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Christian Rottler & Galakomplex: Dringlichkeit geht immer – eine Dokumentation

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2


<strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong> &<br />

<strong>Galakomplex</strong>:<br />

<strong>Dringlichkeit</strong><br />

<strong>geht</strong><br />

<strong>immer</strong><br />

3


<strong>Galakomplex</strong> (von links nach rechts):<br />

Produzent Mario Weise, Gitarrist Jan Frisch,<br />

Schlagzeuger Fabian Stevens, Bassist<br />

Boris Nielsen und Sänger <strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong>.<br />

4


5


<strong>Galakomplex</strong><br />

und das Album<br />

„<strong>Dringlichkeit</strong> <strong>geht</strong> <strong>immer</strong>“<br />

Es begann als Zwei-Mann-Combo im Winter 2006.<br />

Rund zwei Jahre musiziert <strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong><br />

gemeinsam mit dem Songwriter Jan Frisch, der<br />

<strong>Rottler</strong>s Lo-Fi-Songs mit <strong>eine</strong>m melodiösen Unterund<br />

Überbau bereicherte. Nach und nach bildete sich<br />

die Band <strong>Galakomplex</strong> um diese Arbeitsgemeinschaft,<br />

die im Jahre 2008 gemeinsam mit dem<br />

Produzenten Mario Weise (Marlow) das<br />

Album mit dem Arbeitstitel„Augenrändercharme“<br />

fertigstellte.<br />

<strong>Galakomplex</strong> sind/waren:<br />

Jan Frisch an der Gitarre, der Kontrabassist Boris<br />

Nielsen (Käptn Peng & Die Tentakel Von Delphi,<br />

Feindrehstar), der Posaunist Veit Rudhardt und die<br />

zwei Schlagzeuger Fabian Stevens (Alin Coen Band)<br />

und Vincent Hammel.<br />

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<strong>Galakomplex</strong> steht für ungewöhnliche Arrangements<br />

mit Referenzen zu Pop, elektronischer Musik<br />

und Jazz. Aufgrund des Umgangs mit der deutschen<br />

Sprache ist die Hamburger Schule ebenfalls als<br />

Referenz zu sehen. <strong>Galakomplex</strong> löste sich im Herbst<br />

2009 auf. Das Album „Augenrändercharme“<br />

liegt seitdem unveröffentlicht in der Schublade...<br />

Es ist<br />

also<br />

stündlich<br />

mit<br />

<strong>eine</strong>r<br />

Reunion<br />

zu<br />

rechnen.<br />

Update: Im Sommer 2018 wird<br />

„Augenrändercharme“<br />

unter dem Namen<br />

„<strong>Dringlichkeit</strong> <strong>geht</strong> <strong>immer</strong>“<br />

auf dem Label<br />

Rotte ersch<strong>eine</strong>n.<br />

7


Tracklist<br />

1. Feuer<br />

2. Haute Culture<br />

3. Wasser hat ein Gedächtnis<br />

und schlägt mir gegen die Schädelwand<br />

4. Freesolo Freihand<br />

5. 4:33<br />

6. Proust ist mein Leben,<br />

doch es langweilt mich sehr<br />

7. Tatenlos<br />

8. Wind<br />

9. Schön, wenn man beim Ficken zu zweit ist<br />

10. Schlichte Perfektion<br />

11. Die Liebe zur Gefahr<br />

12. Crash after crash<br />

8


9<br />

Der zweite Schlagzeuger von <strong>Galakomplex</strong>:<br />

Vincent Hammel.


Stimmen<br />

zur Platte<br />

10


P e t e r<br />

Armster:<br />

Am offenen<br />

Herzen:<br />

Auf der Suche nach Bier<br />

kurz vor Mitternacht<br />

in <strong>eine</strong>r Großstadt<br />

oder<br />

<strong>eine</strong> Liebesgeschichte<br />

mitten aus der Musikindustrie<br />

11


Man muss sich bei einigen Zusammenkünften<br />

unweigerlich fragen, wie konnte es so weit kommen<br />

<strong>–</strong> in dem Fall zu <strong>eine</strong>m Vertriebsdeal. Man<br />

muss dazu wissen, Vertriebsdeals kommen wirklich<br />

auf unmögliche Arten zustande. Eine übernommene<br />

Rechnung im Lieblingsrestaurant, ein<br />

Meeting mit Restalkohol auf <strong>eine</strong>r Musikmesse<br />

mit allen Pros (und Cons) der Industrie; mit<br />

ambitionierten Künstlern, denen man den Deal<br />

rüberschiebt, weil man auch einfach nicht mehr<br />

warten möchte und endlich <strong>eine</strong> Banane und ein<br />

Konterbier inhalieren will. So sieht das oft aus.<br />

Manchmal aber auch noch wesentlich schl<strong>immer</strong>.<br />

Rotte und ich sind auch so ein Fall. Euch wird er<br />

als <strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong> in Kürze angekündigt<br />

worden sein. Mir ist er entgegengestolpert, als<br />

Martin Henkel von Connaisseur Recordings mir<br />

<strong>eine</strong> MP3 mit dem vielversprechenden Titel<br />

„Fickenzu3“ schickte. Die Antwort hierzu ist ja<br />

so banal, wie es sich der Leser der Zeilen denken<br />

kann. Erstens klick ich alles mit „Ficken“ an.<br />

Zweitens ist es ein offenes Geheimnis, dass man<br />

nicht mehr Journalisten für gute Rezensionen<br />

in <strong>eine</strong>m Magazin besticht, sondern den Typen<br />

beim Vertrieb, der <strong>eine</strong>n Marktzugang bescheren<br />

kann. Mein Chef ist davon hochgradig angetan,<br />

weil ich ihm schon ewig nicht mehr mit Gehaltsforderungen<br />

auf den Sack gegangen bin. Eine<br />

Martin Henkel von Connaisseur Recordings.<br />

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Win-win-Situation für alle, und m<strong>eine</strong>n Kurs für<br />

<strong>eine</strong>n Deal muss der ja auch nicht kennen. Dann<br />

gibt es aber auch Ausnahmen und von diesen soll<br />

dieser anekdotisch verfasste Text handeln.<br />

Wie gesagt, „Ficken“<br />

klick ich natürlich <strong>immer</strong> an. Ich höre also<br />

den <strong>eine</strong>n betörenden Move-D-Remix. „Marionetten<br />

und Beischlaf, therapeutisch gedacht“.<br />

Obwohl mir bewusst ist, dass ich hier gerade<br />

jedwede niemals vorhandene Kredibilität m<strong>eine</strong>r<br />

Tätigkeit verzocke, frage ich m<strong>eine</strong> Freunde auf<br />

Facebook, woher denn diese Fickenzu3-MP3<br />

kam.<br />

mir wurde schnell geholfen und ab da war<br />

ich in Kontakt mit <strong>eine</strong>m wunderbaren <strong>Christian</strong><br />

<strong>Rottler</strong>, so sollt ihr ihn ja nennen, demnächst.<br />

Die Banalitäten wie das Abtasten wie bei <strong>eine</strong>m<br />

ersten Date mal außen vor, war es von Beginn an<br />

<strong>eine</strong> Liebesbeziehung. Ich hatte ein Album bekommen<br />

und schnell Lieblingszitate aus diesem<br />

Album; ich verschickte einzelne Songs und versicherte<br />

mich bei Freunden, wie richtig und gut<br />

diese Lieder sind. Rotte hat <strong>eine</strong>n s<strong>eine</strong>r Tracks<br />

(„Chlor, Jod und Tenside“) auf Soundcloud mit<br />

„<strong>Dringlichkeit</strong> <strong>geht</strong> <strong>immer</strong>“ betitelt.<br />

