BRefF 2018/19
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Beck'scher
Referendarführer
2018 / 2019
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Impressum
Beck'scher
Referendarführer
2018 / 2019
Herausgegeben von
Dr. Klaus Winkler
Verlag C.H.BECK oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München
Telefon: +49(0)89 38189-0
Telefax: +49 (0)89 38189-156
E-Mail: referendarfuehrer@beck.de
Internet: www.beck.de
Redaktion
Dr. Joseph Wälzholz, Natalie Klimsa
Lektorat und Mitarbeit
Ingrid Boumessid, Hildgund Kulhanek, Susanne
Loder, Annette Merbeler, Bettina Miszler, Philipp
Mützel, Ulrich Pawlik, Gerhard Peter, Dorothea
Swoboda, Sinan Behrozi, Karolin Borcherding,
Florian Fuchs, Heike Gabel, Phillip Hinz,
Simon Lutz, Sarah Müller, Miriam Wester
Anzeigenleitung
Bertram Götz (für den Anzeigenteil verantwortlich)
Anzeigenverkaufsleiter
Thomas Hepp, E-Mail: thomas.hepp@beck.de
Mediaberatung
+49 (0)89 38189-687
E-Mail: mediaberatung@beck.de
Anzeigenherstellung
Marle Wolf, +49 (0)89 38189-604,
E-Mail: anzeigen@beck.de
Der nächste Referendarführer erscheint
im Mai 2019. Anzeigenschluss ist der
7. März 2019, 12 Uhr.
Design
Birthe Gehrmann, Regina Schick
Herstellung
Erwin Wollenschläger
Satz
C.H.Beck.Media.Solutions, Nördlingen
Druck
Druckerei Aumüller, Regensburg
Bildnachweis
www.istockphoto.com:
Titelbild: Bild-Nr. 625889702 © RicoK69;
S. 1: Bild-Nr. 526092371 © aragami123345;
S. 11: Bild-Nr. 461839297 © aragami123345;
S. 117: Bild-Nr. 845471260 © glebchik;
S. 321: Bild-Nr. 658596000 © Pinosub;
S. 363: Bild-Nr. 471819046 © EM_prize.
Redaktionell: Verlag C.H.BECK oHG.
© 2018 Verlag C.H.BECK oHG
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme
ins Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger
dürfen nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung
des Verlages erfolgen. Fotokopieren mit
Quellennachweis zu privaten Zwecken sowie zum
Zweck der Berufsberatung ist gestattet. Die
Inhalte der Artikel geben nicht notwendig die
Meinung der Redaktion wieder.
Die Informationen in dieser Publikation sind
sorgfältig recherchiert und geprüft worden. Eine
Garantie kann dennoch nicht übernommen werden.
Eine Haftung für Personen, Sach- und Vermögensschäden
ist ausgeschlossen.
Wir danken allen Autorinnen und Autoren sowie
Anzeigenkunden für ihren Beitrag zum Gelingen
dieses Referendarführers sehr herzlich.
Geleitwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
im aktuellen Beck'schen Referendarführer stellen wir Ihnen
erneut eine große Bandbreite an juristischen Berufsfeldern vor,
außerdem finden Sie zahlreiche Tipps rund um das Thema Referendariat
und Berufsstart.
Was hat es mit Smart Contracts auf sich? Welche Chancen
schafft LegalTech? Welche Rolle spielt Work-Life-Balance in
einer internationalen Großkanzlei? Worauf kommt es an, wenn
Sie sich auf Kartellrecht spezialisieren möchten? Würden Sie
gerne als Datenschutzanwältin/Datenschutzanwalt arbeiten?
Überlegen Sie, Ihren LL.M. zu machen, brauchen dafür aber
noch konkrete Tipps? Zu diesen und vielen anderen Themen
finden Sie hilfreiche Infos in den Beiträgen im redaktionellen
Teil.
In der Mitte des Referendarführers präsentieren sich Ihnen
zahlreiche Kanzleien, Unternehmen und Behörden. Möglicherweise
finden Sie dort eine interessante Station, einen spannenden
Nebenjob oder bereits Ihren künftigen Arbeitgeber.
Weitere nützliche Adressen und Informationen finden Sie am
Ende des Referendarführers.
Natürlich können Sie Ihre Wahlstation auch sehr gerne im
Verlag C.H.BECK verbringen. Bewerben Sie sich dazu einfach
direkt bei mir unter referendarfuehrer@beck.de und wirken
Sie bei der nächsten Ausgabe des Referendarführers mit. Ich
freue mich auf Sie!
Für Ihr Referendariat und Ihren darauf folgenden Start in das
Berufsleben wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute!
Ihr
Dr. Klaus Winkler München, im April 2018
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 3
Der Verlag C.H.BECK
Wussten Sie, dass der Verlag
C.H.BECK eines der ältesten
Verlagsunternehmen Deutschlands
ist?
Gegründet wurde der Verlag
bereits im Jahre 1763 in der
mittelalter lichen Kleinstadt
Nördlingen. Dort kaufte der
Firmengründer Carl Gottlob
Beck eine schon seit 130 Jahren
bestehende Druckerei und
gliederte ihr einen Verlag und
eine Buchhandlung an. Die
heutige Firmenbezeichnung
C.H.BECK geht übrigens auf
die Initialen seines Sohnes
Carl Heinrich Beck zurück.
1889 verlegte Oscar Beck den
Verlagssitz nach München, die
Druckerei blieb in Nörd lingen.
Als einer der wenigen juristischen
Verlage in Deutschland ist der Verlag
C.H.BECK noch heute in Familienbesitz
– und feierte im Jahr 2013 sein
250- jähriges Firmenjubiläum. Inhaber
sind die Brüder Dr. Hans Dieter Beck
und Dr. h.c. Wolfgang Beck. Den Verlagsteil
Recht – Steuern – Wirtschaft
(RSW) leitet Dr. Hans Dieter Beck in
sechster Generation. Im Verlagsteil
Literatur – Sachbuch – Wissenschaft
(LSW) hat 2015 mit Dr. Jonathan Beck
bereits die siebte Generation die Leitung
übernommen.
Der Verlag beschäftigt allein am
Haupt sitz in München rund 750 Mitarbeiter.
Die meisten juristischen Zeitschriften
werden in der Zweigniederlassung
in Frankfurt am Main betreut. In Nördlingen
arbeiten weiterhin die firmeneigene
Buch- und Zeitschriftendruckerei,
eine Setzerei und eine Multimedia-
Abteilung. Ebenfalls dort angesiedelt
ist die Nördlinger Verlagsauslieferung,
von der aus die gesamte Verlagsproduktion
einschließlich der Titel von
Alp mann Schmidt ausgeliefert wird.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann
der Ausbau zu einem vielseitigen
wissenschaftlichen Verlag, der immer
auch ein kleines literarisches Programm
pflegte. Ein bedeutender Faktor für den
Aufbau des juristischen Verlagsprogramms
war die Gründung des Deutschen
Reichs im Jahr 1871, in deren
Folge einige wichtige, erstmals für ganz
Deutschland geltende Gesetze entstanden,
so die Zivilprozess ordnung von 1876,
das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896
und das Handelsgesetzbuch von 1897.
Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
wurden mit der Gesetzessammlung
Schönfelder (ab 1935), mit
dem BGB-Kommentar Palandt (Erstauflage
1938) und mit der Neuen Juristischen
Wochenschrift (ab 1947) eine
Reihe von juristischen Standardwerken
gegründet, die heute jeder Jurist kennt.
Im Jahr 1970 konnte der C.H.BECK-
Verlag den Vahlen- Verlag erwerben, der
heute durch verschiedene Erweiterungen
ein breites Spektrum an Referendarliteratur
bietet. Er wurde bereits im Jahr
1870 von Franz Vahlen (1833 – 1898)
in Bonn gegründet. Zahlreiche seiner
Titel aus der juristischen Studien- und
Referendarliteratur, aber auch wissenschaftliche
Kommentare, Handbücher,
Schriftenreihen sowie Zeit schriften aus
den Bereichen Jura, Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften zählen heute zu
den deutschlandweit führenden Werken
auf ihrem Gebiet. Ein absoluter Klassiker
der Referendarliteratur ist beispielsweise
das bereits seit 1884 regelmäßig
erscheinende Werk «Zivilrechtliche
Arbeitstechnik im Asses sorexamen
(Bericht- Votum-Urteil-Aktenvortrag)»
von Schuschke/Kessen/Höltje.
Tradition und Fortschritt sind keine
Gegensätze. Auch im traditionsreichen
C.H.BECK- Verlag gewinnt neben dem
klassischen Buch der Online- Bereich
mit der Datenbank beck- online eine
immer größere Bedeutung. Nicht zuletzt
durch die Module JA/JuS Direkt
und JA/JuS Premium wird auch den
elektronischen Informationsbedürfnissen
von Referendarinnen und Referendaren
Rechnung getragen. Ihnen im
Referendariat und auch später im Beruf
zuverlässige juristische Fachinformationen
zu bieten ist unser Ziel. Vielleicht
denken Sie bei Ihrem nächsten
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
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Inhaltsverzeichnis
Geleitwort / Impressum .................................................. 3
Der Verlag C.H.BECK .................................................... 4
Beiträge
Was wäre, wenn …?
Oder: Wie man es schafft, als Jurist doch noch etwas ‹Ordentliches› zu werden
Sebastian Fitzek . ......................................................... 12
Kommt der Halbtags-Referendar?
Prof. Dr. Joachim Jahn ..................................................... 16
Auto tot, Tür zu, Smart Contracts
Prof. Dr. Nikolas Guggenberger, LL.M. (Stanford). ................................ 20
«Legal Tech? Legal Engineer? Data Lawyer?
Ich will doch Anwalt werden.»
Marco Klock ............................................................. 24
«Wer auf vier Punkte lernt, landet leicht unter dem Strich» –
Die Tätigkeit als Repetitor
Laura Christiane Nienaber . ................................................. 28
Prüfungen im Jurastudium souverän meistern
Antje Heimsoeth ......................................................... 32
Tipps für ein LL.M.-Studium
Susanne Loder . .......................................................... 35
Informationsrecht: Rechtsfragen der Digitalisierung
Mit dem berufsbegleitenden Master of Laws (LL.M.) Informationsrecht
auf dem neuesten Stand
Heidi Scharvogel ......................................................... 37
LL.M., M.C.L., M.C.J.? – Hauptsache, in den USA studieren!
