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truyen ngan Duc

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1


INHALT<br />

1 Die Zeit ist gekommen 4<br />

2 Die Prüfungen beginnen 8<br />

3 Geheime Kraft 18<br />

4 Lerne sie zu kontrollieren 24<br />

5 Es ist soweit 31<br />

6 Erkenne dein Schicksal 38<br />

7 Wiedersetze dich 44<br />

8 Die Hoffnung stirbt zuletzt 50<br />

2


Über den Autor<br />

Die vierzehnjährige vietnamesische Schülerin Thanh Mai Pham wurde<br />

in Aschaffenburg geboren und zog mit 8 Jahren nach Würzburg um.<br />

Die eigentlich mathematikinteressierte Schülerin entdeckte mit ihrem<br />

allerersten Buch D.A.R.K. Internat – Wie alles begann ihr Interesse<br />

am Verfassen von eigenen Büchern, sodass sie ihre eigenen Ideen und<br />

Phantasien als eine Schularbeit in der neunten Klasse aufschreiben<br />

konnte. Heute ist sie in der zehnten Klasse und studiert gleichzeitig in 2.<br />

Semester des mathematischen Studiums an der Universität Würzburg.<br />

Am nächten Teil der Reihe arbeitet sie gerade.<br />

Je nachdem, was noch so in ihrem Kopf herumschwirrt, wird es noch<br />

viele weitere Teile geben.<br />

3


1<br />

Die Zeit ist gekommen<br />

Die Schule. Mein persönlicher, schlimmster Albtraum. Dabei liegt es<br />

gar nicht an den Fächern, sondern eher an der Schule. Irgendeine teure<br />

Privatschule, die angeblich meine schlechten Leistungen erheblich verbessern<br />

sollte, aber dieser Plan meines Vaters ist mal wieder in die Hose<br />

gegangen. Mein Vater, Brite, reicher Chef einer bekannten Firma, blond,<br />

blaue Augen, will ja immer nur das „Beste“ für mich. Jedes Schuljahr<br />

steckt er mich in ein neues Internat und ich kann natürlich nichts dagegen<br />

tun. Meine Mutter, Japanerin, schwarze Haare, dunkelbraune Augen,<br />

ist bei meiner Geburt gestorben. Wirklich viel weiß ich nicht über<br />

sie, nur ihren Namen: Kori Shino. Über alles andere schweigt mein<br />

Vater. Und das ist ein wichtiges Detail in meinem Leben: ich habe keine<br />

Mutter, die meinen Vater davon überzeugen könnte mich einfach in eine<br />

stinknormale Schule zu schicken. Ich bin Ich und Ich habe eigene<br />

Vorstellungen von meinem Leben. Ich heiße Elaine Shooter, bin 16<br />

Jahre alt, habe schwarze Haare von meiner Mutter und blaue Augen<br />

von meinem Vater.<br />

Das ist unter anderem auch der Grund weshalb ich anders bin. Egal auf<br />

welche Schule mein Vater mich schickt, die Leute gehen mir immer aus<br />

dem Weg und wollen nichts mit mir zu tun haben. Jedenfalls habe ich<br />

mich früh schon damit abgefunden und akzeptiere es.<br />

Aber der eigentliche Grund, wieso ich auf eine ganz normale Schule<br />

möchte ist aber, dass ich Privatschulen nicht ausstehen kann. Und<br />

damit meine ich nichts Spezifisches, sondern alles und wenn ich alles<br />

sage, dann meine ich auch wirklich alles. Ich könnte ein ganzes Buch<br />

schreiben, wieso ich Privatschulen nicht ausstehen kann, aber dazu habe<br />

ich im Moment keine Lust.<br />

Ausgerechnet jetzt war es wieder soweit. Die langen Sommerferien<br />

neigten sich dem Ende zu und ich wartete nur noch darauf, dass mein Vater<br />

mir erklärte auf welche Privatschule ich diesmal gehen sollte. Ich saß in<br />

meinem Zimmer und las gerade ein Buch, als mein Vater hereinkam.<br />

4


„Ich nehme an du weißt worum es geht, Elaine?“, fragte er ernst.<br />

„Natürlich, Vater.“<br />

Ich betonte dieses Wort wie immer ganz besonders, weshalb er seine<br />

Augen rollte und weitersprach: „Ich habe neulich etwas Besonderes in<br />

der Post gefunden. Sieh es dir einfach selbst an.“<br />

Er drückte mir die Broschüre in die Hand und ich fing an es zu lesen.<br />

D.A.R.K. Internat (Diplomatische Akademie für Reiche Kinder)<br />

Das D.A.R.K. Internat ist eine diplomatische Akademie, die es Schülern,<br />

vor allem Problemschülern, durch den speziellen Unterricht ermöglicht<br />

ihre schulischen Leistungen dauerhaft zu erhöhen. Die speziell sortierten<br />

Klassen erhöhen die Lerneffizienz aller Schüler, was außerdem durch<br />

die entspannte Lernatmosphäre verstärkt wird. Viele Freizeitaktivitäten<br />

ermöglichen es den Schülern fit zu bleiben und fördern gleichzeitig ihre<br />

Zufriedenheit…<br />

Weiter wollte ich es erst gar nicht lesen. Es war genau dasselbe, wie immer,<br />

außer dass das Internat speziell für Problemkinder war.<br />

„Ist das dein Ernst, Vater?“<br />

„Ja, Tochter. Pack deine Sachen. Der Schulbus wird dich in einer Stunde<br />

abholen. Das Internat möchte, dass alle Schüler einen Tag früher da sind,<br />

um das Schulgelände zu erkunden.“<br />

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Ich holte meine zwei Koffer<br />

und die Umhängetasche und packte meine Sachen zusammen. Für mich<br />

war das nichts Neues. Die meisten Privatschulen, die ich bis jetzt besucht<br />

habe, waren Internate. Deshalb wusste ich schon ganz genau, was ich<br />

alles einpacken musste.<br />

Schließlich hatte ich noch 45 Minuten Zeit, also überflog ich nochmal die<br />

Broschüre. Dabei fiel mir auf, dass dort keine Adresse stand. Ich klappte<br />

mein Laptop auf und gab „D.A.R.K. Internat“ in eine Suchmaschine ein.<br />

Keine Treffer. ‚Eigenartig… aber ist jetzt auch egal.‘<br />

Zum zweiten Mal überflog ich die Broschüre. Da stand komischerweise<br />

auch nichts von Handyverboten oder ähnlichem…<br />

Ich zuckte kurz mit den Schultern und packte mein Handy und mein<br />

Laptop noch in die Koffer bzw. in die Umhängetasche, die ich anschließend<br />

die Treppe runter schleppte und platzierte sie am Ei<strong>ngan</strong>g unseres<br />

5


Hauses. Nicht mehr lange und der Schulalltag würde wieder von vorne<br />

beginnen.<br />

Dachte ich zumindest.<br />

„Elaine, geh endlich nach draußen! Der Bus wartet schon!“, befahl mein<br />

Vater von seinem Arbeitszimmer aus.<br />

„Ja, ich mach doch schon… Bis zu den nächsten Sommerferien!“,<br />

antwortete ich leicht genervt. „Ja, ja, jetzt geh schon!“<br />

Mein Vater wollte mich mal wieder loswerden. Noch nie hat er mir<br />

wenigstens ein bisschen Zuneigung gezeigt. Ich hängte mir die Umhängetasche<br />

um, brachte alles vor das Haus, ging nochmal zur Tür und knallte sie zu.<br />

Bevor mein Vater mich noch anschrie, drückte ich dem Busfahrer, der<br />

bereits am Bus wartete, schnell meine Koffer in die Hand und stieg in<br />

den Bus ein.<br />

Als ich mir vorstellte, wie sich mein Vater aufregen würde, schlich sich<br />

ein fieses Grinsen in mein Gesicht. Ich habe ihn eigentlich noch nie<br />

ausrasten gesehen, immerhin hatte ich das auch nie vor, aber allein die<br />

Vorstellung war schon lustig. Als ich mir einen Sitzplatz im Bus suchte,<br />

bemerkte ich, dass mich viele, aber nicht alle, anstarrten. Das war mir<br />

mehr als unangenehm, denn ich hasste Aufmerksamkeit über alles.<br />

Der Bus an sich sah wie ein ganz gewöhnlicher Reisebus aus mit ein paar<br />

Sitzgruppen mit Tischen. Was mir im Vorbeigehen auffiel war, dass im Bus<br />

ziemlich viele eigenartige Typen saßen. Ein Mädchen hatte knallgrüne<br />

Haare und ziemlich viele Piercings. Ein Junge in der Reihe dahinter hatte<br />

ziemlich lange dunkelblaue Haare mit denen er fast wie ein Mädchen aussah,<br />

weil sie sein Gesicht verdeckten, aber die Kleidung und der Körperbau<br />

deuteten eindeutig darauf hin, dass er ein Junge war.<br />

Dann war da noch ein Mädchen mit ganz normalen braunen Haaren, die<br />

nach vorne starrte, aber ihre Augen wirkten so leer, als ob sie in die Ferne<br />

schauen würde. Die Augenfarbe war auch besonders hell, weiß mit einem<br />

leicht blauen Farbton. Es war schon fast so, als wäre sie blind, aber<br />

als ich sie eine Weile genauer musterte, drehte sie sich plötzlich zu mir,<br />

sodass ich erschrak und dabei in eine Sitzreihe fiel. Zum Glück war diese<br />

Sitzreihe leer, also hatte ich auch gleich einen Sitzplatz gefunden, trotzdem<br />

beunruhigte mich die Tatsache, dass sie mich bemerkt hat, ziemlich.<br />

6


Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurden alle Rollladen<br />

runtergezogen und der Bus fuhr los. Ich hätte fast eine Panikattacke<br />

bekommen, weil alles so plötzlich ging, aber als ich mir die Anderen<br />

anschaute, wie sie ganz entspannt in ihren Sitzen saßen, beruhigte ich<br />

mich wieder.<br />

Anscheinend war das normal für sie, aber da wäre noch ein klitzekleines<br />

Problem: Ich bin reisekrank. In Autos und Bussen hält sich meine<br />

Reisekrankheit in Grenzen, weil ich da aus dem Fenster schauen kann,<br />

aber jetzt…<br />

Ich spürte schon, wie eine leichte Übelkeit in mir aufstieg, also öffnete<br />

ich schnell, vielleicht etwas zu schnell, meine Umhängetasche und<br />

suchte nach meinen Lutschbonbons gegen Reisekrankheiten. Als ein<br />

Bonbon endlich in meinem Mund war, stieg meine Übelkeit nicht mehr<br />

weiter an, aber sie verschwand auch nicht wirklich. Natürlich half dieses<br />

Lutschbonbon nicht ewig, deswegen setzte ich meine Kopfhörer auf und<br />

hörte mir Musik an.<br />

Ich habe mit zehn Jahren herausgefunden, dass Musik die Übelkeit bei<br />

mir ein wenig lindert. Anschließend lehnte ich mich in meinem Sitz<br />

zurück und wollte mich entspannen oder sogar schlafen, aber dass ich<br />

nicht sehen konnte wohin genau wir fuhren, bereitete mir doch ein<br />

wenig Sorgen…<br />

Ok ein wenig war eindeutig untertrieben. Ich machte mir ernsthafte<br />

Sorgen darüber… Und dann noch diese ganzen eigenartigen Typen…<br />

Doch am Ende wurden meine Augenlider schwer und ohne dass ich es<br />

bemerkte, schlief ich ein.<br />

7


2<br />

Die Prüfungen beginnen<br />

Ich sah helle Lichtkugeln umherfliegen. Blaue, hell leuchtende Lichtkugeln<br />

in der schwarzen Dunkelheit und ich war mittendrin. Zumindest war das<br />

meine Perspektive, denn als ich meine Hände anschauen wollte, waren<br />

sie nicht da. Ich war nicht in diesem Raum und doch irgendwie schon.<br />

Ich wollte weitergehen und tatsächlich änderte sich meine Perspektive.<br />

Vielleicht war ich also doch in diesem Raum, aber hatte keinen Körper.<br />

Ich lief weiter ohne darüber nachzudenken. Die Lichtkugeln flogen einfach<br />

weiter in eine Richtung und ich lief mit ihnen. Dieser Ort kam mir so<br />

bekannt vor, aber irgendwie auch nicht. Meine nicht vorhandenen Beine<br />

wurden schneller, während sich eine mir bekannt vorkommende Wärme<br />

in meiner nicht vorhandenen Brust ausbreitete. Es wurde immer wärmer,<br />

während die Lichtkugeln sich an einem Platz sammelten und eine noch<br />

größere Kugel bildeten. Meine Beine trugen mich einfach weiter in die<br />

Kugel hinein und plötzlich war alles weg. Keine Lichtkugeln die mir<br />

Licht schenkten, rein gar nichts, aber mein Körper leuchtete. Diese<br />

Wärme hatte sich in meinem ganzen Körper verteilt und machte ihn somit<br />

sichtbar. Ich konnte mich endlich sehen, ich war endlich in dieser… Welt.<br />

„Willkommen zurück!“, sprach eine weibliche, ruhige Stimme zu mir, so<br />

dass ich erschrak, als ich diese Stimme aus dem Nichts hörte.<br />

„W-Wer ist da? Zeig dich!“<br />

Doch die Antwort blieb aus.<br />

„Ich muss dich warnen. Die-“<br />

Jemand rüttelte an meiner Schulter. „Hey, du da! Wach endlich auf! Wir<br />

sind schon da!“ „W-Was?“<br />

Noch leicht benommen schaute ich mich um. Alle waren schon ausgestiegen<br />

und das Mädchen mit den hellen Augen hatte mich geweckt.<br />

„Oh… Danke, dass du mich geweckt hast. Ich bin übrigens Elaine.“<br />

Das Mädchen musterte mich erstmal skeptisch bevor sie kurz und knapp<br />

„Christina“ zur Antwort gab. Sie ging bereits aus dem Bus, während ich<br />

8


meine Sachen zusammenpackte und ihr nachlief. Als ich aus dem Bus<br />

ausstieg, staunte ich nicht schlecht. Das Internat war ein riesiges Schloss,<br />

welches nicht ganz so alt aussah.<br />

„Warte erst bis du das gesamte Schulgelände gesehen hast. So wie du<br />

gerade aussiehst, hast du sowas noch nie gesehen, oder?“, fragte mich<br />

Christina, die mit ihren zwei Koffern neben mir lief. Ich nickte nur als<br />

Antwort und bestaunte das gesamte Schloss. Es wurde anscheinend erst<br />

vor kurzem neu in weiß gestrichen, hatte viele symmetrische Fenster<br />

und ein paar Verzierungen, wie man sie aus der Renaissance kennt. Es<br />

hatte geschätzt 5 Etagen und eine sehr große Grundfläche. Der Ei<strong>ngan</strong>g<br />

bestand aus einer Brücke, die über den Fluss führte und einem großen<br />

eisernen Tor. Als wir es durchschritten, sah man einen großen Saal mit<br />

einer Bühne und mehreren Reihen Stühlen. Dort saßen bereits einige<br />

Schüler, aber es waren weniger, als ich erwartet hatte. Es waren vielleicht<br />

gerade mal 500 Schüler auf diesem riesigen Internat.<br />

„Wir sollten unsere Koffer erstmal an die Wand stellen, bis wir wissen<br />

in welches Zimmer wir kommen“, schlug Christina vor. Ich nickte bloß<br />

und anschließend suchten wir uns Sitzplätze und warteten. Eine blonde,<br />

überschminkte, etwas ältere Frau stieg auf das Podest auf der Bühne und<br />

klatschte dreimal in die Hände. Sofort wurde es im ganzen Saal still und<br />

niemand traute sich mehr etwas zu sagen.<br />

„Guten Tag, liebe Schüler. Ich hoffe die Anreise war für euch alle angenehm.<br />