Genau diese <strong>Dringlichkeit</strong><br />

klopfte mir nun gegen die Brust.<br />

13


Lieber sauber und dann leise<br />

Diese Reise schmeckt nach Terpentin<br />

Diese Lippen will man küssen<br />

so als spröden Hauptgewinn<br />

Schlechte Ideen kommen<br />

meist so nebenbei<br />

und so am Boden<br />

wäre man gerne high<br />

Ein ganzes Album, das vor Lieblingszitaten nur<br />

so strotzt. Man möchte drin baden, möchte in<br />

permanentes „Jawollja“-Rufen verfallen. Darf<br />

man aber nicht, weil Zurückhaltung <strong>eine</strong> Tugend<br />

ist, die geübt und zelebriert sein will. Wofür hat<br />

man denn sonst studiert und sich verschuldet?<br />

Und dann kommen die Fragen, woher kam<br />

diese verheiratete Frau? Wieso können wir niemals<br />

nie zurück? Können „flennwarme Wangen“<br />

glühen? Das ist wichtig! Wer hat die Hepatitis<br />

C verschwiegen, weil die Geigen im Himmel<br />

die Vernunft übertönten und die Romantik so<br />

schmerzhaft und kompromisslos zuschlug?<br />

Manchmal <strong>–</strong> so banal ist das Leben dann am<br />

Ende doch <strong>–</strong> fängt es mit <strong>eine</strong>r MP3 an, die<br />

mit „Ficken“ betitelt ist. Das ist so unendlich<br />

Wschlicht, aber natürlich klickt man das an.<br />

In der Videothek hing man ja früher auch<br />

wenigstens drei bis sechs Sekunden am Cover<br />

von „Arschmaloche Teil 1“ fest.<br />

14


Ich bin davon überzeugt, dass es mit der Musik<br />

ist wie mit den besten Büchern:<br />

„In dem Moment, da wir von etwas berührt<br />

werden <strong>–</strong> zum Beispiel wenn wir ein großartiges<br />

Musikstück hören <strong>–</strong>, erscheint uns die Welt als<br />

sinnvoll. Umgekehrt ist es aber nicht so, dass uns<br />

die Sinnhaftigkeit <strong>eine</strong>r Sache schon zu berühren<br />

vermag“, schreibt Hartmut Rosa <strong>–</strong> kann ich bitte<br />

in m<strong>eine</strong>m nächsten Leben auch so heißen?<br />

Diese Musik, also <strong>Rottler</strong> s<strong>eine</strong>, ist so schön,<br />

dass man sich unweigerlich und <strong>immer</strong>zu fragt,<br />

was wünscht man ihr? Sie für sich zu behalten<br />

oder ihr die große Bühne zu gönnen?<br />

Wenn dieses Album <strong>eine</strong>s kann, dann den vollendeten<br />

Liebesegoismus, der <strong>immer</strong> richtig ist<br />

und ein Pochen im Herz hinterlässt, zu zementieren.<br />

Denn Musik ist am besten, wenn sie am<br />

schlimmsten schmerzt. Da bin ich gern pathetischer<br />

Onkel, getränkt vom Weltekel und Weltschmerz.<br />

Am Ende will ich doch auch nur, dass<br />

jemand blutet. Und am offenen Herzen operiert<br />

es sich bekanntlich am schönsten. Herz her und<br />

die Hose runter.<br />

Vorhang,<br />

applaus,<br />

Zugabe und ab.<br />

Danke, lieber Rotte. Blutrote Augen und sich die<br />

Lichter ausblasen. Irgendwie ist das mit uns was<br />

für <strong>immer</strong>.<br />

15


16


Mathias<br />

Ellwanger:<br />

www.<br />

zeittotschlaeger.blogspot.<br />

com<br />

Kaum ein Album habe ich im vergangenen Jahr<br />

öfter gehört als Augenrändercharme. Und dennoch<br />

fällt es mir <strong>immer</strong> noch schwer, darüber zu<br />

schreiben.<br />

Vielleicht, weil ich den Musiker kenne.*<br />

Vielleicht aber auch, weil dieses Werk für mich<br />

nur schwer zu fassen ist.<br />

17<br />

*Daher wird diese Besprechung zwangsweise etwas persönlich.


Das liegt mit Sicherheit an der Sprache von<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong>, der auch schon mit mehreren<br />

Hörspielen glänzte. Nichts ist da klar, alles<br />

steckt voller Zitate, Anspielungen. Er stellt<br />

schier endlose Bezüge her <strong>–</strong> vor allem zu Literatur<br />

und Philosophie. Der Künstler ist ein sehr<br />

belesener Mensch. An manchen Stellen scheint er<br />

sich hinter diesen Bezügen verstecken zu wollen.<br />

Dann aber bringt er so ein Stück wie „Perfektion“.<br />

Das ist k<strong>eine</strong>r der Songs, die bei mir gleich<br />

angeschlagen haben. Überhaupt nicht. Aber<br />

irgendwann traf es mich. Da versucht <strong>eine</strong>r, sich<br />

zu winden, ein Versprechen auf ein Morgen abzugeben,<br />

der wohl nie kommen wird. Verspricht<br />

„schlichte Perfektion“.<br />

oder nehmen wir „Feuer“, das es als Single<br />

anno 2006 in die Heavy Rotation von Motor-FM<br />

geschafft hat. Bilder steigen auf, aber am Ende<br />

bleibt vieles, wie so oft, unklar. Denn <strong>Christian</strong><br />

<strong>Rottler</strong>s Texte sind meist eher assoziativ als<br />

erzählend. Sein musikalischer Stil hingegen ist<br />

spielerisch, regelrecht leicht, eigenwillig. Er lässt<br />

sich ebenso wenig in <strong>eine</strong> Schublade einordnen<br />

wie die Texte. Es sei denn, es würde Augenrändercharme<br />

draufstehen.<br />

apropos Schubladen: Das erstaunlichste an<br />

dieser Platte ist, dass sie seit mittlerweile sieben<br />

Jahren in eben <strong>eine</strong>r solchen liegt. Auf den<br />

Beachtungs-Erfolg der „Feuer“-EP, sowie die<br />

18


Split-EP „Das funktionierende Leben“, die er mit<br />

Somos zusammen veröffentlichte, folgte einfach<br />

nichts. Wir haben es hier also mit <strong>eine</strong>m Werk zu<br />

tun, das <strong>eine</strong> für den Künstler längst abgeschlossene<br />

Lebensphase abbildet. Vieles würde er<br />

heute wohl ein wenig anders machen. Die atemlose<br />

<strong>Dringlichkeit</strong> der Stücke etwa. Oder den<br />

Text von „Freesolo Freihand“. Das Gesamtwerk<br />

jedoch bleibt stimmig. Ob s<strong>eine</strong> Abrechnung<br />

mit Proust („Proust ist mein Leben“), sein Jörg<br />

Fauser-likes „Wasser hat ein Gedächtnis und<br />

schlägt mir gegen die Schädelwand“, sein extrem<br />

assoziativer „Salon“, in dem er Entspannungspolitik<br />

auf Taschendieb reimt. Oder die John Cage-<br />

Hommage „4:33“.<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong> hat s<strong>eine</strong>n eigenen Stil.<br />

Man darf dem Musiker daher nur wünschen,<br />

dass er über s<strong>eine</strong>n Schatten springt und das<br />

Album endlich einmal veröffentlicht. Für die<br />

Schublade ist es einfach zu schade. Doch wie formuliert<br />

es <strong>Rottler</strong> in s<strong>eine</strong>m Proust-Stück selbst<br />

so schön: „Verschwendung von Talent ist auch<br />

<strong>eine</strong> Entscheidung.“ Schade auch, dass es s<strong>eine</strong><br />

Band <strong>Galakomplex</strong> mittlerweile nicht mehr gibt.<br />

S<strong>eine</strong> Lieder sind in dieser Form wohl nur noch<br />

auf der Platte zu hören. Zeit, dass mehr Menschen<br />

etwas davon mitbekommen.<br />

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Er ist Resident-DJ im Berliner Club<br />

