Was unser Denken kann, was nicht, und ...
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Evolutionäre<br />
Psychologie – <strong>Was</strong><br />
<strong>unser</strong> <strong>Denken</strong> <strong>kann</strong>,<br />
<strong>was</strong> <strong>nicht</strong>, <strong>und</strong> <strong>was</strong><br />
das mit Philosophie zu<br />
tun hat<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 1
Aufbau des Vortrags<br />
1. Einige Hauptthesen der<br />
Evolutionären Psychologie<br />
2. Beispiele <strong>und</strong> Experimente<br />
3. Folgerungen für die<br />
Philosophie<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 2
Vortragsübersicht<br />
Teil I:<br />
Hauptthesen der<br />
evolutionären<br />
Psychologie<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 3
<strong>Was</strong> ist Evolutionäre Psychologie?<br />
Der Mensch ist in der Evolution<br />
entstanden.<br />
Viele seiner Merkmale sind Anpassungen.<br />
Das Gehirn ist, wie andere Körperteile<br />
auch, der Evolution unterworfen.<br />
Es ist an bestimmte Aufgaben angepasst.<br />
d. h. in bestimmten Bereichen optimiert,<br />
in anderen fehleranfällig.<br />
Diese Stärken <strong>und</strong> Schwächen sind<br />
immer nur in Bezug auf ihre Umwelt<br />
erforschbar.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 4
Bild Cosmides Tooby<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 5
Weitere Thesen der EP<br />
Anpassungsproblematik<br />
<br />
tatsächliche Anpassung (aufrechter Gang)<br />
<br />
Nebenprodukt einer A. (Geräusch d. Herzens)<br />
<br />
Funktionswechsel (Federn bei Vogelflügel)<br />
Nachweis durch sehr gute Funktionserfüllung<br />
(Kosten/Nutzen, Präzision, usw.)<br />
Die meisten „Module” sind sehr<br />
spezialisiert.<br />
=> Starke Modularitätsthese des Gehirns<br />
<br />
Entwicklung durch Genetik-Umwelt-<br />
Interaktion<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 6
Kritik an Evolutionärer Psychologie<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die EP vertritt einen (zu) starken<br />
Nativismus.<br />
Die EP vertritt einen<br />
Panadaptionismus.<br />
Die EP ist <strong>nicht</strong> falsifizierbar.<br />
Die EP steht auf einer schwachen<br />
empirischen Basis.<br />
Die EP <strong>kann</strong> kulturelle, soziale,<br />
gesellschaftliche Fragen <strong>nicht</strong><br />
beantworten.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 7
Vortragsübersicht<br />
Teil II:<br />
Beispiele <strong>und</strong><br />
Experimente<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 8
Beispiel 1: Der <strong>Was</strong>on Selection Task<br />
Jede Karte hat einen Buchstaben auf der<br />
Vorderseite <strong>und</strong> eine Zahl auf der<br />
Rückseite. Hier sind 4 Karten:<br />
E T 4 7<br />
Regel: Wenn eine Karte einen Vokal auf<br />
einer Seite hat, dann ist auf der anderen<br />
Seite eine gerade Zahl.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 9
Beispiel 2: Altersüberprüfung<br />
Regel: Wenn eine Person Bier trinkt,<br />
dann muss sie über 18 Jahre alt sein.<br />
Trinkt<br />
Bier<br />
Trinkt<br />
Cola<br />
Ist 25<br />
Jahre alt<br />
Ist 16<br />
Jahre alt<br />
Welche Personen müssen überprüft werden?<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 10
Auflösung des <strong>Was</strong>on Selection Task<br />
Logisches Gesetz: Modus Tollens<br />
= Wenn P, dann Q. (<strong>nicht</strong> Q => <strong>nicht</strong> P)<br />
=> Überprüfung von „E” <strong>und</strong> „7”:<br />
<br />
<br />
<br />
Die Regel ist falsch, wenn hinter E<br />
keine gerade Zahl, oder wenn hinter<br />
7 ein Vokal steht.<br />
Woher kommen die großen<br />
