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Predigt-Weißer-Sonntag-08.04.18

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<strong>Predigt</strong> <strong>Weißer</strong> <strong>Sonntag</strong> <strong>08.04.18</strong>, 2. So. der Osterzeit<br />

Lesejahr A (Lev 25,1-7: Sabbatjahr; Kor 15,1-11; Lk 24,13-35 Emmaus)<br />

Heute gehen in NRW die Osterferien für die Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte zu ende,<br />

und morgen geht die Schule geht wieder los. Ein Grund zur Freude – wenigstens für die meisten<br />

Eltern.<br />

Doch für uns Jüngerinnen und Jünger Jesu – das griechische Originalwort für „Jünger“ ist mathetai,<br />

und bedeutet „Schüler“ – geht der Unterricht heute schon los, indem unser Lehrmeister Christus,<br />

unser „innerer Lehrer“, wie ihn Augustinus nennt, uns aus unserem Lehrbuch, dem Evangelium, eine<br />

Lektion erteilt zur Frage: „Was ist der österliche Mensch?“<br />

Wir müssen uns gar nicht „mal ganz dumm stellen“, wie die berühmte pädagogische Aufforderung in<br />

der Feuerzangenbowle lautet, sondern wir dürfen freimütig gestehen, dass wir in Sachen „österliche<br />

Freude“ noch alle etwas lernen können.<br />

Wenn man genau hinhört bzw. hinschaut, so teilt das Evangelium die Strecke der 60 Stadien von<br />

Jerusalem zum nicht näher bekannten Dorf Emmaus in vier Etappen oder Meilensteine ein.<br />

60 Stadien entsprechen heute mehr als 30 km, was für einen Tag eine stramme Wanderleistung ist,<br />

wie Daniel, als er zur Vorbereitung unserer Fußwallfahrt im Mai die Strecke nach Werl in weiser<br />

Voraussicht schon mal ablief, neulich schmerzhaft am eigenen Leib herausfinden durfte<br />

Wir wollen einmal Jesus und die Jünger auf ihrem Weg entlang der vier Meilensteine begleiten. Allen<br />

Meilensteinen lassen sich symbolische Namen geben, die bezeichnen, was dort geschieht.<br />

1. Meilenstein: trauern<br />

Der Evangelist Lukas beschreibt mit wenigen Worten recht klar, wie es um die nach Emmaus<br />

wandernden Jünger bestellt ist. Sie haben den klassischen Tunnelblick der Traurigen und<br />

Traumatisierten, die allein sich in ihrer Traurigkeit sehen können und sonst nichts:<br />

So heißt es in V. 16 „Doch ihre Augen waren gehalten“ (οἱ δὲ ὀφθαλμοὶ αὐτῶν ἐκρατοῦντο ...) mit<br />

der Folge, „dass sie ihn“, also Jesus, „nicht erkannten“ (… τοῦ μὴ ἐπιγνῶναι αὐτόν).<br />

Ferner V. 17 „ Da blieben sie mit düsterer Miene stehen“ (καὶ ἐστάθησαν σκυθρωποί), was hier<br />

besser als in der Einheitsübersetzung übersetzt ist, die bietet: „Da blieben sie traurig stehen“.<br />

Denn die „düstere Miene“ entsteht durch eine gewisse Starrheit der Mimik, die wiederum Ausdruck<br />

einer tiefen Depression oder sogar Schizophrenie sein kann und als Katatonie sogar bis zur<br />

Verkrampfung des ganzes Körpers führen kann.<br />

Den Grund der Düstermiene gibt gefühlsmäßig nachvollziehbar V. 22 an: „Einige Frauen haben uns in<br />

Schrecken versetzt“.<br />

Als ob das nicht schon reicht, müssen sich die – allen Anzeichen nach – verschreckten Jünger von<br />

Jesus auch noch einen Vorwurf anhören: „Ihr seid … trägen Herzens“ (V. 25: βραδεῖς τῇ καρδίᾳ).<br />

Nein, das ist weder fair noch christlich, Trauenden ihre Trauer vorzuwerfen und Verschreckten ihren<br />

Schrecken. Dabei machen die Jünger im Grunde schon bereits das Beste, was sie in ihrer Lage tun<br />

können, denn sie bilden eine kleine ambulante Selbsthilfegruppe.


2<br />

2. Meilenstein: verkünden<br />

Die Jünger verkriechen sich nicht und schließen sich nicht niedergeschlagen zuhause ein.<br />

Sondern V. 14 sagt es: „Sie redeten miteinander“ (ὡμίλουν πρὸς ἀλλήλους).<br />

Für das Verb „reden“ gibt es im Griechischen mehrere Möglichkeiten 1 . Hier heißt es „ὡμίλουν“,<br />

woraus das „Homilie“ abgeleitet ist, was ein Fachausdruck für die „Verkündigung“ ist, also für die<br />

<strong>Predigt</strong>.<br />

Es hört sich so an und verwundert nicht, dass sie sich wechselseitig immer wieder neu „verkünden“,<br />

was da gerade in Jerusalem passiert ist. Daher können sie auch gar nicht glauben, dass ihr<br />

unbekannter Wandergefährte wohl der einzige Mensch weit und breit sein muss, der es noch nicht<br />

gehört hat (vgl. V. 18). Also verkünden sie auch ihm nochmals ausführlich, was sich Ostern ereignet<br />

hat (V. 19-24).<br />

Dass sie nicht recht wissen, wie sie das Geschehene deuten sollen, wird überdeutlich; aber auch,<br />

dass sie es nicht fassen können. Das Nicht-wahrhaben-Wollen der eigenen Katastrophe ist nach der<br />

bekannten Schweizer Trauerforscherin Elisabeth Kübler-Roos die erste der fünf Phasen, die<br />