Watergate, Musikproduzent und<br />

Ex-Student der TU Berlin mit Hauptfach<br />

Philosophie:Ruede Hagelstein.<br />

Er hat den Song „Proust ist mein Leben,<br />

doch es langweilt michsehr“geremixt,<br />

s<strong>eine</strong> Version trägt den Titel: „Proust est<br />

ma vie, et ça m‘ennuie profondément“.<br />

Die fränzösische Übersetzung ist von Catherine Rogister,<br />

die auch in dieser Version singt:<br />

Proust est ma vie, et ça m’ennuie profondément<br />

Je n’ai plus lieu d’être, je cours après le temps<br />

Perte de temps, et me perdant avec plaisir<br />

Le temps ne revient pas, il ne fait que s’enfuir<br />

Oui, Proust est ma vie, oui cela m’ennuie<br />

L’idée est belle, mais pas l’intention ça suffit les descriptions,<br />

ce qu’il nous faut, c’est du son, du son…<br />

Maintenant ferme les yeux et fais un vœu<br />

Proust est ma vie, la plupart du temps fiction<br />

L’imaginaire grandit et devient obsession<br />

Gâcher son talent, c’est aussi une décision<br />

En général on choisit son compagnon<br />

Le mien s’appelle Proust ou une vie d’ennui<br />

Beaucoup de mots pour rien, mais c’est ainsi<br />

Ca suffit avec les descriptions de sentiments,<br />

De l’enfance et du bon vieux temps<br />

20


Ruede Hagelstein an<br />

den Turntables,<br />

<strong>Rottler</strong> an<br />

der Bierflasche...<br />

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Move D remixte „Schön,<br />

wenn man bei Ficken<br />

zu zweit ist“. Kristoffer<br />

Cornils vom Magazin<br />

Groove schrieb bei der<br />

Videopremiere: „If you<br />

go home with somebody,<br />

and they don’t have<br />

books, don’t fuck ‚em!“,<br />

soll der ebenso berühmte<br />

wie berüchtigte Regisseur<br />

John Waters einmal<br />

gesagt haben. Löblich,<br />

in Zeiten von eBook-<br />

Readern vielleicht aber<br />

ein Anspruch, der etwas<br />

hoch greift. <strong>Christian</strong><br />

<strong>Rottler</strong> allerdings widmete<br />

sich schon letztens<br />

s<strong>eine</strong>r <strong>–</strong> gescheiterten<br />

<strong>–</strong> Beziehung mit Proust,<br />

die in ihrem Ruede<br />

Hagelstein-Remix auch<br />

ein passendes Video<br />

erhielt. Auf derselben<br />

EP widmete sich neben<br />

Deer und DWIG auch<br />

Move D <strong>eine</strong>m Stück aus<br />

dem Repertoire des Produzenten,<br />

Schriftstellers<br />

und Künstlers. Es trägt<br />

den einleuchtenden<br />

Titel „Schön, wenn man<br />

beim Ficken zu zweit<br />

ist“ und auch zu dieser<br />

Neubearbeitung <strong>–</strong> galant<br />

als „Fachkurs Beischlaf“-<br />

Remix betitelt, lernten<br />

die beiden sich doch<br />

in <strong>eine</strong>m universitären<br />

Kontext an der Bauhaus-<br />

Universität Weimar auf<br />

verschiedenen Seiten des<br />

Dozentenpults kennen <strong>–</strong><br />

gibt es nun ein Video vom<br />

Stuttgarter Video-Kollektiv<br />

Frischvergiftung.<br />

Ob Waters <strong>Rottler</strong> aber<br />

als fickbar eingestuft<br />

hätte?<br />

Der nämlich schleppt<br />

zwar jede Menge Bücher<br />

an <strong>–</strong> unter anderem von<br />

Theodor W. Adorno,<br />

David Foster Wallace<br />

und natürlich Marcel<br />

Proust <strong>–</strong> <strong>geht</strong> aber nicht<br />

unbedingt pfleglich<br />

damit um. Immerhin aber<br />

handelt es sich beim Titel<br />

des Tracks um ein Martin<br />

Walser-Zitat <strong>–</strong> vielleicht<br />

hilft das weiter?<br />

22


23


Zwei Fernsehtürme,<br />

<strong>eine</strong> Biographie. Willy<br />

Löbl wurde in Prag<br />

geboren (Fernsehturm<br />

rechts) und lebt seit<br />

s<strong>eine</strong>r Kindheit in<br />

Stuttgart (Fernsehturm<br />

links).<br />

Der Grafiker und<br />

VJ-Künstler ist für<br />

das Musikvideo<br />

„Schön, wenn<br />

man<br />

beim<br />

Ficken<br />

zu<br />

zweit<br />

ist“<br />

verantwortlich<br />

und<br />

ist<br />

ein<br />

wirklich<br />

toller<br />

Mensch.<br />

24


25


Serious<br />

C r u s t y :<br />

www.<br />

gerdas-tanzcafe.blogspot.<br />

de<br />

26


Glücklicherweise ist Musik nicht vergänglich,<br />

das hat sie der Zeit voraus. <strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong>s<br />

kl<strong>eine</strong>r Indiehit „Feuer“ überlebte MotorFM<br />

(heute FluxFM), in dessen Setlist der Song 2006<br />

rauf und runter lief. S<strong>eine</strong> Punk- (H-Milk) und<br />

Metal-Vergangenheit (Die Auranatik) hat er<br />

zu diesem Zeitpunkt bereits längst hinter sich<br />

gelassen, wandte sich nach der Jahrtausendwende<br />

mehr und mehr dem emotionalen Pop (Drei<br />

Farben Schwarz, Goldberg) und der Elektronik<br />

(<strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong> vs. Somos) zu.<br />

S<strong>eine</strong> Zusammenarbeit mit Songschreiber und<br />

Gitarrist Jan Frischer lag nicht nur zeitlich,<br />

sondern auch musikalisch irgendwo dazwischen.<br />

Zwei Jahre lang probierten sich die zwei<br />

im minimalistischen Lo-Fi-Sound aus, bis sie<br />

merkten, dass ihre Songs nach mehr verlangten.<br />

Nach und nach rückten so <strong>immer</strong> mehr Musiker<br />

in die Arbeitsgruppe, bis schließlich die Band<br />

<strong>Galakomplex</strong> in ihrer endgültigen Formation<br />

stand, um den Songs von „Augenrändercharme“<br />

mehr Fülle zu verpassen.<br />

„Feuer“, das nun also als Vorab-Single<br />

ins Rennen geschickt wurde, braucht im Wesentlichen<br />

nicht mehr als diese <strong>eine</strong> akustische<br />

Hookline und <strong>Rottler</strong>’s melancholischen<br />

Gesang, um den besungenen Drogen- in <strong>eine</strong>n<br />

wahren Sinnesrausch umzustürzen, der sich<br />

27


mit jeder Wiederholung ein Stück weiter vor ins<br />

Bewusstsein drängt, bis man sich schließlich<br />

selbst als Protagonist im exzessiven Nachtleben<br />

wiederfindet, in der alles oder eben nichts <strong>eine</strong>n<br />

Sinn ergibt. „Haut Culture“ kommt da schon<br />

etwas flotter, taktvoller und mit Ansatz-Rap aus<br />

den Startlöchern, erweist sich hinsichtlich der<br />

folgenden Songs aber als gezielte Finte für die<br />

bis hierher verwöhnte Rhythmusfraktion. Die<br />

groteske Bluesballade „Wasser hat ein Gedächtnis<br />

und schlägt mir gegen die Schädelwand“<br />

breitet zwar die Flauschdecke vor dem Kamin<br />

aus und bietet endlich mal die Gelegenheit,<br />

s<strong>eine</strong> Jörg-Fauser-Literatur zu entstauben. Aber<br />

genau wie das folgende „Freesolo Freihand“<br />

entpuppt sich der Song eher als Geschichte, die<br />

<strong>Rottler</strong> bedächtig mit warmer und sanfter Stimme<br />

beziehungsweise fast flüsterndem Sprechgesang,<br />

vor sich hin trägt. Hier sch<strong>immer</strong>n s<strong>eine</strong><br />

journalistischen Arbeiten als Kurzgeschichtenund<br />

Drehbuchautor und als Hörspiel-Produzent<br />

(„Nahkampf oder Telefonieren“ und „Heldenfällen“)<br />

vielleicht am deutlichsten durch.<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong> liest also Marcel Proust<br />

