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POR TRÄT - astridsteiner.ch

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so lässt er eben andere für si<strong>ch</strong><br />

spre<strong>ch</strong>en – und das auf der Theaterbühne.<br />

Motiviert beri<strong>ch</strong>tet er,<br />

dass er vor kurzem zwei Produzenten<br />

und eine Regisseurin für<br />

sein S<strong>ch</strong>auspiel gewinnen konnte.<br />

Wenn alles na<strong>ch</strong> Plan läuft, wird<br />

das Stück imHerbst 2006 aufgeführt.<br />

Die Texte werden auf romanis<strong>ch</strong><br />

gespro<strong>ch</strong>en und mit<br />

deuts<strong>ch</strong>en Untertiteln einem<br />

breiten Publikum zugängli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t.<br />

Vergangene Zeiten<br />

und Engadiner Brau<strong>ch</strong>tum<br />

In seinem Bühnenwerk «Das lange<br />

Chalandamarzessen» zeigt Niklaus<br />

S<strong>ch</strong>ubert die Spannung zwis<strong>ch</strong>en<br />

Tradition und Forts<strong>ch</strong>ritt<br />

im 20. Jahrhundert auf. Die Szenerie<br />

ist immer die Glei<strong>ch</strong>e:Eine<br />

Familie beim Mittagessen am<br />

Chalandamarz, am1.März, dem<br />

Tag des S<strong>ch</strong>ellenursli-Brau<strong>ch</strong>tums.<br />

In geraffter Folge ziehen<br />

rund neunzig Jahre vorbei. Die<br />

Gesprä<strong>ch</strong>sthemen am Mittagstis<strong>ch</strong><br />

verändern si<strong>ch</strong>imLaufe der<br />

Zeit,parallel dazu li<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> die<br />

Haarpra<strong>ch</strong>t einzelner S<strong>ch</strong>auspieler.<br />

«Mit meiner Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> den Zus<strong>ch</strong>auern den<br />

Blick infrühere Zeiten ermögli<strong>ch</strong>en<br />

und ein StückEngadiner beziehungsweise<br />

S<strong>ch</strong>weizer Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

bewahren», erzählt der<br />

Autor.Inspiration für seineArbeit<br />

gaben ihm Tonbandaufnahmen,<br />

die er vor Jahren gema<strong>ch</strong>t hat.Damals,als<br />

er seineTätigkeit als Pfarrer<br />

aufgeben musste,hatteer begonnen,si<strong>ch</strong>aufeine<br />

neueArt mit<br />

den Bewohnern seiner Gemeinde<br />

zu befassen. Er hatte die Mens<strong>ch</strong>en<br />

gebeten,ihm von früher zu<br />

erzählen, nahm diese Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

und Erinnerungen auf und integrierte<br />

sie Jahre später in sein<br />

Theaterstück.<br />

Leidensdruck<br />

bringt Veränderungen<br />

Dur<strong>ch</strong> diese neuen Herausforderungen<br />

kann Niklaus S<strong>ch</strong>ubert<br />

seiner Krankheit heute dur<strong>ch</strong>aus<br />

au<strong>ch</strong> positive Seiten abgewinnen:<br />

«Ob bei kranken oder gesunden<br />

Mens<strong>ch</strong>en, man<strong>ch</strong>mal brau<strong>ch</strong>t es<br />

einen Leidensdruck,damit manim<br />

Leben etwas verändert.MeinWeg<br />

führte mi<strong>ch</strong> zur S<strong>ch</strong>riftstellerei.»<br />

6�<br />

Mit Hingabe<br />

ko<strong>ch</strong>t Niklaus<br />

S<strong>ch</strong>ubert<br />

italienis<strong>ch</strong>en<br />

Kaffee.Eine<br />

der wenigen<br />

Arbeiten,die<br />

er im Haushalt<br />

no<strong>ch</strong> selbstständigerledigen<br />

kann.<br />

Vom<br />

Pfarrer zum<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tens<strong>ch</strong>reiber<br />