Ich freue mich viele neue und bekannte Gesichter erblicken zu dürfen.<br />

Wie jedes Jahr kümmern wir uns als Erstes um die Zimmerverteilung. Es<br />

gibt Zweier-, Dreier- und Viererzimmer. Wir haben euch so verteilt, dass<br />

die Neulinge jeweils mit einem Nicht-Neuling in ein Zweierzimmer kommen.<br />

Die Dreier- und Viererzimmerverteilungen bleiben so wie letztes Jahr. Es<br />

gab keine weiteren Änderungen. Ich lese jetzt die Zimmerverteilung der<br />

Zweierzimmer vor: Lucy Metallica und Janina Maier…“ Zwei Mädchen<br />

kamen vor, einmal die Grünhaarige aus dem Bus und eine mit violetten<br />

Haaren. Danach kamen noch ein paar andere Namen, bei denen ich geistig<br />

abwesend war. Stattdessen schaute ich mich weiter um. Die anderen Schüler<br />

waren so gut wie alle eigenartig. Entweder die Haarfarbe war eigenartig oder<br />

die Augenfarbe… oder der Kleidungsstil, aber wir würden doch bestimmt<br />

9


noch Schuluniformen bekommen, von daher war das jetzt nicht so besonders.<br />

Dann hatten einige noch auffällige Tattoos. ‚Falls das überhaupt Tattoos<br />

sind…‘<br />

„Elaine Shooter…“ Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich<br />

meinen Namen hörte. „… und Christina Mati“<br />

„Sieht so aus als wären wir im selben Zimmer“, teilte Christina mir mit<br />

einem kleinen Lächeln mit. Als Antwort nickte ich einfach nur fröhlich. Zum<br />

Glück musste ich nicht mit jemandem in ein Zimmer, den ich überhaupt<br />

nicht kannte, auch wenn ich Christina erst gerade eben kennengelernt<br />

hatte. Wir beide standen auf und liefen zum Podest. Die Schulleiterin<br />

übergab mir mit einem großen, gespielten Lächeln unseren Zimmerschlüssel.<br />

„Ich hoffe es wird dir hier gefallen, Elaine.“ Anschließend drehte sie sich<br />

wieder nach vorne und ihr Lächeln verschwand. Christina und ich setzten uns<br />

wieder an unsere Plätze und warteten. Als endlich alle Zimmer verteilt<br />

wurden, atmete ich erleichtert aus. Die ganze Prozedur hat gefühlte Stunden<br />

gedauert!<br />

„Jetzt kommen wir zu den Stundenplänen. Für die Neulinge hängen die<br />

Stundenpläne in den jeweiligen Zimmern. Die Anderen sollten ihren<br />

Stundenplan bereits wissen. Jetzt gehen wir traditionellerweise unsere<br />

Schulordnung durch.“ Sie holte ein dickes, fettes Buch hinter dem Podest<br />

und legte es mit einem lauten Knall auf das Podest.<br />

„Also… die Schulordnung des D.A.R.K. Internats Artikel eins Paragraph<br />

eins…“<br />

‚Das kann doch nicht wirklich deren Ernst sein!‘<br />

Entsetzt blickte ich zu Christina, die im Gegensatz zu mir ganz entspannt<br />

aussah. Ohne sich umzudrehen, erklärte sie: „Keine Sorge, das Buch ist<br />

zwar dick, aber die Schulordnung ist ziemlich kurz. Es ist gleich vorbei.“<br />

Und damit hatte sie Recht. Nach ca. fünf Minuten waren wir mit<br />

der Schulordnung durch. Dabei erwähnte sie nichts von Handys oder<br />

ähnlichem. Deswegen fragte ich Christina: „Kann es sein, dass Handys<br />

hier erlaubt sind?“ Sie überlegte kurz und antwortete: „An sich schon,<br />

aber du wirst mit deinem Handy in diesem Gebäude nichts anfangen können.“<br />

Als ich sie genauer fragen wollte, wurde ich von der Schulleiterin<br />

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unterbrochen: „Wenn ich nichts vergessen habe, dann könnt ihr jetzt in<br />

eure Zimmer. In den Schränken findet ihr die Schuluniformen in euren<br />

Größen. Die Älteren sollen bitte den Neulingen das Internat zeigen und<br />

jetzt husch, husch verschwindet von hier!“ Mit diesen Worten stolzierte<br />

sie davon.<br />

„Sag mal, Christina. Ist sie immer so?“<br />

„Ja, kann man so sagen, dabei war sie heute eigentlich besonders nett.“<br />

Sie nahm ihre Koffer und ging schon mal voraus.<br />

„Was meinst du mit ‚besonders‘ nett? Hey, warte auf mich!“<br />

Hastig nahm ich meine Koffer und die Umhängetasche und rannte<br />

ihr hinterher, damit ich sie nicht aus den Augen verlor. Nach endlosen<br />

Treppen kamen wir am Zimmer an. Die Tür war eine ganz normale<br />

Holztür mit der Nummer 593. Ich steckte den Schlüssel rein und öffnete<br />

die Tür. Sofort wurde ich von dem hellen Licht der Sonne geblendet und<br />

musste mich daher erst einmal daran gewöhnen. Was ich danach sah war<br />

einfach unglaublich! Unser „Zimmer“ war eine 3-Zimmer-Wohnung<br />

mit Badezimmer, einer kleinen Küche, zwei Schlafzimmern und einem<br />

kleinen, aber geräumigen Wohnzimmer.<br />

„Wow… das gehört alles uns?“, fragte ich verblüfft.<br />

Christina war schon in ihrem Zimmer und rief: „Ja natürlich! Das ist eine<br />

‚Diplomatische Akademie für Reiche Kinder‘, also was hättest du denn<br />

anderes erwartet? Jetzt geh aber endlich in dein Zimmer. Ich muss dich ja<br />

noch herumführen.“ Sofort lief ich zum anderen Schlafzimmer, wo auch auf<br />

der Tür mein Name auf einem goldfarbenen Schild stand. Zögernd öffnete ich<br />

die Zimmertür und entdeckte das wahrscheinlich schönste Zimmer, dass ich<br />

jemals gesehen hatte. Alles war im meinen Lieblingsfarben blau und weiß<br />

eingerichtet. Von der Tür aus sah ich vor mir ein Riesenfenster mit Balkon<br />

und hatte damit einen prima Ausblick auf einen glasklaren See hinter<br />

dem Gebäude. Neben dem Fenster stand ein breites Himmelbett mit<br />

blauen Vorhängen und unzähligen Kissen. Auf der anderen Seite stand<br />

ein großer und breiter Schrank, wo ich auch schon die Schuluniform<br />

entdeckte. Sie bestand aus einem weißen Hemd, einer schwarzen Jacke<br />

mit dem roten Schulwappen, einem schwarzen Rock, schwarzen Strümpfen<br />

in verschiedenen Längen, braunen Schuhen und einer roten Krawatte.<br />

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Links von der Tür stand ein weißer Schreibtisch mit allem drum und<br />

dran. Auf dem Schreibtisch entdeckte ich meinen Stundenplan, den ich<br />

aber erstmal ignorierte. Als Erstes packte ich alle meine Sachen in den<br />

Schrank, womit ich nach ca. zehn Minuten fertig war. Anschließend nahm<br />

ich mein Handy in die Hand, um herauszufinden, was Christina meinte.<br />

Als ich versuchte es anzuschalten, klappte es nicht. Vielleicht war der<br />

Akku leer, obwohl ich mir sicher war, dass es vor der Fahrt noch 100%<br />

hatte. Vergebens suchte ich nach einer Steckdose, aber ich fand keine in<br />

meinem Zimmer. Die einzigen, die ich fand, waren in der Küche, aber sie<br />

wurden verschlossen. Wahrscheinlich meinte sie das damit… Als ich zurück<br />

in mein Zimmer wollte, zog mich Christina plötzlich nach draußen.<br />

„Hey, Christina! Was soll das?“<br />

„Ich zeig dir jetzt den Campus! Was denn sonst?“<br />

„Gut, okay, aber lass mich dann bitte los!“<br />

„Nö!“, entgegnete sie und streckte ihre Zunge raus, „Also schmoll nicht<br />

rum.“<br />

Wir liefen die ganzen Treppen bis in den Keller runter. Dort entdeckte ich<br />

mehrere große Hallen.<br />

„Also hier sind ein paar Freizeiträume mit Tischtennisplatten, Billardtischen<br />

und noch vielen anderen Sachen. Außerdem sind hier noch drei Turnhallen,<br />

falls es draußen zu kalt ist. Daneben findest du die Umkleiden.“<br />

Als ich mich genauer umgesehen hatte, hetzten wir schon wieder weiter<br />

in den ersten Stock. Hier befanden sich sehr viele Klassenzimmer: 1A,<br />

2A, 3A, 1B, usw.<br />

„Also hier sind die Klassenzimmer. In welcher Klasse bist du? Ich bin in<br />

der 2A.“<br />

„Ähm… ich weiß es nicht. Ich habe noch nicht auf den Stundenplan geschaut,<br />

weil du mich aus dem Zimmer gezogen hast.“<br />

„Oh… jedenfalls bist du eine Zweitklässlerin. Normalerweise kommt<br />

man mit 15 Jahren auf diese Schule und ist dann in der ersten Klasse der<br />

Schule. Du bist aber schon 16, also bist du in der Zweiten.“<br />

„Warte mal. Woher weißt du, wie alt ich bin? Ich habe es dir doch gar nicht<br />

gesagt, oder?“<br />

„Doch du hast es mir gesagt“, meinte sie und schleppte mich weiter in den<br />

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zweiten Stock.<br />

„Hier sind die fachspezifischen Räume für Chemie, Physik, Biologie und<br />

noch ein paar Computer-Räume, um nach Informationen zu suchen oder<br />

wenn du Informatik als Wahlfach gewählt hast. Sie sind meistens offen<br />

außer in der Nacht…“<br />

Christina stockte kurz und überlegte.<br />

„Hm… ich glaube, dass ich irgendetwas vergessen habe… Egal, weiter.“<br />

Obwohl ich mir die Räume noch ein bisschen genauer anschauen wollte,<br />

zog sie mich schon wieder weiter in den dritten Stock.<br />

Mit gelangweilter Stimme erzählte sie: „Hier sind dann die Kunst- und<br />

Musikräume.“<br />

Wieder überlegte sie kurz.<br />

„Hm… irgendwas habe ich doch ganz bestimmt vergessen!“<br />

„Ähm… vielleicht die Toiletten?“<br />

„Ach ja! Sie befinden sich immer am Anfang und am Ende des Flurs. In der<br />

vierten und fünften Etage sind dann die ganzen Wohnräume. Immer eine<br />

Hälfte für die Mädchen und die andere für die Jungen. Ich geh dann jetzt<br />

mal zurück zum Zimmer. Hier ist dein Schlüssel. Wir haben zwei davon.“<br />

Sie warf mir den Schlüssel zu, aber bevor ich das realisierte, flog er durch<br />

meine Beine hindurch.<br />

„Du musst an deinen Reflexen arbeiten“, war die spöttische Bemerkung<br />

von Christina.<br />

„Man sieht sich!“<br />

Damit ging sie zurück zum Zimmer. Leicht genervt drehte ich mich um,<br />

um den Schlüssel zu suchen und knallte gegen eine Person.<br />

„Oh, es t-tut mir leid. Ich suche nur meinen Schlüssel u-und“, stotterte ich<br />

vor mich hin.<br />

Plötzlich hob diese Person mein Kinn hoch, sodass ich in seine Augen<br />

schauen musste. Er war ein Junge mit roten Haaren und violetten Augen,<br />

aber seine Augen hatten irgendetwas Besonderes an sich, irgendetwas<br />

Geheimnisvolles…<br />

„Hier ist dein Schlüssel. Er lag auf dem Boden.“ Langsam drückte er ihn<br />

mir in die Hand ohne dabei den Blick von meinen Augen zu wenden. Als<br />

ich realisierte, was hier gerade passierte, kniff ich meine Augen zu und<br />

13


drückte ihn sachte von mir weg. Ich spürte schon, wie die Wärme in<br />

mein Gesicht schoss. „D-Danke!“, sagte ich flüchtig und rannte zum<br />

Mädchenklo am Ende des Flurs. Sofort wusch ich mein Gesicht am<br />

Waschbecken mit Wasser und blickte in den Spiegel. Im Nachhinein<br />

wurden mir zwei Dinge klar:<br />

1) So etwas ist mir noch nie, wirklich nie passiert!<br />

2) Was denkt sich dieser Typ, dass er mich einfach so anfassen darf!<br />

Wütend knallte ich die Tür vom Mädchenklo zu und rannte zu unserem<br />

Zimmer. Dabei zog ich ziemlich viele Blicke auf mich, aber das<br />

interessierte mich im Moment einfach nicht. Nach endlos vielen Treppen<br />

kam ich am Zimmer an und schloss die Tür auf.<br />

„Christina, ich bin wieder da!“, rief ich durch die ganze Wohnung, aber<br />

ich bekam keine Antwort. Stattdessen fand ich einen Zettel an meiner Tür:<br />

Bin für eine Weile weg. Muss was erledigen. Hoffe du kommst alleine<br />

zurecht. Bin wahrscheinlich erst wieder am Abend zurück.<br />

Christina<br />

PS: Ich soll dir ausrichten, dass du heute das Gebäude noch nicht<br />

verlassen darfst. Morgen gibt es eine Rallye oder sowas in der Art.<br />

Soll mir recht sein. Dann kann ich wenigstens in aller Ruhe meinen Stress<br />

abbauen. Wer hätte gedacht, dass ich direkt am ersten Tag Probleme haben<br />

würde? Ich verbarrikadierte mich in meinem Zimmer und schaute auf<br />

meinen Stundenplan.<br />

‚Anscheinend bin ich auch in der 2A‘, überlegte ich, ‚Mathe, Englisch,<br />

Chemie, Physik, Sport, Kunst oder Musik, Informatik oder Biologie…<br />

das sind ziemlich wenige Schulstunden. Und das soll ein Internat für<br />

Problemkinder sein?‘<br />

Weiter unten entdeckte ich eine Bemerkung: „Bitte melden sie beim<br />

Klassenlehrer, welche Fächer sie wählen möchten.“<br />

‚Noch weniger Fächer… gut für mich. Das heißt mehr Freizeit.‘ Plötzlich<br />

fing mein Magen an zu knurren. Ich hatte vergessen Christina zu fragen,<br />

wo wir essen. Ich ging in die Küche und durchsuchte alle Regale, aber<br />

14


ich fand nichts.<br />

‚Na ganz toll… Immerhin ist es schon Abend, das heißt, sie müsste bald<br />

wieder zurück sein… Vielleicht war es ja das, was sie in Wirklichkeit<br />

vergessen hatte, aber das müsste heißen, dass die Mensa irgendwo im<br />

zweiten Stock ist!‘ Ich nahm meinen Schlüssel in die Hand und eilte in<br />

den zweiten Stock. Dort ging ich durch alle Flure und entdeckte nach einer<br />

gefühlten Stunde einen kleinen Seite<strong>ngan</strong>g hinter den ganzen Chemieräumen,<br />

wo eigentlich eine Wand hätte sein müssen. Am Ende dieses Flures befand<br />

sich eine etwas größere Holztür mit der Aufschrift „Mensa“. Erleichtert<br />

schritt ich durch die Tür und wurde sogleich von einer Menge Schülern<br />

begrüßt. Etwas weiter hinten entdeckte ich Christina, die mich zu sich winkte.<br />

„Hey, Elaine! Du bist die Erste!“<br />

Irritiert lief ich zu ihr an den Tisch. Sie musste mir jetzt ganz schön viele<br />

Fragen beantworten!<br />

„Warte mal, was? In was bin ich die Erste? Und wieso hast du mir nicht<br />

gesagt, wo die Mensa ist? Und-“, wollte ich fragen, als sie mich an den<br />

Schultern festhielt.<br />

„Ganz ruhig, okay? Ich erkläre es dir, aber sei bitte ruhig! An dieser Schule<br />

gibt es… sagen wir mal eine alte Tradition. Wir sind dazu verpflichtet den<br />

Neulingen nichts über die Schulmensa zu verraten, also sozusagen als<br />

Prüfung. Die Neulinge müssen den Weg zur Mensa alleine finden. Deswegen<br />

ist sie auch so versteckt. Die Schule möchte wissen, wie gut ihr euch in<br />

einer neuen Umgebung zurechtfinden könnt. Wir dürfen nur kleine Tipps<br />

geben und… deswegen war ich den halben Tag lang weg… Also sei mir<br />

nicht böse, okay?“<br />

Nach reichlicher Überlegung murmelte ich: „Gut, okay, aber lass mich<br />

endlich los. Du hast einen ziemlich festen Griff…“ Ruckartig ließ sie<br />

mich los und murmelte ein kleines „Sorry“ vor sich hin.<br />

„Und was passiert dann, wenn man die Mensa nicht findet?“<br />

„Also… Ähm… Schau mal! Du kannst einen Preis abholen, weil du die<br />

Erste warst!“, lenkte sie etwas zu schnell vom Thema ab, schob mich<br />

wider meines Willens nach vorne zur kleinen Bühne und verschwand<br />

danach sofort wieder. Genervt blickte ich nach vorne zu der Direktorin.<br />

Hatte etwa jeder Raum hier eine Bühne?<br />

15


„Ah, Elaine Shooter, richtig? Sie sind die Erste mit einer Zeit von nur 3<br />

Minuten nach Beginn der Essenszeit. Das ist wirklich beeindruckend!<br />

10 Sekunden früher und Sie hätten einen neuen Rekord aufgestellt!<br />

Der Preis für Sie ist eine Tüte Gummibärchen. Und jetzt genießen Sie<br />

Ihr Abendessen…“, erklärte sie mit ihrem diesmal etwas verkrampften<br />

Lächeln und schob mich wieder weg.<br />

‚Eigenartige Frau… Vor allem wieso machen die diese „Prüfung“<br />

überhaupt?‘<br />

In meinem Kopf schwirren einfach zu viele Fragen herum!<br />

„Elaine, jetzt steh nicht so blöd rum! Hol dir dein Essen und schwing<br />

deinen Hintern dann hierher!“, rief Christina von ihrem Platz aus.<br />

„Ja, ja! Ist gut…“, knurrte ich vor mich hin, weil mir diese ganzen Fragen<br />

Kopfschmerzen bereiteten. Genervt schritt ich zur Essensausgabe, nahm ein<br />

Tablett, bekam ein 3-Gänge-Menü serviert und ging wieder zurück an den<br />

Tisch. Dort saß inzwischen noch das grünhaarige Mädchen aus dem Bus.<br />

„Elaine, darf ich vorstellen? Das ist Lucy. Lucy, das ist Elaine“, stellte<br />

Christina mir vor. Ich nickte ihr kurz zu und sie zurück.<br />

„Lucy ist nicht sehr gesprächig, aber wir sind so ziemlich beste Freundinnen.<br />