und <strong>geht</strong> in Gedanken mit Martin Walser fremd.<br />

„Proust ist mein Leben“ ist mit nicht einmal<br />

zweiminütiger Spielzeit der kürzeste Song des<br />

Albums und zeigt, dass es inhaltlich auf „Augenrändercharme“<br />

nicht ganz leicht werden<br />

28


wird. Allein um die Idee hinter diesem Song<br />

zu entlarven, benötigt es das Wälzen <strong>eine</strong>r<br />

dreiseitigen Gedankensammlung <strong>Rottler</strong>’s, die<br />

sich auch gut und gerne als Sekundärliteratur<br />

lesen könnte. S<strong>eine</strong> Texte sind kryptisch und<br />

lassen dem Hörer bei der Interpretation dieser<br />

<strong>eine</strong> Menge Spielraum, ohne dabei jedoch den<br />

Anschein zu erwecken, pseudointellektuell<br />

wirken zu müssen. Verbündete im Geiste zu<br />

finden, Gedankenmanipulation oder schlicht<br />

die Rettung der Welt, ist schließlich nicht das<br />

bedingungslose Ziel s<strong>eine</strong>r Musik. Man kann<br />

die Zeilen s<strong>eine</strong>r Texte auch einfach für sich<br />

stehen lassen, mit der Nostalgie in der John-<br />

Cage-Hommage „4:33“ und im jazzigen „Wind“<br />

schwimmen, oder alles der Kunstmusik zuschreiben.<br />

Muss man aber nicht.<br />

mit siebenjähriger Verspätung soll „Augenrändercharme“<br />

nun also im Sommer/Herbst<br />

2013 auf Vinyl gepresst und über das Label<br />

Voodookind ersch<strong>eine</strong>n, dessen Rillen auf<br />

zwölf Songs ausgebreitet werden. Vielleicht ja<br />

sogar mit <strong>eine</strong>m ausgiebigen Beiblatt mit Gedanken<br />

und Hintergründen der Beteiligten zu<br />

den Songs, denn das allein wäre schon ein verdammt<br />

guter Kaufgrund.<br />

29


Der 15. Juli 2007, „Zum Falken“ [Trierer Straße 7, 99423 Weimar]:<br />

Blues- und Kneipenlegende Achim (links) sitzt neben<br />

Jan Frisch und hört sich „Crash after crash“ von <strong>Galakomplex</strong> an.<br />

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31


Lenin Riefenstahl ist die Nachfolgeband von<br />

<strong>Galakomplex</strong>.<br />

Der 2. August 2017: Lenin Riefenstahl<br />

(von links: Mathias Menner, <strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong> und<br />

Marc Eggert) eröffnen das Klinke-Festival<br />

im Stuttgarter Merlin mit <strong>eine</strong>m Proust-Abend.<br />

Die Ankündigung:<br />

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit:<br />

Ein Abend im Zeichen von Marcel<br />

Proust. Der SWR, der RBB und Deutschlandfunk<br />

Kultur haben das Hörspiel „Proust ist mein<br />

Leben“ von <strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong> bereits gesendet.<br />

Nach <strong>eine</strong>r wahren Begebenheit verarbeitet<br />

<strong>Rottler</strong> darin sein Scheitern an Proust zu <strong>eine</strong>m<br />

absurden und brüllkomischen Puzzle aus<br />

Musik und Dialogen, das auch Sittenbild des<br />

Kreativ-Milieus ist. Das Hörspiel ist<br />

<strong>eine</strong> Liebeserklärung an die Literatur und <strong>eine</strong><br />

fulminante Einführung ins Werk von Proust.<br />

Und <strong>eine</strong> schonungslos kluge, gnadenlos<br />

witzige Studie über Selbstzweifel und<br />

Allmachtsphantasien <strong>eine</strong>r Künstlerexistenz.<br />

32


33


34


Thomas<br />

Müller:<br />

Bilder,<br />

die<br />

sich<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong>s „Feuer“ war das Initial, der<br />

Song kam als mp3-File über <strong>eine</strong>n Freund in<br />

m<strong>eine</strong>n Posteingang zur MotorFM-Zeit in Berlin.<br />

verUnd plötzlich war es, als würde der Song<br />

mich in s<strong>eine</strong> Geschichte ziehen: die Party im<br />

vollen Gange, der Kopf in Watte, das Gesichtsfeld<br />

eingeschränkt selbst und Menschen, die irgendwie<br />

mehr Spaß zu haben sch<strong>eine</strong>n als ich selbst.<br />

Egal, die Fetzen der Gespräche ständigen<br />

sind spannend<br />

genug und ich zu träge, um selbst zu sprechen.<br />

K<strong>eine</strong> vier Minuten sind <strong>eine</strong> Ewigkeit und obwohl<br />

ich nur die Hälfte verstanden habe, bin ich<br />

angekommen.<br />

Dass ich „Feuer“ <strong>immer</strong> wieder hören musste,<br />

versteht sich von selbst; dass der Song aber bis<br />

heute noch nichts von s<strong>eine</strong>r Faszination verloren<br />

hat, spricht wohl für das außergewöhnliche<br />

Talent von <strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong>. Bilder, die sich<br />

verselbstständigen; Gefühle, die mich übermannen;<br />

und die Sicherheit, dass auch wenn Jahre<br />

seit der Entstehung vergangen sind, dieses Album<br />

unbedingt gehört werden muß.<br />

35


Michael<br />

Riedinger:<br />

Irrgärten der Interpretation<br />

<strong>Christian</strong> <strong>Rottler</strong>, der Stuttgarter Autor, Lieder-<br />

und Hörspielmacher mit „Augenrändercharme“<br />

<strong>–</strong> ist er auch ein Sänger? Oder eher ein<br />

Flüsterer? Schreibt er über das Leben? Über die<br />

Kunst, über das Gute, Wahre, Schöne? Oder<br />

auch ein bisschen über sich? Will er verstanden<br />

werden? Oder liegt ihm der Hörer am Herzen?<br />

Will er benennen, bekennen, bereuen? Oder<br />

will er s<strong>eine</strong>n Mitmenschen ein bisschen was<br />

auf den Weg mitgeben, ein paar Bilder, die im<br />

Bewusstsein nachhängen, ein paar Beats, die<br />

s<strong>eine</strong> Texte vertiefen, manchmal verfremden,<br />

meist ebenso vage vertonen wie verquere<br />

Gitarren, andeutende Drums, <strong>eine</strong> geheimnisvoll<br />

gestopfte Trompete? Schaut <strong>Rottler</strong> mit<br />

wachen Augen in die Welt? Oder eher durch<br />

vernebelte Augenränder, mit viel Charme, aber<br />

ohne jede Klarsicht? Wir wissen es nicht.<br />

36


Wir können noch nichts Genaues sagen, auch<br />

nach wiederholtem Hören dieser mal luziden,<br />

mal lustigen, meist rätselhaften, mal verspielten<br />

und <strong>immer</strong> sehr literarischen Lieder <strong>eine</strong>s<br />

Proust- und Thomas-Bernhard-Fans, der vom<br />

Hörspiel kommt und für <strong>eine</strong>s („Heldenfällen“,<br />

2009) <strong>eine</strong>n<br />

1. Preis in Mediengestaltung bekam.<br />

Auch sein Album ist ein bisschen wie ein Hörspiel.<br />

Nicht der Text allein zählt, nicht die<br />

r<strong>eine</strong> Sprache. Bedeutung erblüht vielmehr erst,<br />

wenn zu den Zeilen, zwischen den Zeilen klug<br />

konzeptuelle Klänge, die aus Dilettantismus<br />

<strong>eine</strong> Kunstform machen, <strong>eine</strong> sinnvolle Ergänzung<br />

erschaffen. Wenn diese <strong>eine</strong>rseits simplen,<br />

andererseits kunstvoll reduzierten Gitarren sich<br />

mit elektronischen Klapperbeats verknüpfen,<br />

im Sinn jener „Mission“, die <strong>Rottler</strong>s Voodookind-Label<br />

in <strong>eine</strong>m Infotext benennt, als es<br />

den „Brückenschlag zwischen dringlichen Singer/Songwriter-Klängen<br />

und elektronischer<br />

Tanzmusik“ zum Ziel erklärt, für „unabhängige<br />

Popmusik mit literarischem Anspruch“.<br />

Manches Lied generiert <strong>eine</strong> Art Jörg-Fauser-<br />

Szenario (noch ein literarischer Einfluss), wenn<br />

sich „Traumschiff“ auf „Rauschgift“ reimt (wie<br />

in „Feuer“) und es um Dealer in namenlosen<br />

Städten <strong>geht</strong>, und was das mit dem Körper-<br />

37


gefühl des Protagonisten zu tun haben könnte<br />

(wie in der Blues-Groteske „Wasser hat ein<br />

Gedächtnis“). Dazu <strong>eine</strong> raffiniert reduzierte<br />

Gitarre, ein superschluffiges Schlagzeug, <strong>eine</strong><br />

coole Trompete <strong>–</strong> die Platte setzt musikalisch<br />

weit stärker auf handgespielte Instrumente als<br />

<strong>Rottler</strong>s ältere, eher elektronisch orientierte<br />

Aufnahmen. „Schlichte Perfektion“ beispielsweise<br />

erzeugt über gekonnt sparsames Gitarren-Gezupfe<br />

<strong>eine</strong> melancholisch nachdenkliche<br />

Stimmung, <strong>eine</strong> edle Reduktion aller Lebensäußerungen,<br />

bis man dem Sänger sein hingehauchtes<br />

„Bitte, lass mir Zeit“ fast als ernst<br />

gemeint durchgehen lassen könnte.<br />

<strong>Rottler</strong> schreibt aber wohl eher uneindeutige<br />

Texte, die sich trefflich analysieren ließen,<br />

ohne jede Deutungshoheit zwar, aber doch mit<br />

Hinweisen, mit Fallen, um sich drin zu verfangen,<br />

Irrgärten der Interpretation, in denen<br />

sich zu rätseln und zu suchen lohnt, womöglich<br />

ohne je wieder herauszufinden. Du weißt am<br />

Ende wohl <strong>immer</strong> noch k<strong>eine</strong> Antworten auf die<br />

