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Die Schweizer Energiepolitik steht am Scheideweg - Pro Natura

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pro natura magazin<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schweizer</strong> <strong>Energiepolitik</strong><br />

<strong>steht</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong><br />

0 2 | 2011 MÄRZ


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Datum


editorial<br />

Raphael Weber, Chefredaktor<br />

<strong>Energiepolitik</strong> elektrisiert<br />

Umweltpolitik hat oft etwas Vorhersehbares:<br />

Meistens vertritt die Allianz aus Naturschutz­<br />

organisationen und umweltbewussten Politikern<br />

einheitliche und klare Positionen, so etwa bei<br />

Themen wie Gewässerschutz, Verkehrspolitik,<br />

Gentechnik oder Raumplanung.<br />

Richtig spannend wirds für Aussen stehende<br />

aber vor allem dann, wenn die Entscheidungsfindung<br />

auch innerhalb von Umweltkreisen zu<br />

lebhaften Diskussionen führt. <strong>Die</strong>s ist in der<br />

<strong>Energiepolitik</strong> wohl wie bei keinem anderen<br />

Thema der Fall: Sind Pumpspeicher­Kraftwerke<br />

die Öko­Batterien Europas oder riesige Waschanlagen<br />

für dreckigen Atomstrom? Sind Windräder<br />

eine sinnvolle und umweltverträgliche<br />

Nutzung einer erneuerbaren Energiequelle oder<br />

zerstörerische Landschaftselemente? Soll das<br />

grosse Übel Atomkraftwerke durch das kleinere<br />

Übel Gaskraftwerke ersetzt werden?<br />

Mit solchen Fragen setzt sich auch <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

auseinander, unter anderem in diesem Magazin.<br />

Doch selbst wenn gewisse Details kontrovers<br />

diskutiert werden mögen, ist auch bei diesem<br />

Thema das Oberziel klar und unbestritten:<br />

<strong>Die</strong> Versorgung der Schweiz mit Energie aus<br />

erneuer baren Quellen ist möglich, und der Ausstieg<br />

aus der gefährlichen Kernenergie muss<br />

vollzogen werden.<br />

Doch diese Vorgabe setzt auch Umweltverbände<br />

unter Zugzwang: Denn um den Energiehunger<br />

im 21. Jahrhundert mit einer dezentralen<br />

Stromversorgung aus erneuerbaren Energien<br />

zu stillen, muss auch eine Bereitschaft zu Eingriffen<br />

in Natur landschaften bestehen. <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

ist überzeugt, dass mit einer guten Planung<br />

und klaren Kriterien der Kompromiss zwischen<br />

nachhaltiger Energieproduktion und gezieltem<br />

Naturschutz möglich ist. D<strong>am</strong>it der erneuerbare<br />

Strom zugleich ökologisch ist.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2010<br />

thema<br />

4 – 13 Weniger, effizienter,<br />

grüner<br />

Anstatt gefährlichen und<br />

dreckigen Atomstrom im<br />

Überfluss zu produzieren,<br />

fordert <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> die Schaffung<br />

einer umweltverträglichen<br />

Stromversorgung mit<br />

erneuerbaren Energien.<br />

Doch nach wie vor gilt:<br />

Der umweltfreundlichste<br />

Strom ist jener, der<br />

nicht verbraucht<br />

wird.<br />

Daniel Rihs<br />

news<br />

25 Grünflächen freihalten<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> engagiert sich mit einer<br />

neuen K<strong>am</strong>pagne für eine<br />

natur verträgliche und lebens werte<br />

Raumentwicklung.<br />

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inhalt 3<br />

4 thema<br />

13 zur sache<br />

14 köpfe<br />

16 in kürze/impressum<br />

19 brennpunkt<br />

19 <strong>Die</strong> stillen Schaffer: Engagement im<br />

Jahr der Freiwilligenarbeit<br />

22 Drohende Dreckschleuder: das<br />

unsinnige Chavalon-<strong>Pro</strong>jekt<br />

25 news<br />

25 Land in Sicht: <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> lanciert<br />

K<strong>am</strong>pagne gegen Zersiedelung<br />

28 Das Phantom aufgespürt: <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

ermittelt Haselmaus-Populationen<br />

30 Tourneestart: <strong>Die</strong> Arche der<br />

Biodiversität fährt durch die Schweiz<br />

31 Der Wurm ist drin: Ringo führt durch<br />

die neue Saison in Ch<strong>am</strong>p-Pittet<br />

33 service/fundgrube<br />

36 beobachtet<br />

37 pro natura aktiv<br />

46 shop<br />

48 die letzte<br />

köpfe<br />

14 «<strong>Die</strong> Atomindustrie kl<strong>am</strong>mert sich<br />

an die Planwirtschaft»<br />

<strong>Die</strong> Solartechnik brauche keine weiteren<br />

Durchbrüche, sagt Urs Muntwyler. Für<br />

eine flächendeckende Einführung sei nun<br />

die Politik gefordert, so der <strong>Pro</strong>fessor und<br />

Unternehmer.<br />

Titelbild: Beziehen wir aus unseren Steckdosen künftig sauberen grünen Strom aus erneuerbaren<br />

Energiequellen oder dreckigen und gefährlichen Atomstrom? In den nächsten Jahren zeichnet sich<br />

die Antwort auf diese Frage ab.<br />

Foto: Christian Flierl


4 thema<br />

Weniger, effizienter,<br />

grüner<br />

Anstatt gefährlichen und dreckigen Atomstrom im Überfluss zu produzieren,<br />

fordert <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> die Schaffung einer umweltverträglichen Stromversorgung<br />

mit erneuerbaren Energien. Doch nach wie vor gilt: Der umweltfreundlichste<br />

Strom ist jener, der nicht verbraucht wird.<br />

Der Strom kommt aus der Steckdose. So viel ist bekannt. Aber<br />

wer weiss, wie er da reinkommt und was genau eigentlich aus<br />

der Steckdose kommt? Der Strommarkt ist eine hochkomple­<br />

xe Angelegenheit. Im Gegensatz zu anderen Waren und <strong>Die</strong>nst­<br />

leistungen, die wir in unserem Alltag erwerben und verbrau­<br />

chen, ist Elektrizität für uns Konsumierende kaum fassbar. Das<br />

Licht einer L<strong>am</strong>pe lässt keine Rückschlüsse darüber zu, wie viel<br />

Strom denn nun gerade verbraucht wird. Sie leuchtet auch nicht<br />

weniger oder mehr, wenn der Strom aus einem Atomkraftwerk<br />

st<strong>am</strong>mt oder von einer Solaranlage.<br />

Der Energiehunger wächst<br />

Der Anteil von Elektrizität <strong>am</strong> zunehmenden Ges<strong>am</strong>tenergie­<br />

bedarf der Schweiz beläuft sich heute auf 24 <strong>Pro</strong>zent (Stand<br />

