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eine Radreise durch Europa
eine Radreise durch Europa
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Nordkap - Athen<br />
Venedig - Heidelberg<br />
eine Radreise durch 16 europäische Länder<br />
Klaus Hausmann
NORDKAP - ATHEN<br />
Venedig - Heidelberg<br />
eine Radreise durch 16 europäische Länder<br />
Klaus Hausmann<br />
www.klaus-hausmann.de<br />
klaus.hausmann@gmx.com<br />
3
Klaus Hausmann<br />
geb. 1956 in Hessen, nach meinem Elektrotechnik<br />
Studium führte ich 12 Jahr eine<br />
kleine Elektronikfirma. Seit 2005 bin ich<br />
als Quality Consultant freiberuflich tätig.<br />
Das Reisen in ferne Länder hat mich<br />
schon immer fasziniert. Im Jahr 2000<br />
wurde das Radfahren zu meinem Hobby<br />
und seit 2007 ist die Kameraausrüstung<br />
auf allen Reisen dabei.<br />
Aus der Fotografie hat sich das Interesse<br />
entwickelt die Reisen zu dokumentieren<br />
und auf verschiedene Weisen zu präsentieren.<br />
4
Inhalt<br />
Die Route 5<br />
Norwegen und das Nordkap 7<br />
Finnland - Wälder und die Via Karelia 29<br />
Russland - ich bin drin 45<br />
Sankt Petersburg - Venedig des Nordens 51<br />
Baltikum - von Tallinn bis Vilnius 61<br />
Polen - durch Stadt und Land 75<br />
Die Karpaten 87<br />
Ungarn entlang der Theiß 91<br />
Balkan - herb und ursprünglich 101<br />
Griechenland - nicht nur Akropolis 133<br />
Venedig - bella Italia 157<br />
AlpenCross - die Via Claudia Augusta 163<br />
Rückblick 177<br />
Ausrüstung 179<br />
5
6
De Roue<br />
Mit Skandinavien-Airlines fliege ich von Hamburg über Oslo<br />
nach Alta in Norwegen. Mein erstes Ziel in Norwegen ist<br />
Hammerfest, ich möchte die nördlichste Stadt der Welt besuchen.<br />
Danach geht es zum Nordkap und weiter Richtung<br />
Süd-Osten nach Kirkenes bis kurz vor die Grenze zu Russland.<br />
In Kirkenes ist der offizielle Start der Radroute EV-13 1 , dem Iron<br />
Curtain Trail, dem ich zunächst durch Norwegen und Finnland<br />
folge. An der Ostseeküste, am finnischen Meerbusen, fahre ich<br />
ein Stück durch Russland und besuche Sankt Petersburg. Der<br />
Grenzübergang bei Narva bringt mich zurück in die EU nach<br />
Estland. Den EV-13 hatte ich bereits in Finnland verlassen. Ab<br />
Sankt Petersburg kann ich auf dem Europa Radweg R1 fahren.<br />
Der R1 kreuzt den EV-11 bei Tartu in Estland. Ab hier folge ich<br />
dem EV-11, der in Estland sehr gut ausgeschildert ist, bis nach<br />
Serbien. Der EV-11, der auch als - Die Bestie des Ostens - bezeichnet<br />
wird, beschreibt eine Route vom Nordkap nach Athen.<br />
Nebenstraßen. Bei Sromowce Wyżne fahre ich über die Grenze<br />
zur Slowakei. Ich fahre durch die Karpaten Richtung Košice.<br />
Von hier ist es nicht weit bis zur Grenze nach Ungarn. Bei Tokaj<br />
in Ungarn treffe ich auf den Fluss Theiß dem ich durch ganz<br />
Ungarn bis nach Szeged folge. Der EV-11 ist in Ungarn wieder<br />
ausgeschildert. Über den Grenzübergang bei Szeged komme<br />
ich nach Serbien und treffe wieder auf den EV-13 der nun<br />
wieder meine folgenden Etappen bestimmt. Entlang der Donau<br />
führt die Route ein Stück durch Rumänien und anschließend<br />
wieder nach Serbien. Bei Dimitrovgrad nutze ich den Grenzübergang<br />