Wir haben uns letztes Jahr kennengelernt. Es war ungefähr genauso wie<br />

bei uns beiden. Wir haben uns im Bus nebeneinandergesetzt, weil der<br />

ganze Bus voll war. Und-“, wollte Christina erzählen, aber Lucy platzierte<br />

ihre Hand vor Christinas Mund.<br />

„Christina, du redest mal wieder zu viel“, meinte die Grünhaarige knapp<br />

und ließ Christina wieder los. Daraufhin schwiegen wir alle und aßen<br />

ruhig zu Abend, bis ich den Beiden schließlich Fragen stellte: „Ich hoffe<br />

es stört euch nicht, wenn ich frage, aber wieso gibt es in den „Zimmern“<br />

noch extra Küchen, wenn wir doch sowieso hier essen?“<br />

„Ach, das muss ich dir ja auch noch erklären. Also… Es gibt ganz regulär<br />

jeden Tag Essen in der Mensa. Wenn man das Essen hier nicht mag, kann<br />

man Lebensmittel auf dem Campus einkaufen“, antwortete Christina mit<br />

halbvollem Mund.<br />

„Christina, erst schlucken, dann sprechen“, beschwerte sich Lucy und<br />

zeigte dabei mit ihrer Gabeln auf ihre beste Freundin.<br />

„Ja, Mutti“, motzte sie im frechen Ton zurück. Sekundenlang starrten<br />

16


sie sich böse an, als ob sie vergessen hätten, dass ich noch da war. Da<br />

ich schon fertig mit dem Essen war und nicht so recht wusste, was ich<br />

machen sollte, beschloss ich einfach zurück zum Zimmer zu gehen.<br />

‚Kann es sein, dass Christina Stimmungsschwankungen hat?‘, überlegte<br />

ich mir auf dem Weg und wäre deshalb fast, aber nur fast gegen jemanden<br />

gelaufen. Im Zimmer angekommen ließ ich mich auf mein Bett fallen<br />

und ging den Stundenplan nochmal durch. Der Unterricht beginnt um<br />

acht Uhr, das heißt Frühstück gäbe es dann wahrscheinlich um sieben<br />

Uhr, aber da musste ich Christina nochmal fragen. Ein Seufzer entwich<br />

meiner Kehle und ich öffnete das Fenster zum Balkon. Eine frische Brise<br />

wehte durch mein offenes Haar, die Vögel zwitscherten und die Sonne<br />

ging langsam unter. Für mich sah es hier einfach nur perfekt aus… zu<br />

perfekt. Gedankenversunken starrte ich auf den See, als plötzlich jemand<br />

unsere Zimmertür zuknallte.<br />

„Elaine, stör mich jetzt bitte nicht! Ich bin gerade ziemlich angepisst!“,<br />

schrie Christina durch unsere Wohnung und knallte diesmal ihre Zimmertür<br />

zu. Jetzt war ich mir eindeutig sicher, dass sie Stimmungsschwankungen<br />

hatte. Erst sehr hilfsbereit, dann arrogant, später eine Plaudertasche und<br />

zum Schluss aggressiv…<br />

‚Hoffentlich wird es nicht schlimmer!‘ Ich ignorierte diese Tatsache für<br />

diesen Moment, machte mich bettfertig und verbrachte noch einige Zeit<br />

auf dem Balkon, bevor ich einschlief.<br />

17


3<br />

Geheime Kraft<br />

Kälte. Nichts als Kälte. Es war komplett dunkel und kalt, aber ich fror<br />

nicht. Plötzlich fühlte ich Schneeflocken auf meiner Haut, die mir<br />

Gänsehaut bereiteten, aber ich fror immer noch nicht. Als wäre ich immun<br />

gegen diese Kälte. „Willkommen zurück, Elaine“, begrüßte mich dieselbe<br />

Stimme wie vom letzten Mal und plötzlich war alles in Licht gehüllt. Ich<br />

sah eine ganze Schneelandschaft, ein paar Bäume und wieder diese blauen<br />

Lichtkugeln. Ich leuchtete wieder und ging weiter in diese Landschaft hinein.<br />

Vor mir sah ich ein kleines Mädchen im Schnee spielen. Ihre schwarzen<br />

Haare waren voller Schnee und ihre blauen Augen blickten durch mich<br />

hindurch.<br />

Ich erschrak: „D-Das bin doch ich! Sag schon wer bist du und wieso<br />

zeigst du mir das?“<br />

„Wer ich bin, ist jetzt unwichtig. Wieso ich dir das zeige, wirst du gleich<br />

sehen“, antwortete die mysteriöse Stimme. Verwirrt blickte ich auf mein<br />

damaliges Ich. Sie - nein ich spielte im Schnee. Na und? Als nächstes<br />

nahm ich einen Schneeball und warf ihn zu einem Baum. Was ich dann<br />

sah, war einfach unglaublich! Der Schneeball wurde von den blauen<br />

Lichtkugeln umhüllt und wurde immer größer und größer, bis ich ihn aus<br />

den Augen verlor.<br />

„Was war das? Daran kann ich mich nicht erinnern!“, fragte ich diese<br />

mysteriöse Stimme.<br />

„Das warst du. Das ist dein Erbe… deine Magie.“<br />

„Wovon redest du? Es gibt keine Magie oder sowas in der Art! Das ist völlig<br />

unmöglich! Und wieso kann ich mich an das nicht erinnern?“ Für eine<br />

Weile blieb es still und diese Erinnerung verblasste, bis es wieder dunkel<br />

war. Später hörte ich wieder eine Stimme, aber sie war anders. Bedrohlich.<br />

Angsteinflößend. „Renn weg solange du es noch kannst oder du wirst<br />

untergehen, Elaine. Hör auf meine Worte und verschwinde von hier!“<br />

„Wovon redest du? Wieso soll ich wegrennen? Und wieso sagst du mir<br />

verdammt nochmal nicht wer du-“<br />

18


Jemand rüttelte wieder an meiner Schulter.<br />

„Hey, Elaine! Wach auf! Es ist halb sieben!“ Langsam öffnete ich meine<br />

Augen und erblickte Christina.<br />

„Wo bin ich?“, fragte ich verschlafen.<br />

Christina rollte ihre Augen und antwortete: „Das ist ja schon fast genauso<br />

wie im Bus gestern! Du bist gerade auf dem Balkon. Wahrscheinlich bist<br />

du hier gestern eingeschlafen… Oder du bist schlafgewandelt. Das wäre<br />

auch noch eine Option… Aber jetzt lenk nicht vom Thema ab! Du hast<br />

nur noch eine halbe Stunde Zeit, um dich fertig zu machen!“<br />

„Eine halbe Stunde reicht doch locker aus“, meinte ich und machte mich<br />

auf den Weg zum Badezimmer. Nach 10 Minuten war ich mit allem fertig<br />

und hatte schon die Schuluniform an.<br />

„Na sag ich doch! Wir haben noch genügend Zeit“, erklärte ich Christina,<br />

die sich in ihrem Zimmer entspannte.<br />

„Zum Glück. Letztes Jahr war ich mit einer Tussi zusammen im<br />

Zimmer. Sie hat immer ganze zwei Stunden gebraucht um sich<br />

morgens fertigzumachen und hat deswegen andauernd das Bad blockiert!<br />

Das war richtig schlimm! Na ja, wollen wir schon runter in die Mensa?“<br />

„Ja, klar.“ Entspannt schloss ich die Tür ab und ging gemeinsam mit<br />

Christina die Treppen runter. Während wir unserem Ziel immer näher<br />

kamen, musste ich an den Traum von letzter Nacht denken: ‚Ich und<br />

Magie? Nie im Leben! Es ist doch noch nicht einmal möglich! Aber<br />

wieso soll ich weglaufen? Wieso soll ich von hier weg solange ich es<br />

noch kann? Das macht alles keinen Sinn!‘<br />

Vom Denken bekam ich wieder Kopfschmerzen. Deshalb redete ich mir<br />

ein: ‚Es ist alles nur ein Traum gewesen, es ist alles nur ein Trau gewesen…<br />

ich sollte es einfach vergessen.‘<br />

„Hey, Elaine! Wo gehst du hin? Zur Mensa geht es hier entlang.“<br />

„Oh, ich war wohl etwas in Gedanken versunken…“<br />

Nach wenigen Metern erreichten wir die Mensa. Dort saß bis jetzt nur<br />

ein Junge.<br />

‚Wieso ausgerechnet er?‘ Der rothaarige Junge schaute auf und blickte<br />

zu uns.<br />

„Elaine, darf ich vorstellen? Noctis, der Mädchenschwarm der Schule“,<br />

19


stellte sie ihn mit einer eleganten Bewegung vor, flüsterte mir aber<br />

anschließend ins Ohr: „Wehe du lässt dich von ihm verführen. Ein weiteres<br />

Anhängsel kann ich nicht gebrauchen.“<br />

„Keine Sorge“, zischte ich zurück, „Ich mochte ihn von Anfang an nicht“<br />

Noctis schien mich mit seinem Blick zu durchbohren, aber ich ignorierte<br />

ihn einfach und ging mit Christina an unseren Tisch.<br />

„Wieso ist er schon hier und darf schon essen, Christina?“<br />

„Ganz einfach. Damit ihn seine Fangirls nicht beim Essen stören. Die<br />

Schule macht bei ihm anscheinend eine Ausnahme, aber verrate das bloß<br />

nicht seinem Gefolge! Sonst werden wir wahrscheinlich nie wieder ruhig<br />

essen können. Die denken nämlich alle, dass er sich sein Essen immer<br />

selbst zubereitet.“<br />

„Aber hast du nicht gesagt, ich soll mich nicht von ihm verführen lassen?<br />

Wenn er in Ruhe essen will, dann soll er die Mädchen doch nicht verführen,<br />

oder nicht?“<br />

„Das ist halt seine Logik. Die Logik deiner Mitschüler solltest du nicht<br />

hinterfragen.“<br />

Die Minuten vergingen und der Junge verließ die Mensa, während mein<br />

Magen anfing zu knurren.<br />

„Wie viel Uhr ist es denn jetzt“, meckerte ich herum.<br />

„Nur noch drei Minuten. Keine Sorge, du hast es bald geschafft“, munterte<br />

Christina mich auf und tätschelte meinen Rücken. Inzwischen waren<br />

auch andere Schüler da und warteten darauf, dass das Frühstück begann.<br />

Von weitem sah ich auch Lucy auf uns zu kommen. Alleine. Ohne ihre<br />

Zimmerpartnerin.<br />

„Guten Morgen Christina, Elaine. Na habt ihr gut geschlafen?“<br />

„Ich hab geschlafen wie ein Stein! Und Elaine ist auf ihrem Balkon<br />

eingeschlafen“, kicherte Christina vor sich hin, woraufhin ich ihr meinen<br />

Ellenbogen in die Seite rammte.<br />

Schließlich stellte ich Lucy eine Frage: „Lucy, wo ist eigentlich deine<br />

Mitbewohnerin? Ich habe sie gestern beim Abendessen auch nicht<br />

gesehen.“<br />

„Sie hat die Mensa gestern nicht gefunden und-“, wollte sie erklären, wurde<br />

aber von der Schulleiterin unterbrochen, die soeben die Bühne betrat.<br />

20


„Guten Morgen, liebe Schülerinnen und Schüler. Ich hoffe, Sie haben<br />

alle gut geschlafen. Bevor wir mit dem Frühstück beginnen, möchte ich<br />

noch eine kleine Ansage machen. Alle Neulinge treffen sich zu Beginn<br />

der ersten Stunde vor dem Gebäude. Die jeweiligen Klassenlehrer wissen<br />

schon Bescheid. Ach ja, nehmt bitte einen Stift mit. Mehr solltet ihr nicht<br />

brauchen. Und jetzt guten Appetit!“<br />

Mit diesen Worten stürmte ich zur Essensausgabe und nahm alles<br />

mit, was irgendwie in der Nähe war. Meiner Meinung nach war das<br />

Abendessen gestern zwar lecker, aber nicht sehr nährstoffreich<br />

und sättigend. Anschließend ging ich mit einem Brötchen im Mund zurück<br />

zum Tisch, wo Lucy und Christina immer noch saßen.<br />

„Woah, Elaine! Denkst du nicht, das ist ein bisschen viel für deinen<br />

Magen?“<br />

„Mhmn mh mnh mhn mhn mhnm“, versuchte ich zu sagen, während ich<br />

mein Tablett abstellte und mein Brötchen abbiss.<br />

„Also ja oder nein?“<br />

„Nein, das schaff ich locker! Wieso habt ihr euch noch nichts geholt?“<br />

„Ich kann dieses ganze Gedränge nicht leiden“, meinte Lucy, „aber<br />

jetzt haben schon alle sich etwas geholt. Kommst du Christina?“ Die<br />

Angesprochene nickte, nachdem sie sich eines meiner Brötchen stibitzt<br />

hatte. Da es mir relativ egal war, aß ich gemütlich mein Frühstück. Als<br />

die Beiden wieder zurück waren, hatte ich schon die Hälfte verputzt.<br />

„Oh Gott, Elaine! Wie kannst du nur so viel in so kurzer Zeit essen?<br />

Gestern hast du noch ganz normal schnell und viel gegessen! Werd ja<br />

nicht dick!“<br />

„Keine Sorge, ich hatte heute Morgen nur so viel Hunger. Das wird<br />

wahrscheinlich nicht wieder passieren.“ Als wir alle drei mit unserem<br />

Frühstück fertig waren, gingen wir zurück in unsere jeweiligen Zimmer.<br />

Da wir noch eine gute halbe Stunde Zeit hatten, beschloss ich einfachheitshalber<br />

auf dem Balkon die frische Luft zu genießen.<br />

„Elaine, wir sollten mal los!“<br />

„Ja, ich komme schon.“ Zusammen liefen wir die Treppen runter, bis<br />

Christina an unserem Klassenzimmer ankam.<br />

21


„Ich hoffe, wir sehen uns nachher! Viel Erfolg bei der Rallye!“<br />

„Natürlich sehen wir uns später! Danke!“, rief ich noch, bevor ich durch<br />

das Tor schritt und an einer Gruppe von Schülern ankam. Dort erwartete<br />

mich auch schon die Schulleiterin.<br />

„Elaine Shooter ist da. Gut, hier ist Ihr Arbeitsblatt. Sie dürfen sich<br />

jetzt alle alleine auf dem Campus frei bewegen, damit Sie die Fragen<br />

beantworten könnt. In wenigen Minuten gebe ich das Startsignal. Wer<br />

als Erster wieder zurück in der großen Halle ist, bekommt einen Preis.<br />

Haben Sie noch Fragen?“ Ohne auf meine Antwort zu warten, drehte sie<br />

sich zu einem anderen Schüler um. Na ganz toll… Ich wollte eigentlich<br />

noch fragen, wie viel Zeit wir haben. Na ja, was soll’s. In der restlichen Zeit<br />

