RAL 1015 taxi news Heft 6-2017
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Starker Tobak aus dem<br />
recht & steuern<br />
Haus des Bundesverkehrsministeriums<br />
Nachdem ich Ihnen in der letzten<br />
Ausgabe erläutert hatte, dass<br />
die Ortskundeprüfung für Mietwagen<br />
und Krankenwagen<br />
fahrer aller Voraussicht nach<br />
entfällt, gibt es nun eine Studie des sogenannten<br />
wissenschaftlichen Beirats beim<br />
Bundesminister für Verkehr, die sich dafür<br />
ausspricht, die Unterscheidung zwischen Taxen<br />
und Mietwagen gleich ganz aufzuheben.<br />
Was ist das für ein Beirat?<br />
Auf der Homepage des Ministeriums findet<br />
sich hierzu folgendes:<br />
„Der sogenannte wissenschaftliche Beirat<br />
beim Bundesminister für Verkehr und<br />
digitale Infrastruktur wurde bereits 1949<br />
eingerichtet, um den damaligen Bundesminister<br />
für Verkehr bei der Vorbereitung<br />
und Durchführung seiner Aufgaben<br />
zu beraten und dazu beizutragen, die<br />
Erkenntnisse der Wissenschaft sowohl in<br />
die verkehrspolitische wie auch fachliche<br />
Arbeit einzubringen.“<br />
Er besteht derzeit aus 16 Professoren,<br />
darunter 15 Herren und einer Dame. Einer<br />
der Herren wirkt in Berlin.<br />
Funktion des Beirats<br />
Zur Funktion des Beirats wird weiter<br />
erklärt:<br />
Die Mitglieder werden in den Wissenschaftlichen<br />
Beirat berufen nicht als<br />
Repräsentanten einer Gruppe, insbesondere<br />
nicht einer Interessengruppe,<br />
sondern nur für ihre Person. Vorschläge<br />
für die Ernennung von Mitgliedern gehen<br />
vom Beirat aus, die Berufung erfolgt<br />
durch den Bundesminister für Verkehr<br />
und digitale Infrastruktur. Beirat und<br />
Ministerium sind sich in dem Bestreben<br />
einig, die selbständige Stellung sowie<br />
den wissenschaftlichen Charakter des<br />
Beirats zu sichern.<br />
Im Februar <strong>2017</strong> hat der Beirat ein<br />
Gutachten mit dem Titel: „Die Chancen<br />
der Digitalisierung im Taximarkt nutzen:<br />
Liberalisieren und Verbraucherschutz<br />
stärken“. Meines Wissens nach fand eine<br />
Veröffentlichung dann erst im April <strong>2017</strong><br />
statt.<br />
Empfehlungen des Beirats<br />
Die Empfehlungen des Beirats lauten<br />
stichwortartig:<br />
• Abschaffung von<br />
quantitativen Konzessionsbeschränkungen<br />
• Die Unterscheidung von Taxi<br />
und Mietwagen mit Fahrer<br />
und Rückkehrpflicht wird<br />
ausgehoben<br />
• Der Mehrwertsteuersatz<br />
wird auf 19 % angehoben<br />
• Aufzeichnungspflicht für<br />
Taxenvermittler in digitaler<br />
Form<br />
• Abschaffung staatlicher<br />
Tarife<br />
• Preisvorgaben durch Taxizentralen<br />
und webbasierte<br />
Taxivermittler<br />
• Aufnahme von Funkzentralen<br />
und webbasierten Taxenvermittlern<br />
ins PBefG<br />
6 <strong>RAL</strong> <strong>1015</strong> <strong>taxi</strong><strong>news</strong> · 6/<strong>2017</strong>
echt & steuern<br />
Unter der Überschrift „Ausgangslage“<br />
skizzieren die Wissenschaftler das nach<br />
ihrer Meinung herrschende Szenario in<br />
etwa wie folgt: Die Digitalisierung erleichtere<br />
die Vermittlung von Taxis, vermindere<br />
Leerfahrten und erhöhe so die Produktivität.<br />
An dieser Stelle fragt sich schon, wann<br />
die Professoren das letzte Mal Taxi gefahren<br />
sind bzw. sich mit den Modalitäten der<br />
Vermittlung vertraut gemacht haben. Wie<br />
viele Leerfahrtenkilometer sind denn angeblich<br />
zu beklagen? Hierüber keine Zeile<br />
der Hochschullehrer. Die auf Smartphoneapplikation<br />
beruhende Vermittlung ist<br />
jedenfalls von den Funkzentralen seit<br />
2008 initiiert worden und keineswegs von<br />
nordamerikanischen Startups erfunden<br />
worden.<br />
Der Beirat kommt jedoch zu dem Ergebnis:<br />
„Zur Zeit lässt sich der Markteintritt neuer<br />
internetbasierter Dienstleister wie Uber<br />
entweder nur eingeschränkt im Einklang<br />
mit inadäquat gewordenen Regeln oder<br />
Unterlaufung solcher Regeln realisieren.<br />
Leider schweigt sich das Gutachten<br />
darüber aus, was an den Regeln inadäquat<br />