Prof. Dr. Andreas Kark . ..................................................... 40
Insurance-Anwalt
Ein Erfahrungsbericht aus dem Arbeitsalltag bei Norton Rose Fulbright, München
Dr. Daniel Peppersack, LL.M ................................................ 43
Work-Life-Balance bei McDermott Will & Emery
Volker Teigelkötter . ....................................................... 46
Arbeitsrecht in der Großkanzlei – alles, was das Anwaltsherz begehrt
Dr. Jens Günther .......................................................... 48
Bewerbungstipps für die Auslandsstation
Dr. Klaus Winkler ......................................................... 52
Going East
Erfahrungsbericht eines Referendars bei King & Wood Mallesons
Lukas Kirchhof . .......................................................... 55
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Beck'scher
Referendarführer
2018 / 2019
Beiträge
Wahlstation bei adidas – Only the best for the athlete
Tim Lisner .............................................................. 58
Unternehmensjurist bei der Bavaria Film GmbH
Christiane Herbrecht ...................................................... 62
Compliance Management im Unternehmen – ein Beruf für Vielseitige
Dr. Robert Ratay . ......................................................... 65
«Datenschutzanwälte sind sehr gesucht»
Interview mit Tim Wybitul .................................................. 68
Die Rechtsanwaltschaft – berufliche Heimat der meisten Volljuristen
Prof. Dr. Matthias Kilian .................................................... 71
Kartellanwalt – eine berufliche Perspektive für junge Juristen?
Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker . .............................................. 74
Baurechtler und ihr (Hand-)Werk
Anwaltliche Tätigkeit in einer mittelständischen Kanzlei mit bau- und
immobilienrechtlichem Schwerpunkt
Dr. Meike Kilian und Eva Strauss ............................................. 78
Der Notar – Ein unparteiischer Rechtsberater
Dr. Armin Winnen ......................................................... 82
Der Richterberuf – nichts für Langweiler
Dr. Christina Pernice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Richter 4.0?
Dr. Adrian Hans .......................................................... 88
«Denn sie wissen (nicht), was sie tun»:
Warum ein bisschen Dolmetschen und Übersetzen nicht reicht
Plädoyer für mehr Sicherheit im Rechtsverkehr
Birgit Strauß . ............................................................ 91
Als Jurist/in in der Steuerfahndung/Finanzverwaltung
Katrin Kühl . ............................................................. 95
Juristinnen und Juristen in der Allgemeinen Inneren
Verwaltung und der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern
Dr. Simone Hilgers, Frank Unkroth und Daniela Simeonova ........................ 99
Querschnittsaufgabe Gleichstellungsbeauftragte
Jobcenter als Alternative im öffentlichen Dienst
Janine Klimsa ............................................................ 105
Arbeiten im politischen Berlin
Juristin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Dr. Friederike Kilian ....................................................... 108
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 7
Inhaltsverzeichnis
Kanzlei- und
Unternehmensprofile Beiträge
Kanzlei-Awards, Kanzlei-Rankings, Kanzlei-Handbücher –
was steckt dahinter?
Eine Nachfrage bei JUVE, LTO, The Legal 500 und trendence .................. 111
«Wir stehen auf der Seite der Bewerber»
Interview mit Markus Lembeck .............................................. 111
«Unsere Ergebnisse sind transparent und nachvollziehbar»
Interview mit Christian Dülpers .............................................. 113
«Ein Ranking in The Legal 500 ist mit keinerlei Kosten verbunden»
Interview mit Anna Bauböck ................................................ 114
«Wir zeigen, welche Arbeitgeber besonders attraktiv sind»
Interview mit Holger Koch .................................................. 116
«Das juristische Denken funktioniert wie ein Schlüssel»
Interview mit Prof. Dr. Dr. Heribert Prantl ...................................... 384
Allen & Overy LLP ...................................................... 118
ALPMANN FRÖHLICH ................................................... 120
Alpmann Schmidt Juristische Lehrgänge .................................... 122
Arendt & Medernach – Rechtsanwälte ...................................... 124
ARNECKE SIBETH ....................................................... 126
Arnold & Porter ........................................................ 128
ARQIS Rechtsanwälte ................................................... 130
Ashurst LLP ........................................................... 132
AULINGER Rechtsanwälte | Notare ......................................... 134
Baker & McKenzie Partnerschaftsgesellschaft mbB ............................ 136
Baker Tilly ............................................................ 138
Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
BBG und Partner ....................................................... 142
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA) ............... 144
BDO ................................................................. 146
Becker Büttner Held .................................................... 148
BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
Bird & Bird LLP ......................................................... 152
BLAUM DETTMERS RABSTEIN ............................................. 154
BLD Bach Langheid Dallmayr ............................................. 156
BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN Partnerschaft von Rechtsanwälten,
Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern mbB .................................... 158
Brödermann Jahn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
BRP Renaud & Partner .................................................. 162
Bryan Cave Leighton Paisner ............................................. 164
CBH Rechtsanwälte Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner ................ 166
Cleary Gottlieb Steen & Hamilton LLP ....................................... 168
Clifford Chance ........................................................ 170
CMS Hasche Sigle ...................................................... 172
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Beck'scher
Referendarführer
2018 / 2019
Kanzlei- und
Unternehmensprofile
Commerzbank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Deloitte/Deloitte Legal .................................................. 176
Dentons .............................................................. 178
Deutsche Bundesbank .................................................. 180
DLA Piper UK LLP ....................................................... 182
Ernst & Young Law GmbH (EY Law) ........................................ 184
Esche Schümann Commichau ............................................. 186
Eversheds Sutherland (Germany) LLP ....................................... 188
FPS .................................................................. 190
Gibson, Dunn & Crutcher LLP ............................................. 192
Glade Michel Wirtz – Corporate & Competition ............................... 194
Gleiss Lutz ............................................................ 196
GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB ............................... 198
GvW Graf von Westphalen ............................................... 200
Hengeler Mueller ....................................................... 202
Herbert Smith Freehills .................................................. 204
Hessisches Ministerium der Justiz ......................................... 206
Hessisches Ministerium des Innern und für Sport ............................. 208
Heuking Kühn Lüer Wojtek ............................................... 210
Hogan Lovells ......................................................... 212
honert + partner mbB ................................................... 214
HOYNG ROKH MONEGIER ................................................ 216
Iffland Wischnewski Rechtsanwälte ........................................ 218
Jones Day ............................................................ 220
Justiz des Landes NRW .................................................. 222
K & L Gates LLP ........................................................ 224
kallan Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ...................................... 226
Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB ................................ 228
Kirkland & Ellis International LLP .......................................... 230
KLIEMT.Arbeitsrecht .................................................... 232
KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (kurz KPMG Law) .................... 234
KUCERA Rechtsanwälte und Steuerberater Partnerschaft mbB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare ..................................... 238
KWG Rechtsanwälte .................................................... 240
King & Wood Mallesons / KWM Europe ..................................... 242
Landeshauptstadt München .............................................. 244
Latham & Watkins LLP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
Leinemann Partner Rechtsanwälte ......................................... 248
Lenz und Johlen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ............................ 250
lindenpartners ......................................................... 252
Linklaters LLP .......................................................... 254
Loschelder ............................................................ 256
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ..................................... 258
Mayer Brown LLP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP ...................... 262
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 9
Inhaltsverzeichnis
Kanzlei- und
Unternehmensprofile
Menold Bezler Rechtsanwälte ............................................ 264
Milbank, Tweed, Hadley & McCloy LLP ...................................... 266
Morgan, Lewis & Bockius LLP ............................................. 268
Morrison & Foerster LLP ................................................. 270
Noerr LLP ............................................................ 272
Norton Rose Fulbright .................................................. 274
Hauptberufliche/r Notarin/Notar ........................................... 276
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte ............................................ 278
Osborne Clarke ........................................................ 280
Pinsent Masons Germany LLP ............................................ 282
PwC Legal ............................................................ 284
RITTERSHAUS Rechtsanwälte ............................................. 286
SCHMIDT, VON DER OSTEN & HUBER ....................................... 288
SGP Rechtsanwälte ..................................................... 290
Shearman & Sterling LLP ................................................ 292
Simmons & Simmons LLP ................................................ 294
Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom LLP .................................. 296
SKW Schwarz Rechtsanwälte ............................................. 298
SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH .................. 300
Taylor Wessing ......................................................... 302
thyssenkrupp AG ....................................................... 304
Weil, Gotshal & Manges LLP .............................................. 306
White & Case LLP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
Willkie Farr & Gallagher LLP .............................................. 310
WilmerHale ........................................................... 312
Wolter Hoppenberg ..................................................... 314
ZENK Rechtsanwälte .................................................... 316
ZIRNGIBL Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ................................. 318
Literaturempfehlungen
Nützliche Adressen
und Informationen
Jurakompakt – Studium und Referendariat .................................. 322
Themenschwerpunkt .................................................... 324
Schwerpunkt: Zivilrecht .................................................. 334
Schwerpunkt: Strafrecht ................................................. 343
Schwerpunkt: Öffentliches Recht .......................................... 351
Kommentare .......................................................... 357
Inhaltsverzeichnis der nützlichen Adressen und Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Adressen ............................................................. 365
Ländertabellen bezüglich Klausuren, Stationen, Einstellung und Vergütung ......... 377
Übersicht über die Ergebnisse der juristischen Prüfungen 2012 – 2016 ............. 378
Bezugsquellen ......................................................... 380
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Beiträge
Beck'scher
Referendarführer
2018 / 2019
Was wäre, wenn …?
Oder: Wie man es schafft, als Jurist doch noch
etwas ‹Ordentliches› zu werden
Von Sebastian Fitzek *
Als ich gefragt wurde, ob ich eine Glosse für den
Beck’schen Referendarführer schreiben möchte, fühlte
ich mich sehr geehrt. Zumal der Themenvorschlag lautete:
«Wie schafft man es, als Jurist doch noch etwas ‹Ordentliches›
zu werden?»
Meistens stellen mir alte Studiengefährten genau die gegenteilige
Frage, nämlich wann ich mich denn auf meinen «ordentlichen
Beruf» besinnen und den albernen Ausflug in die
Niederungen der Belletristik endlich aufgeben würde.
Was, selbst wenn ich es wollte, gar nicht so einfach wäre,
denn ich habe zwar im Urheberrecht promoviert, aber ich
bin nur Halbjurist, ohne zweites Staatsexamen. Das Leben
kam mir vor dem Referendariat dazwischen, damals in Gestalt
eines Angebots als Chefredakteur beim Berliner Rundfunk.
Im Grunde bin ich der Albtraum eines auf Gradlinigkeit und
konsequente Berufszielverfolgung achtenden Personalberaters
und – gemessen an meinen Lebenszielen – ein totaler
Versager. (Ein Satz, den meine Lektorinnen wegen unsäglicher
Substantivierung rot markieren würden, aber hey, wir
sind ja unter uns Juristen.)
Ich hatte gerade erfolgreich ein Veterinärmedizinstudium
nach nur drei Monaten abgebrochen, weil ich über meine
Tierliebe vergessen hatte, dass ich zwei linke Hände habe,
die mir schon beim Sezieren eines Hundes im Weg waren.
Was sollten da später die noch lebenden Tiere sagen?