nach Bulgarien. Jetzt erwartet mich das Balkangebirge.<br />
Noch immer folge ich dem EV-13 bis an die Grenze zu<br />
Griechenland. Meine Route durch Griechenland plane ich von<br />
Tag zu Tag. Vorgegebene GPS-Daten habe ich nun nicht mehr.<br />
Mein erstes Ziel ist Thessaloniki. Ab hier geht es erst an der<br />
Küste entlang und später durch das Landesinnere über Larisa,<br />
Lamia und Thivas nach Athen dem ersten Ziel meiner Tour.<br />
Von Tartu geht es entlang des riesigen Peipus Sees und weiter,<br />
oft nahe der russischen Grenze, Richtung Alüksne in Lettland.<br />
Südlich von Daugavpils überquere ich auf Schleichwegen die<br />
Grenze zu Litauen und halte Kurs auf Vilnius. Es folgt der Nationalpark<br />
Dzūkija, bei Seiny erreiche ich Polen. Ab Warschau<br />
ist der EV-11 noch in Planung. Ich suche mir meinen Weg über<br />
Anstatt, wie geplant, zurück zu fliegen radle ich von Athen nach<br />
Patras und nehme dort die Fähre nach Venedig. Von Venedig<br />
radle ich, entlang des Radwegs Via Claudia Augusta, über die<br />
Alpen nach Deutschland. Durch das Allgäu erreiche ich bei Villingen-Schwenningen<br />
den Neckar und fahre auf dem Neckartal-Radweg<br />
zurück nach Heidelberg.<br />
1) Euro-Velo(EV) sind europäische Fernradwege unter der Verwaltung des Europäischen Radfahrer-Verbandes (ECF)<br />
7
8bei Kvalsund, Norwegen
Norwegen und das Nordkap<br />
Um 23 Uhr komme ich in Alta an. Die Sonne steht dicht über<br />
dem Horizont, es ist noch fast taghell. Mein Gepäck und das<br />
Fahrrad kann ich vollständig und unversehrt bei der Gepäckausgabe<br />
abholen. Ich brauche etwas Proviant, Wasser und vor allem<br />
Gas zum Kochen. An einer Tankstelle, die jetzt um Mitternacht<br />
noch offen hat, kaufe ich zu horrenden Preisen einige<br />
Lebensmittel. Gas bekomme ich hier jedoch nicht.<br />
In Alta gibt es einen Campingplatz den ich jetzt ansteuere. Er<br />
liegt direkt an der Durchgangsstraße. Der Platz ist aber verschlossen<br />
und sieht unbewohnt aus. Ich fahre ein Stück aus dem<br />
Ort heraus uns zelte am Waldrand direkt am Strand. Es war eine<br />
kurze Nacht, es sind nur frische 8°C heute Morgen am 01. Juni<br />
2016. Mein erstes Ziel in Norwegen ist Hammerfest, die nördlichste<br />
Stadt der Welt (??). Sie liegt etwa auf demselben Breitengrad<br />
wie die nördlichsten Teile Sibiriens und Alaskas. Bis<br />
Hammerfest sind es von Alta 140km, für die ich mal vorsichtig<br />
drei Tage eingeplant habe. Nach kurzer Fahrt steigt die Straße<br />
an und führt auf ein Fjell auf ca. 400m. Vorher komme ich an<br />
einem kleinen Supermarkt vorbei. Hier kann ich mich mit Vorräten<br />
für die nächsten Tage eindecken. Gas bekomme ich hier<br />
aber auch nicht. Auf dem Fjell angekommen treffe ich Toralf. Er<br />
ist vor zwei Monaten in Leipzig gestartet und wie ich auf dem<br />
Weg zum Nordkap. Wir fahren zusammen weiter, es ist kalt und<br />
es bläst ein starker, eisiger Wind. Auf der Straße ist zudem viel<br />
LKW Verkehr. Eine andere als diese Straße gibt es hier nicht.<br />
Im Windschatten einer verlassenen Hütte machen wir Pause.<br />
Toralf hat einen Benzinkocher dabei und macht heißes Wasser<br />
für Kaffee. Am Abend suchen wir gemeinsam einen Platz zum<br />
zelten. Es ist ungemütlich kalt und lange sitzen wir nicht vor<br />
