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24 MUSIK CDS VINYL & MP3 Natalie Prass The Future And The Past Ein Song heißt „Ain‘t Nobody“ und ist ein Original. In diesem Titel steckt ein wichtiger deskriptiver Hinweis. Der gleichnamige Klassiker von Rufus & Chaka Khan und ähnlich gestrickte Clubhits sind ein wichtiger Pfeiler der Orientierung. „Give Me The Night“ von George Benson trifft als Einfluss genauso zu wie das Werk einer Stephanie Mills, Phyllis Hyman oder, später angesetzt, Erykah Badu. Natalie Prass verweist auf diesen Sound und interpretiert ihn nicht verzweifelt wie eine Person, die es mit einer Soul-Legende aufnehmen will. Nein, sie überzeugt mit Einfühlsamkeit und Verständnis für das Metier. Ein gutes Beispiel dafür ist „Lost“. Hier entdeckt man eine Power-Balladen-Kraft, die man mit Whitney Houston verbindet. Es ist erbaulich, wenn man vernimmt, wie die Sängerin aus Virginia diesen vielleicht umstrittenen Vibe für sich nutzt. Nur an einer Stelle lässt sie zu sehr los. „Ship Do Down“ wirkt wirr, es mangelt an Struktur. Ein Schönheitsfehler, mehr nicht. Sonst begeistert Natalie Prass mit ihrem Zweitling alle Hörer, die schon von Janelle Monáes „Dirty Computer“ begeistert waren. Thomas Weiland ATO Records / PIAS / Rough Trade; www.natalieprass.com 16,0mm Beach House 7 Beach House haben im Dream-Pop- Olymp einen eigenen Platz erhalten, zwischen den ruhigen Songs von Velvet Underground, insbesondere mit Nico,The Church, Lisa Germano, Mazzy Star, Galaxie 500, Low und zuletzt Daughter sowie die eher experimentell-elektronischen Lucrecia Dalt sind sie die durchaus opulente Version des im Himmel entschwindenden Schuheglotzens. Hier wird sich spektakulär aus dem Leben verabschiedet. Das französisch-amerikanische Paar Victoria Legrand und Alex Scally zeigte seine symbiotische Stärke vollends auf „Bloom“ im Jahr 2012 und 2015 auf gleich zwei neuen Alben. Es schien schwer nachzulegen. Doch mit der „7“ tun sie das über alle Songs hin und weben wieder ihr tieftrauriges und berührendes neopsychedelisches Netz. Dabei geben Beach House Hoffnung und trösten, die vielleicht wichtigste Funktion anspruchsvoller Pop-Musik. Beach House sind noch schleppender, tragischer geworden. Es stagniert, die Gitarren funkeln. Nennen wir es kathartisch. Beach House bleiben die Meister des Ätherischen. Christoph Jacke Bella Union / PIAS / Rough Trade; www.beachhousebaltimore.com Lykke Li So Sad So Sexy Drama! Drama! Vor uns haben wir ein Album über das Scheitern in der Liebe. Während der Phase der Produktion hat sich die schwedische Sängerin ständig mit ihrem Mann Jeff Bhasker gestritten. Es war so schlimm, dass sie die Arbeiten mit den Kollegen Skrillex, Emile Haynie (Lana Del Rey), Rostam Batmanglij (Vampire Weekend) und Malay (Frank Ocean) abschließen musste. Die 32- Jährige schiebt sich selbst die Schuld in die Schuhe und bezeichnet sich ohne Umschweife als „Bad Woman“. Als Rettung bleiben Wunschvorstellungen und Träumereien, so genannte „Jaguars In The Air“. Es ist spannender Stoff, von dem Lykke hier mit autobiografischer Schärfe singt. Leider hat sie auch ihren Sound verändert, das ist ein Nachteil. Sie ist ja zu großen Pop-Momenten in der Lage, das wissen wir seit „I