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„Im Entwurf, da zeigt sich das Talent,<br />
in der Ausführung die Kunst”.<br />
( Marie von Ebner- Eschenbach )<br />
Vorwort: In Angkor begegnet uns eine der sogenannten späten Hochkulturen, wozu auch die der<br />
Inka und Azteken gehören. Die kulturellen Wiegen der Menschheit finden wir in den frühen<br />
Hochkulturen : Mesopotamien, Ägypten, Indien und China.<br />
Durch ihre Einzigartigkeit und den relativ guten Erhaltungszustand der Bauwerke erlangten die<br />
Tempel von Angkor den Rang eines Weltkulturerbes. Die Götter anderer Kulturen, wie zum<br />
Beispiel in Griechenland, haben die Tempel und den Olymp längst verlassen. In Angkor sind sie<br />
präsent für die Gläubigen des Hinduismus und Buddhismus.¹<br />
Zum Titel:<br />
Angkor ist das Tempelgebiet, in Kambodscha, in der Nähe der Stadt Siem Reap.² Zahlreiche<br />
Tempel und andere Bauwerke, unzählige Statuen und Figurengruppen aus Hinduismus und<br />
Buddhismus kann man bewundern – und alles steckt voller Symbolik. Die Kunst der Khmer,<br />
insbesondere die, aus dem 9.-13. Jahrhundert , hat nur wenig Ebenbürtiges, das im gleichen<br />
Zeitraum in anderen Teilen der Welt entstanden ist.<br />
Anliegen des Buches ist es, anhand ausgewählter Tempel und Bildwerke diese Symbolik zu<br />
erklären, eine Hilfe zu geben, für die Erschlieβung des Sinngehaltes, der in Angkor<br />
entstandenen Kunst und Architektur.<br />
Da in der Sprachwissenschaft Begriffe wie Allegorie, Metapher und Sinnbild, nicht deutlich<br />
voneinander getrennt, also nicht abgegrenzt definiert sind, wird im Text durchgängig „Symbolik“<br />
oder „Symbol“ verwendet.<br />
Nach den Königsnamen folgt eine arabische Zahl, anstatt einer römischen Ziffer, um nicht das<br />
Lesen mit den Fällen ( Kasus) zu erschweren.<br />
Die Fotos stammen sämtlich vom Verfasser: joreich212@yahoo.com<br />
Buchvorderseite: Von ca. 2000 Apsaras im Angkor Wat-Tempel zeigt eine einzige ihre Zähne.<br />
Relief oben: Apsaras an der Halle der Tänzerinnen, im Tempel Preah Khan<br />
1. Die meisten Statuen befinden sich allerdings in Museen oder Archiven, wo sie vor allem vor Kunstraub geschützt sind.<br />
2. Auch in anderen Regionen Kambodschas gibt es Tempel. Hervorzuheben wären hier: Sambor Prei Kuk aus dem 7. Jh.<br />
( Vor-Angkorzeit ) und Preah Vihear, 10./11. Jh., der auch zum Weltkulturerbe gehört. Bedeutende Tempel außerhalb<br />
Kambodschas sind: Wat Phu in Laos, aus dem 10. Jh., Phimai in Thailand, aus dem 11. Jh. , beide gehören ebenfalls<br />
zum Weltkulturerbe.
INHALT<br />
Zum Titel<br />
Wie alles begann – Die Herkunft der Nagas....................................................S. 1 - 4<br />
Wissenswertes zu den Tempeln........................................................................S. 5<br />
Der Bakong und einiges an Symbolik...............................................................S. 6<br />
Das Wesentliche über Buddhismus – Buddhismus in Kambodscha................ S. 7-8<br />
Das Wichtigste zu Hinduismus und den Göttern..............................................S. 9<br />
Vishnu und Shiva..............................................................................................S. 10 -11<br />
Das Südtor …....................................................................................................S. 12-14<br />
Der Bapuon-Tempel und die Anastylose...........................................................S. 15-16<br />
Die Elefantenterrasse und die Terrasse des Leprakönigs..................................S. 17- 20<br />
Banteay Srei – „Shri Tribuvan Maheshvar“......................................................S. 21-36<br />
Die Schlacht von Lanka.................................................................................... S. 37-49<br />
Der König...........................................................................................................S. 50<br />
Die Schlacht von Kurukschetra..........................................................................S. 51-55<br />
König Suryavarman 2 und die Parade seiner Armee..........................................S. 56-59<br />
Himmel und Höllen............................................................................................S. 60- 63<br />
Die Quirlung des Milchozeans............................................................................S. 64-70<br />
Die vier Reliefs in ihrem inhaltlichen Zusammenhang.......................................S. 71-72<br />
Die Anordnung der Reliefs..................................................................................S. 73<br />
Bilderstürmer.......................................................................................................S. 74
Wie alles begann – Frühgeschichte in Stichworten:<br />
Besiedlung Kambodschas um 00 000 vor Christus durch homo erectus ( aufrecht gehender<br />
Mensch).<br />
Der homo sapiens ( vernunftbegabter Mensch ) existiert seit zirka 3 000 v. Chr. in Kambodscha.<br />
Man baut Ansiedlungen in der Nähe von Gewässern ( Tonle Sap ). Spätestens um 3000 v. Chr. war<br />
die aus Südchina übernommene Technik des Nassreis-Anbaus bekannt.<br />
Ab dem 2. Jahrtausend Herstellung von Bronze ( aus Kupfer und Zinn ). Dong Song Kultur in<br />
Vietnam ( 1. Jahrtausend v. Chr. ) berühmt für die Bronzetrommeln mit feinen Eingravierungen.<br />
Bronzegegenstände wurden auch in Kambodscha gehandelt.<br />
Ab dem . Jahrhundert Herstellung von Eisen. Zu dieser Zeit auch Aufkommen größerer<br />
Siedlungen: Ausgrabungen zwischen Angkor Borei ( Takeo Provinz ) und Oc Eo ( Vietnam ) im<br />
Mekong - Delta. Erste Staaten, die den regionalen Handel bis nach China und Indien ausweiten.<br />
Die Geschichte Kambodschas beginnt:<br />
Funan war der erste indisierte Staat auf dem Gebiet Kambodschas. Wahrscheinlich ein Verbund von<br />
Stadtstaaten im Mekong-Delta, ab dem ersten Jahrhundert. Die Bewohner lebten in Pfahlbauten an<br />
Flüssen und Kanälen. Sie betrieben Fischfang und Reisanbau. Es gab regen Handel mit China und<br />
Indien, Westasien und auch Europa. Mit dem Eintreffen indischer Kaufleute ( 1. Jh. ) kamen auch<br />
Brahmanen und Buddhisten. Man hielt die indische Kultur für fortgeschritten und überlegen. Man<br />
übernahm die Kunst, die Architektur,die Regierungsform des Königtums und die Religionen<br />
Hinduismus und Buddhidmus. Vor allem die Religion mit dem Shiva-Lingamkult¹ fand zahlreiche<br />
Anhänger. Dieser Kult wird vom König zum Staatskult erklärt. Auch der Buddhismus fand<br />
zahlreiche Anhänger. Religiöse Bauten waren in den ersten Jahrhunderten aus Ziegelstein, dann aus<br />
Sandstein. Vom 6.-8.Jahrhundert existierten weiterhin mehrere kleinere Staaten die man als Wasserund<br />
Land-Chenla bezeichnete. Aufgrund der mangelnden Quellenlage ist über Funan und Chenla<br />
wenig bekannt. Die Vereinigung zahlreicher Staaten gelang schließlich König Jayavarman 2 ( 802-<br />
850 ), der 802, auf dem Mount Kulen, ( Mt. Mahendra ) zum Herrscher ( chakravartin ) von<br />
Kambodscha gekrönt wird. ²<br />
Die Kunst und Architektur wird von Indien übernommen<br />
und nach eigenen Ideen und Vorstellungen umgeformt.<br />
Das Gleiche gilt für die Religion: Hinduismus und Buddhismus<br />
werden übernommen und vermischen sich mit lokalen Kulten,<br />
zu einer noch heute in Kambodscha praktizierten Religion.<br />
Die Vermischung verschiedener Religionen<br />
nennt man Synkretismus.<br />
1. Bevor Shiva in personifizierter Form dargestellt wurde, war sein Symbol ein Phallus/Lingam<br />
2. Madeleine Giteau, History of Angkor, Kailash Editions, 1997<br />
1
Das Kopieren, heute eine Leidenschaft der Asiaten, gab es zur Zeit des Khmer Reichs noch nicht.<br />
Wer sich ein wenig in der Kunst Asiens auskennt, sieht in Angkor ein völlig anderes<br />
Erscheinungsbild der hinduistischen Architektur und Kunst als zum Beispiel in Indien. Im Finden/<br />
Erfinden neuer Formen waren die Khmer Meister – kreativ schlechthin.<br />
Legende und Geschichte - Herkunft des Namens Kambodscha: Kaundinya, ein indischer<br />
Brahmane¹ und eine Naga-Prinzessin (nagini), sind die legendären Gründer des Khmerreichs. In<br />
einer Inschrift wird Kambu Swayambhuva als kluger Hindu-Prinz aus Kamboja ( Pakistan )<br />
bezeichnet. Auf einem Kriegszug nach Osten kam er in ein Gebiet mit Urwald. Dort herrschte ein<br />
Nagakönig. Er besiegte diesen König und heiratete seine Tochter Mera. Das Land entwickelte sich<br />
zu einem fruchtbaren, aufblühenden Land.<br />
In einer anderen Version kommt Kambu mit dem Schiff von Indien nach Kambodscha, wo er in der<br />
Nähe von Wat Phu ( Laos ), im 4. Jh., ein Königreich gründet. Sein Sohn Shrutravarman folgte ihm<br />
auf den Thron.<br />
Der Name Kambuja ( Nachommen des Kambu ) taucht erstmals in einer Inschrift von 817 auf und<br />
947 wird in einer weiteren Inschrift, von König Rajendravarman, der Begriff Kambu, erwähnt.<br />
Für die Interpretation des Unabhängigkeitsdenkmals in Phnom Penh gibt es eine weitere Version<br />
über die Entstehung Kambodschas. Kurzform: Kambu befindet sich mit seinem Schiff auf einem<br />
Meer, in dessen Mitte ein groβer Berg ( Meru ) steht. Auf diesem Berg leben Nagas unter einem<br />
Naga-König, der eine Tochter hat. Kambu verliebt sich in sie. Der König saugt das Wasser auf,<br />
damit die Landfläche Kambodschas entstehen kann. Insbesondere der Berg Meru und die darauf<br />
lebenden Nagas, fanden bei der Gestaltung des Unabhängigkeitsdenkmal Berücksichtigung.<br />
Die Herkunft der Nagas:<br />
Die Naga ( Sanskrit, Schlange ): ist eine Kobra, von der es 20 verschiedene Arten gibt. Ihr<br />
auffälligstes Merkmal ist der spreizbare Nackenschild; die Schlange kann ihre Nackenhaut zu einer<br />
Haube ausbreiten. In Stein gehauen kann man sie überall in Kambodscha sehen. In der<br />
Ikonographie wird sie immer mehrköpfig dargestellt, was ihre Schutzfunktion symbolisch verstärkt.<br />
Wegen ihrer Form, ihrer Bewegungen, Häutungen, wodurch sie sich immer wieder erneuert,<br />
Giftigkeit und Kraft , sind die Menschen seit Jahrtausenden von diesem Tier fasziniert. In Indien<br />
war es üblich, dass die verschiedenen Clans Namen hatten. Die Naga-Stämme, die zur Kriegerkaste<br />
gehörten, hatten ihre Namen von Schlangengottheiten denen sie huldigten. Ihr Ursprungsgebiet lag<br />
mit groβer Wahrscheinlickeit im heutigen Pakistan.<br />
Wir werden im Relief „Der Regen des Indra – Feuer im Khandav-Wald“erfahren, dass die Nagas<br />
die Feinde der Invasoren/Hinduisten waren - „Die Schlange ist der Feind Garudas“.² Garuda<br />
ist Symbol und Reittier von Vishnu. Die drei nachfolgenden „Schlangen“ sind getrennt hiervon<br />
zu sehen.<br />
1. Hinduistischer Priester aus der höchsten Kaste ( Das Kastensystem wird im Khmer-Reich nicht übernommen ).<br />
2. Mahabharata, Buch 1, Das Verbrennen des Khandava Waldes.<br />
Lit. : Vittorio Roveda, Khmer Mythology, River Books, Bangkok<br />
Eleanor Mannikka, Angkor Wat, Time, Space, Kingship, University of Hawai'i Press 2
Das Unabhängigkeitsdenkmal in Phnom Penh und sein Vorbild der Bakong Tempel, der zur<br />
sogenannten Rolous-Gruppe, 15 km von Siem Reap entfernt, gehört.<br />
Zur Unterscheidung der verschiedenen Schlangen ( nagas ): Vor allem im buddhistischen Kloster<br />
sehen wir die Schlange Mucalinda, die Buddha schützt. Entlang von Balustraden, vor Tempeln in<br />
Angkor, und in Klöstern, ist es Vasuki, die Schlange der Quirlung des Milchozeans. Schließlich<br />
Ananta, auf der Vishnu ruht und über ein neues Zeitalter nachdenkt. Dieses Motiv ist nur an<br />
Tempeln in Angkor dargestellt. Mit Vasuki und Ananta haben wir zwei Schlangen aus dem<br />
Hinduismus, Mucalinda entstammt dem Buddhismus.<br />
Vasuki<br />
Mucalinda und Buddha<br />
3
Der Schöpfungsmythos des Gottes Vishnu beinhaltet, dass alles Leben aus einem Urozean<br />
entsteht. Das Foto, aufgenommen im Tempel Preah Khan, zeigt Vishnu und seine Frau Lakshmi auf<br />
der Schlange Ananta. Gemeint ist eine Schlange, obwohl ein Drachenkörper zu sehen ist. Wir<br />
können Vihnu anhand von seinem Diskus identifizieren. Die Figuren rechts und links außen sind<br />
sogenannte Adoranten, die stellvertretend für alle Anhänger einer Religion ( Hinduismus und<br />
Buddhismus ) stehen. Unterhalb von Ananta, Tiere des Urozeans, mit auffällig vielen Schildkröten,<br />
die man als Anspielung von Kurma¹, eine Inkarnation von Vishnu, verstehen kann. In indischen<br />
Bildwerken dieses Themas kommt der Lotus mit dem Schöpfergott Brahma aus dem Nabel Vishnus.<br />
Bei der Umformung der Khmerversion, sprießt der Lotus aus der Hüfte, ohne Brahma, womit<br />
deutlich werden soll, dass Vishnu auch Schöpfergott ist. Brahma ist im Khmer-Reich nicht<br />
bedeutend. Ein Dritter Gott kommt hinzu, Shiva. Im Shiva Purana finden wir eine heitere<br />
Geschichte darüber, wer denn nun der mächtigste Gott sei. Mit Abstand, im wahrsten Sinne des<br />
Wortes, ist es Shiva, der als Lingam/Phallus², sein Symbol, erscheint. Brahma und Vishnu machen<br />
sich daran, die beiden Enden des Lingams zu finden, was ihnen nicht gelingt.³ Im Anantashayin<br />
genannten Relief ist Vishnu dabei, ein neues Zeitalter 4 zu erschaffen. Die Örtlichkeit dieser<br />
mythologischen Handlung, die Jahrtausende dauert, ist das Universum – hier auf wenigen<br />
Quadratmetern dargestellt.<br />
1. siehe: Kapitel „Die Quirlung des Milchozeans“.<br />
2. siehe Abbildung 1, Seite 11<br />
3. Das Shiva Purana gibt es in deutschen Übersetzungen im Internet<br />
4. siehe: Kapitel „Die Quirlung des Milchozeans“.<br />
4
Wissenswertes zu den Tempeln<br />
- In Bauwerken aus Steinen zu wohnen, war allein den Göttern vorbehalten<br />
- Kein Tempel ist fertiggestellt worden<br />
- Fast alle Tempel befinden sich auf Gebieten, wo früher ein kleinerer Tempel oder Altar<br />
stand.<br />
- Jeder Tempel ist durch den nachfolgenden König ergänzt/verändert worden<br />
- Es gibt Staatstempel für einen Gott und Ahnen-Tempel, in denen Vorfahren des<br />
Königs verehrt wurden.<br />
- Neben der Verehrung von Vishnu, Shiva und Buddha, wurden im Tempel oft mehrere<br />
Hundert lokale Gottheiten zusätzlich verehrt.<br />
- Jeder Tempel ist ein mikrokosmisches Abbild des Universums auf Erden.<br />
- Jeder Tempelberg symbolisiert den Berg Meru<br />
- Die ersten Tempel bestanden aus Ziegelsteinen/Backsteinen, später aus Sandstein<br />
- Jeder Grundriss eines Tempel ist ein Mandala<br />
Die Tempel im Khmer-Reich sind Wohnstätten der Götter. Präsent sind die Götter durch Statuen. Die<br />
Gläubigen nehmen mittels Gebet und Opfer die Energie der Statuen auf.¹ Man kann davon ausgehen, dass<br />
die allerheiligsten Bereiche des Tempels für die Allgemeinheit nicht zugänglich waren.<br />
Die Darstellung verdeutlicht, anhand einer einfachen Mandalaform, das Prinzip des mikrokosmischen<br />
Abbildes: In der Mitte der Tempel ( Mt. Meru/Weltenachse ) mit seinen Umfassungsmauern ( Gebirgsketten<br />
des Meru ) und außerhalb die mythischen Ozeane ( der Wassergraben um den Tempel ). Alle Tempel sind<br />
somit Abbild dieses Konzepts.<br />
¹ Albert Einsteins Formel, E=mc2, belegt unter anderem die Tatsache von Energie in Masse ( Statue ). Im Internet befinden<br />
sich zahlreiche Artikel über Physik und Buddhismus.<br />
Zu Mandala : Andreas Cziepluch , Energie durch Mandalas, Verlag Loewe, Bindlach, 2013<br />
5
Der Bakong und einiges an Symbolik<br />
Ein Kalasha genanntes Architekturelement finden wir häufig als Abschluss eines Tempelturmes<br />