2009). Tendenz steigend, da fossile Energieträger, die den rest­<br />

lichen Energiebedarf decken, nach und nach durch Elektrizität<br />

ersetzt werden. Beinahe ein Drittel des ges<strong>am</strong>ten Stroms wird in<br />

privaten Haushalten verbraucht. Für 2009, verglichen mit 2008,<br />

konnte das Bundes<strong>am</strong>t für Energie (BFE) einen Rückgang des<br />

Stromverbrauches in der Schweiz um 2,1 <strong>Pro</strong>zent verkünden.<br />

Was gut und vielversprechend klingt, wird rasch von der Re­<br />

alität eingeholt. Denn in der Ges<strong>am</strong>tbetrachtung steigt der Strom­<br />

konsum seit Jahren an. Auch zwischenzeitliche Rückgänge wie<br />

2009 – bedingt durch den wirtschaftlichen Abschwung und den<br />

wärmeren Winter – ändern daran leider nichts. <strong>Die</strong> Gründe da­<br />

für sind vielfältig. <strong>Die</strong> Mobilität und die Elektrifizierung in unse­<br />

rem Alltag nehmen weiterhin zu. Set­Top­Boxen für den digitalen<br />

Fernsehempfang, Unterhaltungselektronik, Wärmepumpen und die<br />

steigende Anzahl an Elektrofahrzeugen sind nur einige Beispiele<br />

dafür. Hinzu kommt der mittlere Zuwachs der Wohnbevölkerung<br />

in der Schweiz, der etwas mehr als ein <strong>Pro</strong>zent pro Jahr beträgt.<br />

Dreckstrom wird lukrativ veredelt<br />

<strong>Die</strong> wesentlichen <strong>Pro</strong>duktionsformen für Elektrizität in der<br />

Schweiz sind die Wasserkraft (ca. 56 <strong>Pro</strong>zent) und die Kernkraft<br />

(ca. 40 <strong>Pro</strong>zent). Beim verkauften Strom sieht das Verhältnis in­<br />

des anders aus: Atom­ und Kohlestrom machen dort alleine 45<br />

<strong>Pro</strong>zent aus, hinzu kommen nochmals 19 <strong>Pro</strong>zent aus nicht über­<br />

prüfbaren Energieträgern – Importstrom, der wiederum in erster<br />

Linie aus Kohle und Atomkraft gewonnen wird. Der Importstrom<br />

wird zur billigen Versorgung des schweizerischen Marktes ver­<br />

wendet oder in Pumpspeicherkraftwerken veredelt und bei Be­<br />

darfsspitzen teuer verkauft (siehe Seiten 10/11). Und unter dem<br />

Strich exportiert die Schweiz mehr Strom als sie importiert.<br />

Dabei sind bei den verschiedenen Stromversorgern massi­<br />

ve Unterschiede auszumachen. So liefert etwa die Repower in<br />

Graubünden mehr als 98 <strong>Pro</strong>zent Strom aus nicht überprüfba­<br />

ren Energieträgern – also fast ausschliesslich ausländischen Koh­<br />

le­ und Atomstrom. Allerdings gibt es auch vorbildlichere Strom­<br />

Vorbildliche Kraftwerke<br />

Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist nicht automatisch<br />

ökologischer Strom. Und auch nicht alles, was<br />

als Ökostrom verkauft wird, ist unproblematisch für Natur<br />

und Umwelt. Exemplarisch für tatsächlichen Ökostrom<br />

stellt das <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin neun vorbildliche Stromproduktionsanlagen<br />

vor, fast alle sind mit dem ver trauenswürdigen<br />

Label «naturemade star» versehen.<br />

Um die Leistungen in einen Kontext zu stellen, zeigen wir<br />

auf, für wie viele Personen die jeweiligen Anlagen den<br />

Strombedarf decken können. Dabei sind wir von einem<br />

Verbrauch von 7800 Kilowattstunden (kWh) pro Person<br />

und Jahr ausgegangen. Darin ist der ges<strong>am</strong>te Stromverbrauch<br />

pro Kopf enthalten. Inklusive Industrie, <strong>Die</strong>nstleistungen,<br />

Beruf, öffentlicher Verkehr, öffentliche Beleuchtung<br />

etc. Der Verbrauch in den eigenen vier Wänden<br />

entspricht je nach persönlichem Verbrauchsmuster etwa<br />

einem Drittel davon.<br />

Zur Veranschaulichung: Eine Kilowattstunde Strom entspricht<br />

der Leistung von 1000 Watt über die Zeit von<br />

einer Stunde. Eine Sparl<strong>am</strong>pe mit 10 Watt Leistung hat<br />

nach 100 Stunden Betrieb eine kWh Strom verbraucht,<br />

während ein Staubsauger mit 1000 Watt (= 1 Kilowatt)<br />

Leistung bereits nach einer Stunde so viel Strom verbraucht<br />

hat. 1000 kWh entsprechen einer Megawattstunde<br />

(MWh), wovon wiederum 1000 zu einer Gigawattstunde<br />

(GWh) zus<strong>am</strong>mengefasst werden. mc


versorger, die ihre Kundschaft vorwiegend mit<br />

Strom aus erneuerbaren Ressourcen beliefern.<br />

<strong>Die</strong> detaillierten Zahlen werden den Konsumen­<br />

tinnen und Konsumenten von ihren Energie­<br />

versorgungsunternehmen regelmässig mitgeteilt.<br />

Ein kritischer Blick darauf lohnt sich alleweil.<br />

<strong>Pro</strong>test in seltenen Fällen<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> setzt sich dafür ein, dass die zukünftige Strom­<br />

versorgung in der Schweiz vollständig mit Elektrizität aus<br />

erneuerbarer, ökologisch produzierter Energie gewähr leistet<br />

werden kann. Ein weiterer Zubau durch neue Anlagen muss<br />

aber in jedem Fall unter Berücksichtigung von Natur­ und<br />

Landschaftswerten geschehen. Bis auf wenige Ausnahmen<br />

ist nämlich jede Form von Energiegewinnung mit einem Ein­<br />

griff in die Natur verbunden. Nicht alle der geplanten grösse­<br />

ren und kleineren Energieprojekte erfüllen die Anforderungen<br />

des Naturschutzes.<br />

Darum setzt sich <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> bei verschiedenen <strong>Pro</strong>jekten für<br />

Verbesserungen im Sinne der Natur ein. Doch nur in seltenen Fäl­<br />

len – bei rund einem Dutzend von mehreren Hundert Energiepro­<br />

jekten – lassen wir ein <strong>Pro</strong>jekt gerichtlich auf seine Rechtmässig­<br />

keit prüfen. Insges<strong>am</strong>t be<strong>steht</strong> ein grosses Potenzial, um auch un­<br />

ter Berücksichtigung von Natur­ und Landschaftswerten den Anteil<br />

von erneuerbaren Energien deutlich zu steigern.<br />

Wenn also die BKW FMB Energie AG (BKW) im Januar verlauten<br />

liess, dass sie ihre Ausbauziele für erneuerbare Ener gien<br />

unter anderem wegen des grossen Widerstandes der Umweltver­<br />

bände um 40 <strong>Pro</strong>zent reduzieren werde, wirkt dies nicht glaub­<br />

würdig. Viel eher war dies wohl eine plumpe PR­Aktion der<br />

AKW­Lobbyistin BKW im Hinblick auf die Atomabstimmung im<br />

Kanton Bern (Seite 17).<br />

Grosskraftwerke werden überflüssig<br />

<strong>Die</strong> Schweiz befindet sich an einem <strong>Scheideweg</strong>. In etwa drei<br />

