<br />

der Uferanlieger stellten ein nicht zu verschließendes Problem dar. Das dabei ausgetretene<br />

Wasser musste durch sehr viele Pumpstellen zurückgepumpt werden, und eine Ausspülung


161<br />

des Deiches konnte dabei nicht ausgeschlossen werden. Es entstand ein gewisser<br />

Zeitverlust, da kein örtliches Lager für Verbaumaterial zur Verfügung stand.<br />

Die Dammzonen wurden in den meisten Bereichen bis zu 30 cm aufgebaut. An den<br />

unbefahrbaren Stellen leisteten kommunale Klein-LKWs, die unmittelbar auf der Dammkrone<br />

fahren konnten, wertvolle Dienste. Der Freibord unter der Brücke betrug trotz der künstlichen<br />

Erhöhung des Wasserstandes im Fluss, welche aus der Erhöhung der Dämme entstand,<br />

immer noch 60 cm!!<br />

6 Weitere Verbesserungsmassnahmen für eine Notfallverbauung nach den<br />

Erkenntnissen des Hochwassers 2002<br />

Es wurden die Deiche teilweise in der Dicke verstärkt, und in den meisten Bereichen eine<br />

Befahrbarkeit hergestellt. Geländedellen wurden dabei ausgeglichen, aber aus rechtlichen<br />

Gründen keine Deicherhöhung durchgeführt. Zwischenzeitlich hieß es, dass die Eschenlohe<br />

nahe liegenden Bundeswehrkasernen aufgelöst werden. Ohne die Soldaten war aber keine<br />

Deichverteidigung nach herkömmlichem Muster möglich. Aus diesem Grund beschaffte die<br />

Gemeinde verzahnte Betonsteine für eine Verbaulänge von 1,2 km. Der Rest war mit<br />

Sandsäcken zu bewältigen, welche durch eine neu angeschaffte Befüllmaschine gefüllt<br />

werden konnten.<br />

Diese Betonsteine waren mit einer großen Anzahl von Hydraulikbaggern, in kurzer Zeit, mit<br />

relativ wenig Personaleinsatz, auf die Deiche zu verbringen. Außerdem wurde durch das<br />

Hinstellen der Damm nicht mit unzähligen Löchern beschädigt. Die Volumen der Steine war<br />

so berechnet, dass sie einerseits transportierbar waren, dem Wasserdruck standhalten<br />

konnten, und von der Höhe her den Freibord unter der Brücke ausschöpften.<br />

Für die schnelle Greifbarkeit sonstiger Verbaumaterialien wie Sandsäcke, Paletten,<br />

Gitterboxen, Bretter, Werkzeuge, Folien usw. wurde extra ein Stadel aufgebaut.<br />

Ein Alarmplan für das alarmieren der nötigen schweren Baumaschinen wurde erstellt.<br />

Ebenso, da der Empfang jetzt einwandfrei war, eine spezielle Mobilfunk-<br />

Telefonnummernliste für alle unter bestimmten Gegebenheiten benötigten Personen oder<br />

Gerätschaften.<br />

Wir waren nun für einen Wasserstand gerüstet, der gerade noch unter der Brücke hindurch<br />

passen würde. Dies entspricht einem höheren Wasserstand als bei dem<br />

Katastrophenhochwasser von 1970. Sollte das Wasser unter der Brücke nicht hindurch<br />

passen, wäre ohnehin alle Mühe umsonst, denn dann kann man es notfallmäßig nicht mehr<br />

halten.<br />

Außerdem würde ein Wasserstand wie 1999, nach allgemeiner Meinung, sowieso erst in 30<br />

Jahren wieder erreicht werden, und bis dahin haben wir sicher eine richtige<br />

Hochwasserverbauung im Ort. Aber es sollte nicht solange gut gehen.


162<br />

Abb. 2: Verlegen der Betonsteine mit schwerem Baugerät<br />

7 Hochwasser 2005<br />

Drei Jahre waren seit dem letzten Hochwasser vergangen.<br />

Die große bauliche Hochwasserfreilegung von Eschenlohe war aus bereits genannten<br />

Gründen weiterhin nur mühsam vorangegangen, aber es gab nun bereits fertige Pläne in<br />

denen es nur noch Detailfragen zu klären gab. So gut wie alle großen Probleme waren<br />

ausgeräumt, und die Planung sollte noch in diesem Sommer in die Planfeststellung gehen.<br />

Jedoch stiegen im August 2005 erneut die Pegel bis zu einem Hochwasser an. Der<br />

Hochwassernachrichtendienst arbeitete bereits weit vor dem Ereignis höchst präzise. Es<br />

konnte dadurch früh genug der gesamte Alarmplan generalstabsmäßig ablaufen. Die<br />

Entwicklung der Wetterlage war permanent bekannt, die Kommunikation und Koordination<br />

verlief bestens.<br />

Mit 10 Hydraulikbaggern wurden die Betonsteine auf dem Deich aufgestellt. Es waren auch<br />

noch mehrere Bagger zur Reserve eingetroffen. Die Steine wurden zusätzlich zur<br />

Verzahnung, mit Folien und Sandsäcken, untereinander abgedichtet. Durch den Einsatz von<br />

schwerem Baugerät erreichten wir schnell, im Vergleich zu früher mit relativ wenig<br />

Personaleinsatz, eine große Verbauhöhe. Somit konnten sich viele um das Abfüllen von<br />

Sandsäcken kümmern, oder in den Häusern mithelfen, Dinge hochzustellen oder die<br />

Gebäude abzudichten.<br />

Zeitgleich wurde eine große Anzahl von Viehanhängern alarmiert, welche die Tiere aus den<br />

Ställen, noch relativ ruhig und trockenen Fußes, evakuieren konnten. Als sicher war, dass<br />

das Wasser noch höher kommen würde, wurden mehrere Sandsackabfüllanlagen<br />

nachalarmiert. Dabei bewährte sich besonders die Beschickung dieser Maschinen mittels<br />

Betonmischer mit angebautem Förderband. Auch auf die Betonblöcke wurden durchgehend<br />

noch 3 Reihen Sandsäcke aufgebracht und mit Folie gedichtet. Mit all diesen Maßnahmen<br />

und Anstrengungen gelang binnen weniger Stunden eine Erhöhung der Deiche auf eine<br />

Strecke von 2 km (!!) um 110 cm mit mobilen Teilen.


163<br />

Bis zu dieser Höhe (110 cm) funktionierte diese provisorisch errichtete Schutzanlage<br />

weitgehend einwandfrei. Die Wassermenge, die bis zu diesem Zeitpunkt noch völlig<br />

schadenfrei abgeleitet wurde, übertraf alle Erwartungen.<br />

laut Aussage des Wasserwirtschaftsamts Weilheim lag diese schadlos abgeleitete<br />

Wassermenge im Bereich des 1999er Hochwassers.<br />

8 Der Wasserstand stieg über das Niveau von 1999.<br />

Es entstand ein neues HQ100 Hochwasser<br />

Durch den weiteren Anstieg des Pegels wurde das provisorische Schutzbauwerk überlastet.<br />

Die Brücke wurde fast komplett eingestaut. Nur noch in der Mitte schaute der Scheitelpunkt<br />

heraus. Die gesamte Verbaukonstruktion auf den Dämmen wurde fast komplett überflutet.<br />

Das Wasser hatte im Fluss keinen Platz mehr. Die Sandsäcke wurden durch<br />

Wasserströmung und Treibholz von den Betonsteinen gespült. An der Stauwurzel der Brücke<br />

brach in Folge beidseitig der Damm. Die Häuser wurden teilweise bis 180 cm im<br />

Erdgeschoss überflutet. Es wurde noch versucht, das ausgetretene Wasser durch die<br />

Häuser hindurch zu kanalisieren, aber aufgrund der dammbildenden Bundesbahn und<br />

Bundesstraße konnte es nicht richtig aus dem Ort hinausgeleitet werden. Weite<br />

Überflutungen von Häusern war die Folge. Es gab dabei den höchsten Wasserstand seit<br />

Menschengedenken in Eschenlohe.<br />

Abb. 3: Beginnende Deichzerstörung von der Rückseite her, nach Überspülung der<br />

provisorischen Verbauung<br />

9 Erkenntnisse, die erst bei unerwartetem Extremwasserstand sichtbar werden<br />

Ohne entsprechende Untergrundbefestigung bzw. Hinterfütterung, ist es fast nicht möglich,<br />

bei hohen Fließgeschwindigkeiten und damit auch schnellem Treibholz, notfallmäßig höher<br />

aufzubauen, als in unserem Fall geschehen. Man muss unbedingt vor Eintritt eines<br />

Hochwassers das Gelände unter hydraulischen Gesichtspunkten erkunden, damit man weiß,


164<br />

wohin Wasser im Überflutungsfall läuft, bzw. evtl. geleitet werden könnte. Im Ernstfall ist<br />

nach einer Überlastung des Schutzverbaus die Entscheidungszeit hierfür extrem kurz!!<br />

Man muss daran denken, dass vor Überlastung der Schutzanlagen in dann abgeschnittenen<br />

Gebieten rechtzeitig für Brandschutz, Sanitäter / Notarzt, und Medikamentenzugänglichkeit<br />

gesorgt wird. Ebenso ist an die Betreuung älterer Menschen und vieler psychisch<br />

angeschlagener Bewohner zu denken.<br />

Im Vorfeld müssen Bewohner von potentiellen Überflutungszonen über das Verhalten von<br />

Stromverteilerkästen und Haussicherungskästen im Keller, bei einer möglichen Überflutung,<br />

informiert werden. Es bildet sich starker Wasserdampf, der sehr häufig als „Brand“ gemeldet<br />

wurde, und dadurch zu erheblichem Stress bei Bewohnern und Feuerwehr sorgte.<br />

Glücklicherweise war bei dem gesamten Hochwasserereignis 2005 in Eschenlohe, kein<br />

Personen oder Tierschaden zu verzeichnen.<br />

10 Stand Juni 2006 in Eschenlohe<br />

Die bereits fertigen Pläne zur Hochwasserfreilegung mussten kurzfristig auf das neue HQ<br />

100 umgearbeitet werden. Mittlerweile liegt der Planfeststellungsbeschluss vor, und das<br />

Wasserwirtschaftsamt arbeitet mit einer großen Anzahl von Baggern und LKW, mit<br />

Hochdruck an der Hochwasserfreilegung in Eschenlohe. Die alte Loisachbrücke ist entfernt,<br />

und die neue Brücke ohne Mittelpfeiler wird bald fertig. Wir hoffen alle, dass dadurch<br />

Eschenlohe in Zukunft von Hochwasserschäden verschont bleibt.<br />

Verfasser<br />

Anton Kölbl<br />

Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Eschenlohe<br />

Asamklammstr. 1a<br />

82438 Eschenlohe<br />

KoelblT@aol.com


Kurzfassung<br />

165<br />

Erfahrung eines Wasserkraftbetreibers beim<br />

Katastrophenschutz während der letzten<br />

Hochwasserereignisse<br />

Georg Loy<br />

Im folgenden Beitrag wird über die Konsequenzen und die Erfahrungen berichtet, die aus<br />

historischen Hochwasserereignissen und dem aktuellen Hochwassergeschehen 2005<br />

erwachsen sind. Das Augenmerk wird darauf gerichtet, welches Problem im Einzelnen<br />

erkannt, welche Konsequenzen ergriffen und wie die Organisation und Vorbereitung zur<br />

Bewältigung extremer Ereignisse zielgerichtet aufgebaut und weiterentwickelt wird. Es<br />

werden historische, bauliche und organisatorische Anpassungen als Konsequenz<br />

vorangegangener Hochwasserereignisse aufgezeigt und der Ablauf und die<br />

Problemlösungen am konkreten Ereignis 2005 an Beispielen aufgezeigt. Da sich ein<br />

Hochwasserereignis in „Vor“, „Während“ und „ Nach“ gliedern lässt und in der Konsequenz<br />

gelten muss: „Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser“, wird dieses Leitbild auch für<br />

die Nachfolgeprojekte und organisatorischen Anpassungen verwendet.<br />

1 Historische Hochwasserereignisse (Vor dem Hochwasser)<br />

Die Anlagen am Inn wurden ab 1919 bis 1982 gebaut. Die Bauwerke, Dämme und Deiche<br />

wurden nach den historischen hydrologischen Ereignissen dimensioniert und gebaut. Das<br />

Bemessungshochwasser und die Dimensionierung wurden entsprechend den damaligen<br />

Normen und dem damaligen Wissen festgelegt.<br />

1.1 Konsequenzen und Maßnahmen nach den historischen Hochwasserereignissen<br />

Die letzten großen Ereignisse waren am Oberen und Unteren Inn 1985 und am Unteren Inn<br />

2002. Vor allem das Ereignis 1985 hatte eine tief greifende Veränderung und Anpassung zur<br />

Folge. In den Folgejahren wurden Anpassungsmaßnahmen durchgeführt, die systematisch<br />

in der Budgetplanung der E.ON Wasserkraft abgearbeitet wurden. Das Hochwasserereignis<br />

1985 hatte als Konsequenz eine Anpassung des Bemessungshochwassers (HQ100neu) durch<br />

die Verwaltung (v. a. am Oberen Inn) zur Folge.<br />

Dies führte neben den gemachten Erfahrungen des damaligen Betreibers zu den<br />

nachfolgend stichpunktartig zusammengefassten Maßnahmen:<br />

• Wesentliche Verbesserung der Infrastruktur und Stansicherheit Beispiel: Errichtung<br />

durchgehender Dammkronen, -fußfahrten, Auflastfilter mit Fahrten zur Erhöhung der<br />

Dammstabilität, Sickerwegsverlängerungen, Anpassung der Dichtung und<br />

Kontrollsysteme, etc.<br />

• Damm- und Deicherhöhung und Dichtungsverlängerungen zur Freiborderhöhung als<br />

Anpassung zum HQ100neu und eine laufende Verifizierung der berechneten<br />

Wasserspiegellagen<br />

• Verifizierung der WSP–Lagen durch Messungen unter Einbeziehung der<br />

durchgeführten Maßnahmen


166<br />

• Baggerungen von Ablagerungsmaterial wurden durchgeführt<br />

• Ertüchtigung der Pumpwerke erfolgte besonders in den Poldern<br />

• Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Wehranlagen wurden durchgeführt<br />

• Einbau von zusätzlichen automatischen Pegeln zur HW - Dokumentation<br />

• Uferversteinungen und Kolkverbau etc.<br />

1.2 Die Organisation und Vorbereitung<br />

Als Konsequenz der großen Hochwasserereignisse wurde eine Organisation geschaffen, die<br />

in eine konkrete „Ausführungsbestimmung für den Hochwassereinsatz und den<br />

Bereitschaftsdienst“ mündete. Diese wird jährlich entsprechend dem Personal- und<br />

Wissenstand fortgeschrieben und aktualisiert. Diese Ausführungsbestimmung regelt die zu<br />

kontrollierenden Damm- und Deichbereiche, als auch die Häufigkeit und Art der<br />

Beobachtung, stellt die Meldeköpfe zur lückenlosen Informationsverarbeitung und<br />

Weitergabe zusammen und listet die zum Hochwassereinsatz verpflichteten Beihilfen von<br />

Fremdfirmen auf. So wird zusätzliches Personal zur Dammkontrolle und als Personalpuffer<br />

(Beihilfe am Wehr, Treibzeugbergung und –abfuhr, Fahrdienste etc.) und auch Material und<br />

Gerätebeistellung durch Dritte aufgezeigt. Durch Rahmenverträge werden laufend<br />

Geräteführer und Fremdpersonal in der Strecke eingesetzt und für die Dammkontrolle<br />

regelmäßig geschult. So werden im Sommerhalbjahr die Dämme nach Einweisung durch<br />

Dritte begangen (Anlagenkenntnis vor dem Ereignis).<br />

An allen Bauhöfen stehen im Lager Geotextilien, Sandsäcke etc. für den HW – Einsatz zur<br />

Verfügung und in der Strecke werden Lager mit größeren Mengen Wasserbausteinen<br />

vorgehalten. Für Kies (Dammschüttmaterial) gibt es z. Teil eigene Lager. Im Bedarfsfall kann<br />

dieser aber ebenso über Rahmenverträge von lokalen Unternehmern abgerufen werden.


