Kraftraining in der Rehabilitation
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physiografik | Transfertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
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Wie<strong>der</strong><br />
allt ags fi t<br />
Elektronischer Son<strong>der</strong>druck zur persönlichen Verwendung<br />
Transfertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit dem Bottom-up-Ansatz Wenn<br />
es darum geht, Patienten nach e<strong>in</strong>er Verletzung wie<strong>der</strong><br />
fit für den Alltag und den Hobbysport zu bekommen,<br />
s<strong>in</strong>d Physiotherapeuten gefragt. Wie sie das Rehatra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
optimal aufbauen, zeigt die physiografik im Innenteil.<br />
Um Patienten nach e<strong>in</strong>er Verletzung wie<strong>der</strong> fit zu machen,<br />
empfiehlt sich <strong>der</strong> Bottom-up-Ansatz aus <strong>der</strong> ESP Sportphysiotherapie.<br />
Dabei ist es egal, ob Oma Müller beim E<strong>in</strong>kaufen<br />
umgeknickt ist und wie<strong>der</strong> fit für den Alltag se<strong>in</strong> möchte o<strong>der</strong> ob<br />
Student Jan sich beim Fußball das Kreuzband gerissen hat und<br />
wie<strong>der</strong> tra<strong>in</strong>ieren will. Bottom up bedeutet, dass <strong>der</strong> Patient die<br />
Belastung Schritt für Schritt von unten beg<strong>in</strong>nend aufbaut, bis er<br />
die Belastbarkeit für se<strong>in</strong>en Alltag, <strong>in</strong>klusive Sport, wie<strong>der</strong> erreicht<br />
hat. So geht er von e<strong>in</strong>er bekannten und verträg lichen Belastung<br />
e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Schritt zur nächstschwierigeren Stufe. Das bietet<br />
Sicherheit, die nötig ist, damit <strong>der</strong> Transfer von e<strong>in</strong>em Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g unter<br />
Therapiebed<strong>in</strong>gungen zu schnellen Bewegungen, zum Beispiel<br />
beim Überqueren e<strong>in</strong>er Straße o<strong>der</strong> beim Fußballtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, gel<strong>in</strong>gen<br />
kann. Das sogenannte Transfertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g von Robert van den Berg<br />
baut auf Ideen von To<strong>in</strong>e van de Goolberg und Prof. Dr. Bert van<br />
W<strong>in</strong>gerden auf [1–4]. Van den Berg hat es um neurophysiologische<br />
Erkenntnisse erweitert und methodisch strukturiert [5].<br />
Die Theorie h<strong>in</strong>ter dem Transfertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g → Die Grundlage für<br />
das Transfersystem bilden die zwei Rekrutierungspr<strong>in</strong>zipien<br />
„Size Pr<strong>in</strong>ciple“ (Größenpr<strong>in</strong>zip nach Henneman) und „Reversed<br />
Size Pr<strong>in</strong>ciple“. Das Size Pr<strong>in</strong>ciple besagt, dass bei leichten Wi<strong>der</strong>ständen<br />
Typ-I-Muskelfasern (ST-Fasern) aktiviert werden<br />
( ABB. 1). Höhere Belastungsreize führen zu e<strong>in</strong>er zusätzlichen<br />
Innervation von Typ-II-Muskel fasern (FT- Fasern). Die Intensität<br />
wird <strong>in</strong> maximal möglichen Wie<strong>der</strong>holungen angegeben, dem<br />
Repetition Maximum (RM). Die höchste Intensität beträgt 1 RM,<br />
das entspricht dem Gewicht, das <strong>der</strong> Patient genau e<strong>in</strong>mal<br />
exzentrisch und konzentrisch bewegen kann.<br />
Das Reversed Size Pr<strong>in</strong>ciple beschreibt, wie sich die Innervation<br />
unter schnellen Bed<strong>in</strong>gungen verhält: Reduziert man die<br />
Last und erhöht die Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>der</strong> Bewegung, werden die<br />
Typ-I-Fasern irgendwann nicht mehr rechtzeitig <strong>in</strong>nerviert und<br />
es s<strong>in</strong>d nur noch Typ-II-Fasern aktiv ( ABB. 2).<br />
Die Stufen des Transfertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs → Die e<strong>in</strong>zelnen Schritte des<br />
Transfertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d hierarchisch aufgebaut und zw<strong>in</strong>gend nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
durchzuführen, um Rezidive zu vermeiden ( INNEN-<br />
SEITE). Zu Beg<strong>in</strong>n steht die sogenannte Kraft-Rehabilita tionsstufe<br />
1 (KRS 1). Der Patient übt ermüdungsfrei die Bewegungen, die er<br />
später für das Krafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g benötigt. Der Therapeut überprüft, ob<br />
<strong>der</strong> Patient die Qualitätskriterien ( TAB.) e<strong>in</strong>hält. Beherrscht <strong>der</strong><br />
Patient die Übungen technisch gut, kann die Arbeit mit Lasten und<br />
Ermüdung beg<strong>in</strong>nen. Für e<strong>in</strong>e optimale Dosierung und Steigerung<br />
können sich Therapeuten hierfür an <strong>der</strong> Idee des Size Pr<strong>in</strong>ciple<br />
orientieren. In KRS 2 und 3 startet <strong>der</strong> Patient mit leichten<br />
Gewichten und muss, um zu ermüden, viele Wie<strong>der</strong> holungen<br />
machen. Die Lasten entsprechen e<strong>in</strong>em RM 21–30 <strong>in</strong> KRS 2 und<br />
e<strong>in</strong>em RM 16–20 <strong>in</strong> KRS 3. Verträgt <strong>der</strong> Patient die Belastung, kann<br />
er <strong>in</strong> KRS 4 (RM 8–15) übergehen, womit er erstmals Typ-II-Fasern<br />
aktiviert. Für Leistungssportler s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>nerhalb von KRS 4 <strong>in</strong>tensivere<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs reize notwendig, damit sie für die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
Objektive Qualitätskriterien<br />
Optimale Startposition<br />
Optimaler Bewegungsumfang<br />
Optimaler Bewegungsrhythmus<br />
Optimaler Bewegungsverlauf<br />
Subjektive Qualitätskriterien<br />
Schmerzen (während o<strong>der</strong> nach<br />
e<strong>in</strong>er Übung)<br />
Ermüdung<br />
Unsicherheit (Bewegungsangst)<br />
Reaktionen nach dem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
TAB. Die Qualität e<strong>in</strong>er Bewegung steht beim Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g an<br />
oberster Stelle. Auf die objektiven Kriterien achtet <strong>der</strong><br />
Physiotherapeut während <strong>der</strong> Ausführung, auf die<br />
subjektiven <strong>der</strong> Patient.<br />
Zeichnungen: S. Schaaf