den Zelten. Ich schlafe wie ein Stein, es war anstrengend heute<br />
obwohl ich nur 52km geschafft habe. Um 04:30 weckt mich<br />
Toralf um zu sagen dass er losfährt, da nachts weniger Wind<br />
ist und er heute bis ans Nordkap fahren möchte. Ich kann zum<br />
Glück wieder einschlafen und stehe erst um 8 Uhr auf.<br />
Der nächste Ort auf meinem Weg nach Hammerfest ist Skaidi.<br />
Die Landschaft auf dem Fjell ist karg und hügelig. In Skaidi<br />
kann ich wieder einkaufen. Ein kleiner Supermarkt, geführt von<br />
einer Russin, liegt direkt an der Straße. Ich kaufe Spaghetti,<br />
Schokolade, Kakao, Wurst, Brot, Cola und Bananen und kann<br />
dabei meine russischen Sprachkenntnisse anwenden. In Skaidi<br />
zweigt die Straße Richtung Hammerfest ab. An dem Camping<br />
Repparfjord fahre ich ausversehen vorbei. Einen weiteren Campingplatz<br />
vor Hammerfest gibt es nicht. Das Wetter ist gut, die<br />
Sonne scheint und immer wieder öffnet sich eine bezaubernde<br />
Landschaft vor mir. Rentiere kreuzen häufig die Straße und<br />
bremsen den Verkehr aus.<br />
9
Nach 80km und 600hm erreiche ich Hammerfest. Ich bin<br />
entsprechend erschöpft als ich am Campingplatz ankomme.<br />
Der Campingplatz ist zentrumsnah und ziemlich klein. Dafür<br />
aber mit 160NOK(16€) relativ teuer. Am Abend wird es<br />
nochmal kälter als gestern und in der Nacht fängt es an zu<br />
regnen. Bei 5°C und leichtem Regen baue ich am Morgen<br />
mein Zelt ab, packe schnell meine Sachen und fahre Richtung<br />
Hafen. So richtig Lust auf Stadtbesichtigung habe ich<br />
bei dem Wetter nicht. Die Aida liegt im Hafen und massenweise<br />
strömen Touristen durch die Straßen. In der Kirche St.<br />
Michael trifft man sich. Hier suchen heute viele Besucher<br />
Schutz vor Wind und Wetter. Angesichts der vielen Menschen<br />
fällt es mir leicht aufzubrechen und mich dem Wetter<br />
zu stellen.<br />
Ich habe den Wind meist von hinten was die Lage etwas erträglicher<br />
macht. Es gibt einige steile Rampen in Hammerfest<br />
bis man aus der Stadt raus ist. Auch der weitere Verlauf<br />
der Straße zurück nach Skaidi ist wellig. Der Regen wird<br />
leider immer stärker. Hammerfest liegt auf der Insel Kvaløy.<br />
Über eine 700m lange Brücke erreicht man wieder das<br />
Festland. Auf der Brücke erwischt mich eine Windböe und<br />
drückt mich auf die Gegenfahrbahn. Zum Glück ist gerade<br />
kein Verkehr auf der Brücke. Im gleichen Moment reißt mir<br />
der Wind die Regenhülle von meinem Rucksack. Sie fängt<br />
10<br />
Essen Zubereitung mit Toralf
Hammerfest<br />
11
sich zum Glück am Brückengeländer. Nach diesem, Schreck<br />
pausiere ich erst einmal wenige Kilometer weiter in Kvalsund<br />
in einem Supermarkt. Hier gibt es eine Kaffee-Ecke in der<br />
ich mich etwas aufwärmen kann. Für heute Abend buche ich<br />
telefonisch eine Hütte auf dem Campingplatz Repparfjord.<br />
Als der Regen nachlässt breche ich wieder auf, jetzt mit der<br />
Gewissheit am Abend in eine trockene und warme Hütte zu<br />
kommen. Die große 4-Personen Hütte kostet 400NOK. Das<br />
ist günstig im Vergleich zum Campingplatz in Hammerfest.<br />
Kvalsund Brücke<br />
Als ich am nächsten Morgen starte fängt es erneut an zu regnen.<br />
