Fraenkische-Nacht-Juni-2018-Komplett
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musiktipps<br />
wolfgang buck<br />
Des Gwärch & des Meer<br />
C.A.B. Records<br />
iceage<br />
Beyondless<br />
Matador<br />
Ja, „Su kammers aushaldn“! Eine wunderbar<br />
wie das Meer dahin groovende Musik<br />
hüllt den Hörer ein, ohne ihn einzulullen.<br />
Dafür sorgen schon die Texte, die tief ins<br />
Bewusstsein vordringen, ohne aufdringlich<br />
zu werden. Für mich ist es das beste Werk<br />
von Wolfgang Buck – sowohl musikalisch<br />
als auch im Gehalt. Nicht nur herausragend<br />
in der vielschichtigen Musikalität in fein abgestimmter<br />
Instrumentierung, auch in der<br />
Transparenz der Produktion mit hervorragend<br />
abgemischtem Sound und stimmigen Vocals.<br />
Im stimmlichen Vortrag wirkt dabei der fränkische<br />
Dialekt nie „gschmarriblöd“ (Helmut<br />
Haberkamm), sondern hintersinnig, ohne despektierlich<br />
zu werden. „Franken ist groß und<br />
Wolfgang Buck ist sein Prophet“, sagt dazu<br />
Nürnbergs Kulturreferent Andi Radlmaier.<br />
Live ist Buck z.B. am 13.6. in Nürnberg oder<br />
am 7.10. in Stegaurach zu erleben. Die 13 neuen<br />
Songs des dialektischen Songkünstlers und<br />
Geschichtenerzählers erklingen wie Songperlen,<br />
die sowohl die alltäglichen „Abstrampeleien“<br />
des Lebens beleuchten als auch<br />
das sozialpolitische Bewusstsein schärfen:<br />
„Alles hinderlässd Schburn“ so wie wir alle<br />
„Flüchdlingskinder“ sind. Helmut Ölschlegel<br />
Inmitten Kopenhagens liegt ein autonomer<br />
Staat im Staate, der bei uns mehr für<br />
seine putzigen Lastenräder bekannt ist, als<br />
für Anarchie, Drogenhandel und Morde auf<br />
offener Straße. Wie Christiania verkörpern<br />
auch Iceage die Schattenseiten des ehemals<br />
glücklichsten Landes der Welt, dies jedoch<br />
nicht nur unfreiwillig. Hatten sich die jungen<br />
Dänen mit den Noise-Attacken ihrer ersten<br />
beiden Alben zurecht den Titel der gefährlichsten<br />
Post-Punk Band erstritten, waren<br />
sie nach dem herrlich zerfahrenen Fiebertraum<br />
„Plowing Into the Field of Love“ von<br />
2014 auch noch zur coolsten seit Nick Caves<br />
The Birthday Party gereift. „Beyondless“<br />
gelingt es nun einen ähnlich hypnotischen<br />
Sog zu entfalten, dabei trotz neuerdings eingestreuter<br />
Motown-Bläsersätze aber aufgeräumter,<br />
ja fast zugänglich zu wirken. Elias<br />
Bender Rønnenfelt raunt seine nihilistischen<br />
Phrasen weiterhin mit der gelangweilten<br />
Aggression eines Julian Casablancas beim<br />
Lou Reed-Karaoke, doch verfangen sie in ihrer<br />
Abgründigkeit diesmal umso nachdrücklicher.<br />
„Something is rotten in the state of<br />
Denmark“, sagt Marcellus in Hamlet. „Fuck<br />
yeah!“, sagen Iceage. Maximilian Beer<br />
avicii<br />
True<br />
Universal Music<br />
beach house<br />
7 Bella Union/Rough Trade<br />
Aus traurigem Anlass stellen wir hier noch<br />
einmal eines der erfolgreichsten Alben<br />
der letzten Jahre vor: „True“ von Avicii. Auf<br />
diesem Album sind all die Songs enthalten,<br />
mit denen der Schwede hierzulande<br />
am erfolgreichsten war. Allem voran der<br />
Sommerhit 2013 „Wake me up!“, gefolgt<br />
von Ohrwürmern, wie „Hey Brother“ oder<br />
„Addicted to you“. Mit solchen Songs<br />
hat der DJ und Produzent Avicii, der mit<br />
bürgerlichem Namen Tim Bergling hieß,<br />
die Musikwelt aus den Angeln gehoben.<br />
Er schaffte es elektronische Musik mit<br />
akustischen Elementen zu verbinden.<br />
Damit stellte er eine Synergie zwischen<br />
„alt“ und „neu“ her - und schuf weltweite<br />
Hits, denen sich kaum jemand entziehen<br />
konnte. Zudem arbeitete er nicht nur für<br />
seinen eigenen Namen, auch große Teile<br />