eingangs gestellten Fragen. Schrieb <strong>Rottler</strong> nun<br />

vom Leben? Oder sang er von der Kunst, und<br />

nur von der Kunst? Liegst du ihm am Herzen,<br />

oder nur er sich selbst?<br />

Wer will das alles schon wissen, solange<br />

„Augenrändercharme“ läuft …<br />

38


P<br />

peter Armster<br />

ist A&R-Manager, Autor, Schlagzeuger, Teilzeit-Hedonist<br />

und politischer Aktivist. Armster wurde im Jahr 1972 in Frankfurt<br />

am Main geboren und lebt seit dem Jahr 2003 in Berlin.<br />

M<br />

mathias Ellwanger<br />

ist Blogger, Journalist und Familienvater. Seit dem Jahr 2006 verfasst<br />

er Texte auf s<strong>eine</strong>m Blog Zeittotschläger.<br />

Hauptsächlich schreibt er über Musik, Literatur und Politik.<br />

Sein Lebensunterhalt verdient er als<br />

Redakteur beim Zeitungsverlag Waiblingen.<br />

T<br />

thomas Müller<br />

ist Moderator, Redakteur und Bartträger.<br />

Seit November 2012 ist er der Chef von Puls, dem jungen<br />

Programm des Bayerischen Rundfunks im Radio,<br />

im Fernsehen und Online. Zuvor war er als Moderator und<br />

Musikredakteur bei Bayern 3, dann bei Universal Music<br />

und Motor FM (heute FluxFM), später war er bei Apple verantwortlich<br />

für iTunes Deutschland und Österreich.<br />

M<br />

michael Riedinger<br />

ist ein freier Journalist, Lektor und Autor,<br />

der ungern auf E-Mails antwortet.<br />

39


40


Dringlickeit <strong>geht</strong> <strong>immer</strong>:<br />

Die Songtexte<br />

41


Feuer<br />

Ja, ich weiß es nicht genau<br />

aber ja, ich glaube schon<br />

Auf diesen langen Fluren<br />

denke ich: ja, ein Traumschiff<br />

Jetzt doch noch <strong>eine</strong><br />

letzte Zigarette<br />

Ich hatte gerade<br />

und davor nicht zugehört<br />

42


Stundenlang saßen<br />

Mädchen auf den Hockern<br />

und rauchten Medium<br />

Bevor du noch <strong>eine</strong>n Ton<br />

sagen konntest:<br />

Feuer<br />

Nein, ich wollte nur Musik<br />

vertraute Musik<br />

Wen interessiert das?<br />

Machst du Werbung?<br />

Ja, ich weiß es nicht genau,<br />

aber ja, ich glaube schon<br />

Vielleicht waren es zehn<br />

oder Hundert,<br />

Hunderttausend<br />

43


Es war dunkel et cetera et<br />

cetera und die Mädchen<br />

saßen nunmehr nicht mehr<br />

dort <strong>–</strong> nunmehr nicht mehr<br />

auf den Hockern<br />

Auf diesen langen Fluren,<br />

tiefen, breiten Fluren<br />

Und dann dieses Traumoder<br />

Raumschiff<br />

Sagtest du Rauschgift?<br />

Bevor wir miteinander<br />

spielen, lass uns reden,<br />

nicht spielen<br />

kein Schauspiel, Wahrheit<br />

und du fragst: Feuer?<br />

44


Nein, ich wollte nur Musik<br />

vertraute Musik<br />

Musik und dann nichts<br />

außer Musik<br />

Für ein Rosarot,<br />

ein Himmelblau,<br />

für ein Immergrün<br />

Für ein Schwarz<br />

auf weißen Fahnen,<br />

willst als Stern verglühen<br />

Und dich trotzdem<br />

bemühen<br />

so als Stern zu verglühen<br />

45


Ja, ich weiß es nicht genau<br />

aber ja, ich glaube schon<br />

Auf diesen langen Fluren<br />

denk ich: ja, ein Rauschgift<br />

46


Haute Culture<br />

Riskier den Schritt<br />

und liebe es<br />

Reingewaschen wollen<br />

wir sein<br />

Kauf dein Glück zwei<br />

Straßen weiter<br />

Stürz dich einfach dann<br />

hinein<br />

47


Riskier den Schritt<br />

und liebe es<br />

Bleich dein Leben auf<br />

Haute Culture<br />

Leg den Kopf dann auf<br />

die Schwelle<br />

Setz die Ängste vor<br />

die Tür<br />

U-Musik oder BBC<br />

oder weiter Glenn zuhören<br />

Briefe schreiben, E-Mails<br />

checken<br />

das Telefon zerstören<br />

Negativ und konsequent<br />

ja wir sind überall<br />

48


Die Entführung<br />

das Attentat<br />

der stille Überfall<br />

Kontrovers dann<br />

diskutiert<br />

die Müdigkeit ist besiegt<br />

Schau, dass dein<br />

kl<strong>eine</strong>s Herz<br />

dieses Mal richtig liegt<br />

Chancentot und vogelfrei<br />

und der Selbstversuch<br />

der Brudermord<br />

die letzte Ölung<br />

und das Leichentuch<br />

49


Schön gedacht und<br />

schlecht gemacht<br />

den Moment dann kurz<br />

blamiert<br />

eingesperrt und<br />

ausgebrochen<br />

es einfach dann probiert<br />

Ferngesehen<br />

so nah bei dir<br />

so aus Verlegenheit<br />

Kurvenlange ungenügend<br />

und mein Selbstmitleid<br />

50


Utopien und lange Nacht<br />

die Lichter müssen aus<br />

Hoffnung, Sturz und Sieg<br />

und niemand hält dich auf<br />

51


Wasser hat ein<br />

Gedächtnis<br />

Schieb den Affen weg<br />

lass den Körper fühlen<br />

die Stadt und ihre Dealer<br />

und die, die nicht mehr<br />

dealen<br />

Die Irrenhäuser, die<br />

Cafés von innen<br />

der Kampf mit allen<br />

sieben Sinnen<br />

52


So fühlt sich das also an<br />

So spielt sich der Abend<br />

all<strong>eine</strong> zu Ende<br />

Ich fühl das Zucken<br />

m<strong>eine</strong>r Innereien<br />

den Kopf, das Fieber, die<br />

Magenwände<br />

Und überhaupt<br />

ich sollte mich<br />

entschuldigen<br />

bei jeder Zelle, bei jedem<br />

Molekül<br />

Ich schäle mich nach außen<br />

mein Körper zieht<br />

gen Mitte<br />

was für ein Gefühl<br />

53


Wasser hat ein Gedächtnis<br />

schlägt mit gegen die<br />

Schädelwand<br />

Singt mir graue Melodien<br />

nimmt mich dann bei<br />

der Hand<br />

Ich hasse alle Organe<br />

gleichermaßen<br />

und ich weiß<br />

sie hassen mich<br />

ich geh jetzt<br />

systematisch vor<br />

vielleicht beruhigt es mich<br />

Schieb den Kreislauf weg<br />

diese Gruselachterbahn<br />

wenn wir zusammen<br />

54


kl<strong>eine</strong> Kreise fahren<br />

Was du erträgst, liegt an dir<br />

du bist der blinde<br />

Passagier<br />

like a rolling stone<br />

ich warte hier bis es<br />

erträglich scheint<br />

Harre aus, ohne teilen<br />

zu können<br />

der Kopf ist und bleibt<br />

der größte Feind<br />

Man darf ihm k<strong>eine</strong><br />

Pause gönnen<br />

nicht mal im Schlaf<br />

55


So gesehen es überlebt<br />

nur manchmal zeugt die<br />

Lust graue Schleier<br />

Das Schlimmste hat sich<br />

bereits gelegt<br />

Das alte Lied, die alte Leier<br />

Selbstmitleid<br />

Gemeingut gefährlich<br />

Selbstmitleid<br />

Du bist so gefährlich<br />

Schieb die Schleier weg<br />

und schau dann durch<br />

die Nacht<br />

Gib der Zeit ihre Zeit und<br />

warte<br />

56


Ich hab schon nicht mehr<br />

an dich gedacht<br />

Ich hör dann auf, bevor<br />

ich starte<br />

Die r<strong>eine</strong> Vorsicht, so aus<br />

Erfahrung<br />

57


58


59<br />

David Foster Wallace schuf mit<br />

„Infinite Jest“ („Unendlicher Spass“)<br />

ein epochales Werk.


