wie pflanzen und pilze mit toxischen schwermetallen ... - Uni-Halle
wie pflanzen und pilze mit toxischen schwermetallen ... - Uni-Halle
wie pflanzen und pilze mit toxischen schwermetallen ... - Uni-Halle
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
3/03<br />
<strong>Uni</strong><br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 3/2003<br />
WISSENSCHAFTS<br />
JOURNAL<br />
der<br />
Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
<strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />
Chemie, Biochemie <strong>und</strong><br />
Biotechnologie in <strong>Halle</strong><br />
Von der Kirche in die<br />
Klinik: Weihrauch<br />
Beobachtung von Enzymen<br />
bei der Arbeit<br />
Durch das Nadelöhr der<br />
Arznei<strong>mit</strong>telforschung<br />
scientia halensis
scientia halensis 3/2003<br />
....................................................................................<br />
Fachbereich Biochemie/Biotechnologie<br />
NICKEL-CADMIUM – NICHT NUR IN BATTERIEN SPANNEND:<br />
WIE PFLANZEN UND PILZE MIT TOXISCHEN SCHWERMETALLEN LEBEN KÖNNEN<br />
Gerd-Joachim Krauß <strong>und</strong> Dirk Wesenberg<br />
................................................................................<br />
Unsere Region ist durch ernste Umweltprobleme gekennzeichnet. So führte jahrh<strong>und</strong>erte-<br />
26 langer Abbau von Kupferschiefer <strong>und</strong> dessen Verhüttung im Mansfelder Land zu großflächigen<br />
Schwermetallbelastungen. Mit der Wirkung dieser abiotischen Umweltfaktoren<br />
auf Pflanzen <strong>und</strong> Pilze insbesondere in aquatischen Systemen befasst sich die Abteilung<br />
Ökologische <strong>und</strong> Pflanzen-Biochemie am Institut für Biochemie. Ziel der Arbeiten ist es,<br />
ökologisch relevante Stresssituationen zu verstehen <strong>und</strong> Gefährdungspotenziale im Zusammenhang<br />
<strong>mit</strong> Schwermetallbelastungen abzuschätzen.<br />
Schwermetalle in Lebensräumen<br />
Zu den Schwermetallen werden mehr als 40<br />
Elemente des Periodensystems gezählt, deren<br />
Dichte > 5 g cm -3 ist. Viele davon sind<br />
zur Aufrechterhaltung von Stoffwechselvorgängen<br />
lebensnotwendig. Die Konzentration<br />
dieser Spurenelemente muss jedoch<br />
sehr fein abgestimmt werden (Schwermetallhomöostase),<br />
da sie sonst als Gifte wirken.<br />
Zudem können toxische, von Organismen<br />
nicht benötigte, Schwermetalle große<br />
Schäden anrichten, weil zelluläre Transportmechanismen<br />
sie »verwechseln«. So<br />
konkurriert beispielsweise das giftige Cadmium<br />
(Cd) <strong>mit</strong> dem essenziellen Zink.<br />
Schwermetalle kommen in großen Mengen<br />
in der Erdkruste vor. In der Biosphäre stieg<br />
ihre Konzentration seit dem Beginn der Industrialisierung<br />
stetig an. Im Gegensatz zu<br />
organischen Xenobiotika, die abgebaut werden<br />
können, stellen uns Schwermetalle jedoch<br />
vor dauerhafte Sch<strong>wie</strong>rigkeiten. Anzustreben<br />
sind daher der sparsame Umgang<br />
<strong>mit</strong> <strong>und</strong> die <strong>wie</strong>derholte Nutzung von<br />
Schwermetallen (quecksilberfreie Batterien;<br />
Recycling von Nickel-Cadmium-Akkumulatoren).<br />
In bereits kontaminierten Bereichen<br />
gilt es, überschüssige Schwermetalle<br />
zu binden <strong>und</strong> sie dann aus dem Lebensraum<br />
zu entfernen.<br />
Pflanzen unter Stress<br />
Organismen reagieren auf Stresssituationen<br />
<strong>mit</strong> spezifischen physiologisch-biochemischen<br />
Antworten. Hierzu forschen wir gemeinsam<br />
<strong>mit</strong> anderen Arbeitsgruppen im<br />
DFG-Graduiertenkolleg »Adaptive physiologisch-biochemische<br />
Reaktionen auf<br />
ökologisch relevante Wirkstoffe«. Im Zusammenhang<br />
<strong>mit</strong> einer möglichen Entgiftung<br />
belasteter Böden <strong>und</strong> Gewässer untersuchen<br />
wir Schwermetall-tolerante terrestrische<br />
<strong>und</strong> aquatische Moose so<strong>wie</strong> Pflanzen,<br />
die aufgr<strong>und</strong> besonderer Anpassungsstrategien<br />
hohe Konzentrationen toxischer<br />
Metalle nicht nur tolerieren, sondern auch<br />
akkumulieren können.<br />
Zur Regulierung des Schwermetallgehaltes<br />
können lebende Zellen a) schwermetallbin-<br />
dende Substanzen synthetisieren, b) Metalle<br />
in Zellorganellen einschließen <strong>und</strong> so<br />
von lebensnotwendigen Vorgängen abgrenzen<br />
so<strong>wie</strong> c) ihren Stoffwechsel komplett<br />
umstellen. Ein in Pflanzen <strong>und</strong> Pilzen weit<br />
verbreiteter Abwehrmechanismus ist die<br />
