TheaterCourier November/Dezember 2017
TheaterCourier November/Dezember 2017 | Die Kunst- und Kulturzeitung für Sachsen | Weihnachten - Weihnachtsfeier - Dinnershow - Dinner for One - Ralf Herzog - Staatsschauspiel Dresden - Eduard-von-Winterstein-Theater - Boulevardtheater - Comödie - Frauenkirche Dresden - Cultouri - Theaterkalender - Hope Gala - Technische Sammlungen - Lutz Weber uvm.
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Seite 4 | <strong>November</strong> & <strong>Dezember</strong> <strong>2017</strong><br />
THEATER<br />
www.theatercourier.de<br />
KRITIK<br />
Solide Ensembleleistung unter neuer Regie | Staatsschauspiel Dresden<br />
Daniela Löffner inszeniert<br />
Schnitzers „Professor<br />
Bernardi“ am Staatsschauspiel<br />
Dresden<br />
Tatsächlich, unter dem Titel „Professor<br />
Bernhardi“ steht bei Arthur Schnitzler<br />
„Komödie in fünf Akten“. Es ist deshalb<br />
nicht ganz überflüssig, darauf hinzuweisen,<br />
dass just diese Charakteristik im<br />
Programmheft der Dresdner Inszenierung<br />
von Daniela Löffner auffällig fehlt.<br />
Die 1980 in Freiburg im Breisgau Geborene<br />
ist mit Beginn der neuen Spielzeit<br />
Hausregisseurin und ihr erstes Probestück<br />
ist ein starkes Signal. Auch wenn<br />
sie mit dem Österreicher Schnitzler noch<br />
keine Erfahrungen zu haben scheint,<br />
SONDERKONZERT<br />
MIT DEM EHRENDIRIGENTEN<br />
15.12.<strong>2017</strong>, 19 Uhr · 16.12.<strong>2017</strong>, 11 Uhr<br />
Semperoper<br />
HERBERT BLOMSTEDT<br />
Dirigent<br />
MARTIN HELMCHEN<br />
Klavier<br />
sie hat dieses in mehrfacher Hinsicht<br />
anspruchsvolle Textangebot souverän<br />
in eigene Hände genommen. Aber eben<br />
nicht in der ja auch nie undenkbaren<br />
Art, der Vorlage profilfixierte Gewalt anzutun,<br />
sondern im Vertrauen auf einen<br />
starken Text, der nach rund drei Stunden<br />
als genau solcher hörbar und in<br />
Spiel umgesetzt eindrucksvoll sichtbar<br />
geworden ist.<br />
Natürlich hat Daniela Löffner auch in Text<br />
und Personal eingegriffen. Der eingreifendste<br />
Schnitt betrifft die bei Schnitzler<br />
durchweg männlichen Rollen. Der einzigen<br />
Frauenrolle bei ihm, der Krankenschwester<br />
Ludmilla, gibt die Regisseurin<br />
fünf weitere bei, zwei davon werden von<br />
einer Darstellerin, Karin Plachetka, gespielt.<br />
Sie nimmt allen Medizinern, die bei<br />
Schnitzler Professoren sind, diesen Titel<br />
nicht im Dialog, wohl aber im Personenverzeichnis,<br />
das zusätzlich auf die nähere<br />
Beschreibung des Fachgebietes und der<br />
Situierung in der akademischen Hierarchie<br />
verzichtet. So verwandeln sich die<br />
Doktoren Löwenstein, Schreimann und<br />
Adler, in dieser Reihenfolge Dozenten für<br />
Kinderkrankheiten, Halskrankheiten und<br />
pathologische Anatomie aus Schnitzler-<br />
Männern in Löffner-Frauen, Unterrichtsminister<br />
Professor Dr. Flint wird Frau,<br />
Journalist Kulka ebenfalls.<br />
Das 1912 in Berlin uraufgeführte Stück,<br />
das zuvor für Wien verboten wurde, legt<br />
für den späteren Blick Wurzeln frei,<br />
die aber nur als solche erkennbar sind,<br />
wenn man die spätere, die fürchterliche<br />
Entwicklung kennt, zu der dieser Antisemitismus<br />
führte. Hitlers Judenhass<br />
selbst hat nicht nur, aber sehr stark,<br />
