Elektronischer Sonderdruck für Friedrich Panse – etabliert in allen ...
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Leitthema<br />
Staatsmediz<strong>in</strong>ischen Akademie Berl<strong>in</strong>“<br />
entstandenen Aufzeichnungen „Erbfragen<br />
bei Geisteskranken“, <strong>in</strong> denen <strong>Panse</strong><br />
die Vorläufigkeit der Forschungen immer<br />
wieder betont. Freilich stellte er die „Ausmerze“<br />
nicht gänzlich <strong>in</strong>frage, sondern<br />
schränkte sie im Falle von „Psychopathien“<br />
auf „e<strong>in</strong>deutig negative Persönlichkeits-<br />
und Charaktertypen“ e<strong>in</strong>. Entschieden<br />
trat er <strong>für</strong> Zwangssterilisierungen e<strong>in</strong>.<br />
Bei „trunksüchtigen Frauen“ sei „fast immer<br />
die Indikation zur Sterilisierung als gegeben“<br />
anzunehmen sei. Auch bei Corea<br />
Hunt<strong>in</strong>gton forderte <strong>Panse</strong> e<strong>in</strong> härteres<br />
Durchgreifen der Erbgesundheitsgerichte<br />
([10], S. 59 ff.).<br />
Im Frühjahr 1940 setzte sich <strong>Panse</strong> <strong>für</strong><br />
die Berücksichtigung der „Rassenhygiene“<br />
als Prüfungsfach e<strong>in</strong>, wie das <strong>in</strong> Köln<br />
und Frankfurt bereits der Fall war. Se<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>stige Zurückhaltung mit Rücksicht auf<br />
das Konkurrenzfach Hygiene gab <strong>Panse</strong><br />
nun auf:<br />
334 | Der Nervenarzt 3 · 2012<br />
Auch dann, wenn die Alte Ordnung noch<br />
beibehalten bleiben sollte, glaube ich <strong>–</strong> wenigstens<br />
auf Dauer <strong>–</strong> me<strong>in</strong>en Lehrauftrag<br />
nur unvollkommen zu erfüllen, wenn das<br />
Fach nicht geprüft wird. 16<br />
Als es 1944 um die Neubesetzung der rassenbiologischen<br />
Lehrstühle <strong>in</strong> München<br />
und Königsberg g<strong>in</strong>g, notierte man im<br />
Reichserziehungsm<strong>in</strong>isterium aber, <strong>Panse</strong><br />
sei „vornehmlich Psychiater“ und komme<br />
„<strong>für</strong> e<strong>in</strong>en rassenbiologischen Lehrstuhl<br />
wohl nicht <strong>in</strong> Frage“. 17<br />
Gutachten als Urteile<br />
über Leben und Tod<br />
Abb. 2 9 T4-Gutachterliste<br />
<strong>in</strong> den Heidelberger<br />
Dokumenten<br />
(Quelle: Wikipedia)<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Panse</strong> war vom 14.05.1940 bis<br />
zum 16.12.1940 Gutachter im Rahmen der<br />
16 <strong>Panse</strong> an Pohlisch [?], 26.03.1940, Universitätsarchiv<br />
Bonn, MF-PA 110.<br />
17 Notiz <strong>für</strong> Kuhnert, 15.02.1944, Bundesarchiv<br />
Berl<strong>in</strong>, R 4901, 477.<br />
T4-Aktion zur Tötung psychisch Kranker,<br />
se<strong>in</strong> Mentor Kurt Pohlisch parallel<br />
vom 30.04.1940 bis zum 06.01.1941. In<br />
dieser Zeit bearbeiteten beide nach eigenen<br />
Angaben etwa 1000 Meldebögen aus<br />
schlesischen und österreichischen Anstalten,<br />
<strong>Panse</strong> etwa 600, Pohlisch bis zu 400.<br />
Pohlisch gelangte nach eigenen Angaben<br />
<strong>in</strong> 1<strong>–</strong>2% der Fälle zu Tötungsentscheidungen.<br />
Tatsächlich lag die Quote höher.<br />
Selbst das Landgericht Düsseldorf g<strong>in</strong>g<br />
trotz deutlich skeptischerer Schätzungen<br />
der Staatsanwaltschaft von 10 Tötungsentscheidungen<br />
Pohlischs und 15 Tötungsentscheidungen<br />
<strong>Panse</strong>s aus. Gleichwohl<br />
entsprach die Gutachtertätigkeit <strong>Panse</strong>s<br />
und Pohlischs nicht den Erwartungen<br />
der Berl<strong>in</strong>er T4-Zentrale. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
deshalb wurden beide zur Jahreswende<br />
1940/41 aus dem Kreis der 40 außerhalb<br />
der 6 Tötungsanstalten tätigen T4-<br />
Gutachter ausgeschlossen ([1], S. 493 f.;<br />
. Abb. 2).<br />
Etablierung im<br />
Nachkriegsdeutschland<br />
<strong>Friedrich</strong> <strong>Panse</strong> gelang es nach dem Ende<br />
des NS-Regimes, se<strong>in</strong>e Hochschullaufbahn<br />
fortzusetzen. Obwohl T4-Gutachter,<br />
Nationalsozialist und engagiert lehrender<br />
Rassenhygieniker fanden sich rasch Stimmen,<br />
die <strong>Panse</strong> zu entlasten bereit waren.<br />
Äußerungen wie die des NS-Gegners und<br />
Chirurgen Ernst Derra blieben die Ausnahme:<br />
Se<strong>in</strong>e Anschauung über eugenische und<br />
rassenhygienische Probleme sche<strong>in</strong>en sich<br />
weitgehend mit denen des Systems gedeckt<br />
zu haben. Inwieweit er den Fragenkomplex<br />
der Euthanasie bejahte, konnte ich von ke<strong>in</strong>er<br />
Seite trotz verschiedentlicher Erkundigungen<br />
erfahren. In Gesprächen ist er <strong>für</strong><br />
den Nationalsozialismus und den damit<br />
verbundenen Militarismus mir gegenüber<br />
noch vor etwa 2 Jahren e<strong>in</strong>getreten. Er soll<br />
allerd<strong>in</strong>gs nicht e<strong>in</strong>e kritiklose E<strong>in</strong>stellung<br />
gehabt haben. 18<br />
Diese Kritik war allerd<strong>in</strong>gs recht harmlos,<br />
wie die „Persilsche<strong>in</strong>e“ dokumentieren:<br />
„Bedauern“ angesichts des Schicksals<br />
„von jüdischen Kollegen und Freunden“;<br />
18 Gutachten Derra, 06.09.1945, Universitätsarchiv<br />
Bonn, PA 6782.