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Zehn Methoden, wie Professionelle das eigene ... - rudolf-heltzel.de

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Michael Lukas Moeller war ein Mann mit vielen I<strong>de</strong>en (er<br />

starb viel zu früh und wird schmerzlich vermisst), wobei diese<br />

I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r betrieblichen Gesprächsgruppen sich offenbar<br />

nicht realisieren ließ. Aber ein ganz ähnliches Netzwerk, an<br />

<strong>de</strong>m ich selbst teilnehme, ist tatsächlich von Moeller aufgebaut<br />

und geleitet wor<strong>de</strong>n, es existiert seit mehr als 25 Jahren.<br />

Da es engstens mit <strong>de</strong>m Thema »Burnout-Prophylaxe« verknüpft<br />

ist, erwähne ich es hier. Gemeint ist GRAS (<strong>das</strong> steht<br />

für Gruppenanalyseseminar), wo sich nicht nur Gruppenanalytiker<br />

in Ausbildung, son<strong>de</strong>rn auch bereits qualifizierte<br />

Gruppenanalytiker in nicht geleiteten Kleingruppen treffen,<br />

um sich über sich selbst und ihr Leben (auch ihr Arbeitsleben)<br />

austauschen zu können. Für zahlreiche Psychoanalytiker, Psychotherapeuten<br />

und Gruppentherapeuten ist dies eine regelmäßig<br />

(für zwei Wochen im Jahr) genutzte Möglichkeit, etwas<br />

für die <strong>eigene</strong> Psychohygiene zu tun. Ich habe mehrere Jahre<br />

daran teilgenommen und fühlte mich durch <strong>de</strong>n offenen, vertrauensvollen<br />

Austausch je<strong>de</strong>s Mal entlastet und belebt. Etwas<br />

in dieser Art hatte Michael Lukas Moeller für alle <strong>Professionelle</strong>n<br />

(nicht nur für Gruppenanalytiker) im Sinn.<br />

6. Metho<strong>de</strong>: <strong>Professionelle</strong> sollten, wenn sich die<br />

Arbeitswelt so kompliziert entwickelt, die<br />

Mitverantwortung daran ablehnen! Sie sollten<br />

Opferrollen und Feindbil<strong>de</strong>r pflegen, <strong>das</strong> schützt<br />

verlässlich vor Trauerarbeit!<br />

Das schon erwähnte Oktober-Heft <strong>de</strong>r Zeitschrift »Psychologie<br />

heute« erwähnt eine groß angelegte Aktion <strong>de</strong>r IG Metall,<br />

die <strong>de</strong>n Titel »Tatort Betrieb« trägt. Die Gewerkschaft will<br />

damit die Betriebsräte für <strong>das</strong> Thema sensibilisieren und »(...)<br />

<strong>de</strong>n psychischen Stress am Arbeitsplatz unter <strong>de</strong>m Schlagwort<br />

›Terror für die Seele‹ in <strong>de</strong>n Mittelpunkt rücken« (Psychologie<br />

heute, Oktober 2002, S. 25). Das sind benei<strong>de</strong>nswert klare<br />

Verhältnisse, in <strong>de</strong>nen noch unumstritten zu sein scheint,<br />

wer Täter und wer Opfer, wer Feind und wer Freund, wer<br />

schuld ist an <strong>de</strong>r Entwicklung und wer sie auszuba<strong>de</strong>n hat.<br />

Das mag im Geschäftsbereich <strong>de</strong>r IG Metall die Verhältnisse<br />

mit angemessener Komplexität wi<strong>de</strong>rspiegeln. Für <strong>de</strong>n Bereich<br />

<strong>de</strong>r Psychiatrie, <strong>de</strong>n ich ganz gut übersehe, neige ich zu<br />

einer an<strong>de</strong>ren Sichtweise, auch wenn ich mich damit bei manchen<br />

unbeliebt machen sollte: So <strong>wie</strong> sich die Arbeitswelt auch<br />

im psychosozialen Bereich entwickelt, wer<strong>de</strong>n wir alle noch<br />

mehr als bisher mit herben Abstrichen und schmerzlichen<br />

Verlusten zu rechnen haben. 25 Jahre lang ging es uns – mit<br />

Abstand betrachtet – relativ gut. »Relativ« meint hier auch im<br />

Vergleich zu Nachbarlän<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>ren Ausgangslagen und Rahmenbedingungen<br />

schon länger weit schlechter sind als die<br />

unsrigen. Diese relativ »fetten« Jahre sind nun vorbei, wir wer<strong>de</strong>n<br />

– auch wenn wir Wi<strong>de</strong>rstand leisten, was absolut nötig sein<br />

kann – Fe<strong>de</strong>rn lassen müssen und mit Abschie<strong>de</strong>n konfrontiert<br />

wer<strong>de</strong>n, weil wir eben wirklich etwas zu verlieren haben.<br />

Die massiven Verän<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>n psychiatrischen Einrichtungen,<br />

mit <strong>de</strong>nen wir schon jetzt konfrontiert sind o<strong>de</strong>r in<br />

naher Zukunft konfrontiert sein wer<strong>de</strong>n, können wir – unbe-<br />

Sozialpsychiatrische Informationen 4/2003<br />

Heltzel: <strong>Zehn</strong> <strong>Metho<strong>de</strong>n</strong>, <strong>wie</strong> <strong>Professionelle</strong> <strong>das</strong> <strong>eigene</strong> Ausbrennen för<strong>de</strong>rn können<br />

wusst – als schockieren<strong>de</strong>n Verlust von existenzieller Sicherheit,<br />

von Halt und Geborgenheit erleben, also ähnlich <strong>wie</strong> <strong>de</strong>n<br />

