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SOZIOLOGIEHEUTE_AUGUSTausgabe2016_gesamtkl

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Religion<br />

Religionsunterricht – eine<br />

deutsche Besonderheit<br />

Kein „Glaubensunterricht“: Das grundgesetzlich verankerte<br />

Schulfach soll vor allem Wissen über den Glauben vermitteln.<br />

von Anke Sauter, Goethe-Universität Frankfurt am Main<br />

Religionsunterricht gehört in Deutschland zum ganz normalen Fächerkanon einer staatlichen<br />

Schule. Wie passt das zusammen mit der angeblichen Trennung von Staat und Religion in unsrem<br />

Land? Warum das spezifi sch deutsche Konstrukt, das letztlich bis auf die Paulskirchenverfassung<br />

zurückreicht, eine Chance für die Gesellschaft sein kann, dieser Frage ist Anke Sauter in<br />

ihrem Beitrag für die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ nachgegangen. Interessante<br />

Gesprächspartner fand sie dabei bei den Religionspädagogen unterschiedlicher Prägung, die an<br />

der Goethe-Universität lehren und forschen.<br />

Allgemeinbildende öffentliche Schulen<br />

sollten sich um alle Lebensbereiche<br />

kümmern und den Schülern die<br />

dafür notwendige Bildung vermitteln<br />

– das ist einer der Grundgedanken<br />

dafür, dass an deutschen Schulen<br />

auch die Religion ihren festen Platz<br />

hat. Als einziges Schulfach ist sie sogar<br />

im Grundgesetz verankert: Dort<br />

ist einerseits festgeschrieben, dass<br />

die Inhalte in Abstimmung mit den<br />

Religionsgemeinschaften vermittelt<br />

werden, dass es aber andererseits<br />

auch die Möglichkeit gibt, sich vom<br />

Religionsunterricht abzumelden.<br />

War der Unterricht in den Anfangsjahren<br />

der Bundesrepublik noch<br />

stark am Kennen- und Auswendiglernen<br />

religiöser Texte orientiert, fand<br />

in den 1970er Jahren eine Öffnung<br />

statt. Weder evangelischer noch katholischer<br />

Religionsunterricht konzentriert<br />

sich noch allein auf die der<br />

eignen Konfession zugehörigen Themen;<br />

beide vermitteln auch Wissen<br />

über andere Religionsgemeinschaften<br />

und auch über nichtreligiöse Lebensorientierungen.<br />

„Der Glaube ist<br />

ein Thema des Religionsunterrichts,<br />

aber Religionsunterricht ist kein<br />

Glaubensunterricht“, sagt der evangelische<br />

Religionspädagoge Prof. Dr.<br />

David Käbisch. Denn der Glaube sei<br />

nicht verfügbar und könne insofern<br />

kein „operationalisierbares Unterrichtsziel“<br />

sein. Glaube wird meist<br />

in den Familien vermittelt – wenn<br />

überhaupt –, im schulischen Unterricht<br />

jedoch geht es um Inhalte.<br />

Das sollte nach Ansicht des muslimischen<br />

Erziehungswissenschaftlers<br />

Prof. Dr. Harry Harun Behr auch<br />

beim islamischen Religionsunterricht<br />

der Fall sein. Anders als viele<br />

Nicht-Muslime glaubten, wüchsen<br />

muslimische Kinder oft eher glaubensfern<br />

auf. Wie bei vielen christlichen<br />

Kindern gehe es im schulischen<br />

Religionsunterricht zunächst<br />

um „religiöse Alphabetisierung“,<br />

so Behr. Schon 1980 hat die Kultusministerkonferenz<br />

der Länder<br />

die Notwendigkeit des islamischen<br />

Religionsunterrichts konstatiert,<br />

doch erst in den vergangenen Jahren<br />

kam der Aufbau der dafür notwendigen<br />

Infrastruktur in Gang. An<br />

der Goethe-Universität wurde ein<br />

neues Fach „Islamische Studien“<br />

eingeführt, das dem Aufbau einer<br />

Islamischen Theologie dienen soll.<br />

Gemeinsam mit der Uni Gießen<br />

beheimatet Frankfurt ein Zentrum<br />

für Islamische Studien; in Gießen<br />

werden Grundschullehrer ausgebildet,<br />

an der Goethe-Universität<br />

gibt es seit diesem Frühjahr einen<br />

Weiterbildungsstudiengang für bereits<br />

praktizierende Lehrkräfte, vom<br />

Wintersemester 2016/17 an wird<br />

ein grundständiges Studium für Sekundarstufenlehrer<br />

angeboten. Für<br />

diese beiden Studiengänge ist Prof.<br />

Behr zuständig.<br />

Eine Hürde bei der Einrichtung des<br />

bekenntnisorientierten Unterrichts<br />

analog zu dem für die christlichen<br />

Konfessionen ist freilich die Tatsache,<br />

dass es im Islam keine mit<br />

16 soziologie heute August 2016

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