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Ulrich Kavka<br />

Kunstwissenschaftler<br />

OT Muchelwitz Nr. 1<br />

19089 Crivitz<br />

Ruf: 0174 71 51 621<br />

Mail: ulrich.kavka@freenet.de<br />

Harzburger Straße Nr. 4a<br />

13187 Berlin – Pankow<br />

LIVING GALLERY BERLIN<br />

Kollwitz-Straße Nr. 53<br />

10405 Berlin<br />

Bernhard Wolff<br />

Ruf: 017 6459 745 04<br />

Mail: living-gallery@email.de<br />

Rede zur Ausstellungseröffnung<br />

FELIKS BÜTTNER – VON JAZZ BIS JETZT<br />

Am 10. November 2017, 18.00 Uhr<br />

Lieber Feliks, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,<br />

der Dichter Hermann Hesse bekennt: „Ich lebe in meinen Träumen. Die Anderen<br />

leben auch in ihren Träumen, aber nicht in ihren eigenen.“<br />

Das nur schwer zu überschauende vielzählige Bilderkonvolut von Feliks Büttner<br />

ist eine wundersame Gestaltverwandlung solcher Sehnsucht und Illusion,<br />

solchen Begehrens und Verlangens.<br />

Es gibt eine Episode, geschehen im Jahr 2009 auf einem der AIDA-Schiffe, die<br />

den Wahlspruch dieser Ausstellung „Von Jazz bis jetzt“ bemerkenswert<br />

erweitert.<br />

Die räumliche Umgebung kommt einem Konzertsaal nahe. Und nicht wenige<br />

lauschende Zuhörer scheinen sich in Beethovens 3. Symphonie zu versenken.<br />

Doch hin und wieder erhellt ein Amüsement, ein eigenartiger Zeitvertreib ihre<br />

versonnene Mimik. An Stelle des Orchesters und seines Dirigenten agiert<br />

nämlich, gleichsam in schaffender Erregung, nur ein Maler: breiter<br />

Mittelscheitel, wehende Restlocken, legere Kleidung, …. In seinen Händen<br />

langstielige Pinsel, die er im unmittelbaren Malradius bisweilen wie Taktstöcke<br />

gebraucht. Vier mittelgroße Leinwände gewinnen nach und nach an Farbe und<br />

Struktur – und fügen sich alsbald zu bildnerischen Partituren. Schon mit<br />

1


eiläufiger Vorstellungsgabe kann jeder auch an regelrecht rhythmische<br />

Instrumentierungen glauben. In verschiedenen Anmutungen ist seine Gebärde<br />

beachtlich: Mal scheint er lenkender Kapellmeister zu sein, mal unterhaltsamer<br />

Harlekin, … Indessen, als schöpferischer Erfinder bleibt er aber immer<br />

konzentrierter Urheber seiner förmlich sprühenden Bildintensionen. An das<br />

Publikum gewandt verkündet der Akteur dann eine seiner ihm wesenseigenen,<br />

halbernsten Behauptungen: „Wenn Sie beim Malunterricht aufgepasst hätten,<br />

könnten Sie vielleicht heute hier stehen.“<br />

Auch diese nacherzählte Passage gehört in das geistige und praktische Refugium<br />

seines Naturells. Der Maler Paul Klee hat solches Vorgehen auch als „Anrufen<br />

der Mittel“ bezeichnet.<br />

Es gibt im schweizerischen Ort Wilisau, unweit von Luzern, ein berühmtes<br />

Jazzfestival. Begründet und profiliert hat es Niklaus Troxler, der als einer der<br />

angesehensten Plakatkünstler gilt. 1996, aus Anlass des dreißigsten Jubiläums,<br />

hatte der eine Gebrauchsgraphiker – aus der Schweizer Bergwelt – den anderen<br />

Gebrauchsgraphiker – von der ostdeutschen Küste – zu einer Ausstellung der<br />

Büttner'schen Jazz-Porträts ins dortige Rathaus eingeladen. Zur Eröffnung<br />

spielten seinerzeit Joe Sachse (Gitarre), Manfred Hering (Saxophon) und John<br />