Die Frage, warum gerade er von<br />

der MS betroffen ist, stellt si<strong>ch</strong><br />

Niklaus S<strong>ch</strong>ubert ni<strong>ch</strong>t.Viel mehr<br />

versu<strong>ch</strong>t er,im Hier und Jetzt zu<br />

leben und das Beste aus seiner<br />

Situation zu ma<strong>ch</strong>en. Eine wi<strong>ch</strong>tige<br />

Stütze imLeben des Pfarrerssohns<br />

ist der Glaube. «Wir leben<br />

in einer Welt,in der vor allem Leistung<br />

und Erfolg zählen. Im Glauben<br />

sehe i<strong>ch</strong>,dass das Mens<strong>ch</strong>sein<br />

no<strong>ch</strong> viele andere Rei<strong>ch</strong>tümer<br />

birgt als Karriere, Erfolg und<br />

Ma<strong>ch</strong>t.»<br />

Traurigkeit<br />

vorbeiziehen lassen<br />

Trotz seiner positiven Lebenseinstellung<br />

erlebt Niklaus S<strong>ch</strong>ubert<br />

man<strong>ch</strong>mal Zweifel und Traurigkeit.<br />

Statt diese zu verdrängen,<br />

gibt er aber au<strong>ch</strong> den s<strong>ch</strong>weren<br />

Momenten einen Platz in seinem<br />

Leben.Gerade vor ein paar Tagen<br />

hatte er ein unangenehmes Erlebnis<br />

im Zug: Voller Vorfreude<br />

ents<strong>ch</strong>loss er si<strong>ch</strong>, seine Bahnfahrt<br />

mit einer kleinen Erfri-<br />

s<strong>ch</strong>ung zu vers<strong>ch</strong>önern. Also bestellte<br />

er bei einem Angestellten<br />

der Minibar Weisswein und eine<br />

Tüte Pommes Chips.Dieser antwortete<br />

kurz angebunden: «Es<br />

gibt keinen Alkohol.» Statt dem<br />

gewüns<strong>ch</strong>tenWeisswein streckte<br />

er dem Gast ein Mineralwasser<br />

entgegen. Niklaus S<strong>ch</strong>ubert, erstaunt<br />

über diese Reaktion, war<br />

in diesem Moment ni<strong>ch</strong>t fähig,etwas<br />

zu erwidern.Erst später wurde<br />

ihm klar,was ges<strong>ch</strong>ehen war.<br />

Er fühlte si<strong>ch</strong> bevormundet: «Si<strong>ch</strong>er,<br />

diese Reaktion war bestimmt<br />

gut gemeint, Behinderte<br />

sollten ni<strong>ch</strong>t zu viel Alkohol trinken.<br />

Denno<strong>ch</strong> hatte i<strong>ch</strong> das Gefühl,<br />

ni<strong>ch</strong>t ernst genommen zu<br />

werden.»<br />

Am Puls des Lebens<br />

Zugfahren ist für Niklaus S<strong>ch</strong>ubert<br />

wi<strong>ch</strong>tig. Der Zug bringt ihn<br />

anden Puls des Lebens – zu Dorffesten,Bekannten<br />

und anMS-Veranstaltungen.<br />

Das Reisen und der<br />

Kontakt zu anderen Mens<strong>ch</strong>en<br />

sind für ihn ents<strong>ch</strong>eidend,besonders<br />

seit si<strong>ch</strong> das Familienleben<br />

der S<strong>ch</strong>uberts mehr und mehr<br />

verändert. Die beiden Tö<strong>ch</strong>ter<br />

Ladina und Sidoniakommen langsam<br />

ins Teenageralter und gehen<br />

vermehrt ihre eigenen Wege.<br />

Ursula Süsstrunk, die Ehefrau<br />

von Niklaus S<strong>ch</strong>ubert, ist na<strong>ch</strong><br />

wie vor in einem Teilzeitpensum<br />

als Pfarrerin tätig.Selbstverständli<strong>ch</strong><br />

begleitet der ehemalige Pfarrer<br />

seine Frau sonntags zur Predigt<br />

in die Kir<strong>ch</strong>e.<br />

Dass seine Frau ihn im Wissen<br />

geheiratet hat, dass er MS hat,<br />

berührt Niklaus S<strong>ch</strong>ubert sehr.<br />

Gerne würde er im gemeinsamen<br />

Haushalt mehr mithelfen –<br />

au<strong>ch</strong> um seiner Familie zu zeigen,<br />

wie gern er sie hat.Wegen dem<br />

fortges<strong>ch</strong>rittenen Krankheitszustand<br />

ist es ihm aber ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr mögli<strong>ch</strong>, Hausarbeiten<br />

zu übernehmen. Guten italienis<strong>ch</strong>en<br />

Kaffee bereitet er jedo<strong>ch</strong><br />

leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> gerne zu. Seit<br />

seinem Studienaufenthalt in Italien<br />

s<strong>ch</strong>meckt ihm der hiesige<br />

Kaffee einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr.«Der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Kaffee ist wie brodo<br />

nero,wie s<strong>ch</strong>warze Brühe»,sagt<br />

er la<strong>ch</strong>end und geniesst in Ruhe<br />

seinen geliebten italienis<strong>ch</strong>en<br />

Kaffee. ■<br />

forte 4/2005

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