bis zum Start überflog ich den Fragebogen. Als Erstes war eine Karte des<br />

Campus abgebildet, in der man reinschreiben sollte, was das jeweilige<br />

Gebäude war. Danach kamen Fragen, wie zum Beispiel: „Wo kann man<br />

hier alles Sport betreiben?“. Den Großteil der Fragen konnte ich dank<br />

Christina schon beantworten. Die letzte Aufgabe war meiner Ansicht<br />

nach etwas eigenartig: „Suchen Sie einen Kristall und bringen Sie ihn<br />

zur Direktorin“. Ich meine, es gibt keine Hinweise, wo es sich befindet,<br />

wie es aussieht oder wie groß es ist! Wenn es nur so groß ist, wie ein<br />

Apfel, dann könnte man es wer weiß wo alles verstecken! Ist das eine<br />

Scherzaufgabe? Oder soll man sich durchfragen?<br />

„Es geht los!“, schrie die Schulleiterin plötzlich, sodass ich wegen der<br />

Schülermasse erstmal stolperte. Na ganz toll… Meine Schuluniform war<br />

schon am ersten Tag schmutzig und mein Blatt ist zerknittert und feucht!<br />

Ich stand auf und schüttelte den groben Dreck von meinem Rock. Ein<br />

Seufzer entwich meiner Kehle und ich machte mich auf dem Weg zum<br />

ersten Gebäude. Nach gut 10 Minuten war meine Karte vollständig.<br />

Die Aufgabe an sich war eigentlich ganz leicht, aber der Campus war<br />

einfach riesig! Ein Sportplatz, zwei Schwimmbäder, ein Außenbecken,<br />

ein Lebensmittelgeschäft, ein Schulwarengeschäft… die Schule hatte<br />

einfach alles auf diesem Campus! Sogar eine Höhle!<br />

‚Warte, Höhle? Das wäre doch der perfekte Ort, um einen Kristall zu<br />

verstecken, oder nicht?‘ Sofort machte ich mich auf dem schnellsten Weg<br />

zur Höhle am anderen Ende des Campus. Als ich etwas tiefer reinlief,<br />

22


entdecke ich einen Tisch mit Taschenlampen. ‚Bingo!‘ Innerlich jubelnd<br />

lief ich immer tiefer in die Höhle hinein. Die Felsen ragten in alle Richtungen<br />

und die Dunkelheit umhüllte mich immer mehr. Plötzlich fing das Licht<br />

meiner Taschenlampe an zu flackern.<br />

„Das soll doch wohl ein Scherz sein!“, fluchte ich laut und kickte dabei<br />

einen Kieselstein zur Seite. Ich hörte wie er gegen etwas stieß, aber es<br />

war nicht die Felswand. Nein, ich hörte einen dumpfen, leisen Ton und<br />

im nächsten Moment hörte ich nur noch eigenartige Geräusche von allen<br />

Seiten. Bedrohliche, angsteinflößende Geräusche. Vor Schreck fiel ich<br />

nach hinten, ließ die Taschenlampe fallen und sah, was mich bedrohte. Es<br />

waren wolfsähnliche Wesen... Monster, wie man sie aus Geschichten und<br />

Videospielen kennt. Sie kamen immer näher auf mich zu. Schweißperlen<br />

kullerten über mein Gesicht und mein ganzer Körper zitterte. Eigentlich<br />

wollte ich um Hilfe rufen, aber meine Kehle fühlte sich an, als wäre sie<br />

zugeschnürt worden.<br />

„B-Bleibt weg v-von mir!“, flüsterte ich erstmal, bevor ich endlich den<br />

Mut fand aufzustehen. Ich blickte ihnen direkt in die Augen und schrie<br />

diesmal: „Bleibt weg von mir!“<br />

Ein kalter Wind wehte plötzlich durch die Höhle und ließ die Monster<br />

wimmern. Als Erstes dachte ich, sie würden sich jetzt einfach zurück<br />

ziehen, aber es kam nie dazu. Ein Monster nach dem anderen wurde<br />

aufgespießt… Von blutgetränkten Eiszapfen, die aus ihren nun toten<br />

Körper herausragten. Entsetzt trat ich einige Schritte zurück, nur um zu<br />

merken, dass die Monster hinter mir unter demselben Schicksal leiden<br />

mussten. Meine Augen weiteten sich bei diesem Anblick immer weiter,<br />

bis ich anfing zu rennen. Während ich rannte, schrie ich mir meinen<br />

Leib aus der Seele. Panik breitete sich in mir aus. Ich verlor meinen<br />

Orientierungssinn und irgendwann… fiel ich in Ohnmacht.<br />

Dieser Moment prägte sich tief in mein Gedächtnis ein und war der<br />

Grundstein für alles, was danach geschah. Das ganze Leid, der Schmerz…<br />

das alles wäre nie passiert, wenn ich weggerannt wäre, wenn ich auf die<br />

Stimme gehört hätte. Denn in diesem Moment, war schon alles vorbei.<br />

23


4<br />

Lerne sie zu kontrollieren<br />

Langsam öffnete ich meine Augen. Nur verschwommen konnte ich die<br />

Umgebung erkennen. Ich wollte aufstehen, wurde aber von entsetzlichen<br />

Kopfschmerzen zurückgehalten und plumpste wieder auf das Kissen.<br />

Anscheinend lag ich gerade auf einem Bett oder sowas ähnliches… Das<br />

letzte, woran ich mich erinnern konnte, war eine Höhle… und ich hatte<br />

ein Aufgabenblatt in der Hand, aber was danach passiert ist… daran kann<br />

ich mich nicht mehr erinnern. Nach etlichem Blinzeln erkannte ich endlich<br />

wo ich war. Ich lag auf einer Matte auf dem Boden in einem kleinen<br />

Raum. Um meinen Kopf und am Bein hatte ich Verbände. Direkt<br />

neben mir standen ein Glas Wasser und Kopfschmerztabletten auf<br />

dem Boden. Zögernd nahm ich eine und trank das Glas Wasser leer. Die<br />

Kopfschmerzen linderten sich dadurch ein wenig, sodass ich ohne weitere<br />

Probleme aufstehen konnte. Dadurch merkte ich auch, dass ich nicht<br />

mehr meine Schuluniform, sondern eine Art Kittel trug. Langsam schritt<br />

ich auf eine der beiden Türen zu und entdeckte ein kleines Badezimmer,<br />

wo auch eine frische Schuluniform lag. Ich zog mich um, wusch meine<br />

Hände und mein Gesicht mit kaltem Wasser und blickte in den Spiegel.<br />

Ich sah ziemlich fertig aus. Ich blickte mir tief in die Augen und mit<br />

einem Atemzug wurde mir plötzlich wieder alles bewusst. In Panik trat<br />

ich ein paar Schritte zurück. Meine Beine zitterten so stark, dass ich mich<br />

an der Wand abstützen musste. Meine Hände fingen an zu schwitzen und<br />

in Spiegel sah ich, wie sich meine Pupillen weiteten. Mein Puls erhöhte<br />

sich drastisch. Ich hatte Angst… Angst vor mir selbst.<br />

„Ich bin ein Monster“, flüsterte ich immer wieder vor mich hin und sah<br />

auf meine Hände, „Ich bin ein Monster!“ Ich sank auf meine Knie und<br />

hielt mir die Ohren zu. Ich fing an zu schreien. Kalte Tränen kullerten<br />

über meine Wangen. Das Zimmer wurde immer kälter und Wind fing<br />

plötzlich an hier drinnen zu wehen. Ich drückte meine Augen so fest zu,<br />

wie es ging. Ich wollte es nicht mehr sehen. Ich konnte es nicht mehr<br />

sehen. Ich konnte mich nicht mehr sehen.<br />

24


„Beeilung! Sie ist im Badezimmer! Sie gerät außer Kontrolle!“, hörte ich<br />

eine besorgte Stimme rufen. Schritte, Rufe, Schreie. Ich wollte es nicht<br />

mehr hören. Sie sollten verschwinden! Meine Schreie wurden lauter, der<br />

Wind wehte stärker, die Schreie der Anderen nahmen zu und plötzlich…<br />

wurde alles still. Ich fühlte Wärme um meinen Körper. Arme, die sich<br />

um mich legten, mich beschützten. Hände, die sich an meinen Rücken<br />

krallten. Ein Körper, an dem ich mich anlehnen konnte und eine sanfte<br />

Stimme, die mich beruhigte.<br />

„Es ist alles in Ordnung… Elaine“, flüsterte Christina mir ins Ohr<br />

während warme Tränen auf meine Schulter fielen. Ich öffnete meine<br />

Augen und blickte direkt in die Verwüstung, die ich hinterlassen hatte.<br />

Der Raum war bedeckt mit spitzen Eiszapfen, die Spiegel sind wegen<br />

der Kälte zersprungen, aber bevor ich mich noch weiter umschauen konnte,<br />

ließ Christina von mir ab und schaute mir direkt in die Augen. „Tu mir das<br />

nie wieder an, hörst du?“ Ihr von Tränen umrundetes Gesicht lächelte mich<br />

an. Langsam und zögernd nickte ich und wurde sogleich wieder von ihr<br />

umarmt, regelrecht zerquetscht, aber ich wollte nichts sagen. Ich wollte<br />

diesen Augenblick nicht zerstören. Mein Puls beruhigte sich wieder und<br />

alles, was man noch hören konnte, war unsere Atmung. Das war das<br />

allererste Mal, dass sich jemand um mich Sorgen gemacht hat. Ich glaube,<br />

ich hatte in Christina endlich eine Freundin gefunden. Ich hatte noch nie<br />

echte ‚Freunde‘ und alle anderen sind mir immer aus dem Weg gegangen.<br />

Ich fing an zu weinen. Nicht weil ich traurig war. Nein. Ich war glücklich.<br />

„Ruh dich jetzt aus“, flüsterte Christina zu mir, bevor ein kleines, spitzes<br />

Ding in meine Seite gestochen wurde und langsam alles um mich herum<br />

schwarz wurde.<br />

„Elaine? Bist du wach?“, hörte ich eine besorgte Stimme neben mir<br />

fragen. Langsam öffnete ich meine Augen und blinzelte, bis ich wieder<br />

klar sehen konnte. Ich lag wieder auf einer Matte in wahrscheinlich demselben<br />

Raum. Nein nicht ganz. Ich konnte diesmal nur eine Tür sehen. Neben<br />

mir kniete Christina und lächelte mich glücklich an. Ich atmete einmal<br />

ganz tief durch und antwortete schließlich: „Ja, ich bin wach.“ „Gut, ich<br />

soll dich zur Direktorin bringen. Kommst du?“ „Ja.“ Langsam stand ich<br />

25


auf, nur um zu bemerken, dass ich wieder diesen Kittel anhatte. Daraufhin<br />

folgte ich Christina zur Direktorin. Die Gänge, die wir entlang liefen,<br />

waren mir nicht bekannt. Die Zimmer, die ich gesehen hatte auch nicht.<br />

Wo zum Teufel waren wir hier? Als wir an der Tür ankamen, bat mich<br />

Christina alleine reinzugehen. Als ich eintrat, erwartete mich auch schon<br />

die Direktorin. Sie saß an ihrem Schreibtisch auf einem Chefsessel. Vor<br />

dem Tisch stand noch ein Stuhl.<br />

„Elaine Shooter. Setzen Sie sich.“ Ich nickte und setzte mich auf den Stuhl.<br />

„Sie haben sicherlich schon bemerkt, dass Sie besonders sind, dass Sie<br />

etwas machen können, was Andere nicht können, aber… Sie können es<br />

nicht kontrollieren und das stellt ein großes Problem dar. Ich werde Ihnen jetzt<br />

verraten, wieso wir Sie auf dieses Internat eingeladen haben. Dieses Internat<br />

ist speziell für Jugendliche mit magischen Kräften gebaut worden. Wir<br />

bringen ihnen bei, mit ihrer Magie umzugehen. Diese zwei Prüfungen<br />

am Anfang sollten zeigen, ob die Personen, die wir eingeladen haben auch<br />

wirklich magische Kräfte besitzen, denn dieses Geheimnis muss gut gehütet<br />

werden. Wir dürfen uns keine Fehler erlauben.“ Sie stand auf und lief um<br />

den Tisch herum.<br />

„Aber jetzt kommen wir zur eigentlichen Sache. Normalerweise erhalten<br />

alle Schüler dasselbe Training. Vormittags ist normaler Unterricht und<br />

nachmittags das Training, deswegen gibt es auch nur so wenige Schulstunden.<br />

Bei Ihnen ist es ganz anders. Da Sie Ihre Kräfte nicht kontrollieren können,<br />

stellen sie eine zu große Gefahr für Ihre Mitschüler dar. Sie haben bereits<br />

gesehen, was Sie alles anrichten können. Aus genannten Gründen werden<br />

wir Ihnen für ein paar Wochen Spezialtraining geben. Dazu müssen wir<br />

Sie leider von allen anderen Schülern fernhalten. Wir werden sie in ein<br />

Einzelzimmer verlegen und Sie den ganzen Tag lang überwachen. Sind<br />

Sie damit einverstanden?“<br />

Ich musste überlegen. ‚Nach dem Training könnte ich dann meine Kräfte<br />

kontrollieren, ich würde niemandem mehr schaden! Aber andererseits<br />

wäre ich völlig abgeschottet von den Anderen, von der Außenwelt…<br />

aber… Das spielt keine Rolle! Was bringt es mir Freunde zu haben,<br />

aber sie dann einige Tage später ungewollt umzubringen, weil ich meine<br />

Kräfte nicht kontrollieren kann?‘<br />

26


„Ja, ich bin einverstanden. Ich will meine Kräfte kontrollieren können!“<br />

„Sehr gut. Wir haben Ihre Sachen schon in das neue Zimmer gebracht.<br />

Folgen Sie mir. Wir fangen gleich mit dem Training an.“ „Ähm… kann<br />

ich mich noch von jemandem verabschieden?“ Die Direktorin drehte<br />

sich kurz um und hob eine Augenbraue. „Nein, tut mir Leid. Wir sollten<br />

keine Zeit verlieren. Wer weiß, was Sie noch alles anrichten werden.“<br />

Gehorsam gab ich ein kleines „Okay“ von mir und folgte ihr, bis wir an<br />

einer Stahltür ankamen. Die Schulleiterin(, deren Name ich komischerweise<br />

immer noch nicht wusste, aber zu schüchtern war um zu fragen,) holte<br />

eine ID-Karte aus ihrer Jackentasche und öffnete den Zugang zu einem<br />

Hochsicherheitsbereich. Der Gang ging noch tiefer hinein, links von mir<br />

die Wand und rechts von mir Fenster mit Ausblick auf eine riesige, leere<br />

Trainingshalle.<br />

„Zu Ihrer Rechten können Sie bereits den Trainingsraum sehen, in dem Sie<br />

für eine Weile trainieren werden.“ Am Ende vom Gang befand sich eine<br />

weitere Stahltür, die sich aber ohne Weiteres automatisch öffnete. Von dort<br />

aus sah ich zwei weitere Türen, einmal geradeaus und einmal rechts.<br />

„Die Tür rechts führt zum Trainingssaal. Hinter der Tür vor Ihnen befindet<br />

sich Ihr Zimmer. Dort befinden sich außerdem noch ein Badezimmer und<br />

eine Küche mit ausreichend Lebensmitteln. Ich hoffe doch Sie können<br />

kochen“, erklärte sie und blickte zu mir. „Ja“, war meine knappe Antwort.<br />

„Gut, Sie haben fünf Minuten Zeit, um sich an Ihr neues Zimmer zu<br />

gewöhnen. Danach erwartet Sie Ihr Lehrer im Trainingssaal. Viel Erfolg.“<br />

Damit ging sie wieder zurück und ließ mich allein. Als Erstes ging<br />

ich in mein Zimmer, das eigentlich wieder eine kleine Wohnung war:<br />

Schlaf- und Wohnzimmer in einem, Küche und Badezimmer. In den<br />

Schränken waren alle meine Sachen schon verstaut und meine Koffer<br />

lagen unter dem (diesmal normal großen) Bett. Mein Handy lag in der<br />

Umhängetasche. Neben dem Bett entdeckte ich endlich eine Steckdose.<br />

„Wurde ja auch mal langsam Zeit“, murmelte ich vor mich hin, nahm<br />

ein Ladekabel heraus und steckte das Handy an, aber selbst mit Strom<br />

konnte ich es nicht anschalten. Mit meiner Hand schlug ich mir auf die<br />

Stirn. ‚War ja klar. Magie und so ein Zeug… natürlich gibt es bestimmt<br />

irgendetwas, das technische Geräte verhindern kann.‘<br />

27


Sofort kamen mir wieder die Bilder aus der Höhle in den Kopf. Ich atmete<br />

ganz tief ein und aus und versuchte mich zu beruhigen: ‚Es ist alles gut.<br />

Ich bin kein Monster. Ich kann meine Kräfte nur noch nicht kontrollieren.<br />

Wenn ich es dann endlich kann, wird so etwas nie wieder passieren.‘ Als<br />

ich mich endlich komplett beruhigt hatte, fing ich an ein wenig zu grinsen:<br />