Schwierigkeiten bei dieser Aufgabe?<br />
Bisherige Erklärungen unbefriedigend<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 11
Die Betrüger-Entdeckung<br />
Wenn man den Nutzen hat, dann muss man<br />
auch die Kosten tragen. Tut man das <strong>nicht</strong>, so<br />
ist man ein Betrüger. = Standardsozialvertrag<br />
<br />
Wichtig dabei: Die Perspektive!<br />
Belege für eine evolutionäre Interpretation:<br />
<br />
Empirische Belege (Experimente +<br />
Voraussagen)<br />
<br />
Es gibt keine Altruistenentdeckung<br />
<br />
Es funktioniert auch bei abstrakter<br />
Formulierung<br />
<br />
Nur Betrugsversuche werden entdeckt; <strong>nicht</strong><br />
allgemeine logische Fehler<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 12
Geometrie – auch ohne Schule?<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 13
Das Linda-Experiment<br />
Linda ist 31 Jahre alt, ledig, offen <strong>und</strong> sehr<br />
intelligent. Sie hat einen Philosophie-<br />
Abschluss an der Uni. Als Studentin war sie<br />
sehr gegen Diskriminierung <strong>und</strong> für soziale<br />
Gerechtigkeit engagiert. Sie nahm an Anti-<br />
Atom-Demonstrationen teil.<br />
<strong>Was</strong> ist wahrscheinlicher?<br />
(A) Linda ist eine Bankangestellte.<br />
(B) Linda ist eine Bankangestellte <strong>und</strong> in der<br />
Feminismusbewegung engagiert.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 14
Auflösung des Linda-Experiments<br />
etwa 85% wählen (B), das ist falsch.<br />
Erklärung:<br />
Mathematisch gesehen, <strong>kann</strong> eine<br />
zusammengesetzte Wahrscheinlichkeit nie<br />
höher als eine Teilwahrscheinlichkeit sein<br />
A = Bankangestellte<br />
B = Bankangestellte + Feministin = A + B<br />
<br />
P(A) > P(A <strong>und</strong> B)<br />
<br />
Erklärung durch Repräsentativitätsheuristik<br />
= B ist repräsentativer für Linda als A.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 15
Lindas evolutionäre Erklärung<br />
<br />
Schwäche bei<br />
Wahrscheinlichkeiten<br />
<br />
Starke Kontexteinbettung der<br />
zu Gr<strong>und</strong>e liegenden<br />
Mechanismen<br />
<br />
Ausrichtung an<br />
repräsentativen Prototypen<br />
<br />
Familienähnlichkeit<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 16
Die feindliche Berichterstattung<br />
Gleiche neutrale Berichterstattung über das<br />
Beirut Massaker<br />
=> Empörung über einseitige B. sowohl von<br />
Pro-Israelis <strong>und</strong> Pro-Arabern.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Gilt auch für Wissenschaft:<br />
Studien Pro/Kontra Todesstrafe; Je nach<br />
Position => Mängel kritisiert; dagegen eigene<br />
Position als „korrekt <strong>und</strong> stark beweiskräftig”<br />
beurteilt.<br />
Danach: Studien bei gleichen Personen<br />
vertauscht => Situation dreht sich um!<br />
Evolutionäre Erklärung? (Handlungsfähigkeit)<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 17
Die Mammographie<br />
Die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu<br />
erkranken, beträgt 1% für eine 40-jährige<br />
Frau, die Vorsorgeuntersuchungen macht.<br />
Wenn eine Frau Brustkrebs hat, ist die<br />
Wahrscheinlichkeit 80%, dass eine<br />
Mammographie positiv ausfällt.<br />
Wenn eine Frau keinen Brustkrebs hat, ist<br />
die Wahrscheinlichkeit 9,6%, dass eine<br />
Mammographie positiv ist.<br />
Eine Frau dieser Altersgruppe hat eine<br />
positive Mammographie. Wie hoch ist die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich<br />
Brustkrebs hat? _____%<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 18
Die Mammographie - II<br />
<br />
<br />
Ein Schamane muss sich ohne Bücher,<br />
