26.06.2018 Aufrufe

GIG Juli 2018_Ansichts-NEU

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

26<br />

FILM<br />

GEMEINSAM SINGEN<br />

Ein Lied in Gottes Ohr<br />

Der Musikproduzent Nicolas (Regisseur Fabrice<br />

Éboué) hat Stress. Seine fordernde Chefin provoziert<br />

ihn zu der fahrlässigen Äußerung, es sei kein<br />

Problem, mittels kürzester Zeit eine Band ins<br />

Rampenlicht zu zerren, die das berühmte Pariser<br />

Olympia füllen wird.<br />

Die Idee: Eine Religions-Boygroup mit einem Rabbi,<br />

einem Imam und einem Pfarrer. Schließlich<br />

sind drei Männer für den Job gefunden: Der depressive<br />

Rabbi Samuel (Jonathan Cohen), Moncef<br />

(Ramzy Bedia), der zwar Moslem ist, aber kein<br />

Imam, sondern ein versoffener Chansonnier. Benoit<br />

(Guillaume de Tonquédec) ist hingegen wirklich<br />

ein überzeugter katholischer Pfarrer.<br />

Wenigstens können alle drei richtig gut singen,<br />

aber Streitereien über Religion sind ebenso an<br />

der Tagesordnung wie diverse Scharmützel.<br />

Toleranz verlangt diese sehr lustige französische<br />

Komödie nicht nur von ihren Protagonisten, sondern<br />

auch vom Zuschauer, bekommt hier doch alles<br />

und jeder sein Fett weg. Das ist mitunter etwas<br />

albern, in seiner politischen Inkorrektheit<br />

aber ungemein erfrischend. Und vor allem: Die<br />

Figuren und ihre Überzeugungen werden niemals<br />

bloßgestellt, im Gegenteil strahlt der flotte Film<br />

trotz seiner vielen bösen Witze eine ungeheure<br />

Menschenliebe aus. Hat das Zeug zum Renner wie<br />

vor einigen Jahren „Monsieur Claude und seine<br />

Töchter“. Martin Schwarz<br />

F 2017; Regie: Fabrice Éboué; mit Fabrice<br />

Éboué, Audrey Lamy, Ramzy Bedia u.a.; Bundesstart:<br />

26.07.; www.neuevisionen.de<br />

VERSTREUT<br />

Global Family<br />

Narben sagen mehr als Worte, und die von Yasmins<br />

kleinen Töchtern sind so groß, dass sie sich<br />

nicht verstecken lassen. Sie stammen von einem<br />

SNEAKPREVIEW<br />

© Neue Visionen<br />

Zänkisch, aber musikalisch: Rabbi Samuel (Jonathan<br />

Cohen), Pfarrer Benoit (Guillaume de Tonquédec)<br />

und „Imam“ Moncef (Ramzy Bedia, v.l.n.r.)<br />

Brandanschlag, den die Familie Shash in Deutschland<br />

erleben musste. Die beiden Mädchen sind hier<br />

geboren und aufgewachsen, perfekt integriert.<br />

Ebenso ihre resolute Mutter Yasmin, die 1989 mit<br />

ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg in Somalia flüchtete.<br />