Trauernde wie auch todkranke Menschen bis zur möglichen Fügung in das Unvermeidliche<br />

durchlaufen. Die Jünger sind verständlicherweise noch am Anfang ihrer Trauerarbeit, so frisch ist das<br />

gerade Geschehene. Sie quälen sich noch herum mit der Frage nach dem Warum?<br />

3. Meilenstein: erkennen<br />

Um darauf eine Antwort zu bekommen, brauchen sie die Hilfe ihres geistlichen Begleiters, der sich<br />

glücklicherweise als sach- und schriftkundig erweist, so dass er den Jüngern eine erste<br />

Verstehenshilfe leisten kann.<br />

Dies wird in V. 27: beschrieben : „Er legte ihnen die Schriften aus“, im griechischen Original steht<br />

διερμήνευσεν, wovon der in der Wissenschaft geläufige Begriff „Hermeneutik“ abgeleitet ist, der die<br />

Kunst der Interpretation und Auslegung von Texten meint. Er bringt sie somit auf den richtigen Weg,<br />

die Ereignisse im Licht der ihnen bekannten Schriften des Alten Bundes zu deuten.<br />

Dieser Meilenstein wird den Jüngern zugleich zur Wendemarke ihres Verstehens und Begreifens. Ihr<br />

„träges Herz“ (V. 25) beginnt, Feuer zu fangen, so dass sie rückblickend sagen können: „Brannte<br />

nicht unser Herz?“ (V. 32: οὐχὶ ἡ καρδία ἡμῶν καιομένη ἦν).<br />

Mit dem Kopf oder Verstand konnten sie nicht verstehen, was Ostern passiert ist. Sondern erst, indem<br />

sie mit dem Herzen begreifen und es im Licht ihres eigenen Lebens deuten, können sie es sich<br />

persönlich erschließen. Ein „learning by heart“, wie es im Englischen heißt. Denn der österliche<br />

Glaube ist wenig geeignet, um andere argumentativ davon zu überzeugen. Ostern muss erfahren<br />

werden.<br />

Um zu verstehen, was Ostern in Jerusalem passiert ist, dürfen und müssen wir uns also fragen, wo<br />

wir eine Kehrtwende in unserem Leben vom dunkeln Tunnel hin zum Guten erfahren haben.<br />

Wo hat uns der Glauben zu unserer österlichen Erfahrung mit dem Auferstandenen geführt?<br />

1 In dieser Perikope werden angeboten: εἶπεν (V. 17), λέγουσαι (V. 23) / οἳ λέγουσιν + λέγοντας<br />

(V. 34) und διερμήνευσεν (V. 27).


3<br />

Manchmal geht dieser Weg nicht am Erkennen von schwerer Schuld vorbei, sei der der eigenen<br />

Schuld oder sei es der Schuld, in die wir unabsichtlich verstrickt wurden. Gott ist wie ein liebender<br />

Vater, der uns einen Neuanfang ermöglicht. Christus hat diese unsere Schuld auf sich geladen.<br />

Diese Last ist mit der Auferstehung von uns gefallen, wir dürfen wirklich frei und ohne Angst und<br />

Schrecke leben. Selbst dem Tod, dem absoluten Vernichter allen Lebens, ist der Stacheln gezogen.<br />

Dies zu erkennen und zu bekennen, heißt glauben.<br />

4. Meilenstein: glauben und bekennen<br />

Der zweite sachdienliche Hinweis, der den Jüngern, also uns, endgültig die Augen öffnet, ist<br />

nonverbaler Art: Als er das Brot brach, „wurden ihnen die Augen aufgetan, und sie erkannten ihn (V.<br />

30f). Sie erkennen in also beim Brotbrechen.<br />

„Brotbrechen“, das ist eine sehr alte Bezeichnung für die Eucharistie. Sie verlangt ähnlich wie die<br />

Auferstehung von uns einen starken Glauben. Ja, die Hingabe Jesu am Kreuz und im Brot sind zwei<br />

Seiten derselben Münz und der Kern des christlichen Glaubens. Denn das Opfer Christi ist eine<br />

Einheit: das blutige Opfer am Kreuz und das unblutige Opfer am Altar.<br />

Am Ende sind die Jünger von ihrer Depression geheilt, als sie bei der fünften Trauerphase nach<br />

Kübler-Roos ankommen: der Zustimmung. Sie haben dank der Unterweisung durch Jesus und kraft<br />

eigenen Erfahrung verstanden, dass der Tod Jesu am Kreuz durch seine Auferstehung einen Sinn<br />

ergibt. Der Tod hat nicht das letzte Wort, sondern das Leben.<br />

Voller Freude über ihr neues Verstehen laufen die Jünger ins Leben zurück, um es allen in Jerusalem<br />

mitzuteilen: „Der Herr ist tatsächlich auferweckt worden“ (V. 34).<br />

Wie werden wir von unserem heutigen Brotbrechen nach Hause gehen?<br />

Freuen wir uns, dass wir dem Herrn begegnet sind?<br />

Was werden wir anderen auf dem Weg zu erzählen haben von der österlichen Hoffnung, die uns<br />

bewegt (1 Petr 3,15)?<br />

Amen!<br />

Ralf Blasberg, Diakon

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