167<br />

Abb. 1: Der Inn mit den Kraftwerken der EWK und den eingezeichneten Meisterbereichen<br />

Die ständig besetzte Warte erhält jährlich eine klare Anweisung über Meldewege und auch<br />

den Bereitschaftsdienst während der dienstfreien Tage.<br />

2 Das „Katastrophenhochwasser“ 2005 am Inn (Während dem Hochwasser)<br />

Exemplarisch werden am Hochwasserereignis des Inn am 23./24.08.2005 die gemachten<br />

Erfahrungen dargestellt und Probleme und Lösungen währen des Hochwassers aufgezeigt.<br />

2.1 Vor dem Hochwasser (der Tag)<br />

Das Niederschlagsereignis war gekennzeichnet durch eine sog. Vb ähnliche Wetterlage.<br />

Diese führte im oberen Inneinzugsgebiet vor allem im hochalpinen Bereich des<br />

Einzugsgebietes der Sanna (23.08.2005 um 03:30 Uhr) mit den Seitenzuflüssen Rosanna<br />

(St. Anton) und Trisanna (Galtür) zu extremstem Niederschlag und Abflussereignissen. Nach<br />

einer ersten Einordnung der Jährlichkeit handelt es sich um Ereignisse > 5000 (1). Dieser<br />

Abfluss führte im Oberlauf des Inn bei Innsbruck noch zu einem > 200-jährigen<br />

Abflussereignis. Aber auch die weiter stromab liegenden Teileinzugsgebiete haben lokal<br />

noch bis zu 100-jährige Abflussereignisse erhalten. So waren auch auf der bayerischen Seite<br />

die Seitenbäche stark dotiert und die Mangfall addierte zur Abflussspitze bei Rosenheim<br />

~350 m³/s. Am Oberen Inn von Nußdorf bis Mühldorf führte dies in der Einordnung zu einem<br />

100-jährigen Abflussereignis. Dies war gekennzeichnet von einem rapiden Anstieg der<br />

Abflüsse, der über Stunden zu einer Abflusssteigerung von bis zu 250 m³/s/h führte. Um 8<br />

Uhr früh am 23.08.2005 waren an der Stufe Nußdorf um die 1000 m³/s Abfluss, gegen 12<br />

Uhr bereits über 2000 m³/s und um 18 Uhr wurde mit 2330 m³/s der Scheitel erreicht. An der<br />

Stufe Feldkirchen (Bereich Rosenheim) wurden hohe Abflüsse über 2000 m³/s 20 Stunden<br />

lang registriert.


168<br />

Um 12:30 Uhr meldet der Oberstufenbetreiber, die GKW, dass diese bei der Stufe<br />

Oberaudorf die Wehre komplett geöffnet hat, aber die Pegelstände im Stauraum noch<br />

steigen.<br />

Der 23.08.05 ist somit gekennzeichnet von einer sehr kurzen Vorwarnzeit bis zum Erreichen<br />

des 100-jährigen Abflussereignisses. Am 23.08.2005 war aber auch bedingt durch die bei<br />

solchen Ereignissen für den Fachmann bewusste Unsicherheit bei der Abflussbestimmung<br />

an den Pegelständen im Oberlauf nicht klar, dass es bei dem sicher abführbaren 100jährigen<br />

Ereignis für den Inn an diesem Tag bleiben wird. Daher ist am 23.08.2005 das Wort<br />

Katastrophenhochwasser am Inn sicher noch gültig, selbst wenn es später am bayerischen<br />

Inn tatsächlich zu keiner Katastrophe kam.<br />

2.2 Während dem Hochwasser incl. Sofortmaßnahmen<br />

Der Hochwassereinsatzplan und die Besetzung der Kraftwerke verliefen plangemäß. An den<br />

Stufen Nußdorf und Rosenheim wurden von den Dammgehern und den im Staugebiet<br />

beobachtenden Trupps keine wesentlichen Schwachstellen identifiziert. Ein relativ<br />

unwesentlicher Leitdamm drohte zu überfluten, aber mit Schäden bei Dritten durch den Inn<br />

musste nach einer ersten Einschätzung nicht gerechnet werden. Gegen 14 Uhr meldet sich<br />

der Krisenstab in Rosenheim beim Betreiber, der wegen der kritischen Situation im Bereich<br />

Rosenheim eingesetzt wurde, mit der Bitte eine fachkompetente Person in den Krisenstab zu<br />

entsenden. Gegen 15:15 Uhr erreicht ein Ingenieur der Werkgruppe den Krisenstab und<br />

arbeitet aktiv mit im Krisenstab. Gegen 15:40 Uhr wird gemeldet, dass das Freibord im<br />

Bereich Hofleiten rechts des Inn nur noch 0,40 m beträgt. Im Bereich der Mangfall werden<br />

durch die Feuerwehr lokal die Dämme erhöht. Gegen 17 Uhr ruft das LRA Rosenheim<br />

wegen der kritischen Situation an der Mangfall den K – Fall aus. Durch Rückmeldungen aus<br />

dem Seitengewässer rechts des Inn z. B. der Rohrdorfer Ache wird EWK gemeldet, dass die<br />

örtliche Feuerwehr den niedrig liegenden Bereich Thansau im Griff hat und örtliche<br />

Schwachstellen sichert. Die Kläranlage Thansau wird aktiv verteidigt. Die Kommunikation<br />

zwischen Krisenstab und E.ON Wasserkraft erfolgt sehr direkt und konstruktiv. Gegen 19<br />

Uhr wird der Krisenstab über nun sehr starke Sickerwasseraustritte im Bereich der<br />

Rücklaufdeiche links des Inn im Bereich Wasserburg informiert. Der lokal eingerichtete<br />

Meldekopf in Wasserburg wird von Dammgehern laufend informiert und an Problemstellen<br />

werden Maßnahmen eingeleitet.<br />

Im Bereich Rosenheim (19 Uhr) wird aufgrund des geringen Freibordes rechts des Inn der<br />

Gemeindebereich Hofleiten (Innschiffersiedlung) der Gemeinde Stephanskirchen evakuiert.


169<br />

Abb. 2: Der Inn im Bereich Hofleiten (Rosenheim) am 23.08.2005<br />

Im Stauraum Wasserburg (19 Uhr) wird eine Evakuierung der Gemeindebereiche Oberwöhrn<br />

mit Einzelgehöften dem Krisenstab wegen starker Sickerwasseraustritte durch EWK<br />

angetragen. Es setzt sich ein lokaler Krisenstab gegen 19:30 Uhr zusammen und<br />

entscheidet über das weitere Vorgehen – keine Evakuierung.<br />

Folgende Maßnahmen wurden ergriffen oder liefen bereits durch EWK veranlasst:<br />

• Verstärkung des Auflastfilters im Bereich Lengdorf–Katzbach durch Wasserbausteine<br />

mit verpflichteter Fremdfirma<br />

• Schütten eines Auflastfilters im Bereich der Rücklaufdämme Rott links auf ~ 500<br />

Metern (5000 m³ Kies) mit verpflichteter Fremdfirma<br />

• Schütten eines Auflastfilters (50m) auf Filtermatte oberhalb der Kapser Brücke mit<br />

verpflichteter Fremdfirma<br />

• Schütten eines Auflastfilters (50 m) im Bereich zweier Einzelgehöfte (Moosgraben)<br />

mit verpflichteter Fremdfirma<br />

• Sandsäcke legen durch die FFW an den Inndämmen im Bereich Sendling (300 m)<br />

auch zur Beruhigung der lokalen Bevölkerung<br />

• Die FFW befahren die Dämme zur Kontrolle - EWK begeht die Dämme systematisch<br />

und protokolliert


170<br />

Abb. 3: Nachts geschüttete Auflastfilter im Bereich von Wohngebäuden<br />

Durch die Einrichtung des lokalen Krisenstabes im Bereich WAB stehen EWK die<br />

Einsatzkräfte der Feuerwehr (Kreisbrandinspektor vor Ort) und der lokale Bürgermeister<br />

konstruktiv zur Seite. Problemstellen werden vor Ort angegangen. Es mehren sich direkte<br />

Meldungen an den Meldekopf Wasserburg von Bürgern über Sickerwasseraustritte an<br />

Dämmen, denen im Einzelnen nachgegangen wird. Es handelt sich dabei nicht immer um<br />

Problemstellen, aber den Befürchtungen der lokalen Bevölkerung bei Sickerwasseraustritten,<br />

die z. B. von den Bildern des Elbehochwassers geprägt sind, wird durch Maßnahmen<br />

Rechnung getragen.<br />

Abb. 4: Feuerwehren errichten Auflast durch Sandsäcke im Bereich Sendling WAB<br />

Gegen 20 Uhr wird durch den extremen Treibzeuganfall in WAB ein Wehrfeld verklaust und<br />

gleichzeitig zeigen sich wegen der bisher höchsten gemessenen Wasserstände im Inn<br />

konstruktive Mängel an drei Pumpwerken. Wasser tritt vehement an Schächten aus. In<br />

Zusammenarbeit mit FFW, THW und Fremdfirmen werden lokale Lösungen an den<br />

Pumpwerken umgesetzt. Es werden hauptsächlich Auflast auf Revisionsschächten und<br />

Sandsäcke zum Abdichten aufgebracht. Die Lage ist nach ~ 2 Stunden im Griff.


171<br />

Abb. 5: Auflast am Schacht eines Pumpwerkes<br />

Gegen 22 Uhr ist klar, dass vom Oberlauf des Inn nicht mit mehr Wasser zu rechnen ist,<br />

aber die Abflussspitze der Mangfall in Rosenheim wird erst gegen 24 Uhr mit ~ 350 m³/s<br />

erwartet.<br />

Die Verklausung WAB führt nur zu 18 cm Überstau und kann gegen 23 Uhr durch EWK<br />

beseitigt werden.<br />

Die Stadt Wasserburg im UW – der Stufe erlebt ein sehr geringes Freibord an den<br />

Inndämmen und hat durch den Bruch eines vergessenen verschlossenen Zuleitungskanals<br />

zu einer Mühle massive Probleme mit vehementen Wasserzutritten zur Innenstadt. Der<br />

amtliche Pegel Wasserburg war defekt und zeigte zu niedrige Koten an.<br />

Am frühen Morgen fällt ein Pumpwerk im Bereich WAB durch Verschmutzung der Lager aus<br />

Ersatzpumpen werden besorgt und installiert.<br />

Ab Unterwasser der Stufe Wasserburg treten im Verantwortungsbereich des<br />

Kraftwerksbetreibers keine Krisensituationen auf. Im Landkreis Mühldorf treten noch<br />

Freiborddefizite und lokale Überschwemmungen auf. Der Treibzeuganfall fordert auch an<br />

den Unteren Innstufen (Teilverklausung Wehrfeld Stammham) einen permanenten Einsatz<br />

der Kraftwerksmannschaft zur sicheren Wasserabfuhr. Ab dem Zusammenfluss mit der<br />

Salzach ist das Innhochwasser mit Ausnahme des Treibzeuges ein ~ 20 jähriges<br />

Abflussereignis und stellt keine Rekorde auf.<br />

Die Information an die Krisenstäbe, Gemeinden, einzelne Bürgermeister lief sehr direkt nach<br />

Eingang, so dass Zeit zum Reagieren für alle Betroffenen gegeben war.<br />

Verbesserungsbedürftig war die Information über das Abflussgeschehen per Internet (Amt),<br />

da Pegel ausfielen, der Vertrauensbereich nicht gegeben oder der Zugriff zeitlich limitiert war<br />

(dies bezieht sich nicht auf Kraftwerkspegel des Betreibers!). Die Kraftwerkspegel zeigten mit<br />

Ausnahme des verklausten Wehrfeldes die Tendenzen und Größenordnung des Abflusses<br />

und waren somit zur Beurteilung der Situation wesentlich. Bestätigt wurde dies laufend durch<br />

eine visuelle Kontrolle durch das Personal vor Ort. An den Dämmen wurden ebenso laufend<br />

die aktuellen Wasserstände durch die Dammkontrolle aufgezeichnet.<br />

2.3 Schadensbeseitigung nach dem Hochwasser<br />

Eine Schadensaufnahme sowie eine Wasserspiegelfixierung erfolgten sofort nach dem<br />

Hochwasserereignis. Wesentlich war auch, dass EWK mit eigenem Personal und Ing.- Büros<br />

eine lückenlose Dokumentation des Ereignisses erarbeitete. Dies bezieht sich auf


172<br />

Wasserstände, Beobachtungen während und nach dem Ereignis und die<br />

Schadensdokumentation.<br />

Die während dem Hochwasser aufgeschütteten Auflastfilter stellen lokal Übergangslösungen<br />

dar, die bis zur konstruktiven systematischen Umsetzung eine Sicherung gewährleisten.<br />

Aktuell sind bereits Anpassungsmaßnahmen an Auflastfiltern in der Ausführung.<br />

Alle automatischen Pegel im Staugebiet wurden ausgelesen und analysiert.<br />

Die wesentlichen Schäden werden nachfolgend aufgezeigt und sind in Anbetracht der<br />

Jährlichkeit des Ereignisses nicht ungewöhnlich:<br />

Ein Uferanbruch mit Ufererosion im Staugebiet Nussdorf und im Unterwasser der Stufe<br />

Wasserburg. Diese Schäden wurden sofort analysiert. Planung, Sofortmaßnahmen und der<br />

Beginn der Behebung des Schadens erfolgten bereits in der kommenden Woche nach dem<br />

Hochwasser. Durch Linienpeilungen wurden Brücken und bekannte Schwachstellen<br />

angefahren und mit historischen Ereignissen verglichen. Es wurde keine Gefährdung<br />

identifiziert. Die systematische Fächerecholotpeilung erfolgte im Nachgang. Kolkschäden im<br />

Ober– und Unterwasser der Kraftwerke wurden festgestellt und befinden sich in der<br />

Bearbeitung. Ein Uferschaden im Nahbereich eines durch Spundwand fixierten Dammfußes<br />

wurde identifiziert und konnte ebenso bereits im Jahr 2005 fixiert werden. Im Frühjahr 2006<br />

wurde die Maßnahme abgeschlossen. Der Kraftwerksrechen am Kraftwerk<br />

Rosenheim wurde aus der Verankerung gerissen und musst gefunden und ersetzt werden.<br />

Der vehemente Treibzeuganfall – es wurden offensichtlich ganze Holzlagerplätze in<br />

Österreich geräumt und Großbäume trieben durch die Wehrfelder - blieb beim ablaufenden<br />

Hochwasser in den Stauräumen und Vorländern zurück. Diese blockierten Wege und<br />

Fahrten und mussten auch im Nahbereich der Kraftwerke und Anlagen beseitigt. werden<br />

Abb. 6: Treibzeug im OW Rosenheim (l) und im UW – Neuötting (r)<br />

Der durch das Hochwasser hervorgerufene Sedimenttrieb v. a. Sand blockierte Vorfluter, die<br />

geräumt werden mussten und führte in den Stauräumen zu Ablagerungen, die analysiert<br />

wurden. Es stellte sich durch Flussbohrungen heraus, dass der Inn hauptsächlich Sand<br />

umlagerte und wenig Geschiebe aus den Oberliegerkraftwerken in die Stauräume<br />

eingetragen wurde. Diese Ablagerungen (~ 1,4 Mio. m³) werden durch die jährliche<br />

Sedimenttrift bis zur Einstellung einer sog. Gleichgewichtssohle wieder ausgeräumt und<br />

stellen somit nach einer ersten Analyse keinen Schaden dar. Die gemessenen<br />

Wasserspiegellagen bestätigen die dynamische Sohle des Inn in den Stauräumen. Durch die<br />

Pegelaufzeichnungen kann diese Ausräumung nachvollzogen werden.


