Jahresbericht 2010
Jahresbericht / Statistik 2010
Jahresbericht / Statistik 2010
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Inwiefern ist Job Factory ein Chancenverstärker für Jugenliche?<br />
Die Jugendlichen in der Job Factory sind im Markt und profitieren<br />
von unserer Teamarbeit: die Abteilungen der Job Factory,<br />
die Coachs, die Lehrer und ich arbeiten Hand in Hand und<br />
unter einem Dach. Das ist ideal für den Prozess des Berufeinstiegs<br />
und ein Unterschied zu anderen Angeboten. In den einzelnen<br />
Abteilungen setzen sich die Juniors mit den Herausforderungen<br />
im Arbeitsalltag auseinander und lernen die Regeln<br />
des Arbeitsmarktes kennen. Ich unterstreiche dann diese Erfahrungen<br />
noch mit aktuellsten Markt-Beispielen. Daran kann<br />
ich den Jugendlichen aufzeigen, welche Marktanforderungen<br />
sie bereits erfüllen, was ihnen fehlt und wo sie gebraucht werden.<br />
Andererseits mache ich ihnen klar, was die Erfahrungen,<br />
die sie in unseren Abteilungen machen, am Markt wert sind.<br />
Es ist noch keiner hier rausgegangen ohne ein Vorstellungsgepräch<br />
bei einer Firma.<br />
Wie wichtig sind Eigenverantwortung und Motivation<br />
der Juniors?<br />
Letztendlich müssen die Juniors ihre Chance selbst nutzen. Sie<br />
dürfen ihre Eigenverantwortung nicht abgeben und müssen<br />
lernen, für ihre Entscheidungen gerade zu stehen. Es ist wichtig,<br />
von der „Opferrolle“ wegzukommen und sich für eine<br />
Aufgabe zu motivieren, für einen Beruf zu begeistern und sich<br />
auf etwas Neues einzulassen. Dann hat man gute Chancen auf<br />
dem Arbeitsmarkt.<br />
„Oft haben wir Juniors<br />
mit grossem Potenzial, aber<br />
sie wissen nicht, wie sie<br />
dieses einsetzen können.“<br />
Welche Faktoren entscheiden über Erfolg und Misserfolg<br />
der Juniors?<br />
Es sind manchmal so kleine Details, die zwischen Erfolg und<br />
Misserfolg entscheiden. Zum Beispiel kann zu wenig Schlaf<br />
schon entscheidend sein. Wir sind keine Erzieher, wir versuchen<br />
aber die Juniors auf Eigenverantwortung zu sensibilisieren.<br />
Im Unterricht betonen wir die persönlichen Stärken, zeigen<br />
aber auch die Rahmenbedingungen und die Regeln des<br />
Arbeitsmarktes auf. Es ist genauso wie im Sport: Oft haben wir<br />
Juniors mit grossem Potenzial, aber sie wissen nicht, wie sie<br />
dieses einsetzen können.<br />
Was sind die Herausforderungen in der Arbeit mit den<br />
Juniors?<br />
Die grösste Herausforderung ist ganz klar, dass wir bei jedem<br />
Jugendlichen permanent die individuellen Ressourcen abholen.<br />
Jede Geschichte, jede Biografie ist individuell. Dass man<br />
dann die Stärken der Juniors in die Wirtschaft transportiert,<br />
das ist wieder einfacher. Der Realität-Traum-Konflikt ist ebenso<br />
ein permanenter Teil von unserer Arbeit mit den Juniors.<br />
Gerade für Jugendliche, die lange auf Stellensuche sind, ist<br />
es manchmal brutal zu erkennen, dass sie die Einstiegskriterien<br />
für ihren Traumberuf bei Weitem nicht erreichen. Hier ist<br />
nicht nur Flexibilität und Wille, sondern auch Vertrauen und<br />
eine grosse Kritikfähigkeit gefragt. Wir haben den Auftrag,<br />
Realitäten aufzuzeigen. Und das ist nicht immer einfach. Wir<br />
zerstören keine Träume, aber wir schaffen schöne Realitäten,<br />
lebenswerte Realitäten.<br />
„Wir zerstören keine<br />
Träume, aber wir schaffen<br />
lebenswerte Realitäten.“<br />
Wie sieht der Berufsfindungsprozess in der Job Factory<br />
aus?<br />
Die Berufsfindung ist ein laufender Prozess. So haben wir Juniors,<br />
die mit dem Wunschberuf Informatiker ins Berufspraktikum<br />
einsteigen, dann Verkäufer werden wollen und am<br />
Schluss begeistert eine Lehre als Gleisbauer antreten.<br />
Welche Herausforderung ergeben sich für Arbeitgeber<br />
im Umgang mit Lehrlingen?<br />
Oftmals sind die Arbeitgeber überfordert, weil sie teilweise<br />
bei jungen Angestellten die Elternarbeit übernehmen müssen.<br />
Also es kann das Thema sein, dass der Gratiskaffee wichtiger<br />
ist für den Jugendlichen als die Unterstützung des Chefs bei<br />
der Abwicklung eines dringenden Grossauftrags. Und wenn<br />
ich daran denke, wie viele Lehrabbrechende wegen Unpünktlichkeit<br />
bei mir landen, stimmt mich dieser Umstand nachdenklich.<br />
Genau da unterstützen wir.<br />
Spielt die Herkunft der Juniors ein Rolle für Ihre Arbeit?<br />
Wir arbeiten stärkenorientiert. Die Herkunft ist kein Thema.<br />
Wichtig ist, wohin sie wollen. Ausländische Herkunft kann<br />
sogar durch die oft vorhandene Mehrsprachigkeit ein Vorteil<br />
sein. Im Dienstleistungssektor zum Beispiel. Aber was man<br />
nicht machen darf, ist die Landessprache ausser Acht lassen.<br />
Die Jugendlichen müssen die Landessprache beherrschen. Das<br />
ist das A und O. Das zeigt den Arbeitgebern auch, dass sie sich<br />
mit der Kultur und dem Land auseinandersetzen.<br />
Was war die bewegendste Juniorgeschichte für Sie?<br />
An einem Morgen bin ich zur Arbeit gefahren und ich sah einen<br />
ehemaligen Junior auf einem Baugerüst beim Arbeiten. Es<br />
ist nicht eine Anerkennung wie ein Diplom, sondern es ist die<br />
Form, die am besten die Wirkung unserer Arbeit aufzeigt. Vor<br />
allem wenn man beachtet, wie die Jugendlichen am Anfang<br />
zu uns kommen: ohne Hoffnung, resigniert, orientierungslos<br />
und oft auch einsam.<br />
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