Synthese von metallbindenden schwefelhaltigen<br />
Verbindungen (Thiolpeptiden),<br />
insbesondere von Phytochelatinen (PC)<br />
(Abb. 1). Diese werden enzymatisch aus<br />
Glutathion (GSH), einem zentralen Stoffwechselprodukt,<br />
gebildet.<br />
Wir konnten zeigen, dass sich im Gegensatz<br />
zu höheren Pflanzen der GSH-Gehalt<br />
in vielen Moosen unter Cd-Stress deutlich<br />
erhöht, ohne dass Phytochelatine nachweisbar<br />
wären: Ein für das Pflanzenreich<br />
bisher einmaliger Bef<strong>und</strong>! Wir nehmen an,<br />
dass Glutathion bei diesen Moosen als<br />
zelluläres metallbindendes/-speicherndes<br />
Molekül fungiert. Dies ist schwer zu verifizieren.<br />
Wir konnten jedoch Cd intrazellulär<br />
sowohl als freies Metall als auch über<br />
Thiolgruppen geb<strong>und</strong>en nachweisen. Aus<br />
weiteren Untersuchungen, beispielsweise<br />
<strong>mit</strong> Sterilkulturen des Mooses Physco<strong>mit</strong>rella<br />
patens, erhoffen wir uns Einblicke in<br />
das Netzwerk von Schwermetallverwertung<br />
<strong>und</strong> -homöostase. Es laufen Untersuchungen<br />
zur Regulation von Sulfatassimilation<br />
<strong>und</strong> intrazellulärem Cd-Transport.<br />
Nach Entnahme des Inhalts einzelner Zel-<br />
Abb. 2: Hoch Schwermetall-belastetes Halden-Sickerwasser<br />
im Mansfelder Land (u. a.<br />
>2g Zink/L Wasser). Insert: Sporen dort isolierter<br />
aquatischer Pilze<br />
len unter dem Mikroskop (im Pikoliterbereich)<br />
werden Substanzmuster <strong>mit</strong>tels Kapillarelektrophorese<br />
aufgenommen.<br />
Metalltoleranz von Wasser<strong>pilze</strong>n<br />
Pilze bestimmen wesentlich das ökologische<br />
Leistungspotenzial in Gewässern. In<br />
stark Zink-, Kupfer-, Cadmium- <strong>und</strong> Bleihaltigen<br />
Sickerwässern aus Armerz- <strong>und</strong><br />
Schlackehalden konnten wir gemeinsam <strong>mit</strong><br />
dem Umweltforschungszentrum Leipzig-<br />
Abb. 1: Schema zur Cd-Entgiftung in Pflanzenzellen durch Cysteinreiche Peptide <strong>und</strong> Proteine
<strong>Halle</strong> erstmals aquatische Hyphomyceten<br />
nachweisen (Abb. 2). Diese Pilze erfüllen<br />
ihre ökologische Rolle, den Blattbau, selbst<br />
unter extremer Schwermetall- <strong>und</strong> Organika-Belastung.<br />
Untersuchungen <strong>mit</strong> Pilzstämmen aus diesen<br />
kontaminierten Standorten belegen individuelle<br />
genetische <strong>und</strong> physiologische<br />
Adaptationen an unterschiedlich belastete<br />
Lebensräume (Redoxstatus, Sulfatassimilation,<br />
thiolreiche Peptide, Stressproteine,<br />
extrazelluläre Enzyme). Weitere Forschungen<br />
werden uns auch Hinweise auf das<br />
mögliche Bioremediations-Potenzial dieser<br />
Organismen geben.<br />
Unsere wissenschaftlichen Arbeiten wer-<br />
den über ein deutsch-kanadisches Netzwerk<br />
(Ecosystem Health) des BMBF so<strong>wie</strong><br />
das SUREMA-Global Network des<br />
<strong>Uni</strong>versitätszentrums für Umweltwissenschaften<br />
(Land Sachsen-Anhalt) maßgeblich<br />
unterstützt.<br />
Gerd-Joachim Krauß studierte 1963 bis<br />
1968 Biologie in <strong>Halle</strong>, wurde 1971 promoviert,<br />
war dann wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Institut für Biochemie, 1987<br />
Habilitation. 1992 folgte er dem Ruf an die<br />
Martin-Luther-<strong>Uni</strong>versität <strong>und</strong> ist seit<br />
1993 Leiter der Abteilung Ökologische <strong>und</strong><br />
Pflanzen-Biochemie. 1995 bis 2003 war er<br />
Prodekan des Fachbereichs, seit 1997 ist<br />
..............................................................................<br />
scientia halensis 3/2003<br />
Fachbereich Biochemie/Biotechnologie<br />
...............................................................................<br />
er Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs<br />
»Adaptive physiologisch-biochemische Reaktionen<br />
auf ökologisch relevante Wirkstoffe«.<br />
Mit Beginn des Wintersemesters<br />
2003 übernahm er das Amt des Dekans<br />
am Fachbereich Biochemie/Biotechnologie.<br />
Dirk Wesenberg studierte 1991 bis 1997<br />
Biochemie in <strong>Halle</strong> <strong>und</strong> Jena, war danach<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter in Jena, von<br />
2000–2002 Projektleiter an der <strong>Uni</strong>versité<br />
Catholique de Louvain (Belgien), wurde<br />
2003 in Zittau promoviert <strong>und</strong> ist seit 2002<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung<br />
Ökologische <strong>und</strong> Pflanzen-Biochemie.<br />
27