173<br />

3 Hochwassernachsorgeprojekte und Folgerungen (Nach dem Hochwasser)<br />

3.1 Hochwassernachsorgeprojekte und Lehren<br />

EWK hat 2005 nicht nur am Inn ein Hochwasser erlebt, sondern auch an Lech (Forggensee),<br />

Isar und Donau, so dass sofort nach Ablauf des Hochwassers alle Erkenntnisse,<br />

Schwachstellen und Daten zusammengetragen und aufgearbeitet wurden und werden.<br />

Dabei wurde im ersten Schritt das Ereignis dokumentiert und die Schwachstellen<br />

werkgruppenübergreifend betrachtet.<br />

In Projektgruppen werden die Einzelthemen abgearbeitet und Maßnahmen wurden in die<br />

Budgetplanung eingearbeitet.<br />

Als Hauptarbeitsgruppen sind zu nennen:<br />

• Hochwasserbericht und Datenerhebung<br />

• Schadenanalyse und Defizitanalyse<br />

• Verbesserungsmöglichkeiten<br />

Erkannte Defizite werden so möglichst schnell beseitigt, so dass für das nächste<br />

Hochwasser Konfliktstellen beseitigt werden.<br />

Dies bezieht sich auf z. B.:<br />

• Beseitigung von lokalen Freiborddefiziten bezogen auf das HW 2005<br />

• Beseitigung von konstruktiven Schwachstellen an Bauwerken, z. B. Pump-werken<br />

und Durchführungen<br />

• Errichtung von Dammfußfahrten und Auflastfiltern in Bereichen mit erhöhtem<br />

Sickerwasseranfall (Infrastruktur)<br />

• Lokale Sickerwegsverlängerungen an Einzelstellen<br />

• Stauraumbaggerungen und Flussaufweitung zur Gewährleistung von WSP- Lagen<br />

etc.<br />

3.2 Schadensbeseitigung und Konfliktvermeidung<br />

Als Thema wurde auch die zukünftige Konfliktvermeidung mit Dritten in Anbetracht einer<br />

Konzentration des eingesetzten Personals auf die wirklichen Problemstellen beim<br />

Hochwasser einbezogen. So stellen Sickerwasseraustritte an Deichen bei großen<br />

Dammquerschnitten aus durchlässigem Kiesmaterial keine Gefahr dar. Doch lassen sich vor<br />

Ort im Hochwasserfall Anlieger, v. a. nachts, nur schwer von der Unbedenklichkeit von<br />

Sickerwasser überzeugen. So werden identifizierte Einzelbereiche mit zusätzlichen<br />

Dränagen und Auflastfiltern konstruktiv ausgestattet, um auch einen visuellen Eindruck der<br />

Sicherheit für einen Nicht-Fachmann zu gewährleisten.<br />

3.3 Organisation (Vor dem nächsten Hochwasser)<br />

Als wichtige Lehre wurde ein permanenter Austausch über Zuständigkeit, Deichschau und<br />

Deichverteidigung mit den lokalen Feuerwehren vereinbart. Hier sollen die Dämme und<br />

Deiche in den Gemeindebereichen (Zuständigkeit EWK) im regelmäßigen Abstand<br />

gemeinsam besichtigt und Ansprechpartner definiert werden.


174<br />

EWK erweitert ihr internes Hochwasserinformationssystem, um neben den internen<br />

Meldewegen auch externe Zuständigkeiten und Ämter mit Ansprechpartnern laufend zu<br />

erfassen und zu aktualisieren. Ein intensiver Datenaustausch mit Behörden ist vorgesehen.<br />

Der Hochwassereinsatzplan der EWK wurde im Frühjahr 2006 aktualisiert und im Hinblick<br />

auf den Zugriff auf Dritte verbessert. So war wesentlich, dass ortskundiges eigenes Personal<br />

durch Begleitpersonen unterstützt und somit neben dem Arbeitszeit – und<br />

Arbeitssicherheitsaspekt ein Personalpuffer vorhanden ist, der zu einfachen Diensten z.B.<br />

Fahrdiensten der Wissensträger bereit steht. Des Weiteren hat sich eine flexible<br />

Personalergänzung auf der Meisterebene aus anderen Flussbereichen bewährt und wird nun<br />

systematisch mit lokalen Ortskenntnissen vertieft.<br />

Fazit: Durch die Beseitigung der Schwachstellen nach dem Hochwasser 1985 konnten<br />

wesentliche Defizite beseitigt werden. Es traten jedoch beim Ereignis 2005 andere<br />

Schadstellen auf die systematisch analysiert und beseitigt wurden und werden.<br />

Literatur<br />

(1) R. Godina, P. Lalk, P. Lorenz, G. Müller, V. Weilguni; Bundesministerium für Land und<br />

Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Abteilung VII/3), 2005 Wien, Das Hochwasser<br />

in Österreich vom 21.08.2005 bis 25.08.2005; www.lebensministerium.at<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Georg Loy<br />

E.ON Wasserkraft GmbH<br />

Werkgruppe Inn<br />

Werkstraße 1<br />

84513 Töging am Inn<br />

Georg.Loy@eon-energie.com


175<br />

Erfahrungen im Rahmen des Katastrophenschutzes<br />

während des Pfingsthochwassers 1999 im Landkreis<br />

Kelheim<br />

Hubert Faltermeier<br />

Pfingsthochwasser 1999 - Erfahrungsbericht<br />

Über Pfingsten 1999 wurden an der Donau Wasserstände gemessen, wie sie in diesem<br />

Jahrhundert noch nicht beobachtet wurden. Auch der Landkreis Kelheim war vom<br />

Pfingsthochwasser 1999 massiv betroffen, da viele Anwesen in den Bereichen, in denen es<br />

keine Hochwasserschutz gibt, überflutet wurden und es im Bereich der Stadt Neustadt a. d.<br />

Donau zu einem Deichversagen kam und somit weite Teile der Stadt Neustadt a. d. Donau,<br />

die hinter dem Deich liegen, vollständig überflutet wurden. Der nachfolgende Beitrag gibt<br />

einen Überblick über die Maßnahmen und Entscheidungen des Krisenstabes während der<br />

Hochwasserkatastrophe an Pfingsten 1999, insbesondere im Einsatzbereich der Stadt<br />

Neustadt a. d. Donau.<br />

1 Chronologie der Ereignisse bis zum Deichbruch<br />

Die ersten Hinweise auf ein Hochwasserereignis gingen am Donnerstag, den 20. Mai 1999<br />

beim Landratsamt Kelheim ein. Der Deutsche Wetterdienst hatte eine Starkregenwarnung für<br />

Südbayern herausgegeben. Von der Wasserwirtschaft wurde das Landratsamt Kelheim dann<br />

darüber informiert, dass bei Eintreffen der Vorhersagen mit einer starken Gefährdung durch<br />

Hochwasser zu rechnen ist.<br />

Am Freitag, den 21. Mai 1999 vormittags wurden Informationen über den zu erwartenden<br />

Wasserstand der Donau eingeholt. Der erwartete Pegelstand für den Pegel Kelheim lag zu<br />

diesem Zeitpunkt bei 650 cm. Die Presse, die Gemeinden, die Feuerwehrführung des<br />

Landkreises Kelheim und die Feuerwehren wurden von den steigenden Pegelständen<br />

informiert, für die Führungsgruppe Katastrophenschutz wurde der Bereitschaftsdienst über<br />

das Pfingstwochenende geregelt.<br />

Am Samstag, den 22. Mai 1999 Vormittags verdichteten sich die Hinweise, dass das<br />

Hochwasser der Donau deutlich über dem Stand von 650 cm und auch über dem<br />

Hochwasserstand der vorangegangenen Wochenendes von 681 cm, Pegel Kelheim liegen<br />

würde und ein Wasserstand von 725 cm, dem selben Wert wie 1965 bzw. 1924, also den<br />

höchsten Wasserständen im 20. Jahrhundert möglich wäre.<br />

Der Krisenstab kam zu einer ersten Lagebesprechung zusammen, bei der die vorliegenden<br />

Informationen ausgewertet und die zu veranlassenden Maßnahmen festgelegt wurden. Der<br />

Katastrophenfall wurde noch nicht ausgerufen, ein Örtlicher Einsatzleiter wurde nach Art. 15<br />

BayKSG, also unterhalb der Katastrophenschwelle bestellt, Presse und Rundfunk und die<br />

betroffenen Kommunen wurden über die neue Prognose informiert, von der Wasserwirtschaft<br />

wurde nach der Lagebesprechung der Donaudeich im Bereich von Neustadt a. d. Donau<br />

untersucht, irgendwelche Auffälligkeiten, wie Sackung der Deichkrone, Wölbung der Luftseite<br />

oder sonstige ungewöhnliche Veränderungen der Deichgestalt waren jedoch nicht<br />

erkennbar.


176<br />

Gegen 16.00 Uhr traf dann die Nachricht ein, dass nach den neuesten Berechnungen eine<br />

Durchlaufmenge der Donau von 2200 m²/s und damit ein Höchststand des Pegel Kelheim<br />

von 800 cm zu erwarten wäre, auch kam hier der Hinweis, dass bei diesem Wasserstand die<br />

Möglichkeit des Deichbruchs zwischen Vohburg und Neustadt besteht.<br />

Vom Krisenstab wurde geprüft, ob eine kurzfristige Verstärkung oder Erhöhung der Deiche<br />

möglich ist, leider stellte sich heraus, dass dies wegen der Länge sowie wegen der örtlichen<br />

Situation (Rücklaufbedeichung) nicht möglich ist.<br />

Zur Information der Bevölkerung wurde erneut eine Pressemitteilung herausgegeben, Kräfte<br />

der Bundeswehr wurden zur Verstärkung der örtlichen Einsatzkräfte angefordert,<br />

Deichwachen wurden aufgezogen, in den betroffenen Ortsteilen wurden die<br />

Einsatzmaßnahmen, wie die Sicherung und Räumung von Anwesen, die Sicherung von<br />

Heizöl und Gastanks, der Ausbau von Heizungssteuerungen, der Bau von Stegen usw.<br />

weiter durchgeführt.<br />

Die Bürgertelefone im Landratsamt Kelheim wurden ab Sonntag, den 23.05.1999, 8.00 Uhr<br />

besetzt. In einer weiteren Besprechung des Krisenstabs um 9.00 Uhr, in die die betroffenen<br />

Gemeinden, das Wasserwirtschaftsamt, Vertreter der Feuerwehren, des THW, des BRK, der<br />

Bundeswehr, der Polizei eingebunden waren, wurde die derzeitige Lage dargestellt und<br />

entschieden, welche weiteren Maßnahmen zu veranlassen sind und wer diese durchführt.<br />

Da nach den Aussagen der Wasserwirtschaft für den Pfingstmontag Vormittag ein Pegel<br />

Kelheim von 810 cm erwartet wurde und es dadurch in Neustadt zu einem Bruch des<br />

Deiches mit massivem Wassereinbruch den Stadtteilen Wöhr, Schwaigfeld, am<br />

Volksfestplatz und in Bad Gögging kommen konnte, wurden nochmals eingehend alle<br />

theoretisch denkbaren Möglichkeiten zur Verstärkung bzw. Erhöhung der Deiche vom<br />

Boden, vom Wasser bzw. aus der Luft geprüft. Der gesamte Krisenstab einschließlich deren<br />

Fachberater kam zu dem Ergebnis, dass keine Möglichkeit zur Verstärkung oder Erhöhung<br />

der Deiche bestand, ohne Leib und Leben der eingesetzten Kräfte und der freiwilligen Helfer<br />

aufs Spiel zu setzen. Zur Warnung und Information der Bevölkerung wurden folgende<br />

Maßnahmen ergriffen:<br />

• in der Stadt Neustadt a. d. Donau wurde zusätzlich Bürgertelefone eingerichtet<br />

• die Warnung der Bevölkerung in Wöhr, Schwaigfeld, am Volksfestplatz und in Bad<br />

Gögging mittels Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr<br />

• die persönliche Information der Schausteller am Volksfestplatz<br />

um 12.52 Uhr wurde eine weitere Pressemitteilung, um 14.32 Uhr wurde eine erste amtliche<br />

Gefahrendurchsage an den Rundfunk herausgegeben, in der auch konkret auf die Gefahr<br />

des Deichbruchs und der Überflutung Neustädter Stadtteile hingewiesen wurde.<br />

Am Sonntag, den 23.05.1999 wurde in einer dritten Lagebesprechung auf Grund des sich<br />

konkretisierenden Risikos einer Überflutung größerer bewohnter Gebiete um 18.00 Uhr das<br />

Vorliegen einer Katastrophe festgestellt.<br />

Um 20.20 Uhr wurde erneut eine Pressemitteilung und um 21.40 Uhr eine zweite amtliche<br />

Gefahrendurchsage herausgegeben. Die Einsatzmaßnahmen vor Ort liefen weiter.<br />

Am Montag, den 24.05.1999 beobachtete ein Hubschrauber mit Nachtsichtgerät den Deich<br />

in Neustadt, die Lage war zu diesem Zeitpunkt schon sehr kritisch. Um 3.00 Uhr wurden in


177<br />

den betroffenen Gebieten nochmals Lautsprecherdurchsagen zur Warnung der Bevölkerung<br />

veranlasst. Ab 3.00 Uhr stagnierte der Pegel Ingolstadt bei 748 cm, was einem Abfluss von<br />

2057 m³/s entspricht, der Höchststand in Neustadt war somit gegen 8.00 bis 9.00 Uhr zu<br />

erwarten.<br />

Um 3.45 Uhr erfolgte die Mitteilung, dass der Deich im Bereich des Schöpfwerkes gebrochen<br />

ist, eine weitere amtliche Gefahrendurchsage wurde veranlasst, um 4.25 Uhr wurde<br />

gemeldet, dass sich der Deichbruch nicht bestätigt habe.<br />

Um 5.15 Uhr wurde von der Örtlichen Einsatzleitung und von der Wasserwirtschaft eine<br />

Ortseinsicht am Neustädter Polder vorgenommen, da dort ein Deichversagen befürchtet<br />

wurde, es wurde jedoch festgestellt, dass eine akute Bruchgefahr für den Polderdeich nicht<br />

bestand.<br />

Gegen 6.00 Uhr wurde an der Neustädter Donaubrücke der Freibord zwischen Donau und<br />

Deichkrone auf 20 bis 25 cm geschätzt. Der Pegel Ingolstadt war seit ca. 3 Stunden<br />

konstant, in Kelheim betrug der Pegel 785 cm mit einem Abfluss von 2177 m³/s und stieg<br />

dort weiter an. Neustadt lag unmittelbar vor dem Durchgang der Hochwasserspitze.<br />

Am Pfingstmontag, den 24.05.1999 um 7.50 Uhr erreichte den Krisenstab die Mitteilung,<br />

dass Wasser im Bereich von Wöhr auf einer Länge von 10 m über den Deich laufe.<br />

2 Gründe für den Deichbruch im Bereich von Neustadt a. d. Donau<br />

Neustadt a. d. Donau liegt 24,5 km unterhalb von Ingolstadt und 17 km oberhalb von<br />

Kelheim. Bei einer Fließzeit einer Welle zwischen Ingolstadt und Kelheim von im Mittel zehn<br />

Stunden erreicht diese Neustadt rund sechs Stunden nach Ingolstadt. Seit 3.00 Uhr<br />

stagnierte der Pegel Ingolstadt. Das heißt, dass der Deich in Neustadt zum Zeitpunkt des<br />

Durchgangs der Hochwasserspitze versagt hat. Belegt wird dies auch durch die Tatsache,<br />

dass bereits um 11.00 Uhr, also nur 2 ½ Stunden später der Pegel in Kelheim bereits (durch<br />

das Versagen des Deiches bedingt) wieder sank.<br />

Der höchste Wasserstand in Kelheim betrug 795 cm, d. h. rund 5 cm über dem HQ100, der<br />

Abfluss betrug gemäß Abflusstafel vom Landesamt für Wasserwirtschaft 2233 m³/s. Bei<br />

Überlagerung der Abflusskurven von Ingolstadt und Kelheim und unter Berücksichtigung der<br />

Fließzeit zwischen Neustadt und Kelheim kann davon ausgegangen werden, dass unter<br />

normalen Umständen der Pegel Kelheim 815 cm oder gar 820 cm erreicht hätte, ein Wert<br />

deutlich über 2300 m³/s und damit deutlich über dem HQ100.