Freesolo, Freihand<br />

Es stimmt, es ist nicht wahr<br />

ich lüg da weiter, wo ich<br />

vorher war<br />

Schnür mir die Kehle zu<br />

lass die Worte einfach<br />

fallen<br />

fahr dann einfach weiter<br />

ohne mich anzuschnallen<br />

60


Freesolo, Freihand<br />

Ich schreib mit Lippenstift<br />

Sehnsucht auf m<strong>eine</strong> Wand<br />

Freesolo, Freihand<br />

Der Ablauf scheint bekannt<br />

Es stimmt, es ist nicht wahr<br />

Doch dieses Gefühl<br />

war schon vor dir da<br />

Erst verlässt du<br />

dich auf mich,<br />

dann verlass ich dich,<br />

dann ist auf nichts<br />

mehr Verlass<br />

Es stimmt, es ist nicht wahr<br />

Merk dir das<br />

61


Es stimmt, es ist gelogen<br />

ich bin aus unserem<br />

Luftschloss<br />

in ein anderes gezogen<br />

Es stimmt, es ist nicht wahr<br />

Ich war gerne bei dir<br />

Ich war gern für dich da<br />

62


Salon<br />

Ein Salonbolschewik<br />

Ein Salonkettenraucher<br />

Ein Taschendieb<br />

Entspannungspolitik<br />

Es mit der Kälte zu<br />

tun bekommen<br />

Ein Salonaktivist<br />

Gefühlter Protest<br />

so innerlich immigriert<br />

Geschichte provoziert<br />

Wiederholung irritiert<br />

Es mit der Angst zu<br />

tun bekommen<br />

63


War gar nicht, ist gar nicht<br />

und der Rauch, der scheint<br />

benommen<br />

Ein Ausstellungsraum<br />

und Einstellungssache<br />

Es mit Geld zu tun<br />

bekommen<br />

Und über euren Köpfen<br />

ein Himmel Kapital<br />

Hat jemand euren Platz<br />

gesehen?<br />

Ich hattet freie Platzwahl<br />

Und über euren Köpfen<br />

Eine Idee<br />

Eine Option<br />

64


und Mao sagt:<br />

Schlechte Kunst<br />

ist schlecht für Revolution<br />

Mao Zedong war ein Raucher, Kunstkritiker und skrupelloser Diktator.<br />

65


66


67


4:33<br />

Je frecher der Slogan<br />

desto schäbiger das Produkt<br />

Und wieder in die Hände<br />

und dann auch in die Suppe<br />

gespuckt<br />

Wie ekele ich noch<br />

intensiver<br />

und wie mache ich das<br />

dann begreifbar?<br />

Spiel ich den<br />

Kommunikativen<br />

oder den Ich-bin-zwar-offenaber-dennoch-unerreichbar?<br />

68


Ich war da mal im Urlaub<br />

und einmal auf der Flucht<br />

Ich hab mich oft gefunden<br />

aber meistens<br />

weitergesucht<br />

Eure Handys bleiben<br />

eingeschaltet<br />

Man erzählt sich<br />

Geschichten<br />

vom nicht ausgelöschten<br />

Mond<br />

und wie man die<br />

Niederlagen dann<br />

verwaltet<br />

und fühlt, was dann<br />

<strong>eine</strong>m droht<br />

69


Ich bin dann mal weg<br />

bin dann ganz lange nicht<br />

mehr da<br />

4:33 in Endlosschleife<br />

und irgendwann nimmst du<br />

den Anfang nicht mehr<br />

wahr<br />

4:33, mein Interlude<br />

Und es hat fast schon<br />

Soundtrackcharakter<br />

Diese Selbstkritik<br />

Dieser Selbstbetrug<br />

70


Proust ist mein Leben<br />

doch es langweilt mich<br />

sehr<br />

Proust ist mein Leben<br />

doch es langweilt<br />

mich sehr<br />

Ich finde nicht statt<br />

bin der Zeit hinterher<br />

Verschwendung von Zeit<br />

Verschwendungssüchtig<br />

Die Zeit kommt<br />

nicht zurück<br />

und bleibt weiter flüchtig<br />

71


Ja, Proust ist mein Leben<br />

ja, es langweilt mich<br />

Die Aussicht ist schön<br />

doch die Einsicht nicht<br />

Genug der Beschreibung<br />

wir brauchen Bass<br />

und Bass<br />

Dann schließe<br />

d<strong>eine</strong> Augen<br />

und jetzt wünsch Dir was<br />

Proust ist mein Leben<br />

und das meiste fiktiv<br />

Phantasien erwachsen<br />

und das gern obsessiv<br />

Verschwendung von Talent<br />

ist auch <strong>eine</strong> Entscheidung<br />

72


Man sucht sich ja meistens<br />

die richtige Begleitung<br />

M<strong>eine</strong> heißt Proust<br />

und das stumpfe Leben<br />

Viel Worte um nichts<br />

aber so ist das eben<br />

Genug der Beschreibung<br />

von Befindlichkeiten<br />

Von Kindertagen<br />

und den guten Zeiten<br />

Der letzte Schrei:<br />

Edvard Munch war ein<br />

Zeitgenosse<br />

von Marcel Proust.<br />

73


Tatenlos<br />

Im Großen und Ganzen<br />

Im Kl<strong>eine</strong>n und Schwarzen<br />

So step by step<br />

die Hände hoch<br />

Erleb es ruhig als<br />

Großaufnahme<br />

In der Annahme es sind<br />

solche Tage<br />

74


die man tagelang dann<br />

feiern muss<br />

So clip by clip<br />

und dann wegschauen<br />

diese Nähe strapazieren<br />

und den Crash dann<br />

provozieren<br />

und sich tatenlos<br />

zuschauen<br />

wie man sich tatenlos<br />

zuschaut<br />

Der Fernseher ist zu laut<br />

und stört das Gefühl<br />

dass es wichtig ist<br />

und wenn es schon nicht<br />

richtig ist<br />

75


will ich mich in Ruhe dafür<br />

falsch entscheiden<br />

Du atmest lauter<br />

Du schreist nach innen<br />

bis dein Körper dich zu<br />

Boden reißt<br />

Verlierst dann kurzfristig<br />

d<strong>eine</strong> Sinne<br />

Damit du weißt<br />