( Prasat ). Es ist ein Gefäß und Symbol für ein Behältnis zur Aufbewahrung von Amrita, dem<br />
Elixier für die Unsterblichkeit. Das Gefäß ist umgestülpt und passt sich somit der konisch nach<br />
oben zulaufenden Form des Turmes an.<br />
Die Form des mit Schlangenköpfen besetzten oberen Teils des Turmes, ist entlehnt von einer<br />
geschlossenen Lotusblüte. Die fünf Ebenen werden nach oben kleiner, wodurch der Turm höher<br />
wirkt. Diesen architektonischen Kunstkniff nennt man "Falsche Perspektive". Der Turm ( Abb. )<br />
wurde viel später am Tempel ergänzt ( 12. Jh., Yasovarman 2 ? ). Der Bakong-Tempel wurde<br />
881 von Indravarman 1, für Shiva, errichtet.<br />
Kalasha<br />
An einigen Khmer-Tempeln führen extrem steile Treppen zum Zentral-Heiligtum. Da der Tempelkomplex ein<br />
Symbol für den Berg Meru ist, führen die Treppen folglich zum Sitz der Götter. Die steilen Treppen sind Symbol für<br />
die Anstrengungen ( Gebet, Opfer¹, Hingabe u.a. ), die man auf sich nehmen muss, den Göttern näher zu kommen,<br />
ihr Wohlwollen zu erlangen, nach dem Tod in ihr Reich einzugehen. Der Weg zu den Göttern ist beschwerlich.<br />
Bei Suryavarman 2 gipfeln diese Anstrengungen in der Errichtung des größten religiösen Bauwerks der Welt,<br />
Angkor Wat, für den Gott Vishnu. Der postume Name für den König lautet paramavishnuloka ( Sanskrit ), was so<br />
viel heißt wie: „ Er, der in das Reich Vishnus eingeht“.²<br />
1. An dieser Stelle bietet sich Gelegenheit, eine sicherlich interessante Information über Opfergaben<br />
anzuführen: Dass sie nach einiger Zeit noch zu sehen sind, ist kein Beleg für die Nichtexistenz der<br />
Götter, denn sie nehmen das Spirituelle, das Immaterielle, den Geruch, den Geschmack, von dem,<br />
was geopfert wird. Damit es zu den Göttern/Ahnen kommt, hilft der Feuergott Agni, den man als<br />
Götterboten bezeichnen kann.<br />
2. Higham, C., 2001, The Civilization of Angkor, Weidenfels & Nicolson<br />
6
Ursprung des Namens Buddha - Das Wesentliche über Buddhismus<br />
Der Name kommt von Gaudama Siddharta, der 563 v. Chr. in Lumbini, einem Ort an der Grenze<br />
von Nepal und Indien, an einem Königshof geboren wird. Mit 33 Jahren verlässt er sein Elternhaus<br />
und sucht einen neuen Weg der Lebensführung. Außerhalb des luxuriösen Lebens, sah er Alter,<br />
Krankheit, Tod, die Leiden der Menschen. Gaudhama Sidharta fand einen Weg, sich von diesem<br />
Leid zu befreien: Das Finden dieses Weges nennt man Erleuchtung. Hat man die Erleuchtung<br />
erreicht, ist man ein Buddha, ein Erleuchteter. Danach geht man den so genannten Achtfachen Pfad.<br />
Die letzte Station der Befreiung ist der Eingang in das Nirvana, in das Nichts. Nirvana bedeutet<br />
demnach Erlöschen von allem. Im Theravada-Buddhismus des heutigen Kambodschas können nur<br />
Mönche diesen Weg gehen. Die Mehrzahl der Buddhisten geht folglich den Weg der<br />
Wiedergeburten, aber auch der hat, zu unbestimmter Zeit, ein Ende.<br />
1. Die Wahrheit vom Leiden ( Alter, Krankheit, Tod )<br />
2. Die Wahrheit von der Entstehung des Leidens ( Begehren und Unwissen )<br />
3. Die Wahrheit von der Aufhebung des Leidens ( ohne Begehren kein Leid )<br />
4. Die Wahrheit zum Weg der Befreiung ist der Achtfache Pfad:<br />
1. Vollkommene Erkenntnis der vier Wahrheiten<br />
2. Vollkommener Entschluss zu Entsagung, Wohlwollen und Nicht-Schädigung v.<br />
Lebewesen<br />
3. Vollkommene Rede<br />
4. Vollkommenes Handeln<br />
5. Vollkommener Lebenserwerb<br />
6. Vollkommene Anstrengung, d.h. Fördern von Heilsamen und Vermeiden von Unheil.<br />
7. Vollkommene Achtsamkeit auf Körper, Gefühle und Denken<br />
8. Vollkommene Sammlung des Geistes durch Meditation<br />
Mahayana-Buddhismus<br />
Buddha als Lehrer und Begründer des<br />
Buddhismus.<br />
Die vier edlen Weisheiten<br />
Achtfacher Pfad<br />
Weisen einen Gott, der die Welt erschuf, zurück<br />
Viele mystische/geheimnisvolle Praktiken<br />
Erlösung ( Nirvana ) für alle Lebewesen.<br />
Texte in Sanskrit<br />
Theravada-Buddhismus<br />
Desgleichen ( Wie wir sahen, wäre die alleinige<br />
Bezeichnung, Theravada-Buddhismus, für Kambodscha<br />
nicht ganz korrekt ).<br />
desgleichen<br />
desgleichen<br />
desgleichen<br />
Vorhanden, vor allem in der Provinz, zum<br />
Beispiel schamanistische Praktiken.<br />
Das Nirvana können nur Mönche erreichen. Die<br />
meisten Buddhisten gehen den Weg der<br />
Wiedergeburten, der ein Ende ( Nirvana ) zu<br />
unbestimmter Zeit hat.<br />
Urbuddhismus und Texte in Pali<br />
Jayavarman 7 ( 1180-1220 ) führte den Mahayana-Buddhismus als Staatsreligion ein. Im 13. Jahrhundert ist König<br />
Srindravarma ( 1295-1309 ) Anhänger des Theravada-Buddhimus.<br />
Lit.: Andreas Gruschke: Das Leben Buddhas. Herder, Freiburg im Breisgau 2002<br />
7
Buddhismus in Kambodscha - Synkretismus<br />
Das wichtigste Element ist die Verehrung der Ahnen, die im Glauben der Khmer, durch böse Geister<br />
gestört werden können. Zur Besänftigung der Geister besitzt jede buddhistische Familie einen Altar,<br />
wo man Opfer für die Ahnen und bösen Geister darbringt.<br />
Beim genaueren Hinschauen gibt es in Kambodscha viele Praktiken magischer, mystischer Art, bei<br />
denen die Mischung, Buddhismus mit uralten lokalen Kulten, besonders deutlich wird: Mönche aus<br />
einem Kloster in Siem Reap präparieren den Raum eines Wohnhauses so, damit sie in die Lage<br />
versetzt werden, Verbindung mit den Verstorbenen aufzunehmen. Wollfäden, die von Kultgefäßen<br />
und Kerzen zu Bildnissen der Verstorbenen gespannt werden, sollen diese Verbindung ermöglichen.<br />
Zusätzlich werden religiöse Texte von Mönchen rezitiert.<br />
Erkrankt ein Familienmitglied schwer, kann ein Schamane bestellt werden. Dieser sorgt zunächst<br />
dafür, das Böse, das die Krankheit verursacht hat, aus dem Haus zu vertreiben. Mittels Feuerwerk<br />
geht es dabei recht lautstark zu. Dann versucht der Schamane außerhalb des Hauses die bösen<br />
Geister aus dem Körper zu vertreiben, indem er Wasser, aus seinem Mund, auf den Körper speit.<br />
Hierbei ist kein Mönch anwesend!<br />
Die Klöster sind voll mit Darstellungen aus dem Hinduismus. Die hinduistischen Gottheiten sind<br />
für die Khmer sogenannte Hilfsgötter¹, ihr höchster Gott aber ist Buddha. Eine Szene aus dem<br />
Leben Buddhas, die oft an Tempelwänden im Vihear dem Haupttempel oder außerhalb dargestellt<br />
ist, zeigen Buddha die Himmelstreppe herabsteigend, begleitet vom Himmels-Gott Indra und vom<br />
Schöpfer-Gott Brahma. Eine Woche nach der Geburt, war Buddhas Mutter Maya gestorben, und<br />
Buddha hatte sie im Himmel besucht.<br />
Im Hintergrund Buddha zum Zeitpunkt der Erleuchtung. Im Vordergrund Buddha<br />
mit Indra ( links ) und dem vierköpfigen Gott Brahma. Beide Gottheiten begleiteten<br />
Buddha in den Himmel, um seine Mutter zu besuchen.<br />
1. Der von mir geprägte Begriff „Hilfsgott“, wurde von Mönchen und Dozenten der Preah Sihanouk Raja<br />
Buddhist University, in Phnom Penh, als zutreffend akzeptiert: Die Götter sind noch wirksam ( sie helfen ), aber<br />
nicht mehr mit der Macht, die sie früher hatten. Voraussetzung für ihre Hilfe sind natürlich Anrufung und Opfer.<br />
Literatur: Verena Reichle, Die Grundgedanken des Buddhismus, Fischer Taschenbuch, 2011<br />
Helwig Schmidt-Glintzer, Der Buddhismus, C.H.Beck 2007<br />
8
Das Wichtigste zu Hinduismus und den Göttern:<br />
In dieser Religion gibt es viele Millionen Götter! Eigentlich ist es nur ein Gott, der Brahma heißt.<br />
Brahma hat zwei wesentliche Aspekte neben der Weltschöpfung: Die Erhaltung, wofür Vishnu<br />
verantwortlich ist, und die Zerstörung, die von Shiva verursacht wird. Die Zerstörung der Welt, um<br />
sie zu erneuern, ist ein wesentlicher Bestandteil der hinduistischen Philosophie. Diese drei Götter<br />
haben unendlich viele Fähigkeiten und weitere personifizierte Aspekte, woraus sich dann die hohe<br />
Anzahl ergibt. Wir konzentrieren uns auf zwei Götter, Shiva und Vishnu; Brahma spielt im Khmer-<br />
Reich keine Rolle. Die meisten Könige in Kambuja verehrten Shiva. Im Staatskult war Shiva dann<br />
Schöpfergott, Erhalter und Zerstörer. Das Gleiche gilt für Vishnu, der zum Beispiel Hauptgott für<br />
den Erbauer von Angkor Wat, Suryavarman 2, war. Die Tempel sind die Wohnstätten der Götter;<br />
Hauptsitz der Götter ist der Berg Meru/Kailash.¹<br />
Vor allem in den Veden und Puranas ( ab 1500 v.Chr. ) können wir etwas über die Herkunft, bzw.<br />
die Entstehung der Götter erfahren. Vor den Göttern mit Namen und in Gestalt, hat man die Natur<br />
angebetet ( Animismus ). Dann kamen die ersten Götter, aber noch formlos, nur symbolisch<br />
dargestellt, wie zum Beispiel der Lingam für Shiva. Die menschenähnliche Darstellung ergibt sich<br />
aus der Vergöttlichung von historischen Personen, wie zum Beispiel Indra, der vielleicht ein<br />
historischer Anführer von Heeren war und Nordindien eroberte - wobei die Eroberungs-These<br />
umstritten ist und möglicherweise eine Einwanderungswelle war. Bis heute wird kontrovers darüber<br />
gestritten, ob die Eroberung/Einwanderung von außerhalb Indiens geschah, oder Indien die<br />
Urheimat der Arier war und die Eroberung ( von Nord nach Süd ) sich innerhalb Indiens vollzog,<br />
wie es indische Nationalisten gerne sähen.²<br />
Dharma und Kharma sind zwei zentrale Begriffe im Hinduismus und auch im Buddhismus: Das<br />
Dharma beinhaltet Gesetz, Recht und Sitte und ethische Verpflichtungen/Grundsätze für gutes<br />
Handeln und religiöses Handeln, zum Beispiel Opfer, Gebete. Karma besagt, dass jedes Handeln,<br />
physisch wie geistig, unweigerlich eine Folge hat, die nicht unbedingt im jetzigen Leben wirksam<br />
wird, sondern erst im nächsten Leben ( Kreislauf der Wiedergeburten ) wirksam werden kann.<br />
Vereinfacht formuliert: Lebe ich frei von Sünden, komme ich in den Himmel.Tugenden, die wider<br />
das Dharma sind: Die weltlichen Laster, wie Spielsucht, Verleumdung, Begierde, Trinksucht,<br />
Gewalt, Böswilligkeit, Täuschung, Grausamkeit, Verachtung gegen andere, dazu noch die<br />
schweren Vergehen und Verbrechen.<br />
Zu erwähnen wäre noch, dass sich indischer und balinesischer Hinduismus von dem des<br />
Khmerreiches teilweise erheblich unterscheiden, und die Schreibweise der Götter variiert.<br />
1. Ein Traum von Berg, und es gibt ihn tatsächlich. Er befindet sich in Tibet und ist der heiligste Berg der<br />
Buddhisten, Hinduisten und Taoisten.<br />
2. hierzu;Witzel, Michael, Das alte Indien, C.H Beck, 2010<br />
Weitere Literatur: H.v. Stietencron, Der Hinduismus, C.H.Beck Wissen, 2010<br />
Nina Bauhaus, Hinduismus: Leben mit den Göttern-Lebensgestaltung im Alltag, Grin Verlag, 2011<br />
Harald Haarmann, Die Indoeuropäer, C.H Beck, 2010<br />
9
Buddha ist für die Khmer heutzutage der Gott schlechthin. Aber nicht selten sehen wir große Vishnu-Statuen<br />
mit Opfergaben. Vom einstigen Hauptgott des Königs Suryavarman 2 wünscht man sich vor allem Erfolg in<br />
der Schule und im Beruf und Gesundheit für sich und die Familienmitglieder. Der Grund für die Verehrung<br />
stammt aus der Zeit des Königs Jayavarman 7 ( 1181-1206/1220). Bevor der Mahayana-Buddhismus<br />
Staatsreligion wurde , huldigten Jayavarman, Jayarajadevi und Indradevi auch dem Gott Vishnu – und die<br />
Popularität der drei herausragenden Personen hat bis heute bestand. In diesem Zusammenhang hat sich auch<br />
die Verehrung für Vishnu erhalten.<br />
Vishnustatue nahe des Strandes in Kep. Die Vielarmigket einiger Götter ist Ausdruck ihrer unzähligen Fähigkeiten.<br />
Vishnu wird immer mit mindestens vier Armen dargestellt. Seine Haupt- Attribute sind Stab,<br />
Muschel, Diskus, Kugel.<br />
Der Stab ist das älteste Herrschaftssymbol überhaupt. Er steht symbolisch für Macht und Kraft<br />
Die Muschel ein Symbol für den Ursound.<br />
Der Diskus kann eine Waffe sein oder ein Rad, als Symbol für die Wiedergeburten. Die<br />
Diskusscheibe ist auch Symbol für die Sonne – Vishnu ist einer von 12 Sonnengöttern.<br />
Die Kugel ist ein Symbol für die Erde oder das gesamte Universum.<br />
„...Ich verneige mich vor dir, dem Ursprung des Universums, oh Höchster Herrscher, Höchster Geist<br />
und Ersgeborener. Oh Vishnu, du Ewiger du Unvergänglicher, du bist Gottheit, Geist, Natur und<br />
Intelligenz sowie der Schöpfer, Erhalter und Zerstörer mit den drei natürlichen Qualitäten ( von Güte,<br />
Leidenschaft und Trägheit ), aus dem dieses ganze Universum entstanden ist...“. ¹<br />
1. Vishnu Purana, Buch 1 – Die Schöpfung der Welt. www. Pushpak.de/vishnu/Index.html<br />
Literatur: Hans W. Schuhmann, Die großen Götter Indiens, Juli 2006, Diedrichs1<br />
10
Abb.1 Abb. 2<br />
Abb. 3 Abb. 4<br />
Shiva in den Erscheinungsformen der Khmer-Kunst: Abb.1 zeigt den Gott in seinem formlosen Aspekt, dem<br />
sog. Shiva-Lingam, hier komplett mit Yoni. Phallusform und Yoni als Sinnbild für die weibliche Energie,<br />
sind vor allem Symbol für die göttliche, schöpferische Kraft. Das Opferwasser wird über die Phallusform<br />
gegossen und mittels Ablaufrinne wieder aufgefangen, um es für rituelle Waschungen zu benutzen. Genau<br />
das kann man heute noch sehen: Zum Beispiel auf dem Kulen-Berg, nahe dem Banteay Srei-Tempel, wenn<br />
Buddhisten aus Kambodscha dieses Reinigungs-Ritual, mittels eines hinduistischen Lingams vollführen,<br />
sieht/erlebt man Synkretismus live.<br />
Abb. 2: Shiva mit den typischen Attributen der Khmer-Kunst: Oberlippen-und Kinnbart, Haarknoten<br />
( Chignon ), Halbmond und einem dritten Auge. Der Mond ist ein Symbol für Zeit – Shiva ist Herr der Zeit.<br />
Das dritte Auge, ein Symbol des Wissens und der Weisheit. Im Khmerreich wird Shiva ab dem 5.Jh. von den<br />
meisten Khmerkönigen verehrt.<br />
Abb. 3: Shiva Nataraja, der König ( raja ) des Tanzes ( nata ). Er tanzt sich in Trance um die Welt zu<br />
zerstören, damit sie sich erneuern kann.<br />
Abb. 4: Nandi, ein Buckelrindbulle, ist das Tragtier von Shiva, häufig in Klosteranlagen, als Symbol für den<br />
Gott, zu sehen.<br />
Lit.:Anneliese und Peter Keilhauer: Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre Symbolik.<br />
DuMont, Köln 1986<br />
11
Das Südtor ist eines von fünf Eingangstoren der Stadt Angkor Thom. Erbauer dieser Stadt war<br />
König Jayavarman 7 ( 1180-1220 ). Der König war Buddhist 1 , aber die zwei Reihen mit Göttern<br />
und Dämonen 2 stammen aus dem Hinduismus. Überall im Gebiet von Angkor und in den Klöstern,<br />
sieht man die Vermischung von Hinduismus und Buddhismus. Götter und Dämonen ziehen an einer<br />
Schlange.³ Man kann sich die Szene ähnlich dem Tauziehen vorstellen. Zur Symbolik dieser<br />
Darstellung später mehr, im Kapitel „Die Quirlung des Milchozeans“.<br />
Der Weg zum sogenannten Gesichterturm ist symbolisch gesehen ein Regenbogen, der von der Welt<br />
der Sterblichen in die Welt der Unsterblichen, der Götter, führt. Eine andere Bezeichnung dafür ist<br />
„Nagabrücke“. Beleg für die Symbolik, ist die Tatsache, dass kein Wasser unter der Brücke fließen<br />
kann, denn die Seitenteile sind zugemauert.<br />
Deutlich zu sehen ist das zugemauerte Seitenteil. Das Südtor vom Gesichterturm aufgenommem.<br />
1. Die meisten Khmerkönige waren Shivaisten, Suryavarman 2, Erbauer von Angkor Wat, Vishnuist<br />
2. Dämonen erkennt man an: den runden Augen, den Sorgenfalten, den Fangzähnen und den heruntergezogenen<br />
Mundwinkeln<br />
3. Je 54, macht 108, die am meisten Glück bringende Zahl im Hinduismus.<br />
12
Nagabrücke ( rechter Teil) mit Gesichterturm<br />