‚Es ist eigenartig, dass ich jetzt so ganz plötzlich an Magie glaube. Ich<br />

meine, so etwas ist wissenschaftlich unmöglich! Wer weiß, ob ich das<br />

alles vielleicht nur träume oder einfach nur halluziniere. Vielleicht hätte<br />

ich doch nicht so viele Horrorfilme anschauen sollen. Wieso habe ich dann<br />

überhaupt noch Angst vor mir selber? Ich bin doch schon Schlimmeres<br />

gewohnt. Vor allem, gab es nicht mal so einen Disney-Film in der die<br />

Hauptprotagonistin auch solche magischen Kräfte hatte? Die hat es doch<br />

auch geschafft! Gut, bei Filmen gibt es ja immer ein Happy End… Und<br />

bei mir ist das wirklich so. Das passiert mir gerade hier, live und in Farbe.<br />

Alles echt… Hoffentlich dauert das Training nicht allzu lange.‘<br />

Meine ganze Sichtweise hatte sich an diesem Punkt geändert… Schon<br />

eigenartig, was alles innerhalb weniger Sekunden passieren kann.<br />

Als Nächstes ging ich in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Er<br />

war rappelvoll mit Lebensmitteln, so wie es die Rektorin gesagt hat. Ich<br />

schnappte mir ein Glas aus einer der Regale und füllte es mit Milch.<br />

Etwas zu Trinken tut immer gut, aber als ich es trinken wollte, war es<br />

eingefroren.<br />

„Na ganz toll. Jetzt, wo ich keine Angst mehr habe, hindert mich meine<br />

Kraft daran etwas zu Trinken. Das muss doch wohl ein Scherz sein!“,<br />

fluchte ich und stellte das Glas ins Waschbecken mit warmem Wasser.<br />

‚Wie kann ich es denn trinken, ohne dass es gefriert? Einfach nicht<br />

berühren wie im Film klappt ja anscheinend nicht. Das Glas ist nicht<br />

eingefroren oder wenigstens angefroren… Vielleicht ein Strohhalm?‘ Ich<br />

stellte die ganze Küche auf den Kopf bis ich endlich einen Strohhalm in<br />

der untersten Schublade fand, aber die Milch war noch nicht aufgetaut.<br />

„Dabei sind die fünf Minuten doch schon fast um“, meckerte ich und<br />

verließ mein „Zimmer“, um zum Trainingssaal zu gelangen. Ich öffnete<br />

28


die schwere Stahltür und trat in die dunkle Halle. Meine Schritte hallten<br />

durch den Raum.<br />

„Hallo? Ist jemand da?“ Keine Antwort. Waren die fünf Minuten etwa<br />

immer noch nicht um? ‚Wo ist der Lichtschalter?‘ Ich lief die Wand<br />

entlang, als die Tür plötzlich zu fiel und den Raum wieder in Dunkelheit<br />

hüllte.<br />

„Echt jetzt?!“, fluchte ich vor mich hin.<br />

Plötzlich hörte ich hinter mir eine tiefe Männerstimme: „Willkommen,<br />

Elaine!“<br />

Ich zuckte ganz kurz zusammen, bis sich mein Körper wieder entspannte.<br />

‚Eine unheimliche Stimme in einem dunklen Raum. Das ist so was von<br />

klischeehaft!‘, fügte ich meinen Gedanken hinzu.<br />

„Wer bist du? Ich bin gerade beschäftigt, weil ich den blöden<br />

Lichtschalter finden will“, entgegnete ich ein wenig gereizt. Ich kam<br />

mir gerade wirklich so vor, als ich wäre ich in einem schlechten Film.<br />

‚Wo ist dieser verflixte Lichtschalter?‘<br />

„Hast du keine Angst?“, fragte die emotionslose Stimme. Ich schüttelte<br />

erstmal den Kopf, bis mir einfiel, dass diese Person mich gar nicht sehen<br />

kann. Mann, bin ich dumm!<br />

„Nein. Wieso auch? Die jetzige Situation ist so klischeehaft, wie in den<br />

vielen Horrorfilmen, die ich immer schaue. Haben Sie eigentlich eine<br />

Ahnung wo dieser Lichtschalter ist?“ Für eine Weile blieb es still, bis ein<br />

Schnipsen die Stille unterbrach. Die Lichter gingen nach und nach an und<br />

erhellten die Halle Stück für Stück. Ich drehte mich um und entdeckte<br />

einen großen Mann im schwarzen Mantel mit einer schwarzen Maske,<br />

die sein Gesicht verdeckte.<br />

„Gut gemacht, Elaine. Ich bin beeindruckt. Du bist genauso wie deine<br />

Mutter.“<br />

„Ich nehme mal an, dass Sie mein Lehrer für die nächsten Wochen sind.“<br />

„Ganz genau. Wenn ich mich vorstellen dürfte. Ich habe keinen Namen,<br />

aber ich besitze Magie, genauso wie du. Meine Magie…“ Er verschwand<br />

plötzlich im Schatten und tauchte direkt hinter mir wieder auf. „… ist der<br />

Schatten. Ich kann eins mit dem Schatten werden. Wann ich will und wo<br />

ich will. Deswegen nennen mich viele einfach nur Shadow. Du kannst<br />

29


mich übrigens duzen. So alt bin ich noch nicht.“<br />

„Deine Magie erklärt dann auch, wieso der Raum am Anfang dunkel war,<br />

oder?“ Er nickte.<br />

„Dann wären da noch zwei Sache. Erstens. Wieso hast du keinen Namen?<br />

Zweitens. Du hast gesagt, dass ich genauso bin wie meine Mutter. Kanntest<br />

du sie?“ Es war mir total unangenehm ihn zu duzen. Daran muss man<br />

sich erstmal gewöhnen. Es blieb eine Weile still, weil er zu überlegen<br />

schien.<br />

„Erstens. Ich habe keinen Namen, weil ich mich nicht mehr an ihn erinnern<br />

kann. Zweitens. Nicht direkt. Ich habe aber schon viel über sie gehört.“<br />

„Kannst du mir etwas über meine Mutter erzählen?“<br />

„Hm… Ich denke, ich werde dir erst etwas über deine Mutter erzählen,<br />

wenn du das Training erfolgreich abgeschlossen hast.“ Ich fing an zu<br />

schmollen.<br />

„Du bist gemein. Ich will unbedingt etwas über meine Mutter wissen…“<br />

Ich konnte deutlich spüren, wie er unter seiner Maske anfing zu grinsen.<br />

„Und was willst du dagegen tun?“, fragte er herausfordernd.<br />

„Ganz einfach! Ich werde im Training mein Bestes geben, damit ich so<br />

schnell wie möglich etwas über sie herausfinden kann!“ Er klatschte<br />

einmal in die Hände.<br />

„Das ist die richtige Einstellung. Fangen wir an!<br />

30


5<br />

Es ist soweit<br />

Eine Woche. Seit einer Woche trainierte ich schon. Die eigenartigen<br />

Träume kamen nicht mehr und das Training hatte meiner Meinung nach<br />

noch nichts mit Magie zu tun. Ausdauertraining, Krafttraining, was-weißich-noch-für-Training…<br />

einfach so gut wie alles außer Magietraining!<br />

Jeden Tag 12 Stunden Training und danach war ich immer total ausgepowert.<br />

Die ganzen Probleme, die ich wegen meiner Magie habe, sind immer noch<br />

da und nerven mich einfach zusätzlich. Heute um sieben Uhr stand ich<br />

wieder im Trainingsraum, wo auch schon Shadow auf mich wartete.<br />

„Guten Morgen, Elaine.“<br />

„Guten Morgen, Shadow“, entgegnete ich noch leicht verschlafen.<br />

„Heute beschäftigen wir uns endlich mal mit deiner Magie.“ Nachdem<br />

ich realisierte, was er gerade gesagt hatte, war ich sofort hellwach und<br />

motiviert. Auf nimmer Wiedersehen Probleme!<br />

„Und was genau machen wir?“, fragte ich ihn neugierig.<br />

„Ich habe mich ein bisschen über deine Magie umgehört. Eismagie ist<br />

eine der mächtigsten Kräfte die es gibt. Deswegen zehrt es sehr an deiner<br />

Energie. Durch das Training, das du bisher absolviert hast, solltest du in<br />

der Lage sein, deine Magie ohne größere Probleme einzusetzen. Versuchen<br />

wir es erst einmal mit Meditieren.“ Er setzte sich im Schneidersitz vor<br />

mir auf den Boden. Ich tat es ihm gleich.<br />

„Schließe deine Augen und atme ganz tief ein und aus. Konzentriere<br />

dich. Spüre die Kraft, die tief in deinem Inneren verborgen ist. Entfessle<br />

sie.“ Ich konzentrierte mich so gut ich konnte.<br />

Spüre die Kraft. Spüre die Kraft.<br />

Ich konnte es spüren. Ich konnte spüren, dass tief in meinem Inneren<br />

irgendetwas Starkes, irgendetwas Mächtiges war. Eine Kraft, die nur darauf<br />

wartete freigelassen zu werden.<br />

31


Entfessle sie. Entfessle sie. ENTFESSLE SIE!<br />

Plötzlich wurde ich von Wind umgeben und um mich herum wurde es<br />

kälter, aber es verschwand genau so schnell, wie es auch gekommen war.<br />

„Gut so. Jetzt öffne deine Augen.“ Ich folgte den Anweisungen und<br />

erschrak. Um mich herum hatten sich spitze Eiszapfen gebildet, die alle<br />

von mir weg zeigten.<br />

„Soll das wirklich so sein? Können die Eiszapfen nicht… naja… weniger…<br />

ähm… spitz sein? Ich meine, ich will doch niemanden damit verletzen.“<br />

„Ja, das soll so sein. Schließlich arbeiten wir ja noch daran und du hast<br />

erst Lektion eins erfolgreich abgeschlossen. Stehe auf und folge mir.“<br />

„Und wie soll ich aus diesem Kreis aus Eiszapfen heraus ohne mich dabei<br />

zu verletzen?“<br />

„Das ist Lektion zwei. Das musst du selbst herausfinden.“ Ich seufzte tief<br />

und fing an zu überlegen.<br />

‚Drüber springen? Auf keinen Fall. Ich kann nicht wirklich weit springen.<br />

Anfassen und aufsaugen vielleicht? Klingt eigenartig, aber einen Versuch<br />

wär’s wert…‘<br />

Ich kniete mich hin und berührte einen Eiszapfen. Plötzlich fing meine Hand<br />

an zu leuchten. Das Eis löste sich auf und flog in Form von Lichtkugeln in<br />

meine Hand zurück. Ich konnte erkennen, dass meine Haare ein bisschen<br />

anfingen zu schweben. Ich war so fasziniert, dass ich erst aus meiner<br />

Starre erwachte, als Shadow anfing zu reden: „Sehr gut. Es geht schneller<br />

voran als gedacht. Wenn du so weiter machst, kannst du nach einer Woche<br />

schon zum normalen Unterricht gehen.“<br />

Ich brauchte erstmal ein paar Sekunden, um die Worte zu realisieren.<br />

„Und dann musst du mir auch alles, was du über meine Mutter weißt,<br />

erzählen“, meinte ich grinsend. Er nickte nur.<br />

„Fahren wir mit Lektion drei fort. Versuche aus dem Eis, das du erschaffen<br />

kannst, Dinge zu formen. Wie du sicherlich inzwischen gemerkt hast, ist<br />

das nur reine Kopfsache. Fangen wir mit etwas Einfachem an. Wie wäre<br />

es mit einer Kugel.“ Ich schloss meine Augen und stellte mir vor, wie aus<br />

dem Eis eine Kugel wurde. Währenddessen ließ ich einen Teil meiner<br />

Kraft herausströmen… Dachte ich zumindest, denn als ich meine Augen<br />

32


öffnete, waren zwei Dingen nicht so wie sie sein sollten:<br />

1) Die Kugel hatte überall Spitzen und war deswegen eher eine Stachelkugel<br />

2) Die Stachelkugel war viel größer geworden, als ich es mir vorgestellt<br />

hatte<br />

„Anscheinend hast du noch ein paar Probleme. Wahrscheinlich ist es nicht<br />

das geworden, was es sein sollte, weil es dir an Konzentration mangelt.<br />

Was die Größe betrifft… Ich denke wir müssen daran arbeiten, wie viel<br />

von deiner Magie du freisetzen musst. Warte kurz.“ Er verließ den Raum,<br />

während ich die Kugel inspizierte. Eigenartigerweise schwebte das Eis<br />

mitten in der Luft, was mich inzwischen aber weniger wunderte. Eigentlich<br />

hatte ich mir vorgestellt, das es ungefähr so groß wie ein Apfel werden<br />

sollte, aber irgendwie ist es so groß wie eine Melone geworden. Mangelnde<br />

Konzentration… das wird schon kein Problem darstellen, wenn ich mehr<br />

schlafen könnte, aber das mit der Freisetzung meiner magischen Kräfte…<br />

das wird schon schwieriger. Ich berührte die Kugel und ließ sie wieder<br />

verschwinden. Als ich Schritte hörte, schaute ich in die Richtung, aus<br />

der die Schritte kamen. Dort stand Shadow mit einem Glas Wasser in<br />

seiner Hand.<br />

„Nimm das Glas in die Hand und versuche das Wasser darin zu gefrieren.<br />

Wenn du zu viel magische Energie freisetzt, wird das Glas höchstwahrscheinlich<br />

zerspringen. Wenn du zu wenig Energie freisetzt, bleibt das<br />

Wasser flüssig. Die Grundlagen hierbei sind Konzentration und Magiekontrolle.<br />

Versuche es.“ Ich nahm das Glas in die Hand und konzentrierte mich<br />

Konzentriere dich, Elaine. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.<br />

Das Wasser fing langsam an zu gefrieren. In meinem Kopf fing ich schon<br />

an zu jubeln, als das Glas plötzlich zersprang. Ich hatte Glück, dass ich<br />

mich nirgendwo geschnitten hatte. „Deine Konzentration hat am Ende<br />

nachgelassen. Ansonsten hast du das schon wirklich sehr gut gemacht.<br />

Versuchen wir es gleich nochmal.“ Wie aus dem Nichts, hatte mein Lehrer<br />

ein neues Glas herbeigezaubert, welches er mir in die Hand drückte.<br />

Wieder konzentrierte ich mich auf das Glas und achtete diesmal ganz<br />

besonders darauf, dass meine Konzentration nicht nachließ. Das Wasser<br />

33


gefror vollständig, weshalb ich keine Energie mehr hinzufügte.<br />

„Sehr gut. Jetzt entferne deine Magie wieder, damit das Eis schmelzen<br />

kann. Das wiederholen wir jetzt zwanzig Mal.“ Ich ließ die Energie in<br />

mich hineinfließen und fing an sie wieder zurück in das Wasser zu leiten. Mit<br />

jedem Mal wurde es anstrengender und ich merkte deutlich, wie meine<br />

Konzentration immer mehr nachließ. Kurz vor dem Ende zersprang das<br />

Glas schon wieder.<br />

„Sch!“, fluchte ich sehr leise vor mich hin, damit Shadow es nicht hörte.<br />

Schließlich soll man solche Wörter nicht verwenden. „Deine Konzentration<br />

lässt deutlich nach. Ich glaube, das reicht für heute. Ich würde dir wirklich<br />

empfehlen zu meditieren, falls du mal nichts zu tun haben solltest. Wir<br />

sehen uns morgen.“ Mit diesen Worten verschwand er im Schatten. Ein<br />

wenig erschöpft ging ich in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen.<br />