Jahren werden die politischen Weichen gestellt, welche die<br />

Stromversorgung für die folgenden Jahrzehnte festlegen. Bei ei­<br />

nem Ja zur Atomkraft werden Effizienzmassnahmen und er­<br />

neuerbare Energien voraussichtlich Schiffbruch erleiden. Und<br />

mit ihnen auch der Mensch und die Umwelt. Deshalb gilt es<br />

nun, eine <strong>Energiepolitik</strong> anzustreben, die sich auf eine bewuss­<br />

te, spars<strong>am</strong>e Anwendung von Energie, Effizienzmassnahmen<br />

und erneuerbare Energien stützt.<br />

<strong>Die</strong>ser Weg ist nicht nur ökologischer und sozialer, er ist<br />

auch wirtschaftlicher. Das zeigt eine Untersuchung, welche<br />

die Energieversorgung in der Schweiz bis 2035 analysiert hat.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> war beteiligt an dieser Studie, die im Vorjahr pu­<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011<br />

bliziert wurde. Sogar wenn, wie von den grossen<br />

Stromproduzenten prognostiziert, bis 2035 eine be­<br />

trächtliche Stromlücke eintreten sollte, zeigt die Stu­<br />

die, dass mit Massnahmen im Bereich Energieeffi­<br />

zienz und erneuerbaren Energien die inländische<br />

Versorgung ohne neue Grosskraftwerke gewähr­<br />

leistet werden kann. Für eine effiziente und<br />

thema<br />

erneuerbare Stromversorgung braucht es laut Ana­<br />

lyse vor allem verbindliche Ziele auf na­ tionaler Ebe­<br />

ne, eine Verschärfung der Mindestanfor­ derungen bei<br />

Elektrogeräten, sowie eine Lenkungsab­ gabe auf den<br />

Stromverbrauch.<br />

<strong>Die</strong> vollumfängliche Versorgung aus dezentralen, er­<br />

neuerbaren und ökologischen Energie­ quellen macht<br />

auch den Aufbau eines intelligen­ ten Stromnetzes,<br />

eines so genannten Smart Grid, notwendig.<br />

<strong>Die</strong>ses Netz er­ fasst laufend die Da­<br />

ten zum Ver­ brauch, der <strong>Pro</strong>duktion und<br />

dem Speicher, analysiert und re­<br />

agiert entsprechend, um auftretende<br />

Schwankungen in der <strong>Pro</strong>duktion und im Ver­<br />

brauch auszugleichen. Eine Symbiose also zwischen Energie­<br />

und Informationstechnik. Bis es soweit ist, braucht die ökolo­<br />

gische Stromzukunft smarte Konsumentinnen und Konsumen­<br />

ten. Denn der umweltfreundlichste Strom bleibt auch in Zukunft,<br />

derjenige, den wir gar nicht erst verbrauchen.<br />

MICHAEL CASANOVA ist bei <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> zuständig für die Energie­<br />

und Gewässerschutzpolitik.<br />

www.pronatura.ch > Politik > Klima und Energie > Erneuerbare Energie<br />

Holzkraftwerk, Basel<br />

Hauptsächlich Wald­ und Altholz sowie anfallendes Restholz aus<br />

der Waldpflege werden im Holzkraftwerk zur Energiegewinnung ver­<br />

brannt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der nachhaltigen <strong>Pro</strong>duk­<br />

tion von Wärme, die über das Fernwärmenetz verteilt wird. Ein Teil<br />

der Energie wird über eine D<strong>am</strong>pfturbine in Strom umgewandelt.<br />

Sowohl Wärme als auch Strom sind «naturemade star»­zertifiziert.<br />

Betrieben durch: Holzkraftwerk Basel AG, Industrielle Werke Basel (IWB)<br />

Installierte Leistung: 8MW (D<strong>am</strong>pfturbine der benachbarten KVA wird mitgenutzt)<br />

Durchschnittliche Jahresproduktion: Wärme ca. 125 GWh, Strom ca. 14,5 GWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 1860 Personen.<br />

IWB<br />

Fotos Christian Flierl<br />

5


6 thema<br />

Erneuerbar ist<br />

nicht automatisch<br />

ökologisch<br />

Zwar produziert die Schweiz dank der Wasserkraft viel erneuerbaren Strom, doch nur<br />

ein kleiner Teil davon wird auch wirklich umweltverträglich hergestellt.<br />

Fotomontage energiebüro ag<br />

<strong>Die</strong> Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen erfor­<br />

dert in den meisten Fällen einen Eingriff in die Natur. Das Aus­<br />

mass der jeweiligen Beeinträchtigung hängt vom Standort sowie<br />

der Grösse und Art der Anlage ab. Der Drei­Schluchten­Stau­<br />

d<strong>am</strong>m <strong>am</strong> Jangtsekiang in China führt uns als extremes Beispiel<br />

vor Augen, wie gewaltig solche Auswirkungen sein können. Hier<br />

wird zwar erneuerbare Energie aus Wasserkraft gewonnen, die<br />

Folgen für die Natur sind allerdings katastrophal. Erneuerbar<br />

kann also nicht von sich aus mit einer hohen Naturverträglichkeit<br />

gleich gesetzt werden.<br />

Jedoch kann erneuerbarer Strom in möglichst gutem Einklang<br />

mit der Natur produziert werden. Wenn die <strong>Pro</strong>duktionsanlagen<br />

strenge ökologische Anforderungen erfüllen, können die<br />

Betreiber diese in der Schweiz mit dem Label «naturemade star»<br />

zertifizieren lassen.<br />

Solaranlagen auf überbaubaren Flächen zum Beispiel erfüllen<br />

diesen Anspruch in den allermeisten Fällen ohne weiteres<br />

Zutun. Bei der Wasserkraftnutzung hingegen sind aufgrund des<br />

Solarkraftwerk St. Antönien (GR)<br />

Auf den Lawinenverbauungen über St. Antönien soll zukünftig<br />

Solarstrom in grösserem Umfang gewonnen werden.<br />

<strong>Die</strong> Ausgangslage ist vielversprechend, und eine Testanlage<br />

soll bald in Betrieb genommen werden. <strong>Die</strong> hohe<br />

Sonneneinstrahlung sowie die bereits vorhandene Infrastruktur<br />

und Erschliessung sind klare Standortvorteile.<br />

Geplant durch: energiebüro AG<br />

Betrieben durch: stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest<br />

Vorgesehene Leistung nach Ausbau: ca. 3,5 MW<br />

Erwartete durchschnittliche Jahresproduktion: ca. 4,5 GWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 580 Personen.<br />

Eingriffs in die Natur grössere Anstrengungen erforderlich: Neben<br />

dem Management der Restwassermengen und den Abflussschwankungen<br />

(Schwall und Sunk) müssen weitere Vorkehrungen<br />

in den Bereichen Stauraummanagement, Geschiebemanagement<br />

und Anlagengestaltung getroffen werden. Zudem muss<br />

der Betreiber einen Fonds für ökologische Verbesserungsmassnahmen<br />

einrichten. Nur wenn alle Kriterien erfüllt werden, kann<br />

der Strom als hochwertiger Ökostrom ins Netz eingespiesen<br />

werden.<br />

Boom auf erschöpfte Ressource<br />

Bei der Nutzung der Wasser­ und Windkraft eröffnen sich die<br />

grössten Zielkonflikte zwischen Naturschutz und der Nutzung<br />

erneuerbarer Energien. Bereits jetzt bewegt sich die Schweiz bei<br />

der Wasserkraftnutzung <strong>am</strong> ökologischen Limit. Über 90 <strong>Pro</strong>zent<br />

der in Frage kommenden Fliessgewässer werden bereits für die<br />

Stromgewinnung genutzt und sind entsprechend beeinträchtigt.<br />

Besonders in alpinen Gebieten gibt es kaum noch unbeeinflusste<br />

Gewässerstrecken. Nun hat aber der Bund einen Boom zur<br />

Nutzung dieser letzten unberührten Flussstrecken losgetreten:<br />

<strong>Die</strong> Einführung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV),<br />