Bis nach Skaidi sind es nur 10km. Neben dem Supermarkt<br />
in Skaidi gibt es an einer Tankstelle auch ein Gasthaus.<br />
Ich wärme mich hier auf und warte bis der Regen etwas<br />
nachlässt. Bis nach Olderfjord sind es nochmal 25km. Man<br />
muss hier allerdings wieder über ein Fjell fahren. Es geht<br />
bergauf bis auf 238m. Hier oben erwartet mich ein heftiger<br />
Schneeschauer und starker Wind. Die lange steile Abfahrt<br />
hinunter zum Fjord kann ich nicht so richtig genießen. Nicht<br />
nur meine Finger werden bei der rasanten Fahrt eiskalt. Ich<br />
nehme mir ein einfaches Zimmer auf dem Campingplatz in<br />
Olderfjord. Am Abend hört es auf zu regnen und für morgen<br />
ist auch kein Regen vorhergesagt.<br />
12
Heute ist Samstag, am Montag will ich in Honningsvåg ankommen.<br />
Das sind jetzt nochmal 100km, die sollten in 2<br />
Tagen zu schaffen sein. Außer mir sind hier im Hotel noch<br />
drei andere Radfahrer. Alle allein unterwegs. Einer mit einem<br />
spartanischen Rad und wenig Gepäck. Der hat nicht<br />
mal gegrüßt als wir uns draußen getroffen haben. Im Zimmer<br />
gegenüber ein älterer Mann (Mitte 50) ist mit Anhänger<br />
unterwegs. Er ist in Helsinki gestartet und will auch wieder<br />
dorthin, aber jetzt erst mal zum Nordkap. Das Wetter ist am<br />
nächsten Tag nicht wie vorhergesagt. Es regnete bereits am<br />
Morgen. Tagsüber wechselt sich Regen, Schnee, Hagel und<br />
Sonne ab. Ich habe meist Gegenwind bei ca. 3°C.<br />
Mein Plan für heute ist ca. 50km bis Repvag zu fahren und<br />
dort auf den Campingplatz zu gehen. Es ist erst 13 Uhr als<br />
ich dort vorbei komme und die Sonne schein. Der Beschilderung<br />
nach gibt es dort aber nur Zimmer oder Hütten. Also<br />
fahre ich weiter. Beim nächsten Regenschauer, der nicht lange<br />
auf sich warten ließ, habe ich mich dann etwas geärgert.<br />
Bis nach Honningsvåg sind es noch 40km, die ich aber heute<br />
nicht mehr fahren will. Schon wegen des Nordkaptunnels,<br />
durch den ich nicht ausgepowert fahren wollte. Die Suche<br />
nach einem geeigneten Zeltplatz gestaltet sich schwierig.<br />
Ich bin in einer Ebene, etwas abseits der Küste. Hier gibt<br />
oft stehen einzelne Häuser einsam an der Küste<br />
13
es nichts außer feuchte Wiesen. Ein Pärchen kommt mir per<br />
Fahrrad entgegen. Die wollen heute noch bis Olderfjord.<br />
Sie meinten kurz vor dem Tunnel wäre ein guter Platz zum<br />
Zelten. Ich erreiche bald wieder die Küste und einen breiten<br />
Strand, ich nutze die Gelegenheit und baue mein Zelt auf.<br />
Am nächsten Morgen habe ich nicht mehr weit bis zum 7km<br />
langen Nordkap Tunnel. Mit 9% Gefälle geht es 212m bergab<br />
unter den Meeresspiegel und auf der anderen Seite ebenso<br />
steil wieder bergauf. Dann ist man auf der Nordkap-Insel<br />
Magerøya. Bis nach Honningsvåg befinden sich noch drei<br />
weitere, weniger spektakuläre, Tunnel entlang der Strecke.<br />
Die bisherigen Etappen seit Alta waren nicht wirklich schwer<br />
zu fahren. 500 hm pro Tag sind, auch mit viel Gepäck, machbar.<br />
Zu schaffen macht mir eher das Wetter. Nicht mehr als<br />
5°C und eisiger Nordwind, der immer wieder Regen- und<br />
Schneeschauer bringt, drücken etwas den Spaßfaktor. Wenn<br />
