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Im Lande der Bibel 2/2018

Gesundheit! Medizinische Versorgung im Heiligen Land

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MEDIZINISCHE VERSORGUNg<br />

steins beleuchtet und gezeigt, von welchen halachischen Maximen<br />

sie jeweils ausgehen. <strong>Im</strong> zweiten Schritt wurden die sogenannten<br />

materialethischen Konkretionen untersucht. Das sind<br />

a) die Gründe für das Verbot bzw. die Erlaubnis des Schwangerschaftsabbruchs,<br />

b) die Zeiträume für eine mögliche Erlaubnis und<br />

c) beson<strong>der</strong>e Zusatzregelungen <strong>der</strong> Rabbiner.<br />

<strong>Im</strong> dritten Schritt wurden mit den wissenschaftlichen Standards<br />

europäischer Geisteswissenschaften die hermeneutischen Hintergrundannahmen<br />

untersucht. Diese sind, so mein Analyseergebnis,<br />

für die Entscheidungsfindung <strong>der</strong> Poskim zentral wichtig, aber<br />

die Rabbiner schenken ihnen keine beson<strong>der</strong>e Beachtung. Zu den<br />

Hintergrundannahmen gehören folgende Aspekte:<br />

• Die Auswahl und Interpretation <strong>der</strong> halachischen Quellen.<br />

• Die Verwendung textkritischer Methoden sowie <strong>der</strong> Umgang<br />

mit an<strong>der</strong>slautenden Meinungen.<br />

• Die Frage, ob und wie weit medizinische Erkenntnisse in die<br />

Entscheidungsfindung einbezogen werden.<br />

• Die Berücksichtigung juristischer Rahmenbedingungen des<br />

Staates.<br />

• Die moralische Beurteilung des Schwangerschaftsabbruchs.<br />

• Das persönliche Gottesbild und das Selbstverständnis als Posek.<br />

• Rhetorische Beson<strong>der</strong>heiten.<br />

Die Frage, wie die beiden Poskim Feinstein und Waldenberg jeweils<br />

zu ihren konträren Meinungen kommen, lässt sich nun auf<br />

unterschiedliche Art beantworten.<br />

Gemäß dem traditionellen Ansatz im orthodoxen Judentum stellen<br />

bereits die halachischen Grundentscheidungen die Weichen<br />

für die darauf folgenden Entscheidungen des Posek. Wenn zum<br />

Beispiel Feinstein <strong>der</strong> Auffassung ist, dass Schwangerschaftsabbruch<br />

unter die Kategorie „Mordverbot“ fällt, also ein Verbot aus<br />

<strong>der</strong> Tora („de-oraita“) ist, das nicht übertreten werden darf, dann<br />

ist die Abtreibung strengstens verboten und keine Ausnahme möglich – außer zur direkten<br />

Lebensrettung <strong>der</strong> Frau.<br />

Wenn hingegen Waldenberg davon ausgeht, dass <strong>der</strong> Schwangerschaftsabbruch nur von den<br />

Rabbinen („de-rabbanan“) verboten ist, bleibt ihm für seine Entscheidung ein größerer Spielraum,<br />

in Ausnahmefällen sogar einen Abbruch bis zum siebten Monat zu erlauben. Für beide<br />

Orthodoxes Ehepaar<br />

in Jerusalem<br />

Rabbiner gilt: Gemäß <strong>der</strong> orthodoxen Interpretation sind die materialethischen Konkretionen<br />

direkt und ausschließlich von den halachischen Grundentscheidungen abhängig, wohingegen<br />

hermeneutische Hintergrundannahmen bei <strong>der</strong> Entscheidungsfindung keine Rolle spielen.<br />

In einem erweiterten analytischen Ansatz habe ich zusätzlich die hermeneutischen Hintergrundannahmen<br />

einbezogen, die die Entscheidungen <strong>der</strong> Poskim beeinflusst haben. Dieser<br />

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