Die Schweizer Energiepolitik steht am Scheideweg - Pro Natura
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6 thema<br />
Erneuerbar ist<br />
nicht automatisch<br />
ökologisch<br />
Zwar produziert die Schweiz dank der Wasserkraft viel erneuerbaren Strom, doch nur<br />
ein kleiner Teil davon wird auch wirklich umweltverträglich hergestellt.<br />
Fotomontage energiebüro ag<br />
<strong>Die</strong> Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen erfor<br />
dert in den meisten Fällen einen Eingriff in die Natur. Das Aus<br />
mass der jeweiligen Beeinträchtigung hängt vom Standort sowie<br />
der Grösse und Art der Anlage ab. Der DreiSchluchtenStau<br />
d<strong>am</strong>m <strong>am</strong> Jangtsekiang in China führt uns als extremes Beispiel<br />
vor Augen, wie gewaltig solche Auswirkungen sein können. Hier<br />
wird zwar erneuerbare Energie aus Wasserkraft gewonnen, die<br />
Folgen für die Natur sind allerdings katastrophal. Erneuerbar<br />
kann also nicht von sich aus mit einer hohen Naturverträglichkeit<br />
gleich gesetzt werden.<br />
Jedoch kann erneuerbarer Strom in möglichst gutem Einklang<br />
mit der Natur produziert werden. Wenn die <strong>Pro</strong>duktionsanlagen<br />
strenge ökologische Anforderungen erfüllen, können die<br />
Betreiber diese in der Schweiz mit dem Label «naturemade star»<br />
zertifizieren lassen.<br />
Solaranlagen auf überbaubaren Flächen zum Beispiel erfüllen<br />
diesen Anspruch in den allermeisten Fällen ohne weiteres<br />
Zutun. Bei der Wasserkraftnutzung hingegen sind aufgrund des<br />
Solarkraftwerk St. Antönien (GR)<br />
Auf den Lawinenverbauungen über St. Antönien soll zukünftig<br />
Solarstrom in grösserem Umfang gewonnen werden.<br />
<strong>Die</strong> Ausgangslage ist vielversprechend, und eine Testanlage<br />
soll bald in Betrieb genommen werden. <strong>Die</strong> hohe<br />
Sonneneinstrahlung sowie die bereits vorhandene Infrastruktur<br />
und Erschliessung sind klare Standortvorteile.<br />
Geplant durch: energiebüro AG<br />
Betrieben durch: stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest<br />
Vorgesehene Leistung nach Ausbau: ca. 3,5 MW<br />
Erwartete durchschnittliche Jahresproduktion: ca. 4,5 GWh<br />
Deckt den Ges<strong>am</strong>tstrombedarf von ca. 580 Personen.<br />
Eingriffs in die Natur grössere Anstrengungen erforderlich: Neben<br />
dem Management der Restwassermengen und den Abflussschwankungen<br />
(Schwall und Sunk) müssen weitere Vorkehrungen<br />
in den Bereichen Stauraummanagement, Geschiebemanagement<br />
und Anlagengestaltung getroffen werden. Zudem muss<br />
der Betreiber einen Fonds für ökologische Verbesserungsmassnahmen<br />
einrichten. Nur wenn alle Kriterien erfüllt werden, kann<br />
der Strom als hochwertiger Ökostrom ins Netz eingespiesen<br />
werden.<br />
Boom auf erschöpfte Ressource<br />
Bei der Nutzung der Wasser und Windkraft eröffnen sich die<br />
grössten Zielkonflikte zwischen Naturschutz und der Nutzung<br />
erneuerbarer Energien. Bereits jetzt bewegt sich die Schweiz bei<br />
der Wasserkraftnutzung <strong>am</strong> ökologischen Limit. Über 90 <strong>Pro</strong>zent<br />
der in Frage kommenden Fliessgewässer werden bereits für die<br />
Stromgewinnung genutzt und sind entsprechend beeinträchtigt.<br />
Besonders in alpinen Gebieten gibt es kaum noch unbeeinflusste<br />
Gewässerstrecken. Nun hat aber der Bund einen Boom zur<br />
Nutzung dieser letzten unberührten Flussstrecken losgetreten:<br />
<strong>Die</strong> Einführung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV),<br />
ein Förderinstrument für den Ausbau erneuerbarer Energien, löste<br />
2009 einen neue Welle an Wasserkraftprojekten aus. Mehrere<br />
Hundert neue Kleinwasserkraftprojekte befinden sich heute in<br />
Planung oder Umsetzung.<br />
Öko-Gelder ohne Öko-Kriterien<br />
Verheerend ist vor allem, dass diese vermeintlichen ÖkoFördermittel<br />
an keine ökologischen Anforderungen gekoppelt sind. Hinzu<br />
kommt, dass von den rund 260 Millionen Franken, die jährlich<br />
zur Verfügung stehen und die wir alle mit einer Abgabe<br />
von 0,45 Rappen pro Kilowattstunde (KWh) Strom mitfinanzieren,<br />
die Hälfte für die Förderung der Wasserkraft vorgesehen ist.<br />
Eine Technologie, die mehr als einhundert Jahre alt und in der<br />
Schweiz bereits massiv ausgebaut ist. Zukunftsträchtigere Technologien<br />
erhalten hingegen weitaus weniger Fördergelder: So<br />
sind für die Photovoltaik, bei der zudem kaum Zielkonflikte mit<br />
dem Umweltschutz bestehen, nur gerade zehn <strong>Pro</strong>zent der KEV<br />
Fördergelder reserviert.<br />
<strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Magazin 2/2011