Verlust unserer Primärobjekte, von <strong>de</strong>nen wir in unserer Kindheit<br />

abhängig waren. Normalerweise lösen Verlusterlebnisse<br />

dieser Art Reaktionen aus, <strong>wie</strong> sie uns von Trauern<strong>de</strong>n bekannt<br />

sind, also zunächst Verleugnung, dann Anerkenntnis <strong>de</strong>s Verlusts,<br />

daher Angst, Gram und Verzweiflung, später <strong>de</strong>ssen<br />

Verarbeitung, d. h. eine neue Art <strong>de</strong>r Anpassung an die Verhältnisse.<br />

In dieser Weise Abschied nehmen, also wirklich Trauern<br />

ist aber in Organisationen – auch in psychosozialen – noch<br />

tabuisierter als <strong>das</strong> Eingeständnis »ausgebrannt« zu sein. <strong>Professionelle</strong><br />

haben in <strong>de</strong>r Regel wenig Erfahrung damit, es stehen<br />

keine hilfreichen Rituale zur Verfügung, die ihnen die<br />

Erfüllung <strong>de</strong>r »Traueraufgaben« erleichtern könnten. Damit<br />

meine ich die Anerkennung <strong>de</strong>r Realität <strong>de</strong>s Verlustes, <strong>das</strong><br />

Erleben und <strong>de</strong>n Ausdruck von Trauer, die Bewältigung <strong>de</strong>r<br />

dramatischen Verän<strong>de</strong>rungen in unserer Arbeitsumwelt und<br />

die Wie<strong>de</strong>rherstellung unseres Selbstwertes (Beutel 2000).<br />

Vielleicht kann <strong>das</strong>, was wir »Ausbrennen« zu nennen gewohnt<br />

sind, in manchen Fällen als lavierte, protrahierte o<strong>de</strong>r auch<br />

blockierte Trauerreaktion verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n? Seit Freud wissen<br />

wir, <strong>das</strong>s Trauer eine Reaktion nicht nur auf <strong>de</strong>n Verlust<br />

einer geliebten Person, son<strong>de</strong>rn auch eines I<strong>de</strong>als o<strong>de</strong>r wichtiger<br />

Lebensziele sein kann. Trauer ist ein individuell ausgesprochen<br />

vielgestaltiger Prozess: Manchmal ist er mit klassischen<br />

Trauersymptomen und Depression verknüpft, aber diese<br />

können auch fehlen, z. B. wenn die Trauer bereits antizipatorisch<br />

– in einem längeren Prozess – erfolgte. Letzteres passt<br />

vielleicht auf die Prozesse in unserem Arbeitsleben besser als<br />

<strong>das</strong> klassische Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Trauer. Manchmal mischen sich in<br />

die Trauer Gefühle <strong>de</strong>r Vitalität, <strong>de</strong>r Befreiung, <strong>de</strong>r Hoffnung.<br />

Und dann ist Trauer ein essenziell sozialer Prozess, <strong>de</strong>r ganz<br />

wesentlich davon abhängt, <strong>wie</strong> viel Kontakt, Anteilnahme und<br />

Unterstützung zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Manche <strong>de</strong>r zum »Burnout«-Syndrom zählen<strong>de</strong>n individuellen<br />

Symptome, z. B. die Schlafstörungen, die psychosomatischen<br />

Beschwer<strong>de</strong>n, die Reizbarkeit, die chronische Depressivität<br />

u. a. m. wer<strong>de</strong>n psychodynamisch verständlich, wenn sie<br />

als festsitzen<strong>de</strong>, blockierte, vielleicht auch pathologische Trauerreaktion<br />

interpretiert wer<strong>de</strong>n. Zum Schutz vor Trauer über<br />

<strong>de</strong>n Verlust von etwas existenziell Be<strong>de</strong>utsamem eignen sich<br />

aber beson<strong>de</strong>rs interpersonelle und institutionelle Abwehrprozesse,<br />

<strong>wie</strong> ich sie bereits benannt habe: Wenn ich mich als<br />

Opfer <strong>de</strong>r Gesellschaft, <strong>de</strong>r Gesundheitspolitik, <strong>de</strong>r Direktion,<br />

<strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r Leitung, <strong>de</strong>r Vorgesetzten, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Teams, <strong>de</strong>r <strong>eigene</strong>n Teamkollegen usw. fühlen kann, dann<br />

bin ich wütend, ich kämpfe, begehre auf und vermei<strong>de</strong> Trauer.<br />

Das kennen wir aus <strong>de</strong>r Reaktion auf <strong>de</strong>n Tod eines lieben<br />

Menschen: In einem ersten Abwehrimpuls wer<strong>de</strong>n Ärzte o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re zu <strong>de</strong>n Schuldigen erklärt – <strong>das</strong> fühlt sich zwar nicht<br />

wirklich gut, aber doch nach außen gerichtet und daher erst<br />

einmal erleichternd an. Erst später kommen – wenn <strong>de</strong>r Trauerprozess<br />

nicht vollständig blockiert ist – an<strong>de</strong>re Gefühle hinzu.<br />

Feindbil<strong>de</strong>r schützen vor Scham- und Schuldgefühlen und<br />

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