‚Ich sollte unbedingt mehr schlafen… aber ein bisschen meditieren kann<br />

ja nicht schaden…‘ Ich setzte mich aufrecht im Schneidersitz hin und<br />

fing an zu meditieren.<br />

Einatmen. Ausatmen.<br />

Ich blendete langsam die Außenwelt aus und konzentrierte mich nur auf<br />

meine Atmung.<br />

Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.<br />

Ich konzentrierte mich nur noch auf mein Inneres. Ich konnte die Kräfte<br />

in mir förmlich sehen. Blaues, helles Licht mit Lichtkugeln drum<br />

herum. Wenn ich jetzt nur ein bisschen herauslassen würde. Nur ein<br />

kleines bisschen. Und dann muss ich es nur in eine Kugel formen. Eine<br />

kleine Kugel nicht größer als ein Apfel.<br />

Einatmen. Ausatmen.<br />

Alles spielte sich vor meinem inneren Auge ab. Ich konnte sehen, wie sich<br />

aus dem Licht Eis formte. Und dann… öffnete ich meine Augen. Vor mir<br />

34


schwebte eine kleine Eiskugel. Exakt wie ich sie mir vorgestellt hatte.<br />

‚Ich habe es geschafft! Ich habe es wirklich geschafft!‘<br />

Ich schloss meine Augen wieder in konzentrierte mich wieder.<br />

‚Wenn ich so weiter mache, kann ich morgen schon mit der neuen<br />

Lektion anfangen.‘<br />

Schweiß floss über meine Stirn, als ich müde ins Bett fiel. Ganze<br />

zwei Stunden hatte ich so weiter gemacht, bis ich es endlich perfekt<br />

beherrschen konnte. Aber jetzt wurde mir erst so richtig bewusst, wie<br />

sehr meine Magie an meinen Kräften zehrt.<br />

‚Wenn ich etwas aus Eis forme, verliere ich an Energie. Diese kann<br />

ich zu einem Teil zurückerlangen, wenn ich das Eis wieder aufnehme.<br />

Aber das ist auch das Problem. Es kommt nur zu einem Teil zurück.‘<br />

Langsam stand ich auf, um mir etwas zu zum Essen zu kochen, als mir<br />

plötzlich schwindlig wurde. Die Wände drehten sich und mir wurde<br />

langsam schwarz vor Augen. Ich verlor das Gleichgewicht, wurde dann<br />

aber von jemandem aufgefangen. Dieser jemand stellte sich am Ende als<br />

Shadow heraus. „Du hättest nicht so übertreiben sollen. Du musst dich<br />

ausruhen. Ich mache dir etwas zu essen. Leg dich zurück ins Bett.“<br />

„Danke“, flüsterte ich ihm zu. Selbst meine Stimme verließ mich langsam.<br />

Ich legte mich in mein Bett, während Shadow sich um alles kümmerte. Ich<br />

legte meinen Arm über meine Stirn. Sie war ungewöhnlich warm für meine<br />

Verhältnisse. „Hier.“ Shadow reichte mir einen feuchten Lappen und ging<br />

zurück in die Küche, um zu kochen. Ich legte den Lappen auf meine Stirn<br />

und schloss meine Augen. Ich konnte den Essensduft schon riechen und<br />

mir lief das Wasser im Mund zusammen. Was er wohl kochte? Nach einer<br />

Weile kam er zurück in mein Schlafzimmer.<br />

„Es wird noch eine Weile dauern bis du essen kannst. Ich habe die Suppe,<br />

die ich gekocht habe in den Kühlschrank gestellt. Kälte wird dir im<br />

Moment am meisten helfen.“ „Danke für alles“, flüsterte ich wieder.<br />

„Kein Problem. Schließlich bin ich dein Lehrer. Ich möchte mit dir noch<br />

über etwas reden. Ich habe dich die ganze Zeit beobachtet während du<br />

trainiert hast und ich möchte dir mitteilen, dass du dein Spezialtraining<br />

erfolgreich beendet hast. Ich kann dir nichts mehr beibringen und du<br />

35


stellst keine Gefahr für deine Mitschüler mehr da. Wenn du also wieder<br />

voll bei Kräften bist, kannst du in den normalen Unterricht zurückkehren.“<br />

Ich lächelte ihn an. „Das heißt aber auch, dass du mir endlich etwas über<br />

meine Mutter erzählen musst.“<br />

Er seufzte kurz, fing dann aber an zu erzählen: „Ja, das muss ich wohl.<br />

Dazu muss ich dir aber noch etwas über das D.A.R.K. Internat erzählen.<br />

Wie du schon weißt ist diese Schule für Jugendliche mit magischen<br />

Kräften. Jedes Jahr werden die besten und erfolgreichsten Schüler, die<br />

in dem Jahr ihren Abschluss machen, ausgewählt und erhalten die<br />

Möglichkeit an diesem Internat zu arbeiten. Deine Mutter, Kori Shino,<br />

hat früher auch diese Schule besucht. Und du kannst dir sicherlich<br />

denken, was an ihrem Abschluss passiert ist. Sie wurde ausgewählt,<br />

weshalb sie für eine Weile an dem Internat arbeitete. Sie war die rechte<br />

Hand der Schulleiterin, deshalb habe ich sie nie persönlich getroffen, als<br />

ich auf dieses Internat gekommen bin, aber alle Lehrer haben immer von<br />

ihren Leistungen berichtet. Sie war ein großes Vorbild für so gut wie<br />

alle Schüler. Jeder wollte genauso werden wie sie. Du erinnerst mich<br />

wirklich sehr an sie. Sie wusste ganz am Anfang auch nichts von ihrer<br />

Magie und trotzdem hat sie es bis ganz nach oben geschafft. Elaine, ich<br />

bin zuversichtlich, dass du es auch ganz nach oben schaffen wirst. Deine<br />

Mutter wäre sicherlich stolz auf dich.“ Ich blieb still. Zum allerersten<br />

Mal in meinem Leben hatte ich Informationen über meine Mutter. „Wie<br />

war meine Mutter so? Wie war ihre Persönlichkeit?“<br />

„Sie war freundlich, hilfsbereit, höflich... und sie hatte immer ein Lächeln<br />

im Gesicht. Sie benahm sich immer vorbildlich und wenn sie sich ein<br />

Ziel festgelegt hatte, übte sie so lange, bis sie es konnte… Es gibt einfach<br />

keine passenden Worte, um sie genau zu beschrieben. Sie war… perfekt<br />

in jeder Hinsicht.“<br />

Ich blieb die ganze Zeit über still. Als er fertig war, fing ich mit einem<br />

Lächeln im Gesicht an zu weinen.<br />

Mama, ich hätte dich so gerne persönlich kennengelernt. Wenn du noch<br />

da wärst, hättest du mir bei all meinen Problemen helfen können. Ich<br />

wäre nicht mein ganzes Leben lang allein gewesen. Ich will so gerne<br />

36


wissen, wie es sich anfühlt eine fürsorgliche Mutter zu haben. Auch wenn<br />

ich dich nie kennenlernen durfte… ich vermisse dich.<br />

Ich wischte mir die Tränen mit dem Ärmel weg und atmete nochmal tief<br />

ein.<br />

„Ich denke, die Suppe ist soweit abgekühlt. Ich komme gleich wieder.“<br />

Er wollte wieder gehen als ich ihm etwas hinterher rief. „Warte noch<br />

kurz!“ Er blieb stehen und drehte sich um. „Diese Frage stelle ich mir<br />

schon ziemlich lange, aber… Wo genau sind wir eigentlich?“, fragte ich<br />

ihn peinlich berührt.<br />

„Wir sind unter dem Schulcampus. Alle Trainingsräume sind unterirdisch“,<br />

antwortete er emotionslos, obwohl ich mir sicher war, dass er unter seiner<br />

Maske gegrinst hat. Reine Intuition.<br />

37


6<br />

Erkenne dein Schicksal<br />

„WACH AUF!“, brüllte jemand und zog mir meine Decke weg, so dass<br />

ich vom Bett fiel.<br />

„HEY! Was sollte das?“, schrie ich zurück, da ich vom Aufprall wach<br />

geworden war. Ich rieb mir die Augen, um wieder klar sehen zu können.<br />

Weil es aber immer noch ziemlich dunkel im Zimmer war, konnte ich nur<br />

eine schwarze Silhouette vor mir erkennen.<br />

„Ich wecke dich. Was sonst?“ Es war Shadow. Seine Stimme würde ich<br />

überall erkennen.<br />

„Aber hättest du das nicht sanfter machen können? Ich meine, ich war<br />

gestern noch ziemlich erschöpft vom Training! Was wäre, wenn es mir<br />

immer noch nicht besser gehen würde?“<br />

„Also Erstens: ich habe dich versucht sanft aufzuwecken, aber du hast<br />

nicht reagiert. Zweitens: Dir geht es doch wieder besser, also wieso<br />

sollte ich mir noch weitere Gedanken machen?“, antwortete er mit einer<br />

Stimme, die sich anscheinend über mich lustig machte. Ich konnte mir<br />

in dem Moment ganz klar und deutlich vorstellen, wie ich rot vor Wut<br />

wurde.<br />

„Hör auf, dich über mich lustig zu machen! Wieso bist du überhaupt hier?<br />

Es ist doch erst…“ Ich blickte schnell zu meinem Wecker. „5 UHR?!<br />

Spinnst du? 6 Uhr wäre ja vielleicht noch in Ordnung gewesen, aber 5<br />

Uhr?!“<br />

„Jetzt beruhige dich doch mal. So temperamentvoll warst du noch nie! Ich<br />

soll dir mitteilen, dass du wieder in ein anderes Zimmer umziehen sollst,<br />

weil du ab heute den normalen Unterricht besuchen wirst. Also mach<br />

dich fertig und pack deine Sachen zusammen. In einer halben Stunde<br />

komme ich wieder und wehe du bist noch nicht fertig. Dann musst du<br />

zehn Liegestütze machen.“<br />

„Gut, gut, ich mach ja schon…“, murmelte ich vor mich hin und lief ins<br />

Badezimmer, während er das Zimmer verließ.<br />

‚Wenigstens kann ich dann Christina endlich wieder sehen! Wie es ihr<br />

38


wohl geht? Und was für eine Magie hat sie eigentlich? Naja, ich kann sie<br />

ja später noch fragen, wenn ich sie im Unterricht sehe.‘<br />

Ich saß gerade auf meinem Bett und meditierte, als Shadow mein Zimmer<br />

betrat.<br />

„Und, bist du fertig?“<br />

„Wie du siehst, ja. Schon seit zehn Minuten.“<br />

„Gut, dann komm mit. Ich nehme deine Koffer.“ Er nahm genannte<br />

Dinge und öffnete die große Stahltür, die zum Flur führte. Ich nahm meine<br />

Umhängetasche und folgte ihm. Als wir den Hochsicherheitsbereich<br />

verließen, liefen wir so viele Gänge entlang, die alle hundert-prozentig<br />

identisch aussahen, sodass ich schon längst nicht mehr wusste von<br />

wo wir gekommen waren. Auf den Korridoren waren überall Türen mit<br />

Nummern drauf. Wahrscheinlich wieder „Zimmer“ für die Schüler. Nach<br />

einer gefühlten Ewigkeit blieb Shadow stehen.<br />

„Wir sind hier. Zimmer 601. Leg deine Hand auf den Sensor neben der<br />

Tür.“ Er drückte auf die Wand neben der Tür, damit der Sensor erschien.<br />

Langsam legte ich meine Hand darauf. Ein roter Laser scannte meine<br />

Hand durch und öffnete schließlich die Tür.<br />

„Nur du und die Schulleiterin haben Zugang zu deinem Zimmer. Leg<br />

deine Sachen ab. Ich zeige dir jetzt noch, wo die Unterrichtsräume sind.“<br />

Ich legte meine Tasche auf einem Tisch, der in der Ecke stand und warf<br />

noch schnell einen Blick in mein Zimmer.<br />

‚Schon wieder eine kleine Wohnung… Wie viel hat das eigentlich gekostet?‘<br />

Ich drehte mich um und verließ das Zimmer.<br />

„Als erstes zeige ich dir die normalen Unterrichtsräume und dann die<br />

Trainingsräume.“ Während er lief, konzentriert ich mich darauf mir den<br />

Weg zu merken.<br />

Geradeaus, links, geradeaus, Aufzug! War doch gar nicht so schwer!<br />

Wir stiegen in den Aufzug und Shadow drückte auf die Taste mit der<br />

„1“. Die Türen gingen zu und der Aufzug bewegte sich nach oben.<br />

Als sich die Türen wieder öffneten, waren wir in einem kurzen, mit<br />

39


Fackeln beleuchten Korridor, der in einem Sackgasse zu enden schien.<br />

Er griff nach einer Fackeln und drehte sie nach rechts. Sofort verschob<br />

sich die Wand und bildete eine Öffnung. Als wir aus dem Korridor gingen,<br />

schloss sich die Wand wieder. Nun standen wir in einem Flur, der mir<br />

ziemlich bekannt vorkam.<br />

„Ist das nicht der erste Stock von dem Schulgebäude? Da wo wir als<br />

erstes unser Zimmer bekommen haben?“<br />

„Ganz genau. Du bist in der 2A. Ich vermute mal, dass ich dir den Weg<br />

zur Mensa nicht mehr zeigen muss, oder?“ Ich nickte nur.<br />

„Gut. Wenn du vom Flur aus zum Korridor willst, musst du auf diese<br />

Stelle auf der Wand drücken.“ Er drückte auf die Stelle neben dem<br />

Lichtschalter und die Wand öffnete sich wieder.<br />

„Jetzt begeben wir uns zu den Trainingsräumen.“ Wir stiegen wieder in<br />

den Aufzug und er drückte auf die unterste Taste mit dem „T“. Als er<br />

unten ankam, staunte ich. Um den Flur waren Fenster angebracht durch<br />

die man auf alle Trainingshallen blicken konnte.<br />

„Es gibt insgesamt acht Trainingshallen. Jede ist mit allem ausgestattet,<br />

was man zum Training braucht. Fitnessgeräte, Gewichte, ein eher kleines<br />

Feld für Übungskämpfe und Waffen für das Waffentraining.“ Ich erschrak.<br />

„Warte mal! Übungskämpfe und Waffen!? Davon war noch nie die Rede!“<br />

Er seufzte, legte seine Hand auf meine Schulter und schaute mir tief in<br />

die Augen.<br />

„Hör mir jetzt gut zu. Egal was die Lehrer sagen, mach es. Wenn<br />

sie sagen, du sollst gegen jemanden um Leben und Tod kämpfen,<br />

dann mach es. Wenn sie sagen, du sollst auf die Knie gehen und dich<br />

entschuldigen, weil du irgendetwas angestellt hast, dann mach es.<br />

Wenn sie dich nicht dazu aufgefordert haben, dann sage nicht deine<br />

Meinung. Widersetze dich auf keinen Fall. Das ist mein Ratschlag<br />

an dich. Sage aber niemandem, dass ich dir einen Tipp gegeben habe.<br />

Solange du dich daran hältst, wird dir nichts passieren. Ich verspreche es dir.“<br />