178<br />

Das Hochwassersystem bei Neustadt wurde zum Zeitpunkt der Katastrophe an vier Stellen<br />

überströmt:<br />

• Bei Irnsing Donau-Fluss-km 2431,0 – 2431,4 an mehreren Stellen, wobei an einer<br />

Stelle landseitig bereits Auskolkungen von ca. 1 m bestanden.<br />

• Bein Irnsing Donau-Fluss-km 2429,0. Der Deich war auf 20 m Länge bereits um 1 m<br />

abgetragen.<br />

• Am Schöpfwerk des Neustädter Polders durch den Rückstau der Donau bedingt.<br />

• Im Bereich der Deichbruchstelle bei Fluss-km 2431,2.<br />

3 Möglichkeiten der Deichverteidigung während des Hochwasserereignisses<br />

Aus Sicht aller am Hochwassereinsatz beteiligten Kräfte war eine Deichverteidigung<br />

während des Hochwasserereignisses, ausgenommen am Polderdeich, wo sie erfolgreich<br />

war, nicht möglich.<br />

Vor Samstagnachmittag war bei einem prognostizierten Pegelstand für Kelheim von 730 cm<br />

mit einer Überspülung oder einem Bruch des Deiches bei Neustadt a. d. Donau nicht zu<br />

rechnen.<br />

Als kritische Pegelstände prognostiziert wurden, waren wirksame Maßnahmen zur<br />

Verstärkung oder Erhöhung der Deiche, die den Bruch verhindern hätten können, nicht mehr<br />

möglich.<br />

Ab Samstagnachmittag war für Kelheim ein Pegelstand von 800 cm prognostiziert worden.<br />

Folge diese Prognose war, dass nunmehr zwei Schadensereignisse als „worst case“<br />

denkbar wurden, zum einen die Möglichkeit eines Reißens des durch das vergangene<br />

Hochwasser aufgeweichten Deiches, zum anderen die Möglichkeit einer Überspülung des<br />

Deiches, die dann ebenfalls zum Bruch führen würde. Als Maßnahme gegen das erste<br />

Szenario wäre eine Verstärkung des Deiches denkbar, als Maßnahme gegen das zweite<br />

hätte es einer Erhöhung bedurft. Beide zu diesem Zeitpunkt lediglich theoretische denkbaren<br />

Ereignisse konnten sowohl an der Neustädter als auch an der Irnsinger Donauseite<br />

auftreten.<br />

Vom Krisenstab wurden alle Möglichkeiten einer Deichverstärkung oder –erhöhung geprüft<br />

und einhellig als nicht realisierbar verworfen.<br />

Auf Grund der verbleibenden Zeit und der Deichlänge von insgesamt ca. 10 km wäre eine<br />

flächendeckende Stützung oder Erhöhung der Deiche nicht möglich gewesen.<br />

Der Einsatz von LKWs, Booten und Hubschraubern hätte jeweils erhebliche Risiken für den<br />

Deich beinhaltet, die zur vorzeitigen Beschädigung bzw. zum Bruch des Deiches hätten<br />

führen können.<br />

Ab Sonntag Nachmittag kam hinzu, dass ein weiteres Betreten der Deiche durch<br />

Einsatzkräfte nicht mehr verantwortet werden konnte, da bei einem plötzlichen Reißen eines<br />

auf beiden Seiten von Wasser umgebenen Deiches den betroffenen Einsatzkräften den<br />

Rückweg abgeschnitten hätte und eine Rettung nahezu unmöglich gewesen wäre.


179<br />

4 Maßnahmen zur Warnung der Bevölkerung<br />

Vor dem Deichbruch<br />

Bereits 18 Stunden vor dem Deichbruch wurde die Bevölkerung auf die drohende Gefahr<br />

hingewiesen. Dabei wurde sowohl mit Lautsprecherwagen als auch durch amtliche<br />

Gefahrendurchsagen im Rundfunk gewarnt. Zudem wurden vom Landratsamt Kelheim<br />

Pressemitteilung herausgegeben und Auskünfte über die bei den Gemeinden und beim<br />

Landratsamt Kelheim eingerichteten Bürgertelefone erteilt. Im Vordergrund der ersten<br />

Warnungen stand der Hinweis auf die Möglichkeit eines Deichbruchs im Bereich von<br />

Neustadt a. d. Donau und die damit verbundene Hochwassergefahr für die Gebiete hinter<br />

den Deichen. Zudem wurde die Bevölkerung aufgefordert Heizöl und Gastanks zu sichern<br />

und Kraftfahrzeuge auf den speziell genannten sicheren Parkplätzen abzustellen.<br />

Diese Warnungen konnte keine konkreten Angaben zur Frage enthalten, wie hoch das<br />

Wasser im Falle eines Deichbruchs steigen würde, weil eine solche Aussage davon<br />

abhängig war, welcher Deich (Donaudeich oder Polderdeich) brechen und wo sich die<br />

Deichbruchstelle befinden würde.<br />

Nach dem Deichbruch<br />

Nach dem Bruch des Deiches wurde sofort auf die veränderte Situation reagiert. Es erfolgten<br />

sowohl aktualisierte Lautsprecherdurchsagen als auch aktualisierte amtliche<br />

Gefahrendurchsagen im Rundfunk. Beide enthielten die Informationen über das Ereignis<br />

(Deichbruch) und den ausdrücklichen Hinweis, dass obere Stockwerke aufzusuchen seien.<br />

Erst zu diesem Zeitpunkt konnte durch das Wasserwirtschaftsamt in Zusammenarbeit mit der<br />

Flussmeisterstelle und der Stadt Neustadt eine geodätische Karte erstellt und die Höhenkote<br />

ermittelt werden, bis zu der das Wasser steigen würde. Diese Höhenkote enthielt jedoch für<br />

die Bevölkerung keinen brauchbaren Informationsgehalt, da amtliche Hochwassermarken<br />

nicht existierten.<br />

Ein ausdrücklicher Hinweis, dass das Erdgeschoss auszuräumen sei, konnte schon deshalb<br />

nicht erfolgen, weil gerade nicht alle Häuser mit Wasser im Erdgeschoss betroffen waren,<br />

sondern manche auch mit Wasser im ersten Stock und viele andere mit Wasser im Keller.<br />

Eine nach Straßen differenzierte Warnung war bei der zunächst prognostizierten Zeit von<br />

drei Stunden bis zum Vollaufen des Polders nicht möglich.<br />

5 Zusammenfassung<br />

Zur Bewältigung des Hochwasserereignisses zu Pfingsten 1999 waren allein im Landkreis<br />

Kelheim ca. 5000 Kräfte verschiedenen Behörden, Stellen und Hilfsorganisationen tätig. Die<br />

Schäden im Landkreis Kelheim bei Landwirten, privaten Haus- und Grundbesitz, Hausrat,<br />

gewerblich und freiberuflich Tätigen lagen bei rund 122,5 Millionen Deutsche Mark.<br />

Die Fülle der ergriffenen Maßnahmen, die nicht nur im Einsatzschwerpunkt Neustadt a. d.<br />

Donau, sondern auch in den übrigen vom Donauhochwasser betroffenen Gemeinden<br />

durchgeführt wurden, war immens.<br />

Der Katastrophenfall wurde am Sonntag, den 23.05.1999 um 18.00 Uhr ausgerufen und erst<br />

am Freitag, den 28.05.1999 wieder aufgehoben. Alle Mitarbeiter des Krisenstabs,<br />

insbesondere die Führungskräfte bei den eingebundenen Behörden, Stellen und<br />

Hilfsorganisationen, aber auch die eingesetzten Kräfte waren bis zu den Grenzen ihrer


180<br />

Leistungsfähigkeit tätig. Die Leidtragenden sind die Betroffenen, die die Ereignisse an<br />

Pfingsten 1999 nicht vergessen werden.<br />

Das Pfingsthochwasser 1999 hat auch gezeigt, dass vorausschauende Planungen<br />

erforderlich sind, im Bereich von Neustadt a. d. Donau waren kurzfristige<br />

Deichverteidigungen nicht möglich, auch die an anderen Stelle errichteten provisorische<br />

Deiche (z. B. bei Kloster und Ortschaft Weltenburg) konnten bei diesem Jahrhundertereignis<br />

den Wassermassen nicht standhalten.<br />

Abb. 1: Überflutete Teile der Stadt Neustadt a. d. Donau an Pfingsten 1999<br />

Verfasser<br />

Dr. Hubert Faltermeier<br />

Landrat des Landkreises Kelheim<br />

Schlossweg 3<br />

93309 Kelheim<br />

landrat@landkreis-kelheim.de


181<br />

Hochwassereinsatzplan Ingolstadt – Veranlassung,<br />

Randbedingungen und Erfahrungen<br />

Kurzfassung<br />

Frank Kleist & Wunibald Koppenhofer<br />

Die Hochwasserschutzeinrichtungen im Stadtbereich von Ingolstadt sind zum Teil nicht<br />

ausreichend dimensioniert oder genügen nicht den anerkannten Regeln der Technik. Da<br />

nicht alle Sanierungs- und Neubaumaßnahmen unverzüglich realisierbar waren, sondern<br />

nach und nach in Angriff genommen werden mussten, wurde für die Stadt Ingolstadt ein<br />

Einsatzplan für den Katastrophenschutz im Hochwasserfall erstellt. Im folgenden Beitrag<br />

werden die Randbedingungen für den Maßnahmenplan sowie die praktischen Erfahrungen<br />

bei der Umsetzung des Plans während der Hochwasser 2003 und 2005 geschildert.<br />

1 Veranlassung des Maßnahmenplans<br />

Beim Pfingsthochwasser 1999 zeigten sich erhebliche Probleme bezüglich der<br />

Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Hochwasserschutzeinrichtungen an der<br />

Donau in Ingolstadt. Aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen konnten die<br />

Defizitbereiche im Hochwasserschutz nicht alle gleichzeitig und unverzüglich ausgeräumt<br />

werden. Im Zuge einer Priorisierung der Sanierungsbereiche beauftragte das<br />

Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt eine Reihe so genannter „Zustandserfassungen“, die<br />

jeweils einen Abschnitt des Hochwasserschutzes im Stadtbereich von Ingolstadt umfassten.<br />

Die Stadt Ingolstadt erkannte, dass bei einem realistisch eingeschätzten Zeitraum zur<br />

Verwirklichung des Hochwasserschutzes durch den Freistaat Bayern die Stadt mehrere<br />

Jahre mit einer reduzierten Hochwassersicherheit zurechtkommen müsse. Die Bereiche mit<br />

reduzierter Hochwassersicherheit würden im Hochwasserfall natürlich vom<br />

Katastrophenschutz zuerst gesichert werden müssen.


182<br />

Raffinerien in Ingolstadt<br />

Abb. 1: Problembereiche der bestehenden Hochwasserschutzeinrichtungen<br />

Insbesondere das Schadenspotential an den Raffinerien war so groß, dass von Seiten der<br />

Stadt Ingolstadt alles versucht wurde, bis zum Erreichen eines ausreichenden und den<br />

anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Hochwasserschutzes (BHQ = HQ100) der<br />

Katastrophenschutz möglichst optimal vorbereitet die Sicherung der unzureichenden<br />

Hochwasserschutzeinrichtungen vornehmen kann.<br />

Im Juli 2001 wurde deshalb das Ingenieurbüro SKI von der Stadt Ingolstadt beauftragt, für<br />

den Katastrophenschutz der Stadt mögliche Brennpunkte bei einem Hochwasser aufzuzeigen<br />

und Einsatzprioritäten vorzuschlagen. Dabei sollten die Ergebnisse der Zustandserfassungen<br />

zu den Hochwasserschutzsystemen in Ingolstadt berücksichtigt werden. Diese Erhebung<br />

mündete in einen Maßnahmenplan dessen Randbedingungen und Konzept im Folgenden<br />

dargestellt werden.<br />

Bei den Hochwasserereignissen in den Jahren 2003 und 2005 wurden Teile des<br />

Maßnahmenplans bereits verwirklicht. Deshalb können auch die Erfahrungen der Stadt<br />

Ingolstadt bei der Umsetzung des Maßnahmenplans im vorliegenden Beitrag erläutert<br />

werden.<br />

2Randbedingungen für den Maßnahmenplan<br />

Folgende Randbedingungen bestimmten den Einsatzplan:<br />

• Auflaufzeit der Hochwasserwelle / Vorwarnzeit<br />

Alle vorgeschlagenen Maßnahmen müssen innerhalb der Vorwarnzeit vor einem<br />

Hochwasserereignis abzuwickeln sein. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Maßnahmenplans<br />

sollte von einer 24-stündigen Vorwarnzeit ausgegangen werden.<br />

• Kapazitäten<br />

Die einzelnen Maßnahmen mussten auf die vorhandenen Möglichkeiten des<br />

Katastrophenschutzes abgestimmt werden. Dazu wurden vom Katastrophenschutz


183<br />

Erfahrungen zur Leistungsfähigkeit beigesteuert. z.B. wurde die Kapazität einer<br />

Arbeitsgruppe beim Sandsackbefüllen, -transport und –verlegung mit in den<br />

Maßnahmenplan eingearbeitet.<br />

• Gefahrbereiche<br />

Da die Deiche in Ingolstadt teilweise erheblich zu steil waren und die Böschungssicherheit<br />

im Hochwasserfall nicht gewährleistet war, mussten Bereiche ausgewiesen<br />

werden, die bei Einstau der Deiche nicht betreten werden durften. Diese Bereiche<br />

mussten also bereits vor Einstau der Deiche gesichert werden. Um die Katastrophenhelfer<br />

nicht einem erheblichen Risiko auszusetzen, konnte in diesen Bereichen keine<br />

Arbeiten zugelassen werden, während die Deiche im Vollstau waren.<br />

• Wasserseite / Luftseite<br />

Natürlich mussten vor Einstau der Deiche alle kritischen Bereiche auf der<br />

Wasserseite gesichert sein, da Arbeiten bei Einstau nicht mehr möglich sind.<br />

Anhand dieser Randbedingungen konnte ein Maßnahmenplan ausgearbeitet werden, der<br />

ausgehend vom prognostizierten Zeitpunkt des Erreichens eines bestimmten Abflusses in<br />

Ingolstadt einen Startzeitpunkt für jede einzelne Maßnahme ausweist.<br />

Tab. 1: Beispiel: Entwicklung der Vorlaufszeiten einzelner<br />

Vorgänge<br />

Vorgangsnummer<br />

5<br />

3 Ergebnisdarstellung<br />

Beschreibung der Teilleistungen<br />

- Charge 1: Befüllen, Verschnüren, Beladen von 450 Säcken<br />

lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />

- Charge 2: Befüllen, Verschnüren, Beladen von 450 Säcken<br />

lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />

- Charge 3: Befüllen, Verschnüren, Beladen von 450 Säcken<br />

lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />

- Transport von C 1 zum Tatort während Befüllen von C 2<br />

- Transport von C 2 zum Tatort während Befüllen von C 3<br />

- Transport von C 3 zum Tatort<br />

- Verlegen von C 1 während Befüllen von C 2 (v=3 Säcke/min)<br />

lt. Hr. Drexler (FW Ingolstadt)<br />

- Verlegen von C 2 mit 2 Gruppen während Befüllen von C 3<br />

(v=3 Säcke/min)<br />

- Verlegen von C 3 mit 2 Gruppen (→v=6 Säcke/min)<br />

Vorlaufdauer<br />

[h]<br />

5,5<br />

5,5<br />

5,5<br />

0<br />

0<br />

0,25<br />

0<br />

0<br />

1,25<br />

∑ 18,0<br />

Die Maßnahmen wurden im Lageplan dargestellt und priorisiert. Daneben wurde eine<br />

tabellarische Darstellung entwickelt (siehe Abb. 4).


Abb. 2: Beispiel Maßnahmenplan – Lageplan<br />

184<br />

Basierend auf den ermittelten Maßnahmen und den zu bewegenden Erdmassen, entschied<br />

sich die Stadt Ingolstadt in einem Rahmenvertrag mit einem Erdbauunternehmer, die entsprechenden<br />

Maschinenkapazitäten im Katastrophenfall zu sichern.<br />

berlegung zur Einsatznotwendigkeit vor Ort<br />

Transportkapazitäten – Einsatzplanung<br />

Abb. 3: Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes<br />

Ü


185<br />

Abb. 4: Darstellung im Maßnahmenplan - tabellarisch


186<br />

Dieses Vorgehen erwies sich als sehr hilfreich bei den praktischen „Probeläufen“ zum<br />

Hochwassermaßnahmenplan während der Hochwasserereignisse in den Jahren 2003 und<br />

2005.<br />

Problematisch ist dagegen die derzeit mögliche Prognosequalität der bayerischen Wasserwirtschaft.<br />

In beiden Fällen zum Hochwassereinsatz 2003 und 2005 waren die jeweils vom<br />

LfU (vormals LfW) prognostizierten Wellenscheitel um fast 1,0 m zu hoch vorhergesagt.<br />

Ebenso war der Zeitpunkt der Hochwasserspitze wesentlich zu früh prognostiziert. Aus<br />

diesem Grund wurde der Katastrophenschutz letztlich zu früh und zu umfangreich in Aktion<br />

gesetzt.<br />

Es scheint so, als könnte mit einer optimierten Prognosequalität ein erhebliches<br />

Verbesserungs- und Einsparpotential für den Katastrophenschutz geleistet werden.<br />

Als Vorteil des Einsatzplanes bleibt zu erwähnen, dass durch das Wissen der Öffentlichkeit<br />

um die Sicherheitsdefizite Hochwasserschutzmaßnahmen leichter realisierbar sind.<br />

Verfasser<br />

Dr.-Ing. Frank Kleist<br />

SKI GmbH + Co.KG<br />

Beratende Ingenieure für Wasserbau, Wasserwirtschaft und Grundbau<br />

Adlzreiterstraße 25<br />

80337 München<br />

kleist@ski-ing.de<br />

Dipl.-Ing (FH) Wunibald Koppenhofer<br />

Ingolstädter Kommunalbetriebe AöR<br />

Hindemithstraße 30<br />

85057 Ingolstadt<br />

wunibald.koppenhofer@in-kb.de


187<br />

„Erfahrungen bei der Verteidigung der Deiche an der Isar<br />

während des Hochwassers 2005“<br />

Kurzfassung<br />

Gregor Overhoff<br />

Im August 2005 war der Süden Bayerns erneut von einem großen Hochwasser betroffen.<br />