Götter und Dämonen am Südtor. Man sieht deutlich die neu hinzugefügten Köpfe. Die Götter erkennt man an der<br />
Mukuta, eine kegelförmige Kopfbedeckung, die Krone der Götter und Könige.<br />
Planung und Realisierung der neuen Stadt „Angkor Thom“ beinhalteten ein Konzept zur Abwehr<br />
von Feinden, insbesondere von den Cham: Diese „far superior religious defense“ ( weit<br />
überlegene religiöse Verteidigung ), so Madeleine Giteau, ist für sie der Grund, für die Errichtung<br />
der zahlreichen Tempel von Jayavarman 7.¹ Zu diesem Konzept gehörten zwei weitere wesentliche<br />
Bestandteile: Der Bau des Bayon-Tempels, als Symbol für den Berg Meru, exakt im Zentrum der<br />
neuen Hauptstadt des Khmer-Reiches und die Einführung einer sogenannten Buddhistischen Triade.:<br />
Buddha, Lokeshvara/Avalokiteshvara eine männliche und Prajnaparamita eine weibliche Gottheit.<br />
Beide Gottheiten sind Bodhisattvas. Ein Bodhisattva ist ein Buddha der erleuchtet ist, aber auf das<br />
Nirvana² verzichtet, damit er sich als barmherziges Wesen um die Menschen kümmern kann. Im<br />
Vergleich zum späteren Theravada-Buddhismus, der nur einen Boddhisatva kennt, gibt es im<br />
Mahayana-Buddhismus zahlreiche. Der Bodhisattva an den Gesichtertürmen ist der „Gott der<br />
universellen Barmherzigkeit“, der in alle vier Richtungen nach hilfsbedürftigen Menschen schaut.³<br />
1. Madeleine Giteau, History of Angkor, Kailash Editions - 1997<br />
2. Nirvana bedeutet : Erlöschen von allem, Befreiung von Alter, Krankheit, Tod.<br />
3. Vittorio Roveda, Khmer Mythology, River Books, Bangkok<br />
13
Gesichterturm vom Südtor<br />
Zur Physiognomie Bodhisattvas:<br />
Das auffälligste Merkmal sind die von schwerem Schmuck langgezogenen Ohren. Sie sollen an die<br />
königliche Herkunft Buddhas erinnern. An den Königshöfen wurde schwerer Schmuck an den<br />
Ohren getragen. Zwei Merkmale kann man heute noch in vielen Khmergesichtern sehen: Die<br />
breite, leicht flache Nase und die wulstigen Lippen. Der Gesichtsausdruck Bodhisattva's wirkt<br />
erhaben, souverän und zeigt uns ein sanftmütiges Lächeln.<br />
Bodhisattva vom Gesichterturm am Südtor<br />
Bodhisattvas vom Bajon-Tempel<br />
14
Bapuon-Tempel und das Anastylose-Verfahren. Nach etwa 40 Jahren Restaurierung wurde der<br />
Tempel Bapuon, am 3. Juli 2011, in Anwesenheit des französischen Premierministers Francois<br />
Fillon, für die Öffentlichkeit freigegeben.<br />
„Chou Ta-kuan, ein Zeitzeuge aus China, war beruflich von 1296-1297 in Kambodscha. Er<br />
berichtet folgendes: In einer Entfernung von etwa 183 Metern, steht der Bronzeturm<br />
(Bapuon), der noch höher als der Goldene Turm ( Bayon ) ist – ein wahrhaft erstaunliches<br />
Schauspiel (...) Wegen dieser Monumente sprachen Händler aus Übersee oft vom reichen und<br />
vornehmen Kambodscha ".¹<br />
Bauherr, des für den Gott Shiva geweihten Tempels, war König Udayadityavarman 2 ( Mitte des<br />
11.Jh. ).<br />
Anastylose/Anastilosis ( griechisch. ): bezeichnet die partielle Wiederherstellung eines verfallenen<br />
historischen Bauwerkes unter Verwendung seiner originalen erhaltenen Bauteile, wobei die<br />
Einzelteile analysiert, nummeriert, und katalogisiert werden. Fehlendes wird ergänzt durch neue<br />
Materialien und Elemente. Zusätzlich werden neue Fundamente errichtet, unter Anwendung<br />
modernster, statischer Berechnungen. Das erste Bauwerk, das im Anastylose-Verfahren restauriert<br />
wurde, war die Akropolis in Athen. Auch dem Tempel Borobodur, auf der Insel Java, kam dieses<br />
Verfahren zugute. Im Gebiet von Angkor wurde als erster der Banteay Srei-Tempel restauriert.<br />
1. Chou Ta-Kuan, Sitten in Kambodscha, Angkor Verlag, Ffm., 2006<br />
15
Das Verfahren der Anastylose bzw. der Nummerierung der Bauelemente, sieht man hier besonders gut. Der<br />
Khmertempel Vat Phu steht in der Provinz Champassak in Laos und gehört zum Weltkulturerbe. Gebaut<br />
wurde er im 11. Jh., Ergänzungen reichen bis zum 13.Jh.<br />
Prozessionsweg zum Tempel<br />
Eingangshalle/Gopura<br />
16
Die Elefantenterrasse ( Jayavarman 7 )<br />
Unschwer zu erraten, woher sie ihren Namen hat, wenn man an ihr entlang geht. Zunächst einmal<br />
beeindruckt ihre Gröβe, die sich aus der Funktion für religiöse Zeremonien und Aufmarschplatz für<br />
die königlichen Truppen ergab. Bei diesen Ereignissen kamen etliche Tausend Menschen, um am<br />
Spektakel aktiv oder passiv teilzunehmen. Mittels unserer Eidetik, unserer Fähigkeit, Gedachtes vor<br />
unseren Augen zu sehen, können wir ein solches Ereignis, aus dem Bericht eines Zeitzeugen, vor<br />
unseren Augen verfolgen:<br />
„Wenn der König seinen Palast verlieβ, wurde seine Prozession von Soldaten angeführt. Dann<br />
kamen die Flaggen- und Bannerträger, sowie Musiker, Mädchen des Palastes, 300 oder 500 an<br />
der Zahl, stimmungsvoll gekleidet, mit Blumen in den Haaren und Kerzen in den Händen (...)<br />
dann kamen andere Mädchen, die Gold-und Silbergefäβe...trugen. Es folgten Triumphwagen,<br />
die von Ziegen und Pferden gezogen wurden, alle mit Gold geschmückt. Ministern und<br />
Prinzen gingen unzählige Träger scharlachroter Sonnenschirme voraus. Kurz darauf folgten<br />
die Königsfrauen und Konkubinen, in Sänften und Triumphwagen oder auf Pferden und<br />
Elefanten. Schlieβlich erschien der Herrscher, aufrecht auf seinem Elefanten stehend, in einer<br />
Hand das heilige Schwert (...)“. ¹<br />
Ein schlecht erhaltenes, aber interessantes Relief, in der inneren Galerie des Bayon, zeigt einen sogenannten<br />
Triumphwagen. Im abnehmbaren Wagenaufbau ein König , mit heiligem Schwert und zwei weibliche Personen. Es<br />
handelt sich um Jayavarman 7, Jayarajadevi, seine erste Frau, und Indradevi, die nach dem Tod ihrer Schwester<br />
Jayarajadevi die zweite Frau von Jayavarman 7 wurde. Links die Träger des Fahrzeugaufbaus, der gerade aufgesetzt<br />
oder abgenommen und wie eine Sänfte getragen wird.<br />
1. Text in: Chou Ta-kuan, Sitten in Kambodscha, Angkor Verlag, Franfurt am Main, 2006<br />
17
War der König nicht direkt am Geschehen beteiligt, befand er sich auf seinem Thron, in einem<br />
Pavillon aus Holz, der in der Mitte der Terrassen stand. Der Weg zu seinem Palast war nicht weit.<br />
Er befand sich auf dem Gelände des Phimeanakas-Tempel, aus dem 11 Jh., ein Bauwerk von<br />
Suryavarman 1 ( 1006-1010 ).<br />
Neben den Jagdszenen mit den Elefanten, fallen besonders die zahlreichen Löwen und<br />
Vogelgestalten auf. Es hat zunächst den Anschein, als würden sie die Terrassen tragen. Gemeint ist<br />
aber, dass sie mit ihnen, im unendlichen Universum, fliegen. Der Fachbegriff dafür ist „Fliegende<br />
Paläste“¹ . Alle Tempel in Angkor, alle Khmer-Tempel und alle Tempel in einem buddhistischen<br />
Kloster sind fliegende Paläste. Die Löwen- und Vogelgestalten sind in Hochrelief-Technik<br />
gearbeitet , bei der die Figuren tief in den Stein geschnitzt werden und dadurch sehr plastisch<br />
wirken. Der Löwe ist eine Inkarnation des Gottes Vishnu und heiβt Narasimha: Nara, Sanskrit,<br />
Mensch , Simha, Sanskrit, Löwe. Der Vogel, ein Adler, heißt Garuda, das Tragtier Vishnus.<br />
„Fliegende Paläste“. Mit Garudas und Narasimhas. Über ihnen befinden sich Balustraden aus<br />
Schlangenkörpern mit fünfköpfigen Schlangen. Dieser Teil ( Foto ) der Elefantenterrasse befindet<br />
sich in der Mitte, und wenn wir über Treppen auf die Plattform gehen, haben wir einen herrlichen<br />
Ausblick auf das gesamte Areal . Probleme der Funktion und der zeitlichen Einordnung bereiten die<br />
12 Türme aus rotem Backstein, die wir gegenüber sehen Der moderne Name Prasat Suor Prat<br />
(„Türme der Seiltänzer“) ist aber irreführend.²<br />
1. siehe: Cœdès G., in V. Roveda, Khmer Mythology.<br />
2. siehe: Johann Reinhart Zieger: Angkor und die Tempel der Khmer in Kambodscha. Chiang Mai 2006, Silkworm<br />
Books<br />
18
Der dreiköpfige Elefant Airavata ist das Tragtier des Gottes Indra. Indra ist der König der Götter, Himmels- und<br />
Wettergott. Airavata trägt die Mukuta , die Götterkrone, als Zeichen göttlicher Herkunft. Aber Indra fehlt! Die<br />
Stoßzähne von Airavata sind abgebrochen, die Rüssel mit den Lotuspflanzen fast vollständig erhalten. Lotus ist die<br />
Pflanze der Weisheit und Reinheit ( u.v.m. ), im Hinduismus und Buddhismus. Mit der Verbindung von Rüssel und<br />
Lotus, ist gewiss das Aufsaugen der Weisheit gemeint. Das Fehlen Indras ist ein Zeichen für den Übergang vom<br />
Hinduismus zum Buddhismus - unter Beibehaltung des Synkretismus. Am Südtor und den anderen Eingangstoren , ist<br />
ebenfalls Airavata, jeweils viermal dargestellt - und jetzt als "Reittier" von Jayavarman 7, Jayarajadevi und Indradevi!<br />
Keines dieser Figuren-Ensembles ist in dem Zustand, dass sich ein Foto lohnen würde.<br />
Der Lotuseffekt: In Kambodscha, wo 95% Buddhisten leben, benötigt man viel Lotus. Er wächst<br />
nicht selten in ziemlich verschmutzten Gewässern. Zieht man die Pflanzen aus dem Wasser, stellt<br />
man fest, dass die Stängel sauber sind. Die Stängel besitzen eine genoppte Oberfläche, die dafür<br />
sorgt, dass der Schmutz und auch Wasser abgewiesen werden. Am eigenen Hausaltar und in den<br />
Klöstern findet man Lotus besonders an den vielen buddhistischen Feiertagen.<br />
Den Lotuseffekt hat sich vor allem die Textilindustrie zunutze gemacht, um unter anderem wasserund<br />
schmutzabweisende Bekleidung herzustellen.<br />
Die Terrasse des Leprakönigs<br />
Sie ist wegen der Reliefs in Hochrelief-Technik , die sich in einem labyrinth-ähnlichem Gang, am<br />
Ende der Terrassen befinden, sehenswert . Der moderne Name kommt von einer Statue, die man<br />
hier fand, und aufgrund der verwitterten Oberfläche des Gesichtes, dachte man, es sei die Figur<br />
eines leprakranken Königs. Ganz abwegig war das allerdings nicht, weil diese Krankheit auch heute<br />
noch in Kambodscha vorkommt. In dem Gang mit den Hochreliefs sind Wesen aus der Unterwelt<br />
dargestellt, und man vermutet deshalb, dass die Terrasse ein Ort für die Verbrennung der Könige<br />
war. Angkor hatte 28 Könige, aber von keinem hat man eine Urne mit der Asche gefunden !<br />
19
Wesen aus der Unterwelt tief in Sandstein geschnitzt. Die Figur in der Mitte hat Ähnlichkeit mit<br />
Citragupta¹,der zusammen mit Dharma und Yama dem Gott der Totenwelt, darüber entscheidet, ob<br />
jemand in den Himmel oder in die Hölle kommt.<br />
1. Zu Citragupta ,vgl : Kapitel „Himmel und Höllen“, S. 60 ff.<br />
20
Banteay Srei ( Khmer ) „Zitadelle der Frauen“<br />
Sein Originalname ist:<br />
Shrĩ Tribhuvan Maheshwar ( Sanskrit )<br />
“Herr der dreifachen Welt”<br />
„ Huldigung an Gott Shiva, der der Gott<br />
der drei Welten ist. Sein Wohlwollen kommt zu<br />
allen Lebewesen. Sein Segen beschützt alle Lebewesen<br />
bis in Ewigkeit“<br />
( Inschrift am Tempel )¹<br />
Das Jahr 967 war für die Kunst der Khmer und die Weltkunst ein ganz besonderes. In diesem<br />
Jahr wird einer der schönsten Tempel geweiht. Er ist ein Ort des spirituellen Wissens, der<br />
spirituellen Kunst und des Asketentums.²<br />
Spiritualität verbindet das Geistige ( Verstand, Bewusstsein ) und das Geistliche ( Religiöse )<br />
mit dem Transzendenten ( das Auβersinnliche, nicht mit den Sinnen wahrnehmbare, aber<br />
Wahrheit ist ), mit dem Jenseits und mit der Unendlichkeit .<br />
Der Tempelbezirk war Stätte des Lernens und Lehrens, eine Art Universität. Hier traf sich die<br />
geistige Elite, hierher kamen Gelehrte aus allen damals bekannten Wissenschaften und die<br />
allerbesten Künstler. Aber der Tempel war auch Zufluchtsort für Kranke, Waise und Blinde.<br />
Auftraggeber dieses kleinen, aber feinen Tempels war ein Brahmane und spätere Guru/Lehrer des<br />
Königs Jayavarman 5. Yajñavarah, so sein Name, war ein Universalgelehrter in den Wissenschaften:<br />
Medizin, Mathematik, Astronomie, Astrologie, Religion, Philosophie, Literatur. Es war eine<br />
unruhige Zeit, in der der Tempel entstanden ist. Der amtierende König, Rajendravarman 2, wird bei<br />
einer Palastrevolte getötet und wie wir noch sehen werden - kein Einzelfall in der Geschichte des<br />
Khmer-Reiches.<br />
Dekor mit Garuda-und Kalaköpfen, oktogonale Säule, Durchblick zum Zentralheiligtum mit Wächterfiguren ( nicht zugänglich).<br />
1. Zitiert in: A Spiritual Journey to Banteay Srei, Angkor Media Guide ( o. Jahr), übersetzt vom Verfasser<br />
2. Verzicht auf das Materielle, Enthaltsamkeit und vor allem Meditation, zur Vermeidung von Lastern.<br />
21
Am Eingangstor ( Ost- Gopuram IV ) begrüßt uns Indra auf seinem dreiköpfigen Elefant, als Gott<br />
des Ostens. Meistens wird er auf Airavata, seinem Tragtier, dargestellt. Airavata ist das Symbol für<br />
die Wolken. In der rechten Hand trägt Indra einen Blitz, sein Symbol als Wettergott. Unterhalb der<br />
Elefanten ist Kala platziert, eine Göttin, die die Aufgabe hat, das Tor zu bewachen. Kala: Die Göttin<br />
des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung, denn die Gläubigen sehen sie als<br />
Beschützerin der Menschen und der göttlichen Mutter, da sich ihre zerstörerische Wut nicht gegen<br />
Menschen, sondern gegen Dämonen und Ungerechtigkeit richtet. In der Khmer-Kunst ist Kala<br />
zuvörderst eine Türwächterin und ein Symbol für die vergehende Zeit und für Vergänglichkeit. Im<br />
Unterschied zur indischen Ikonographie, erscheint sie in Kambuja ohne Unterkiefer.¹<br />
Die Vorlagen für das Dekor der Tempel stammen aus Flora und Fauna und aus der<br />
hinduistischen Mythologie: Aus der Pflanzenwelt vor allem Blätter, Ranken, Blüten, Knospen, aus<br />
der Tierwelt Augen und Zähne, aus der Mythologie Gottheiten und Dämonen. Auch die Flamme²<br />
wird, wie die anderen Motive, naturgetreu oder stilisiert, in Stein gehauen/geschnitzt. Die Flamme<br />
ist in ihren unzähligen Variationen, neben den Nagas, das Motiv, was uns in der Khmerkunst am<br />
häufigsten begegnet. Auffällig beim Blätterwerk ist die Darstellung von verwelkten Blättern. Die<br />
eingerollten, verwelkten Blätter machen das Blatt plastischer und das verwelkte Blatt ist ein<br />
Vanitassymbol, ein Symbol für Vergänglichkeit.<br />
1. zu Kala siehe:Gerhard J. Bellinger, Knaurs Lexikon der Mythologie, Knaur, München 1999.<br />
2. Die Flamme ist Symbol für: Leben, Tod, Vergänglichkeit, Energie, Licht, u.v.m.<br />
22
Narasimha tötet Hieranyakashipu<br />
Beschreibung des Reliefs: Der Dämonenkönig verfolgt unnachlässig seinen Sohn ( Prahlada ), der<br />
sein Leben Vishnu geweiht hat. Hieranyakashipu beschlieβt, seinen Sohn zu töten. Aber alle<br />
Versuche scheitern, wegen Prahladas vollkommener Hingabe zu Vishnu. „ Mein lieber Vater,<br />
meine Kraft stammt aus der gleichen Quelle, wie deine Kraft. Alle Kräfte kommen aus dem<br />
gleichen Urgrund.“¹Bei einem erneuten Tötungsversuch erscheint Narasimha. Er legt sich<br />
Hieranyakashipu auf den Schoβ und reiβt ihm, mit seinen diamantharten Nägeln, den Brustkorb auf.<br />
Technik ist hier das Hochrelief. In der Mitte links und rechts, sehen wir Indra, der das Geschehen<br />
,als König der Götter, beobachtet. Die Figuren unten links und rechts sind Vegetationsgötter, die<br />
Narasimha/Vishnu, wegen des Dämons, um Hilfe anflehen.<br />
In der Mitte oben Vishnu/Narasimha und darunter der Dämon Hieranyakashipu.²<br />
1. zitiert in:Anneliese und Peter Keilhauer: Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre<br />
Symbolik. DuMont, Köln 1986<br />
2. zu Hieranyakashipu auch:Indian Mythology. Hamlyn Publishing, London 1988<br />
23
Zweiteiliger Giebel – sogenannter Scheingiebel vom Gopura/Torturm II<br />
