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Ad Libitum - Monier

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Arte obligate<br />

Im Jahre 1972 schreibt der amerikanische Künstler Robert Smithson im Katalog zur Kasseler Documenta<br />

5 folgende Bemerkungen in seinem Katalogbeitrag:<br />

,,Erst wenn ein Kunstwerk neutralisiert, unschädlich, abstrakt, ungefährlich gemacht und politisch<br />

wirkungslos ist, ist es bereit, von der Gesellschaft verzehrt zu werden. Sobald der Kulturapparat ein<br />

Kunstwerk für gut erklärt, heißt das, daß dieses Werk total wirkungslos geworden ist. Es ist reduziert, auf<br />

den Stand visuellen Futters und transportabler Ware gebracht. Innovation ist nur dann erlaubt, wenn<br />

sie diesen Eingrenzungsprozeß bestätigt.“ 1<br />

Die Frage nach dem Sinn einer Kunst in einer spätkapitalistischen Erlebnisgesellschaft stellt sich heute<br />

dringender denn je. Eine Ausstellung junger Kunst unter dem Titel ,<strong>Ad</strong> libitum‘, übersetzt aus dem<br />

Lateinischen ,nach Belieben‘, scheint diese Frage noch dringender einer Beantwortung zuzuführen<br />

müssen. Auf einer Ebene läßt sich das ,<strong>Ad</strong> libitum‘ schnell verständlich machen. Diese Ebene bezieht<br />

sich auf die unterschiedlichen Artefakte der beteiligten Künstler, denen auf den ersten Blick eben<br />

kein Zusammenhang zu eigen ist. Das ist eine Verfahrensweise, die irritiert, weil sie sich gegen die<br />

üblichen thematischen Vorgaben stellt. Der Rezipient, das Publikum, angesichts der Formenvielfalt<br />

zeitgenössischer Kunst schon von vornherein überfordert, verlangt nach Ubersicht und Klarheit und die<br />

willfährigen Kuratoren sind gerne bereit, ihm das zuzugestehen. Dabei allerdings tritt ein Widerspruch<br />

auf, der in einem engen Zusammenhang steht mit der zeitgenössischen Kunst. Entgegen landläufigen<br />

Vorstellungen kennt die Kunst der Gegenwart eben kein durchgängiges Thema. Die Formen sind<br />

so unterschiedlich wie deren Bezüge auf spezifische Themata. Die Ubersicht besteht allenfalls in<br />

der Anerkenntnis dieser unterschiedlichen Formen. Der ordnende Eingriff führt in vielen Fällen zur<br />

Instrumentalisierung des künstlerischen Werkes für Zwecke, die dem jeweiligen Werk nicht zukommen.<br />

Allerdings muß zugestanden werden, daß die Zurschaustellung des bloßen Pluralismus ebenfalls eine<br />

Sackgasse bedeutet. So bleibt die Darstellung zeitgenössischer Kunst eine Gratwanderung zwischen<br />

Beliebigkeit und lnstrumentalisierung. Diese Gratwanderung aber stellt auch die Frage nach dem<br />

Stellenwert der Kunst heute, die Robert Smithson 1972 auf seine Weise beantwortet hat. Die Frage im<br />

Anschluß an Smithson kann folgendermaßen formuliert werden: Ist Innovation möglich innerhalb des<br />

Eingrenzungsprozesses oder muß sie diesen Eingrenzungsprozeß negieren?<br />

Eine Antwort darauf gibt die Ausstellung ,<strong>Ad</strong> libitum‘. Negiert sie den Eingrenzungsprozess oder<br />

arbeitet sie mit ihm? Zur Beantwortung der Frage müßte vorderhand die Bedeutung des Begriffs<br />

,Eingrenzungsprozeß‘ geklärt werden. Smithson gibt einen Hinweis darauf, indem er von Kulturapparat<br />

spricht. Heutzutage würde man wohl eher von Kunstindustrie2 oder Erlebnisgesellschaft3 reden.<br />

Die Erlebnisgesellschaft ist kennzeichnendes Moment zeitgenössischer Gesellschaftssysteme in der<br />

westlichen Hemisphäre. Der Begriff der ,Kunstindustrie‘ hat demgegenüber seine wichtige Bedeutung<br />

verloren, stand er doch in einem engen Konnex mit dem Kunstboom der achtziger Jahre, der heute<br />

nur noch als verblaßter Silberschein am Horizont wahrnehmbar ist. Die derzeitige Rezession in den<br />

hochentwickelten Ländern des Westens ist keinesfalls nur ökonomisch bedingt, sondern deckt auch<br />

strukturelle Defizite auf, die allein über eine beginnende Hausse nicht zu lösen sind. Allerdings kennt<br />

die Kunstindustrie auch in ihre den derzeitigen Marktgesetzen angepaßten Strukturen gleichfalls<br />

Ausschließungsprozesse. Diese wiederum fördern spezifische Widerstandspotentiale bei den<br />

Künstlern selber. Selbsthilfe- und Produzentengalerien sind nur ein Ausdruck dafür. Darüberhinaus ist<br />

die Thematisierung des Betriebssystem Kunst, die ihren Ursprung in der amerikanischen ,Institutional<br />

critique‘ hatte, ein weiteres Zeichen dafür. 4<br />

,<strong>Ad</strong> libitum‘ ist demgegenüber eine indirekte Kritik des Betriebssystem Kunst, weil die Ausstellung<br />

als Produkt der Produzenten, der Künstler selbst den Kurator in den Hintergrund drängt. Sie mag von<br />

daher den Eingrenzungsprozeß in gewissen Aspekten negieren, aber sie spielt auch mit den Prozessen<br />

der Ausschließung. Das wird deutlich im ad libitum der unterschiedlichen künstlerischen Ansätze in der<br />

Ausstellung. Wollte man dennoch einen Generalnenner für diese Ansätze benennen, dann fände der<br />

sich im Verhältnis von Bild zum Raum. Bild ist dabei ein generalisierender Begriff ebenso wie der Begriff<br />

Raum. Der konkrete Raum ist der des Kunstvereins Kassel. Die konkreten Werke sind von Stefan Beck/<br />

Patrick Huber, Armin Bremicker, Thomas Emde, Ute Lindner, Ralf-Peter Michna und Günther Rost.<br />

Im ersten Raum, neben dem Foyer, präsentieren sich die Werke von Beck/Huber, Bremicker und

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