Wie an einigen anderen alpinen Flüssen in Bayern auch wurden die<br />

Hochwasserschutzeinrichtungen an der Isar bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit<br />

beansprucht. Die Hochwasserspitze im Oberlauf der Isar konnte durch den Rückhalt im<br />

Sylvensteinspeicher zwar von 1100 m³/s auf 350 m³/s gedrosselt und damit Schlimmeres<br />

verhindert werden, die anschließende Leerung des Speichers zusammen mit der lange<br />

nachlaufenden Abflusswelle in der Isar führte jedoch im Raum Freising – Moosburg zu<br />

Problemen mit der Standsicherheit der alten Deiche.<br />

Nur durch den tatkräftigen Einsatz des Katastrophenschutzes gelang es, die Deiche zu<br />

verteidigen und Deichbrüche zu verhindern. Im Beitrag werden die Maßnahmen und<br />

Erfahrungen bei der Deichverteidigung wiedergegeben.<br />

1 Wetterlage im August 2005<br />

Der südbayerische Raum lag ab dem 21.08.2005 im Bereich der Nordflanke eines<br />

ausgeprägten Tiefs in einer östlichen Strömung, das sich nur sehr langsam von der<br />

Adria nach Nordosten verlagerte. Zusammen mit den feucht-warmen Luftmassen aus dem<br />

Mittelmeerraum baute sich<br />

eine „Vb-Wetterlage“ 1 auf<br />

und verursachte<br />

ergiebigen Dauerregen.<br />

Durch die nachfolgend<br />

zunehmend nördliche<br />

Anströmung verstärkte<br />

sich der Staueffekt an den<br />

Alpen und das<br />

Niederschlagsgebiet<br />

dehnte sich vom<br />

Bodensee bis zum Inn<br />

aus. Die ungewöhnlichen<br />

Niederschlagsintensitäten<br />

führten zu besonders<br />

steilen Anstiegen der<br />

Abflüsse und brachten im<br />

Oberlauf der alpinen<br />

Abb. 1: Jährlichkeiten der Scheitelabflüsse beim<br />

Augusthochwasser 2005 im südbayerischen Raum<br />

1 Adriatief mit feuchtwarmer Mittelmeerluft, das an der Alpennordseite abregnet<br />

Flüsse<br />

Hochwasserspitzen mit


188<br />

Jährlichkeiten deutlich größer als 100 Jahre (Abb. 1). Am Oberlauf der Isar und an der Iller<br />

wurden sogar Abflussspitzen im Bereich eines 300-jährlichen Ereignisses beobachtet.<br />

An der Oberen Isar wurden stellenweise Niederschlagssummen von über 200 mm innerhalb<br />

24 Stunden gemessen, die binnen weniger Stunden zu einer Zuflussspitze zum<br />

Sylvensteinspeicher von 1100 m³/s führten.<br />

2 Hochwasserrückhalt durch den Sylvensteinspeicher<br />

Abb. 2:<br />

Niederschlagssumme<br />

im Isargebiet vom<br />

21.08. bis 24.08.2005<br />

Die ersten Niederschlagsprognosen am Sonntag, 21.08.2005 ließen auf ein weniger großes<br />

Hochwasser schließen. Die dann ab Montagmittag einsetzenden Niederschläge, die sich in<br />

der Nacht auf Dienstag zu lang anhaltenden Starkniederschlägen intensivierten, führten am<br />

Dienstag, 23.08. in der Früh ab 2 Uhr zu einem stark anschwellenden Zufluss in den<br />

Sylvensteinspeicher. Die erste Zuflussspitze mit ca. 950 m³/s wurde am Nachmittag von<br />

einer zweiten Spitze mit 1100 m³/s nochmals deutlich übertroffen.<br />

Wegen der hohen Isarabflüsse unterhalb des Sylvensteinspeichers konnte bis<br />

Dienstagmittag nur wenig aus dem Speicher abgegeben werden, ohne Bad Tölz zu<br />

gefährden. Der Seewasserstand stieg daher innerhalb von 37 Stunden um knapp 11 Meter<br />

an. Bei einem Füllungsgrad des bewirtschaftbaren Hochwasser-Rückhalteraums von 65 %<br />

wurde ab Dienstagnachmittag 23.08.05 die Abgabe aus dem Speicher deutlich erhöht, um<br />

das Anspringen der Hochwasserentlastung und die dann kaum mehr kontrollierbaren<br />

Abflüsse zu verhindern.<br />

Insgesamt konnten von der rund 72 Mio. m³ großen Fülle des Hochwassers ca. 52 Mio. m³<br />

(= 72%) im Sylvensteinspeicher zurückgehalten werden. Der Seewasserstand stieg dabei bis<br />

auf 8 cm unter die Überlaufschwelle der alten Hochwasserentlastung an. Der<br />

bewirtschaftbare Hochwasser-Schutzraum wurde dabei zu 94 % genutzt (Abb. 3).


189<br />

Unter Berücksichtigung der Unterlieger wurde der Speicher wegen der nächsten<br />

anrückenden Tiefdruckzone über mehrere Tage zügig geleert, um Retentionsraum für neue<br />

Hochwasserwellen zu schaffen. Nachdem für das Speichereinzugsgebiet erneut bis zu 60<br />

mm Niederschlag prognostiziert waren, wurde über 32 Stunden die Abgabe aus dem<br />

Sylvensteinspeicher mit 350 m³/s gefahren, anschließend auf 300 m³/s leicht gesenkt und<br />

über weitere 30 Stunden beibehalten. Erst nach der Entspannung der Wettersituation wurde<br />

der Abfluss aus dem Speicher auf unter 200 m³/s zurückgenommen.<br />

765<br />

760<br />

755<br />

750<br />

745<br />

740<br />

735<br />

Speicherbewirtschaftung<br />

Stau (Stundenwerte); Zufluss, Abfluss (Stundenmittelwerte)<br />

mNN m³/s<br />

770<br />

1400<br />

1100<br />

m³/s<br />

HW-<br />

Rückhaltung<br />

52,3 Mio m³<br />

762,42 mNN<br />

350 m³/s<br />

0 24 48 72 96 120 144<br />

21.08.05 22.08.05 23.08.05 24.08.05 25.08.05 26.08.05<br />

Stau SP-Zufluss SP-Abfluss<br />

Abb. 3: Hochwasserbewirtschaftung des Sylvensteinspeichers vom 21. - 26.08.2005<br />

3 Hochwassersituation in München und Freising<br />

Beim Hochwassermanagement durch den Sylvensteinspeicher sind neben Bad Tölz auch<br />

die Abflüsse in München und Freising zu beachten. Die Abgabe aus dem Speicher wird so<br />

geregelt, dass sie sich nicht mit Hochwasserspitzen aus den Seitengewässern unterhalb<br />

überlagert. Dabei soll in München und im Raum Freising Moosburg ein Abfluss von rund 900<br />

m³/s eingehalten bzw. bei extremen Hochwasserereignissen - soweit möglich - der Wert von<br />

etwa 1000 bis 1100 m³/s nicht überschritten werden.<br />

In München wurde am Mittwoch 24.08. etwa um 6:00 Uhr die Abflussspitze mit knapp 1000<br />

m³/s erreicht (Abb. 4). Diese Spitze war auch geprägt durch das Hochwasser der Loisach,<br />

das in Eschenlohe zu großen Schäden geführt hat. Abgesehen von kleineren lokalen<br />

Schadenspunkten konnte München vor größeren Hochwasserschäden geschützt werden.<br />

Im Raum Freising - Moosburg führte das ablaufende Hochwasser zu Problemen bei der<br />

Standsicherheit der ca. 70 – 80 Jahre alten Isardeichen. Dabei war die Isar-Abflussspitze in<br />

Freising mit rund 860 m³/s das geringere Problem, da der Freibord ausreichend war. Die<br />

Schwierigkeiten ergaben sich erst mit der längeren Beaufschlagung der Deiche durch den<br />

Hochwasserabfluss, der zu deutlichen Sickerwasseraustritten auf der Dammluftseite führte.<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0


1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

190<br />

Pegel Bad Tölz / München / Freising<br />

m³/s Stundenwerte<br />

m³/s<br />

0 24 48 72 96 120<br />

0<br />

144<br />

21.08.05 22.08.05 23.08.05 24.08.05 25.08.05 26.08.05<br />

P.München P. Bad Tölz B.T. (Q krit.) M (Q krit.) P. Freising<br />

Abb. 4: Abflussganglinien des Isarhochwassers vom 21.08. bis 26.08.2005 an den<br />

Pegeln Bad Tölz, München und Freising<br />

4 Deichverteidigung im Raum Freising - Moosburg<br />

Unterhalb von Freising verlaufen die Hochwasserschutzdeiche an der Isar auf einem<br />

längeren Abschnitt durch das Naturschutz- und FFH-Gebiet „Isarauen bei Hangenham“.<br />

Nach dem Hochwasser 1999 wurde auf der linken Flussseite von der etwa 11 km langen<br />

Deichstrecke bis Moosburg die Hälfte saniert. Die rund 7 km langen Deichabschnitte auf der<br />

rechten Flussseite waren noch im ursprünglichen Zustand belassen worden, da das<br />

Sanierungskonzept mit einer Rückverlegung der Deiche verfahrenstechnisch noch nicht<br />

abgeschlossen ist. Die weiteren Ausführungen<br />

beziehen sich auf die<br />

Deichverteidigungsmaßnahmen an der rechten<br />

Isarseite.<br />

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (23.-<br />

24.08.2005) wurde bei einem Abfluss von rund<br />

600 m³/s eine deutliche Zunahme von<br />

Sickerwasseraustritten auf der Luftseite der<br />

unsanierten Deichabschnitte festgestellt, die mit<br />

weiter steigendem Pegel der Isar zunahmen. Mit<br />

den Vorbereitungsmaßnahmen zur<br />

Deichverteidigung war bereits frühzeitig am<br />

Dienstag früh begonnen worden, da die ersten<br />

Abflussprognosen einen noch höheren Spitzen-<br />

Abfluss in Freising erwarten ließen.<br />

Mit zunehmender Dauer der lang gestreckten<br />

Hochwasserwelle, die auch „künstlich<br />

beeinflusst“ war durch die zügige und<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

Abb. 5: „Sickerwasserquelle“ am<br />

luftseitigen Deichfuß


191<br />

kontrollierte Leerung des Sylvensteinspeichers, wurden in den alten Deichabschnitten neben<br />

den flächigen Sickerwasseraustritten auch lokale „Quellaustritte“ mit Beginn einer<br />

rückschreitenden Erosion an der Luftseite der durchnässten Deichfüße festgestellt (Abb. 5).<br />

Da die Gefahr von Deichbrüchen drohte und eine Deichverteidigung mit den örtlichen Kräften<br />

alleine nicht ausreichte, war von den Landratsämtern Freising und Erding bereits ab<br />

Dienstagnachmittag der Katastrophenalarm ausgerufen worden. Damit konnte auch<br />

Unterstützung durch das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr angefordert werden.<br />

Abb. 6: Festsitzendes Feuerwehrfahrzeug blockiert den<br />

aufgeweichten Deichhinterweg<br />

Zur schnellen und effektiven<br />

Stabilisierung der Deiche wurden<br />

am luftseitigen Deichfuß<br />

großflächige Auflastschüttungen<br />

aus kiesigem Material<br />

vorgenommen, die mit Radlader<br />

oder Bagger einplaniert wurden.<br />

Probleme bereitete dabei in<br />

einigen Abschnitten die<br />

Zugänglichkeit zu den Deichen.<br />

Das vorhandene Wegenetz war<br />

wegen des durchnässten und<br />

wenig tragfähigen Untergrunds<br />

den schweren Achslasten der<br />

Transportfahrzeuge oft nicht<br />

gewachsen, so dass neben der<br />

Deichverteidigung auch große<br />

Anstrengungen zur „(Wieder-)<br />

Herstellung“ der Zufahrts- und Deichhinterwege unternommen bzw. festsitzende Fahrzeuge<br />

herausgezogen werden mussten (Abb. 6).<br />

In einigen Deichabschnitten konnte wegen<br />

schlechter Zufahrten nicht mit Großgerät<br />

gearbeitet werden. Hier wurde die<br />

Deichverteidigung überwiegend durch den Bau<br />

von Fangedämmen aus Sandsäcken<br />

sichergestellt (Abb.7). Durch die den Deichfuß<br />

stützende Wirkung der „Querrippen“ und das<br />

Wasserpolster als Gegendruck zum<br />

ausströmenden Sickerwasser konnte die Erosion<br />

wirksam gebremst werden. Zum Antransport der<br />

Sandsäcke dienten kleinere Fahrzeuge wie<br />

Unimog, Radlader oder Kettenraupen. Nachdem<br />

auf der rechten Isarseite zwischen den<br />

Ortschaften Gaden und Rosenau (Gemeinde<br />

Eitting) die Zufahrt zu den Deichen durch<br />

festsitzende LKW blockiert war, kamen für den<br />

Antransport schließlich auch schwere<br />

Lastenhubschrauber der Bundeswehr zum<br />

Einsatz. Die weitere Verteilung bis an die<br />

Abb. 7: Deichsicherung durch<br />

Fangedämme am luftseitigen Deichfuß;<br />

alleine im Bereich Gaden wurden rund<br />

750.000 Sandsäcke verbaut


192<br />

Einsatzstellen erfolgte dann über Sandsackketten oder mit Schubkarren.<br />

Eine kritische Einsatzstelle bei der Deichverteidigung war der Abschnitt unterhalb der<br />

Ortschaft Rosenau, bei dem in der Nacht auf den 26.08. auf etwa 300 Meter Länge der<br />

durchweichte luftseitige Deichkörper abrutschte. Hier konnte von der unmittelbar dahinter<br />

liegenden Kreisstraße aus der<br />

Deichstützkörper durch etwa 100<br />

LKW-Ladungen Grubenkies<br />

wiederhergestellt werden.<br />

Abb. 8: Dammbalkennische in der Deichlinie (oben),<br />

teilweise unterspülte Kreisstraße zwischen Gaden -<br />

Oberhummel (unten)<br />

Eine weitere schwer einschätzbare<br />

Gefahrenstelle war die Kreuzung der<br />

Ortsverbindung Gaden –<br />

Oberhummel (über die Isar) mit dem<br />

Hochwasserschutzdeich. Die<br />

Deichlinie wird hier durch die Straße<br />

unterbrochen und muss im<br />

Hochwasserfall durch eine doppelte<br />

Dammbalkenlage verschlossen<br />

werden. Durch das schnell strömende<br />

Hochwasser im Vorland und die<br />

Unstetigkeit in der Deichlinie war der<br />

wasserseitige Deichfuß besonders<br />

hohen hydraulischen Belastungen<br />

ausgesetzt. Der hohe und dichte<br />

Grasbewuchs, der durch die<br />

Strömung auf den Untergrund<br />

gedrückt wurde, schützte diesen vor<br />

größeren Erosionen. An scheinbar<br />

wesentlich stabileren Stellen wurde<br />

das Bankett der Verbindungsstraße<br />

durch die Überströmung soweit<br />

erodiert, dass die Straße nach Ablauf<br />

des Hochwassers teilweise gesperrt<br />

werden musste (Abb. 8).<br />

Mit dem Rückgang des Hochwasserabflusses in der Isar ab Samstagmittag auf unter 400<br />

m³/s entspannte sich die Situation an den Deichen im Raum Freising – Moosburg spürbar.<br />

Die Sickerwasseraustritte kamen zum Erliegen und das Ausmaß der zu sanierten Schäden<br />

wurde sichtbar. Der Einsatz des Katastrophenschutzes, der in den Landkreisen Erding und<br />

Freising rund 5 Mio. € Kosten verursacht hat, konnte schließlich am Samstagnachmittag<br />

27.07.05 bzw. in Freising am Samstagabend beendet werden.<br />

5 Erfahrungen und Schlussfolgerungen<br />

Durch den konzentrierten Einsatz der örtlichen Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks<br />

und der Bundeswehr konnten die gefährdeten Deichabschnitte an der Isar im Bereich<br />

Freising – Moosburg über mehrere Tage erfolgreich verteidigt werden. Ohne die tatkräftige


193<br />

Unterstützung der über 1500 Personen wären einige Deichabschnitte mit Sicherheit<br />

gebrochen und hätten zu großflächigen Überschwemmungen geführt.<br />

Aus dem insgesamt sehr erfolgreichen Einsatz lassen sich folgende Rückschlüsse ziehen:<br />