Aber auch Tierarzt war nicht meine erste Wahl, nicht einmal
meine dritte. Ich hatte Tennisspieler und Schlagzeuger
werden wollen, beides scheiterte an einem offensichtlichen
Mangel an Talent. Meinen Traum vom Job in der Musikindustrie,
damals wurden noch Schallplatten und CDs verkauft,
wollte ich dennoch nicht aufgeben. Band- oder Konzertmanager
schwebte mir vor, aber selbst ein Praktikum bei
Labels und Agenturen war unerreichbar. Denn um in die
heiligen Hallen der Musikindustrie vorgelassen zu werden,
braucht man Beziehungen. Da meine Eltern Lehrer waren,
sah es mit ihren Kontakten in die schillernde Welt des
Showbusiness eher schlecht aus.
Ich wollte nie Autor werden. Niemals beim Radio arbeiten.
Und nie Jura studieren.
Vom Medienrechtler zum Musikmanager?
Als ich im Wintersemester 1991, also in einem für Smartphonebesitzer
prähistorischen Zeitalter, mein Studium
der Rechtswissenschaften an der FU Berlin begann, war das
aus der Not geboren.
Ob Sebastian Fitzek wohl
*deshalb* das Veterinärmedizinstudium
abge brochen hat?
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
In meiner grenzenlosen Naivität nahm ich an, dass es auch
Menschen mit einer ordentlichen Berufsausbildung in den
von mir angestrebten Aufgabenbereichen geben musste. Ich
schnappte mir das Handbuch der Musikwirtschaft und studierte
die Lebensläufe der A&R-Manager, -Produzenten und
-Plattenbosse. Und siehe da: Ich fand auffällig viele Juristen
unter ihnen.
ter Not zu dem Buch, einfach aus Mangel an Alter nativen.
Und stellen beim Lesen fest, dass wir es mögen. Nein, dass
wir es sogar lieben. Dass es das Potential hat, unser Lieblingsbuch
zu werden. Und wir fragen uns, wieso wir diesen
Schatz so lange ignoriert haben. Auch das Jura studium hat
meine Erwartungen weit übertroffen.
Das Jurastudium – ein Studium generale?
Der Begriff des Studium generale mag zu hoch gegriffen
sein, aber das Studium der Rechtswissenschaft hat mich
vieles gelehrt, was mir heute meinen Beruf als Autor erleichtert,
wenn nicht sogar erst ermöglicht.
Ein weiterer Beruf, den
Sebastian Fitzek nicht ergriffen
hat: Tennisspieler.
Überall Juristen, Juristen, Juristen
Vermutlich hätte ich auch im Handbuch der Fleischereiwirtschaft
nachschauen können und wäre auf eine ähnliche
Schnittmenge gestoßen. Dass Jura damals ein Modefach
und völlig überlaufen war, wurde mir erst klar, als ich
im Audimax um einen Platz auf dem Fußboden kämpfen
musste.
Eine juristische Argumentation muss – wie eine fiktionale
Geschichte – den Adressaten überzeugen. Sie beginnt mit
der Recherche jener Fakten, auf denen wir unsere Argumentationskette
aufbauen. Neben dem Handwerk der Recherche
habe ich an der rechtswissenschaftlichen Fakultät aber etwas
noch Essentielleres gelernt: die Notwendigkeit, im Leben
einen anderen Standpunkt einzunehmen, um seine eigenen
Ansichten auf den Prüfstand zu stellen.
«Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint», schrieb ein
wohlwollender Kritiker über mein Debüt «Die Therapie». Im
Grunde eine Zusammenfassung jener Aha-Effekte, die ich
beim Studium mehrfach erlebte, etwa wenn die nähere Betrachtung
Kausalketten in Frage stellte, die auf den ersten
Blick ganz logisch erschienen: Der Arzt vergaß eine Vorsorgeuntersuchung
der schwangeren Frau, weswegen die
Missbildung des Babys nicht diagnostiziert wurde. Natürlich
gibt es hier einen «Schaden» – war meine Erstsemesterreaktion.
Die «Was wäre, wenn der Arzt korrekt gehandelthätte»-Frage
stellte ich mir nicht. Aber sie ist natürlich ent-
Ich hatte mich eingeschrieben in dem Glauben, mit dem
Studium des Wettbewerbs-, Medien-, Urheber- und Verlagsrechts
meinem Traum von der Arbeit im Musikgeschäft als
abgebrochener Schlagzeuger endlich näher zu kommen. Ich
hatte erwartet, mich durch ein knochentrockenes Paragraphenstudium
durchbeißen zu müssen, um am Ende mit
einem Traumjob belohnt zu werden. Ich musste lernen, dass
ich völlig falsch lag. Die Vorlesungen streiften noch nicht
einmal die von mir erwarteten Rechtsgebiete, waren aber
dennoch faszinierend und spannend.
Ich erlebte etwas, das alle Leserinnen und Leser nachvollziehen
können, die im Regal seit Jahren ein ungelesenes
Buch haben, dessen Titel und Thema sie nicht anspricht und
das sie schon oft in den Händen hielten, jedoch nie zu lesen
begannen. Irgendwann greifen wir dann doch in allerhöchs-
Wäre Sebastian Fitzek Schlagzeuger
geworden, hätte er natürlich
auch *so* enden können.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 13
scheidend, verändert alles. Sie öffnete mir damals das Tor zu
einem moralischen Dilemma, denn bis heute will ich ein
lebendiges, jedoch krankes Kind nicht als Schaden ansehen,
die Eltern aber nicht mit den Kosten der fi nanziellen Mehrbelastungen
alleine lassen.
Heute bestimmen «Was wäre, wenn»-Fragen mein Leben.
Nahezu jeder meiner bisher sechzehn Psychothriller dreht
sich um eine: «Was wäre, wenn das Paket, das ich für den
Nachbarn annehme, einen gefährlichen Inhalt hat?» – «Was
wäre, wenn mein Kind, das ich zum Arzt begleitet habe, nie
wieder aus dem Behandlungszimmer herauskommt?» –
«Was wäre, wenn eine Blinde die einzige Zeugin ist und den
Täter sogar beschreiben kann?»
Die Juristenausbildung – eine Kreativitätsschmiede
Oft werde ich belächelt, wenn ich sage, dass ich die Juristenausbildung
für eine Kreativitätsschmiede halte. Aber
selten wird das «out of the box»-Denken so gefördert wie
hier. Und es ist eben nicht nur ein Gesetz der Masse, dass wir
Juristen in so vielen, verschiedenen Lebensbereichen zu fi n-
den sind. Gerade das Strafrecht, dem ich in gewisser Hinsicht
treu geblieben bin (nur dass ich die Axtmörder nicht in der
Realität, sondern auf dem Papier anklage, verteidige oder
richte), hat mich gelehrt, was für meinen derzeitigen Beruf
als Autor unabdingbar ist: den Sachverhalt aus allen denkbaren
Perspektiven zu beleuchten, bevor man entscheidet.
Viele Menschen vergleichen das Leben mit einer einzigen,
großen Reise, die bei näherer Betrachtung übrigens eine
Parallele zu der dreiaktigen Erzählstruktur hat, in die wir fast
intuitiv verfallen, wenn wir uns Geschichten erzählen: Man
bricht auf in das Ungewisse (1. Akt: Geburt), man zieht durch
fremde Welten (2. Akt: Leben im Allgemeinen) und man
kehrt zurück (3. Akt: Tod). Im Grunde genommen ist dieser
Vergleich hilfreich, aber – was sollte ich als Jurist auch sonst
sagen – er greift zu kurz.
Das Leben ist nicht eine Reise, sondern sie besteht aus unglaublich
vielen, unterschiedlichen Reisen. Und meine nicht
sehr weltbewegende, aber für Kühlschrankmagneten geeignete
These lautet: Je mehr Reisen man erlebt habt, desto
erfüllter und glücklicher war das Leben.
Schon aus diesem Grund bedauere ich hin und wieder, dass
ich niemals Referendar war. Ich bin mir sicher, diese Reise
hätte mir noch weitere Aha-Effekte beschert; hätte mich die
Welt, in der ich lebe, erneut mit anderen Augen sehen lassen.
Hätte mich noch kreativer werden lassen. Doch dazu
haben Sie ja jetzt die Gelegenheit. Ich wünsche allen Leserinnen
und Lesern des Beck’schen Referendarführers eine
gute und spannende Reise. Vielleicht kreuzen sich ja irgendwann
unsere Wege. Und Sie könnten sich ja jetzt schon mal
fragen: «Was wäre, wenn …?»
Sebastian Fitzek
geboren 1971, ist Deutschlands erfolgreichster
Autor von Psychothrillern. Seit
seinem Debüt «Die Therapie» (2006) ist er
mit allen Romanen ganz oben auf den
Bestsellerlisten zu fi nden. Mittlerweile werden seine Bücher
in vierundzwanzig Sprachen übersetzt und sind Vorlage für
internationale Kinoverfi lmungen und Theateradaptionen. Als
erster deutscher Autor wurde Sebastian Fitzek mit dem Europäischen
Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Er lebt mit
seiner Familie in Berlin.
Autorenfoto: © FinePic / München / Helmut Henkensiefken
Foto 1 (S. 12): istockphoto.com Nr. 913131720 © IgorChus
Foto 2 (S. 13): de.fotolia.com/# Nr. 44893478 © GoodMood Photo
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Kommt der Halbtags-Referendar?
❯❯
Von Prof. Dr. Joachim Jahn *
Prof. Dr. Joachim Jahn
Ein Referendariat mit kleinem Kind
oder pflegebedürftigen Eltern zu absolvieren,
ist eine echte Herausforderung.
Was läge da näher als ein Teilzeitreferendariat?
Das fand Anfang 2017 auch
der Bundesrat und brachte eine entsprechende
Initiative im Bundestag
ein. Denn für die Einführung müsste
das Deutsche Richtergesetz geändert
werden. Auf den letzten Metern vor
der Bundestagswahl ist der Vorstoß
dann aber versackt – trotz prinzipieller
Unterstützung durch die Bundesregierung.
Wegen des Grundsatzes der Diskontinuität
müsste also ein neuer Gesetzesvorschlag
eingebracht werden.
Derzeit ist dieser allerdings nicht in
Sicht: Niedersachsen, das damals zusammen
mit Brandenburg die Länderkammer
angetrieben hatte, mag das
Thema nach dem zwischenzeitlichen
Regierungswechsel in Hannover vorerst
nicht wieder aufgreifen, sondern
wartet ab – sieht aber durchaus Chancen,
dass eine solche Reform kommt.