ein Förderinstrument für den Ausbau erneuerbarer Energien, löste<br />

2009 einen neue Welle an Wasserkraftprojekten aus. Mehrere<br />

Hundert neue Kleinwasserkraftprojekte befinden sich heute in<br />

Planung oder Umsetzung.<br />

Öko-Gelder ohne Öko-Kriterien<br />

Verheerend ist vor allem, dass diese vermeintlichen Öko­Fördermittel<br />

an keine ökologischen Anforderungen gekoppelt sind. Hinzu<br />

kommt, dass von den rund 260 Millionen Franken, die jährlich<br />

zur Verfügung stehen und die wir alle mit einer Abgabe<br />

von 0,45 Rappen pro Kilowattstunde (KWh) Strom mitfinanzieren,<br />

die Hälfte für die Förderung der Wasserkraft vorgesehen ist.<br />

Eine Technologie, die mehr als einhundert Jahre alt und in der<br />

Schweiz bereits massiv ausgebaut ist. Zukunftsträchtigere Technologien<br />

erhalten hingegen weitaus weniger Fördergelder: So<br />

sind für die Photovoltaik, bei der zudem kaum Zielkonflikte mit<br />

dem Umweltschutz bestehen, nur gerade zehn <strong>Pro</strong>zent der KEV­<br />

Fördergelder reserviert.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011


Solaranlage SIG-Solar 3, Verbois (GE)<br />

Auf der Industriezone neben dem Wasserkraftwerk bei<br />

Verbois wird auf über 7000 Quadratmeter <strong>Pro</strong>duktionsfläche<br />

Solarstrom produziert. Das geschieht lautlos,<br />

emissionsfrei und «naturemade star»­zertifiziert.<br />

Betrieben durch: Services Industriels de Genève (SIG)<br />

Installierte Leistung: 6000 Solarpanels mit einer Ges<strong>am</strong>tleistung<br />

von 1 MW<br />

Durchschnittliche Jahresproduktion: ca. 1 GWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 130 Personen.<br />

Viele Konflikte liessen sich vermeiden, wenn die Fördergelder<br />

an sinnvolle ökologische Kriterien gekoppelt wären. Zudem<br />

muss eine umfassende Planung aufzeigen, wo eine Nutzung<br />

möglich ist und wo darauf verzichtet werden muss. Das<br />

schafft Investitionssicherheit für die Unternehmen und reduziert<br />

den Druck auf die verbleibenden Naturwerte. Erneuerbaren<br />

Energien gehört die Zukunft, der Wildwuchs der <strong>Pro</strong>jekte<br />

muss jedoch zum Schutz der Natur und Landschaft wesentlich<br />

besser koordiniert werden.<br />

Was ist nun wirklicher Ökostrom?<br />

Strengere Kriterien würden auch bei der Definition helfen, welcher<br />

Strom tatsächlich ökologisch ist. Nun finden sich im Angebot<br />

der Stromversorgungsunternehmen <strong>Pro</strong>dukte wie etwa<br />

Regiostrom, Naturstrom, Ökopower. Doch was genau verbirgt<br />

sich dahinter? Für naturbewusste Konsumentinnen und Konsumenten<br />

lohnt es sich, die Angebote genauer anzuschauen.<br />

Werden ökologische Kriterien bei der <strong>Pro</strong>duktion berücksichtigt<br />

oder ist die Energie lediglich aus erneuerbaren Quellen?<br />

Fliesst eventuell ein Teil des Mehrpreises in einen Fonds, um<br />

Naturschutzprojekte zu fördern?<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011<br />

Wer auf Num­<br />

thema<br />

mer sicher gehen<br />

möchte, auch wirklichen<br />

Ökostrom zu kaufen,<br />

achtet bei den Stromprodukten<br />

auf das Label «naturemade star».<br />

«<strong>Die</strong>ses Gütezeichen», erklärt Ursula<br />

Stocker vom Verein für umweltgerechte<br />

Energie (VUE), «ist laut einer Studie von<br />

PricewaterhouseCoopers das einzige, welches einen<br />

wirklich ökologischen Mehrwert garantiert.» Der VUE ist<br />

verantwortlich für die «naturemade»­Zertifizierungen. <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

unterstützt das Label.<br />

Grosses Potenzial für Ökostrom<br />

Momentan st<strong>am</strong>men rund 60 <strong>Pro</strong>zent des in der Schweiz produzierten<br />

Stroms aus Wasserkraftwerken. Davon sind bis heute<br />

gerade mal drei <strong>Pro</strong>zent zertifizierter Ökostrom. Der Handlungsbedarf<br />

ist also gross. «Im Lebensmittelbereich kennt die Kundschaft<br />

die Unterschiede zwischen intergrierter <strong>Pro</strong>duktion und<br />

Bio. Im Energiebereich ist die Sensibilität für die Differenzierung<br />

zwischen erneuerbar und ökologisch erst teilweise vorhanden»,<br />

erklärt Ursula Stocker.<br />

Das Potenzial für mehr Ökostrom ist also sicherlich gross.<br />

Ein Knackpunkt mag die Tatsache sein, dass der Kunde, der<br />

Ökostrom kauft, dann nicht automatisch Ökostrom in seine<br />

Steckdose geliefert erhält. Hierzu Ursula Stocker: «Ich bezahle<br />

einen Mehrpreis für die <strong>Pro</strong>duktionsqualität, von der ich will,<br />

dass sie sich in meinem Sinn ändert und nicht, weil etwas in<br />

der Anwendung verändert würde. Es ist darum nicht relevant,<br />

wer die betreffenden Kilowattstunden im Endeffekt tatsächlich<br />

verbraucht.» So naturverträglich der Strom auch produziert wird,<br />

bei den meisten Anlagen ist letzlich immer ein Eingriff in die<br />

Natur erforderlich. <strong>Die</strong> umweltfreundlichste aller Kilowattstunden<br />

bleibt somit diejenige, die durch bewusste Anwendung und<br />

verbesserte Effizienz nicht verbraucht wird und somit auch nicht<br />

produziert werden muss.<br />

MICHAEL CASANOVA ist bei <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> zuständig für die Energie­<br />

und Gewässerschutzpolitik.<br />

7


8 thema<br />

<strong>Die</strong> Planung nicht<br />

in den Wind schreiben<br />

Auch die Windkraft liefert einen Beitrag zur Versorgung mit erneuerbaren Energien. Doch hier gilt ebenso:<br />

D<strong>am</strong>it von wirklich grüner Energie gesprochen werden kann, müssen mehrere Kriterien erfüllt werden.<br />

Schon als die ersten Windkraftanlagen in der Schweiz projektiert<br />

wurden, zeigte sich, dass das Ganze kein Spaziergang werden<br />

würde. Und geben wir es ruhig zu: <strong>Die</strong> Sympathien waren in der<br />