Die anderen Familienmitglieder sind seitdem<br />

über verschiedene Länder verstreut. Die Regisseure<br />

Melanie Andernach und Andreas Köhler fokussieren<br />

die Akteure zunächst einzeln und veranschaulichen<br />

in Alltagsszenen, mit welchen Schwierigkeiten<br />

sie in den jeweiligen Einwanderungsländern<br />

zu kämpfen haben. Schließlich begleiten wir<br />

die ganze Familie nach Äthiopien, wo Großmutter<br />

Imra seit der Flucht lebt.<br />

Dank des persönlichen Blickwinkels macht dieser<br />

einfühlsame Beitrag zum Thema Flucht und Integration<br />

einiges deutlich, das wir aus der aktuellen<br />

Mediendebatte nicht erfahren: Die multiplen Traumata,<br />

mit denen jeder einzelne geflüchtete<br />

Mensch leben muss.<br />

Aber auch die Kraft des Familienzusammenhalts:<br />

Liebe<br />

und Humor sind hier die Motoren<br />

im täglichen Kampf<br />

gegen die mal offensichtlichen,<br />

mal subtilen Diskriminierungen,<br />

denen Migranten<br />

© Alamode Film<br />

oft noch in der dritten Generation ausgeliefert<br />

sind. Karin Jirsak<br />

D / CDN / ETH / I <strong>2018</strong>; Regie: Melanie Andernach,<br />

Andreas Köhler; Bundesstart: 28.06.; www.im-film.de<br />

PHILOSOPHISCHER ROAD TRIP<br />

303<br />

Biologie-Studentin Jule (Mala Emde) macht sich<br />

mit ihrem alten Wohnmobil auf die lange Reise in<br />

Richtung Süden. Unterwegs steigt Tramper Jan (Anton<br />

Spieker) zu. Die beiden 24-Jährigen sind sich<br />

auf Anhieb sympathisch. Mit Smalltalk-Vorglühen<br />

hält sich das diskussionsfreudige Duo nicht lange<br />

On the road im alten Daimler kommen sich Jule<br />

(Mala Emde) und Jan (Anton Spieker) schnell näher<br />

auf, schnell geht es ans Eingemachte. Vom großen<br />

Ganzen im Leben bis zum kleinen Detail in der<br />

Liebe. Ob Niedergang der Neandertaler, Siegeszug<br />

des Kapitalismus, Zweifel an der Monogamie<br />

oder jene entscheidenden drei Sekunden vor dem<br />

Kuss - an Themen herrscht auf diesem Trip kein<br />

Mangel. Dabei ist jederzeit spürbar, welches Vergnügen<br />

Weingartner am Verfassen der witzignachdenklichen<br />

Wortgefechte hatte -<br />

gleichsam nebenbei erfindet „303“ das Genre<br />

der philosophischen Screwball-Comedy.<br />

Für Schauspieler sind solch‘ geschliffene<br />

Dialoge natürlich eine gemähte Wiese. Sie<br />

Yasmin kämpft für die<br />

Zukunft ihrer Kinder<br />

© Andreas Köhler / ImFilm<br />

Die Frau, die vorausgeht<br />

Der Titel klingt ja erstmal etwas nichtssagend, viel<br />

zu sagen hatte hingegen die Künstlerin und Aktivistin<br />

Caroline Weldon, die Ende des 19. Jahrhunderts<br />

zur Unterstützerin des berühmten Sioux-Häuptlings<br />

Sitting Bull wurde. Ihre Geschichte interpretiert<br />

dieses Westerndrama mit Jessica Chastain relativ<br />

frei und hoffentlich nicht allzu kitschig.<br />

USA <strong>2018</strong>; Regie: Susanna White; mit Jessica<br />

Chastain, Michael Greyeyes, Sam Rockwell u.a.;<br />

Bundesstart: 05.07.; www.tobis.de<br />

© Edition Salzgeber<br />

Marvin (hier:<br />

Jules Porier)<br />

wird gemobbt<br />

17,0mm<br />

Marvin<br />

Der sensible Marvin (Finnegan Oldfield) wurde<br />

wegen seines „Andersseins“ immer ausgegrenzt,<br />

im Theater findet er<br />

zu sich selbst - und in<br />

dem älteren Kollegen<br />

Roland (Charles Berling)<br />

eine erste Liebe.<br />

Coming-out-Drama<br />

trifft Theaterwelt-Porträt,<br />

veredelt mit dem Glanz der Grande<br />

Dame Isabelle Huppert, die sich hier selbst spielt.<br />

F <strong>2018</strong>; Regie: Anne Fontaine; mit Finnegan Oldfield,<br />

Charles Berling, Isabelle Huppert u.a.;<br />

Bundesstart: 05.07.; www.salzgeber.de<br />

Mamma Mia! Here We Go Again<br />

Feelgood-Alarm, die Zweite: Unbeschwert geliebelt<br />

und geträllert wird in diesem stargespickten<br />

ABBA-Sommermusical einmal mehr mit Meryl<br />

Streep, Amanda Seyfried, und auch die illustre Herrengarde<br />

des ersten Teils ist wieder mit an Bord.<br />

Viel versprechende Neuzugänge im Cast sind Cher<br />

und Lily James.<br />

USA <strong>2018</strong>; Regie: Ol Parker; mit Meryl Streep, Pierce<br />

Brosnan, Colin Firth u.a.; Bundesstart: 19.07.;<br />

www.mammamia-derfilm.at<br />

Nico, 1988<br />

„Don’t call me Nico. Call me by my real name<br />

Christa.“ 1988 hatte die Sixties-Ikone und Velvet-<br />

Underground-Sängerin, fantastisch besetzt mit der<br />

Dänin Trine Dyrholm, mit der Vergangenheit abgeschlossen.<br />

In diesem authentischen Biopic geht<br />

es also um die Solokünstlerin, die unangepasste<br />

Frau hinter dem Konstrukt „Nico“ - und ihre Dämonen.<br />

17,0mm<br />

Klappstuhl Sperrsitz Parkett Balkon Loge<br />

© <strong>2018</strong> Film Kino Text<br />

I / B 2017; Regie: Susanna Nicchiarelli; mit Trine<br />

Dyrholm, John Gordon Sinclair, Anamaria Marinca<br />

u.a.; Bundesstart: 19.07.; www.filmkinotext.de<br />

Sicario 2<br />

Achtung: Dieser Nachklapp entbehrt zwei der wesentlichen<br />

Erfolgszutaten, die den harten Krimithriller<br />

„Sicario“ 2015 zum Hit machten: Die<br />

Regie von Denis Villeneuve und die starke Präsenz<br />

von Emily Blunt. Hoffen wir, dass Benicio<br />

Del Toro und Josh Brolin aus der Fortsetzung<br />

trotzdem einen sehenswerten Actionreißer machen.<br />

USA <strong>2018</strong>; Regie: Stefano Sollima; mit Benicio Del<br />

Toro, Josh Brolin, Isabela Moner u.a.; Bundesstart:<br />

19.07.; www.studiocanal.de<br />

Texte: Karin Jirsak<br />

Queen of<br />

darkness:<br />

Nico (Trine<br />

Dyrholm),<br />

1988

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!