Der Bedarf wächst
Dabei hat Julia Reumann es erst kürzlich
wieder erlebt. «Eine angehende
Referendarin hat uns kontaktiert, ob
wir ihr weiterhelfen können», erzählt
die Vorsitzende des Vereins der Rechtsreferendare
in Bayern. Ein Elternteil
wurde schwer krank und musste gepflegt
werden, die junge Frau wollte
aber gerne gleichzeitig ihr Referendariat
machen. «Sie bekam eine rigorose
Absage vom OLG mit dem Hinweis,
allenfalls könne sie kurze Sonderurlaube
einlegen.» Auch sonst sieht Reumann
einen echten Bedarf für die
Einführung eines Teilzeitmodells. «Ich
kenne ein paar Referendarinnen, die
schwanger sind oder kleine Kinder
haben – für die ist das schwierig, weil
alles so strikt vorgegeben ist.» Anwesenheitspflichten
in der AG, Urlaubssperren
für den Blockunterricht beim
Einführungslehrgang zum Familienrecht:
Wenn Sohn oder Tochter Fieber
kriegt oder die Kita schließt, bricht der
enge Zeitplan zusammen.
Zumal: «Viele gehen nicht gleich
nach dem Ersten Examen ins Referendariat,
sondern promovieren erst einmal.
Dann aber ist das Thema Familie
oft schon viel aktueller.» Auch die vielen
vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen
für die Kleinen bringen
Terminprobleme, weiß Reumann von
Kolleginnen. Wenn Sohn oder Tochter
öfter krank seien, werde vom Dienstvorgesetzten
sogar ein Attest verlangt.
Die Justizverwaltung sei da recht unflexibel,
anders als die oftmals großzügigen
AG Leiter. Für große Einführungslehrgänge
werde mitunter eine
Urlaubssperre verhängt. Und bei einem
Antrag auf Sonderurlaub werde eine
erhebliche Begründungsarbeit verlangt.
Das Fazit der Referendars Lobbyistin:
«Das Thema begegnet einem immer
wieder – in jeder AG sind ein paar
Fälle dabei.»
Eine «überfällige» Reform
«Überfällig» findet auch Daniel Brunkhorst,
Vorsitzender des Referendarspersonalrats
am OLG Celle, eine solche
Reform. Er hat ebenfalls beobachtet,
wie schwer es für Kolleginnen mit
Kleinkind ist – «weil die Betreuung
dann ja doch meist an den Frauen
hängenbleibt». Vermeiden müsse man
allerdings, dass jemand ohne einen
wichtigen Grund eine Art Halbtagsreferendariat
ablege: «Das würde zu
* Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der Schriftleitung der NJW.
Autorenfoto: privat, Foto (S.17): www.istockphoto.com Nr. 522399038 © Geber86
16
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Niemand soll sich zwischen Familie und Ausbildung zum Volljuristen entscheiden müssen.
einer Verzerrung führen.» Eine Begründung
wie ein eigenes Kleinkind oder ein
familiärer Pflegefall müsse daher schon
verlangt werden. «Aber wenn jemand
durch so etwas aktiv eingebunden ist,
zieht er ja keinen Vorteil aus einem
Teilzeitreferendariat, sondern bekommt
nur einen Ausgleich für seine Belastungen
daheim.» Auch Brunkhorst hielte
die Einführung dieser Möglichkeit für
eine wichtige Sache – vor allem für
Kollegen mit eigenem Nachwuchs:
«Wenn die Betreuung nicht durch den
Partner oder die Partnerin organisiert
werden kann, sind sie gekniffen.» Und
eine Klausur bereite sich nun einmal
nicht von alleine vor.
Niedersachsen und Brandenburg
waren mit ihrem Gesetzentwurf für ein
Rechtsreferendariat in Teilzeit schon
auf einem guten Weg. Der Bundesrat
hatte ihn sich zu eigen gemacht, die
Bundesregierung lobte in ihrer offiziellen
Stellungnahme die Initiative.
Schließlich sei die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf auch für die Ausgestaltung
des juristischen Vorbereitungsdienstes
ein bedeutsames Kriterium.
Antje Niewisch Lennartz, die damalige
Justizministerin in Hannover, sah darin
überdies eine Chance, den notwendigen
Nachwuchs für Justiz, Anwaltschaft
und Verwaltung zu gewinnen.
«Keiner soll vor die Entscheidung zwischen
Familie und Ausbildung zum
Volljuristen gestellt werden», sagte die
Grünen Politikerin. In der Lehrerausbildung
gebe es bereits zunehmend
die Möglichkeit, eine familiäre Doppelbelastung
durch eine flexiblere Zeiteinteilung
abzumildern.
Woran es hakt
Der Haken: Ursprünglich wollte der
Vor schlag zur Änderung des Richtergesetzes
den Ländern die Wahl lassen,
ob sie eine Teilzeitoption einführen, um
ihnen die Zustimmung zu er leichtern.
Doch gerade diese Öffnungsklausel stieß
vielfach auf Bedenken. So gab Hessens
Ressortchefin Eva Kühne Hörmann in
der Länderkammer zwar ihre prinzipielle
Unterstützung zu Protokoll. Doch
müsse es eine bundeseinheitliche Regelung
geben. Eine Optionsklausel gefährde
die Chancengleichheit und die
Vergleichbarkeit der Examensergebnisse,
fürchtete die CDU Politikerin.
Eine Sorge, die mit Blick auf das Gleichheitsgebot
auch die Bundesregierung
teilte, weswegen sie einen eigenen Vorschlag
ankündigte. Daraus ist aber, wie
eine aktuelle Nachfrage ergab, bisher
nichts geworden. «Die notwendigen Abklärungen
der offenen Fachfragen dazu
im Kreis der Länder sowie die Überlegungen
der Bundesregierung dauern
noch an», erklärte eine Sprecherin.
Dabei haben die Bundesländer längst
selbst nachgebessert. Eine spezielle
Arbeitsgruppe des Koordinierungsausschusses,
den die Justizminister ohnehin
für die Reform der Juristenausbildung
eingesetzt haben, hat ein konkretes
Modell ausgearbeitet. Danach bliebe die
Dauer der einzelnen Pflichtstationen –
unter Absenkung der Ausbildungslast
und der Wochenstundenzahl – zunächst
unverändert. Anschließend müssten angehende
Juristen, die ein zu betreuendes
Kind oder zu pflegende Angehörige
nachweisen können, aber vor der
schriftlichen Prüfung zwei oder drei
zusätzliche Stagen absolvieren. Damit
würde die praktische Ausbildungsphase
30 Monate dauern.
Kein «Examen light»
Vorsichtige Unterstützung erfährt das
Vorhaben auch von dem Heidelberger
Rechtsanwalt Gustav Duden, der
dem Ausschuss Juristenausbildung der
Bundesrechtsanwaltskammer vorsitzt.
«Das Grundanliegen ist zu begrüßen»,
äußert er als private Einschätzung.
Problematisch sei allerdings, dass sich
die ohnehin schon lange Juristenausbildung
in diesen Fällen noch weiter
verlängern würde. Denn die praktische
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 17
Erfahrung dürfe darunter nicht leiden:
«Dabei darf keine Kürzung der
Teilnahme an Arbeitsgemeinschaften
und Einführungslehrgängen herauskommen.»
Und ebenso wenig, dass ein
«Examen light» geschrieben werden
könne. Denn das würde die gesamte
Ausbildung entwerten und überdies
ein Gleichheitsproblem gegenüber jenen
schaffen, die ein traditionelles
Voll zeitreferendariat absolvieren. Zwei
Sachen sind für Duden somit klar: Es
dürfe nur eine Sonderregelung aus Sozialgesichtspunkten
geben, aber keine
Wahlfreiheit: «Zwei Wege zum Examen
einzuführen wäre absurd.» Und käme
es zur Reform, dürfe nicht wieder der
Föderalismus «zuschlagen», sondern es
müssten bundesweit einheitliche Anforderungen
dabei herauskommen.
Oder doch kein Bedarf für
Änderungen?
Dr. Andrea Schmidt, Chefin des bayerischen
Landesjustizprüfungsamts, zeigt
sich dagegen skeptisch. Eigentlich sehe
sie keinen Bedarf für Änderungen –
jedenfalls nicht in ihrem Bundesland.
«Wir nehmen in der Praxis schon jetzt
große Rücksicht, wenn ein Kind da
ist», versichert sie. So werde der gewünschte
Ausbildungsort zugewiesen.
Ebenso diejenige Arbeitsgemeinschaft,
die je nach vorhandener Kinderbetreuung
vormittags oder nachmittags stattfinde.
Zudem gebe es eine ganze Reihe
von Rechtsansprüchen. So habe eine
Referendarin auch nach Auslaufen des
Mutterschutzes noch bis zur Vollendung
des dritten Lebensjahrs ihres jeweils
jüngsten Kindes einen Anspruch
auf Elternzeit. Und falls das nicht reiche,
gebe es immer noch die Möglichkeit
eines Sonderurlaubs. Hinzu
kommt aus Sicht der Amtsleiterin:
Jene Arbeitsgruppe der Justizminister
hatte in den Referendars- AGs gezielt
junge Mütter und Väter gefragt, ob sie
ein Bedürfnis für ein Teilzeitmodell
sähen. Doch nur 42 Prozent von ihnen
hätten überhaupt geantwortet. Und
von denen hätten wiederum 37 Prozent
ausdrücklich erklärt, dass sie
dies gar nicht wählen würden, wenn
es die Möglichkeit dazu gäbe. Die erfahrene
Chefprüferin gibt außerdem
zu bedenken: «Je länger eine Ausbildung
dauert, desto schwieriger wird
der Kampf gegen das Vergessen – und
desto später kommt der Berufseinstieg.»
18
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
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Auto tot, Tür zu,
Smart Contracts
❯❯
Von Prof. Dr. Nikolas Guggenberger, LL.M. (Stanford) *
Stellen Sie sich vor, Sie sind zu Besuch
bei Bekannten im Ausland, die Ihnen
Villa, Garten, Auto, Kaninchen und alles,
was dazugehört, für eine Woche
überlassen haben, weil sie selbst verreist
sind. Sie kommen morgens aus
der McMansion, kollidieren fast mit
einer der pseudokorinthischen marmorfarbenen
Betonsäulen und steigen
in den vor dem Haus geparkten Vorstadtpanzer
Ihrer Bekannten. Sie versuchen
das Fahrzeug zu starten. Eigentlich
ist das nur ein Knopfdruck. Doch
nichts tut sich. Es ist kalt draußen und
vielleicht hat die Batterie den Geist aufgegeben.
Sie schauen nach – nichts.
Von dem Nachbarn, mit dem Sie tags
zuvor noch Auberginen gegrillt haben,
wissen Sie, dass es in dem Viertel in
letzter Zeit zu Schäden durch Nagetiere
gekommen ist. Diese Ursache halten Sie
bei dem Neuwagen für unwahrscheinlich,
schauen aber dennoch nach –
nichts zu sehen. So langsam gehen Ihnen
Fantasie und Geduld aus und Sie
wollen zurück ins Haus, um Ihre Bekannten
anzurufen.
An der Haustür angekommen tippen
Sie 1 – 9 – 2 – 9 und dann die Sternchentaste
in das Keypad an der Haustür.
Nichts. Sie versuchen es erneut – genauso
wie von Ihren Bekannten beschrieben.