es die Sonne aber hin- und wieder schafft durch die Wolken<br />
zu blicken, erstrahlt die faszinierende Landschaft in wunderbarem<br />
Licht.<br />
Wie geplant habe ich mir eine Hütte auf einem Campingplatz<br />
5 km hinter Honningsvåg gemietet und habe vor am nächsten<br />
Tag ausgeruht und mit kleinem Gepäck zum Nordkap zu<br />
fahren.<br />
14<br />
Nordkap Tunnel
auf der Nordkap Insel Magerøya<br />
15
Nach dem Frühstück, in meiner warmen Hütte, mache ich<br />
mich am nächsten Morgen auf den Weg. Schon bald fängt<br />
es erneut an zu regnen. Die Straße schlängelt sich über die<br />
hügelige Insel. Ich treffe einen jungen Mann, der mit großem<br />
Rucksack zu Fuß zum Nordkap unterwegs ist. Nach 3<br />
Stunden erreiche ich, vom Regen durchnässt, den magischen<br />
Ort. Ich bin erleichtert, glücklich und stolz auf mich mit dem<br />
Fahrrad nun hier am Nordkap zu stehen.<br />
Im Gegensatz zu dem Kurztrip vor einigen Monaten hier her<br />
mit Hurtigruten, habe ich heute alle Zeit der Welt diesen Augenblick<br />
zu genießen. Die Euphorie wird etwas getrübt, das<br />
Nordkap wirkt auf mich heute ein wenig verlassen und traurig.<br />
Liegt wohl am Wetter und daran, dass nur sehr wenige<br />
Besucher hier sind. Einige Male jedoch bläst der Wind den<br />
Nebel fort und öffnet den Blick über das Nordmeer.<br />
Am Nachmittag fahre ich zurück zum Campingplatz. 50 km<br />
und 1200 hm bei Dauerregen habe ich heute hinter mir. Wie<br />
kommt man nur auf die Idee mit dem Fahrrad an diesen abgelegenen<br />
Ort zu fahren. Diese Frage stelle ich mir nicht wirklich.<br />
Denn was letztlich zählt und den Kampf gegen Wind<br />
und Wetter rechtfertigt ist das Gefühl es geschafft zu haben.<br />
16<br />
Rentiere auf Magerøya
angekommen am Nordkap<br />
17
18<br />
300m fällt die Küste steil ab ins Nordmeer
das Wahrzeichen für den nördlichsten Punkt Europas<br />
19
Nachdem ich jetzt eingefahren bin, kann nun der offizielle<br />
Teil beginnen. Noch ist es mein Plan vom Nordkap nach<br />
Istanbul zu radeln. Nächster Meilenstein ist Kirkenes, dort<br />
beginnt der Fernradweg EuroVelo-13, der Iron Curtain Trail,<br />
der von Kirkenes bis zum Schwarzen Meer verläuft.<br />
Von Honningsvåg aus nehme ich das Hurtigruten Postschiff<br />
nach Kjöllefjord. Ich erspare mir dadurch die Fahrt um den<br />
Porsangerfjorden. Um 17 Uhr kommt das Schiff nach 2-stündiger<br />
Überfahrt dort an. Kjöllefjord ist ein schöner Ort. Ich<br />
kaufe noch Brot, Wurst und Spaghetti im COOP und fahre<br />
Richtung Campingplatz. Schon vom Schiff aus habe ich gesehen,<br />
dass die Gegend recht bergig ist. Natürlich geht es<br />
auch erst mal über einen Bergkamm, aber nach 4km war ich<br />
bereits bei Davvi Siida, dem Campingplatz. Es gibt hier nur<br />
zwei Hütten und keinen Rasen zum zelten. Ich kann das Zelt<br />
hinstellen wo ich möchte sagt der Verwalter. Es ist verdammt<br />
windig und regnet immer wieder. Ich suche mir einen etwas<br />
windgeschützten Platz hinter Hecken. Das Gelände ist uneben<br />
und ich stelle das Zelt auf Moosen, Flechten und Heidekraut<br />
auf. So was wird mir wahrscheinlich noch öfter passieren.<br />
Wegen des nasskalten Wetters krieche ich zeitig in<br />
meinen Schlafsack. Der starke Wind aus Nord-Ost bläst die<br />