Politik und bei den Umweltverbänden zu Beginn breit vorhan­<br />

den, sanken danach aber wegen mangelhafter <strong>Pro</strong>jekte und der<br />

oft fehlenden Grundlagenplanung der Kantone.<br />

Von Anfang an war jedoch klar, dass das Potenzial der Wind­<br />

kraft in der Schweiz weit unter Ländern wie Dänemark oder<br />

Holland liegt. Zudem erfordern die grossen Anlagen in unserem<br />

bereits dicht besiedelten und stark genutzten Land eine umfas­<br />

sende und umsichtige Planung. <strong>Die</strong>s wurde in vielen Kantonen<br />

bis heute schlicht unterlassen.<br />

<strong>Die</strong> Windräder des ersten Kraftwerks dieser Art auf dem<br />

Mont Crosin weisen eine Höhe von 67 Metern auf – eher klein<br />

im Vergleich zu heutigen Turbinen, deren Rotorblätter bis zu 200<br />

Meter in den Himmel ragen können. Aufgrund ihres hohen Ge­<br />

wichts können die Bestandteile solch grosser Anlagen nicht mehr<br />

per Helikopter transportiert werden und erfordern eine besondere<br />

Anlieferung mit gewaltigen Kränen. Dazu müssen entsprechen­<br />

Windpark Gütsch (UR)<br />

<strong>Die</strong> höchstgelegene Windkraftanlage Europas, oberhalb<br />

von Andermatt, wurde im Oktober 2010 um zwei weitere<br />

Anlagen ergänzt. Auf über 2300 Metern Höhe produzie­<br />

ren nun die speziell für böige Standorte konzipierten An­<br />

lagen zertifizierten Ökostrom aus Windenergie.<br />

Betrieben durch: Elektrizitätswerk Ursern (EWU)<br />

Installierte Leistung der Anlagen: 1 x 600 kW, 2 x 900 kW<br />

Erwartete Jahresproduktion: 3,25 GWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 420 Personen.<br />

de Zufahrtswege vorhanden sein oder freigeräumt werden, nicht<br />

selten mit lokalen Auswirkungen auf Natur und Landschaft.<br />

Über 800 angemeldete <strong>Pro</strong>jekte<br />

Nicht bei allen <strong>Pro</strong>jekten werden die rechtlich abgestützten In­<br />

teressen des Naturschutzes gleichermassen berücksichtigt. <strong>Die</strong><br />

vorgelegten Unterlagen zu den Bauvorhaben sind teilweise un­<br />

vollständig und fragwürdig, wie etwa die ersten Abklärungen im<br />

Fall von Schwyberg (FR) ergeben haben. Bei diesem <strong>Pro</strong>jekt hat<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> deshalb den Rechtsweg beschritten.<br />

<strong>Die</strong>s ist ein Novum: Bei keinem Bewilligungsverfahren der<br />

18 bestehenden Anlagen hat <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> ein Gericht angerufen.<br />

Und bisher ebenso bei keinem anderen der knapp 400 angemel­<br />

deten <strong>Pro</strong>jekte auf der KEV­Liste. Über 400 weitere <strong>Pro</strong>jekte be­<br />

finden sich übrigens auf der Warteliste für die KEV­Fördergelder.<br />

<strong>Die</strong> zentrale Forderung von <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> und den Umweltver­<br />

bänden ist, dass keine Windkraftanlagen in Schutzgebieten errich­<br />

tet werden (siehe Text rechts). Anlagen wie jene in Marchairuz<br />

(VD) haben nach unserem Befinden in einem Gebiet des Bundes­<br />

Windkraftanlage Cime de l’Est,<br />

Collonges (VS)<br />

Mit 135 Metern Ges<strong>am</strong>thöhe gehört die Windkraftanlage<br />

in Collonges, <strong>am</strong> Eingang zum Wallis, zu den grössten<br />

der Schweiz. Seit nunmehr fünf Jahren wird in der stark<br />

durch den Menschen geprägten Umgebung, nahe der Au­<br />

tobahn A9, Windstrom ins Netz eingespiesen. Zertifiziert<br />

nach den Richtlinien von «naturemade star».<br />

Betrieben durch: RhôneEole SA<br />

Installierte Leistung: 2,05 MW<br />

Durchschnittliche Jahresproduktion: ca. 4,9 GWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 630 Personen.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011<br />

M. Blaise Mettan


inventars der Land­<br />

schaften und Natur­<br />

denkmäler von natio­<br />

naler Bedeutung (BLN)<br />

nichts verloren.<br />

Zuerst muss ein Richtplan her<br />

Im Kanton Waadt hat sich die Lage zu­<br />

gespitzt. Der kantonale Richtplan ist für<br />

einen geordneten Ausbau der Wind­<br />

energie komplett unzureichend. Aus die­<br />

sem Grund fordert <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Waadt ein<br />

Windkraftmoratorium, bis der Kanton seine Hausaufgaben<br />

gemacht und einen Richtplan ausgearbeitet hat. Darin sollen,<br />

auch unter Einbezug der Umweltverbände, geeignete Standorte<br />

für Windräder bezeichnet werden.<br />

<strong>Die</strong> Richtplanung betrachtet <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> als grundsätzliche<br />

Voraussetzung für den koordinierten Ausbau der Windenergie.<br />

Dabei können nicht nur geeignete Standorte bezeichnet, sondern<br />

auch ökologisch besonders wertvolle Gebiete von der Nutzung<br />

ausgeschieden werden. Zudem erhalten Stromproduzenten eine<br />

Planungs­ und Investitionssicherheit.<br />

Von der Nutzung auszuschliessen sind auch Zugkorridore<br />

für Vögel. Denn die Turbinenblätter können an ihren äusseren<br />

Enden mit bis zu 300 km/h rotieren. Das kann für Fledermäuse<br />

und Vögel eine grosse Gefahr darstellen.<br />

Zu diesen Aspekten, die direkt mit der Natur in Verbindung<br />

stehen, kommen weitere Überlegungen: Welchen Wert messen<br />

wir der Landschaft bei? Wie hoch darf die Lärmbelastung in der<br />

Nähe von Windparks sein? Denn vergessen wir nicht: Ein Wind­<br />

park ist eine industrielle Anlage in der Natur.<br />

Gleichzeitig weiss <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> um die Herausforderung, den<br />

Energiebedarf unserer Gesellschaft nachhaltig zu decken. Und<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> ist überzeugt, dass mit einer guten (Richt­)Planung<br />

eine ökologisch sinnvolle Nutzung der Windkraft möglich ist.<br />

NICOLAS WÜTHRICH ist Medienverantwortlicher von <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> für<br />

die Romandie.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011<br />

Keine Anlagen in Schutzgebieten<br />

thema<br />

Der Bau von Kraftwerken zur Stromproduktion hat in den<br />

meisten Fällen Auswirkungen auf Natur und Landschaft. <strong>Pro</strong><br />

<strong>Natura</strong> unterstützt erneuerbare Energien, aber nicht um<br />

jeden Preis. Bei einem Windpark muss bereits in der<br />

Vorprojektphase geklärt werden, ob der Standort<br />

9<br />

nicht in einer geschützten Landschaft oder ei­<br />

nem Korridor für Zugvögel liegt und auch keine<br />

Fledermauspopulationen bedroht werden. Zu­<br />

dem muss eine sorgfältige Interessenabwägung<br />

unter Berücksichtigung des Landschaftsschutzes<br />

erfolgen. Ausserdem soll die Erschliessung<br />

keine neuen versiegelten Zufahrtsstrassen<br />

erfordern. Durch ein grossräumiges, mindes­<br />

tens auf kantonaler Ebene erstelltes Kon­<br />

zept sollte überdies dafür gesorgt werden,<br />

dass Windparks konzentriert gebaut werden<br />

und nicht weit über die Landschaft verstreut<br />

entstehen. smg<br />

Solaranlage Gundeldingerfeld,<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong>, Basel<br />

<strong>Die</strong> Photovoltaikanlage auf dem Dach des <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

Zentralsekretariats produziert auf 370 Quadratmetern<br />

so viel Strom, wie die Mitarbeitenden in den Büros darun­<br />

ter jedes Jahr verbrauchen. Sie wurde zur Hälfte von <strong>Pro</strong><br />

<strong>Natura</strong> (CH und BS) und zur Hälfte vom Kanton Basel­<br />

Stadt finanziert.<br />

Betrieben durch: <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

Installierte Leistung: 49,4 kW<br />

Durchschnittliche Jahresproduktion: ca. 44 000 kWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 6 Personen.