Vielleicht hatten Sie sich
vertippt. Nichts. Komisch, gestern, vorgestern
und die Tage davor hat das
alles noch funktioniert. Das Auto ließ
sich auf Knopfdruck starten und die
Haustüre konnte durch Eingabe des
Codes geöffnet werden.
Statt aus dem wohlig warmen
Wohn zimmer rufen Sie Ihre Bekannten
nun von der frostigen Terrasse des
Hauses über WhatsApp an und hoffen,
dass der Akku Ihres Mobiltelefons
noch ausreicht. Insgeheim fluchen Sie
über die ganze «neue Elektronik» und
ärgern sich über die anfallenden Roaminggebühren.
Sie schlucken Ihren Ärger
aber herunter, weil Sie vor Ihren
neureichen, technikaffinen Bekannten
nicht altbacken oder gar geizig wirken
wollen. Nach mehrmaligem Klingeln
nimmt Ihre Bekannte ab und lacht nur.
Ihre Reise sei wohl zu teuer gewesen.
Sie verstehen nur Bahnhof. Was soll
ihre Reise mit dem Auto und der Haustür
zu tun haben? Na, vermutlich sei
ihr Konto nicht mehr gedeckt gewesen,
fügt Ihre Bekannte hinzu. Sie verstehen
nicht einmal mehr Bahnhof.
Was hier passiert ist, kann aber
ohne weiteres vorkommen, wenn man
Verträge unmittelbar mit der Realität
verknüpft. Die Idee hinter sogenann
20
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
ten Smart Contracts ist die Automatisierung
der Rechtsdurchsetzung. Ihre
Bekannten hatten weder die Leasingrate
für ihr Fahrzeug noch die Miete
für ihr Haus entrichtet. Die entsprechenden
Verträge, der Leasingvertrag
und der Mietvertrag, waren verknüpft
mit dem Auto und dem Schloss in der
Haustüre. Oftmals werden solche Objekte
dann aufgrund ihrer Verknüpfung
als «smart» bezeichnet – also
etwa als Smart Lock. Denken können
aber weder Smart Contracts noch
Smart Locks. Sie sind oder
enthalten vielmehr nur Programmcode,
der, ausgelöst
durch eine bestimmte Bedingung,
hier die Nichtzahlung,
eine bestimmte Folge,
hier die Verriegelung, automatisch
herbeiführt. Was
für manche eventuell wie
Science Fiction klingt, gibt
es im Prinzip bereits.
Das Revolutionäre an
Smart Contracts
Bestimmte Formen und
Grade der mechanischen
oder elektronischen Automatisierung
der Abwicklung
von Verträgen existieren sogar
schon seit Ewigkeiten.
Der Warenautomat, die Jukebox
und die Parkuhr sind
alles Beispiele für die automatisierte
Abwicklung von
Verträgen. Auch unternehmensintern
wird die Abwicklung
von Verträgen zu
einem hohen Grad automatisiert.
Wenn eine Zahlung
nicht «durchgeht», wird etwa
ein Buchungsprozess nicht weiter verfolgt.
Wenn ein Abo oder eine Mitgliedschaft
nicht bedient werden, so wird
automatisch das Abo oder die Mitgliedschaft
beendet. Das sind aber noch
nicht zwingend Smart Contracts. Was
sind Smart Contracts also genau und
was ist so inte ressant und revolutionär
am Konzept von Smart Contracts?
Smart Contracts muss man sich
vor stellen wie das digitale Äquivalent
eines Warenautomaten. Beim Warenautomaten
löst der Einwurf einer
Münze oder die Autorisierung einer
elektronischen Zahlung eine bestimmte
mechanische Folge aus: Der ausgewählte
Schokoriegel, das Erfrischungsgetränk
oder die Schale Pommes Frites
werden ausgegeben. [Merke: Kaufe niemals
Pommes Frites von einem Automaten.
Es gibt schlicht Dinge, die Automaten
nicht können.]
Es gibt schlicht Dinge, die Automaten nicht können.
Wie der klassische Warenautomat
auch, garantiert ein Smart Contract auf
technische Weise den Eintritt einer bestimmten
vordefinierten Folge, wenn
spezifische Voraussetzungen erfüllt sind.
Nachdem der Smart Contract aufgesetzt
bzw. veröffentlicht ist, kann er
nur noch so abgeändert werden, wie
es in seinem Programmcode vorgesehen
ist. Regelmäßig bedeutet dies,
dass der Smart Contract jedenfalls
nicht mehr einseitig umgeschrieben
werden kann. Wird die vordefinierte
Bedingung nun erfüllt, kann grundsätzlich
keine der Parteien mehr eine
vorgesehene Folge einseitig verhindern.
Der Smart Contract kann also sowohl
das Wollen der Vertragsausführung als
auch das Fortbestehen des Könnens
der Vertragsausführung technisch ersetzen.
Mit Blick auf die konkrete Folge
wird das sogenannte Gegenparteirisiko
beseitigt. In unserem Fall
bedeutet dies, dass Ihre Bekannten,
deren Haus Sie sitten,
nichts gegen die Verriegelung
der Zündung oder
der Haustüre unternehmen
können, nachdem die Auslösebedingung
eingetreten ist.
Im konkreten Beispiel wurde
das Gegenparteirisiko damit
freilich nicht vollständig beseitigt,
sondern nur reduziert.
Das theo retische Konzept
der Smart Contracts
stammt von dem Pionier und
Visionär auf dem Gebiet der
Automatisierung von Recht,
Nick Szabo, und wurde vor
gut zwanzig Jahren geprägt.
Blockchain und Bitcoin
Zum ersten Mal ermöglichen
Smart Contracts eine
automatisierte, digitale Abwicklung
von Verträgen auf
Peer to Peer Basis. Das ist
die wirkliche Neuerung. Was
ein Warenautomat dank der
Eigenschaften von Bargeld
schon längst konnte, war digital
nämlich undenkbar. Ermöglicht
wird das Ganze durch die sogenannte
Blockchain-Techno logie, die auch hinter
der virtuellen Währung Bitcoin
steht. Die zentrale Innovation dieser
Technologie besteht darin, eine Übertragung
digitaler Güter ohne Intermediär
zu erlauben. Wie, das ging doch
schon immer – oder nicht? Man
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 21
konnte doch seit jeher einen Song, ein
Video oder ein Bild an jemanden anderen
senden. Nun endlich lässt sich ein
«Ja, aber …» in diesen Text einbauen:
Ja, aber die Übertragung ist hier in Abgrenzung
zur Kopie zu verstehen. Eine
Übertragung bedeutet insoweit, dass
nichts beim Übertragenden verbleibt
[für Nerds: denken Sie an die Übergabe
im Rahmen von § 929 Satz 1 BGB]. Es
wird sichergestellt, dass ein Wert oder
Gegenstand nicht doppelt ausgegeben
oder verwendet werden kann.
Recht und Realität verknüpfen
Fragt sich natürlich, warum Verwender
Verträge oder einzelne Konsequenzen
aus Verträgen überhaupt automatisiert
umgesetzt sehen oder Verträge mit der
Realität verknüpfen möchten. Im Wesentlichen
können diese Mechanismen
für zweierlei verwendet werden: Zunächst,
und das ist der unmittelbare
Anwendungsfall, kann der Eintritt einer
Folge garantiert und damit direkt
durchgesetzt werden. Man macht sich
wie beschrieben vom Wollen und Fortdauern
des Könnens des Vertragspartners
unabhängig. Außerdem, und darauf
läuft das Eingangsbeispiel hinaus,
können Vertragspartner «motiviert»
wer den, ihren vertraglichen Verpflichtungen
nachzukommen. Ihre Bekannten
würden vermutlich alles daran setzen,
die versäumte Mietzahlung oder
Leasingrate schnellstmöglich auf den
Weg zu bringen, um ihr Haus wieder
betreten beziehungsweise ihr Auto wieder
bewegen zu können. Genau dieser
Umstand bietet auch die Grundlage
dafür, die entsprechende Leistung oder
das jeweilige Produkt zu einem güns
tigeren Preis anzubieten. Dies wiederum
macht eine solche Verkürzung der
eigenen Freiheit eventuell attraktiv für
Mieter, Kunden oder Verbraucher.
Das Haus Ihrer Bekannten befindet
sich im nicht näher bezeichneten Ausland.
Wer aufmerksam liest, der stellt
fest, dass die Bekannten vermutlich
außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums
residieren. In Deutsch land jedenfalls
wäre ein entsprechendes Smart
Lock am Wohnhaus unzulässig. Offensichtlich
ist dies schon deshalb, weil
die gesetzlichen Voraussetzungen einer
fristlosen Kündigung umgangen würden.
Nun ließe sich der Zeitablauf seit
der letzten Zahlung noch relativ einfach
in den Programmcode aufnehmen.
Doch dann hört es schon bald auf mit
den Automatisierungsmöglich keiten.
Auch wenn die Voraussetzungen einer
fristlosen Kündigung erfüllt sind, darf
ein Mieter nämlich nicht einfach aus
der Wohnung ausgesperrt werden.
Etwas schwieriger wird die Grenzziehung
schon mit Blick auf Fahrzeuge.
Wenn das Ganze etwa nicht als
Leasing, sondern als Prepaid Modell
ausgestaltet wird, wird es irgendwie
schon vertrauter. Ein entsprechendes
CarSharing Modell kann ich eben nur
nutzen, solange sich noch Geld auf
meiner Karte befindet. Von Prepaid-
Handys und erst recht von klassischen
Münztelefonen ist das seit Ewigkeiten
bekannt. Das Gespräch endet schlicht,
wenn das Guthaben aufgebraucht ist.
Gerade beim Auto bleiben aber auch
öffentlichrechtliche Schutzvorschriften
zu beachten: Natürlich dürfte das Auto
nicht einfach abstellen, wenn es sich
in voller Fahrt auf der Autobahn be-
findet. Auch wäre es wohl nicht akzeptabel,
wenn der Motor mitten in
der Nacht tief draußen im dunklen
Wald deshalb aufgeben würde, weil
die nächste Rate fällig wird.
Insgesamt gilt: Was mit konventionellen
Methoden, etwa einem Austausch
des Schlosses, unzulässig wäre,
wird natürlich nicht dadurch zulässig,
dass die Methode als smart bezeichnet
wird. Die Möglichkeiten, Recht und Realität
zu verknüpfen, sind aber hochinteressant
und eröffnen eine Vielzahl
neuer Anwendungsfälle. In der Zwischenzeit
haben Ihre Bekannten ihre
ausstehenden Zahlungen beglichen. Die
Zündung im Hochgeschwindigkeitsluxustraktor
und das Keypad an der
Eingangstüre sind wieder freigegeben
und Sie genießen die restlichen Tage
in Ihrem Feriendomizil.