was du eh ungern weißt<br />

Und was Du dann weißt<br />

ist viel größer als Du<br />

so bei vollem<br />

Bewusstsein<br />

weiter rennen<br />

76


Das Herz ist offen<br />

die Augen zu<br />

doch du wirst die Tür<br />

wahrscheinlich erkennen<br />

Der Fernseher ist zu laut<br />

und stört das Gefühl<br />

dass es wichtig ist<br />

Und wenn es schon nicht<br />

richtig ist<br />

wollen wir uns in Ruhe dafür<br />

falsch entscheiden<br />

Ihre Sinne, die<br />

beleuchten mich<br />

So aus der Ferne<br />

als Sonnenaufgang<br />

77


Mein Alter Ego verliert<br />

dann m<strong>eine</strong> Spur<br />

Und wir leben es von<br />

Anfang an<br />

Diesen Anfang <strong>eine</strong>r<br />

alten Geschichte<br />

So mit Wiederholung<br />

Variable X<br />

Und das mit der Klimax<br />

streichen wir dann<br />

Und das mit dem Happy<br />

End<br />

das wird wohl nix<br />

78


Schlichte Perfektion<br />

Das Aufblitzen von<br />

Momenten<br />

in roher kalter Nacht<br />

Ich sehe zu<br />

wie sie mir zusieht<br />

und dann lacht<br />

Geh ein paar Schritte weiter<br />

verkürze ihr den Weg<br />

versuch sie dann zu stellen<br />

bevor sie <strong>geht</strong><br />

79


Meide ihre Z<strong>immer</strong><br />

diesen wunderschönen Ort<br />

Sag ihr dann zwei Mal<br />

du gehst ohne sie hier<br />

nicht fort<br />

Und ab morgen<br />

überrasche ich uns<br />

täglich mit schlichter<br />

Perfektion<br />

Und das was wir neu ausprobieren<br />

das klappt dann schon<br />

Das Aufblitzen<br />

von Momenten, das<br />

Geheimnis, das sie trägt<br />

80


Der Sturm im Wasserglas<br />

und wie er sich legt<br />

Und sie fragt, wie ist<br />

das möglich<br />

sie hat das unterschätzt<br />

Gib ihr Zeit<br />

Raum und Distanz<br />

bevor sich noch<br />

jemand verletzt<br />

Mit runden, schönen<br />

Worten<br />

stolpere ich zu ihr<br />

wir lieben uns an Rändern<br />

und in Ecken<br />

doch der Mittelpunkt<br />

sind wir<br />

81


Und ab morgen überrasche<br />

ich uns<br />

mit schlichter Perfektion<br />

Und das was wir neu ausprobieren<br />

das kennst du schon<br />

Und ich wünsche mir<br />

noch mehr Chaos<br />

damit sich alles übersieht<br />

Strukturloses Warten<br />

bis es dann geschieht<br />

Das vor dir, das nach dir<br />

die Abwesenheit<br />

Du ich bring das schon<br />

in Ordnung<br />

bitte lass mir Zeit<br />

82


Wind<br />

Fühlst du mich in der<br />

Retrospektive<br />

Bist die Ahnungslose<br />

und ich der Naive<br />

Und wir sind<br />

und wir waren<br />

ohne Perspektive<br />

Objektiv betrachtet<br />

schon <strong>immer</strong> entmachtet<br />

Wir trieben so vor uns hin<br />

So jeder für sich<br />

im Widersinn<br />

83


und ich wünschte<br />

ich könnte mal verweilen<br />

Bei günstigem Wind<br />

könnten wir Atem holen<br />

uns den Kopf wegschießen<br />

und es endlich genießen<br />

die Augen schließen<br />

Wir könnten so tun<br />

als wären wir<br />

Doppelagenten in<br />

geheimer Mission<br />

Es würde sich<br />

zum Guten wenden<br />

Doch wer weiß das schon<br />

84


Oh Lady Hollywood<br />

Ich bin in dir<br />

im Sekundenschlaf<br />

Von der falschen Seite<br />

in die richtige Richtung<br />

Auf dem Irrweg geradeaus<br />

Fahnen hoch<br />

Land in Sicht<br />

Und es fehlt an Applaus<br />

Schwarze Dächer<br />

Dunkle Dichter<br />

Einstweilen schamlos<br />

fahl<br />

Die Stille hält inne<br />

Die Stille hat die Wahl<br />

85


Und sie hält mich fest<br />

und sagt:<br />

Mach, dass du wegkommst<br />

Und ich halt sie fest<br />

und sag:<br />

Mach, dass du wegkommst<br />

Sie hält mich fest und sagt:<br />

Mach, dass du wegkommst<br />

Nach Rüstung<br />

kommt Krieg,<br />

nach Rüstung<br />

kommt Krieg<br />

Sie hält mich fest und sagt:<br />

mach, dass du wegkommst<br />

86


Und ich wünschte<br />

ich könnte mal verweilen<br />

Und ich wünschte<br />

ich könnte mal verweilen<br />

87


88


89


Schön, wenn man beim<br />

Ficken zu zweit ist<br />

Ich lass mich gerne<br />

verraten<br />

Fühl mich gleich<br />

dann als König<br />

Das ist vielleicht bequem<br />

doch auf Dauer viel<br />

zu wenig<br />

90


Wer kennt nicht<br />

s<strong>eine</strong> Mörder<br />

Wir haben Angst<br />

vor der Angst<br />

Oh, bitte erschüttere mich<br />

nochmal wenn du kannst<br />

Und wir reden über<br />

schlaue Bücher<br />

und denk schön<br />

wenn man beim Ficken<br />

zu zweit ist<br />

Schweigende Konstrukte<br />

wie niemals zuvor<br />

Wir denken Schachtelsätze<br />

Call it brainfuck hardcore<br />

91


Marionetten und Beischlaf<br />

therapeutisch gedacht<br />

Alles bleibt erhaben<br />

und es bleibt nur diese<br />

Nacht<br />

Filippo Tommaso Marinetti veröffentlichte am 20. Februar 1909 im Le Figaro<br />

das Manifest des Futurismus. „Die Liebe zur Gefahr“<br />

ist <strong>eine</strong> musikalische Auseinandersetzung mit dieser Publikation.<br />