geworden sein soll. Das wiederum lässt<br />
an der Wissenschaftlichkeit des Gutachtens<br />
Zweifel aufkommen, denn in einem<br />
solchen darf man erwarten, dass vor der<br />
Problemlösung das Problem beschrieben<br />
wird. Wenn es aber kein Problem gibt,<br />
braucht man auch keines zu lösen.<br />
Der Beirat geht zu Recht davon aus, dass<br />
die Unterscheidung zwischen Taxen- und<br />
Mietwagen der Intention des Gesetzgebers<br />
geschuldet ist, einen ruinösen Wettbewerb<br />
zu verhindern. Die Begründung hierzu<br />
auf Seite 9 des Gutachtens ist allerdings<br />
krude und - so würde man bei Gericht<br />
sagen - nicht einlassungsfähig, weil völlig<br />
unlogisch. Leider scheinen sich aber die<br />
Mitglieder des Beirats überhaupt nicht<br />
mit den entsprechenden Urteilen von BGH<br />
und Bundesverfassungsgericht beschäftigt<br />
zu haben. Diese haben sehr gründlich<br />
dargelegt, dass eine Aufhebung der Unterscheidung<br />
von Taxen- und Mietwagen<br />
dazu führen würde, dass der Anreiz für<br />
den Taxiunternehmer zum Mietwagenunternehmer<br />
zu wechseln zu hoch wäre und<br />
dadurch ein Fortbestehen des Taxenverkehrs<br />
als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs<br />
(mit Beförderungspflicht,<br />
Tarifpflicht, Ortskundeprüfung) nicht mehr<br />
gewährleistet wäre.<br />
Dann schildert der Beirat vollmundig,<br />
woran das Taxentum krankt: Gelegentlich<br />
würden Beförderungspflichten umgangen,<br />
da Kurzstreckenfahrten abgelehnt würden.<br />
Zu Silvester gäbe es Engpässe und einen<br />
Anreiz für Qualitätsverbesserungen a la<br />
Einsatz von Elektrofahrzeugen gäbe es<br />
auch nicht. Zahlen nennt der Beirat aber<br />
nicht. Das scheint bei ihm Methode.<br />
Dann folgt aber das Schwarzarbeits- und<br />
Mindestlohnumgehungsbashing. Dass<br />
nunmehr das „Fiskaltaxameter“ eingeführt<br />
worden ist, übergehen die Professoren –<br />
warum auch immer – großzügig.<br />
Frage der Preisfreigabe<br />
Zur Frage der Preisfreigabe stellt der<br />
Beirat fest: „Eine Preisfreigabe stellt im<br />
Taximarkt höhere Anforderungen an die<br />
Verlässlichkeit der Preisfestsetzung<br />
als in anderen Wirtschaftsbereichen. Im<br />
Zeitraum vom Beginn einer Beförderung<br />
bis zur Festsetzung und Bezahlung des<br />
Endpreises ist der Kunde allein mit dem<br />
Fahrer und diesem in gewisser Weise<br />
ausgeliefert. Der Fahrer kennt im Gegenzug<br />
zu Kunden Wege, und Fahrzeug,<br />
Taxameter und Besonderheiten des Tarifs<br />
genau. In dieser Zeit muss sich der Kunde<br />
– auch der auswärtige Kunde – auf die<br />
Regelkonformität des Taxifahrers verlassen<br />
können.“<br />
In den Köpfen der Beiratsmitglieder<br />
scheint das Klischee des stets Umwege<br />
fahrenden Taxifahrers vorzuherrschen.<br />
Zahlen und Fakten fehlen aber auch<br />
hier, um die flächendeckende Gefahr von<br />
angeblich betrügerischen Fahrern nachvollziehen<br />
zu können und warum deshalb<br />
gleich die Tarifpflicht entfallen soll,<br />
erschließt sich gleichfalls nicht.<br />
Die Preisverhandlung nach Abschaffung<br />
der Tarifpflicht stellen sich die Wissenschaftler<br />
in etwa wie folgt vor. An Taxiständen<br />
sollen Taxivermittler diese Stände<br />
nun betreiben und an diesen bestimmen<br />
dürfen wie teuer die Fahrten sind. Eine Art<br />
<strong>taxi</strong>stand-spezifische Tarifbildung solle<br />
dann entstehen. Die Gutachter empfehlen,<br />
solch eine Regelung erst einmal einzuführen<br />
und dann abzuwarten was passiert.<br />
Bitte wie soll das denn funktionieren? Was<br />
soll das alles?<br />
Bei allem Respekt für die honorigen Titel<br />
der Verfasser, aber ich habe selten so<br />
lebensfremden Unsinn unter dem Mantel<br />
der Wissenschaftlichkeit gelesen.<br />
Rechtsanwältin<br />
Alexandra Decker<br />
DECKER<br />
DECKER . ENGEL . ELSBERG<br />
KEMPER . & KOLLEGEN<br />
OSVATIC ˘ . SILZ<br />
Rechtsanwälte und Steuerberaterin<br />
STOLZENHAIN . ZEGBAUM<br />
DECKER . ENGEL . ELSBERG<br />
KEMPER<br />
Alexandra . OSVATIC ˘<br />
Decker<br />
. SILZ<br />
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