Prof. Dr. Nikolas Guggenberger
* Prof. Dr. Nikolas Guggenberger, LL.M. (Stanford),
Inhaber der RWTÜV Stiftungsjuniorprofessur am
Institut für Informations-, Telekommunikationsund
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«Legal Tech?
Legal Engineer?
Data Lawyer?
Ich will doch Anwalt
werden.»
❯❯
Von Marco Klock *
Die Orientierung kommt mit dem ersten
Staatsexamen. Ein Satz, den ich selbst
in den weiten Gängen unseres Juridicums
oft gehört habe. Aber ist das so?
Nein. Die große Orientierungslosigkeit
und die Jagd nach dem vermeintlichen
Idealbild einer juristischen Laufbahn
beginnen erst mit dem Referendariat.
Bei vielen ist die Erwartung an das
«Danach» klar: Ein sechsstelliges Jahreseinkommen,
hohes Ansehen und
die große juristische Erleuchtung winken,
weshalb jeder von uns sofort wild
drauf los lernt. Spätestens nach dem
ersten Staatsexamen kommt aber langsam
die Gewissheit: Mit dem Referendariat
fängt das «richtige» Leben an,
und das wird heute begleitet von Zukunftsängsten
und Jobunsicherheit.
Auch bei Juristen.
Beständigkeit und einfache Entscheidungen
sind leider Mangelware.
Viele spüren den Druck, sich langsam
festzulegen, «ihr» Arbeitsfeld zu finden
und damit den Grundstein für eine
erfolgreiche Zukunft als Rechtsanwalt
zu legen.
Leider befinden wir uns in einer
Zeit, in der das gewohnt ruhige Fahrwasser
der konservativen Juristen von
tsunami-ähnlichen Marktveränderungen
(LegalTech) durcheinandergewirbelt
wird. Gepaart mit der eigenen
Unsicherheit zum Ende des Grundstudiums
stellen sich viele die Frage: War
es die richtige Entscheidung, sich der
Rechtswissenschaft zu widmen?
LegalTech definiert den Beruf
des Juristen komplett neu – und
schafft große Chancen
Erstaunlich ist, dass viele Referendare
den Trend LegalTech für sich als unwichtig
erachten. Das antiquierte Bild
des Rechtsanwalts wird weitergelebt
und als Chance gesehen. Dabei übersehen
viele, dass die wahren Chancen
an anderer Stelle liegen.
Bei rightmart (stellvertretend für
viele andere LegalTech-Rechtsdienstleister)
beschäftigen wir viele Referendare,
die früher mit mir zusammen
studiert haben. Als sich mein Weg in
Richtung LegalTech abzeichnete und
das Studium deshalb frühzeitig beendet
wurde, trennten sich unsere Wege, die
nun so langsam wieder zusammenfinden.
24
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Obwohl rightmart als Kanzlei hochgradig
automatisiert ist und der Effekt
von Technologie vor allem in der Qualität
unserer Arbeit erkennbar wird,
gilt rightmart auch für viele unserer
Referendare als keine echte Kanzlei.
Denn stapelweise Papierdokumente, die
badische Aktenordnung und Besprechungen
an schweren Eichentischen
im renovierten Altbau findet man bei
uns nicht.
Und obwohl bei rightmart Software-
Entwickler, Marketing- und Produktverantwortliche,
Vertriebler und nicht
zuletzt der Kundenservice den unternehmerisch
gleichen Stellenwert haben
wie Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen,
scheint der Gedanke an eine
nachhaltige Veränderung der Rechtsdienstleistungen
für viele immer noch
unrealistisch.
Scheuklappen abnehmen und
die Chance ergreifen
rightmart als Kanzlei steht sicherlich
für Tausende von Verfahren zugunsten
der Verbraucher (Massengeschäft).
Wir bedienen mehr als 20.000 Mandanten
im Bereich Sozial- und Verkehrsrecht
und steuern unsere Kanzlei
durch eine eigene Software (rightmart),
die einen Großteil der Prozesse
automatisiert. Ein zentrales Wissensmanagement
gewähr leistet, dass repetitive
Arbeit auch nur 1 × gemacht
wird und wir aus jedem Prozess lernen
– sei es rechtlich-inhaltlicher oder
administrativer Natur.
Kann man rightmart trotzdem noch
als Nischenphänomen abtun? Nein,
das ist zu kurz gedacht.
Das Recht ist in modernen Kanzleien
nicht mehr der, sondern ein
Schwerpunkt
Die Prozesse von rightmart sind so effizient,
weil sie auf einer ausgeklügelten
Dynamik von Daten basieren, die nicht
durch das eigentliche Rechts gebiet,
son dern durch die dahinterliegende
Daten struktur geprägt ist. Die Struktur
hinter rightmart ist die Grundlage für
Automatisierung und letztlich die Basis
für künstliche Intelligenz, die umso
effizienter wird, je mehr und besser organisierte
Daten vorhanden sind.
Die Bearbeitung rechtlicher Probleme
wird zukünftig immer analytischer.
Neuronale Netze und die Masse
der Daten werden schneller und besser
als Rechtsanwälte – seien diese noch
so juristisch versiert. Data Science, Verständnis
für rechtliche bzw. kanzleiinterne
Prozesse und unternehmerisches
Denken werden zu Kernskills erfolgreicher
Juristen.
Aus diesen Veränderungen heraus
entsteht eine neue Auffassung einer
modernen Kanzlei, die an die Bearbeitung
einzelner Fälle ganz anders herangeht
als traditionelle Anwaltskanzleien.
Das Recht steht als Dienstleistung weiterhin
im Mittelpunkt. Aber es basiert
auf einer größeren Wissensgrundlage
und kann nur erfolgreich bestehen,
wenn Produkt, Prozesse, Mar keting und
Software als Kernpunkte erfolgreicher
Kanzleiarbeit anerkannt werden.
Papierberge findet man bei einem LegalTech-Player wie rightmart nicht.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 25
Wo ist mein Platz in der Welt des
LegalTechs? Wo ist mein Platz in
der neuen Berufswelt der Juristen?
LegalTech ist gerade für Referendare
und Berufseinsteiger die größte Chance
der letzten Jahrzehnte im Bereich der
Juristerei. Das juristische Establishment,
ob auf Seite des Rechts für Verbraucher
oder aber für Unternehmen
(Großkanzleien), ist angeschlagen und
gezwungen, sich neu zu erfinden.
Moderne Kanzleien bieten neue
Schwer punkte, die zwar juristisches
Grundverständnis voraussetzen, im
Kern allerdings ganz andere Fähigkeiten
verlangen: Ob juristisches Marketing
mit vielen Schnittpunkten zum
Berufsrecht (Legal Marketer), die datenpunktbasierte
Analyse von Urteilen
und Schriftsätzen auf ihre juristische
Grunddynamik hin (Data Lawyer), juristische
Softwareentwicklung (Legal
Engineer) oder eine agile Prozessge-
staltung in der Mandatsbearbeitung
(Structure Lawyer) – jede Veränderung
bringt viele neue Möglichkeiten mit
sich.
Als Referendar oder Berufseinsteiger
in der heutigen Zeit startet man in
diese Welt ganz ohne Altlasten. Ein
Referendariat oder Praktikum bei den
richtigen LegalTech- Playern der Branche
bringt unverhoffte Eindrücke und
ein Mindset, das zukünftig große Vorteile
bei der beruflichen Zukunft mit
sich bringt – sogar in konservativen
Kanzleien.
Genau dieser Gedanke hat mich
dazu getrieben, mit edicted. und rightmart
zwei LegalTech- Unternehmen zu
gründen. Was heute als erfolgreiche
Gründung bezeichnet wird, war damals
als Jurastudent ein großes Risiko.
Dennoch war mir eines klar: Der Markt
wird sich verändern und Technologie
wird den Beruf des Rechtsanwalts verändern.
Jeder angehende Jurist muss
sich fragen: Will ich diese Chance wirklich
verpassen, oder erkenne ich die
neuen Perspektiven an und gestalte die
Zukunft aktiv mit?
Marco Klock
* Marco Klock ist Gründer und CEO von rightmart
und edicted. und Mitautor des im Verlag C.H.Beck
erschienenen Buches «Legal Tech – Die Digitalisierung
des Rechtsmarkts».
Autorenfoto: privat
Foto (S. 25): www.istockphoto.com Nr. 637242578 © sturti
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
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lernt, landet leicht
unter dem Strich» –
Die Tätigkeit als
Repetitor
❯❯
Von Laura Christiane Nienaber *
Annähernd jeder Jurastudent, der den
Weg zum ersten oder auch zweiten
juristischen Staatsexamen beschreitet,
besucht zur Examensvor bereitung ein
privates Repetitorium. In diesem wird –
in unterschiedlich großen Gruppen –
gelernt, vertieft und stetig wiederholt,
bis die scheinbar unendlichen juristischen
Konstellationen (hoffentlich) nach
dem unerläss lichen Feinschliff durch
den Repetitor sitzen.
Der Besuch eines Repetitoriums
stellt keine Modeerscheinung dar. Die
Tätigkeit als Repetitor ist traditionsreich
und stets gefragt, insbesondere
im Bereich der Rechtswissenschaften.
So kam bereits Goethe in den Genuss
eines Repetitoriums, nachdem es sich
seit Beginn des 18. Jahrhunderts in
Preußen verbreitete. Kurt Tucholsky
hat sogar manche der von ihm verwendeten
Pseudonyme den Unterlagen
seines Repetitors entnommen, der
eine Schwäche für Kunstnamen hatte.
Dies zeigt, wie stark ein Repe titorium
die Teilnehmer prägen kann.
Unterschiedliche Erfahrungen
mit Repetitoren
Repetitoren sind genauso unterschiedlich
wie die Teilnehmer. Über eine pädagogische
Ausbildung verfügen Repetitoren
als Praktiker in aller Regel nicht.
Manche Repetitoren und deren Vortrags-
sowie Unterrichtsstil erscheinen
manchen Teilnehmern ansprechend,
mit dem Ergebnis einer regen aktiven
Teilnahme am Unterricht. Andere Unterrichtsstile
hingegen fallen einigen
Teilnehmern mitunter eher schwer,
was zu der Notwendigkeit einer verstärkten
Nacharbeit führen kann, um
den Stoff zu verstehen. Natürlich spielt
für den Erfolg auch die persönliche
Vorliebe für ein bestimmtes Rechtsgebiet
eine Rolle, allerdings kann ein
enorm versierter und begeisterungsfähiger
Repetitor auch so manch ver-
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
meintlich langweiliges oder schwer
verständliches Rechtsgebiet anschaulich
und für die Teilnehmer ansprechend
und spannend darstellen.