92


Die Liebe zur Gefahr<br />

Wir wollen die Liebe<br />

zur Gefahr<br />

Energie, Verwegenheit<br />

Die Elemente unserer<br />

Dichtung<br />

Sind so leicht, so hell<br />

Wir wollen die Liebe<br />

zur Gefahr<br />

Geschwindigkeit, Ekstase<br />

uns glühend glänzend<br />

verschwenden<br />

den Salto Mortale<br />

93


Wir wollen die Liebe<br />

zur Gefahr<br />

Und Schönheit in den<br />

Schlachten<br />

Zeit und Raum waren<br />

schon verstorben<br />

als wir hier nackt<br />

erwachten<br />

Wir wollen die Liebe<br />

zur Gefahr und<br />

brennen alles nieder<br />

Die Idee für die man stirbt<br />

die kommt dann<br />

<strong>immer</strong> wieder<br />

94


Crash after crash<br />

Und man weiß es nicht<br />

zu schätzen<br />

wenn sich die<br />

Vergangenheit bemüht<br />

Anschlüsse zu finden<br />

und es sich dann ergibt<br />

was man getrost<br />

verschweigen kann<br />

was man längst nicht mehr<br />

beichten muss<br />

Pause, Querstrich<br />

Vorspultaste<br />

crash after crash<br />

bis hin zum Abschiedskuss<br />

95


„Feel so happy“<br />

in d<strong>eine</strong>n Armen tonight<br />

Wir bleiben liegen<br />

die Musik läuft weiter<br />

„there´s blood on your legs“<br />

ich sag´s Dir<br />

Der Lüfter schwingt<br />

Jason Molina singt von<br />

großen Momenten<br />

und „love left there<br />

abusers“<br />

Crash after crash<br />

Wir schlafen dann<br />

fast schon<br />

Gott sei Dank muss jetzt<br />

96


niemand sprechen<br />

Jetzt gehörst du zu Ihnen<br />

und steh jetzt noch<br />

weiter weg<br />

Geschätzte sieben<br />

Zentimeter entfernt<br />

von Dir<br />

Eine Hand auf<br />

D<strong>eine</strong>m Kopf<br />

Eine Hand hinter<br />

m<strong>eine</strong>m Rücken<br />

Mit zwei<br />

überkreuzten Fingern<br />

Ich schwöre<br />

dass ich denke<br />

dass ich wahrscheinlich<br />

hier bleiben werde<br />

97


Und wir stehlen dann<br />

Pferde<br />

verbotene Früchte, et cetera<br />

und uns ganz, ganz, ganz<br />

viel Zeit <strong>–</strong> denke ich dann<br />

und schlafe weiter<br />

bis sie freiwillig<br />

<strong>geht</strong><br />

vielleicht<br />

und mir dennoch<br />

verzeiht<br />

Der Lüfter tobt weiter<br />

Jason Molina weicht der<br />

surrenden Stille<br />

M<strong>eine</strong> Atmung will k<strong>eine</strong>n<br />

Rhythmus finden<br />

98


Ich bin taktlos<br />

ich hab es <strong>immer</strong> gewusst<br />

ich bin taktlos<br />

Ich dreh mich noch mal um<br />

Mit unüberkreuzten<br />

Fingern,<br />

hinter m<strong>eine</strong>m Rücken<br />

stehen Wünsche in<br />

Flammen<br />

Also raus aus dem Bett<br />

in die Fremde<br />

zu fremden Händen<br />

in fremden Wänden<br />

Ich sag: Es lag in der Hand<br />

es lag auf der Hand<br />

99


und es hat sich bewegt<br />

Die stabile Seitenlage<br />

einfach mal<br />

zur Seite gelegt<br />

Zweite Reihe<br />

„Porsche, Genscher<br />

hallo HSV“<br />

Crash<br />

after<br />

crash,<br />

Begründer der Systemtheorie:<br />

Niklas Luhmann<br />

ich setz auf Wagner, FAZ<br />

und Barfußspaziergänge<br />

durchs Morgentau<br />

Die Goldbergvariationen<br />

100


zum Frühstück<br />

Jazz bei Damenbesuch<br />

Ich steh auf Individualismus,<br />

gute Gespräche<br />

und auf den so called<br />

Stallgeruch<br />

Und ich bleibe ja dann<br />

<strong>immer</strong> noch<br />

und mir bleibt ja dann<br />

<strong>immer</strong> noch:<br />

crash after crash<br />

„KEN SENT ME“<br />

mein Passwort bei Larry<br />

Leisure eins<br />

Und die Frage<br />

101


Wer klopft an welche Türen<br />

und wer wird sie schließen?<br />

Diese Welt dann hassen<br />

die Swann sich dann<br />

zu eigen machte<br />

Und wir denken<br />

beim Spazieren<br />

ist das hier jetzt flanieren<br />

oder einfach gehen?<br />

Und schreib dann 40<br />

Seiten, weil es schließlich<br />

dann so sein muss<br />

Von Mutter gab‘s heute<br />

k<strong>eine</strong>n Gute-Nacht-Kuss<br />

aber das kann ich ja auf<br />

weiteren 40 Seiten<br />

102


weiter beschreiben<br />

Fuck off Proust<br />

ich kann Dich leiden<br />

Und Martin Walser<br />

fährt mit mir ICE<br />

doch er erkennt mich nicht<br />

was nun nicht wirklich<br />

für ihn spricht.<br />

Gefolgt von<br />

der kl<strong>eine</strong>n Frau<br />

mit großen Busen<br />

und ich denk mir:<br />

mittlere Erregung<br />

Glücksbekundungen aus<br />

Langeweile<br />

und dann die Erwägung<br />

doch die ganze Nacht<br />

103


zu fahren<br />

um womöglich zu spät<br />

zu kommen<br />

nur um unangenehm<br />

in fremden Auren<br />

zu sonnen<br />

aber ja, ja das lohnt sich<br />

schon<br />

Wie gesagt<br />

man weiß es nicht zu<br />

schätzen<br />

und ich setzt auf<br />

Crash after crash after<br />

crash<br />

Und glaub mir bitte<br />

wie gerne ich an dir leide<br />

104


das Wichtigste verschweige<br />

Vermeintlich auf den<br />

ersten Blick<br />

dann bei dir bleibe<br />

um dann zu gehen<br />

und sage:<br />

Dieser Text hat nichts mit<br />

uns zu tun<br />

aber achte auf Bassline<br />

von Boris Nielsen<br />

umso mehr<br />

Man weiß es nicht zu<br />

schätzen<br />

105


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111


112


Die grafische<br />

Komponente<br />

113


Erste Skizze von <strong>Rottler</strong><br />

für die Rückseite der Proust-Vinyl.<br />

114


115


PROUST<br />

Leben, do<br />

es langwe<br />

sehr<br />

ṠCHÖ<br />

man beim<br />

zu<br />

B2 MOVE D REMIX:<br />

Der Fachkurs<br />

Beischlaf<br />

A1 RUEDE HAGELSTE<br />

profondément A2 CH<br />

Original B1 DEER RE<br />

B3 DWIG REMIX: Auf d<br />

116<br />

4 260038 313770


ist mein<br />

ch<br />

ilt mich<br />

IN REMIX: Proust est ma vie, et ça m’ennuie<br />

RISTIAN ROTTLER & GALAKOMPLEX:<br />

MIX: Entscheidung Bass und Bass<br />

er Suche nach der verlorenen Metrik<br />

N, wenn<br />

FICKEN<br />

zweit ist.<br />

ROT01 CHRISTIAN ROTTLER & GALAKOMPLEX — PROUST IST MEIN LEBEN, DOCH ES LANGWEILT MICH SEHR<br />

Gestaltung: Yan Ziegner<br />

117


in<br />

h<br />

t ça m’ennuie<br />

MPLEX:<br />

ass<br />

Metrik<br />

nn<br />

EN<br />

ist.<br />

ROT01 CHRISTIAN ROTTLER & GALAKOMPLEX — PROUST IST MEIN LEBEN, DOCH ES LANGWEILT MICH SEHR<br />

Gestaltung: Yan Ziegner<br />

118


119


ROT01<br />

B<br />

B2 MOVE D REMIX:<br />

Der Fachkurs<br />

Beischlaf<br />

4 260038 313770<br />

PROUST ist mein Leben, doch es langweilt mich sehr.<br />

A1 RÜDE HAGELSTEIN REMIX, Vocals: Catherine Rogister<br />

A2 CHRISTIAN ROTTLER & GALAKOMPLEX: Original<br />

B1 DEER REMIX: Entscheidung Bass und Bass<br />

MADE IN EU<br />

ALL SONGS ARE WRITTEN BY<br />

CHRISTIAN ROTTLER<br />

B<br />

SCHÖN, wenn man beim FICKEN zu zweit ist.<br />

B3 DWIG REMIX: Auf der Suche nach der verlorenen Metrik<br />

B2 MOVE D REMIX: Der Fachkurs Beischlaf<br />

120


ROT01<br />

A<br />

121


122


123


124


Fotosession<br />

mit Philipp Köhler<br />

https://philkoehler.myportfolio.com/<br />

125


Peter Armster<br />

ist A&R-Manager, Autor, Schlagzeuger, Teilzeit-Hedonist und<br />

politischer Aktivist. Armster wurde im Jahr 1972 in Frankfurt am<br />

Main geboren und lebt seit dem Jahr 2003 in Berlin<br />

Joe Bauer<br />

ist Journalist, Aktivist, Flaneur, Veranstalter und vieles mehr.<br />

Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch s<strong>eine</strong> Reden bei den<br />

Montags-Demonstrationen gegen Stuttgart 21 bekannt. Seit den<br />

80er Jahren arbeitet er für die Stuttgarter Nachrichten, seit rund<br />

15 Jahren schreibt er hauptsächlich Kolumnen. Regelmäßig ersch<strong>eine</strong>n<br />

ausgewählte Texte als Bücher. Im September 2015 erschien:<br />

„In Stiefeln durch Stuttgart: Zwischen Komakäufern und<br />

Rebellen“ im Verlag Edition Tiamat.<br />

Roger Behrens<br />

ist Publizist, Autor und Journalist und beschäftigt sich hauptsächlich<br />

mit der kritischen Theorie der Gesellschaft und der<br />

Philosophie und Ästhetik der Moderne und Postmoderne. Er ist<br />

Mitherausgeber des Buchmagazins Testcard, Beiträge zur Popgeschichte.<br />

Behrens ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift für kritische<br />

Theorie und schreibt regelmäßig Artikel für Jungle World<br />

und Konkret. S<strong>eine</strong> Bücher tragen Titel wie „Verstummen. Über<br />

Adorno“, „Die Diktatur der Angepassten. Texte zur kritischen<br />

Theorie der Popkultur“ und „Kulturindustrie“.<br />

Roland Bofinger<br />

ist ehemaliger Jugend-Rugby-Nationalspieler, Schützenmeister,<br />

Kriegsdienstverweigerer, Biologe, verhinderter Lehrer, Personaler,<br />

letztendlich als IT-Experte bei der Börse Stuttgart gelandet<br />

und der lebende Beweis dafür, dass Kunst von Können kommt und<br />

Irren menschlich ist. Er lebt mit s<strong>eine</strong>r Frau und s<strong>eine</strong>n drei Kindern<br />

in Ludwigsburg.<br />

Marc Eggert<br />

ist Tontechniker, Musiker, Blogger, Programmierer und IT-Berater.<br />

Er produziert solo unter dem Pseudonym XytroX Electronic<br />

Body Music, Industrial und Electro. Seit Dezember 2014 spielt er<br />

Bass bei Lenin Riefenstahl.<br />

126


www.rottler.at<br />

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