Marschall (Schlagzeug). Und Feliks Büttner bemalte einen Schrank, gleichsam als<br />

expressives, dort verbleibendes Signum der Erinnerung.<br />

Über die Porträtkunst schrieb ein Journalist, der Maler verfüge mit Witz und<br />

Ironie über ein Einfühlungsvermögen, das die Musiker mit samt ihrer Musik zum<br />

Klingen bringe.<br />

Dem kontinental angereisten Festivalpublikum wurde der im Dorf Lichtenhagen<br />

unweit von Warnemünde lebende Künstler unter anderem als Jurymitglied<br />

internationaler Plakatwettbewerbe vorgestellt, deren Topographie sich<br />

beispielweise von Finnland über die Vereinigten Staaten von Amerika bis nach<br />

Japan und die Republik Frankreich dehnt. Das geschah noch, oder schon, unter<br />

den abgeschotteten Verhältnissen der DDR! Und 1989, sozusagen als<br />

Bekrönung dieser Weltläufigkeit, war Feliks Büttner einer von 60 global<br />

wirkenden Gestaltern, quasi aus etlicher Herren Länder, die der legendäre<br />

französische Kulturminister Jack Lang beauftragt hatte, mit großformatigen<br />

Plakaten an den 200. Jahrestag der Französischen Revolution zu erinnern.<br />

Plakatiert wurden die Werke im öffentlichen Raum der Hauptstadt Paris.<br />

2


Feliks Büttner kann man fraglos zuvörderst einen Zeichner nennen, der seine<br />

augenscheinlich leichthändige lineare und farbige Virtuosität gerne mit<br />

tatsächlichen Gebrauchs- und Genussfunktionen kombiniert. Ja, seine<br />

künstlerische Freiheit entbindet Werke, die in doppelter Geltung Bedarfsgüter<br />

sind – als, wortwörtlich, ansehnliche, oft lebensfroh beschwingte Konterfeis<br />

seines Personalstils und, ebenso oft, als Botschaften, die das Geschehen im<br />

öffentlichen wie im privaten Alltag künstlerisch akzentuieren. So beachtet ist er,<br />

je nachdem, Maler, Illustrator, Typograph oder Plakatgestalter. Über die eigene<br />

Wesensart hinaus weckt er mithin auch ungeläufige Aufmerksamkeit für<br />

bisweilen weiträumige wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhänge. Freilich<br />

abgesondert zum Glück, nämlich jenseits einer werblich buhlenden optischen<br />

Vermüllung urbaner Lebensräume. Eher kann man dagegen an klang- und<br />

stilvolle Motivaufmunterungen derselben denken, an kurzweilige<br />

Alltagsverschönerung also. Von „Jazz bis jetzt“ lautet denn in bezeichnender<br />

Weise der Titel dieser Ausstellung.<br />

Wenn ich hier die Synonyme für das Verb „verbinden“ zurate ziehe, dann<br />

entsteht ein phonetisches Abstraktum, das möglicherweise den<br />

temperamentvollen Duktus gültiger beschreibt als bemühte Erklärungsmuster.<br />

Also heißt solches, quasi getextete Lautbild:<br />

verknüpfen, verketten, verflechten, verknoten, verzahnen, verschmelzen, …, usw.<br />

Die leibhaftigen Spiegelungen darauf kann jeder Betrachter auf seine Weise<br />

erkunden. Und wer sich mit etwas Zeit in die kleineren und größeren Formate<br />

versenkt, wird bald spüren, dass das scheinbare Chaos aus Liniengestrüpp, hingeregneten<br />

Farbspritzern und Pigmentkaskaden seismographische Echolote auf<br />

die Realität vor Augen, Ohren und Händen sind. Sich verwandeln bedeutet<br />

anders werden, sich entwickeln.<br />

Aus der schöpferischen Perspektive von Feliks Büttner besagt Präsenz immer<br />

die Beherrschung der künstlerischen Mittel im Zusammenklang von Geist und<br />

Form. Ich erinnere mich eines nachhaltigen Satzes von Professor Volker Pfüller,<br />