Antefix<br />
Medaillon<br />
Volute<br />
Beschreibung des Giebels ( Ostgopur II ). Von einer groβen Raute ( Medaillon ), an der Spitze<br />
des Giebels, verläuft, zur linken und rechten Seite, ein breites Girlandenband, mit jeweils drei<br />
Medaillons. Die beiden Enden des Bandes bilden je eine Volutenform. Man wird an ionische<br />
Kapitelle erinnert, aber von Kopie kann kein Rede sein. Die Spirale, in verschiedenen<br />
Erscheinungsformen, kennt man als Dekor aus vielen Kulturen der Welt. Man weiß nicht genau,<br />
was sie für ein Symbol ist. Sehr wahrscheinlich erscheinen die Deutungen als Sonnensymbol und/<br />
oder als Verlauf des Lebens. Das Girlandenband, wie schon erwähnt, hat seine Ursprungsform in<br />
einem Schlangenkörper. Entlang des Bandes befindet sich ein sogenannter Flammenrahmen ( nicht<br />
mehr vollständig ), ein Symbol ( auch ) für Vergänglichkeit. Im Giebelfeld befinden sich Indra und<br />
Kala, die von üppiger Vegetation umgeben sind. Das Gestaltungselement der Volute wird variiert<br />
wieder aufgenommen im Rankenwerk aus Blättern bestehend, das jeweils in einer Volute endet.<br />
Die Figuren zwischen den Girlandenbändern sind Natur- Vegetationsgottheiten. Streng<br />
genommen ist es nur ein Scheingiebel, aber durch die Überlagerung mit der Giebelform dahinter ,<br />
wird eine gewisse Raumtiefe erzielt. Auch das große Ornament, über dem Giebel an der<br />
Westseite des Eingangs, hat seinen Ursprung in einer Flamme und war auch auf der Ostseite<br />
vorhanden. Auf dem Antefix genannten Ornament sehen wir wiederum Indra als Gott des Ostens.<br />
Einen Giebel in dieser Form hat es zuvor nicht gegeben: Das Kriterium des noch nie<br />
Dagewesenen, die Komposition und die Umsetzung in Stein machen den Giebel zu einem<br />
Kunstwerk.<br />
Wenn man die Höhe der Tore messen würde, die man bis zum Allerheiligsten<br />
durchschreitet, würden man feststellen, dass sich die Höhe jeweils verringert. Die Höhe der<br />
letzten Tür, im Zentralheiligtum, beträgt gerade mal 1,10 Meter! Der Leser kann ja an<br />
dieser Stelle einmal überlegen, was wir für eine Körperhaltung einnehmen müssten, um durch<br />
diese Tür zu gehen und vor allem, was der Grund für diese Haltung ist. Die Erklärung hierfür<br />
wenig später.<br />
24
Der Regen des Indra – Feuer im Khandav-Wald<br />
Von indischen Wissenschaftlern, die an eine arische Invasion in mehreren Wellen und kriegerische<br />
Inbesitznahme Indiens glauben, können wir zum historischen Ereignis des Feuers im Khandav-<br />
Wald folgendes erfahren: Auf dem Gebiet von Kurukschetra lebten sogenannte Nagastämme, die<br />
Schlangengottheiten verehrten. Die Arier, insbesondere repräsentiert durch Krishna und Arjuna,<br />
waren Angehörige der herrschenden Brahmanen-Kaste. Historisch gesehen waren Krishna und<br />
Arjuna möglicherweise hervorragende Heerführer, die dann später in den heiligen Texten<br />
vergöttlicht wurden. Man wollte eine neue Hauptstadt bauen und entschied sich für das Gebiet des<br />
Khandav-Waldes. Der Konflikt mit den Bewohnern war vorprogrammiert. Angehörige der<br />
Nagastämme töteten hochrangige Mitglieder der Brahmanenkaste. Die Brahmanen rächten sich mit<br />
einem Massaker an den Bewohnern des Waldgebietes. Tausende wurden bei lebendigem Leib<br />
verbrannt.¹<br />
Ort des Bildwerkes: Nördliche Bibliothek, östlicher Türgiebel - Zentralheiligtum<br />
1. siehe: The Bible of Aryan Invasions, Bd. II, von Prof. Uthaya Naidu, Sudrastan Books, Jabalpur 1999<br />
25
Formale Beschreibung: Oben sehen wir Indra mit dem Blitz in der rechten Hand, auf seinem<br />
Tragtier Airavata. Links und rechts neben ihm, Wesen in flehender Haltung – sie schlagen die<br />
Hände über dem Kopf zusammen. Darunter Wasserlinien, dann unzählige Pfeile in Richtung Indra<br />
und der Wesen neben ihm. In der Mitte, über den Pfeilen dargestellt, zwei dreiköpfige Schlangen,<br />
die ebenfalls Ziel der Pfeile sind.<br />
Im unteren Reliefteil: ein Wald mit Tieren, darunter zwei Streitwagen mit jeweils 2 Personen und in<br />
der Mitte zwei weitere Personen. Das Dilemma, das Dargestellte präzise zu interpretieren, resultiert<br />
aus den schriftlichen Quellen, die nicht klar zwischen Geschichte und Symbolik unterscheiden.<br />
26
Arjuna Krishna Agni Maya Krishna Vishnu<br />
Das mythologische Ereignisse im Khandav-Wald¹: Der Wald liegt im Gebiet von Kurukschetra,<br />
das sich nördlich der heutigen Stadt Delhi befindet. Der Wald wird niedergebrannt. In ihm leben<br />
sogenannte Nagastämme, die Ureinwohner. Der Name stammt von ihrer Verehrung für eine<br />
Schlangengottheit. Die beiden Schlangen, mit jeweils drei Köpfen, stehen für den König Takshak<br />
und sein Bruder Aswasena. Beide haben das Feuer überlebt. Das Feuer, das schon sieben Mal zuvor<br />
von Agni entfacht wurde, konnte jedes Mal durch Indras Regenschauer gelöscht werden. Doch bei<br />
einem erneuten Versuch Agnis, den Gott des Feuers, drohte der Wald niederzubrennen mit samt<br />
seinen Bewohnern. Der Konflikt war vorprogrammiert. Das Feuer, das wir nicht sehen, ist bereits<br />
gelegt, was Anlass für die Nagas war, Angehörige der Brahmanen-Kaste zu töten. Der Konflikt<br />
eskaliert - und endet mit einem Massaker an den Nagastämmen.<br />
Interpretation, Symbolik: Indra und Takshak waren Freunde. Der König der Götter hatte bisher<br />
mit seinem Regen die Feuer löschen können, war aber dieses Mal erfolglos. Wir können daraus<br />
folgern, dass der Himmelsgott , laut heiliger Texte, seine Macht verloren hatte, weil er in einer<br />
Schlacht von den Dämonen besiegt wurde. Am Geschehen im Khandav-Wald sind weiterhin der<br />
Gott Vishnu, in Form seiner Inkarnation als Krishna, Arjuna, Agni und Vishnu selbst beteiligtallesamt<br />
Vertreter des Hinduismus. Vishnu verkörpert die allerhöchste Gottheit, Arjuna ist das<br />
Paradebeispiel für einen Gläubigen.²<br />
Agni, der Feuergott, ist der Mund der Götter, das heißt, mit seinem Mund nimmt er alles Böse.<br />
Sein Feuer bedeutet Ausmerzen von allem, was gegen die Gesetze des Hinduismus ( Dharma )<br />
verstößt.<br />
1. Mahabharata, Buch 1, Das Verbrennen des Khandava Waldes.<br />
2. siehe: Kapitel „Die Schlacht von Kurukschetra“, S. 51 ff.<br />
27
Aus dem Mahabharata erfahren wir, dass Agni ohne die Nahrung, das Feuer, nicht existieren kann.<br />
Ohne das Verschlingen von Sünden hat er keine Energie. In dem Zusammenhang berichtet das<br />
Mahabharata von übertriebenem Opferkult, der zwar keine Sünde, aber sicherlich verpönt war. Agni<br />
ist auch verantwortlich für die Opfergaben der Menschen: Er bringt das Immaterielle, das<br />
Spirituelle, den Geruch und den Geschmack der Opfergaben zu den Göttern - aber die übermäßige<br />
Aufnahme von Opfern führte zum Energieverlust Agnis.<br />
„Oh Agni, du bist der Mund der ganzen Welt. Du trägst die heilige Opferbutter. Du reinigst<br />
( von allen Sünden) und bewegst dich unsichtbar innerhalb der Hülle eines jeden Wesens.“<br />
Neben dem Feuer waren die göttlichen Waffen ( Pfeil und Bogen, Diskus, Keule u.a. ) Mittel, die<br />
Menschen von ihren Sünden abzubringen, ihre Sünden zu vernichten.<br />
Varuna, ein Gott und oberster Herr des Kosmos, übergibt an Krishna und Arjuna jene göttlichen<br />
Waffen, die im Khandav-Wald eingestzt werden.<br />
„Varuna sprach: Ich gebe! und überreichte Arjuna dieses wunderbare Juwel eines Bogens mit<br />
der großen Energie. Dieser Bogen vermehrte Ruhm und Heldentum und konnte von keiner<br />
anderen Waffe zerstört werden (…) Dann übergab Agni an Krishna einen Diskus mit einem<br />
Blitz in der Mitte (oder ein eiserner Stab in einem Loch in der Mitte). Dies war ein<br />
schreckliches Kriegsgerät und wurde Krishnas bevorzugte Waffe. Nun war auch Krishna für<br />
die Aufgabe gerüstet (…) Desweiteren verlieh Lord Varuna dem Krishna noch eine Keule...<br />
die jeden Dämonen vernichten konnte ...“<br />
Mit diesen Waffen ausgerüstet, konnte nun alles Übel im Khandav-Wald ausgerottet werden, das<br />
vor allem darin bestand, dass man andere Götter verehrte. Auf dem Reliefausschnitt ( oben ) sehen<br />
wir: den Bogen für Arjuna, die Keule für Krishna. Den Diskus hat hier Vishnu, der ja auch Krishna<br />
ist und umgekehrt. Die unzähligen Pfeile verdeutlichen die Übermacht der Gegner Indras. Die<br />
Wesen, die zu Indra flehen, sind Götter und fragen ihn, warum man den Wald vernichten würde. Im<br />
weiteren Verlauf kommt es zum Kampf: Indra gegen Krishna und Arjuna.<br />
Schließlich spricht eine Stimme zu Indra:<br />
„Und nun erkenne, daß Krishna und Arjuna von niemandem im Kampf besiegt werden<br />
können. Sie sind Nara und Narayana, diese Urgottheiten des Himmels. Du kennst ihre<br />
Energie und Macht. Die beiden sind unbezwingbar, von nichts und niemandem in allen<br />
Welten. Sie verdienen die höchste Ehrerbietung von allen... Es ist daher angemessen, oh<br />
Indra, daß du dich mit den Himmlischen zurückziehst. Die Vernichtung des Khandava<br />
Waldes wurde vom Schicksal beschlossen.<br />
Da erkannte der Anführer der Unsterblichen die Wahrheit in diesen Worten, warf Zorn und<br />
Empörung ab und kehrte in den Himmel zurück. Auch alle himmlischen Heerscharen folgten<br />
ihm und verließen das Schlachtfeld. Bei diesem Rückzug ließen Arjuna und Krishna das<br />
Löwengebrüll der Sieger ertönen und fuhren fort, dem Feuer im Khandava Wald zu helfen“ .<br />
Das Gebrüll der Löwen wird mit den vier dargestellten Löwen visualisiert. An wichtigen Details des<br />
Reliefs wäre noch auszuführen, wer die Person neben Agni ist.<br />
Die gesamte fettgedruckte Zitation in :<br />
Mahabharata, Buch 1, Das Verbrennen des Khandava-Waldes<br />
28
Maya bittet Arjuna um Schutz<br />
Da geschah es, daß Agni einen Dämon namens Maya entdeckte, der aus Takshakas Heim<br />
entfloh. Agni nahm einen Körper mit verfilzten Locken an und verfolgte mit seinem<br />
Wagenlenker Vayu¹ den fliehenden Dämon, um ihn zu verschlingen. Auch Krishna sah den<br />
Dämon und stand mit seiner Waffe bereit, ihn zu töten. Als Maya den erhobenen Diskus sah<br />
und Agni ihn von hinten verbrennen wollte, da flehte er: Oh Arjuna, komm schnell und<br />
beschütze mich.“ Die ängstliche Stimme vernehmend antwortete Arjuna: „Fürchte dich<br />
nicht!“. Schon Arjunas Stimme schien Maya, … das Leben wiederzugeben … Krishna und<br />
Agni verschonten ihn ebenfalls“ ( Mahabharata, Buch 1, Das Verbrennen des Khandava Waldes ).<br />
Interpretation der Geschichte mit Maya: Takshak, König eines Nagastammes, huldigte dem<br />
Schlangenkult. Die Flucht Mayas aus seinem Haus bedeutet Hinwendung zu einem anderen Gott.<br />
Seine Bitte nach Schutz ist als erster Schritt zur Hingabe zu Vishnu zu verstehen.<br />
1. Vayu ist der Windgott und Vater von Hanuman!<br />
Lit.: Storm, Rachel, Enzyklopädie der östlichen Mythologie, Reichelsheim 2000, Vayu<br />
29
Ravana schüttelt den Mt. Meru/Kailasch (wegen des Titels der untere Teil zuerst )<br />
Die vielen Arme und Köpfe Ravanas sind Symbol seiner unzähligen Verwandlungen, die er für seine ständigen Missetaten anwendet.<br />
Beschreibung des oberen Teils:<br />
In der Mitte befindet sich Shiva mit seiner Frau Uma . Dass es sich um Shiva handelt, ergibt sich aus<br />
dem Zusammenhang des Ereignisses mit Ravana, denn wir können Shivas Attribute, das dritte Auge<br />
und die Mondsichel nicht erkennen. Mit dem Dreizack, einem weiteren Attribut , hätten wir die<br />
wichtigsten Erkennungsmerkmale für Shiva. In der rechten Hand trägt der Gott eine Vanamala<br />
genannte Girlande ( kein Attribut ) aus Waldblumen, die den Duft der Götter verströmt. Seine Frau<br />
Uma schmiegt sich an seinen Körper. Sie verkörpert die vollkommene Frau und die Shakti ihres<br />
Mannes. Shakti bedeutet Energie, ohne die Shiva nicht existieren kann. Uma ist einer von drei<br />
weiteren weiblichen Aspekten Shivas.¹ Rechts von ihr, auf dem Boden sitzend, eine Göttin/<br />
Halbgöttin mit Gebetsgestus. Links von Shiva ein Asket/Yogi, ein Hinweis auf Shiva als Meister des<br />
Yoga.<br />
1. Zu Parvati, Durga, Kali siehe: Kurt Friedrichs: Lexikon des Hinduismus, Verlag Goldmann 1996<br />
30
Die vier dargestellten Figuren bilden ein Dreieck Shiva und Uma sitzen auf dem oberen Teil einer<br />
dreistufigen Pyramide ( vgl. Gesamtansicht ), mit einem Wald als Hintergrund. Die Dreiteilung<br />
meint die dreifache Welt: Himmel, Erde und Unterwelt/Hölle. Die Pyramide ist Symbol für den<br />
Berg Meru, dem Sitz der Götter, der im deutschen Sprachraum Kailasch heißt, wirklich existiert und<br />
zu den schönsten Bergen gehört. Für Hinduisten, Buddhisten und Taoisten ist er der heiligste Berg.<br />
Pilger dieser Religionen sind bei Erreichen des Berges von allen Sünden befreit. In der Mythologie<br />
ist der Mt. Meru die Weltenachse, der Mittelpunkt des Universums, um den die Sonne, der Mond,<br />
die Sterne und die Planeten kreisen.<br />
Beschreibung des unteren Teils:<br />
Ravana der vielarmige und mehrköpfige Herrscher von Lanka und König der Dämonen steht<br />
hämisch lachend vor dem Berg Meru. Seine ausgebreiteten Arme, die Stellung der Hände und seine<br />
Körperhaltung ( ähnlich eines Gewichthebers ), lassen darauf schließen, dass er den Berg<br />
hochheben will. Das bedeutet allergrößte Gefahr für die Erde, für das Universum, denn Ravana will<br />
die Macht Shivas brechen und selbst die Welt ( mit Schrecken ) beherrschen. Von dem Gehabe und<br />
Getue Ravanas sind die Tiere aufgebracht und fliehen. Im Register darüber: Wesen, halb<br />
Mensch,.halb Tier und darüber Asketen und ein weibliches Wesen. Aus der Gestik dieser Figuren,<br />
( intendierte Bewegung ) fällt es nicht schwer zu schließen, dass sie sich erregt über das unterhalten,<br />
was vor ihren Augen geschieht: Ravana hat bereits den Berg angehoben ( Ramayana-Text) und<br />
betrachten wir das komplette Relief, sehen wir deutlich die Schieflage des Berges. Und wir sehen<br />
auch den Fußkick Shivas, der den Berg wieder zurechtrückt .Anhand des Ramayanatextes erfahren<br />
wir nun, dass durch die Wucht des Kicks Ravana schwer verletzt wird und Uma Mitleid mit Ravana<br />
hat. Sie bittet ihren Gatten gnädig mit ihm zu sein. Daraufhin muss Ravana, als Bußtat, 1000 Jahre<br />
Lobeshymnen auf den Gott singen.<br />
( Shiva kann sich als Gott in jede nur denkbare Gestalt verwandeln)<br />
„Doch wie er ihn mit seinem Affengesicht erblickte, brach Ravana in Gelächter aus …<br />
Daraufhin wurde der verehrte Nandi, Sankaras¹ anderer Körper, zornig und er sprach zum<br />
Rakshasa² (…) Selbst jetzt, oh Wanderer der Nacht, könnte ich dir ein Ende setzen, doch ich<br />
muß dich nicht töten, denn du bist bereits durch deine Taten geschlagen." (…) Doch ohne<br />
Nandis Rede zu beachten kam der höchst kraftvolle Dashanana³ zum Berg und sagte: "Oh<br />
Gopati, ich werde diesen Berg entwurzeln ... "<br />
"Sprach's, umklammerte den Berg mit seinen Armen und hob ihn auf einmal hoch. Der Berg<br />
erbebte bis ins Innerste. Und auch alle Begleiter der Gottheit zitterten, nebst Parvati 4 , die<br />
gerade Maheshvara umarmte. Doch Mahadeva 5 , der Beste der Götter, drückte wie im Spaß<br />
seine große Zehe auf den Berg. Ravanas Arme, die Felsgestein ähnelten, fühlten die Wucht<br />
(und wurden eingeklemmt) ( … )<br />
Versöhne du Umas Herrn . wir sehen für dich keine andere Zuflucht als ihn. Verbeuge dich<br />
vor ihm, und flehe ihn als deinen Schutz an. Dann wird der freundliche Sankara zufrieden<br />
sein und dir seine Gunst schenken … “<br />
