Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Serie und Reportage I Der Umgang mit dem Jagdtrieb<br />
Der jagende Hund:<br />
ein arbeitsloser Spezialist<br />
Die Augen suchen hochkonzentriert die Umgebung ab – angespannte Muskeln und zitternde Nüstern zeigen die pure<br />
Jagdlust. Wie von Furien gehetzt sprintet der Hunde unkontrolliert los. Abruf? Zu diesem Zeitpunkt völlig zwecklos.<br />
Teil dieses Szenarios ist häufig ein Mensch, der zurückgelassen<br />
dasteht, mit auf ihn einprasselnden Emotionen wie Verzweiflung,<br />
Wut, Hilflosigkeit, Angst, Ungeduld. So geht es vielen<br />
Hundebesitzern, die einen „jagdtriebigen“ Hund haben. Als Folge<br />
dessen breitet sich die Frustration über das unerwünschte<br />
Jagdverhalten aus. Auf der anderen Seite ist es genau dieser<br />
Jagdtrieb, der bei vielen unserer Hunde nicht nur vormals überlebensnotwendig<br />
war, sondern auch noch heute ihrer natürlichen<br />
Berufung entspricht.<br />
Der Hund als arbeitsloser Spezialist<br />
Jagdhunde und/oder jagdlich motivierte Hunde finden sich –<br />
gerade in der heutigen Zeit – auch als normale Familienhunde<br />
ohne jagdliche Führung wieder. Sie erfreuen sich aufgrund ihrer<br />
Schönheit immer größerer Beliebtheit und haben ihren Platz<br />
beim Jogging, Radfahren, in der Reitbegleitung oder im Hundesport.<br />
Natürlich auch bei ihren Menschen auf der Couch.<br />
Jagende Hunde sind nicht nur aktive, ausdauernde Hunde, sie<br />
sind außerdem arbeitsfreudig und lernen aufgrund ihrer Intelligenz<br />
schnell dazu. Wenn man genauer hinschaut, wurden sie<br />
früher als Arbeitshunde, mit all ihrem jagdlichen Ehrgeiz, genauso<br />
gezüchtet: intelligent, niemals arbeitsscheu, triebreich<br />
und ausdauernd. Genau hier kollidieren die Wünsche von „nichtjagenden“<br />
Menschen manchmal mit den Wünschen und Bedürfnissen<br />
des Hunds. Er zeigt grundsätzlich gewolltes, zu förderndes<br />
jagdliches Verhalten, doch sein Mensch fühlt sich zeitweise<br />
überfordert und bewertet dieses Verhalten als störend, peinlich<br />
und unerwünscht. Eine falsche, aber noch sehr verbreitete Methode,<br />
des Jagdtriebs Herr zu werden, ist, dass dieses „Fehlverhalten“<br />
durch konventionelles, restriktives Antijagdtraining verboten<br />
werden soll.<br />
Was fehlt, sind die Beschäftigungen der Hunde, ihren Anlagen<br />
entsprechend, und eine konsequente Erziehung. Immer liebevoll<br />
und nie zu streng, denn so kann leicht aus einem frustrierten<br />
Familienhund ein Nervenbündel werden. Überdrehtheit, Leinenaufgeregtheit<br />
bis in die Leinenaggression, ausgeprägtes,<br />
unkontrolliertes Jagdverhalten gegenüber Tieren, Menschen<br />
oder anderen sich bewegenden Reizen sowie Aggressionen und<br />
Zerstörungswut können die gewünschte Idylle in weite Ferne<br />
rücken lassen.<br />
Der Jagdtrieb ist ein unbewusster Verhaltensvorgang, der nicht<br />
willentlich vom Hund gesteuert werden kann – weder hat er<br />
Hunger noch gehört der Jagdtrieb ins Aggressionsverhalten.<br />
Durch die Ausschüttung bestimmter Hormone wie Dopamin und<br />
Endorphin verspürt der Hund eine Art Hochgefühl, es handelt<br />
sich um ein selbstbelohnendes Verhalten. Dies ist für ihn so berauschend,<br />
dass er es immer wieder erleben möchte, was bedeutet,<br />
dass währenddessen Leckerli oder Ballspiel für ihn völlig<br />
uninteressant sind.<br />
Der Jagdvorgang ist ein Puzzle<br />
Das Jagdverhalten ist angeboren und somit normales Verhalten<br />
des Hundes. Dennoch unterscheiden sich die Art und Weise<br />
der Jagdsequenzen, je nach Rasse und Persönlichkeit, in<br />
unterschiedlichem Ausmaß. Ein Jagdvorgang beinhaltet viele<br />
verschiedene Puzzleteile: Orientierungsverhalten, Anschleichen,<br />
Verfolgen, Festhalten, Töten, Zerbeißen, Fressen. Beispielsweise<br />
ist das Apportieren der Beute beim Retriever ein<br />
kleines Puzzleteil, aber er darf die Beute nicht töten. Der Border<br />
Collie zeigt beim Hüten eine verstärkte Jagdsequenz, aber<br />
Beschäftigung als Antwort<br />
Wieso ist dies, in meiner Wahrnehmung, falsch? Wenn wir diese<br />
Beschränkungen in unsere Menschenwelt übertragen würden,<br />
würde uns beispielsweise die Schokolade, das Lesen und<br />
der Sport verboten werden. Jagdlich motivierte Hunde machen<br />
nur das, wofür sie als natürliche Beutegreifer stehen, auch, wenn<br />
dies für uns eine Herausforderung bedeuten kann.<br />
Carina Conrad mit ihrer Hündin<br />
Divina.<br />
18<br />
<strong>Nippers</strong> 1/<strong>2018</strong> I Region A