10 thema<br />

«… das sind nicht die Ökobatterien für Europa!»<br />

In der komplexen <strong>Energiepolitik</strong> können selbst zwischen den Umweltverbänden Differenzen entstehen. So wurde <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> von<br />

der schweizerischen Energiestiftung (SES) für ihr Vorgehen beim Pumpspeicher-Kraftwerk Lago Bianco kritisiert. Deshalb hat<br />

das Magazin den <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong>-Wasserkraftexperten Luca Vetterli und SES–Geschäftsführer Jürg Buri an einen Tisch gebracht.<br />

Nachts werden riesige Wassermengen mit billigem und schmutzigem<br />

Atom­ und Kohlestrom den Berg hinaufgepumpt. Tagsüber,<br />

wenn die Stromnachfrage gross ist, wird dieses Wasser wieder<br />

ins Tal hinuntergelassen, um d<strong>am</strong>it zu Spitzentarifen Strom zu<br />

produzieren. Unter dem Strich resultiert ein grosser Energieverlust<br />

– jedoch ein lukrativer finanzieller Gewinn.<br />

Das wird auch beim Lago Bianco im Puschlav nicht anders<br />

sein: <strong>Die</strong>ses Pumpspeicher­Kraftwerk der Repower hat neulich<br />

die Konzession erhalten, nachdem die Standortgemeinden das<br />

<strong>Pro</strong>jekt deutlich gutgeheissen hatten. Ein früheres <strong>Pro</strong>jekt hatte<br />

Repower nach einer Bundesgerichtsbeschwerde von <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

und WWF zurückgezogen.<br />

Das neue <strong>Pro</strong>jekt, bei dessen Ausarbeitung <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> mitwirkte,<br />

bringt Verbesserungen für die Landschaft und die Fliessgewässer:<br />

Der Wasserspiegel des Lago Bianco wird nur um vier<br />

statt 17 Meter erhöht, es verbleibt viel mehr Restwasser in den<br />

Bächen, der Poschiavino wird renaturiert, und das Schwall­<br />

Sunk­<strong>Pro</strong>blem wird gelöst.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong>: Weshalb kritisierte die <strong>Schweizer</strong>ische<br />

Energiestiftung (SES) <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> wegen ihres<br />

Vorgehens beim Lago Bianco?<br />

Jürg Buri: <strong>Die</strong> SES stellt sich entschieden gegen die Pumpspeicherung,<br />

egal was für Kompensationen ausgehandelt werden.<br />

So auch beim Lago Bianco: Der Schaden, den dieses Werk ökologisch<br />

und energiepolitisch anrichtet, ist grösser als die Ausgleichsmassnahmen,<br />

die dank dieses <strong>Pro</strong>jekts realisiert werden.<br />

«Pumpspeicher sind<br />

Turbolader für neue<br />

Atomkraftwerke»<br />

Jürg Buri, SES<br />

Luca Vetterli: Auch wir<br />

lehnen aus energiepolitischen Überlegungen den Ausbau der<br />

Pumpspeicherung klar ab – zumindest solange nicht erneuerbarer<br />

Strom verpumpt wird oder kein Überhang an erneuerbaren<br />

Energien be<strong>steht</strong>. Doch im Einzelfall Lago Bianco versuchten wir,<br />

das <strong>Pro</strong>jekt umweltverträglicher zu gestalten. Verhindern hätten<br />

wir es ohnehin nicht können …<br />

Buri: … das bezweifle ich.<br />

Weshalb?<br />

Buri: Mit einer Informationsk<strong>am</strong>pagne hätten die Umweltverbände<br />

der Bevölkerung deutlicher aufzeigen können, worum<br />

es bei diesem <strong>Pro</strong>jekt geht. Nun hatte die Bevölkerung einerseits<br />

das Gefühl, dass hier erneuerbarer Strom produziert wird, andererseits<br />

entstand der Eindruck, dass auch die Umwelt verbände<br />

hinter diesem <strong>Pro</strong>jekt stehen. Auch deshalb befürworteten die<br />

Standortgemeinden das <strong>Pro</strong>jekt so deutlich.<br />

Vetterli: Wir haben unsere Ablehnung der Pumpspeicherung sowohl<br />

in den Gesprächen mit Repower als auch öffentlich immer<br />

wieder hervorgehoben. D<strong>am</strong>it lässt sich aber noch kein rechtskonformes<br />

<strong>Pro</strong>jekt verhindern. Man kann die Schäden begrenzen,<br />

und das kann dann leider tatsächlich als Zustimmung interpretiert<br />

werden, auch wenn das nicht so ist.<br />

Müssen Sie für solche Kompromisse ihre<br />

energiepolitischen Grundsätze über Bord werfen?<br />

Vetterli: Nein, das Thema Pumpspeicherung muss nicht bei Einzelprojekten<br />

sondern auf der politischen Ebene mit korrekten<br />

Rahmenbedingungen angegangen werden – zum Beispiel mit<br />

Lenkungsabgaben auf nicht erneuerbarem Pumpstrom. Heute<br />

wird ja die Pumpspeicherung sogar subventioniert, etwa durch<br />

die Befreiung von Übertragungsgebühren. Das ist völlig hirnrissig,<br />

weil auch dieser Strom die Netze belastet.<br />

<strong>Die</strong>nen diese Pumpspeicher der<br />

Versorgungssicherheit?<br />

Vetterli: Jein. Würden die Pumpspeicherwerke rein der Netzregulierung<br />

dienen, so hätte ich gegen deren Betrieb wenig einzuwenden<br />

– wobei dazu die reinen Speicherwerke weitgehend<br />

ausreichen würden. Das <strong>Pro</strong>blem liegt im kommerziellen Betrieb<br />

der Pumpspeicherwerke:<br />

Nachts beziehen sie billigen Dreckstrom aus dem Ausland, und<br />

<strong>am</strong> Tag veredeln sie diesen zu Spitzenstrom und setzen ihn mit<br />

hohem Gewinn ins Ausland ab. Das verursacht gigantische Energieverluste<br />

– sowohl beim Betrieb als auch bei der Stromübertragung<br />

über grosse Distanzen.<br />

Buri: Genau, und wir wollen, dass die <strong>Schweizer</strong> Stromproduzenten<br />

auf eine erneuerbare, dezentrale Versorgung setzen,<br />

anstatt Milliarden ins europäische Spitzenstrombusiness zu<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011


investieren. Mir fehlte beim Lago Bianco dieser Aspekt in der<br />

Kommunikation nach aussen; dass man zwar das Maximum an<br />

Kompensationen herausgeholt hat, aber dennoch gegen das <strong>Pro</strong>­<br />

jekt ist, weil es nur aufs Ausland ausgerichtet ist und einer dre­<br />

ckigen Kohle­ und Atomstromstrategie dient.<br />

«Wir können auch<br />

doppelt so viel für<br />

den Strom bezahlen,<br />

wenn wir nur halb so<br />

viel verbrauchen.»<br />

Luca Vetterli, <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

<strong>Die</strong> Atomlobby bezeichnet diese dezentrale<br />

Versorgung mit erneuerbaren Energien als Utopie.<br />

Buri: <strong>Die</strong> Schweiz hat dank der flexibel einsetzbaren Wasser­<br />

