Elektronischer Sonderdruck für Friedrich Panse – etabliert in allen ...
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<strong>Panse</strong> als Lehrer<br />
Im Juli 1933 beantragte die Mediz<strong>in</strong>ische<br />
Fakultät, e<strong>in</strong>en „unbesoldeten Lehrauftrag<br />
<strong>für</strong> ‚Volksgesundheit und angewandte Eugenik‘<br />
an den nichtbeamteten ausserordentlichen<br />
Professor Dr. Walter Blumenberg“<br />
zu vergeben, den Schüler des Direktors<br />
des Hygienischen Instituts Hugo Selter 11 .<br />
Erst zum W<strong>in</strong>tersemester 1937/38 wurde<br />
e<strong>in</strong> Lehrauftrag <strong>für</strong> Rassenhygiene erteilt.<br />
Ihn erhielt <strong>Panse</strong>, nachdem Kurt Pohlisch<br />
am 02.04.1937 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schreiben an den<br />
Dekan <strong>für</strong> <strong>Panse</strong> e<strong>in</strong>en besoldeten Lehrauftrag<br />
<strong>für</strong> Rassenhygiene beantragt hatte<br />
und auf Zustimmung gestoßen war. 12 Mit<br />
rassenhygienischen Veranstaltungen war<br />
<strong>Panse</strong> bis 1945 fortan <strong>in</strong> den Vorlesungsverzeichnissen<br />
vertreten.<br />
Das nicht zu den Pflichtveranstaltungen<br />
zählende Kolleg „Menschliche Erblehre<br />
als Grundlage der Rassenhygiene“,<br />
das <strong>Panse</strong> im Sommersemester 1939<br />
erstmals las, galt mit 40 Hörern als erfolgreich.<br />
Das Kolleg „Rassenhygiene“<br />
besuchten 30 bis 40 Hörer, vorwiegend<br />
Nichtmediz<strong>in</strong>er. An dieser schwankenden<br />
Hörerzahl änderte sich <strong>in</strong> den folgenden<br />
Kriegsjahren offenbar wenig. Im Juni<br />
1943 wies der Physiologe Ulrich Ebbecke<br />
den Dekan darauf h<strong>in</strong>, dass den etwa<br />
200 Hörern des botanischen oder zoologischen<br />
Kollegs über Vererbungslehre „nur<br />
20<strong>–</strong>30 Hörer bei Prof. <strong>Panse</strong> gegenüberstehen“.<br />
<strong>Panse</strong> selbst hatte zuvor vorgeschlagen,<br />
bestimmte Vorlesungen <strong>in</strong> den Ausbildungsgang<br />
<strong>für</strong> erbbiologisch-technische<br />
Angestellte zu <strong>in</strong>tegrieren. 13<br />
Nach dem Ende des NS-Regimes widmete<br />
<strong>Panse</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Selbsterklärung e<strong>in</strong>en<br />
Absatz der Lehre und betonte deren Wissenschaftlichkeit:<br />
Daß ich im Unterricht die Erblehre und<br />
Rassenhygiene auf Grund e<strong>in</strong>es Lehrauftrags<br />
vertrat, war bei dem vorhandenen<br />
wissenschaftlichen Apparat des Instituts<br />
und bei dem vorhandenen reichen kl<strong>in</strong>ischerbbiologischen<br />
Krankengut sozusagen na-<br />
11 Proske an Reichserziehungsm<strong>in</strong>isterium,<br />
28.07.1933. Rep. 76,Va, Selt.3,IV,39, XVI, Preußisches<br />
Geheimes Staatsarchiv Berl<strong>in</strong>.<br />
12 Pohlisch an Siebke, 02.04.1937, Universitätsarchiv<br />
Bonn, MF-PA 110.<br />
13 Pohlisch an Dekan, Universitätsarchiv Bonn,<br />
PA 6782; <strong>Panse</strong> an Creutz, 25.01.1943, Archiv der<br />
Rhe<strong>in</strong>ischen Kl<strong>in</strong>iken Bonn, Ordner Union.<br />
Zusammenfassung · Summary<br />
Nervenarzt 2012 · 83:329<strong>–</strong>336 DOI 10.1007/s00115-011-3390-8<br />
© Spr<strong>in</strong>ger-Verlag 2012<br />
R. Forsbach<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Panse</strong> <strong>–</strong> <strong>etabliert</strong> <strong>in</strong> <strong>allen</strong> Systemen. Psychiater <strong>in</strong> der<br />
Weimarer Republik, im „Dritten Reich“ und <strong>in</strong> der Bundesrepublik<br />
Zusammenfassung<br />
Der Psychiater <strong>Friedrich</strong> <strong>Panse</strong> (1899<strong>–</strong>1973)<br />
war <strong>in</strong> der NS-Zeit T4-Gutachter, der geistig<br />
Beh<strong>in</strong>derte und psychisch Kranke <strong>in</strong> den Tod<br />
schickte. In der Wehrmacht ließ er höheren<br />
galvanischen Strom e<strong>in</strong>setzen, um „Kriegsneurotiker“<br />
zu heilen und „Simulanten“ zu<br />
enttarnen. Als Nationalsozialist war er e<strong>in</strong> engagiert<br />
lehrender Rassenhygieniker. Dennoch<br />
fanden sich nach dem Ende des NS-Regimes<br />
rasch Stimmen, die <strong>Panse</strong> zu entlasten bereit<br />
waren. <strong>Panse</strong> selbst gehörte nicht zu denjenigen,<br />
die nach 1945 den Vorwurf des Kontakts<br />