Ich schluckte, aber nickte dann nur. Wenn ich mich daran halte, wird mir<br />

nichts passieren…<br />

Er hat es mir versprochen… Ich vertraue ihm.<br />

40


Er drehte sich wieder von mir weg und tat so, als wäre nichts passiert.<br />

„Die Klasse 2A trainiert in der Halle drei. Ganz hinten befindet sich eine<br />

Kampfarena für Schulveranstaltungen. Gehen wir jetzt wieder zurück<br />

zu deinem Zimmer. Frühstück beginnt um sieben.“ Wir stiegen in den<br />

Aufzug und er drückte auf die Taste mit der „-6“. Die ganze Zeit über<br />

blickte ich auf den Boden und dachte nach. Dabei konnte ich deutlich<br />

spüren, wie Shadow mich die ganze Zeit anschaute. Als wir den Aufzug<br />

verließen, war ich so in Gedanken versunken, dass ich nicht auf den Weg<br />

geachtet hatte. Am Zimmer angekommen, riss er mich aus meinen Gedanken.<br />

„Wir sehen uns bestimmt mal wieder. Gib dein Bestes und mach deine<br />

Mutter stolz.“<br />

„Ja, auf Wiedersehen…“, murmelte ich und ging in mein Zimmer.<br />

Ich schaute mich nicht um, nein, ich ging direkt in mein Schlafzimmer<br />

und ließ mich auf mein Bett fallen.<br />

‚Das ‚Zimmer‘ ist doch sowieso immer gleich…‘, dachte ich und schloss<br />

meine Augen.<br />

‚Wo bin ich hier bloß gelandet? Ich dachte, diese Schule wäre dafür da,<br />

dass Jugendliche lernen, wie sie ihre Kräfte kontrollieren können und<br />

nicht damit man mit seiner Magie kämpfen kann…‘<br />

Widersetze dich auf keinen Fall…<br />

‚Ich werde mich daran halten. Ich werde meine Mutter stolz machen!<br />

Schließlich war sie auch hier… Dann sollte ich schon mal anfangen<br />

zu üben.‘<br />

Ich formte ein Schwert aus Eis und nahm es in die Hand. Anschließend<br />

formte ich mehrere Ziele und schlug zu. Ich habe schon genug Videospiele<br />

gespielt, um zu wissen, wie man Waffen bewegt. Jetzt muss ich mein<br />

Wissen nur noch in die Tat umsetzen. Mit mehreren Bewegungen<br />

durchschnitt ich die Ziele, die anschließend zum Teil zu Boden fielen.<br />

Aber es gab noch viel zu verbessern. Ich war nicht schnell genug.<br />

‚In der Zeit, in der ich das Schwert bewege, bin ich schutzlos! Das<br />

dauert noch zu lange! Außerdem treffe ich die Ziele nicht immer.<br />

Meine Trefferquote ist noch viel zu niedrig! In Videospielen ist es viel<br />

41


einfacher! Vielleicht sollte ich auch noch andere Waffen ausprobieren…‘,<br />

überlegte ich und nahm die Energie wieder in mich auf.<br />

Als nächstes kamen Wurfsterne und Kunais dran, aber ich traf die<br />

Zielscheibe kaum. Pfeil und Bogen war schon besser, aber es war viel<br />

zu langsam. Kampfäxte waren mir zu schwer, Speere zu umständlich<br />

und zu lang und Handfeuerwaffen würde ich garantiert nie in meinem<br />

ganzen Leben benutzen. Das letzte was mir einfiel, waren Dolche und<br />

wie sich herausstellte, waren sie wie für mich geschaffen. Mit den Dolchen<br />

war ich schnell und wendig, da sie nicht so lang sind. Dadurch konnte ich<br />

zusätzlich besser treffen. Der einzige Nachteil war, dass man sie nur<br />

im Nahkampf gebrauchen konnte. Außerdem sollte man Martial Arts<br />

verwenden können, um dem Gegner gegebenfalls ausweichen zu können.<br />

Ich hatte Glück, dass ich früher eine Zeit lang zum Selbstverteidigungskurs<br />

gezwungen wurde und dort ein wenig Martial Arts geübt habe.<br />

‚Aber ohne einen Trainingspartner wird das nichts… Mist! Wie soll ich<br />

das bloß schaffen?‘<br />

Ich blickte auf die Uhr. Fünf vor sieben. Ich verließ das Zimmer und ging<br />

zum Aufzug.<br />

Geradeaus, links, geradeaus, Aufzug!<br />

Eigenartigerweise sah ich niemand anderes in den Fluren. Erst im<br />

Aufzug stiegen ein paar Schüler dazu, aber Christina war nicht dabei…<br />

Als der Aufzug im ersten Stock ankam, stürmten alle Anderen in den<br />

zweiten Stock zur Mensa. Ich blieb eine Weile im Flur stehen, bis ich<br />

wieder alleine war. Irgendwie hatte ich im Moment keine Lust neue<br />

Leute kennenzulernen. Ich wollte einfach nur wissen wie es Christina<br />

ging. Ich machte mir Sorgen um meine allererste echte Freundin.<br />

Langsam lief ich auch die Treppen hoch zur Mensa, wurde dann aber am<br />

Ei<strong>ngan</strong>g abgefangen und zur Schulleiterin gebracht, die mal wieder auf<br />

der Bühne stand. Anscheinend hatte sie wieder eine Ansage gemacht.<br />

„Guten Morgen, Elaine. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen und sind<br />

bereit für den Tag“, begrüßte sie mich mit ihrem falschen Lächeln.<br />

„Guten Morgen. Ich habe sehr gut geschlafen“, erwiderte ich mit einem<br />

42


genauso falschen Lächeln.<br />

„Das ist gut. Wie Sie bereits wissen, werden Sie ab heute den normalen<br />

Unterricht besuchen. Deswegen möchte ich folgende Sachen wissen.<br />

Kunst oder Musik?“<br />

„Kunst.“<br />

„Informatik oder Biologie?“<br />

„Biologie.“<br />

„Gut, das war’s. Sie können anfangen zu essen.“ Sie trug alles in eine<br />

Liste ein und wendete sich wieder von mir ab. Genervt ging ich zur<br />

Essensausgabe und schaute mich um. Die Mensa war so gut wie voll,<br />

aber ich konnte Christina nicht entdecken. Noch nicht einmal Lucy<br />

konnte ich sehen, dabei waren ihre grünen Haare immer sehr auffällig!<br />

Ich ging die Gänge entlang und merkte, wie ich andauernd angestarrt<br />

wurde.<br />

Ich hasste es, wenn ich „die Neue“ war. Ich hasste es im Mittelpunkt<br />

zu stehen. Ich hasste es nicht zu wissen, wo Christina war. Ich hasste es<br />

mir die ganze Zeit Sorgen machen zu müssen. Ich hasste es. Ich hasste<br />

einfach alles!<br />

Ganz hinten in der Ecke fand ich einen leeren Tisch und setzte mich hin.<br />

Ich verspeiste das Frühstück zügig und ging danach sofort zum Zimmer.<br />

Ich hatte noch über eine halbe Stunde Zeit, also trainierte ich so viel ich<br />

konnte. Magie und Waffen.<br />

‚Wenn ich dieses Schuljahr überleben will, dann muss ich meine Zeit<br />

sinnvoll nutzen. Wortwörtlich. Meine Aussichten sehen im Moment<br />

schlecht aus…‘<br />

43


7<br />

Widersetze dich<br />

Der Vormittag war langweilig. Stinknormaler Unterricht. Natürlich<br />

war ich die ganze Zeit mit den Gedanken woanders. Ich konnte<br />

Christina immer noch nirgendwo entdecken. Die ganze Zeit spielte<br />

ich mit meinen Gedanken herum. Beim Mittagessen entdeckte ich<br />

immer noch kein Zeichen von ihr. Ich saß schon wieder alleine hinten in<br />

der Ecke. Am Ende hatte sich doch nichts geändert. Es ist genauso wie in<br />

den vielen anderen Schulen, die ich bisher besucht habe.<br />

‚Wieso bin ich nicht weggelaufen? Wieso?‘<br />

Ich ließ die Mensa hinter mir und ging in mein Zimmer. Training.<br />

Aber nicht zu viel, sonst würde ich keine Energie mehr für das echte<br />

Training haben. Ich fing an mich aufzuwärmen und danach zu dehnen.<br />

Ich wollte meine Beweglichkeit verbessern. Demnach wäre ich dann<br />

viel schneller und könnte besser ausweichen. Nach mehreren Übungen<br />

ging ich zu den Trainingshallen. Durch die Fenster konnte ich bereits<br />

sehen, wie einige Schüler anfingen mit Waffen zu üben. Mein<br />

Magen drehte sich auf dem Kopf. Alle anderen haben schon viel<br />

mehr Erfahrung als ich, also wie bitteschön soll ich das je überleben?<br />

Ich ging zu meinen Klassenkameraden in Trainingshalle drei und stellte<br />

mich zu den Waffen. Schwerter, Speere… sogar Handfeuerwaffen!<br />

‚Wofür brauchen wir das? Wieso sollen wir andere Menschen töten? Wieso?‘<br />

Ich lief wieder zurück zur Wand und lehnte mich daran. Plötzlich<br />

fing es an zu klingeln. Alle Schüler stellten sich in Reihen auf, aber<br />

ich blieb einfach stehen. Schließlich wusste ich nicht, was genau ich<br />

machen sollte. An der Wand vor mir ging eine Tür auf und enthüllte eine<br />

mittelgroße Person in einem schwarzen Mantel. Die Kapuze war tief ins<br />

Gesicht gezogen.<br />

44


„Elaine! Stell dich in eine Reihe!“, befahl mir diese Person in einer<br />

autoritären, gefühlslosen Stimme, aber diese Stimme… Ich blieb einfach<br />

stehen und erstarrte.<br />

‚Das ist doch Christina!‘<br />

„Elaine! Jetzt stell dich verdammt nochmal in eine dieser Reihen!“,<br />

brüllte sie wütend durch den Raum, aber ich reagierte immer noch nicht.<br />

Mein Körper konnte das einfach nicht verarbeiten.<br />

‚Ist das wirklich Christina? Wieso ist sie da vorne? Wieso ist ihre Stimme<br />

so gefühlslos? Das kann nicht Christina sein! Das kann einfach nicht<br />

sein! Was ist hier passiert? ‘<br />

„Elaine Shooter! Da du anscheinend meine Autorität in Frage stellst und<br />

nicht gehorchen willst, musst du es wohl auf die harte Tour lernen! Lucy,<br />

komm her!“ Eine zweite Gestalt kam aus der Tür. Die grünen Haare<br />

stachen mir sofort ins Auge. Das war eindeutig Lucy, wie sie leibt und<br />

lebt. Sie grinste mich mordlustig an und sprach: „Na, wen haben wir<br />

denn da? Wolltest du dich uns etwa widersetzen? Du und ich, Kampf auf<br />

Leben und Tod! Du kannst alles benutzen, was du willst.“ Meine Pupillen<br />

weiteten sich.<br />

‚Das ist nicht deren Ernst… oder?‘ Die Schülermasse bewegte sich zum<br />

Rand der Halle und gab den Weg frei. Lucy und ich stand uns nun direkt<br />

gegenüber.<br />

„Na, was ist? Hast du dir etwa vor Angst in die Hose gemacht?“ Sie fing<br />

an zu lachen. Es war ein sehr hässliches Lachen. Sie provozierte mich, ob<br />

gewollt oder nicht. Die Schüler fingen an zu tuscheln, als es in meinem<br />

Inneren „klick“ machte. Meine Energie bahnte sich durch alle Blutgefäße<br />

und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Die magische Energie gelang<br />

langsam nach draußen und bildete einen Luftwirbel um mich herum. Was<br />

danach geschah… daran kann ich mich nicht mehr erinnern.<br />

Ich war wütend. Ich konnte mich nicht mehr kontrollieren. Meine Magie<br />

hatte die Kontrolle über meinen Körper gewonnen. Wut ist der Schlüssel,<br />

um aus mir ein echtes Monster zu machen. Das, was ich nie sein wollte.<br />

Was jetzt folgt, war nie Teil meines Planes.<br />

45


Um ihren Körper bildeten sich Luftwirbel. Die Menge verstummte. Man<br />

konnte ihre Energie deutlich in der Luft spüren. Ihre Haare fingen an zu<br />

schweben und ihre Augen leuchteten blau auf. In ihren Augen konnte man<br />

die reine Kälte sehen. Mordlust. So könnte man es am ehesten beschreiben.<br />

In ihren Händen bildeten sich Dolche und sie fing an zu rennen. Ihre<br />

Geschwindigkeit war unbeschreiblich schnell. Alles was sie hinterließ,<br />

war eine Staubwolke. Lucy reagierte sofort und schoss mit ihren Händen<br />

Metallkugeln auf ihre Gegnerin. Das war ihre Magie. Metall-Magie.<br />

Kurz bevor diese Elaine trafen, prallten sie an einem Schutzschild aus<br />

Eis ab. Die Eis-Magierin fing an zu grinsen, als plötzlich der Boden unter<br />

ihren Füßen anfing zu wackeln. Als sie zurück sprang, bildete sich eine<br />

hohe Mauer, die zwischen den beiden Mädchen empor ragte.<br />

„Wer hat denn jetzt Angst?“, meinte Elaine in einer emotionslosen<br />

Stimme, „Du versteckst dich hinter einer hohen Mauer? Wie jämmerlich!“<br />

Sie wollte Lucy reizen. Genauso wie sie es vorher mit ihr gemacht hatte.<br />

„Das denkst doch nur du!“, brüllte die Metallmagierin von der anderen<br />

Seite, als die Mauer zusammenstürzte und aberhunderte Waffen zum<br />

Vorschein brachte. Schusswaffen auf dem höchsten Kaliber. Sie fing<br />

an zu erklären: „Ich habe die Zeit genutzt, um genügend Waffen<br />

herzustellen!“ Sie lachte hysterisch, als sie mit ihren Händen ein Startsignal<br />

gab. Ihr Lachen klang verrückt, wurde aber sofort von den vielen<br />

Geschossen übertönt. Ihr Kontrahent hingegen ließ die Dolche fallen und<br />

fing an ein Schutzschild aufzubauen. Ihre Arme waren vor ihrer Brust<br />

überkreuzt und die Eisschicht vor ihr wurde immer dicker. Die Zeit schien<br />

langsamer zu vergehen. Lucy grinste siegessicher, Elaine blieb emotionslos.<br />

Die Kugeln kamen immer näher und näher. Die Schülermenge war entsetzt.<br />

Niemand hatte bis jetzt so einen Angriff überlebt. Als die Projektile auf<br />

das Schild trafen, verlief die Zeit wieder normal. Eissplitter verdeckten<br />

die Schicht. Alle Schüler hielten schützten sich mit ihren Armen, um<br />

keinen der Splitter ins Auge zu bekommen. Das einzige, was man jetzt<br />

noch hören konnte, war, wie das Eis in tausende Teile zersprang. Nach<br />

mehreren Sekunden hörte das Sperrfeuer auf. Für eine Weile blieb es<br />

still. Alle waren gespannt, ob die Eismagierin diesen Angriff überstanden<br />

hatte. Niemand traute sich etwas zu sagen oder sich gar zu bewegen. Der<br />

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Eissplitternebel lichtete sich ein wenig und man konnte eine stehende<br />

Person erkennen. Lucys Grinsen verschwand so schnell, wie es gekommen<br />

war. Ein Teil der anderen Schüler wollte anfangen zu jubeln, als diese<br />

Person plötzlich zu Boden fiel. Die Metallmagierin fing wieder an lauthals<br />

zu lachen. Ihr hysterisches Lachen war das einzige, was man in dieser<br />

Halle hören konnte. Es war so still, dass man das Lachen auch in den<br />

anderen Hallen hören konnte. Dies weckte natürlich auch das Interesse<br />

der anderen Klassen und so kam es, dass die ganze Schule bei dieser<br />

Szene zuschaute. Als sich der Eissplitternebel komplett auflöste, erstickte<br />

ihr Lachen und es wurde wieder still. Elaine lag auf dem Boden. Unversehrt.<br />

Sie hatte nicht einmal einen einzigen Kratzer. Sie hatte nur das letzte<br />

bisschen ihrer magischen Kraft genutzt. Als Lucy bewusst wurde, dass<br />

sie noch lebte, formte sie schnell eine Handpistole und drückte auf den<br />

Auslöser. Aber es war schon zu spät. Ihre Gegnerin öffnete ihre Augen,<br />

griff nach ihren Dolchen und rollte zur Seite. Sie konnte zwar keine<br />

Magie mehr benutzen, aber hatte noch genügend Kraft um aufzustehen<br />

und bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Ihre Instinkte und Reflexe<br />

erhöhten sich drastisch. Das war eines der vielen Geheimnisse ihrer<br />

Magie. Sie ist schließlich nicht umsonst eine der stärksten Magien, die es<br />

je gab. Vergebens versuchte Lucy ihr Ziel zu treffen, aber Elaine war zu<br />

flink. Immer wieder änderte sie ihre Richtung und sie kam immer näher.<br />

Bevor die Metallmagierin es realisieren konnte, stand Elaine direkt vor<br />

ihr und drückte sie auf den Boden. Sie konnte nichts mehr tun. Sie konnte<br />

sich nicht mehr bewegen. Das war ein Nachteil ihrer Magie. Sie musste<br />

spezielle Bewegungen ausführen, um ihre Magie einsetzen zu können.<br />

Die Eismagierin beugte sich zu ihrer Gegnerin hinunter und flüsterte ihr<br />

mit eine todernster Stimme ins Ohr: „Du hast verloren.“<br />

Lucys Pupillen weiteten sich. Man konnte die Todesangst in ihren Augen<br />

sehen. Sie, die schon viele ungehorsame Schüler getötet hatte, hatte am<br />

Ende doch Angst vor dem Tod. Elaine hob ihren Arm erhobenen Hauptes<br />

mit dem Dolch in der Hand. Lucy schrie sich ihre Seele aus dem Leib. Sie<br />

wollte nicht sterben. Noch nicht. Die Eismagierin schlug zu. Das andere<br />

Mädchen kniff ihre Augen zusammen. Man konnte sehen, wie Tränen<br />

ihre Wangen hinunterflossen. Sie schrie immer noch. Sie wartete auf den<br />

47


Aufprall. Sie wartete auf den Schmerz. Aber er kam nie. Langsam öffnete<br />

sie ihre Augen. Der Dolch war knapp vor ihrer Kehle, aber Elaine hatte es<br />

nicht beendet. Ihre Hand zitterte so stark, dass das Messer fast den Hals<br />

berührte. Die Metallmagierin wagte es immer noch nicht ihrer Gegnerin<br />

in die Augen zu schauen, als sie plötzlich eine kalte Flüssigkeit auf ihrer<br />