kraft beste Voraussetzungen dazu. Statt riesige AKW zu bau­<br />

en, sollten wir lieber auf die landesweite Nutzung einer Viel­<br />

zahl von Kraftwerken mit erneuerbaren Energien setzen. Da­<br />

mit müssen – im Gegensatz zum Bau neuer AKW und neuer<br />

Pumpspeicher – auch keine neuen Stromautobahnen gebaut<br />

werden. Wir würden in ungefährliche Systeme ohne Klum­<br />

penrisiko investieren, die eine grosse Wertschöpfung für die<br />

Schweiz bringen.<br />

Vetterli: Wir können auch doppelt so viel für den Strom bezah­<br />

len, wenn wir eine Technologie einsetzen, die nur halb so viel<br />

verbraucht. Das ist möglich, darauf müssen wir unsere Energie­<br />

Wasserkraftwerk Matte, Bern<br />

Bereits seit 1891 wird an der Aareschwelle mitten in Bern<br />

die Wasserkraft zur erneuerbaren Stromproduktion genutzt.<br />

Nach dem Hochwasser von 2005 wurde eine Totalsanierung<br />

des Werks notwendig. Seit 2007 ist das sanierte<br />

Kraftwerk wieder in Betrieb und speist heute<br />

zertifizierten Ökostrom ins Netz ein.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011<br />

Betrieben durch: Energie Wasser Bern (ewb)<br />

Installierte Leistung: 1,15 MW<br />

Durchschnittliche Jahresproduktion:<br />

ca. 7 GWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf<br />

von ca. 900 Personen.<br />

thema 11<br />

politik ausrichten. Ges<strong>am</strong>twirtschaftlich ist eine Effizienz­Stra­<br />

tegie wesentlich überlegen: Sie ist sicherer, schafft viele Arbeits­<br />

plätze in der Schweiz und ist wegen der tieferen Folgekosten<br />

auch billiger.<br />

Befürchten Sie, dass das Investitionsvolumen,<br />

das jetzt in Pumpspeicher gesteckt wird, für die<br />

<strong>Pro</strong>duktion erneuerbarer Energien fehlt?<br />

Buri: Ja, wir können den Franken nur einmal ausgeben. Und<br />

neue Pumpspeicher schaffen Sachzwänge. Sie sind die Turbo­<br />

lader für neue AKW und Kohlekraftwerke und nicht die Öko­<br />

batterien für Europa, wie es von Seiten der Stromwirtschaft im­<br />

mer so schön heisst.<br />

Wie ist vorzugehen, wenn das nächste grosse<br />

Pumpspeicherwerk lanciert wird?<br />

Buri: <strong>Die</strong> energiepolitische Debatte muss geführt werden. Wir<br />

müssen verhindern, dass unter dem Deckmantel der sauberen<br />

schweizerischen Wasserkraft das internationale Spitzenstrom­<br />

geschäft ausgebaut wird und die Nutzung erneuerbarer Ener­<br />

gien im Inland auf der Strecke bleibt.<br />

Vetterli: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur aufs Einzel­<br />

werk schauen, denn dort gibt es zuerst nur eine Frage: verhin­<br />

dern oder nicht verhindern? Ich sehe es vor allem als unsere<br />

Aufgabe, im politischen <strong>Pro</strong>zess die <strong>Energiepolitik</strong> in eine nach­<br />

haltige und dauerhafte Richtung zu lenken.<br />

Interview: RAPHAEL WEBER, Chefredaktor <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin<br />

Wasserkraftwerk Wettingen (AG)<br />

<strong>Die</strong> nach eigenen Angaben längste Fischaufstiegshilfe<br />

Europas sorgt an diesem Wasserkraftwerk an der Limmat<br />

dafür, dass die Lebensraumvernetzung möglichst<br />

gewährleistet wird. Nach mehrjährigen, umfassenden<br />

Umbauarbeiten wurde das Werk 2008 «naturemade<br />

star»­zertifiziert.<br />

Betrieben durch: Elektrizitätswerke der Stadt Zürich (ewz)<br />

Installierte Leistung: Hauptturbinen: 25 MW<br />

Dotierturbine: 2,1 MW<br />

Durchschnittliche Jahresproduktion: 138,2 GWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca.<br />

17 720 Personen.<br />

Frank Brüderli/ewz


12 thema<br />

<strong>Die</strong> Mär vom sauberen und billigen<br />

Atomstrom<br />

Allen PR-K<strong>am</strong>pagnen zum Trotz: Atomstrom ist und bleibt dreckig, gefährlich, teuer und nicht CO 2 -neutral.<br />

Deshalb fordert <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> den Atomausstieg.<br />

«Ein neues Atomkraftwerk zu bauen, macht keinen Sinn. Es<br />

gibt international gesehen keine Stromlücke.» Das bekräf­<br />

tigte Hanspeter Stöckl, ein ehemaliger Manager des Strom­<br />

konzerns Axpo, neulich in einem Zeitungsinterview. Genau auf<br />

diesem Argument bauen jedoch die AKW­<strong>Pro</strong>motoren Alpiq,<br />

BKW und Axpo ihre ganze Argumentation auf. Ohne AKW<br />

gehen die Lichter aus, lautet der Tenor. Das hat sich schon<br />

in früheren Atomabstimmungen als Drohkulisse bewährt.<br />

Gefahren von Wiege bis Bahre<br />

Keine andere Stromerzeugungstechnologie ist von der Wiege<br />

bis zur Bahre mit derart gravierenden Risiken und Gefahren be­<br />

haftet wie die Atomkraft. Das beginnt beim Abbau des Energie­<br />

trägers Uran und endet bei der vermeintlichen Entsorgung der<br />

radioaktiv strahlenden Hinterlassenschaft. Nach menschlichen<br />

Zeitmassstäben beginnt nach der Stilllegung von Atommeilern<br />

eine unendliche Geschichte: Der produzierte Atommüll bedroht<br />

Trinkwasserkraftwerk Pörter, Giswil (OW)<br />

Ohne ein Fliessgewässer zu beeinträchtigen, kann bei<br />

der Trinkwassergewinnung zwischen Fassung und Speicher<br />

eine Turbine eingebaut werden, um das vorhandene<br />

Gefälle zu nutzen. Insbesondere in Bergregionen<br />

ist dieses naturfreundliche Nutzungspotenzial beträchtlich.<br />

<strong>Die</strong> Qualität des Wassers wird dabei in keiner Weise<br />

ver ändert.<br />

Betrieben durch: Gemeinde Giswil, Elektrizitätswerk Obwalden (EWO)<br />

Installierte Leistung: 180 kW<br />

Durchschnittliche Jahresproduktion: ca. 650 000 kWh<br />

Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 84 Personen.<br />

während Hunderttausenden von Jahren alles Lebendige. Zu be­<br />

haupten, diese Gefahr könne tief im Boden für diese Ewigkeit<br />

gebannt werden, ist schlicht eine Anmassung.<br />

«Es gehört zum Repertoire der Atomgemeinde, das Sicher­<br />

heitsrisiko herunterzuspielen», hat <strong>Pro</strong>fessor Klaus Traube in<br />

einem Report festgehalten. Er weiss, wovon er spricht: Trau­<br />

be arbeitete während fast zwei Jahrzehnten in führender Stel­<br />

lung in der deutschen und <strong>am</strong>erikanischen Atomindustrie. He­<br />

runtergespielt werden systematisch alle Faktoren, die das Sau­<br />

bermann­Image der Atomkraft beflecken könnten – auch von<br />

den <strong>Schweizer</strong> Atom­<strong>Pro</strong>motoren. Sie sitzen in grosser Zahl und<br />