von Madonnas „Rebel Heart“-Album<br />
oder der aktuelle Coldplay-Superhit „A<br />
Sky full of Stars“ stammen aus Aviciis Feder.<br />
Leider setzte der weltumspannende<br />
Erfolg dem sensiblen Ausnahmekünstler<br />
körperlich wie seelisch extrem zu. Die<br />
besten sterben tatsächlich immer viel<br />
zu jung!<br />
Sabine Mahler<br />
Dass Beach House ihr siebtes Album ganz<br />
pragmatisch „7“ betitelt haben, muss keineswegs<br />
ein Zeichen von Fantasielosigkeit<br />
sein – gilt diese Ziffer doch seit jeher als<br />
magische, spirituell aufgeladene Zahl. In<br />
der Feng-Shui-Numerologie etwa steht sie<br />
unter anderem für Tiefgründigkeit, Rückzug,<br />
Innenschau. Was wiederum passen<br />
würde, scheinen sich Victoria Legrand und<br />
Alex Scally im 13. Jahr des gemeinsamen<br />
Musizierens doch zumindest in Nuancen<br />
neu zu orientieren. Natürlich mutiert das<br />
beschauliche Strandhaus deshalb nicht<br />
gleich zur prolligen Partyhütte, doch peppt<br />
das introvertierte Duo aus Baltimore seinen<br />
sphärischen Dream Pop mit dezenten Noise-Einsprengseln<br />
auf („Drunk in LA“), huldigt<br />
noch deutlicher als bisher Shoegaze-Ikonen<br />
wie My Bloody Valentine („Dive“), flirtet ein<br />
bisschen mit dem Indie-Dancefloor („Dark<br />
Spring“) und wagt sich in epische Post-<br />
Rock-Gefilde („Last Ride“). Auf die vertrauten<br />
Ohrenschmeichler muss man dennoch<br />
nicht verzichten, Tracks wie „L’Inconnue“<br />
oder „Woo“ dürften die Stammkundschaft<br />
einmal mehr im siebten Himmel auf Wolke<br />
sieben schweben lassen Uli Digmayer<br />
KURZ &GUT<br />
Eine Stadionhymne bei der anstehenden<br />
Fußball-WM wird „Total Football“ aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach leider nicht (und das nicht<br />
nur, weil Holland nicht mit von der Partie ist).<br />
Dabei beschreibt der Opener von Parquet<br />
Courts neuem Album „Wide Awake!“ eine<br />
der sympathischsten aller Fußballtaktiken:<br />
Beim „totaalvoetbal“ wie es Johan Cruyff<br />
einst nannte, kann jeder die Rolle von jedem<br />
einnehmen. Das perfekte Kollektiv und<br />
für die Texaner die perfekte Allegorie, um<br />
zu beschreiben, was in der ich-zentrierten,<br />
empathiefreien Gegenwart alles schief geht.<br />
Verpackt ist die Gesellschaftskritik wie immer<br />
bei den Parquet Courts in äußerst tanzbare<br />
(wenngleich kaum stadiontaugliche) 60s-<br />
Garagenrock-Beats. cro<br />
Auch Steven Malkmus hatte im Laufe seiner<br />
50 Musikerjahre den einen oder anderen<br />
Beitrag zum allgemeinen Gesellschaftsdiskurs<br />
beizutragen. Und doch wird der schlacksige<br />
Slacker für uns immer der sein, der uns „I’m<br />
just a boy with a new haircut“ entgegensäuselt.<br />
Gerade ist „Sparkle Hard“, das siebte Album<br />
des Kaliforniers mit den Jicks erschienen. Womit<br />
er mit seinem Soloprojekt mehr Arbeistnachweise<br />
liefern kann als mit der legendären<br />
Vorgängerband Pavement. Doch auch wenn<br />
Malkmus heute ernsthafter und artifizieller<br />
daherkommt als noch mit den Kollegen<br />
Kannberg & Co., sind uns das „Uhuhu“, das<br />
Frage-Antwort-Spiel in den Refrains und das<br />
Rückkopplungsgequietsche aus seinem Orange-Verstärker<br />
geblieben. Ganz wunderbar. cro<br />
DJ-Toplist > <strong>Juni</strong><br />
Herr Mirwe<br />
1. Destruction Unit - Salvation<br />
2. Thee Oh Sees - Lupine Ossuary<br />
3. Cave feat. Bobby Conn - Bobby‘s Hash<br />
4. Barry Adamson - Jazz Devil<br />
5. Uran - Straalskadad<br />
6. Lite - Infinite Mirror<br />
7. King Gizzard And The Lizard Wizard - Open Water<br />
8. Freunde der italienischen Oper - Botswain<br />
9. Sleeping People - Polizei<br />
10. Christian Vialard - Yo2<br />
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