Follow Rivers“. Leider macht sie von dieser Stärke zu wenig Gebrauch. In „Deep End“ und im Titelsong sind Melodien vorhanden, sonst wirkt alles zu unterkühlt. Ohne ihren jahrelangen Unterstützer und Landsmann Björn Yttling bleibt Lykke Li zu sehr an R&B und Trap hängen. Es läuft einfach nicht für sie mit den Männern. Thomas Weiland RCA / Sony Music; www.lykkeli.com TT LoveLaws ALBUM DES MONATS Kamasi Washington Heaven And Earth Dieses Mal reichen dem gefeierten Tenorsaxofonisten zwei CDs. Heaven reflektiert das innere Spektrum der Gefühle, Earth das nach außen gelangende. In „Space Traveller‘s Lullaby“ enthusiasmiert kosmische Vibration, sie erinnert nicht ganz unerwartet an Sun Ra. Wie sehr Washington lateinamerikanische Rhythmik liebt, hört man an „Vi Lua Vi Sol“. Er tut es so inbrünstig, dass parallel nicht einmal der Vocodergebrauch stört. In „Connections“ kreieren der Trompeter und Posaunist einen Hort der Ruhe. An anderen Stellen überrascht eine durch Orchestereinsätze und Chorbeiträge generierte Wucht. Der Sologesang von Patrice Quinn in „Testify“ ist ganz wunderbar, ebenso die größere Nähe zum Marvin Gaye der „What‘s Going On“-Periode. Purer Wahnsinn ist Washingtons fiebrige Eruption am Ende von „Can You Hear Him“. Da spürt man die ganze Getriebenheit dieses Mannes. Gerade in solchen Momenten zieht er die Gemeinde mit aller Macht auf seine Seite und lässt er sie zum Jazz überlaufen. Er ist hier nicht so auf Erneuerung bedacht wie auf dem Vorgänger „The Epic“, es geht ihm mehr um Verfeinerung. Aber auch von ihr versteht er ganz, ganz viel. So ist er endgültig unschlagbar. Thomas Weiland Young Turks / Indigo; www.kamasiwashington.com Theresa Wayman schenkt uns hier als TT eine merkwürdige Mischung aus tagträumerischer Melancholie, dunklem Abgrund und ganz hellem Leuchten. Die Sängerin und Bassistin von Warpaint taucht tief ein in ihre Musikwelten, die synthetisch und soulig, gleichwohl keinesfalls auch nur irgendwie kitschig wirken. Die ehemalige Fußballspielerin hat sich nach 14 Jahren Warpaint zu diesem ersten Soloalbum entschlossen - und wir können uns freuen. Wobei Enthusiasmus über derart ernste Musik scheinbar verrückt klingt. Denn im 17,0mm Grunde erleichtert TT den emotional betroffenen Zuhörenden, nimmt ihn mit, lässt einen wieder mal bemerken, dass Enden immer Anfänge provozieren, dass Alleinsein der Start und das Ende von allem ist. Zusammen mit Bruder Ivan, im Wesentlichen und musikalisch aber ganz allein, hat TT dieses berüh- 4,0mm
MUSIK CDS VINYL & MP3 25 rende, reduzierte und dennoch luzide Stück Traurigkeit produziert, das besonders stark wird, wenn es sich mit Anleihen von Dub oder TripHop weg von Warpaint bewegt. Den Hit „Love Leaks“ hören und sinken. Christoph Jacke LoveLeaks / Caroline International; www.facebook.com/theresawayman Silbersee Father John Misty God‘s Favorite Customer Nach dem anstrengenden Meisterwerk „Pure Comedy“, auf dem Josh Tillman ergreifend überkandidelt Selbstbespiegelung betrieb, hat er sich jetzt etwas beruhigt. Liebeskummer, Leben im Hotel und hedonistische Ausschweifungen lassen seine Lyrics und seinen Piano-Pop im Früh-70er-Jahre-Stil weniger extravagant und dramatisch erscheinen. Angenehm mild und müde manchmal, wären