Während der doch durchgehend
uns teten und harten Vorbereitungszeit
auf das erste Staatsexamen werden die
Jurastudenten und später Rechtsreferendare
in der Regel von verschiedenen
Repetitoren begleitet. Diese versuchen
auf unterschiedliche Art und
Weise, die Studenten zu motivieren
und den Stoff zu vermitteln. Allen
Repetitoren ist es jedoch gemein, dass
sie selbst Prädikatsexamina haben und
teilweise zu den Landesbesten ihres
jeweiligen Jahrgangs gehören. Sie haben
sich zum Ziel gemacht, ihre Kenntnisse
und die eigenen Erfahrungen an
die jüngeren zukünftigen Kolleginnen
und Kollegen weiterzugeben und sie
bei der Examensvorbereitung so gut
wie möglich zu unterstützen. Zudem
weisen Repetitoren meist besondere
rhetorische und fachliche Fähigkeiten
zur Vermittlung von Lehrinhalten auf
und können andere für das Fachliche
begeistern und zum Lernen motivieren.
Einige Repetitoren sind als Anwalt
tätig, andere als Richter oder Staatsanwalt.
Manche sind hauptberuflich
als Repetitor tätig, dies ist allerdings
die Ausnahme. Einige wenige sind auch
bereits schon während ihrer Promotion
als Repetitoren tätig.
Repetitoren für das zweite
Staatsexamen
Repetitoren für das zweite Staatsexamen
haben sich – häufig im Unterschied
zu Repetitoren für das erste
Staatsexamen – meist ein jahrelanges
Praxiswissen angeeignet. Dies ist auch
hinsichtlich des zweiten Staatsexamens
von enormer Wichtigkeit, da es insoweit
nicht nur auf juristische Kenntnisse,
sondern auch auf deren Umsetzung
in der Praxis ankommt. Bei
der Vorbereitung für das erste juristische
Staatsexamen ist dies nur bedingt
notwendig, entscheidend sind
hier haupt sächlich das juristische Verständnis
und die Vermittlung juristischen
Wissens.
Außerhalb der Kurse sind die einzelnen
Repetitoren meist gut vernetzt.
So haben die Repetitoren selbst die Gelegenheit,
sich zu verbessern und neue
Unterrichtsmethoden anzuwenden.
Vorteile und Herausforderungen
Die Tätigkeit als Repetitor hat viele
Vorteile. So bleibt man nicht nur als
Repetitor selbst fachlich stets auf dem
neuesten Stand, sondern entwickelt
sich dank der permanenten Auseinandersetzung
mit den Teilnehmern ständig
weiter. Die größte Motivation für
den Repetitor ist es, wenn die Teilnehmer
mitteilen, dass ihnen Jura nun
erstmals richtig Spaß mache, da sie
es nun verstehen würden und viele
Puzzleteile ein großes Ganzes ergeben.
Des Weiteren ist die Arbeit als Repetitor
sehr abwechslungsreich. Denn
es gibt nicht den typischen Studenten
bzw. Referendar. Häufig kann bei den
Teilnehmern der Lernfortschritt beobachtet
werden, was auch zu einer Steigerung
der intrinsischen Motivation
des Repetitors führt. Anders als bei
manchen anderen Tätigkeiten hat man
als Repetitor daher die Chance, eine
unmittelbare Reaktion auf die eigene
Arbeit zu bekommen.
Gerade dies bringt aber auch eine
große Herausforderung mit sich. Insbesondere
zu Beginn eines Kurses fällt
auf, dass man als Repetitor mit abwegigsten
und theorielastigen Konstellationen
seitens der Studenten konfrontiert
wird. Auch derartige Fallkonstellationen
müssen souverän gelöst werden,
denn fachliche Lücken darf man als
Repetitor nicht haben. Da rüber hinaus
muss die Durchführung eines Kurses
auch akribisch geplant werden. Die
Teilnehmer sollen am Ende einer Unterrichtseinheit
stets das Gefühl haben,
etwas gelernt zu haben, ohne dass sie
dabei überfordert wurden. Um diese
optimalen Ergebnisse zu erzielen, ist es
sinnvoll, verschiedene Unterrichtsmethoden
anzuwenden. Zudem stellt die
Erstellung eigener Unterrichtsmateria
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www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 29
lien eine große fachliche und zeitliche
Herausforderung dar.
Die Arbeit als Repetitor ist durch
die mannigfaltigen Teilnehmer mit verschiedenen
Ausgangshorizonten und
völlig unterschiedlichen Charakteren
sowie die eigene fachliche Weiterentwicklung
– da man stets auf dem aktuellen
Stand der Gesetzgebung und
Rechtsprechung sein muss – sehr fordernd.
Überdies hat man neben der
fachlichen auch eine soziale Verantwortung
den Teilnehmern gegenüber, da
man sie in einer sehr anstrengenden
und anspruchsvollen Zeit begleitet und
sie als Repetitor häufig öfter als deren
Freunde sieht.
Auch die Kursvorbereitung und
-durchführung ist oft sehr anstrengend.
Diese Anstrengungen sind jedoch
schnell vergessen, wenn man merkt,
dass die Teilnehmer Erfolge erzielen
und ihre Angst verlieren, da sie erkennen,
was auf sie zukommt und Jura
kein Hexenwerk ist. Dem mitunter kursierenden
Vorwurf, dass Repe titoren
Geld mit der Angst der Studenten machen,
ist daher entgegenzutreten. Vielmehr
ist die Angst vor dem Examen
zu Beginn sehr hoch, doch im Verlauf
des Kurses nimmt sie stetig ab.
Zukunftsmusik
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass
die Universitäten die Existenz und die
Zukunft privater Repetitorien kritisch
sehen. Immer wieder werden Berichte
von Jurastudenten verbreitet, die sich
ohne privates Repetitorium auf das
erste juristische Staatsexamen vorbereitet
haben und welche überdurchschnittlich
viele Prädikatsexamina erlangt
haben. Diese Berichte können auf
unterschiedlichste Art und Weise interpretiert
werden. Maßgeblich ist aber,
dass jeder für sich selbst entscheiden
muss, ob ein privates Repetitorium besucht
wird. Trotz wachsender universitärer
Repetitorien gibt es einen ungebrochen
hohen Zulauf bei privaten
Repetitorien. Daher ist nicht damit zu
rechnen, dass der Beruf des Repetitors
keine Zukunft mehr haben wird.
Eigene Anforderungen
Die Anforderungen an die Tätigkeit eines
Repetitors sind hoch, die interessanten
Aspekte aber ebenso. Die Freude
an der Lehre, der soziale Kontakt mit
Studenten und die mögliche Kombination
mit einer praktischen Tätigkeit sind
nur ausgewählte Vorteile des Berufes.
Hinzu kommen ein freundschaftlicher
Austausch mit Kollegen und auch zumeist
die Besichtigung verschiedener
Städte. Dennoch sollte sich jeder auch
den Nachteilen der Tätigkeit stellen,
um auszuloten, ob es für einen selbst
der beste Weg ist.
Um herauszufinden, ob einem die
Tätigkeit als Repetitor selbst liegt, ist
zu empfehlen, dass man versucht, Lehr
erfahrungen zu sammeln und sich zu
erproben. Dies kann schon in der eigenen
Lerngruppe geschehen oder an
der Universität. Nur wenn man feststellt,
dass man Lehrinhalte gut und
moti vierend vor einer großen Gruppe
vermitteln kann und Freude daran
hat, empfiehlt es sich, die Tätigkeit als
Repetitor in Betracht zu ziehen. Selbstbewusstsein,
pädagogische und rhetorische
Fähigkeiten sind neben der fachlichen
Qualifikation daher zwingend
erforderlich.
* Laura Christiane Nienaber ist Rechtsanwältin
bei einer internationalen Anwaltssozietät und Dozentin
an der Hochschule für Wirtschaft und Recht
Berlin und war jahrelang als Repetitorin tätig.
Autorinnenfoto: privat
Laura Christiane Nienaber
30
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
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Prüfungen im Jurastudium
souverän meistern
❯❯
Von Antje Heimsoeth *
Antje Heimsoeth
Gerade zu Beginn ihres Studiums sind
Jurastudenten mit der komplexen Informationsflut,
die sie verarbeiten müssen,
komplett überfordert. Sie sitzen in
den Vorlesungen und werden mit Anspruchsgrundlagen
und Tatbeständen
konfrontiert, deren Zusammenhänge
sie, gerade frisch aus der Schule gekommen,
nicht nachvollziehen können.
Wenn dann die erste Klausur mit
der Bewertung «mangelhaft» zurückkommt,
folgt schnell das «böse Erwachen».
Die hohen Anforderungen des
juristischen Studiums und der folgenden
Referen darausbildung lassen regelmäßig
viele Jurastudenten scheitern.
«Es gibt kaum ein Studium, ein studentisches
Unterfangen, das mit so viel
Erwartungen und Neugier begonnen
wird und das mit solcher Häufigkeit
fehlschlägt wie das juristische Studium»,
schreibt Hochschulprofessor Peter
Dyrchs in seinem Blog «Juris tische
Ent deckungen – Ihr Einstieg ins Jurastudium»
(http://professordyrchs.de/)
und weist auf eine Abbrecherquote von
60 Prozent und eine Durchfallquote von
30 Prozent hin. «Hinzu kommt, dass die
Anfänger sich meist selbst für dumm
halten, so dass schwer verständliche,
ja ge radezu vorbeifliegende Informationen
in Vorlesung und Literatur sie
nicht nur nicht informieren, sondern
darüber hinaus ihr Selbstwertgefühl
beschädigen.»
Mentale Stärke entscheidet
über den Erfolg
Umso wichtiger ist es für Jurastudenten
und Referendare, sich frühzeitig
nicht nur fachlich, sondern auch
mental gut auf die Prüfungen und das
Staatsexamen vorzu bereiten, um sie
ge lassen, souverän, konzentriert und
selbstbewusst meistern zu können.
Nur mit einer gezielten mentalen Vorbereitung
können Studenten und Referendare
während des Studiums und
der beruflichen Vorbereitung immer
einen kühlen Kopf behalten. Besonders
mit einem angeknacksten Selbstwertgefühl
befinden sich Jurastudenten zu
Beginn ihres Studiums schnell in der
Opferrolle, in der sie sich nur noch
selber bedauern und sich passiv ihrem
Schicksal ergeben. Jeder Misserfolg
nagt weiter am Selbstwertgefühl. Sie
müssen schnell Selbstverantwortung
für ihre Leistungen übernehmen, wenn
sie nicht immer weiter in die Abwärtsspirale
gezogen werden wollen.
Wichtig ist: Jeder Schritt, den wir
persönlich erfolgreich gegangen sind,
stärkt unser eigenes Selbstwertgefühl.
