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Paul Saatkamp - AWO Bezirksverband Niederrhein eV

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<strong>Paul</strong> <strong>Saatkamp</strong> -<br />

Begrüßung und Einführung bei der Arbeitstagung am<br />

9. März 2001<br />

Gute Kindheit- Schlechte Kindheit<br />

Kinder- und Jugendarmut – Lebenslagen und Lebenschancen<br />

von Kindern und Jugendlichen<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />

Jedes siebte Kind in NRW ist arm.<br />

Viel zu lange fand das Problem der Kinder- und Jugendarmut in unserer Gesellschaft eine zu geringe<br />

Beachtung. Bereits seit dem Jahr 1991 steigt die Anzahl der Sozialhilfeempfänger im Kinder- und<br />

Jugendalter kontinuierlich. Familien mit Kindern sind mittlerweile die Bevölkerungsgruppe mit dem<br />

höchsten Armutsrisiko.<br />

Die Jugendministerin im Kabinett Kohl – Claudia Nolte – wollte die Aussage zur Kinder- und<br />

Jugendarmut noch unter der Decke halten. Sie musste aber erfahren, dass dieses brisante Problem<br />

politisch nicht mehr „ausgesessen“ werden kann.<br />

Aus heutiger Sicht müssen wir Claudia Nolte fast dankbar sein. Sie sorgte – wenn auch ungewollt -<br />

dafür, dass das Problem der Kinder- und Jugendarmut endlich auch eine angemessene Resonanz in den<br />

Medien fand.<br />

Die Arbeiterwohlfahrt gab im Jahre 1997 beim Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in<br />

Frankfurt am Main (ISS) eine Studie zur Kinder- und Jugendarmut in Auftrag. Die Ergebnisse dieser<br />

Studie machten erschreckend deutlich, welche verheerenden Folgen Armut für die Lebenssituation und<br />

Lebenslage für ca. 75 % der untersuchten Kinder und Jugendlichen hat. – Nicht zuletzt deshalb wurde<br />

diese Studie Grundlage des <strong>AWO</strong> - Sozialberichtes 2000.<br />

Absicht unserer heutigen Arbeitstagung ist es, nicht nur eindringlich auf diese Situation hinzuweisen,<br />

sondern wir wollen nicht bei einer Beschreibung von Missständen stehen bleiben. Wir wollen vor allem<br />

einen Impuls für verstärktes Engagement in der Politik sowie in der sozialen Arbeit mit und für arme<br />

Kinder und Jugendliche geben.<br />

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, diesen negativen Konsequenzen für die Zukunftschancen der<br />

betroffenen Kinder und Jugendliche, die sich vor allem bei Verfestigung dieser Armutsstrukturen ergeben<br />

auf allen Ebenen entgegenzuwirken.<br />

Dies bedeutet auch einen wichtigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit unserer demokratischen<br />

Gesellschaft. – Dazu werde ich am Schluss dieser einleitenden Worte einige Fragen stellen. Die heutige<br />

Fachtagung der Arbeiterwohlfahrt und des Jugendwerkes, zu der ich Sie alle sehr herzlich begrüße, ist vor<br />

allem der Auftakt für viele weitere Aktivitäten unseres gesamten Verbandes in NRW zur Bekämpfung der<br />

Kinder und Jugendarmut. Diese beachtliche Resonanz bei unserer heutigen Fachtagung ist sehr<br />

ermutigend.<br />

Ich begrüße Vertreterinnen und Vertreter<br />

• des Landtages NRW<br />

• der Landschaftsverbände in NRW<br />

• der Kommunalpolitik<br />

• der Wissenschaft<br />

• der Wohlfahrtsverbände in NRW<br />

• die vielen Fachkräfte aus der Jugendhilfe und sozialen Arbeit<br />

• die Vertreter der Medien<br />

• und nicht zuletzt Funktionsträger/innen und Mitarbeiter/innen der <strong>AWO</strong> in NRW<br />

Besonders herzlich begrüße ich die Jugendministerin des Landes NRW<br />

Birgit Fischer.