Formeln <strong>und</strong> Statistik nur auf Erfahrung<br />
verlassen. Eine unbe<strong>kann</strong>te Krankheit geht<br />
um. Es gibt ein Symptom, an der man sie<br />
erkennen <strong>kann</strong>, wenn auch <strong>nicht</strong> mit<br />
Sicherheit. Von 1000 Leuten hatten 10 die<br />
Krankheit. Von diesen 10 hatten 8 das<br />
Symptom. Von den 990 <strong>nicht</strong> betroffenen<br />
Patienten starben 95.<br />
Es gibt einen neuen Patienten mit dem<br />
Symptom. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass er die Krankheit hat?<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 19
Die Formeln dahinter<br />
<br />
Ergebnis = jeweils 7,8%<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 20
Viele weitere Experimente<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
2-4-6 (<strong>Was</strong>on)<br />
Das „Hot hand” Phänomen<br />
Regression zur Mitte (Pilotentrainer<br />
<strong>und</strong> Nobelpreisträger )<br />
Ähnlichkeitsdenken (Homöopathie,<br />
Homotoxikologie, Füchse, Schwangere,<br />
Graphologie, Würfeln, usw.)<br />
Rahmeneffekt<br />
Ankereffekt<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 22
Vortragsübersicht<br />
Teil III:<br />
Folgerungen für<br />
die Philosophie<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 23
Folgerung für die Erkenntnistheorie<br />
Um die Fragen:<br />
<br />
Wie erkennen wir?<br />
<br />
<strong>Was</strong> erkennen wir (<strong>und</strong> <strong>was</strong> <strong>nicht</strong>)?<br />
beantworten zu können, müssen wir zuerst<br />
<strong>unser</strong>en Erkenntnisapparat, <strong>unser</strong><br />
Instrumentarium kennen:<br />
Ebenso wie die Optik den Brechungsindex<br />
des jeweiligen Mediums berücksichtigt,<br />
muss der „Verzerrungsindex” von<br />
Denkvorgängen mit in Betracht gezogen<br />
werden.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 24
Folgerungen für die Philosophie<br />
Der menschliche Geist, das <strong>Denken</strong>, <strong>unser</strong>e<br />
Rationalität ist <strong>nicht</strong> perfekt.<br />
Im Gegenteil: Unser <strong>Denken</strong> besitzt viele<br />
„Macken”.<br />
Diese Fehler unterlaufen auch Experten,<br />
Wissenschaftlern, geschulten Statistikern:<br />
=> Beschäftigung mit Kognition ist wichtig<br />
=> Diese Beschränkungen sollten<br />
be<strong>kann</strong>t gemacht/unterrichtet werden<br />
=> Strategien zur Vermeidung entwickeln<br />
=> Ursachen für diese Fehler suchen<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 25
Folgerungen für Wissenschaftstheorie<br />
<br />
<br />
<br />
Wissenschaftliche Fehler könnten von<br />
psychologisch (experimentell<br />
nachgewiesenen) Fehlern stammen.<br />
Vermeidung wird durch Wissen um sie<br />
leichter; auch Fehlerkorrekturmechanismen<br />
können gezielter<br />
eingesetzt werden.<br />
Wissenschaftstheorie muss kognitiv<br />
ausgerichtet werden, weil Kognition im<br />
Mittelpunkt wissenschaftlicher<br />
Tätigkeit steht.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 26
Quellen<br />
Cosmides, L. (1989): The Logic of Social Exchange.<br />
Cognition.<br />
<br />
Cosmides, L.; Tooby, J.; Barkow, J. H. (1992):<br />
The Adapted Mind.<br />
<br />
<br />
Gigerenzer, G. (1996): The psychology of good<br />
judgment. Journal of Medical Decision Making.<br />
<strong>Was</strong>on, P. (1960): On the failure to eliminate<br />
hypotheses in a conceptual task.<br />
Quarterly Journal of Experimental Psychology.<br />
<br />
Kahneman, D.; Slovic, P.; Tversky, A. (1982):<br />
Judgment <strong>und</strong>er uncertainty: Heuristics and<br />
biases.<br />
Frey – Evolutionäre Psychologie 27