DER MAINZER - Das Magazin für Mainz und Rheinhessen - Nr. 335
DER MAINZER, das Magazin für Mainz und Rheinhessen bietet Artikel zu aktuellen Themen aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Freizeit, Kultur und Sport. Außerdem: Restauranttests, Einkaufstipps sowie Veranstaltungshinweise!
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POLITIK | <strong>DER</strong> <strong>MAINZER</strong> 08. 2018 | 29<br />
E I N Z E L H A N D E L<br />
A N Z E I G E<br />
S C H I L L E R P L A T Z<br />
W W W . D E R M A I N Z E R . N E T / E I N Z E L H A N D E L / S C H I L L E R P L A T Z<br />
MOGUNZIUS<br />
STADTSCHREIBER<br />
DES <strong>MAINZER</strong>S<br />
Woche der Baumotzerei<br />
Sie sitzen abends gemütlich in einem Restaurant <strong>und</strong> plötzlich erhebt<br />
sich am Nebentisch eine Stimme die laut <strong>und</strong> vernehmlich verkündet,<br />
das Essen sei banal, der Koch unfähig <strong>und</strong> das könne man<br />
ihm ruhig abnehmen, denn er selbst sei Koch. <strong>Das</strong> seltsame ist, das<br />
passiert Ihnen immer wieder, egal wo sie essen gehen, überall erheben<br />
sich Köche die lauthals ihren Berufskollegen nieder machen.<br />
Auf ihrem Heimweg stehen vor Schaufenstern Menschen, die sich<br />
als Schaufensterdekorateure outen <strong>und</strong> sich über die Banalität der<br />
Darstellung lustig machen. Im Linienbus angekommen erklären mehrere<br />
Fahrgäste, sie seien Berufskraftfahrer <strong>und</strong> der Busfahrer hätte<br />
einen unterirdischen Fahrstil.<br />
Nein, so etwas gibt es nicht. Die Regel ist, dass, bis auf Einzelfälle,<br />
Berufskollegen Respekt vor einander haben <strong>und</strong> bei Kritik eher das<br />
Einzelgespräch suchen. Bis auf eine Berufsgruppe, die Architekten.<br />
Live erleben kann man das zumindest einmal jährlich bei der »Woche<br />
der Baukultur«. Da stolpern Heerscharen von Architekten durch<br />
<strong>Mainz</strong>er Quartiere <strong>und</strong> das Lieblingswort ist dann: banal. Der Entwurf<br />
ist banal, das Viertel ist banal, der Plan ist banal usw. usw.<br />
Wenn diese Menschen wenigstens unter ihresgleichen bleiben<br />
würden, aber nein, sie wandern durch die Gegend <strong>und</strong> jeder, der<br />
ihnen begegnet muss glauben, wir sollten am besten unser geliebtes<br />
<strong>Mainz</strong> abreißen. Da diese selbstbewusste <strong>und</strong> zur Selbstdarstellung<br />
neigende Berufsgruppe nicht sicher sein kann, dass auch jeder vernehmen<br />
kann, wie banal die Architektur in unserer Stadt ist, werden<br />
Journalisten eingeladen <strong>und</strong> ermutigt das auch niederzuschreiben.<br />
<strong>Das</strong> liest sich dann z.B. so (AZ vom 23. Juni 2018): » XX sieht keinen<br />
Gr<strong>und</strong>, im Viertel zu flanieren, da es ihm zu banal ist.« » XY findet<br />
das Projekt ambitioniert, aber diese Ambitionen seien nicht eingelöst.«<br />
»XZ findet das Quartier mit jedem Schritt hässlicher«, <strong>und</strong> so weiter<br />
<strong>und</strong> so fort.<br />
Nun muss man wissen, dass die Architektenkammer, <strong>für</strong> jedes<br />
noch so kleine Projekte in <strong>Mainz</strong> Wettbewerbe verlangt, an der möglichst<br />
viele Architekten zu beteiligen sind <strong>und</strong> viele Architekten im<br />
Preisgericht sitzen sollen. In unserer Stadt geht gar nichts mehr ohne<br />
Wettbewerbe. <strong>Das</strong> dauert ewig, kostet viel Geld <strong>und</strong> Nerven. Wenn<br />
dann endlich der Preisträger feststeht (auch Platz 2 <strong>und</strong> 3 müssen<br />
Geld bekommen) <strong>und</strong> realisiert wird, beginnt die nächste »Woche<br />
der Baukultur« <strong>und</strong> die Motzerei beginnt vor vorne.<br />
So kann das nicht weitergehen. Vielleicht sollte die Kammer mal<br />
über einen Kodex nachdenken.<br />
| Mogunzius<br />
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