• Wichtigste Grundlage zur Deichverteidigung ist ein Wegenetz mit Zufahrtswegen und<br />

Deichhinterwegen. Im Idealfall sollten die Zufahrtswege so angelegt sein, dass etwa<br />

alle 200 - 300m der Deichhinterweg angefahren werden kann. Die Wege sollten<br />

genügend breit sein oder Ausweichstellen besitzen, einen stabilen Unterbau mit<br />

ausreichender Tragfähigkeit haben und eine befestigte Fahrbahn (z.B.<br />

wassergebundene Decke aus Erdbeton) aufweisen. Bei der Beseitigung der<br />

Hochwasserschäden war die Wiederherstellung der Wege der mit Abstand größte<br />

Schadensblock. Daher wären einmalige Investitionen in einen sachgerechten Ausbau<br />

des Wegenetzes langfristig sinnvoll und wirtschaftlich.<br />

• Eine schnelle und effektive Maßnahme zur<br />

Verbesserung der Standsicherheit<br />

• gefährdeter Deiche ist ein Auflastfilter aus<br />

sandig-kiesigem Material am luftseitigen<br />

Deichfuß. Der maschinelle Auftrag mit<br />

Bagger oder Radlader setzt entsprechende<br />

Arbeitsräume voraus sowie ausreichend<br />

breite und befahrbare Nachschubwege.<br />

• Die Stabilisierung von Deichen durch<br />

Fangdämme oder Quellkaden ist ebenfalls<br />

eine wirksame Maßnahme der<br />

Deichverteidigung. Wegen des hohen<br />

personellen Aufwands sollte er jedoch auf<br />

Bereiche beschränkt bleiben, in denen der<br />

Einsatz von Erdbaugerät nicht möglich ist<br />

oder nur lokale Schwachstellen im Deich<br />

verstärkt werden müssen.<br />

Abb. 10: Platzierung des Notstromaggregats<br />

auf einer Palette am Deichfuß<br />

Abb. 9: Sandsack als Not-Sicherung<br />

einer Erosionsstelle<br />

• Eine wirksame Notmaßnahme<br />

gegen fortschreitende Erosion<br />

bei Wühltiergängen in<br />

kiesigschluffigen Deichen ist<br />

das „Verstopfen“ des Lochs<br />

mit einem Sandsack. Diese<br />

Maßnahme sollte jedoch nur<br />

als „adhoc“-Hilfe betrachtet<br />

und durch einen anschließend<br />

zu bauenden Fangdamm<br />

ergänzt werden (Abb. 9).<br />

• Um den durch das<br />

Hochwasser stark<br />

beanspruchten Deich nicht


194<br />

weiter zu belasten, sollten Notstromaggregate nicht auf der Deichkrone oder direkt<br />

am Deichfuß platziert werden (Abb. 10). Die von den laufenden Geräten<br />

ausgehenden Schwingungen übertragen sich in den Deichkörper und können die<br />

Ausspülung von Feinteilen beschleunigen. Falls die Aufstellung nur in unmittelbare<br />

Deichnähe möglich ist, sollten mehrere Lagen Sandsäcke und ggf. Paletten unter<br />

• dem Stromaggregat die Erschütterungen in den Untergrund abpuffern.<br />

• Eine geschlossene und durchwurzelte Oberbodenschicht ist der beste natürliche<br />

Schutz gegen Erosionen<br />

durch den<br />

Oberflächenabfluss oder<br />

durch ausströmendes<br />

Sickerwasser an<br />

Böschungsflächen. Daher ist<br />

die Pflege einer dichten und<br />

geschlossenen Grasnabe<br />

eine nicht zu<br />

unterschätzende Aufgabe<br />

der Deichunterhaltung. Bei<br />

der Deichverteidigung sollte<br />

auch darauf geachtet<br />

werden, dass der luftseitige<br />

Deichfuß nicht unnötig<br />

begangen oder durch<br />

Fahrzeuge befahren und<br />

beschädigt wird.<br />

• Insgesamt sollte der sachgerechten Deichunterhaltung wieder mehr Aufmerksamkeit<br />

gewidmet werden. Die technischen Anforderungen an die Deiche und ihre<br />

Unterhaltung, die in verschiedenen Regelwerken festgehalten sind (DIN 19712<br />

„Flußdeiche“; DVWK Merkblatt 210 bzw. künftig DWA-M 513 „Deiche an<br />

Fließgewässern“, z. Zt. in Erstellung) sollten besser beachtet und auch in<br />

Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten konsequent angewandt werden.<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Gregor Overhoff<br />

Bayerisches Landesamt für Umwelt<br />

Referat 62<br />

Edmund-Rumpler-Str 7<br />

80939 München<br />

gregor.overhoff@lfu.bayern.de<br />

Abb. 11: stark beanspruchte Oberbodenschicht am<br />

luftseitigen Deichfuß nach dem Hochwasser


195<br />

Hochwasser an der Iller 2005 – Bewährungsprobe der<br />

gewählten Bauweisen<br />

Kurzfassung<br />

Armin Schaupp<br />

Das Hochwasserschutzprojekt Obere Iller wurde nach dem Pfingsthochwasser 1999 aus der<br />

Taufe gehoben. Ziel war es, einen Hochwasserschutz auf das abgelaufene<br />

Pfingsthochwasser 1999 (ca. 200 mm Niederschlag zu realisieren. Dabei wurden durchaus<br />

ungewöhnliche Wege gegangen.<br />

Die erste Bewährungsprobe bestanden die durchgeführten Maßnahmen und gewählten<br />

Bauweisen beim Augusthochwasser 2005, das das Pfingsthochwasser 1999 übertraf.<br />

Schäden in zigfacher Millionenhöhe konnten verhindert werden.<br />

1 Gewählte Strategie<br />

• Dem Hochwasserschutzprojekt<br />

Obere Iller wurde folgende<br />

Strategie zugrunde gelegt:<br />

• Ein einheitlicher Schutzgrad<br />

vom Ursprung bis zur<br />

Mündung<br />

• Bauweisen, die eine<br />

Deichverteidigung sehr<br />

unwahrscheinlich machen, den<br />

Deichunterhalt minimieren und<br />

bei Überströmung eine höhere<br />

Standsicherheit aufweisen.<br />

• Durch gezielten Rückhalt die<br />

vorhandenen<br />

Überschwemmungsgebiete<br />

effektiver nutzen<br />

• Durch Hochwassermanagement eine optimierte Steuerung der Talsperren und eine<br />

verbesserte Vorwarnzeit für die evtl. Betroffenen<br />

2 Umsetzung<br />

Abb. 1: „Strategie im Hochwasserschutzprojekt<br />

Obere Iller“<br />

Das Gesamtprojekt umfasst einen Kostenrahmen von ca. 100 Mio. €. Bis zum 31.12.2005<br />

wurden bereits ca. 70 Mio. € umgesetzt.<br />

Von Sonthofen über Blaichach, Burgberg und Immenstadt konnte damit ein<br />

Hochwasserschutz-Niveau Pfingsthochwasser 1999 – bevor das Augusthochwasser 2005<br />

eintraf – hergestellt werden.


3 Bewährungsprobe<br />

Der Abschnitt Fischen, der südlichste<br />

Abschnitt, war von Haus aus in der<br />

Verwirklichung als letzter Abschnitt<br />

vorgesehen. Hier waren noch keine<br />

Baumaßnahmen vorgenommen worden, die<br />

Planung war aber bereits am Laufen.<br />

August 2005 war der Schwerpunkt der<br />

Niederschläge im Raum Oberstdorf. Die Iller<br />

führte teilweise ein 500-jähriges Ereignis. Die<br />

alten Deiche in Fischen waren bordvoll<br />

eingestaut, teilweise bereits überronnen,<br />

aber hielten sich noch.<br />

Problematisch wurde es erst, als der<br />

Wasserspiegel wieder sank. Durch Wildholz<br />

wurde eine Eisenbahnbrücke (2 Pfeiler im<br />

Gewässerbett) verklaust, das zulaufende<br />

Wasser wurde aufgestaut und strömte links<br />

und rechts großflächig über die Deiche. Die<br />

Folge waren große Deichbrüche auf der<br />

linken wie rechten Seite. Die Iller verließ ihr<br />

angestammtes Gewässerbett. Auf der<br />

orographisch linken Seite wurden Teile von<br />

Fischen und landwirtschaftliche Flächen in<br />

großem Umfang eingestaut und<br />

verschlemmt.<br />

196<br />

Abb. 2: Investitionen im Hochwasserschutzprojekt Obere Iller<br />

Abb. 3: Fischen – Sonthofen Szenario 2005<br />

Das orographisch rechts ausströmende Wasser staute Teile von Au durch Rückstau ein und<br />

floss dann über landwirtschaftliche Flächen auf den Abschnitt Sonthofen zu.


197<br />

Am Hinanger Bach war der Rücklaufdeich<br />

ebenfalls mit einer ca. 6 m tiefen MIP-Wand<br />

ausgestattet worden. Das ausgeströmte<br />

Wasser schoss über den Rücklaufdeich und<br />

floss dann Richtung Sonthofen. Die MIP-Wand<br />

wurde teilweise 3 – 4 m frei gespült, hielt aber<br />

stand. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden,<br />

dass sich das eingestaute rückliegende<br />

Becken (ca. 250.000 m³) flutwellenartig in<br />

Richtung Sonthofen entleert hätte.<br />

Vor Sonthofen konnte die realisierte<br />

Abb. 3: Frei gespülte MIP-Wand<br />

sogenannte 2. Verteidigungslinie aktiviert und<br />

die Stadt Sonthofen damit vor wesentlichen Schäden bewahrt werden.<br />

Fazit<br />

Die gewählte Strategie und insbesondere die gewählten Deichbauweisen haben sich<br />

bewährt. Es musste kein Deich von Sonthofen bis Immenstadt verteidigt werden. Selbst lang<br />

anhaltenden Überströmungen hat die MIP-Wand standgehalten und nicht zuletzt den Einstau<br />

von Sonthofen damit verhindert.<br />

Verfasser<br />

Dipl.-Ing. Armin Schaupp<br />

Wasserwirtschaftsamt Kempten<br />

Abteilung B - Neubau<br />

Rottachstraße 15<br />

87439 Kempten<br />

armin.schaupp@wwa-ke.bayern.de


198<br />

Planungen für ein gemeinsames Ausbildungskonzept<br />

Hochwasser in Bayern<br />

Kurzzusammenfassung<br />

Bernd Zaayenga<br />

Das Pfingsthochwasser 1999 sowie die Augusthochwasser in den Jahren 2002 und 2005<br />

sind in lebhafter Erinnerung. Ob diese Hochwasser die Vorboten einer sich bereits<br />

ankündigenden Klimaänderung sind, kann dahingestellt bleiben. Die massiven und oft lang<br />

andauernden Katastropheneinsätze haben jedoch eindeutig gezeigt, dass der Erfolg von<br />

Einsatzmaßnahmen neben anderen Faktoren auch von der guten Zusammenarbeit zwischen<br />

Wasserwirtschaftsverwaltung und Katastrophenschutz abhängig war. Koordinierte und<br />

abgestimmte Einsatz- und Schutzmaßnahmen sind erfolgreicher, als ein unkoordiniertes<br />

Nebeneinander; hier sind sich alle Fachleute einig. Als Grundlage hierfür entscheidend ist<br />

zunächst die effiziente und wirkungsvolle Kooperation bei der Aus- und Fortbildung von<br />

Einsatzkräften, die für Hochwassereinsätze in Frage kommen. Das Bayerische<br />

Staatsministerium des Innern plant deshalb in enger Zusammenarbeit mit dem Bayer.<br />

Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und der<br />

Wasserwirtschaftsverwaltung ein gemeinsames Ausbildungskonzept „Hochwasserschutz in<br />

Bayern“.<br />

Grundlagen der angestrebten Konzeption<br />

Die Grundüberlegung für die angestrebte Zusammenarbeit geht von einer notwendigen<br />

Zusammenarbeit aller Verantwortungs- und Entscheidungsträger, Fachberater sowie<br />

Einsatz- und Hilfskräfte aus, die mit Hochwasserereignissen und -einsätzen konfrontiert<br />

werden. Dieser Personenkreis sollte die Möglichkeit haben, in theoretischen und/oder<br />

praktischen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen grundlegendes Wissen zu erlangen, zu<br />

vertiefen und Erfahrungen auszutauschen. Im Rahmen dieser Veranstaltungen sollte neben<br />

den präventiven Maßnahmen im administrativen-organisatorischen Bereich (z.B.<br />

Ausarbeitung von Gefährdungsanalysen, Aufstellung von Einsatzplänen) auch das<br />

strategisch-operative (z.B. Einsatzleitung bei Hochwasserkatastrophen) und technischtaktische<br />

Hochwassermanagement (z.B. praktische Übungen zur Deichverteidigung an<br />

verschiedenen Deichbauten) geschult und in einem kontinuierlichen Prozess optimiert<br />

werden.<br />

Großflächige Hochwasserereignisse sind eigentlich natürliche Ereignisse und können, wenn<br />

überhaupt, nur schwer und mit hohem finanziellem Einsatz verhindert werden. Das<br />

Umweltministerium hat hierfür das Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020 aufgelegt, mit<br />

dem bis zum Jahr 2020 ein weitgehender Hochwasserschutz verwirklicht werden soll. Als<br />

flankierende Maßnahme sollten die Auswirkungen und Schäden durch Hochwasser auch<br />

durch eine transdisziplinäre Aus- und Fortbildung aller betroffener Behörden, Stellen und<br />

Einsatzkräfte begrenzt werden. Dies ist das Ziel des Ausbildungskonzeptes<br />

„Hochwasserschutz in Bayern“.<br />

In einer zentralen Ausbildungsveranstaltung (theoretisch und praktisch) sollten Grundlagen<br />

der richtigen und sicheren Deichverteidigung und der Schutz betroffener Objekte erlernt und<br />

geübt werden. Neben dieser „zentralen Ausbildung“ ist es sicherlich auch notwendig,


199<br />

dezentrale Veranstaltungen durchzuführen, um die Bedürfnisse und Erfordernisse den<br />

örtlichen Verhältnisse sowie topographischen Gegebenheiten anzupassen.<br />

Deichverteidigung ist an großen Flüssen grundsätzlich anders zu bewerten und zu<br />

behandeln, als an kleineren Flüssen, Wildbächen oder in Gebieten mit der Gefahr von<br />

Hangrutschen. Dies gilt es in den dezentralen Veranstaltungen zu behandeln.<br />

Wir haben deshalb Überlegungen angestellt, ein Aus- und Fortbildungskonzept mit<br />

unterschiedlichen Modulen aufzubauen, das die Bereiche administrativ-organisatorische<br />

strategisch-operative sowie<br />

technisch-taktische<br />

Komponenten umfasst.<br />

Administrativ-organisatorische Komponente<br />

Für dieses Ausbildungsmodul kommen als Zielgruppe Vertreter der<br />

Katastrophenschutzbehörden und der Kommunen/Gemeinden in Betracht. In einer zentralen<br />

Veranstaltung sollen als Basismodul die Grundlagen der Hochwasserabwehr für Gemeinden<br />

und Katastrophenschutzbehörden vermittelt werden. Als Inhalte kommen hierfür rechtliche<br />

Grundlagen und Zuständigkeiten bei der Hochwasserabwehr, der Aufbau und die Erstellung<br />

von Gefährdungsanalysen, das Vorhersage- und Warnmanagement sowie die Ausarbeitung<br />

von Organisations-, Muster- und Alarm- und Einsatzplänen in Betracht. Aufbauend darauf<br />

soll in dezentralen Spezialausbildungen, die auf die jeweiligen Flusseinzugsgebiete<br />

zugeschnittenen sind, die Hochwasserabwehr an Flussgebietsmodulen geschult werden.<br />

Hierzu wäre vorstellbar in einem Workshop maßgeschneiderte Lösungen für Einzugsgebiete<br />

größerer Flüsse zusammen mit den zuständigen Gemeinden und<br />

Katastrophenschutzbehörde zu behandeln.<br />

Strategisch-operative Komponente<br />

Als Zielgruppe sind hierfür Vertreter von Katastrophenschutzbehörden und<br />

Wasserwirtschaftsämtern vorgesehen. In zwei zentralen und einer dezentralen Veranstaltung<br />

sollten das Hochwassermanagement und die Koordination von<br />

Hochwasserschutzmaßnahmen für Führungskräfte und Fachberater im Katastrophenschutz<br />

vermittelt werden. Denkbar wäre in einem Tagesmodul das Management im<br />

Hochwasserereignis und die Zusammenarbeit im Katastrophenfall zu simulieren und in<br />

einem Aufbaumodul anhand von Einsatzberichten und tatsächlichen Einsatzerfahrungen<br />

einen qualifizierten Erfahrungsaustausch anzuregen. Diese Aufbauschulung böte zudem<br />