seinen Nährboden genau hier. Der Österreicher<br />
George Tabori hat das exemplarisch<br />
gestaltet.<br />
Schwer vorstellbar, wie das Stück-Ende<br />
in Dresden gewirkt hätte ohne eine gewichtige<br />
Streichung: den Bühnen-Wahlsieg<br />
der Sozialdemokraten gibt es zwei<br />
Tage vor dem noch nicht manifest gewordenen<br />
Hardcore-Debakel der sächsischen<br />
SPD glücklicherweise nicht. Bei Schnitzler<br />
liefert er den Untergrund für einen Wandel<br />
der öffentlichen Meinung, erklärt er,<br />
nicht allein freilich, die Begeisterung über<br />
die Haftentlassung des Professor Bernhardi<br />
nach zwei Monaten.<br />
Alle sechzehn Darsteller (für achtzehn<br />
Rollen) trugen mit solider Darbietung<br />
zum Gelingen bei, es gab keinen Ausfall.<br />
Ich mag mir auch nicht verkneifen,<br />
einen Satz von Friedrich Torberg zu zitieren,<br />
der 1965 „Professor Bernhardi“ im<br />
Wiener Akademietheater sah: „Es macht<br />
eben doch einen Unterschied, ob man ein<br />
ursprünglich für die Bühne geschriebenes<br />
Stück auf der Bühne zu sehen bekommt<br />
oder einen ursprünglich als Ro-<br />
man geschriebenen Film im Fernsehen“.<br />
Den Roman auf der Bühne als Massenerscheinung,<br />
auch Daniela Löffner hat<br />
zum unguten Trend schon beigetragen,<br />
kannte Torberg noch nicht, starke Stücke<br />
allerdings mehr als nur dies. Arthur<br />
Schnitzler ist gut, jeder Beweis dessen<br />
verdient Beifall.<br />
Ach ja: Es ging in „Professor Bernhardi“<br />
um einen Internisten, der zugleich Direktor<br />
einer Privatklinik ist und einem<br />
Pfarrer den Zutritt zu einem sterbenden<br />
Mädchen verweigert, weil das Mädchen<br />
von seinem unmittelbar bevorstehenden<br />
Tod nichts weiß und deshalb aus seiner<br />
Sicht glücklich und unbelastet sterben<br />
soll. Was der schwarze Mann mit den<br />
Sakramenten unmöglich gemacht hätte.<br />
Das wird zum Fall, der sogar mit einer<br />
Anklage, einer Verurteilung und Haft<br />
endet, weil es Menschen gibt, die den Fall<br />
benutzen. Der Fall ist nicht irgendeiner,<br />
denn der Professor ist Jude. Die Anklage<br />
lautet auf „Religionsstörung“. Früh<br />
ist an Schnitzlers fünf Akten bemängelt<br />
worden, es sei nicht ins letzte durchgearbeitet,<br />
Beleg dafür die nicht weniger<br />
als zehn Diener-Auftritte mit der Karte<br />
der jeweils Anzukündigenden. Daniela<br />
Löffner hat die Diener einfach gestrichen.<br />
In Dresden treten die Darsteller von<br />
unten auf die Bühne, sie harren ihres<br />
jeweiligen Auftritts in den ersten Reihen<br />
der beiden Zuschauerblöcke. Das<br />
funktioniert inklusive Kostümwechsel<br />
vor aller Augen problemlos. „Gegenüber<br />
anständigen Juden gibt es keinen Antisemitismus.“<br />
Mit solchen Sätzen im gesenkten<br />
Kopf geht man aus dem Staatsschauspiel.<br />
Dr. Eckhard Ullrich<br />
„Professor Bernhardi“<br />
05. | 18. | 28.11. & 11.12.17<br />
www.staatsschauspiel-dresden.de<br />
Tickethotline: 0351 - 49 13 555<br />
Wolfgang Amadeus Mozart<br />
Klavierkonzert C-Dur KV 503<br />
Symphonie C-Dur KV 551 »Jupiter«<br />
Tickets in der Schinkelwache am Theaterplatz<br />
Tel. 0351-4911 705· bestellung@semperoper.de<br />
www.staatskapelle-dresden.de<br />
„Professor Bernardi“ im Staatsschauspiel Dresden<br />
© Sebastian Hoppe