zur NSDAP empört zurückwiesen. Er leugnete<br />
nicht, dass er die nationalsozialistischen „erb-<br />
und volkspflegerischen Maßnahmen offen“<br />
begrüßt hatte, ließ aber auch wissen, er habe<br />
„unter der ganzen Belastung unsagbar gelit-<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Panse</strong>: well established <strong>in</strong> all systems.<br />
Psychiatrist <strong>in</strong> the Weimar Republic, <strong>in</strong> the Third<br />
Reich, and <strong>in</strong> the Federal Republic of Germany<br />
Summary<br />
The psychiatrist <strong>Friedrich</strong> <strong>Panse</strong> (1899<strong>–</strong>1973)<br />
was a T4 assessor dur<strong>in</strong>g the Nazi era who<br />
sent mentally disabled and mentally ill people<br />
to their deaths. In the German Armed<br />
Forces he used higher galvanic currents to<br />
cure „war neurotics” and expose „mal<strong>in</strong>gerers.”<br />
As a National Socialist he was a committed<br />
teacher of racial hygiene. Nonetheless, after<br />
the end of the Nazi regime many supporters<br />
quickly surfaced who were prepared to exonerate<br />
<strong>Panse</strong>. <strong>Panse</strong> himself was not among<br />
those who <strong>in</strong>dignantly repudiated the accusation<br />
of any contact with the Nazi Party. He<br />
did not deny that he had openly embraced<br />
the Nazi measures for preserv<strong>in</strong>g the genetic<br />
<strong>in</strong>tegrity of the populace, but he did let it<br />
be known that he had suffered <strong>in</strong>credibly un-<br />
türlich. Ich konnte die Menschl. Erblehre<br />
und Rassenhygiene völlig kl<strong>in</strong>isch ausgerichtet<br />
lesen. Anthropologische Fragen habe<br />
ich nicht behandelt (abgesehen von kurzen<br />
Erwähnungen meist <strong>in</strong> der letzten Stunde<br />
des Semesters), da ich nicht als Anthropologe<br />
dilettieren wollte und den nat.-soz. Rassetheorien<br />
<strong>in</strong>nerlich fern stand. 14<br />
14 Aufzeichnung <strong>Panse</strong>s, 08.09.1945, Universitätsarchiv<br />
Bonn, PA 6782.<br />
ten“. Die nordrhe<strong>in</strong>-westfälische Landesregierung<br />
lehnte es ab, <strong>Panse</strong> weiterh<strong>in</strong> als außerplanmäßigen<br />
Professor zuzulassen. Gegen<br />
diese Entscheidung klagte <strong>Panse</strong> erfolgreich<br />
vor dem Düsseldorfer Landesverwaltungsgericht.<br />
Er wurde Direktor der Anstalt Düsseldorf-Grafenberg,<br />
der Düsseldorfer Nervenkl<strong>in</strong>ik,<br />
Mitglied im Ärztlichen Sachverständigenrat<br />
<strong>für</strong> Fragen der Kriegsopferversorgung<br />
des Bundesarbeitsm<strong>in</strong>isteriums sowie Präsident<br />
der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Psychiatrie<br />
und Nervenheilkunde.<br />
Schlüsselwörter<br />
Psychiatrie · Nationalsozialismus · Eugenik ·<br />
Euthanasie · Wehrmacht<br />
der the heavy burden. The State Government<br />
of North Rh<strong>in</strong>e-Westphalia refused to allow<br />
<strong>Panse</strong> to cont<strong>in</strong>ue <strong>in</strong> his capacity as an extraord<strong>in</strong>ary<br />
professor. <strong>Panse</strong> successfully contested<br />
this decision at the State Adm<strong>in</strong>istrative<br />
Court <strong>in</strong> Düsseldorf. He became the Director<br />
of the Institution <strong>in</strong> Düsseldorf-Grafenberg,<br />
the Psychiatric Cl<strong>in</strong>ic <strong>in</strong> Düsseldorf, a<br />
member of the German Council of Medical<br />
Advisors for questions regard<strong>in</strong>g care for war<br />
victims of the German Federal M<strong>in</strong>istry of Labor,<br />
and President of the German Society for<br />
Psychiatry and Neurology.<br />
Keywords<br />
Psychiatry · National Socialism · Eugenics ·<br />
Euthanasia · German Armed Forces<br />
E<strong>in</strong>zelne Hörer bestätigten später den<br />
„streng sachlich objektiven Charakter“<br />
der Kollegs, <strong>in</strong> denen freilich der grundsätzlich<br />
unmenschliche Charakter der nationalsozialistischen<br />
Erblehre unerwähnt<br />
blieb. 15<br />
E<strong>in</strong> besseres Bild vermitteln möglicherweise<br />
die „nach Vorträgen an der<br />
15 Aussage Karl-Otto Vorlaender, 04.10.1945,<br />
Universitätsarchiv Bonn, PA 6782.<br />
Der Nervenarzt 3 · 2012 |<br />
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