ganze Nacht. Das Zelt wird immer wieder durchgeschüttelt.<br />
Irgendwann schlafe ich dann doch ein.<br />
20<br />
ein Schiff der Hurtigrute bringt mich nach Kjöllefjord
Campingplatz bei Kjöllefjord<br />
21
Der Wind weht am nächsten Morgen unvermindert stark und<br />
es kommen immer wieder kurze Schauer. Kurz vor 9 Uhr<br />
stehe ich dann doch auf obwohl ich überlegt hatte einen Pausentag<br />
zu machen. Ich packe jetzt zügig meine Sachen. Das<br />
Zelt bei diesem Wind abzubauen ist knifflig. Für die nächsten<br />
15km habe ich diesen starken NO-Wind mit 10m/s meist<br />
von vorn und noch dazu geht es stetig bergauf bis auf 250m.<br />
Irgendwann muss ich schieben, der Gegenwind bremst mich<br />
aus und drückt mich schier von der Straße. Am Abzweig Mehamm-Ifjord<br />
ändert sich meine Richtung und ich habe nun<br />
volle Kanne Rückenwind. Die Temperatur sinkt aber noch<br />
mit der Höhe. Ein Blick auf den Garmin zeigt mir 0.7°C.<br />
Nach einigen Kilometern auf dem Fjell geht es wieder runter<br />
auf Meereshöhe, durch die steile Abfahrt werde ich zum<br />
Eisklotz. Mir ist unangenehm kalt. Ein Toilettenhäuschen,<br />
das hier neben der Bushaltestelle an der Straße steht, ist<br />
nicht wirklich eine Alternative zum Aufwärmen. In der Nähe<br />
stehen einige, scheinbar verlassene, Häuser bzw. Baracken.<br />
Ich beschließe hier mein Zelt im Windschatten aufzustellen.<br />
Ohne diesen Windschutz wäre das im Moment, bei diesem<br />
sturmartigen Wind, gar nicht möglich das Zelt allein aufzustellen.<br />
Schnell in trockene Kleidung schlüpfen und eine<br />
Kanne heißen Tee kochen. Es ist zwar erst 15 Uhr, aber heute<br />
fahre ich keinen Meter mehr.<br />
22<br />
Mitte Juni, es ist naß, kalt und windig auf dem Fjell
Am nächsten Morgen regnet es schon wieder als ich wach<br />
werde, dabei sollte heute schönes Wetter sein. Hilft nix, ich<br />
muss los. Ich will heute Ifjord erreichen, das sind 70km. Es<br />
geht zunächst wieder steil bergauf. Ich schiebe gleich von<br />
Anfang an da ich weiß, dass mich oben kaltes Wetter erwartet<br />
und ich nicht nassgeschwitzt oben ankommen will.<br />
8% Steigung halte ich eh nicht lange durch. Hin und wieder<br />
kommt die Sonne durch, neben der Straße ein rauschender<br />
Bach mit Wasserfällen. Als ich auf 220m ankomme, steht<br />
da ein Schild mit einem Namen und der Angabe 350m. Ich<br />
dachte erst, dass mein Höhenmeter nicht stimmt, aber das<br />
war ein Hinweis, dass es ab hier noch bis auf 350m ansteigt.<br />
Ich habe also noch 130hm vor mir. Die Straße wurde aber<br />
flacher und ich konnte wieder fahren.<br />
Auf dem Plateau angekommen ging es, wie schon gestern,<br />
durch eine Gerölllandschaft mit Bächen und vielen kleinen<br />
Teichen. Das Wetter war fast wie gestern, regnerisch, trüb<br />
aber nicht so windig. Die Windrichtung war NW und nicht<br />
wie vorhergesagt NO. Somit hatte ich wieder oft Gegenwind.<br />
Auf halber Strecke auf dem Fjell gab es einen Rastplatz mit<br />
Toilette und einem Windschutz. Die Gelegenheit lasse ich<br />
mir nicht nehmen und mache mir einen heißen Tee. Es gibt<br />
hier oben sonst keinerlei Möglichkeit Schutz vor dem Wind<br />
zu bekommen.<br />
Fjells und Fjorde bestimmen das Landschaftsbild in der Finnmark<br />