Liebe Birgit, bei dem Problem der Kinder- und Jugendarmut wird die Anforderung an das Land für<br />

vergleichbare Lebensbedingungen für alle in NRW lebenden Kinder zu sorgen, besonders deutlich. Ein<br />

Rückzug des Landes aus dieser Verantwortung bekämen besonders arme Kinder und Jugendliche zu<br />

spüren.<br />

Wir werden in NRW auch über den Kreis der Jugendpolitiker hinaus deutlich machen müssen,<br />

welchen entscheidenden Stellenwert die Jugendpolitik für die Zukunftspolitik des Landes haben muss<br />

eine einseitige Betonung der Schul- und Bildungspolitik wird in eine Sackgasse führen. Dies macht nicht<br />

zuletzt die ständige steigende Anzahl der Schulverweigerer deutlich.<br />

Als Vertreter der Wissenschaft begrüße ich<br />

Herrn Professor Dr. Huster<br />

vor allem auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Fachbeirates der <strong>AWO</strong> ISS Studie, in dem wir<br />

zusammengearbeitet haben. Es ist mir bewusst, dass in der vorgesehenen halben Stunde nur ein sehr<br />

knapper Überblick über wesentliche Ergebnisse der Studie gegeben werden kann. Die <strong>AWO</strong> in NRW<br />

wird aber auch über den heutigen Tag hinaus nicht locker lassen und beharrlich mit den Ergebnissen<br />

dieser Studie in die Öffentlichkeit konfrontieren.<br />

Die <strong>AWO</strong> in NRW hat bisher schon 2500 Exemplare verteilt.<br />

Obgleich die Resonanz beachtlich war, hoffen wir natürlich auch bei unserer heutigen Veranstaltung<br />

für die <strong>AWO</strong> ISS - Studie noch mehr Multiplikatoren zu finden. Auch unser Plakat wird heute vorgestellt<br />

und liegt für alle Teilnehmer zum mitnehmen bereit.<br />

Startveranstaltung unserer Reihe war der Schülerwettbewerb „Deutschland armes reiches Land“.<br />

Unter diesem Titel wurde vom Landesjugendwerk der <strong>AWO</strong> gemeinsam mit uns im Vorfeld unserer<br />

heutigen Veranstaltung dieser Schülerwettbewerb durchgeführt. Es wurden über 300 Beiträge von mehr<br />

als 1000 Schülern und Schülerinnen eingesandt. Viele dieser Beiträge machten uns nachdenklich. Nicht<br />

zu übersehen war die Angst junger Menschen vor einer weiteren Zunahme des Rechtsradikalismus. Wir<br />

müssen auch zukünftig sorgfältig beobachten wie das Thema Armut und ihre Folgen von jungen<br />

Menschen auf „gleicher Augenhöhe“ wahrgenommen wird. Die Vorsitzende des Landesjugendwerkes<br />

Melanie Schulz<br />

wird wichtige Ergebnisse dieses Schülerwettbewerbes präsentieren.<br />

Die <strong>AWO</strong> ISS - Studie machte auch deutlich, dass durch die tägliche Arbeit der <strong>AWO</strong> im Bereich der<br />

Jugendhilfe überproportional viele arme Kinder und Jugendliche erreicht werden. Besonders<br />

hervorgehoben wird in dieser Studie außerdem, dass sehr engagierte und fachlich hochwertige<br />

Engagement unserer Mitarbeiterinnen. Allerdings wird auch festgestellt, dass sich unsere Fachkräfte<br />

häufig von der Arbeiterwohlfahrt als politischen und ehrenamtlichen Verband sich etwas alleine gelassen<br />

fühlten. Für die Zukunft sehe ich die Herausforderung und gleichzeitig die Chance für den gesamten<br />

Verband entsprechend unserem Grundsatzprogramm jugendpolitisches und ehrenamtliches Engagement<br />

mit fachlicher Arbeit zu vernetzen. Alle Jugendeinrichtungen, vor allem, die 500 Tageseinrichtungen für<br />

Kinder der <strong>AWO</strong> in NRW bieten dafür sicherlich eine wichtige Basis.<br />

Der Geschäftsführer unseres <strong>AWO</strong> <strong>Bezirksverband</strong>es Ostwestfalen-Lippe und Vorsitzender der LAG<br />

Öffentliche und Freie Wohlfahrtspflege in NRW<br />

Wolfgang Stadler<br />

wird mit seinem Beitrag bei unserer heutigen Arbeitstagung fachpolitischen Ansatz und die fachliche<br />

Arbeit der <strong>AWO</strong> im Bereich der Jugendhilfe skizzieren.<br />

Aus der Praxis der <strong>AWO</strong> in der Arbeit mit armen Kindern und Jugendlichen werden berichten,<br />