Zeichner, Gebrauchsgraphiker und Bühnenbildner. Das Schlimmste sei, so sagte<br />

er mir vor Jahr und Tag, wenn etwas nur so ähnlich aussehe wie das Richtige.<br />

Bei Wikipedia kann man unter dem Stichwort AIDA die lapidare Feststellung<br />

lesen: „Der Graphiker Feliks Büttner entwarf das Markenzeichen im Jahr 1996.<br />

Der „Kussmund“ mit großen Augen und blauem Lidstrich als Rumpflackierung<br />

kennzeichnet seither alle AIDA Schiffe.“<br />

3


Und aktuell lautet eine Werbung: “AIDA Cruises bringt Sie nach Nordamerika,<br />

Asien und Europa. AIDA Cruises hat das Clubschiff-Konzept auf den deutschen<br />

Markt gebracht.“<br />

Ich will mich hier nicht über die Sinnfälligkeit von Geschäftsmodellen äußern.<br />

Vielmehr aber über eine diesbezüglich merkwürdige Geburtsstunde, die sich an<br />

einem runden Tisch in der Lichtenhagen Mühlenbehausung von Feliks Büttner<br />

vollzogen hat. Es war eine, zu diesem Zeitpunkt 1996 nicht seltene Ost-West-<br />

Begegnung, bei der ich eher Zaungast war. Damals hörte ich das erste Mal von<br />

der Clubschiff-Idee, die ich so verstand, dass jeder potentielle Kunde<br />

Schiffsurlaube nach seiner persönlichen, ungezwungenen Fasson buchen könne.<br />

Und ich konstatierte, die Deutsche Seerederei, ein vormaliges DDR-<br />

Unternehmen, sei dafür, salopp formuliert, der „Mutterkuchen“! Sei es wie es<br />

sei.<br />

Worauf ich indessen aufmerksam machen möchte, ist eigentlich eine<br />

Binsenweisheit. Wirklich gelungene Marken sind visuelle Zeichen von langer<br />

Lebensdauer. Ich denke an die Automarke von Mercedes oder an die Kennung<br />

DB als Kürzel der Deutschen Bahn.<br />

Auf dem amerikanischen Markt heißt die oben genannte Idee Fun Ship, also<br />

Spaßschiff. Von einer „Kostprobe“ habe ich berichtet.<br />

Ob man sich inmitten von Massen oder eben individuell erholt und vergnügt ist<br />

letztlich eine souveräne Entscheidung eines jeden – wie es ihm gefällt.<br />

Der Markt für diese nahe wie weite Doppelart von befristeter, salonfähiger<br />

Freizügigkeit jedenfalls „brummt“, wie man neudeutsch zu sagen pflegt.<br />

Aber wohl tatsächlich Aufsehen erregend ist, dass trotz labyrinthisch wandelbar<br />

scheinender wirtschaftlicher Verflechtungen – oder Aufspaltungen, der<br />

Graphiker Feliks Büttner mit seiner über die Jahre einprägsamen, ja solitären<br />

AIDA-Signatur keinen geringen Anteil an der mutmaßlich profitablen Bilanz hat.<br />

Durch augenfällige Zeichenhaftigkeit gewiss, gleichsam als positiv gewinnende<br />

Überredung vor allem. Denn immerhin hat sich seit dem Debüt 1996 diese<br />

Flotte auf etwa zwanzig Schiffe vergrößert, die bekanntermaßen mit ihren<br />

blockhaft geräumigen Aufbauten, augenscheinlich zur Freude ihrer immerfort<br />

wechselnden Passagiere, auf den Gewässern der Erde hin und her kreuzen.<br />

Gleichwohl von Küste zu Küste, von Landgang zu Landgang.<br />

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, herzlichen Dank.<br />

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