"Oh Dashanana , wegen deiner Lobeshymnen bin ich mit dir zufrieden. Als deine Arme vom<br />
Berg verletzt wurden, stießest du einen gräßlichen Schrei aus, der große Angst in den drei<br />
Welten verbreitete und sie erzittern ließ. Daher, Oh König, soll dein Name Ravana sein. Ja,<br />
Götter, Menschen, ... und die anderen Lebewesen auf Erden sollen dich Ravana nennen, das<br />
Entsetzen der Wesen. Nun geh, welchen Weg du wünschest, ich erlaube es dir …“. 6<br />
1. Sankara, ein Beiname Shivas, der „Wohltäter“bedeutet.<br />
2. ( Sanskrit ) Dämon.<br />
3. Der Name Dashanana bezieht sich auf die zehn Köpfe Ravanas<br />
4. In der Khmer-Kunst wird Shiva stets mit Uma dargestellt.<br />
5. Maheshvara und Mahadeva , Sanskrit, „Der große Gott“.<br />
6. Die gesamte Zitation aus: Ramayana - Buch 7 - canto 16<br />
31
Oben haben wir Ravanas Verhalten vernommen, als er Shiva in Affengestalt sah. Nachfolgend nun<br />
weitere Konsequenzen für Ravana:<br />
„Weil du, Dashanana, mich wegen meiner Affengestalt verspottet hast und in Gelächter<br />
wie Donnergrollen ausgebrochen bist, sollen heldenhafte Affen mit meiner Gestalt und<br />
Energie zur Zerstörung deines Geschlechts geboren werden. Mit Zähnen und Klauen<br />
bewaffnet, wild, so schnell wie ein Gedanke, kampfeslustig, vor Kraft nur so strotzend und<br />
so groß wie Berge in Bewegung werden sie sein. Wenn sie geboren sind, sollen sie deinen<br />
großen Stolz und deine Macht zerschmettern mitsamt deinen Höflingen und Söhnen“.¹ Im<br />
Kapitel „Die Schlacht von Lanka“ wird ausführlich die Rolle der Affen und Ravana behandelt.<br />
Wie wir oben sahen, hat Shiva viele Namen – es sind 108 Hauptnamen. Bei der Interpretation geht<br />
es zunächst wieder um den Kampf Gut gegen Böse. Aber es ist hier an der Zeit, diesen Kampf<br />
differenzierter zu betrachten. Wenn es um die Ausmerzung schlechter Eigenschaften eines<br />
Menschen geht, stehen wir ganz gewiss auf der Seite des Guten. Wenn wir aber wissen, dass die<br />
Dämonen symbolisch für die dravidischen Bevölkerungsteile ( Urbevölkerung ) stehen, die<br />
Hinduismus ablehnten und sich nicht mit den Neuankömmlingen/Eindringlingen vereinten – was<br />
dann? Wer ist das Gute, wer das Böse? Eine Wahrheit gibt es hier nicht und unsere Illusion über die<br />
Geschichte des Ramayana-Epos wird nicht zerstört. Auch wenn es eine historische Schlacht gegeben<br />
hat, könnte man argumentieren, dass es in der Geschichte keine Objektivität gibt.<br />
1. Ramayana, Buch 7, Canto 16, pushpak.de<br />
32
Valin und Sugriva ( Ost-Tor, Westgopura II ) - Ramayana-Epos<br />
Valin Tara Sugriva Valin Sugriva Rama Lakshmana<br />
Formale Beschreibung und mythologischer Hintergrund: Fünf Affen, zwei menschliche und<br />
zwei himmlische Wesen bilden ein Dreieck. Die unteren Figuren sind auf einem Gesims¹ platziert,<br />
das als Grundlinie dient. Zunächst ist es eine schmale Leiste aus Knospen des Lotus, dann eine<br />
breitere, aus den äußeren Blättern der Lotusblüte bestehend. Das Dargestellte wird eingerahmt von<br />
einem Girlandenbogen, der außen mit floralen Flammenornamenten besetzt ist. Flammen und<br />
Zierbogen sind so stilisiert, dass man ihre Ursprungsformen, Schlangenkörper und Flamme, kaum<br />
noch erkennt. Die beiden Figuren, oben im Dreieck, sind Götter/Halbgötter, die das Geschehen<br />
beobachten. Ihre Größe ( klein ) und Position ( oben/ weit entfernt ) tragen mit den<br />
Überschneidungen, der tief in den Sandstein geschnitzten Figuren, dazu bei, dass ein imaginärer<br />
Raum entsteht, den wir Himmel, Universum oder transzendenten Raum nennen können. Die beiden<br />
Affen in der Mitte sind die Hauptdarsteller und deshalb größer dargestellt als die Figuren rechts.<br />
Der zu zwei Dritteln zu sehende Schwanz von Valin und der Bogen von Rama, dienen ebenfalls der<br />
Blickführung zu den beiden Kontrahenten. Sie kämpfen um Leben und Tod. Valin hatte seinem<br />
Bruder Sugriva Land und Frau gestohlen, was im alten Indien mit dem Tode bestraft wurde. Rechts<br />
dann Rama und kniend sein Bruder Lakshmana. Obwohl es sich um Vishnu als obersten Gott<br />
handelt, der sich als Rama inkarniert, sind er und sein Bruder kleiner dargestellt, um als drittes<br />
Stilmittel, den Blick zu den Hauptakteuren zu führen.<br />
Im Ramayana-Text hat es zunächst den Anschein, dass Sugriva diesen Kampf nicht gewinnen kann,<br />
bis schließlich Rama eingreift:<br />
1. Gesimse dienen der Gliederung von Bauteilen und ragen aus einer Mauer oder Wand hervor.<br />
33
"Diese meine unfehlbaren Pfeile werden, noch bevor die glänzende Sonne bleich wird,<br />
beflügelt durch meinen Zorn, schnell und schrecklich das boshafte Herz Bali's ( Valin )<br />
durchbohren ( … ) . Diese Hand soll deine gefangene Gattin befreien und dir dein Königreich<br />
zurückgeben ( … ) Er zog den Bogen zum Kreis, und fort flog der Pfeil von der Sehne …<br />
durchbohrte Bali's Brust und blieb dort zitternd stecken … Vom Pfeil getroffen wankte der<br />
mächtige Vanar ¹ und fiel …". ²<br />
Dieses Eingreifen mit seinen Folgen ist auf dem Relief dargestellt. Aus der Handhaltung der rechten<br />
Hand Lakshmanas können wir folgern, dass er seinem Bruder den tödlichen Pfeil gereicht hat ( in<br />
der linken Hand hat er weitere Pfeile). Und an Ramas rechter Hand sehen wir, dass der Pfeil bereits<br />
abgeschossen wurde. Der Bogen Ramas wird von einem Arm Sugrivas verdeckt und weil wir<br />
wissen, dass der Pfeil in das Herz traf, kann kein Zweifel aufkommen, dass es sich links um Valin<br />
und rechts um Sugriva handelt. Links vom Kampf sehen wir den tödlich getroffenen Valin am<br />
Boden liegen. Der Pfeil steckt in seiner Brust und seine Frau Tara, von der man nur den Kopf und<br />
zwei Hände sieht, hält seinen Oberkörper aufrecht. Auch Sugriva sehen wir ein zweites Mal, was<br />
bedeutet, dass hier zeitlich versetzte Handlungen in einem Bildwerk dargestellt sind. Die<br />
Erzählstruktur, so der Fachbegriff, beinhaltet hier folgende Handlungen:<br />
– Valin und Sugriva kämpfen<br />
– Rama hat bereits den Pfeil abgeschossen ( der Pfeil ist noch nicht im Herz )<br />
– Valin liegt vom Pfeil getroffen auf dem Boden<br />
– Sugriva, ebenfalls ein zweites Mal ( er schaut auf Valin und Tara )<br />
In einer Erzählstruktur ist aber nicht der Aspekt Zeit bestimmend, sondern es geht darum, Ursache<br />
und Wirkung zu verdeutlichen: Weil Valin seinem Bruder Land und Frau stahl, musste er<br />
durch die Strafe Gottes ( Rama ) sterben.<br />
Zur Komposition: Die Anordnung von Personen und /oder Gegenständen in einer Dreiecksform<br />
ist ein Gestaltungsmittel unzähliger Kunstwerke. Das Dreieck, sichtbar ( Giebel ) oder nicht<br />
( Stillleben ), führt den Blick des Betrachters. Das Dreieck besitzt zwei wesentliche<br />
Gestaltungselemente: Diagonale und waagerechte Linie. Die senkrechte Linie ist das dritte Element<br />
in dieser Gruppe, die in der Gesamtkomposition durch die Personen gebildet wird. Mit den großen<br />
und kleinen Figuren haben wir einen Formenkontrast. Um die hier kleine “Schule des Sehens“<br />
fortzuführen, ein wenig über den Goldenen Schnitt, der für die Komposition eines harmonischen<br />
Bildwerkes sorgt. Ohne die mathematischen Formeln anzuführen, geht es um ein Verhältnis von<br />
etwa 2 : 3, in der vertikalen und horizontalen Anordnung. Im Relief „Valin und Sugriva“ sehen wir<br />
dieses Prinzip verwirklicht. Plastizität und scheinbare Räumlichkeit entsteht im Relief durch:<br />
Anwendung der Technik des Hoch-Reliefs und durch die Überschneidungen der Körperteile, wie<br />
Köpfe, Arme und Beine. Wenn sich zwei Linien überschneiden, entsteht Räumlichkeit, eine Art von<br />
Perspektive, die so alt ist wie der homo sapiens. Etwa 30000 v. Chr. entstehen Höhlenmalereien<br />
( Höhle von Chauvet, Südfrankreich ) mit perspektivartigen Darstellungen von Tieren.<br />
1. Vānara ( Sanskrit ) , meint Waldbewohner oder auch Affen.<br />
2. Ramayana – Buch 4 – canto 10 – pushpak.de<br />
34
Inhaltliche Deutung: Valin hat sich des Diebstahls und der Entführung schuldig gemacht und<br />
bekommt seine Strafe. Er bekommt sie aber nicht von Sugriva, sondern von Rama, von einem Gott.<br />
Damit wird gesagt, dass jedes Abweichen, jede Vernachlässigung gegenüber dem Gott<br />
( Rama/Vishnu ) nicht geduldet wird und Konsequenzen hat. Aber Valin macht Rama „scharfe“<br />
Vorwürfe und bezeichnet die Inkarnation Vishnus als hinterlistig, weil unsichtbar.“ Doch es ist<br />
höchst ungerecht, oh König, daß ich, von deiner trickreichen Hand erschlagen, sterben soll.“ ¹<br />
Rama macht bei seiner Antwort deutlich, dass die neuen Herren ( Arier ) die rechtmäßigen Besitzer<br />
des Landes sind und im Namen der Gerechtigkeit handelten – und keine Verletzung von Rechten<br />
und Pflichten duldeten. Trotz allem steht Valin eine ordnungsgemäße Verbrennung zu, denn eine<br />
Polarisierung zwischen Gut und Böse gibt es im Hinduismus nicht: Das Gute hat immer etwas vom<br />
Bösen und das Böse hat immer etwas vom Guten.<br />
Zugang zu den Reliefs ( am Zentralheiligtum ) hatten insbesondere Mitglieder der Königsfamilie,<br />
Beamte und natürlich jeder, der zur Brahmanenschicht gehörte. Angehörige dieser Gruppe<br />
vermittelten der Oberschicht die Inhalte und Bedeutung der Bildwerke.<br />
1. Ramayana – Buch 4 – Canto 17, pushpak.de<br />
35
Die genaue Funktion der Reliefs ist nicht mehr zu bestimmen, aber nachfolgende Aussagen darüber<br />
sind sicherlich der Wahrheit sehr nahe: Sie zeigen göttliches Geschehen - und dienten der<br />
Übermittlung und Vergegenwärtigung religiöser, moralischer, mythologischer und historischer<br />
Inhalte des Hinduismus. Sie waren Mahnung und eine Art Verhaltenscodex - immer wieder war es<br />
im Khmer-Reich zu Hofintrigen, Palastrevolten und auch Morden gekommen.<br />
Abschließend zu den Ausführungen über den Tempel Banteay Srei, kommen wir zurück zur Frage<br />
bezüglich der Körperhaltung und seiner Bedeutung, aufgrund der niedrigen Türen: Natürlich ist es<br />
eine Haltung ( mehr oder weniger gebückt ), mit der man einem höheren Wesen, in diesem Falle<br />
dem Gott Shiva, Respekt erweist.<br />
Für die Gläubigen des Hinduismus ist der Weg zum Zentrum des Tempelgebietes<br />
ein spiritueller Weg:<br />
„Vom Allgemeinen zum Besonderen, zum Einzigartigen,<br />
zum formlosen Aspekt der höchsten und ewigen Seele,<br />
die durch das heilige Shivalinga symbolisiert ist.“ ¹<br />
Die höchste und ewige Seele heißt Atman ( Sanskrit ). Das Shivalinga/m ist von seiner Form her ein<br />
Phallussymbol, aber insbesondere Symbol für die schöpferische, erhaltende und zerstörende Kraft<br />
Shivas.<br />
1. Übersetzt vom Verfasser , zitiert in: Banteay Srei – Angkor Media Guide – ohne Jahr<br />
36
Das Rāmāyana Epos – Die Schlacht von Lanka/Sri Lanka ( Westliche Galerie - Nordflügel,<br />
Angkor Wat )<br />
Die Entstehungszeit des Epos ist nicht sicher; etwa im 3./4. Jahrhundert vor Christus wird es<br />
verfasst. Es erscheint in zahlreichen Versionen, die bedeutend voneinander abweichen. Sehr populär<br />
ist es in Indien und auf der Insel Bali, aber auch in Thailand und Kambodscha ist es bekannt und<br />
wird in den genannten Ländern als Puppenspiel oder Ballett aufgeführt.<br />
Kurze Zusammenfassung des Epos:<br />
Prinz Rama , eine Inkarnation des Gottes Vishnu, lebt an einem Königshof ( Ayodhya ) in<br />
Nordindien. Thronstreitigkeiten führen dazu, dass er und sein Bruder Lakshmana in die<br />
Waldeinsamkeit verbannt werden. Auf dem Weg dorthin gelangen sie in ein anderes Königreich,<br />
wo Rama die Prinzessin Sita heiratet. Gemeinsam verbringen sie erlebnisreiche Jahre im Wald<br />
( Dandaka ), in dem auch zahlreiche Dämonen ihr Unwesen treiben. Ravana, der Dämonenkönig,<br />
will Sita in sein Königreich Lanka entführen. Das gelingt ihm mit einer List: Ein anderer Dämon<br />
verwandelt sich in eine Gazelle, in die sich Sita verliebt. Sie bittet Rama, das Tier für sie zu fangen.<br />
Während Rama die Gazelle jagt, ruft der Dämon mit Ramas Stimme um Hilfe. Lakshmana eilt<br />
sofort herbei, seinem Bruder zu helfen. Diese Zeit nutzt Ravana, nähert sich in Gestalt eines<br />
Bettelmönches Sita, und entführt sie in sein Reich in Lanka, wo er sie bittet, seine Frau zu werden.<br />
Sie lehnt voller Abscheu ab.<br />
Hanuman ist fähig zu fliegen¹ und findet Sita im Palast von Ravana. Rama vereint sich mit<br />
zahlreichen Affenheeren, um Sita zu befreien. Es kommt zum Krieg mit Ravanas Armee ( Schlacht<br />
von Lanka ) - und Sita wird befreit.<br />
Für die meisten Hinduisten ist das Ramayana heute noch ein Verhaltenscodex: Rama ist als<br />
Inkarnation Vishnus, ein Mensch mit mustergültigem, vorbildlichem Charakter - und Sita gilt als<br />
Vorbild ehelicher Treue. Aber auch die Affen spielen bezüglich der Charaktere eine wichtige Rolle.<br />
Sugriva, Hanuman und Nila, die zu den sogenannten Senioren im Affenheer gehören, stehen<br />
symbolisch für Hilfsbereitschaft, Tapferkeit, Treue u.v. m. Im Verlauf der Rekrutierung für die<br />
Affenarmee wird ein weiterer Teil der Symbolik des Epos deutlich, dann, wenn die jungen Affen,<br />
wozu auch Angada, ein Sohn Valins gehört, gelehrig, wissbegierig und respektvoll den älteren Affen<br />
gegenübertreten.<br />
Der Kampf zwischen Affen und Dämonen beherrscht das Reliefs. In diesem Kampf sehen einige<br />
Wissenschaftler die Affen als Urbevölkerung, die sich wohlgesinnt zu den Eindringlingen und der<br />
höchsten Kaste, der Brahmanen ( Arier ), verhalten. Diese Kaste wird von Rama repräsentiert. Die<br />
Dämonen ( Rakshasas ) stehen für die dunkelhäutige, dravidische Bevölkerung Südindiens, die sich<br />
feindlich gegenüber den Eindringlingen aus dem Norden verhält.² „ Die herrschende Klasse im<br />
Khmer-Reich hat das Ramayana analog zu ihrer Situation gesehen: Allianzen mit Stämmen<br />
niederer Kultur ( Affen + Dämonen ) um gegen andere Stämme zu kämpfen“. ³<br />
Zur Zitation aus dem Ramayana und aus anderen Texten ergab sich bei der Erstellung des Buches eine nahezu<br />
durchgängige Verwendung der deutschen Online-Texte von : ( www.pushpak.de/b7n040.html ). Mit Angabe dieser<br />
Herkunft ist das Zitieren legal.<br />
1. Je nach Version ist sein Vater der Windgott Vayu, der es ermöglicht, dass Hanuman fliegen kann oder Hanuman<br />
ist fähig, Flugmaschinen zu bauen.<br />
2. Robert P. Goldmann, The Ramayana of Valmiki , An Epic of Ancient India, Volume I, 1990<br />
3. Vittorio Roveda, Khmer Mythology, River Books, Bangkok<br />
37
Ein weiterer interessanter Aspekt, in einer wissenschaftlichen Studie, besagt, dass das Epos auch zu<br />
einem Feindbild beigetragen hat. Danach waren die Cham für die Khmer die Rakshasas<br />
( Dämonen ), die man bekämpfen müsse. Später, als die Thaikönige in ihrem Titel den Namen<br />
Rama führten, waren die Khmer die Rakshasas. Schließlich war es Ramathiboldi I ( 1314-1369 ),<br />
der das Khmer-Reich endgültig besiegte und damit die glorreiche Geschichte Kambujas beendete.¹<br />
C. Schmölders beurteilt das Epos wie folgt: “Rama zieht im Exil also vom Norden nach Süden,<br />
"reinigt" dabei den düsteren Dandaka-Wald von zügellosen Dämonen, schließt Pakte mit<br />
tribalen Stämmen, die seine Überlegenheit anerkennen und vernichtet Herrscher, die seine<br />
Autorität in Frage stellen. Die Interpretation liegt nahe, dass das Ramayana die<br />
Unterwerfung der Draviden des Südens durch die Arier aus dem Norden darstellt“. ²<br />
Der wissenschaftliche Disput darüber, ob die Geschichte Indiens, in den Jahrhunderten vor Christus,<br />