Haut spürte. Schlussendlich schaute sie ihr doch in die Augen. Was sie<br />

sah, überraschte sie zutiefst. Elaine weinte. In ihren Augen konnte man<br />

Leid sehen. Sie wehrte sich dagegen jemanden zu töten. Sie wollte nicht<br />

das Monster werden, vor dem sie selbst Angst hatte. Sie wollte sich nicht<br />

selbst von innen heraus zerstören.<br />

„Was machst du denn da? Beende es endlich!“, schrie Christina wütend<br />

durch die Halle. Niemand wagte etwas dagegen zu sagen. Sie alle mussten<br />

gehorsam sein. Sie wollten ihre Leben nicht aufs Spiel setzen. Die<br />

Gewinnerin des Kampfes stand schon längst fest und es war ein Kampf<br />

auf Leben und Tod. Sie musste die Regeln befolgen oder sie würde<br />

sterben. Aber sie wusste das natürlich nicht. Sie war „die Neue“. Und<br />

deswegen würde sie bald sterben.<br />

„Nein“, meinte Elaine. Ihre Stimme zitterte. Nicht weil sie sich in dem<br />

Moment schon wieder widersetzte, sondern weil sie Angst hatte. Sie<br />

wollte, dass alles einfach nur aufhört. Dass alles nur ein Albtraum war.<br />

Dass sie endlich aufwachen würde. Christina hingegen war rasend vor<br />

Wut. Sie wagte es, sich schon wieder zu widersetzen. Aber sie beruhigte<br />

sich wieder. Sie musste den Anweisungen der Schulleiterin Folge leisten<br />

oder der Plan würde nach hinten losgehen.<br />

Sie erhob ihre Stimme und befahl in einer monotonen Stimme: „Elaine<br />

Shooter. Auf Anweisung der Schulleiterin muss ich dich dazu auffordern<br />

mit mir zu gehen. Lass Lucy meinetwegen am Leben. An alle anderen<br />

Schüler und Lehrkräfte. Fahrt mit dem Unterricht fort. Meine Klasse soll<br />

sich aufteilen und bei den Klassen 2B und 2C mitmachen.“ Die Menge<br />

gehorchte und verließ die Halle drei. Lucy war überrascht. Sie durfte<br />

noch weiter leben. Sie konnte ihre Pflichten doch noch erfüllen. Sie<br />

atmete tief durch. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie die Luft angehalten<br />

hatte und die Luft tat ihr gut.<br />

Währenddessen löste Elaine die Dolche auf und ließ von ihrer Kontrahentin<br />

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ab. Sie hatte es geschafft. Sie hatte das Monster besiegt. Sie konnte sich<br />

ausruhen. Sie musste nun keine Angst mehr haben. Ihre Augen schlossen<br />

sich langsam und sie kippte um. Ihre Magie hatte schließlich sehr an<br />

ihren Kräften gezehrt.<br />

Lucy stand inzwischen wieder auf ihren Beinen. Sie wusste nicht so recht,<br />

wie sie jetzt reagieren sollte, weshalb sie einfach auf den Boden starrte.<br />

„Lucy, erhebe dein Haupt“, unterbrach Christina die Stille. Die<br />

Metallmagierin erschrak. Was würde sie jetzt mit ihr anstellen? Sie war<br />

zu schwach gewesen. Sie hatte sie alle enttäuscht.<br />

„Bring Elaine zur Schulleiterin und geh danach zu Noctis. Du weißt,<br />

was dich erwartet, oder?“ Sie musste schlucken. Ja, sie wusste ganz<br />

genau, was sie bei ihm erwartete. Seine Magie mag harmlos wirken.<br />

Wenn man aber seine wahre Natur zu spüren bekommt, ist das schlimmer<br />

als der Tod.<br />

Christina drehte sich um und verließ die Halle durch die Tür. Mit einer<br />

Handbewegung erschuf Lucy einen Metallwagen unter Elaines Körper<br />

und fing an zu schieben.<br />

49


8<br />

Die Hoffnung stirbt zuletzt<br />

‚Aua…‘ Starke Kopfschmerzen plagten mich in dem Moment. Ich wollte<br />

mir an die Stirn fassen, wurde aber von irgendetwas Weichem zurückgehalten.<br />

Schlussendlich entschloss ich mich meine Augen zu öffnen.<br />

Sofort wurde ich von dem Licht geblendet und musste erst ein paar Mal<br />

blinzeln. Ich konnte einen Tisch mit zwei Stühlen erkennen.<br />

‚Die Möbel kommen mir irgendwie bekannt vor…‘ Ich konnte wirklich nicht<br />

klar denken mit den starken Kopfschmerzen. Ich blickte runter. Anscheinend<br />

lag ich auf einem Bett, das hierher geschoben wurde. Die Decke wurde so um<br />

mich gewickelt, dass ich meine Arme nicht bewegen konnte.<br />

‚Ein Bett… Das passt nicht hierher‘ Ich drehte mich ein bisschen, damit<br />

ich meine Arme befreien konnte und legte meinen Arm auf meine Stirn.<br />

‚Meine Stirn ist schon wieder heiß… Was ist passiert? Ich kann mich<br />

irgendwie an gar nichts erinnern… Es ist genauso wie in der Höhle<br />

damals…‘ Plötzlich ging die Tür auf. Ich konnte zwei Figuren erkennen.<br />

Eine etwas größere Frau und ein Mädchen, das ungefähr so groß wie ich<br />

war. Sie hatte einen schwarzen Mantel an dessen Kapuze tief ins Gesicht<br />

gezogen wurde.<br />

‚Ist das nicht die Schulleiterin? Und Christina?!‘<br />

„Wie ich sehe, sind Sie wach“, stellte die ältere Frau fest, „Christina. Gib<br />

ihr Kopfschmerz-tabletten. Sie kann wahrscheinlich nicht klar denken.“<br />

„Jawohl, Ma’am“, bestätigte Christina und ging nochmal aus dem Raum.<br />

Währenddessen kam die Schulleiterin näher auf mich zu.<br />

„Was wissen Sie noch alles, Elaine?“ Ich musste eine Weile nachdenken.<br />

Als ich nach einer Minute immer noch nichts sagte, fragte die Direktorin:<br />

„Wollen Sie es mir etwa nicht verraten?“<br />

Sofort entgegnete ich ihr: „Nein, das ist es nicht. Ich kann mich nur noch<br />

wage an das erinnern, was vorher passiert ist… Und diese Kopfschmerzen<br />

sind unerträglich!“ Wie aufs Sprichwort kam Christina herein und überreichte<br />

mir ein Glas Wasser und eine Kopfschmerztablette.<br />

50


„Ich lasse Sie und Christina jetzt für eine Weile alleine“, informierte uns<br />

die Schulleiterin und verließ den Raum. Ich setzte mich aufrecht hin,<br />

nahm die Tablette ein und wartete darauf, dass sich ihre Wirkung entfaltete.<br />

Währenddessen herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns.<br />

Keiner von uns beiden wagte es ein neues Gespräch anzufangen.<br />

‚… Ich glaub ich weiß wieder was passiert ist! Ich und Lucy sollten<br />

kämpfen, aber… was ist danach passiert?‘<br />

„Christina?“ Die Angesprochene schaute in meine Richtung.<br />

„Ja?“, fragte sie in einer emotionslosen Stimme.<br />

„Was ist passiert?“<br />

„Du meinst während dem Kampf?“<br />

„Ja, das auch, aber ich meine nicht das. Was genau ist hier passiert, als<br />

ich weg war? Ich möchte jede Kleinigkeit wissen. Das betrifft dann auch,<br />

was du gemacht hast.“<br />

Sie blieb still. Sie wollte anscheinend nichts sagen. Schließlich antwortete<br />

sie mir doch, aber es war nicht die Antwort, die ich haben wollte.<br />

„Was geht dich das an?“, meinte sie mit einem zickigen Unterton und<br />

drehte sich von mir weg. Ich wurde langsam wütend.<br />

„Du fragst mich, was mich das angeht? Ich war seit über einer Woche<br />

weg! Dann darf ich doch wohl wissen, was hier passiert ist!“<br />

„Wir hatten Unterricht, also bist du jetzt zufrieden?“, entgegnete sie<br />

genauso wütend.<br />

„Dann sag es mir gefälligst ins Gesicht, Christina! Wozu trägst du überhaupt<br />

diesen Mantel? Traust du dich etwa nicht mir direkt in die Augen<br />

zu schauen?“ Mit jedem Wort wurde meine Stimme lauter. Plötzlich riss<br />

sie sich den Mantel vom Leib, schmiss ihn auf den Boden und schaute<br />

mir direkt in die Augen.<br />

Sie fing an mich anzuschreien: „Bist du jetzt endlich zufrieden?! Was willst<br />

du noch?! Ein Fünf-Gänge-Menü direkt ans Bett geliefert, oder was?“<br />

„Ich will nur, dass du mir diese eine Frage beantwortest!“, schrie<br />

ich zurück, „Was ist so schwer daran zu verstehen? Wieso willst du mir<br />

nicht antworten?“<br />

„Also gibt es doch noch etwas, was du willst! Weißt du wie nervig du<br />

gerade bist?!“<br />

51


„Wenn du nicht so stur und dickköpfig wärst, dann würde ich dir jetzt<br />

auch nicht auf die Nerven gehen! Verstehe es doch einfach!“<br />

„Die Schule! Das ist passiert! Wir hatten hier verdammt nochmal<br />

normalen Unterricht!“<br />

„Und wieso warst du dann nicht beim Unterricht?!“<br />

„Hast du denn keine Ahnung, was Privatsphäre ist?! Es geht dich nichts<br />

an wo und wann ich was mache! Wieso willst du das überhaupt wissen?!“<br />

„Weil ich mir ernsthafte Sorgen gemacht habe!“<br />

„Wieso machst du dir überhaupt Sorgen?!”<br />

„Ich habe dich tagelang nicht mehr gesehen! Außerdem habe ich erst<br />

vor Kurzen erfahren, dass wir an dieser Schule gegeneinander kämpfen<br />

müssen! Natürlich mache ich mir da Sorgen!“ Ich verzweifelte langsam.<br />

‚Warum will sie es denn nicht verstehen?‘<br />

„Das ist mein zweites Jahr hier! Ich weiß, was ich tue! Ich kann gut für<br />

mich alleine sorgen!“<br />

„Wieso willst du es nicht verstehen?! Ich mache mir Sorgen, weil du die Erste<br />

bist, die auf mich zugekommen ist! Du bist meine allererste Freundin!“<br />

Ich konnte sehen, wie Christina kurz mit ihren Augen zuckte. Sie öffnete<br />

ihren Mund um etwas zu sagen, schloss ihn aber doch wieder. Für eine<br />

Weile herrschte Stille zwischen uns beiden.<br />

„Freundin…“ Es war nicht mehr als ein Flüstern, aber es steckten so<br />

vielen Emotionen darin. Ihre Stimme klang so zerbrechlich, traurig und<br />

doch irgendwie glücklich zur selben Zeit.<br />

„Elaine, ich…“, wollte sie anfangen, wurde aber von der nun eintretenden<br />

Person unter-brochen. Es war die Schulleiterin.<br />

„Christina. Du hast deine Aufgabe nicht erledigt“, merkte die Direktorin an.<br />

„Entschuldigung, Ma’am“, teilte Christina ihr mit.<br />

„Geh auf dein Zimmer! Ich werde das hier jetzt erledigen.“<br />

„Jawohl, Ma’am“, erwiderte sie und verließ den Raum. Jetzt waren nur<br />

noch die Rektorin und ich hier drinnen.<br />

„Über was habt ihr euch gerade unterhalten?“<br />

„Ach, nichts besonderes. Wir haben uns… nur ein wenig gestritten“,<br />

erwiderte ich zögernd.<br />

„Wenn das so ist…“ Sie drehte sich um und ging zum Fenster.<br />

52


„Aber jetzt müssen wir über ernste Sachen reden. Erinnern Sie sich jetzt<br />

daran, was passiert ist? Oder anders gefragt: An was können Sie sich<br />

alles noch erinnern?“ Ich überlegte.<br />

‚Der Beginn der Unterrichtsstunde. Christina. Ich konnte mich nicht<br />

bewegen. Lucy hat mich zum Kampf herausgefordert… Aber wie ist es<br />

ausgegangen?‘<br />

„Also?“, fragte die Direktorin ungeduldig.<br />

„Ich kann mich noch an den Beginn der Unterrichtsstunde erinnern und wie<br />

Lucy mich zum Kampf herausgefordert hat. Wie ist es ausgegangen?“ Mit<br />

todernstem Blick drehte sie sich wieder um und schaute mir in die Augen.<br />

„Wissen Sie noch, was für ein Kampf es war?“ Ich schüttelte den Kopf.<br />

„Es war ein Kampf auf Leben und Tod.“ Meine Pupillen weiteten sich.<br />

‚Ich hab doch nicht etwa… Nein! Das kann nicht sein! Ich würde so<br />

etwas nie tun!‘<br />

„Wie ist es ausgegangen?“, fragte ich unruhig.<br />

‚Was ist, wenn ich es doch getan habe? Ich will kein Monster sein!‘<br />

„Seien Sie ganz ruhig. Niemand ist gestorben.“ Erleichtert atmete ich<br />

wieder aus.<br />

„Jedoch…“ Ich biss mir auf die Lippe.<br />

‚Was „Jedoch“? Machen Sie es nicht so spannend!‘<br />

„…hat Ihre Aktion für Aufruhr gesorgt. Was Sie vielleicht nicht mehr<br />

wissen, ist dass die ganze Schule am Ende zugeschaut hat. Sie haben sich<br />

der Schule widersetzt. Das können wir nicht zu lassen!“ Sie schien mich<br />

mit ihrem Blick zu durchbohren.<br />

„W-Was meinen sie damit?“<br />

Sie grinste mich an und antwortete in einer ruhigen Stimme: „Wir<br />

werden Sie eliminieren.“ Sie schnipste einmal in die Finger und schon<br />

kamen ein paar Schüler in den Raum. Der einzige, der mir bekannt<br />

vorkam, war Noctis. Die anderen hatte ich noch nie gesehen. Unter der<br />

Bettdecke erschuf ich heimlich Dolche um mich zu verteidigen.<br />

„Darf ich vorstellen. Die Elite unserer Schule. Es war schön, dich<br />

kennengelernt zu haben. Du bist wirklich ganz genauso wie deine<br />

naive Mutter.“<br />

‚W-Was? …Egal! Mir bleibt keine Zeit um nachzudenken. Ich muss hier<br />

53


weg!‘ Ich sprang vom Bett um zu fliehen, wurde aber sogleich von etwas<br />

am Fuß festgehalten.<br />

‚Eine Pflanze? Das muss einer von denen sein!‘ Sofort schnitt ich es mit<br />

dem Dolch durch und rannte Richtung Tür. Eigenartigerweise war da<br />

eine große Lücke zwischen den Schülern durch die ich problemlos nach<br />

draußen gelangen konnte.<br />

‚Das ist zu leichtsinnig von denen! Irgendetwas stimmt hier nicht…‘<br />

Meine Vermutung wurde bestätigt als die Tür plötzlich verschwand. Vor<br />

mir stand einfach nur eine Wand. Ich änderte meine Richtung um aus<br />

dem Fenster zu fliehen, als plötzlich um mich herum Spiegel erschienen.<br />

In jedem der Spiegel stand einer der Schüler.<br />

‚Es war eine Falle! Mist! Ich muss hier raus!‘<br />

„Du bist so ein Problemkind! Denkst du etwa wirklich, dass du etwas<br />

gegen uns ausrichten kannst?“, meinte Noctis mit einem siegessicheren<br />

Grinsen, „Du hast schon so gut wie verloren. Auf nimmer Wiedersehen!<br />

Es war schön dich kennengelernt zu haben.“<br />

Plötzlich fingen die Spiegel sich an zu drehen. Mir wurde schwindelig. Ich<br />

konnte mich kaum noch auf den Beinen halten und irgendwann… wurde mir<br />

schwarz vor Augen… Mal wieder. Aber dieses Mal war es anders.<br />

Ich öffnete gleich danach wieder meine Augen und sah eine schneebedeckte<br />

Landschaft. Vor mir stand eine Frau mit langen schwarzen Haaren und<br />

eisblauen Augen.<br />

„Willkommen zu Hause, Elaine.“<br />

Eine Träne kullerte meine Wange hinunter.<br />

„Mum…“<br />

Das war die Geschichte<br />

wie alles begann.<br />

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