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Ana does not live here anymore - Claudia Sacher

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<strong>Ana</strong> wohnt hier nicht mehr ... /<br />

<strong>Ana</strong> <strong>does</strong> <strong>not</strong> <strong>live</strong> <strong>here</strong> <strong>anymore</strong> ...<br />

Vor einigen Jahren begegnete ich <strong>Ana</strong>, d.h. eigentlich nicht ihr selbst, –<br />

vielmehr besuchte ich jene Räume, von welchen Bekannte gesagt hatten, <strong>Ana</strong><br />

lebe dort. In Person war <strong>Ana</strong> nicht in dieser sonderbaren Behausung, aber<br />

ihre Koffer standen dort, dort lagen ihre Kleider auf dem Bett, ihr Fernglas,<br />

verschiedene Werkzeuge waren da, gerade so, als hätte sie den Ort nur für<br />

kurze Zeit verlassen.<br />

Eine richtige Wohnung konnte man diese Stätte nicht nennen, es war<br />

mehr ein Platz, ein Unterschlupf auf einem aufgelassenen Zechengelände,<br />

– Zollverein –, Bergleute hatten dort ehedem wohl eine Sauna für sich<br />

eingerichtet, im Untergeschoß der alten Kohlenwäsche. Rätselhafte, chimären-<br />

artige, aus Wachs und Mullbinden modellierte Figuren, Mumien nicht unähn-<br />

lich, gab es in <strong>Ana</strong>s Refugium und die Wände der halb unterirdischen Räume<br />

waren mit Graffitti und Wandmalereien bedeckt, die an die phantastischen,<br />

skurrilen Figuren der Romantiker und Alfred Kubins erinnerten.<br />

Kaspar Hauser, die gespenstischen Figurationen einer Germaine Richier,<br />

Erinnerungsfetzen aus unterschiedlichen Zeitschichten und kulturgeschicht-<br />

lichen Zusammenhängen schienen diese verlassene Grabkammer zu bevölkern,<br />

tauchten wie Motten im Lichtkegel der Taschenlampen mancher Besucher<br />

auf.<br />

Obwohl ich „<strong>Ana</strong>’s place“ mehrfach besuchte, begegnete ich ihr nie<br />

persönlich, wohl aber einer Künstlerin namens <strong>Claudia</strong> <strong>Sacher</strong>, die <strong>Ana</strong> ange-<br />

blich zum Verwechseln ähnlich sah, eng mit ihr befreundet war, als <strong>Ana</strong>s<br />

„alter ego“ wurde von ihr gemunkelt, – ihre Schwester? Später einmal erhielt<br />

ich einen Brief, – Poststempel 17. 8. 94 Essen –, statt eines Absenders stand<br />

auf dem Kuvert: „gefunden auf den Gleisen der Zeche Zollverein am 30. 7. 94<br />

während der Ausstellung Abraum, von einer unbekannten Person.“<br />

Der Inhalt war nahezu unverständlich: „29/7/94, 26,6 Grad zuhause 11:U4“<br />

stand da, und<br />

„Callithea saphira Hübner<br />

Sie lag auf der Lauer.<br />

Aus ihrem aufgerissenen Mund,<br />

der einem Maul glich, spie sie<br />

Fluche und Beschimpfungen“,<br />

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