von Einwanderungswellen aus Zentralasien ( Arier ) oder von verschiedenen kriegerischen<br />
Inbesitznahmen innerhalb Indiens ( Arier ) bestimmt war, hält bis heute an. Welches Ereignis auch<br />
immer, sicher ist, dass es sich von Norden nach Süden vollzog. Wenn man am Relief in<br />
Leserichtung entlanggeht, geht man von Nord nach Süd!<br />
Rama und seine Helfer – und die Dämonen:<br />
Rama:<br />
Hanuman:<br />
Lakshmana:<br />
Vibishana:<br />
Nila:<br />
Sugriva:<br />
Prinz von Ayodhya, Inkarnation von Vishnu<br />
Affen-General, Sohn des Windgottes Vayu<br />
Bruder von Rama<br />
Bruder von Ravana<br />
Affen- General<br />
König, Stiefbruder von Valin, Oberbefehlshaber der Affen-Armee<br />
Angada: Sohn des Affenkönigs Valin<br />
Prahasta:<br />
Ravana:<br />
Narantaka:<br />
Nikumbha:<br />
Kumbha:<br />
Oberbefehlshaber der Armee Ravanas<br />
König der Dämonen/Rakshasas<br />
Sohn von Ravana<br />
Sohn von Kumbhakarna, einem Bruder von Ravana<br />
Sohn von Kumbhakarna<br />
1. Monobachelor Regionalstudien Asien/Afrika, Humboldt Universität zu Berlin, 2006<br />
2. Schmölders, Claudia. 2004. Ramayana. Die Geschichte vom Prinzen Rama, der schönen Sita und dem großen<br />
Affen Hanuman, Kreuzlingen/München: Heinrich Hugendubel Verlag.<br />
38
Nachfolgend werden ausgewählte Reliefszenen vorgestellt.<br />
Vibishana, Lakshmana, Hanuman und Rama – eine Erzählstruktur.<br />
Vibishana ist der Bruder von Ravana. Zwar wird er als Dämon geboren, aber er wird uns im<br />
Ramayana als weiser Mensch vorgestellt, der von Kind an Vishnu als Gott verehrt. Immer hat er<br />
versucht, seinen Bruder von seinen Untaten abzubringen. Er versucht, seinen Bruder davon zu<br />
überzeugen, wie erfolglos der Kampf gegen Rama sein wird – und bittet um Sitas Freilassung.<br />
Vibishana steht vor dem Thron Ravanas und sagt:<br />
„ Oh Rakshasa Herren, seid weise zur rechten Zeit und verachtet nicht Ramas<br />
unvergleichliche Macht. Und sagt, welches Übel hat der Sohn des Ragu ( Vishnu ) unserem<br />
Monarchen getan, der seine viel geliebte Dame stahl und sie in seiner Zitadelle hält ? … Die<br />
Maithili Dame ( Sita )wird schwere Gefahr auf dein Reich bringen, oh Rakshasa König. Gib<br />
sie zurück, solang noch Zeit ist, und lass uns nicht für dein Verbrechen umkommen. … Gib<br />
die Gefangene Sita zurück, bevor ihr Herr ... seine kühnen Pfeile von der Sehne entlässt, um<br />
das Lebensblut unseres Königs zu trinken …“. ( Canto 9, Buch 6: Ramayana – ...pushpak.de )<br />
Vibishanas Bemühungen bleiben ohne Erfolg. Es kommt zur Schlacht. Schon zu Beginn des<br />
Gemetzels sieht er mit Laksmana „ Berge von Vanar Körpern, deren Hände und Glieder<br />
abgetrennt waren. Arme und Finger lagen dort zerstreut auf der Erde und lose Köpfe häuften<br />
sich dicht an dicht. Die Erde triefte von blutroten Strömen und überall erklangen Seufzer,<br />
Stöhnen und Schreie“ ( canto 74 - Buch 6 –... pushpak.de). Hanuman wird von Vibishana und<br />
Lakshmana gebeten, zu einem Berg im Kailashgebiet zu fliegen, um Heilkräuter zu holen.<br />
Vibishana Lakshmana Hanuman und Rama<br />
Lakshmana ist der Bruder von Rama und wird im Verlauf der Schlacht von Ravanas Speer tödlich<br />
verletzt. Daraufhin wird Hanuman von Rama beauftragt, erneut Heilkräuter zu holen, die dann<br />
Lakshmana zum Leben erwecken. Auf dem Relief sehen wir ihn lebend.<br />
39
„Fern am Ufer des Milchigen Ozeans wachsen immer noch diese Kräuter in reichem Vorrat.<br />
Laß den schnellsten Vanar ( Affe ) dorthin eilen und sie uns bringen, denn wir benötigen sie<br />
dringend ... Von den Göttern angepflanzt schaut jeder glitzernde Hang herunter auf die<br />
milchige Tiefe. Laß den flinken Hanuman uns die Kräuter mit der wunderbaren Wirkung<br />
bringen." ( canto 50 - Buch 6 – pushpak.de )<br />
Hanuman spielt eine bedeutende Rolle im Ramayana-Epos. Wir sehen ihn hier in einer starken<br />
Vorwärtsbewegung, die durch die Bein-und Kopfhaltung zum Ausdruck kommt. Hanumans Gesicht<br />
ist im Profil dargestell, im Gegensatz zu den anderen, fast en face dargestellten. In der rechten Hand<br />
Hanumans befindet sich der Berg mit den Heilkräutern. Mit dem Zeigefinger zeigt er nach vorne,<br />
wobei der linke Arm etwas angehoben ist. Der Fingerzeig geht in Richtung Ravana.<br />
Rama hat Blickkontakt zu seinem Erzfeind - und er ist dabei, den Pfeil, der für Ravana bestimmt<br />
ist, auf die Sehne zu legen. Rama und Lakshmana sind bereits einem Hagel von Pfeilen ausgesetzt,<br />
die ihr Ziel aber nicht erreichen, sondern von den Körpern abprallen. Es hat den Anschein, Rama<br />
balancierte auf den Schultern Hanumans. E. Mannikka¹ meint dazu, Hanuman würde Rama zur<br />
Schlacht tragen, was aber in keiner bekannten Version des Ramayana zu finden ist. Die Epos-Texte<br />
erwähnen immer nur Ramas Wagen mit den Rossen. Aber vielleicht meint eben nur die<br />
Khmerversion die Beförderung Ramas zur Schlacht, mittels Hanuman. Ohne Zweifel haben wir bei<br />
den Szenen in der Mitte zeitlich versetzte Handlungen. Diese Art von Erzählstruktur kennen wir<br />
bereits vom Tempel Banteay Srei.<br />
Bevor wir zu den Bestandteilen der Erzählstruktur kommen, noch ein paar wichtige Informationen<br />
zum Relief und der Darstellungsweise: Alles, was auf 51,25 m dargestellt ist, muss man sich in<br />
kosmischer Größe vorstellen. So werden die Steine und Äste in den Händen der Affen zu Felsen<br />
und Bäumen und sind ( fast ) ihre einzigen Waffen.. Eine weitere Besonderheit haben wir bezüglich<br />
der Körperhaltung. Bei allen vier oben dargestellten Personen sieht man die Oberkörper frontal -<br />
und bis auf Hanuman ( Profil ) - die Gesichter en face ( nicht ganz hundert Prozent). Dadurch<br />
bekommen die Figuren mehr Volumen und mehr Gewicht, im Sinne von Bedeutung. Die Bedeutung<br />
einer Person wird natürlich auch durch ihre Größe ausgedrückt und einzig in der Khmer-Kunst,<br />
durch Schirme, an deren Anzahl der Rang einer Person zu erkennen ist. Obwohl es sich um ein<br />
Flachrelief handelt, fällt es nicht schwer, alle dargestellten Wesen vor unseren Augen plastisch zu<br />
sehen ( Eidetik ). Die perspektivische Raumtiefe fehlt, aber dadurch erscheint uns das Geschehen<br />
näher. Überall ist Bewegung wie im Ballett und in der Artistik, vor allem bei den Affen - und kein<br />
anderes Relief im Angkor Wat-Tempel hat so viele interessante Details. Last but not least, entspricht<br />
die Reihenfolge der Szenen im Relief, der des Ramayana. Zu den Bestandteilen der Erzählstruktur<br />
gehören:<br />
( Ravana schießt Pfeile auf Rama und Lakshman,<br />
Ravana tötet Lakshmana mit einem Speer)<br />
– Rama hat Blickkontakt zu Ravana und ist dabei, den tödlichen Pfeil für ihn aufzulegen<br />
– Hanumans Rückkehr mit den Kräutern – und Flug zum toten Lakshmana<br />
– ( Hanuman bringt Rama zur Schlacht ? )<br />
– Der geheilte Lakshmana steht neben Vibishana<br />
1. E. Mannikka, Angkor Wat, Time, Space and Kingship, University of Hawai'i Press<br />
40
Zu dieser Erzählstruktur gibt es eine Szene - eine Khmer-Kreation - die wir dem Aspekt<br />
Gleichzeitigkeit zuordnen können. Während Rama dabei ist, den Pfeil aufzulegen und Hanuman die<br />
Heilkräuter bringt, befindet sich darunter ein toter Dämon auf einem Streitwagen und ein Affe, der<br />
noch mit einem Pferd kämpft, das zum Streiwagen gehört. Die Pfeile, einer im Pferd und zwei im<br />
Dämon, helfen uns, die Szene zu entschlüsseln. Das Geschehen ist exemplarisch zu sehen für den<br />
Verlauf und Ausgang der Schlacht. Die Pfeile im Pferd und im Dämon verweisen auf Rama ( immer<br />
mit Bogen ), der mithilfe der Affenheere, Ravanas Dämonenheer vernichten wird. Beim Betrachten<br />
der Abbildung von unten nach oben, sehen wir wieder , dass hier die Schlacht von Sri Lanka kein<br />
irdisches, sondern ein mythologisches, in himmlischen Sphären stattfindendes, Ereignis ist.¹<br />
Der Körper des Dämon befindet sich<br />
unterhalb von Rama und Hanuman!<br />
1. Die historische Schlacht wird auf 600 v. Chr.datiert.<br />
41
Der mythologische und der historische Ravana. Ravana, mythologisch betrachtet, ist Symbol für:<br />
Krieg, Tod, Verderb – er ist Inbegriff aller Sünden dieser Welt. Im übertragenen Sinn ist Ravana bis<br />
heute tätig und wird uns nie verlassen.<br />
In seinem Auftrag ist es Prahasta einige Male gelungen, die göttlichen Heere, unter Indras Führung,<br />
zu besiegen, was nichts anderes heißt, dass das Böse auf der Erde Überhand genommen hatte. Aber<br />
historisch gesehen, war er König derer, die sich vehement gegen die Fremdherrschaft ( Arier ) und<br />
die neue Religion ( Hinduismus ) zur Wehr setzten und deshalb als Dämonen bezeichnet wurden.<br />
Ravanas 10 Köpfe und 20 Arme ( mit Hieb-und Stichwaffen ) sind Ausdruck seiner universellen<br />
Schlechtigkeit, seiner unerschöpflichen Verwandlungskünste und seiner ständigen Kampfeslust. Die<br />
Fangzähne, die seine Gesichter furchterregend aussehen lassen, sind auf den Fotos nicht und im<br />
Relief kaum noch zu sehen. Sein prunkvoll ausgestatteter Wagen fällt in der Khmer-Version nicht<br />
so luxuriös aus, wie in Beschreibungen des Epos. Dafür sind die Monster, die den Streitwagen<br />
ziehen, phantastischer, als gewöhnliche Pferde, anderer Versionen.<br />
„Mit seiner riesigen Keule tötete Vibhishan die Rosse, welche Ravana's Wagen zogen. Da<br />
schleuderte Ravana in tödlichem Zorn einen massigen Speer, der wie Feuer blitzte. Doch<br />
Rama's Pfeile hielten ihn auf und schickten ihn harmlos zu Boden. Der Gigant ergriff einen<br />
gewaltigeren Speer, den der Tod selbst mit Furcht gemieden hätte. Und Vibhishan wäre von<br />
dem Schlag gestorben, doch Lakshmana's Hand spannte die Bogensehne und fliegende Pfeile<br />
so dicht wie Hagel trafen ungestüm auf die Rüstung des Giganten. Da wandte sich Ravana<br />
von seinem Ziel ab, schaute Lakshmana an und rief wild: "Du, du hast schon wieder meinem<br />
Zorn getrotzt und Vibhishan vor dem Tode gerettet. Empfange also du an seiner statt diesen<br />
Speer, dessen tödliche Spitze dein Herz spalten soll." Er schwieg und wirbelte die<br />
mörderische, von Maya mit magischer Kunst verzauberte Waffe. Mit aller Raserei geworfen,<br />
schnell, zuckend wie die Zunge einer Schlange und mit vielen klingelnden Glöckchen verziert<br />
42
traf der Speer Lakshmana, und der Held fiel. Als Rama dies sah, seufzte er und für einen<br />
Moment trübte eine Träne sein Auge. Doch die zarte Trauer war bald verdrängt und<br />
Rachegedanken füllten seine Brust. Die Luft um ihn glänzte und blitzte, als die Pfeile von<br />
seinem Bogen strömten. Und Lanka's Herr, die Pein seiner Feinde, wurde von Terror<br />
überwältigt, wandte sich ab und floh” ( Canto 101 - Buch 6 - pushpak.de)<br />
In Canto 110 erfahren wir dann, dass Rama Ravana tötet – eigentlich ein wichtiges Ereignis, das<br />
aber nicht im Relief dargestellt ist, weil Ravanas Tod eben nur für das Ramayana gilt. Bezüglich der<br />
verschiedenen Versionen des Ramayana, ist nicht immer Rama derjenige, der Ravana tötet.<br />
Zu Ravanas Tod ( in der Lanka-Schlacht ) erfahren wir noch edle Worte von Vibishana und Rama:<br />
„Oh, laß den König, den deine Hand tötete, die Totenehren erhalten." Und Rama antwortete:<br />
"Haß stirbt, wenn der Feind im Staube liegt. Und der Triumph bittet darum, den Streit zu<br />
beenden und uns in den Banden des Friedens zu vereinen. Laß die Begräbnisriten<br />
durchführen und es ist an mir, dir dabei zu helfen." ( Canto 111 - Ramayana – pushpak.de ).<br />
Auch hier wird wieder deutlich, dass es im Hinduismus keine Polarisierung von Gut und Böse gibt.<br />
„Im Himmel regierte die Freude, nachdem dort jedes Auge den Tod des Herrn von Lanka<br />
gesehen hatte“. ( canto 104 – pushpak.de ) Auf der Erde sagt Rama zu Lakshmana:„Schüttet nun die<br />
Tropfen auf Vibishan's Haupt aus, die zum König weihen, lieber Bruder. Denn er zeigte uns<br />
edel seine Freundschaft und Treue. Macht ihn zum Herrn von Ravana's Thron“. ( ebenda )<br />
Das Ramayana unterscheidet zwischen Schlacht und Einzelgefechten. Die Einzelgefechte sind im<br />
Buch, zur besseren Übersicht, zu einer Einheit ( mit Text und Abbildung ) zusammengestellt – denn<br />
der Kampf zwischen Nila und Prahasta ist vor der Reliefszene mit Ravana zu sehen.<br />
Nila versus Prahasta:<br />
Im Ramayana wird detailliert beschrieben, wie der Affe Nila den Oberfehlshaber der Dämonen<br />
Prahasta tötet. Dieses "Schritt für Schritt-Töten" ist zu interpretieren als Ausmerzung aller<br />
schlechten Charaktereigenschaften eines Menschen. Auf dem Relief hat Nila Prahasta auf seinen<br />
Schultern - er hat im wahrsten Sinne des Wortes den Dämon im Griff. Nila steht auf dem<br />
Zwillingsmonster, das zuvor den Streitwagen von Prahasta zog. Auch diese Pose unterstreicht die<br />
Überlegenheit Nilas. Im Epos ( canto 58 Buch 6 )¹ ist zu lesen, dass Nila mit einem Felsbrocken den<br />
Kopf Prahastas in mehrere Stücke zerschmettert. Beim Betrachten des gesamten Reliefs fällt auf,<br />
dass die zahlreichen drastischen Texte nicht in Stein umgesetzt wurden.<br />
1. Canto 58 wir d in der deutschen Übersetzung ausgelassen. Canto 58, in Englisch, in: Ramayana of Valmiki,<br />
Yuddha Kanta, Hari Prasad Shastri, published bei Shanti Sadan ( 1976 ).<br />
43
Prahasta Nila<br />
44
Angada versus Narantaka - anhand einer längeren Zitation, die von der drastischen Ausdrucksweise zeugt:<br />
"Dann griffen die Vanar-Legionen an und Bäume und Felsen flogen als Geschosse herum. Sie<br />
erblickten Narantak's mächtige Gestalt, welche von einem Pferd getragen wurde, welches den<br />
Sturm verlachte. Vergebens versuchten sie, seinen Angriff aufzuhalten. Er bahnte sich<br />
geradewegs seinen Weg durch ihr Heer, wie ein Delphin durch die Fluten springt, und zahllose<br />
Vanar's fielen und starben. Ihre zerfleischten Glieder und Leichname markierten seinen<br />
unheilverkündenden Pfad. Sugriva sah, wie sie fielen oder flohen, wenn Narantak's wildes<br />
Roß näher kam, und wie der Gigant über Haufen von Sterbenden oder Toten eilte. Er bat den<br />
königlichen Angad, sich diesem tapfersten Anführer der Giganten zu stellen. Wie der Frühling<br />
die Sonne von Wolken befreit, so stürmte Angad hervor. Er trug keine Waffe für den Kampf<br />
außer seinen Nägeln und Zähnen und suchte sich auch keine. "Laß ab, Gigantenkrieger!" so<br />
sprach er, "Laß ab von Feinden, die deiner Hiebe unwürdig sind. Und konzentriere den<br />
Terror deiner tödlichen Geschosse auf ein edleres Herz." Narantak hörte die Worte, die er<br />
sprach. Schnell atmend wie eine zornige Schlange preßte er mit blutigen Zähnen seine Lippen<br />
zusammen und wirbelte seinen Wurfpfeil auf Angad's Brust. Sicher war er gezielt und heftig<br />
geschossen, doch das Geschoß zerbrach auf Angad's Brust. Dann griff Angad den Giganten an<br />
und tötete mit einem Schlag sein Pferd. Die grimmige Hand zerschmetterte Fleisch und<br />
Knochen, und Roß und Reiter fielen besiegt. Narantak's Augen blitzten vor Zorn. Seine<br />
schwere Hand hob er hoch und schlug in schonungsloser Wut auf Ravanas Sohn ein, der<br />
wankte, blutete und einen Moment schwach wurde. Doch nicht länger. Dann schlug er stärker<br />
und wütender als zuvor mit der Faust, die keiner aufhalten konnte, und zermalmte den<br />
Giganten, daß dieser tot darniedersank". ( Canto 69, Buch 6 , Ramayana – pushpak.de )<br />
Angada<br />
Narantaka<br />
45
Auffällig ist die drastische Ausdrucksweise in den Ramayana-Texten. Im Relief ist von Brutalität nicht allzu<br />