da nicht Stücke wie das giftige „Date Night“, das an Pavement erinnert, oder „Hang Out At The Gallows“, das mit sängerischem Aplomb und 1940 auf der Karibikinsel Tobago geboren, gilt die Grande Dame nicht nur seit Äonen als Königin des Calypso, sondern auch als Vorkämpferin gegen Rassismus und soziale Benachteiligung und als feministische Pionierin. Auf diesem Album zollt sie ihren Idolen wie Nat King Cole, Aretha Franklin, Bob Marley, The Melodians, Angestürmischen Drums beinahe Richtung ProgRock tendiert. Selbst wenn er emotional nicht so in die Extreme geht und sich eher geschlagene Wunden leckt, fasziniert Father John Misty. Bella Union / Cooperative Music; www.fatherjohnmisty.com Gruff Rhys Babelsberg Der stets überraschende Gruff Rhys, einst bei der schrulligen Exzentrikertruppe Super Furry Animals aus Wales, schwelgt hier in charmantem orchestralen Sixties-Pop und mutiert zu einer Art walisischem Lee Hazlewood. Elegant und geschmeidig von außen, wirken die dystopischen Geschichten von Apokalypse und Weltuntergang, die Gruff Rhys in seinen Songs erzählt, umso merkwürdiger. Aber die Musik ist so warm und einladend und beleiht hier und da Melodien von Crosby, Stills & Nash, ELO, Gorillaz, dass man es hier mit einer höchst verführerischen, etwas anderen Sommerplatte zu tun hat. Rough Trade / Beggars Group / Indigo; www.gruffrhys.com Calypso Rose So Calypso! Texte: Andreas Dewald lique Kidjo Tribut. Und macht dabei über einem feurigen Cocktail aus Soul, Calypso, Ska, Reggae und World Music eine unglaublich jugendliche Figur. Klassiker à la „Under The Mango Tree“, „I Say A Little Prayer“, „Rum And Coco Cola“, sogar „Rivers Of Babylon“ klangen selten so zündend wie hier. Because Music / Caroline International; www.calypso-rose.com Ende <strong>Juli</strong>: Aus für Jörgs CD-Forum MS Jetzt hat die digitale Revolution auch seinen Laden hinweggefegt, klagt Jörg Tollkötter, der sein seit 1984 existierendes CD-Forum, heute an der Lambertikirche mitten in Münster gelegen, Ende <strong>Juli</strong> schließen wird. Trotz vieler Versuche, die Verluste aufzufangen, haben Veränderungen im Musikkonsumentenverhalten durch die Möglichkeiten des Streaming und der nachlassende Absatz gegenständlicher Tonträger zum Zusammenbruch seines Geschäftsmodells geführt, sagt der traurige Betreiber. Auch Erweiterungen wie der Verkauf von Konzerttickets, Büchern oder Vinyl-Schallplatten, deren Umsatz aber nur etwa 4,5 % auf einem inzwischen geviertelten Markt beträgt, haben nicht genug gebracht, um mit nicht weiter reduzierbaren Personal- und Betriebskosten noch rentabel wirtschaften zu können. Die Musikindustrie hat seiner Meinung nach zu viele Fehler gemacht und Spotify & Co., deren Strategie er nicht verstehe, das Feld überlassen, dass Jörg sich mit dem CD-Forum am Ende seiner Möglichkeiten sehe. Damit schließt nach fast 35 Jahren, in denen dieser Plattenladen den musikalischen Geschmack des Publikums in und um Münster maßgeblich mitprägte, eine Institution ihre Pforten. Der Ausverkauf läuft, mit einer Träne im Knopfloch. Letzte Chance. bis 31.07. MS - Alter Steinweg 4-5, mo-fr 10-20 Uhr, sa 10-18 Uhr; www.cd-forum.com 17,0mm 17,0mm
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