einsame Straßen auf dem Weg nach Ifjord<br />
23
24<br />
auf dem Weg nach Ifjord
Nach gefühlt endlosen Kilometern kommt die Abfahrt an die<br />
Küste. Die Sonne scheint und die Landschaft wird grün. Es<br />
gibt jetzt sehr schöne Ausblicke auf das Tal und das Meer.<br />
Die Straße führt an der Küste entlang, aber immer wieder<br />
auf und ab.<br />
In dem Ort Leseby gibt es einen Supermarkt und ein Café.<br />
Beide schließen um 16 Uhr. Es war jetzt 10 vor vier, so bekam<br />
ich noch einen Kaffee und konnte auch noch Lebensmittel<br />
einkaufen. Dann nochmal 17km auf und ab mit Sonnenschein<br />
bis ich nach 70km und 950hm Ifjord erreiche.<br />
Hier treffe ich ein Radler-Pärchen aus Frankreich, die in<br />
Kopenhagen gestartet und über Finnland gekommen sind. In<br />
Finnland hatten sie T-Shirt Wetter. Nun wollen sie, so wie<br />
ich gefahren bin, über Kjöllefjord zum Nordkap. Im T-Shirt<br />
fahren war jetzt erst mal vorbei. In Ifjord genieße ich wieder<br />
den Komfort eines Campingplatzes. Ich war davon ausgegangen,<br />
dass ich hier für die weitere Strecke Proviant einkaufen<br />
kann. Dem ist aber nicht so. An dem vorerst letzten<br />
Supermarkt bin ich vor 20 km in Leseby vorbeigekommen.<br />
Erst in 60 km kommt eine Tankstelle, bei der man etwas kaufen<br />
kann. Dann erst wieder in Tana bru, das sind 90km von<br />
hier. Ich hätte Brot gebraucht für die Pausen zwischendurch,<br />
so gibt‘s eben die Wurst ohne Brot. Nudelsuppe habe ich<br />
auch noch, also - noch kein Notstand.<br />
die Landschaft in der Finnmark ist durchaus abwechslungsreich<br />
25
Am nächsten Tag starte ich die Etappe nach Tana bru. Ich<br />
werde die 90km nicht an einem Tag bewältigen und unterwegs<br />
irgendwo übernachten. Ich genieße die Fahrt durch die<br />
abwechslungsreiche Landschaft bei Sonnenschein. Es geht,<br />
wie erwartet, immer wieder auf und ab. Nach 50 km habe ich<br />
bereits 850hm. Das reicht mir für den heutigen Tag, ich halte<br />
Ausschau nach einem Lagerplatz. Es dauert nicht lange bis<br />
ich eine schöne Stelle zum Zelten finde. Am Abend versuche<br />
ich ein Lagerfeuer zu machen. Es ist allerdings schwierig<br />
trockenes Holz zu finden. Das feuchte Holz qualmt mehr<br />
als es brennt und ich rieche später wie ein Räucherstäbchen.<br />
War wohl keine gute Idee.<br />
Als ich am nächsten Morgen aufwache ist es ungewohnt<br />
warm im Zelt. Die Sonne scheint schon morgens um 6 Uhr<br />
und heizt das Zelt auf. Ich genieße noch ein Weilchen die<br />
wohlige Wärme. Kurz nach 9 Uhr bin ich wieder „on the<br />
Road“. Herrlich, bei schönem Wetter unterwegs zu sein.<br />
Heute ist Sonntag und ich habe nur 40km zu fahren. Die<br />
Tankstelle, an der ich mein Frühstück geplant hatte, öffnet<br />
leider erst um 13 Uhr, so fahre ich weiter bis Tana bru. Hier<br />
gibt es alles von der Pizzeria bis zum Supermarkt und sogar<br />
einen Friseur. Nur leider ist heute am Sonntag alles geschlossen.<br />
In Tana bru treffe ich Jürgen. Er kommt aus der<br />
26<br />
wild zelten in Norwegen
Nähe von Berlin und ist allein mit dem Auto unterwegs. Er<br />
suchte wie ich eine Unterkunft und das Hotel/Camping hier<br />
in Tana bru ist ziemlich teuer. Ich erzähle ihm von dem anderen<br />
Campingplatz, der nicht weit von hier ist. Als ich dort<br />