Gelegenheit, Änderungen und Neuerungen zu vorausgegangenen Veranstaltungen<br />

darzustellen und die Erfahrungen im Rahmen einer Planübung zu überprüfen.<br />

Mit einer Standortschulung (dezentralen Veranstaltung) könnten die im jeweiligen<br />

Zuständigkeitsbereich existierenden Planungen zur Hochwasserabwehr anhand von<br />

Musterfällen und vorbereiteter Schadensszenarien in Form einer Stabsrahmenübung<br />

überprüft werden.<br />

Um auch die Besonderheiten von Berg- und Wildbächen sowie großen Flüssen<br />

berücksichtigen zu können, müssten unter der strategisch-operativen Komponente mit der<br />

gleichen Zielgruppe (Katastrophenschutzbehörden, Wasserwirtschaftsämter) zwei<br />

Spezialausbildungsmodule für Führungskräfte und Fachberater im Katastrophenschutz für


200<br />

das Hochwassermanagement im Bergland und an größeren Flüssen angeboten werden. Das<br />

Modul Bergland sollte dabei im Wesentlichen das besondere Management bei<br />

Hochwasserlagen im Bergland, die Problematik der Wildbäche, Hangrutsche und Muren<br />

behandeln und in Planübungen auf die damit zusammenhängenden besondere Probleme<br />

eingehen und Lösungsansätze aufzeigen. Überdies könnte dieses Spezialausbildungsmodul<br />

eine wertvolle Plattform für einen Erfahrungsaustausch der Beteiligten bieten.<br />

In dem Modul Hochwassermanagement für größere Flüsse könnte insbesondere das<br />

unterschiedliche Management für Hochwasserlagen an großen Flüssen und die geeigneten<br />

Deichverteidigungsmaßnahmen behandelt und zur Vertiefung des Wissens Planübungen<br />

durchgeführt werden. Auch dieses Modul würde sich hervorragend für einen umfassenden<br />

Erfahrungsaustausch eignen.<br />

Technisch-taktische Komponente<br />

Zielgruppe für diese Veranstaltung sind die Einsatzorganisationen wie Feuerwehren,<br />

Hilfsorganisationen, Technisches Hilfswerk, Bundeswehr sowie weitere Kräfte, die z.B. von<br />

der Gemeinde gestellt werden (gemeindliche Bauhöfe). In zentralen und dezentralen<br />

Veranstaltung könnten die technischen Grundlagen der Hochwasserabwehr und<br />

Deichverteidigung, aber auch Sonderthemen, wie Objektschutz, Schadensbeseitigung,<br />

Einsatz von Hilfsgeräten und das besondere Thema Menschenrettung, Rettung aus<br />

Gebäuden, Rettung und Anlanden von Brücken usw., behandelt werden.<br />

In dezentralen Veranstaltungen könnten insbesondere regionalbezogen die Themen für<br />

Wildbäche, Muren und Hangrutsch, aber auch größere Flussgebiete behandelt und für das<br />

Einzugsgebiet großer Flüsse die Arbeit mit mobilen Hochwasserschutzelementen und der<br />

Umgang mit Großgerät vermittelt werden.<br />

Zusammenfassung<br />

Durch den modularen Aufbau der Ausbildungen können Planungen und Vorbereitungen von<br />

Hochwasserschutzmaßnahmen angesprochen, aber auch die Organisation für einen<br />

erfolgreichen Hochwassereinsatz dargestellt sowie rechtliche Grundlagen und allgemein<br />

gültige Standards vermittelt werden. Dabei gewährleisten die geplanten dezentralen<br />

Veranstaltungen die Einbeziehung der regionalen und örtlichen Besonderheiten in die Aus-<br />

und Fortbildung. Als Plattform für einen umfassenden breit angelegten Erfahrungsaustausch<br />

könnten Informationen über neue Techniken vermittelt werden, was grundsätzlich zur<br />

weiteren Verbesserung der Hochwasserabwehr führen wird. Durch die Zusammensetzung<br />

der Lehrgänge, an denen sowohl Katastrophenschutzbehörden wie Kommunalvertreter, aber<br />

auch Vertreter der Wasserwirtschaftsverwaltung teilnehmen, ist gewährleistet, dass sich die<br />

bei Hochwasser handelnden Personen bereits kennen gelernt haben; dies dürfte bei einem<br />

Hochwassereinsatz die erforderliche Zusammenarbeit sehr fördern.<br />

Die Hochwasser der letzten Jahre in Bayern haben nach einer Schätzung des Bayer.<br />

Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Schäden in<br />

Privathaushalten, Land- und Forstwirtschaft, kommunale und staatliche Infrastruktur,<br />

Gewässern und Wildbauten im Jahr 1999 in Höhe von 346 Mio. Euro, 2002 in Höhe von 188<br />

Mio. Euro und 2005 in Höhe von 189 Mio. Euro angerichtet. Die Kosten für den Aufbau und<br />

die Durchführung von Ausbildungsveranstaltungen dürften in der Relation zu diesen<br />

Schadenssummen verschwindend gering und im Interesse einer erfolgreichen


201<br />

Hochwasserverteidigung die sich auch in der Schadensbegrenzung widerspiegelt, gut<br />

angelegt sein.<br />

Das Ausbildungskonzept in Bayern ist im Aufbau. Wir hoffen aber dennoch, noch dieses Jahr<br />

mit den ersten Ausbildungsveranstaltungen beginnen zu können.<br />

Der Beitrag stützt sich auf Konzeptentwürfe von Herrn Rasp, Wasserwirtschaftsamt<br />

Traunstein, und Herrn Dr. Schwarz, Leiter der Staatlichen Feuerwehrschule Geretsried. Für<br />

die Überlassung der Unterlagen bedanke ich mich herzlich.<br />

Verfasser<br />

Bernd Zaayenga<br />

Bayerisches Staatsministerium des Innern<br />

Sachgebiet ID4<br />

Odeonsplatz 3<br />

80539 München<br />

Bernd.Zaayenga@stmi.bayern.de


202<br />

Bisher erschienene Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />

Wasserwirtschaft der Technischen Universität München<br />

Nr. 1 Häusler, Erich: Energieumwandlung bei einem frei fallenden, kreisrunden Strahl in einem<br />

Wasserpolster, 1962, vergriffen<br />

Nr. 2 Spiekermann, Günter: Instabile Formen des Schußstrahles beim Abfluß unter Schützen<br />

und seine Kraftwirkungen auf die Schützenkonstruktion, 1962, vergriffen<br />

Nr. 3 Linder, Gaspar: Über die Gestaltung von Durchlaßausläufen, 1963, vergriffen<br />

Nr. 4 Knauss, Jost: Modellversuche über die Hochwasserentlastungsanlagen an kleinen<br />

Rückhaltespeichern in Südbayern, 1963, vergriffen<br />

Nr. 5 Mahida, Vijaysinh: Mechanismus der Schnellsandfiltration, 1964, vergriffen<br />

Nr. 6 Rothmund, Hermann: Energieumwandlung durch Strahlumlenkung in einer Toskammer,<br />

1966, vergriffen<br />

Nr. 7 Häusler, Erich: Luftsiphons für den pneumatischen Verschluß von<br />

Wassereinlauföffnungen, 1966, vergriffen<br />

Nr. 8 Seus, Günther J.: Die Anfangskavitation, 1966, vergriffen<br />

Nr. 9 Knauss, Jost: Schießender Abfluß in offenen Gerinnen mit fächerförmiger Verengung,<br />

1967, vergriffen<br />

Nr. 10 Häusler, Erich; Bormann, Klaus: Schießender bzw.strömender Abfluß in Bächen<br />

Schultz, Gert A.: Die Anwendung von Computer-Programmen für das Unit-Hydrograph-<br />

Verfahren am Beispiel der Iller<br />

Bauch, Wolfram: Untersuchungen über Wasserstandsvorhersagen an einem 600 m langen<br />

Modell der Donaustrecke Regensburg-Straubing, 1967, vergriffen<br />

Nr. 11 Schultz, Gert A.: Bestimmung theoretischer Abflußganglinien durch elektronische<br />

Berechnung von Niederschlagskonzentration und Retention (Hyreun-Verfahren), 1968,<br />

vergriffen<br />

Nr. 12 Raumer, Friedrich von: Verteilung von Bewässerungswasser in Kanälen - Eine<br />

Systematik großer Kanalsysteme zur Verteilung von Bewässerungswasser unter besonderer<br />

Berücksichtigung von Regulier- und Meßvorgängen, 1968, vergriffen<br />

Nr. 13 Bormann, Klaus: Der Abfluß in Schußrinnen unter Berücksichtigung der Luftaufnahme,<br />

1968<br />

Nr. 14 Scheuerlein, Helmut: Der Rauhgerinneabfluß, 1968, vergriffen<br />

Nr. 15 Koch, Kurt: Die gegenseitige Strahlablenkung auf horizontaler Sohle, 1968<br />

Nr. 16 Bauch, Wolfram: Die Hochwasserwelle im ungestauten und gestauten Fluß, 1968<br />

Nr. 17 Marr, Gerhard: Vergleich zweier Differenzenverfahren in einem mathematischen Modell<br />

zur Berechung von instationären Abflußvorgängen in Flüssen, 1970, vergriffen<br />

Nr. 18 Herbrand, Karl: Der räumliche Wechselsprung, 1970, vergriffen<br />

Nr. 19 Seus, Günther J.: Betrachtungen zur Kontinuitätsbedingung der Hydromechanik;<br />

Zielke, Werner: Zur linearen Theorie langer Wellen in Freispiegelgerinnen, 1971<br />

Nr. 20 Häusler, Erich: Entnahmetürme mit Luftsiphons, 1971, vergriffen<br />

Nr. 21 Herbrand, Karl: Das Tosbecken mit seitlicher Aufweitung, 1971<br />

Nr. 22 Knauss, Jost: Hydraulische Probleme beim Entwurf von Hochwasserentlastungsanlagen<br />

an großen und kleinen Staudämmen, 1971, vergriffen


203<br />

Nr. 23 Zielke, Werner: Brechnung der Frequenzganglinien und Eigenschwingungen von<br />

Rohrleitungssystemen<br />

Zielke, Werner; Wylie, E.Benjamin: Zwei Verfahren zur Berechnung instationärer<br />

Strömungen in Gasfernleitungen und Gasrohrnetzen, 1971<br />

Nr. 24 Knauss, Jost: Wirbel an Einläufen zu Wasserkraftanlagen, 1972, vergriffen<br />

Nr. 25 Kotoulas, Dimitrios: Die Wildbäche Süddeutschlands und Griechenlands, Teil 1, 1972,<br />

vergriffen<br />

Nr. 26 Keller, Andreas: Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Problem der<br />

modellmäßigen Behandlung von Strömungskavitation, 1973, vergriffen<br />

Nr. 27 Horn, Heinrich: Hochwasserabfluß in automatisch geregelten Staustufen, 1973<br />

Nr. 28 Bonasoundas, Markos: Strömungsvorgang und Kolkproblem am runden Brückenpfeiler,<br />

1973<br />

Nr. 29 Horn, Heinrich; Zielke, Werner: Das dynamische Verhalten von Flußstauhaltungen,<br />

1973<br />

Nr. 30 Uslu, Orhan: Dynamische Optimierung der Fließbeiwerte in mathematischen<br />

Flußmodellen und Berücksichtigung der Vorlandüberströmung - Eine Anwendung des<br />

Operations Research im theoretischen Flußbau, 1974<br />

Nr. 31 Kotoulas, Dimitrios: Die Wildbäche Süddeutschlands und Griechenlands, Teil 2, 1975,<br />

vergriffen<br />

Nr. 32 50 Jahre Versuchsanstalt Obernach<br />

Hartung, Fritz: Einführung: Was treiben eigentlich die Obernacher?<br />

Knauss, Jost: Strategien und Entscheidungshilfen beim Hochwasserschutz in Städten,<br />

dargestellt am Beispiel der Hochwasserfreilegung der Stadt Harburg an der Wörnitz<br />

Häusler, Erich: Abstürze und Stützschwellen in hydraulischer und konstruktiver<br />

Betrachtung (Mindestfallhöhen zur Erzielung einer genügenden hydraulischen<br />

Wirksamkeit)<br />

Seus, Günther J.; Hack, Hans-Peter: Erster Vergleich der Ergebnisse des physikalischen<br />

Modells in Obernach mit denen des neuen mathematischen Modells<br />

Uslu, Orhan; Schmitz, Gerd: Parameteridentifikation und Sensitivitätsanalyse bei<br />

mathematischen Modellen in der Hydrologie<br />

Keller, Andreas; Zielke, Werner: Veränderung des freien Gasgehaltes in turbulenten<br />

Rohrströmungen bei plötzlichen Druckabsenkungen<br />

Herbrand, Karl: Zusammenführung von Schußstrahlen. Zwei praktische Beispiele<br />

konstruktiver Lösungen aus Modellversuchen<br />

Zielke, Werner: Grenzen der deterministischen Betrachtungsweise in der<br />

Strömungsmechanik, 1976<br />

Nr. 33 Probleme der Arbeit des beratenden Ingenieurs in der Wasserwirtschaft der<br />

Entwicklungsländer. Symposium am 13.10.1976 in Wallgau<br />

Bauch, Wolfram: Besondere Probleme bei der Planung und Ausführung der<br />

Gesamtentwässerung Busan/Korea<br />

Bormann, Klaus: Wasserkraftstudie West Kamerun und Bau der Wasserkraftanlage<br />

Batang Agam, Indonesien, zwei Entwicklungshilfe-Projekte unter extremen Bedingungen<br />

Raumer, Friedrich von: Zielvorstellungen und Verwirklichung eines<br />

wasserwirtschaftlichen Mehrzweckprojektes in Ecuador<br />

Krombach, Jürgen: Der beratende Ingenieur in Entwicklungsländern gestern und heute:<br />

Berater, Kontrolleur, Entwicklungshelfer oder Geschäftsmann? (am Beispiel<br />

wasserwirtschaftlicher Projekte), 1977


204<br />

Nr. 34 50 Jahre Versuchsanstalt Obernach, Feierstunde am 14.10.1976 in Wallgau<br />

Hartung, Fritz: Die Wasserbauversuchsanstalt Obernach im Strom der Zeit<br />

Bischofsberger, Wolfgang: Laudatio für Professor Dr.-Ing. E. Mosonyi<br />

Mosonyi, Emil: Wasserbau, Technik oder Kunst? 1977<br />

Nr. 35 50 Jahre Versuchsanstalt Obernach,<br />

Ausleitungen aus geschiebeführenden Flüssen, Seminar am 15.10.1976 in Obernach<br />

Cecen, Kazim: Die Verhinderung des Geschiebeeinlaufes zu Wasserfassungsanlagen<br />

Midgley, D.C.: Abstraction of water from sediment-laden rivers in Southern Africa<br />

Jacobsen, J.C.: Geschiebefreie Triebwasserfassungen - Modellversuche am Beispiel des<br />

sogenannten Geschiebeabzuges<br />

Scheuerlein, Helmut: Die Bedeutung des wasserbaulichen Modellversuchs für die<br />

Gestaltung von Ausleitungen aus geschiebeführenden Flüssen, 1977<br />

Nr. 36 Hack, Hans-Peter: Lufteinzug in Fallschächten mit ringförmiger Strömung durch<br />

turbulente Diffusion, 1977<br />

Nr. 37 Csallner, Klausotto: Strömungstechnische und konstruktive Kriterien für die Wahl<br />

zwischen Druck- und Zugsegment als Wehrverschluß, 1978<br />

Nr. 38 Kanzow, Dietz: Ein Finites Element Modell zur Berechnung instationärer Abflüsse in<br />

Gerinnen und seine numerischen Eigenschaften, 1978<br />

Nr. 39 Keller, Andreas; Prasad, Rama: Der Einfluß der Vorgeschichte des Testwassers auf den<br />

Kavitationsbeginn an umströmten Körpern - Ein Beitrag zur Frage der Rolle der<br />

Kavitationskeime bei Strömungskavitation, 1978<br />

Nr. 40 Hartung, Fritz: 75 Jahre Nilstau bei Assuan - Entwicklung und Fehlentwicklung, 1979,<br />

vergriffen<br />

Nr. 41 Knauss, Jost: Flachgeneigte Abstürze, glatte und rauhe Sohlrampen<br />

Scheuerlein, Helmut: Wasserentnahme aus geschiebeführenden Flüssen<br />

Häusler, Erich: Unkonventionelle neuere Stauhaltungswehre an bayerischen Flüssen als<br />

gleichzeitige Sohlsicherungsbauwerke, 1979, vergriffen<br />

Nr. 42 Seus, Günther J.; Joeres, Erhard P.; Engelmann, Herbert M.: Lineare<br />

Entscheidungsregeln und stochastische Restriktionen bei Bemessung und Betrieb von<br />