gut verteilt an wichtigen Schalthebeln: Im Bundesrat, im Bun­<br />

desparl<strong>am</strong>ent, in Kantonsregierungen und ­parl<strong>am</strong>enten, in der<br />

von der öffentlichen Hand dominierten Stromwirtschaft und in<br />

unzähligen Lobbyorganisationen – vom einflussreichen Wirt­<br />

schaftsverband économiesuisse bis zu den «Frauen für Energie».<br />

Ganze Landstriche werden verwüstet<br />

Atomstrom ist dreckig, auch wenn er saubergeredet wird. Es<br />

beginnt beim Uranabbau in Kanada, Australien, N<strong>am</strong>ibia oder<br />

im Niger. Ganze Landstriche werden hier verwüstet und die Lebensräume<br />

von indigenen Völkern radioaktiv verseucht. <strong>Die</strong> Gewinnung<br />

des Rohstoffs hinterlässt riesige Mengen an strahlendem<br />

Abfall. Radioaktive Partikel werden vom Wind in alle Himmelsrichtungen<br />

verfrachtet und vom Regen in Böden, Seen und<br />

Trinkwasser ausgewaschen. Und angesichts des riesigen Energieaufwands<br />

beim Uranabbau entpuppt sich auch die Behauptung,<br />

Atomstrom sei CO ­neutral, als grosse Lüge.<br />

2<br />

<strong>Die</strong> eigentliche Herstellung der Brennelemente – ob in Russland,<br />

England oder Frankreich – ist ebenfalls mit gravierenden<br />

Umweltverschmutzungen verbunden. Dass die Axpo in den<br />

AKW Beznau und Gösgen mit Uranbrennstäben Strom produziert,<br />

die in der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011


hergestellt werden, ist skandalös. Majak gilt neben Tschernobyl<br />

als stärkster verstrahlter Ort der Welt. Das auch noch als umweltfreundliches<br />

«Recycling» zu verkaufen, ist schlicht zynisch.<br />

Schadenskosten: 4200 Milliarden<br />

Wie sicher die <strong>Schweizer</strong>ischen AKW sind, werden wir und<br />

kommende Generationen erst wissen, wenn wir ihren Betrieb<br />

ohne gravierenden Unfall überlebt haben werden. Der grösstanzunehmende<br />

Unfall (GAU) – eine Kernschmelze mit vollständiger<br />

Freisetzung der Radioaktivität – trifft hoffentlich nie ein.<br />

Ausschliessen kann man diesen Fall aber nicht, zumal die Reaktoren<br />

immer älter werden. Kommt es in der Schweiz zu einem<br />

GAU – sei das durch menschliches und technisches Versagen,<br />

durch die tragische Verkettung unglücklicher Umstände<br />

oder einen gezielten Flugzeugabsturz durch Terroristen –, ist die<br />

Schweiz ruiniert. Mitte der 90er­Jahre hat das d<strong>am</strong>alige Bundes<strong>am</strong>t<br />

für Zivilschutz die Schadenskosten für den GAU ermittelt:<br />

4200 Milliarden Franken. Das sind – abgesehen vom unermesslichen<br />

menschlichen Leid und dem ökologischen<br />

Desaster – etwa siebzig Jahresbudgets<br />

der Schweiz.<br />

Das Risiko für ein solches Desaster<br />

tragen nicht die AKW­Betreiber<br />

und auch keine Versicherung der Welt.<br />

Der Staat übernimmt diese Risikoprämie<br />

und sorgt so für künstlich billigen<br />

Atomstrom. Wie billig dieser Strom<br />

tatsächlich ist, werden kommende Generationen<br />

erst wissen, wenn alle offenen Rechnungen für die<br />

unkalkulierbaren Atomrisiken beglichen sind.<br />

ARMIN BRAUNWALDER betreibt in Erstfeld (UR) ein Büro<br />

für Energie­Kommunikation.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011<br />

zur sache<br />

Silva Semadeni,<br />

Präsidentin <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong><br />

Der Ausstieg fordert auch<br />

unpopuläre Massnahmen<br />

In den kommenden Jahren blühen uns beispiellose Lobbying­Ak­<br />

tivitäten der Atomindustrie, bezahlt aus unseren Steuergeldern<br />

und Stromabgaben. Eigentlich eine Frechheit. Wir haben nicht ein­<br />

mal eine Antwort auf die alte Frage: «Wohin mit dem radioaktiven<br />

Atommüll?» Ich hoffe sehr, dass die <strong>Schweizer</strong>innen und Schwei­<br />

zer aller <strong>Pro</strong>paganda zum Trotz den Ausstieg aus dem gefährlichen<br />

und teuren Atomgeschäft wählen.<br />

<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> leistet ihren politischen und praktischen Beitrag für<br />

eine lebenswerte, erneuerbare Energiezukunft. Wir setzen uns mit<br />

befreundeten Verbänden politisch und fachlich für die Energie­<br />

wende ein. Wir produzieren selber Solarstrom und vermeiden un­<br />

nötigen Stromverbrauch. Ich kann mir die Schweiz im Solarzeital­<br />

ter gut vorstellen! Ich scheue mich aber nicht, zwei auf den ersten<br />

Blick vielleicht unpopuläre Meinungen auszusprechen.<br />

Erstens soll niemand glauben, allein mit Stromsparbirnen, Elekt­<br />

roautos, Wind­ und Solaranlagen sei die Arbeit schon getan. Wahr<br />

ist: Unser Lebensstil ist so verschwenderisch, dass er die Erde auf<br />

die Dauer zum unwirtlichen Ort machen würde. Nicht nur die Umweltschäden<br />

drohen zuzunehmen, sondern auch die Verteilkämpfe.<br />

Wir Menschen in der Wegwerfgesellschaft müssen mehr auf die Lebensqualität<br />

schauen und materiell bescheidener werden, viel bescheidener.<br />

Manche werden das als Herausforderung sehen. Anderen<br />

aber wird Bescheidenheit im Energiekonsum schwer fallen, so<br />

lange die Strom­ und Wärmerechnung so unverschämt niedrig ist.<br />

Deshalb brauchen wir Lenkungsabgaben auf Energie. D<strong>am</strong>it Spars<strong>am</strong>e<br />

profitieren, Verschwenderische drauflegen und der Energieverbrauch<br />

tatsächlich sinkt.<br />

<strong>Die</strong> zweite, manchmal unbequeme Wahrheit: Auch die Nutzung<br />

von Wind, Sonne, Holz und Wasser erfordert Eingriffe in die Natur.<br />

Viele <strong>Pro</strong>jekte sind rundweg erfreulich oder in einer Ges<strong>am</strong>tabwägung<br />

tolerierbar. Sie werden von <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> nicht in Frage gestellt.<br />

Bei einigen <strong>Pro</strong>jekten tragen wir mit Einsprachen dazu bei,<br />

dass sie naturverträglicher werden. Und wenige <strong>Pro</strong>jekte lehnt <strong>Pro</strong><br />

<strong>Natura</strong> als Anwältin der Natur ganz ab, weil sie im Verhältnis zum<br />

Ertrag einen zu grossen Schaden anrichten. Wir stellen fest, dass<br />

die Atomlobby solche Konfliktfälle auf durchsichtige Weise nun für<br />

ihre <strong>Pro</strong>paganda nutzt, so im Januar 2011 die BKW. Wir vertrauen<br />

aber im Bewusstsein unserer sorgfältigen Güterabwägung darauf,<br />

dass unsere Argumente verstanden werden. Denn der Mensch lebt<br />

nicht vom Strom allein.<br />

Susanne Schenker<br />

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