ankomme, ist Jürgen bereits da. Wir haben Glück, die Hütten<br />
kosten hier nur die Hälfte gegenüber dem Platz in Tana<br />
bru. Aber auch hier gibt es außer Getränken nichts zu kaufen.<br />
Ich bekomme aber ein Brot das der Platzwart extra für<br />
mich auftaut. Als Abwechslung zu meinen Nudelgerichten<br />
bekomme ich von Jürgen Kartoffelklöße und Rinderrouladen<br />
geschenkt. So hatte ich an diesem Sonntag ein kleines<br />
Festessen in einer gemütlichen Hütte auf einem angenehmen<br />
Campingplatz.<br />
Auf der Straße E6, zwischen Tana bru und Kirkenes, erwartet<br />
mich eine grün bewachsene Landschaft. Die Straße schlängelt<br />
sich meist nah entlang der Küste. Am nächsten Tag läuft<br />
es gut. Teilweise mit Rückenwind schaffe ich 95km und zelte<br />
in einem Wäldchen kurz vor Neiden. In Neiden befindet sich<br />
der Abzweig Richtung Süden zur finnischen Grenze.<br />
Ich mache vorher noch den Abstecher nach Kirkenes um<br />
auch genau am Startpunkt des Iron Curtain Trails zu starten.<br />
Ab Neiden habe ich nur 40km bis Kirkenes und bin früh<br />
dort auf dem Campingplatz. Endlich mal Zeit zum Wäsche<br />
waschen.<br />
Rentiere gehören zum Landschaftsbild<br />
27
Abends fahre ich ins Zentrum von Kirkenes. Die untergehende<br />
Sonne beleuchtet das Beringmeer, den Startpunkt meiner<br />
nächsten Etappe auf der Tour-2016.<br />
Für die 300 km von Kjöllefjord bis Kirkenes brauchte ich 6<br />
Tage. Niedrige Temperaturen nicht weit über Null, eisiger<br />
Wind aber auch hin und wieder Sonnenschein und 3500 hm<br />
waren zu bewältigen.<br />
28<br />
trinkbares Wasser in den Bächen<br />
der Ortseingang von Kirkenes
Bilderbuch Landschaft auf dem Weg nach TanaBru<br />
29
Ich starte meine „Tour-2016“ in Norwegen bei Temperaturen um 0°C<br />
und Schneeschauer. Entlang der russischen Grenze geht es durch die<br />
endlosen Wälder Finnlands. Die erste Großstadt auf dem Weg nach<br />
Süden ist das beeindruckende Sankt Petersburg. Weiter geht es durch<br />
die baltischen Staaten und Polen. Stationen sind die Städte Warschau<br />
und Krakau bevor es über die Karpaten durch die Slowakei nach Ungarn<br />
geht. Bei Szeged erreiche ich Serbien und fahre später ein Stück<br />
die Donau entlang durch Rumänien. In Bulgarien durchquere ich das<br />
Balkangebirge und habe dabei einige Bergetappen zu bewältigen.<br />
Die bergige Landschaft bleibt mir auch in Griechenland erhalten. Von<br />
Thessaloniki aus geht es, bei Temperaturen von über 40°C, durch<br />
Zentralgriechenland bis in die quirlige Hauptstadt Athen. Mit einem<br />
Durchschnitt von 80km/Tag bin ich früher als geplant an meinem Ziel.<br />
So entscheide ich, anstatt wie geplant nach Hause zu fliegen, mit dem<br />
Schiff nach Venedig zu fahren, von dort die Alpen zu überqueren und<br />
gemütlich am Neckar entlang bis nach Heidelberg zu radeln.<br />
Auf meiner Radtour folge ich verschiedenen Fernradwegen. Bewusst<br />
habe ich mich dabei für den äußersten Osten Europas entschieden.<br />
Meiner Hoffnung auf einsame und ursprüngliche Landstriche wurde<br />
genüge getan. Auf der 130 Tage dauernden Tour habe ich nicht nur<br />
alle Wetter erlebt, sondern auch unterschiedlichste Kulturen und Lebensweisen<br />
kennengelernt.