Speichern, 1979, vergriffen<br />

Nr. 43 Meier, Rupert C.: Analyse und Vorhersage von Trockenwetterabflüssen - Eine<br />

Anwendung der Systemhydrologie, 1980, vergriffen<br />

Nr. 44 Treske, Arnold: Experimentelle Überprüfung numerischer Berechnungsverfahren von<br />

Hochwasserwellen, 1980, vergriffen<br />

Nr. 45 Csallner, Klausotto; Häusler, Erich: Abflußinduzierte Schwingungen an Zugsegmenten -<br />

Ursachen, Sanierung und allgemeine Folgerungen<br />

Herbrand, Karl; Renner, Dietrich: Aufnahme und Wiedergabe der Bewegung von<br />

Schwimmkörpern mit einem Video-Meßsystem<br />

Keller, Andreas: Messungen des Kavitationskeimspektrums im Nachstrom eines Schiffes<br />

- die ersten Großausführungsmessungen mit der Laser-Streulichtmethode<br />

Knauss, Jost: Neuere Beispiele für Blocksteinrampen an Flachlandflüssen<br />

Scheuerlein, Helmut: Der gelbe Fluß - nach wie vor Chinas Sorge oder die<br />

Unerbittlichkeit der Natur gegenüber 4000 Jahren menschlicher Bemühungen<br />

Seus, Günther J.: Nochmals: Das Muskingum-Verfahren. Fingerübungen zu einem<br />

bekannten Thema als "gradus ad parnassum" sowie neue Gedanken zur Interpretation des<br />

Anwendungsbereiches und eine Lösung des Problems der Nebenflüsse<br />

Treske, Arnold: Hochwasserentlastung an Dämmen. Zwei konstruktiv ähnliche Lösungen<br />

im Modellversuch, 1981, vergriffen


205<br />

Nr. 46 Schmitz, Gerd: Instationäre Eichung mathematischer Hochwasserablauf-Modelle auf der<br />

Grundlage einesneuen Lösungsprinzips für hyperbolische Differentialgleichungs-Systeme,<br />

1981, vergriffen<br />

Nr. 47 Scheuerlein, Helmut: Der wasserbauliche Modellversuch als Hilfsmittel bei der<br />

Bewältigung von Verlandungsproblemen in Flüssen<br />

Knauss, Jost: Rundkronige und breitkronige Wehre, hydraulischer Entwurf und bauliche<br />

Gestaltung<br />

Keller, Andreas: Maßstabseffekte bei der Anfangskavitation, 1983, vergriffen<br />

Nr. 48 Renner, Dietrich: Schiffahrtstechnische Modellversuche für Binnenwasserstraßen - Ein<br />

neues System und neue Auswertungsmöglichkeiten, 1984, vergriffen<br />

Nr. 49 Sonderheft: Erhaltung und Umbau alter Wehre (Wasserbau im historischen Ensemble,<br />

drei Beispiele aus dem Hochwasserschutz bayerischer Städte), 1984, vergriffen<br />

Nr. 50 Knauss, Jost; Heinrich, B.; Kalcyk, H.: Die Wasserbauten der Minyer in der Kopais - die<br />

älteste Flußregulierung Europas, 1984, vergriffen<br />

Nr. 51 Hartung, Fritz; Ertl, Walter; Herbrand, Karl: Das Donaumodell Straubing als Hilfe für<br />

die Planung und Bauausführung der Staustufe Straubing, 1984<br />

Nr. 52 Hahn, Ulrich: Lufteintrag, Lufttransport und Entmischungsvorgang nach einem<br />

Wechselsprung in flachgeneigten, geschlossenen Rechteckgerinnen, 1985<br />

Nr. 53 Bergmann, Norbert: Entwicklung eines Verfahrens zur Messung und Auswertung von<br />

Strömungsfeldern am wasserbaulichen Modell, 1985<br />

Nr. 54 Schwarz, Jürgen: Druckstollen und Druckschächte - Bemessung und Konstruktion, 1985,<br />

vergriffen<br />

Nr. 55 Schwarz, Jürgen: Berechnung von Druckstollen - Entwicklung und Anwendung eines<br />

mathematischen Modells und Ermittlung der felsmechanischen Parameter, 1987<br />

Nr. 56 Seus, Günther J.; Edenhofer, Johann; Czirwitzky, Hans-Joachim; Kiefer, Ernst-<br />

Martin; Schmitz, Gerd; Zunic, Franz: Ein HN-Modellsystem für zweidimensionale,<br />

stationäre und instationäre Strömungen beim Hochwasserschutz von Städten und<br />

Siedlungen, 1987<br />

Nr. 57 Knauss, Jost: Die Melioration des Kopaisbeckens durch die Minyer im 2. Jt.v.Chr. –<br />

Kopais 2 - Wasserbau und Siedlungsbedingungen im Altertum, 1987<br />

Nr. 58 Mtalo, Felix: Geschiebeabzug aus Kanälen mit Hilfe von Wirbelröhren, 1988<br />

Nr. 59 Yalin, M. Selim; Scheuerlein, Helmut: Friction factors in alluvial rivers<br />

Yalin, M. Selim: On the formation mechanism of dunes and ripples<br />

Keller, Andreas: Cavitation investigations at one family of NACA-hydrofoils at different<br />

angles of attack, as a contribution to the clarification of scale effects at cavitation inception,<br />

1988<br />

Nr. 60 Schmitz, Gerd H.: Strömungsvorgänge auf der Oberfläche und im Bodeninneren beim<br />

Bewässerungslandbau. Grundlagen, Kritik der herkömmlichen Praxis und neue<br />

hydrodynamisch-analytische Modelle zur Oberflächenbewässerung, 1989<br />

Nr. 61 Muckenthaler, Peter: Hydraulische Sicherheit von Staudämmen, 1989, vergriffen<br />

Nr. 62 Kalenda, Reinhard: Zur Quantifizierung der hydraulischen Versagenswahrscheinlichkeit<br />

beweglicher Wehre, 1990<br />

Nr. 63 Knauss, Jost: Kopais 3, Wasserbau und Geschichte, Minysche Epoche - Bayerische Zeit<br />

(vier Jahrhunderte - ein Jahrzehnt), 1990<br />

Nr. 64 Kiefer, Ernst-Martin; Liedl, Rudolf; Schmitz Gerd H.; Seus Günther J.: Konservative<br />

Strömungsmodelle auf der Basis krummliniger Koordinaten unter besonderer<br />

Berücksichtigung von Wasserbewegungen im ungesättigt-gesättigten Boden, 1990


206<br />

Nr. 65 Hartung, Fritz: Der ägyptische Nil 190 Jahre im Spiel der Politik (1798-1988)<br />

Hartung, Fritz: Gedanken zur Problematik der Nilwehre<br />

Döscher, Hans-Dieter; Hartung, Fritz: Kritische Betrachtungen zum Stützwehr im<br />

Toschka-Entlastungsgerinne des Assuan-Hochdammes, 1991<br />

Nr. 66 Schmitz, Gerd H.; Seus, Günther J.; Liedl, Rudolf: Ein semi-analytisches<br />

Infiltrationsmodell für Füllung und Entleerung von Erdkanälen<br />

Keller, Andreas P.: Chinese-German comparative cavitation tests in different test facilities<br />

on models of interest for hydraulic civil engineering, 1991<br />

Nr. 67 Liedl, Rudolf: Funktionaldifferentialgleichungen zur Beschreibung von<br />

Wasserbewegungen in Böden natürlicher Variabilität - Beiträge zur Theorie und<br />

Entwicklung eines numerischen Lösungsverfahrens, 1991<br />

Nr. 68 Zunic, Franz: Gezielte Vermaschung bestehender Kanalisationssysteme - Methodische<br />

Studien zur Aktivierung freier Rückhalteräume unter besonderer Berücksichtigung der<br />

Abflusssteuerung, 1991<br />

Nr. 69 Eickmann, Gerhard: Maßstabseffekte bei der beginnenden Kavitation - Ihre<br />

gesetzmäßige Erfassung unter Berücksichtigung der wesentlichen Einflußgrößen, 1991<br />

Nr. 70 Schmid, Reinhard: Das Tragverhalten von Erd- und Steinschüttdämmen mit<br />

Asphaltbeton-Kerndichtungen, 1991<br />

Nr. 71 Kiefer, Ernst-Martin: Hydrodynamisch-numerische Simulation der Wasserbewegung im<br />

ungesättigten und gesättigten Boden unter besonderer Berücksichtigung seiner natürlichen<br />

Variabilität, 1991<br />

Nr. 72 Strobl, Th.; Steffen, H.; Haug, W.; Geiseler, W.-D.: Kerndichtungen aus Asphaltbeton<br />

für Erd- und Steinschüttdämme, 1992<br />

Nr. 73 Symposium: Betrieb, Unterhalt und Modernisierung von Wasserbauten.<br />

Garmisch-Partenkirchen, 29. - 31. Oktober 1992<br />

Nr. 74 Heilmair, Thomas; Strobl, Theodor: Erfassung der sohlnahen Strömungen in<br />

Ausleitungsstrecken mit FST-Halbkugeln und Mikro-Flowmeter - ein Vergleich der<br />

Methoden, 1994<br />

Nr. 75 Godde, Dominik: Experimentelle Untersuchungen zur Anströmung von Rohrturbinen -<br />

Ein Beitrag zur Optimierung des Turbineneinlaufs, 1994<br />

Nr. 76 Knauss, Jost: Von der Oberen zur Unteren Isar<br />

Alte und neue Wasserbauten rund um die Benediktenwand. Bachumleitungen -<br />

Treibholzfänge - durchschwallte Rohre - eine besondere Entlastungsanlage<br />

Sohlensicherung an der Unteren Isar. Sohlstufenkonzept - Belegung der Sohle mit größeren<br />

Steinen in offener Anordnung, 1995<br />

Nr. 77 Knauss, Jost: Argolische Studien: Alte Straßen - alte Wasserbauten. Talsperre von<br />

Mykene; Flußumleitung von Tiryns; Hydra von Lerna; Küstenpass Anigraia, 1996<br />

Nr. 78 Aufleger, Markus: Ein Beitrag zur Auswertung von Erddruckmessungen in Staudämmen,<br />

1996<br />

Nr. 79 Heilmair, Thomas: Hydraulische und morphologische Kriterien bei der Beurteilung von<br />

Mindestabflüssen unter besonderer Berücksichtigung der sohlnahen<br />

Strömungsverhältnisse, 1997<br />

Nr. 80 Maile, Willibald: Bewertung von Fließgewässer-Biozönosen im Bereich von<br />

Ausleitungskraftwerken (Schwerpunkt Makrozoobenthos), 1997<br />

Nr. 81 Knauss, Jost: Olympische Studien: Herakles und der Stall des Augias. Kladeosmauer und<br />

Alpheiosdamm, die Hochwasserfreilegung von Alt-Olympia, 1998<br />

Nr. 82 Symposium: Planung und Realisierung im Wasserbau - Vergleich von<br />

Zielvorstellungen mit den Ergebnissen, Garmisch-Partenkirchen 15. – 17. Oktober 1998


207<br />

Nr. 83 Hauger, Stefan: Verkehrssteuerung auf Binnenwasserstraßen – Ein Beitrag zur<br />

Optimierung der Schleusungsreihenfolge in Stillwasserkanälen und staugeregelten Flüssen,<br />

1998<br />

Nr. 84 Herbrand, Karl: Schiffahrtstechnische Untersuchungen der Versuchsanstalt Obernach;<br />

Ein Rückblick auf ein traditionelles Untersuchungsgebiet der VAO, 1998<br />

Nr. 85 Hartlieb, Arnd: Offene Deckwerke – Eine naturnahe Methode zur Sohlstabilisierung<br />

eintiefungsgefährdeter Flußabschnitte, 1999<br />

Nr. 86 Spannring, Michael: Die Wirkung von Buhnen auf Strömung und Sohle eines<br />

Fließgewässers – Parameterstudie an einem numerischen Modell, 1999<br />

Nr. 87 Kleist, Frank: Die Systemdurchlässigkeit von Schmalwänden. Ein Beitrag zur Herstellung<br />

von Schmalwänden und zur Prognose der Systemdurchlässigkeit, 1999<br />

Nr. 88 Lang, Tobias: Geometrische Kriterien zur Gestaltung von Kraftwerkseinläufen.<br />

Experimentelle Untersuchungen an Rohr-S-Turbine und Durchströmturbine, 1999<br />

Nr. 89 Aufleger, Markus: Verteilte faseroptische Temperaturmessungen im Wasserbau, 2000<br />

Nr. 90 Knauss, Jost: Späthelladische Wasserbauten. Erkundungen zu wasserwirtschaftlichen<br />

Infrastrukturen der mykenischen Welt, 2001<br />

Nr. 91 Festschrift aus Anlass des 75-jährigen Bestehens der Versuchsanstalt für Wasserbau und<br />

Wasserwirtschaft der Technischen Universität München in Obernach – Oskar v. Miller-<br />

Institut, 2001<br />

Nr. 92 Wildner, Harald: Injektion von porösem Massenbeton mit hydraulischen Bindemitteln,<br />

2002<br />

Nr. 93 Wildbach Naturversuche<br />

Loipersberger, Anton und Sadgorski, Constantin: Schwemmholz in Wildbächen –<br />

Problematik und Abhilfemaßnahmen; Geschiebeuntersuchungen; 1D und 2D<br />

Abflussmodelle in einem Wildbach<br />

Rimböck, Andreas: Naturversuch Seilnetzsperren zum Schwemmholzrückhalt in<br />

Wildbächen – Planung, Aufbau, Versuchsdurchführung und Ergebnisse<br />

Hübl, Johannes und Pichler, Andreas: Zur berührungslosen Erfassung der Fließtiefe und<br />

Fließgeschwindigkeit in einem Wildbachgerinne zum Zeitpunkt des Durchganges der<br />

Hochwasserwelle, 2002<br />

Nr. 94 Rimböck, Andreas: Schwemmholzrückhalt in Wildbächen – Grundlagen zu Planung und<br />

Berechnung von Seilnetzsperren, 2003<br />

Nr. 95 Nothhaft, Sabine: Die hydrodynamische Belastung von Störkörpern, 2003<br />

Nr. 96 Schmautz, Markus: Eigendynamische Aufweitung in einer geraden Gewässerstrecke –<br />

Entwicklung und Untersuchungen an einem numerischen Modell, 2003<br />

Nr. 97 Neuner, Johann: Ein Beitrag zur Bestimmung der horizontalen Sicherheitsabstände und<br />

Fahrrinnenbreiten für Wasserstraßen, 2004<br />

Nr. 98 Göhl, Christian: Bypasseinrichtungen zum Abstieg von Aalen an Wasserkraftanlagen,<br />

2004<br />

Nr. 99 Haimerl, Gerhard: Groundwater Recharge in Wadi Channels Downstream of Dams -<br />

Efficiency and Management Strategies, 2004<br />

Nr. 100 Symposium: Lebensraum Fluss – Hochwasserschutz, Wasserkraft, Ökologie<br />

Band 1; Wallgau, Oberbayern, 16. - 19. Juni 2004<br />

Nr. 101 Symposium: Lebensraum Fluss – Hochwasserschutz, Wasserkraft, Ökologie<br />

Band 2; Wallgau, Oberbayern, 16. - 19. Juni 2004<br />

Nr. 102 Huber, Richard: Geschwindigkeitsmaßstabseffekte bei der Kavitationserosion in der<br />

Scherschicht nach prismatischen Kavitatoren, 2004<br />

Nr. 103 Exposed Thermoplastic Geomembranes for Sealing of Water Conveyance Canals<br />

Guidelines for Design, Supply and Installation, 2005


208<br />

Nr. 104 Workshop „Anwendung und Grenzen physikalischer und numerischer Modelle im<br />

Wasserbau“. Wallgau, Oberbayern, 29. und 30. September 2005<br />

Nr. 105 Conrad, Marco: A contribution to the thermal stress behaviour of Roller-Compacted-<br />

Concrete (RCC) gravity dams – Field and numerical investigations, 2006<br />

Nr. 106 Patrick, Schäfer: Basic Research on Rehabilitation of Aged Free Flow Canals with<br />

Geomembranes, 2006<br />

Nr. 107 Fachtagung: Deichertüchtigung und Deichverteidigung in Bayern<br />

Wallgau, Oberbayern, 13. und 14. Juli 2006

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