viel umgesetzt worden. Wie wir sahen, meint das Töten auf den Reliefs das Ausmerzen aller schlechten<br />
Charaktereigenschaften. Wenn aber am Bayontempel abgeschlagene Köpfe von Chamsoldaten¹ präsentiert<br />
werden und Krokodile Soldaten fressen, so ist das Töten hier im eigentlichen Sinne des Wortes und nicht<br />
symbolisch zu verstehen.<br />
Ein Khmersoldat ( mit kurzem Haar ) tötet einen Chamkrieger ( mit aufwendiger Frisur ).<br />
Relief am Bayon-Tempel<br />
Sugriva beschloss mit seinen Affenheeren Lanka in Brand zu setzen. Nachdem Ravana überall in seinem<br />
Reich lodernde Feuer sah, befehligte er Kumba und Nikumba, gegen Sugriva und Hanuman zu kämpfen.<br />
Nikumba befindet sich auf seinem Streitwagen und schwingt seine Keule gegen den heranfliegenden<br />
Hanuman, der zunächst das Pferd zu Boden reißt und dann laut Ramayana, seinem Gegner mit einem<br />
Fausthieb die Brust zertrümmert. Wir sehen Hanuman zweimal in Aktion – und haben damit eine<br />
Erzählstruktur mit einem „Vorher und Nachher“. Nikumba hat eine mit Diamanten besetzte Keule, ein<br />
Symbol für Prahlsucht, die im Hinduismus ein schweres Vergehen darstellt. Der Kampf endet mit dem Tod<br />
von Nikumba.( valmikiramayana.net, Chapter 77, Englisch )<br />
1. Die Cham waren Hinduisten, aus dem Champa-Reich, im heutigen Vietnam. Die Blütezeit von Champa war das 9. und<br />
10. Jh. Man führte mehrere Kriege gegen das Khmer-Reich. Auf ihrem Territorium wurden sie Ende des 15. Jh. von den<br />
Vietnamesen besiegt und ihr Reich zerfiel.<br />
46
Hanuman und Nikumba<br />
Hanuman ergreift zuerst das Pferd von Nikumba und reißt es zu Boden. Dann kommt es zum Kampf, bei dem Nikumba<br />
getötet wird.<br />
47
Sugriva versus Kumba:<br />
Sugriva bewegt sich zwischen den Köpfen der beiden Ungeheuer, fasst mit der linken Hand den<br />
Pfeil von Kumbas Bogen, und mit der rechten Hand ist er dabei, dem Ungeheuer die Zunge<br />
herauszureißen, während das Ungeheuer versucht, Sugriva in den Oberschenkel zu beißen.<br />
Schließlich wird Kumba von Sugriva getötet. ( www. valmikiramayan.net, sarga/chapter 76 ).<br />
Sugriva<br />
Kumba<br />
Auch die nachfolgende Szene unterstreicht die Kreativität und handwerkliche Perfektion der<br />
Bildhauer. Ein Elefantenmonster mit einer dreifachen Mukuta, eine Art Stabilisator, damit kein Affe<br />
das Ungeheuer umwerfen kann. Der rechts vom Monster vorwärts stürmende Affe hat als einzige<br />
Waffe einen Felsen in der Hand. Eine ganz besondere Idee entdecken wir auf den Armen und<br />
Beinen des Affen. Die Kreise auf den Bizeps und anderen Muskeln sind ein gelungener Versuch<br />
Kraft zu visualisieren.<br />
48
Die Schlacht endet mit der Befreiung Sitas. Rama und Sita kehren zurück an den Königshof in<br />
Ayodya. Wie oben erwähnt, gibt es zahlreiche Versionen des Ramayana und auch 2 verschiedene<br />
Varianten über das Leben Sitas nach ihrer Befreiung: 1. Ramas Zweifel an der Treue Sitas, während<br />
ihrer Gefangenschaft bei Ravana, führen dazu, dass Sita in einen klosterähnlichen Ort ( ashram )<br />
geht - und in dieser Abgeschiedenheit zwei Söhne zur Welt bringt. 2. Am Bapuon-Tempel ist die<br />
sogenannte Feuerprobe Sitas dargestellt: Auch bei dieser Version ist Rama zunächst skeptisch,<br />
bezüglich Sitas Treue - aber nach bestandener Feuerprobe ist Rama über jeden Zweifel erhaben.<br />
Wir können also vermuten, dass diese Version im Khmer-Reich bevorzugt wurde.<br />
Bei der Feuerprobe Sitas „ ... erschien der Herr der Flammen ( Agni ) in körperlicher Form aus<br />
dem lodernden Scheiterhaufen und ließ die kreisenden Flammen zurückrollen, während er<br />
lebend und unverletzt die Maithili Dame in seinem sanften Griff hielt (…) Nun ist ihre Treue<br />
der Welt gezeigt worden, und Sita ist wieder mein eigen ... Vor unzähligen Augen ist es nun<br />
bewiesen, dass auf ihrem reinen Ruhm kein Schatten liegt. Wie Helden an ihrem Ruhm<br />
hängen, werde ich meine liebe Gemahlin nie mehr verlassen." ( Ramayana, Buch 7, Canto 120,<br />
pushpak.de )<br />
Abschließend zu diesem Relief, sei dem Leser empfohlen, das Ramayana zu lesen oder nur einen<br />
Teil daraus, „ ...denn es ist so heilig, wie die Veden, beseitigt alle Sünden und verlängert Leben<br />
und Glück“. ( Canto 124, ebenda )<br />
49
Der König war der Repräsentant der herrschenden priesterlichen Kaste. Er galt, ähnlich den<br />
chinesischen Kaisern der Frühzeit, als Vermittler zwischen Himmel und Erde, den Göttern und der<br />
Welt. Zugleich war er der oberste Richter und Verteidiger des Erdkreises gegen alle Feinde. Er<br />
kontrollierte eine weltliche Beamtenhierarchie, die strengen Rangordnungen und Gesetzen<br />
unterworfen war und teilte sich die Macht mit einer sehr kleinen Oligarchie von Priesterfamilien.<br />
Ein Gott war er nicht, aber gottähnlich,er war Weltenherrscher (chakravartin), aber damit ist bei<br />
Herrschern immer nur das Gebiet gemeint, das sie beherrschen. Die Könige Kambodschas waren<br />
folglich Herrscher der Khmer-Welt, des Khmer-Reiches.¹<br />
Jayavarman 7, in ehrfürchtiger Haltung auf dem Boden, mit den Königinnen Jayarajadevi und Indradevi,<br />
um den Gott Vishnu anzubeten. Das Relief befindet sich in der inneren Galerie des Bayon Tempels.<br />
Der herausragende König des Khmer-Reiches war Jayavarman 7 ( 1181 – 1206/1220 ). Als Erbauer von<br />
Hospitälern, Rasthäusern, Brücken, Straßen und zahlreichen Tempeln, genießt er bis heute Verehrung. Nach<br />
neueren Forschungen sollen ihn, bei all seinen Projekten, seine beiden Königinnen, Jayarajadevi und<br />
Indradevi ², maßgeblich mit Rat und Tat unterstützt haben – und man spricht seitdem von einer Royal Triad.<br />
Der Synkretismus hat weiterhin bestand – aber Jayavarman 7 führt den Mahayana-Buddhismus als<br />
Staatsreligion ein - und Buddha avanciert zum Hauptgott.<br />
Suryavarman 2 ( 1113 – 1150 ), der das Khmer-Reich ein paar Jahrzehnte vor Jayavarman 7 regierte, ist der<br />
König, dem wir das größte religiöse Monument zu verdanken haben. Die „Schlacht von Lanka“ und die<br />
anderen, nachfolgend beschriebenen Reliefs, sind während seiner Regierungszeit geschaffen worden. Weitere<br />
Reliefs im Tempel stammen aus späterer Zeit.<br />
1. Lit: Victor Roveda, Khmer Mythology, River Books Bangkok<br />
2. The Ancient Secrets of a Royal Triad Decoded, Jayavarman, Indradevi, Jayarajadevi, PhalikaN<br />
50
Mahābhārata – Bhagavadgïtā – Schlacht von Kurukschetra<br />
Die historische Schlacht ( ? ) wird auf 900 v. Chr. datiert. Das Relief zeigt uns die<br />
mythologische Schlacht, die vielleicht auf einer historischen basiert. Das Mahabharata erzählt die<br />
Geschichte zweier, eng verwandter, verfeindeter Familienclans, die um die Vorherrschaft in<br />
Nordindien kämpfen. Die eine Partei sind die Pandavas, mit fünf Brüdern, von denen einer<br />
( Yudhisthira ) Anspruch auf den Thron hat. Die andere Partei, die Kauravas, mit 100 Söhnen.<br />
Die Spannungen führen zur Teilung des Reiches. Die Pandavas wählen Yudhisthira zu ihrem<br />
König.<br />
Yudhistira wird von Duryodhana, dem ältesten Sohn der Kauravas,zu einem Würfelspiel<br />
eingeladen. Dabei verliert Yudhisthira Frau und Besitz, weil Duryodhana mit gezinkten Würfeln<br />
spielte. Die Folge für die Pandavas ist ein zwölfjähriges Wald-Exil. Nach der Rückkehr daraus<br />
verweigert Duryodhana die Rückgabe des Besitzes der Pandavas. Nachdem alle Verhandlungen<br />
scheitern, kommt es zum Krieg, der mit dem Tod fast aller Beteiligten endet. Nach 18 Tagen<br />
Schlacht überleben die fünf Pandava-Brüder und Duryodhana .<br />
100 Kaurava-Söhne stehen für das Böse 5 Pandavas repräsentieren das Gute<br />
Duryodhana steht für das Böse<br />
5 Überlebende repräsentieren das Gute<br />
Bhisma, ein Kaurava, auf Speeren aufgespießt, von Pfeilen durchbohrt. Diese Szene gibt uns einen Hinweis,<br />
wer die Schlacht verlieren wird. Aber Bhisma hat einen tadellosen Charakter und steht somit für das „Gute“<br />
bei den bösen Kauravas.<br />
51
Bhisma, der Oberbefehlshaber der Armee und der Kriegerkaste zugehörig, wird ersetzt durch<br />
Dronacharya, einen Brahmanen. Bevor der Buddhismus eine große Anhängerschaft in Indien<br />
bekommt, war die Geschichte Indiens von ständigen Auseinandersetzungen/Kriegen, zwischen der<br />
Kshatriya-Kaste ( Krieger ) und der höchsten Kaste, den Brahmanen, gekennzeichnet. Wir können<br />
die Darstellung von Bhisma und Dronacharya als Anspielung darauf verstehen.<br />
Dronacharya, ein Brahmane, ist jetzt Heerführer der Kauravas. Sein Haarknoten ist Symbol für oberste Autorität und<br />
Weisheit und zeugt von der Zugehörigkeit zur Brahmanen-Kaste. ¹<br />
Ruhiges, geordnetes Marschieren wird im Zentrum zu unübersichtlichem Gemetzel. Die Kauravas<br />
marschieren von links, die Pandavas von rechts zum Zentrum. Exakt im Zentrum befindet sich eine<br />
Szene, wo ein Heeresführer der Pandavas dabei ist, einen Heeresführer der Kauravas mit seiner<br />
Lanze zu töten. Im Zentrum hätte man eher Krishna und Arjuna erwartet. Es muss folglich einen<br />
Grund geben, warum man diese Szene hier platziert hat. Wir kommen der Lösung näher, wenn wir<br />
ein paar Angaben aus Suryavarman´s Leben, bevor er König wurde, zu Hilfe nehmen: Sein<br />
Urgroßvater, Hiranyavarman, gründete eine neue Dynastie und regierte ab 1080 das Khmer-Reich,<br />
wahrscheinlich von Nordthailand aus. Als Jayavarman 6 starb, übernahm 1107 sein Bruder<br />
Dharanindravarman 1 den Thron mit Abneigung, was wohl mit der politischen Instabilität dieser<br />
Zeit zu tun hatte. Wie auch immer, nach sechs Regierungsjahren passiert es: Suryavarman, 16 Jahre<br />
alt, ermordet seinen Großonkel - was in Inschriften belegt ist. Ebenfalls aus einer Inschrift können<br />
wir entnehmen, das nun Suryavarman, als neuer König, zwei rivalisierende Parteien innerhalb der<br />
Dynastie vereinte. ²<br />
Literatur:<br />
1. Mahābhārata, Georg von Simson, Verlag der Weltreligionen, 2011<br />
2. Eleanor Mannikka, Angkor Wat, Time, Space and Kingship, University of Hawai'i Press<br />
52
Exakt in der Mitte! Die Szene, wie eingefroren, eine Momentaufnahme. Der Kommandeur der<br />
Pandavas ist dabei, den Heerführer der Kauravas zu töten, dessen Schirme, als Symbol seines<br />
Ranges, seiner Macht, bereits umgestoßen sind. Diese Szene können wir als Anspielung, als<br />
Allegorie des Königsmordes von Suryavarman 2 verstehen. Und wenn wir Röntgenaugen hätten,<br />
würden wir exakt die Mitte des Reliefs, „Die Quirlung des Milchozeans“,sehen. Darauf kommen<br />
wir weiter unten zurück.<br />
„... the battle of Kurukschetra may likewise have been intended as a historical allegory for the king´s own<br />
single battle for the throne of Cambodia“.¹<br />
1. Zitiert in: Eleanor Mannikka, Angkor Wat, Time, Space and Kingship, University of Hawai'i Press<br />
53
„O Sohn des Bharata ¹, so oft ein Niedergang des Dharma (Rechtschaffenheit, Tugend) und<br />
ein Überhandnehmen von Ungerechtigkeit und Laster in der Welt eintritt, erschaffe ich mich<br />
selbst unter den Kreaturen. So verkörpere ich mich von Periode zu Periode für die<br />
Bewahrung der Gerechten, die Zerstörung der Boshaften und die Aufrichtung des Dharma“. ²<br />
Krishna kommt als Inkarnation Vishnus auf die Erde, um gegen das Unrecht ( Glücksspiel/Bertrug,<br />
unrechtmäßige Aneignung von Land, Hass , u.a.) zu kämpfen. Vor der Schlacht ( Mahabbharata ),<br />
kommt es zu einem Gespräch zwischen Krishna und Arjuna, das aus der Bhagavadgita, einem<br />
Teilstück des Mahabharata, stammt. Beide stehen auf einem Streitwagen zwischen den<br />
Kriegsparteien. Als Arjuna viele seiner Verwandten beim Gegner entdeckt, erklärt er Krishna, dass<br />
er nicht bereit sei zu kämpfen und zu töten. Jetzt offenbart sich Krishna als Gott, in seiner<br />
kosmischen Gestalt und argumentiert gegen Arjunas Weigerung. Zunächst hört Arjuna, dass er als<br />
Krieger seine Pflicht zu erfüllen hätte, was ihn aber noch nicht überzeugt. Die weiteren Worte von<br />
Krishna zeigen Wirkung: „ Nur der materielle Körper des unzerstörbaren, unmessbaren und<br />
ewigen Lebewesens unterliegt der Zerstörung. Deshalb kämpfe, o Nachkomme Bharatas. Für<br />
die Seele gibt es weder Geburt noch Tod. Auch hört sie, da sie einmal war, niemals auf zu sein.<br />
Sie ist ungeboren, ewig, immerwährend und unsterblich. Sie wird nicht getötet, wenn der<br />
Körper erschlagen wird“. ³ Nach weiteren Argumenten ist Arjuna bereit zu kämpfen - und Arjuna<br />
ist es, der Bhisma tötet !<br />
Krishna<br />
Arjuna<br />
1. Name eines Königs und gleichnamigen indo-arischen Stammes. Die Bharata werden im Rig Veda erwähnt und<br />
hatten lange Zeit die Oberherrschaft in Indien.<br />
2. Bagavad Gita, wie sie ist, Verlag: Govinda<br />
3. ebenda<br />
54
Krishna nimmt nicht am Krieg teil. Er steht zwar auf dem Streiwagen, aber „ Der höchste Herr<br />
weilt im Herzen eines jeden, o Arjuna, und lenkt die Wege aller Lebewesen...“. ¹<br />
Die Schlacht hat je nach Version ein unterschiedliches Ende: Alle werden getötet oder wenige<br />
überleben ( vgl. Tabelle oben ). Entscheidend ist aber vielmehr, dass am Ende ein neues Zeitalter<br />
beginnt: Dem kali yuga, dem dunklen Zeitalter, zur Zeit der Schlacht, folgt das kŗta yuga, das<br />
vollkommenste Zeitalter, mit dem neuen Herrscher Suryavarman 2. Dazu mehr, vor allem im Relief,<br />
„Die Quirlung des Milchozeans“. Ergänzend zu diesen Ausführungen könnten wir vier Schlachten<br />
unterscheiden:<br />
– Die historische Schlacht,<br />
– die mythologische Schlacht von Kurukschetra,<br />
– die persönliche Schlacht von König Suryavarman 2, um die Königsherrschaft,<br />
– und unsere Schlacht, die wir häufig in uns führen, um das Böse zu<br />
bekämpfen.<br />
1. Bagavad Gita, wie sie ist, Verlag: Govinda<br />
55
Die Militärparade von König Suryavarman 2 ( Südgalerie, Westflügel , Angkor Wat )<br />
Mit dem neuen König, Suryavarman 2, beginnt ein neues Zeitalter, das kŗta ( lies krita ) yuga.<br />
„Wenn der König eine konsequente, perfekte Regierung verfolgt, dann beginnt das beste<br />
Zeitalter, das kŗta yuga (…) der König ist der Auslöser der neuen Zeit.<br />
Der König ist der Schöpfer des kŗta yuga“.¹<br />
Seine Majestät Suryavarman 2 ( 1113-1145/50), der neue König des Khmerreiches, sitzt auf einem Thron<br />
und hält in der rechten Hand eine Schlange und in der linken einen Stoffzipfel (?). Die Schlange ist tot und<br />
wir bekommen damit einen Hinweis für unsere Interpretation: Die Personen vor dem Thron sind zunächst<br />
Diener, die dem König mit Fächern Luft zuwedeln. Dann der Rajahota, der ranghöchste religiöse<br />
Würdenträger. Dann ein paar Minister, insgesamt waren es 19. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir hier die<br />
Szene haben, bei dem Amtsträger, stellvertretend für andere, einen Treueeid/ Loyalität gegenüber dem<br />
König schwören müssen. Den Eid gibt es seit Suryavaman 1 (1010-1050).<br />
Er sagt unter anderem: „Wenn wir nicht halten den Eid der Loyalität, werden wir in einer der 32 Höllen<br />
wieder geboren so lange es Mond und Sonne gibt (…) dem König immer zu helfen und niemals einem<br />
anderen König dienen“.²<br />
1. ( KŗtaYuga, das vollkommenste Zeitalter ), siehe: Mahābhārata, Georg von Simson, Verlag der Weltreligionen, 2011<br />
2. Übersetzt v. Verf.asser, zit. in: Eleanor Mannikka, Angkor Wat, Time, Space, Kingship, University of Hawai'i Press<br />
56
Suryavarman 2, dessen Name geschützt ( varman ) durch den Sonnengott ( Surya=Vishnu ) bedeutet, sehen<br />
wir ein zweites Mal. Er trägt eine phkā'k genannte Waffe, in der rechten Hand. Die Waffe wurde nur von ihm<br />