Nadja Khalaf<br />

Sie arbeitet mit libanesischen Kindern im Essener Norden und<br />

Barbara Richterich<br />

Sie leitet eine Kindertagesstätte in einem Stadtteil mit besonderen Erneuerungsbedarf in Gladbeck<br />

Als Referenten unserer Podiumsdiskussion am Nachmittag zum Thema „Herausforderungen an die<br />

Kommunen Land und die <strong>AWO</strong>„ darf ich begrüßen:<br />

• Die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses der Stadt Düsseldorf


Walburga Benninghaus<br />

• Den jugendpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW<br />

Bernd Flessenkemper<br />

und<br />

• als Vertreter des Jugendministeriums NRW<br />

Klaus Schäfer<br />

Elita Wiegand vom WDR wird in bewährter Weise die Diskussion moderieren und vor allem auch das<br />

Plenum zur Diskussion auffordern<br />

Ich hoffe, dass meine Begrüßung der Referenten/innen bereits die Absichten der <strong>AWO</strong> über die<br />

heutige Arbeitstagung hinaus, deutlich gemacht hat.<br />

Unter dem Stichwort „Aktivitäten und Forderungen der <strong>AWO</strong>“ möchte ich noch auf folgende Punkte<br />

besonders hinweisen:<br />

Die <strong>AWO</strong> Kreisverbände in NRW werden sich dafür einsetzen, dass das Thema „Kinder- und<br />

Jugendarmut“ zu einem wichtigen kommunalpolitischen Thema wird. Es soll auch Eingang finden, in die<br />

Diskussion der örtlichen Jugendhilfeausschüsse.<br />

Dabei ist eine zentrale Forderung: Die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen müssen durch eine<br />

regelmäßige sozialraumbezogene Armut und Reichtumsberichterstattung erfasst werden, und deren<br />

Ergebnisse müssen bei der Kinder und Jugendhilfeplanung berücksichtigt werden.<br />

Durch den Vorstand der <strong>AWO</strong>, Bezirk <strong>Niederrhein</strong>, wurden bereits wegweisende Eckpunkte mit<br />

politischen Kernforderungen verabschiedet, auf die ich heute Nachmittag noch eingehen werde.<br />

Wir alle hier werden heute kritische Fragen an Politik und Gesellschaft zu stellen haben, um zu prüfen,<br />

ob diese zunehmende Verarmung von Kindern und Jugendlichen zu stoppen oder sogar umzukehren ist.<br />

Sprechen die „Trends“ und Rahmenbedingungen nicht dagegen?<br />

• Treibt uns die zunehmende Diktatur der Ökonomie nicht unweigerlich in amerikanische Verhältnisse?<br />

• Wird uns die Verabschiedung vom aktiven Sozialstaat zu der neuen Zauberformel vom aktivierenden<br />

Sozialstaat – die plakativ von Teilnehmen statt von Teilhaben spricht und das Mitnehmen vergisst, uns<br />

überhaupt noch die Chance geben, uns um die Zurückbleibenden zu kümmern?<br />

• Muss der neue Trend in der Praxis der Jugendhilfe, die traditionelle Hilfskultur zugunsten einer<br />

modernistischen „Show-Kultur“ zu opfern, nicht zu Lasten der sogenannten Randgruppenarbeit<br />

gehen?<br />

• Wird sich der neue Weg, die professionellen individuellen Familien ergänzenden – und<br />

unterstützenden Hilfen in den Kindertagesstätten abzubauen und durch Zufalls- und Massenangebote<br />

in Schulen zu ersetzen nicht auch bei denen, die nicht so schnell mitkommen, negativ niederschlagen?<br />

• Ist es nicht verwunderlich, dass jetzt ausgerechnet die Schule, die sich seit vielen Jahren vom Institut<br />

der Persönlichkeitsbildung, zu einer reinen Wissensvermittlung entschließt, individuelle Defizite<br />

ausgleichen soll?<br />

• Und nicht zuletzt werden nicht die sogenannten Haushaltskonsolidierungen vor allem in präventiven<br />

Bereichen der Jugendhilfe – notwendiges frühzeitiges Gegensteuern erschweren?<br />

Nun meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele spannende Fragen. Vielleicht<br />

wird die eine oder andere heute beantwortet.

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