und hochrangigen Offizieren zu Pferd oder Elefant getragen und wird mit Khmer-Axt übersetzt. Auf dieser<br />
Darstellung besteht sie aus einem langen Griff und einer Metallklinge. Andere Darstellungen zeigen zwei<br />
Klingen. Das Aussehen der pkak ist soweit klar, aber nicht seine genaue Funktion.¹<br />
Der Kommandeur der Siam-Armee mit seinem Mahut<br />
1. Michel Jacq-Hergoualc'h, The Armies of Angkor, Orchid Press Bangkok<br />
57
Keine mythologischen Phantasiegestalten, sondern Angehörige der Siam-Armee, in Diensten des<br />
Khmerkönigs. Mit ihren einzigartigen Uniformen und dem ungewöhnlichen Kopfschmuck, kann<br />
man sie am Schluss dieses Reliefs betrachten. Vor diesem Reliefabschnitt sind die ranghöchsten<br />
Offiziere dargestellt – und vieles davon befindet sich in schlechtem Zustand.<br />
In gutem Zustand hingegen der Teil mit dem Söldnerheer aus Siam, dem heutigen Thailand. Der<br />
Anführer der Siam-Armee ( ähnlich bei Mahut und Elefant ) trägt einen knöchellangen Rock, der<br />
von einem Gürtel aus Metall gehalten wird. Vom Gürtel hängen zweiteilige Perlenschnüre herab und<br />
jeweils in einem Blätter/Tränentropfen-Motiv enden. An der rechten Taille befinden sich zwei<br />
übereinander gelegte Stoffstreifen, die, parallel zum Rock, nach unten verlaufen. Der Oberkörper ist<br />
mit einem eng anliegendem Unterhemd mit kurzen Ärmeln bekleidet und ähnlich gestaltet ,wie der<br />
Rock. Der Kopfschmuck besteht aus einer Art Helm, der ebenfalls mit Perlenschnüren dekoriert<br />
und mit einem Federschmuck versehen ist.<br />
Lit.: Michel Jacq-Hergoualc'h, The Armies of Angkor, Orchid Press Bangkok<br />
58
Auch die Fußsoldaten ( Infanterie ) tragen nahezu identische Kleidung, wie ihre Vorgesetzten. Ihre<br />
Waffen sind Lanzen/Speere und Schwerter/Säbel, und zu ihrem Schutz haben sie Schilde¹ . Durch<br />
die unterschiedliche Kopf- , Körper- und Beinstellung wird Bewegung erzielt, die Szene belebt - und<br />
die intendierte Bewegung² sichtbar. Deutlich wird auch, dass die Khmer, und auch die Siamesen<br />
noch kein streng geordnetes Marschieren kannten .<br />
1. siehe: Michel Jacq-Hergoualc'h, The Armies of Angkor, Orchid Press Bangkok<br />
2. Bewegung ist ein wesentlicher Aspekt in vielen Kunstwerken - in der Malerei<br />
und in der Plastik. Die Bewegung ist beabsichtigt ( intendiert ) und wird erzielt<br />
durch vielfältige Gestaltungsmittel, von denen drei oben genannt sind.<br />
59
Himmel und Höllen ( Südgalerie, Ostflügel, Angkor Wat )<br />
Erinnern wir uns des Eides, den vor allem die 19 Minister gegenüber dem König leisten mussten. Das was<br />
wir nun sehen, sind die Konsequenzen, positiver wie auch negativer Art: Die Königstreuen gehen sofort in<br />
himmlische Gefilde, wie wir es in zwei Registern des Reliefs sehen, die Abtrünnigen erwartet die Hölle<br />
( unten rechts ). Es gibt 37 Himmel/Paradiese und 32 Höllen.¹<br />
Die Rechtschaffenen sind ausschließlich ranghohe Personen und Adlige. Sie werden in himmlische Gefilde<br />
getragen, wie auf diesem Ausschnitt, eine Prinzessin, in einer Sänfte. Im Jenseits haben sie alle<br />
Annehmlichkeiten des irdischen Lebens.<br />
1. siehe: Markandeya Purana, in: www.pushpak.de, Kapitel 12<br />
60
Dharma, eine andere Form von Yama, verkündet die Urteile. Citragupta hat alle Taten in einem<br />
Sündenregister aufgeführt. Beide symbolisieren den Charakter des Königs:<br />
wohlwollend oder wütend. ¹<br />
Der Eingang der Hölle<br />
Je nach schwere der Tat gibt es unterschiedliche Strafen. Lügnern und Betrügern<br />
werden Nägel in den Körper geschlagen.<br />
1. Eleanor Mannikka, Angkor Wat, Time, Space, Kingship, University of Hawai'i Press<br />
61
Yama der Gott der Unterwelt und des Todes, auf einem Büffel, seinem Tragtier. Er schaut zum Betrachter,<br />
als wollte er fragen: „Na, wie steht's mit dir, Himmel oder Hölle?“. In seinen zahlreichen Händen hält er<br />
Schwerter ( ? ) und zeigt mit einem Stab ( ? ) in der linken Hand auf Dharma und Citragupta.<br />
Dharma<br />
Citragupta<br />
62
Hölle und Paradies sind abgetrennt von Garudas. Wir haben hier wieder das Motiv, der im<br />
Universum fliegenden Paläste. Bemerkenswert wären noch die mit Blumendekor bedruckten<br />
Jalousien, hier in Stein umgesetzt<br />
63
Die Quirlung des Milchozeans ( Ostgalerie – Südflügel, Angkor Wat)<br />
Zum zitierten Text unten:Wenn man in einer sternenklaren Nacht zum Himmel schaut, sieht man die<br />
Milchstraße. Durch das intensive Licht der Sterne sehen wir große, weiße Flächen, die der<br />
gewaltigen Sternenformation den Namen gaben. Schon in Mesopotamien sah man die Milchstraße<br />
als "Große Schlange". In der indischen Mythologie nennt man die „Schlange“ Ananta. Amrita ist<br />
das Elixier für die Unsterblichkeit. König der Schildkröten ist Kurma, eine Inkarnation Vishnus.<br />
Der Berg Mandara ist identisch mit dem Berg Meru/Kailasch.<br />
„Dann gingen alle Götter mit Ananta zum Ufer des Ozeans und sprachen zu ihm:<br />
„Wir sind gekommen, deine Wasser für Amrit aufzuwühlen.“ Und der<br />
Ozean erwiderte: „Es sei, wenn ich einen Anteil erhalte. Ich bin wohl in der Lage, das große<br />
Quirlen meiner Wasser durch den Berg zu ertragen.“ Alsdann traten die Götter und<br />
Dämonen vor den König der Schildkröten und sagten zu ihm: „Oh König der Schildkröten,<br />
du wirst den Berg auf deinem Rücken tragen müssen.“ Der König stimmte zu, und Indra<br />
brachte es fertig, den Berg auf seinen Rücken zu heben. So machten die Götter und Dämonen<br />
aus dem Berg Mandara einen Quirl, und die Schlange Vasuki wurde das Seil, oh Brahmane.<br />
Dann begannen alle, die Tiefen aufzuwühlen. Die Dämonen zogen Vasuki an der Haube,<br />
und die Götter hielten ihn am Schwanz“. ¹<br />
Junge Steinmetze im Dorf Rolous, die, wie man sieht, ihr Handwerk schon meisterhaft beherrschen.<br />
1. Text in Mahabharata, Buch 1, Kapitel 18<br />
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Wir haben oben bereits vernommen, welche Tat Indra bei der Quirlung vollbracht hat. Und weil er<br />
für das Verstehen unserer Betrachtung so ungeheuerlich wichtig ist, bedarf es noch ein paar<br />
Informationen: Er ist der Gott des Rig Veda, er hat Macht über den Himmel und den Regen, seine<br />
Waffe ist ein Blitz. Sein Tragtier Airavata symbolisiert die Wolken. Indra ist auch der Gott der<br />
Schlachten.<br />
Rig Veda, der älteste der vier Veden, beinhaltet heilige Texte/Hymnen. Entstanden im ersten<br />
Jahrtausend vor Christus. Wahrscheinlich noch älter ! Hauptmerkmale des Rig Veda sind Loblieder<br />
an die Götter und Texte über den Opferkult.<br />
In den Veden ist Indra als Wetter,-Himmels- und Kriegsgott die wichtigste Gottheit. In den Puranas<br />
die später entstanden sind, stellt man fest, dass die Macht und vor allem sein Image stark nachlassen.<br />
Er hatte unter anderem eine Schlacht gegen die Dämonen verloren. Vishnu auferlegte ihm deshalb<br />
Buße zu tun, für tausend Jahre, während der Quirlung.<br />
Puranas sind primär der Anbetung einer Gottheit gewidmet und beschreiben Zeremonien und<br />
Feste zu deren Verehrung, insbesondere liefern sie auch den rituellen und sozialen Rahmen.¹<br />
Ein Wiedersehen mit Ravana als Anführer der Dämonenriege. Er umfasst das Haupt und einen Teil der Schlange<br />
Vasuki. Darüber Apsaras, himmlische Tänzerinnen. Im unteren Register Flora und Fauna des Ozeans.<br />
1. Sukumari Battacharji,The Indian Theogony: A Comparative Study of Indian Mythology from the Vedas to<br />
the Puranas. Cambridge University Press<br />
65
Am anderen Ende des 48,45m langen Reliefs, Sugriva, als Anführer der Götter und Halbgötter. Es<br />
ist sicher Sugriva und nicht Hanuman, denn Sugriva ist der König der Affen. Weitere Könige des<br />
Reliefs: Ravana König der Dämonen, Kurma König der Schildkröten, Indra König der Götter und<br />
Vasuki König der Schlangen. Hanuman ist in der Khmer-Version des Ramayana General.<br />
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Wenige Meter nach Ravana, sehen wir eine weitere große Figur. Es ist Vishnu, der sich unbemerkt<br />
in die Riege der Dämonen eingereiht hat. Vor allem er soll mit all seinen göttlichen Fähigkeiten<br />
verhindern, dass die Dämonen an das Amrita gelangen.<br />
Rahu<br />
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Der Dämon Rahu hatte sich unbemerkt in die Reihe der Götter eingeschlichen - und es war ihm<br />
gelungen, einen Tropfen vom Amrita zu trinken, wodurch er unsterblich wurde. Aber Vishnu trennte<br />
mit seinem Diskus den Kopf Rahus vom Körper. Als unsterbliche Wesen, fanden Kopf ( Rahu ) und<br />
Körper ( Ketu ) einen Platz am Himmel, als personifizierte Planeten. Ständig versucht Rahu sich an<br />
Sonne und Mond zu rächen, da sie ihn an Vishnu verraten hatten. Sehen wir eine Sonnen-oder<br />
Mondfinsternis war Rahus Verfolgung erfolgreich, Sonne oder Mond zu verschlingen.¹<br />
Ein weiteres Mal, aber hier in der richtigen Reihe, Vishnu, jedoch inkognito.<br />
1. Anneliese und Peter Keilhauer: Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre<br />
Symbolik. DuMont, Köln 1983<br />
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Von unten nach oben: Kurma, Vishnu und Indra.<br />
Deutlich sind unvollendete Teile zu sehen. Das Foto entstand im März 2014 ( nach der<br />
Restaurierung/Konservierung ). Der Gott Indra ist nur noch der Statur nach als jugendliches Wesen<br />
zu erkennen - sein jugendliches Gesicht wirkt nahezu entstellt.<br />
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Kurma trägt den Berg Mt. Mandara auf seinem Rücken. Mandara ist die Weltenachse und dient als<br />
Quirl. Wie oben erwähnt, musste Indra 1000 Jahre Buße tun während der Quirlung. Eine seiner<br />
Leistungen war, den Berg Mandara auf den Rücken von Kurma zu heben. Außerdem sorgte er als<br />
Wettergott immer wieder für Regen, der notwendig war, die Feuer zu löschen, die durch die große<br />
Reibung, während des Quirlvorganges, entstanden.<br />
Bei der Quirlung wird Indra durch seine tatkräftige Mithilfe rehabilitiert. „An Indrãbhişeka is a<br />
ceremony symbolizing the reinstallation of Indra in his position after having lost his wealth<br />
and position as the result of the slaying of Vŗitra; and the recovering of it was a long period of<br />
penance by the Churning of the Ocean of Milk“. ¹<br />
Inhaltliche Übersetzung: Das Indrabhiseka ist ein Ritus, als Symbol für die Wiedereinführung<br />
Indras in sein Amt als Gott. Erreicht hatte er das, mit der Vernichtung des Dämons Vritra und durch<br />
seine Bußtat, insbesondere die Mithilfe bei der Quirlung.<br />
„Vritra ist ein zentraler Bestandteil der Indramythologie und verkörpert die zerstörerischen,<br />
dunklen und chaotischen Kräfte der Natur (Trägheit, Winter und Dürre), während Indra die<br />
produktiven Kräfte verkörpert“. ²<br />
Das Indrabisheka wird zum Ritus der Krönung und Amtseinführung der Khmer-Könige. Mit<br />
welchem König diese Zeremonie beginnt, ist nicht bekannt. Ein paar Ausführungen zu Vishnus<br />
Funktion in der Mitte des Reliefs: Vishnu, „der Allesdurchdringende“, so sein Name, frei aus dem<br />
Sanskrit übersetzt, legt Hand an bei den Göttern und den Dämonen. Man kann es so interpretieren,<br />
dass er mit seiner Allmacht die Geschicke aller lenkt. Im irdischen Dasein von Suryavarman 2 steht<br />
Vishnu im Mittelpunkt, und der König baut für seinen Gott das größte religiöse Monument der<br />
Welt.<br />
Zu Indra und den anderen an der Quirlung Beteiligten, gesellen sich zahlreiche Apsaras. Sie sind<br />
himmlische Tänzerinnen, unterhalten die Götter und Göttinnen und leben im Palast von Indra. Zum<br />
Abschluss unserer Betrachtung des Reliefs, noch einen Beleg für die Bedeutung Indras: Wie die<br />
anderen wichtigen Teilnehmer³, trägt er einen Gürtel mit Juwelen besetzt und ein Collier ( beides<br />
mit Rot hervorgehoben ).<br />
1. Eleanor Mannikka, Angkor Wat, Time, Space, Kingship, University of Hawai'i Press<br />
2. Gonda, Jan, Religionen der Menschheit, Band 11, Veda und älterer Hinduismus, W.Kohlhammer Verlag Stuttgart<br />
1960<br />
3. Ravana, Sugriva, Rahu, Kurma, Vishnu<br />
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Die vier Reliefs in ihrem inhaltlichen Zusammenhang ( stichwortartig )<br />
Die Schlacht von Kurukschetra - die mythologische Schlacht:<br />
Kauravas gegen Pandavas. Mahabharata und Baghavad Gita.Vier Schlachten.<br />
Die zentrale Szene als Allegorie des Königsmordes von Suryavarman 2.<br />
Nach dem Ende der Schlacht beginnt ein neues Zeitalter mit dem neuen<br />
König Suryavarman 2.<br />
König Suryavarman 2 und die Parade seiner Armee:<br />
Nach der mythologischen Schlacht, nun die real-existierende Armee des<br />
Königs. Demonstration seiner Macht - und Mahnung, symbolisiert durch die<br />
tote Schlange, an seine Minister, zur Loyalität.<br />
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Himmel und Höllen:<br />
Die Konsequenzen positiver und negativer Art. Dharma und Citragupta<br />
symbolisieren den Charakter des Königs: wohlwollend oder wütend.<br />
Die Quirlung des Milchozeans:<br />
Indras Bußtat bei der Quirlung führt zu seiner Rehabilitation als Gott. Er wird sozusagen neu geboren.<br />
Das Indrabisheka ist der Ritus der Reinstallation Indras und der Ritus für den Amtsantritt eines neuen<br />
Königs. Der neue König Suryavarman 2 identifiziert sich mit Indra.<br />
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Die Anordnung der Reliefs im<br />
Tempel Angkor Wat.<br />
Zur Erinnerung: Mit Röntgenaugen<br />
könnten wir von der Mitte der „Schlacht<br />
von Kurukschetra“ die Mitte der<br />
„Quirlung“ sehen<br />
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Ausgerechnet die Tempel von König Jayavarman 7 waren Ziel von Bilderstürmern, die tausende seiner<br />
Bildwerke zerstörten/schleiften - darunter Buddhabildnisse, Bildnisse von Jayavarman 7 und seinen<br />
beiden Königinnen, Jayarajadevi und Indradevi. Die Zerstörung von Kunstwerken war hier Ausdruck<br />
religiöser Intoleranz. Wer dafür verantwortlich ist, ist nicht sicher, aber man weiß den Grund für das<br />
Zerstörungswerk: Die beiden nachfolgenden Könige, Indravarman 2 und Jayavarman 8, waren<br />
Hinduisten, die vergeblich versuchten, eine Renaissance des Hinduismus herbeizuführen.¹<br />
Oben in den Nischen waren einst Buddhabildnisse. Den unteren Teil kennen wir schon - die<br />
hinduistischen Apsaras durften weiterhin tanzen.<br />
1. Madeleine Giteau, History of Angkor, Kailash Editions, 1997<br />
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Der Autor, Jahrgang 1948, lebt seit Beendigung seiner Realschullehrertätigkeit in Kambodscha. Ab<br />
2004 unterrichtet er tour guides des Tempelareals von Angkor, in Englisch, Deutsch und Geschichte<br />
des Khmer-Reiches. Die Kenntnisse hierfür erwirbt er sich, neben seiner Lehrertätigkeit, als<br />
Gasthörer der Universität Bochum und später an den Universitäten in Frankfurt und Heidelberg, mit<br />
den Schwerpunkten: Ikonologie und Ikonografie der Khmerkunst, Hinduismus, Buddhismus,<br />
Ramayana, Mahabharata und Bhagavad-Gita.<br />
Schließlich der Entschluss, ein Buch zu schreiben, über den Sinngehalt dessen, was in Angkor zu<br />
sehen ist – als Lektüre für diejenigen, die Substantielles über die Kunst des Khmer-Reiches erfahren<br />
wollen. Die Texte sind in leicht verständlicher Sprache verfasst und genügen allen<br />
wissenschaftlichen Ansprüchen.<br />
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