Was ist das für ein tolles Gefühl, wenn
ich sagen kann: «Ich habe es tatsächlich
geschafft!» Ich habe mich der großen
Herausforderung in der Klausur,
der Hausarbeit oder später den Ab-
* Antje Heimsoeth, Jahrgang 1964, ist Dipl. Ing. (FH). Als Gründerin und Geschäftsführerin des Instituts für Business- und Sport Coaching, Heimsoeth Academy,
trainiert Antje Heimsoeth Führungskräfte, Vorstände und Unternehmer. Sie gehört zu den bekanntesten Mental Coaches und Vortragsrednern im deutschsprachigen
Raum. Die ausgebildete Ingen ieurin – sie studierte Geodäsie –, ehemalige Leistungssportlerin, Unternehmerin, Bestseller- Autorin und Hochschullehrbeauftragte
gilt bei Managern und Medien als « renommierteste Motivations trainerin Deutschlands» (FOCUS).
www.antje- heimsoeth.com, www.heimsoeth- academy.com, www.chefsache- kopf.de.
Autorinnenfoto: Orhidea Briegel, Illustration (S. 33): © Kudryashka – Fotolia.com, Illustrationstext: Antje Heimsoeth
32
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
schlussprüfungen im ersten oder zweiten
Staatsexamen gestellt und habe
sie erfolgreich bestanden. Aus meinen
rationalen Selbstzweifeln, die mich vorher
ausgebremst haben («Schaffe ich
das überhaupt?»), entwickelt sich durch
das Erfolgserlebnis ein positiver innerer
Dialog – meine gesamte Einstellung
und meine persönliche Perspektive werden
auf einmal positiv eingefärbt. Und
über die weitere Anerkennung von
außen für diese Leistung wird das
Selbstwertgefühl noch weiter gestärkt.
Dieses positive Gefühl motiviert mich,
die neuen Herausforderungen ebenfalls
positiv anzugehen, denn ich möchte
das Erfolgs erlebnis natürlich wiederholen!
Stärkenorientierung: Der Mehrwert
für das Selbstwertgefühl!
Wagen Sie den ersten Schritt aus
der Passivität, durchbrechen Sie die
Abwärtsspirale, übernehmen Sie proaktiv
Verantwortung für Ihren eigenen
Erfolg! Ihr eigenes Selbstwertgefühl
verbessern Sie in erster Linie, wenn
Sie sich Ihrer eigenen Stärken bewusst
werden. Seien Sie sich bewusst: «Auf
meine Stärken kann ich mich verlassen,
wenn ich Höchstleistungen erbringen
muss!» Über legen Sie, über
welchen Ressourcenschatz Sie bereits
verfügen, mit dem Sie die kommenden
Herausforderungen in Ihrer juristischen
Ausbildung erfolgreich bewältigen
können. Welche Talente, positiven
Eigenschaften, besonderen Begabungen,
Fertigkei ten, individuellen Fähigkeiten,
Erfahrungen und Erinnerungen
besitzen Sie bereits? Im Bewusstsein
Ihrer eigenen Stärken werden Sie den
kommenden Prüfungen optimistischer,
gelassener und souveräner entgegenblicken.
Denn Sie können nur Höchstleistungen
erbringen, wenn Sie Ihre
Flexibilität, Ihren Mut, Ihre Begeisterungsfähigkeit,
Ihre Intuition und Ihre
Beharrlichkeit voll in die Waagschale
werfen! Besinnen Sie sich daher jeden
Tag wieder mit Dankbarkeit, Zuversicht
und Stolz auf Ihre bereits vollbrachten
Leistungen!
Steuern Sie daher ganz bewusst,
wem oder was Sie ihre Aufmerksamkeit
schenken: Nicht in negativen Gedanken
und Gefühlen verharren! Richten
Sie den Blick stattdessen zügig
wieder nach vorn!
Zielvisualisierung
Nur wenn Ihnen im Vorfeld bewusst
ist, auf welche Ziele Sie den Fokus Ihrer
Aufmerksamkeit richten wollen, können
Sie sich Gedanken machen, welche
inneren und äußeren Res sourcen Sie
zur Reali sierung benötigen. Formulieren
Sie daher realistische Ziele – mit
Hilfe des positiven Zielrahmens – eindeutig,
konkret, klar («Ich verstehe die
Inhalte der kommenden Prüfung!»). Die
Schritte der Zielarbeit verlaufen überwiegend
auf der gedanklich-kognitiven
Ebene. Das vollständige Potenzial entfaltet
sich dann, wenn Sie die Zielerreichung
zusätzlich emotional und körperlich
erleben.
Formulieren Sie daher Ihr Ziel so
konkret, dass Sie den Zielzustand sehen,
hören, fühlen, vielleicht auch riechen
und schmecken können. Was
haben Sie an? Wo sind Sie? Schließen
Sie die Augen und erleben Sie möglichst
intensiv, wie es sein wird, am
Fokussierung
Zufriedenheit
Freude
Antrieb
Glück
Bewusste kleine Auszeiten
Ein gutes Gespräch
Innere Ruhe
Neugier
Humor
Unterstützung
Ziel und Vision vor Augen
Selbstbewusstsein
Intuition
Flexibilität
Gelassenheit
Begeisterungsfähigkeit
Spaß
Inspiration
Motivation
Willen
Dankbarkeit für die Möglichkeit
Anerkennung
Struktur
Erfolg
Mut
Kraft
Konzentration
Mentale Stärke
Ausdauer
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 33
Ziel zu sein! Versetzen Sie sich in das
Bild Ihres gewünschten Er gebnisses.
Lassen Sie Ihre Phantasie spielen und
vor Ihrem inneren Auge einen Film
ablaufen, indem Sie das Ziel schon erreicht
haben. Aktivieren Sie Ihre Emotionen.
Denn je bewusster und greifbarer
Ihre Ziele werden, umso eher werden
Sie sie auch umsetzen! Damit Sie Ihre
Ziele nicht aus den Augen verlieren,
führen Sie ein Erfolgstagebuch (mindestens
einmal in der Woche).
Techniken zum Abbau von
Leistungsstress
Und wenn der Stress in der Prüfungssituation
doch einmal zu stark wird?
Stress abbau kann über eine tiefe
Bauchatmung erreicht werden. Mindestens
fünf tiefe Atem züge (und mehr)
in Verbindung mit dem Klopfen der
Thymusdrüse (in der Kinesiologie die
Steuerungszentrale für den Energiefluss
und das Bindeglied zwischen Körper
und Geist) können die Stresssituation
he runterfahren. Die Drüse sitzt
etwa vier Finger breit in der Körpermitte
bzw. unter dem Brustbein unterhalb
der Hals kuhle. Dazu wird eine
Hand locker zu einer Faust geschlossen
oder mit vier Fingern auf diese Stelle
geklopft. Sie wird so lange und stark
stimuliert, bis Sie durchatmen müssen,
denn dann hat sich etwas gelöst. Die
Übung kann auch durch die Visualisierung
eines Ruhebildes unterstützt
werden – ein Bild, mit dem Sie eine besonders
schöne Erinnerung verbinden
oder einen schönen Ort, an dem Sie
sich sehr wohl gefühlt haben.
Eine weitere Möglichkeit zum Abbau
von Leistungsstress sind unter
anderem professionelle wingwave ®
Coachings.
Der positive, innere Dialog
Gehen Sie in einen inneren positiven
Dialog mit sich, um eine positive Grundeinstellung
zu erzeugen, mit der Sie
an die kommenden Herausforderungen
herangehen. So können Sie die «Muster»
in Ihrem Kopf po sitiv dauerhaft
verändern. Das Gehirn hat die Eigenschaft,
lebenslang bis ins hohe Alter
seine neuronalen Strukturen fortlaufend
zu verändern. Diese Eigenschaft
nennt sich Neuroplastizität oder neuronale
Plastizität. Dabei gilt: Je häufiger
wir Nervenverbindungen benutzen,
desto mehr stärken wir ihre Effektivität.
Lernen wir etwas, vermehren sich
die Verbindungen zwischen zwei Nervenzellen.
Das geschieht, indem Gene
in den Ner venzellen aktiviert werden,
die weitere Proteine bilden, um neue
Verbindungen zu formen. Sogenannte
Neuro transmitter (von altgriech. «neuron»
= Sehne und lat. «transmittere» =
hinüberschicken, über tragen) übertragen
an chemischen Synapsen die Erregung
von einer Nervenzelle auf eine
andere.
Die Dinge, denen wir unsere Aufmerksamkeit
schenken, formen die
Struktur unseres Gehirns. Das beeinflusst
in erheb lichem Maße unsere innere
Haltung: Stellen Sie also das Positive,
die glücklichen Momente und das
Bewusstsein für die eigenen Stärken in
den Vordergrund Ihres Denkens. Heben
Sie besonders hervor, was Ihnen
bereits gelungen ist! Daraus entwickeln
sich positive Emotionen, die Ihre Motivation
verbessern, weiter an den eigenen
Stärken, Talenten und Fähigkeiten
zu arbeiten. Ihre eigene Leistungsbereitschaft
wird entscheidend gestärkt.
Positive Affirmationen verändern
Überzeugungen
Den inneren positiven Dialog können
Sie mit der Anwendung einer Affirmation
(= posi tives Selbstgespräch; lat.:
firmare = festigen, verankern) verstärken.
Die Affirmation ist ein bejahender,
bekräftigender Satz, der – oft genug
laut oder innerlich wiederholt – Gedanken
und Überzeugungen verändert.
Fangen Sie jeden Satz mit «Ich» an,
wählen Sie immer positive, be jahende
Formulierungen und bilden Sie kurze,
eingängige Sätze in der Gegenwartsform
mit höchstens zehn Wörtern
(rhythmisch, ggf. auch lustig oder originell).
Beispiele: «Ich bin voller Selbstvertrauen!»
oder «Ich bin sehr gut
vorbereitet!» Entwickeln Sie dabei ein
inneres Lächeln – das entspannt gleichzeitig
die Gesichtszüge und verleiht
äußerlich eine positive Ausstrahlung.
Notieren Sie die Affirmationen auf
Haftzetteln, die zum Beispiel in Ihrem
persönlichen Bereich in Sichtweite
plat ziert werden. Je öfter Sie darauf
schauen, umso besser speichert Ihr
Unterbewusstsein die Botschaft ab.
Ein positives Umfeld ist
entscheidend für den Erfolg
Damit Sie sich körperlich und geistig
nicht überlasten, sollten Sie auf gesunde
Ernährung, genug Trinken (reines
Wasser), auf Pausen beim Lernen,
genug Schlaf (mindestens 7,2 Stunden;
Schlaf hat Priorität Nr. 1) und Bewegung
achten. Darüber hinaus ist es
sehr wichtig, dass Sie um sich herum
ein positives Umfeld aufbauen! Neben
Partnern und guten Freunden können
dazu Kommi litonen zählen, mit denen
Sie eine Lerngruppe bilden. Aber Achtung:
Überlegen Sie sich im Vorfeld
ganz genau, mit welchen Menschen Sie
sich umgeben. Meiden Sie die ständigen
Bedenkenträger! Wichtig sind Ressourcengeber,
die positive Energie geben
können, die in diesem Moment
gerade gebraucht wird. Ein «Du schaffst
das!» erzeugt Motivation und weitere
Leistungsbereitschaft.
Literaturverzeichnis:
Heimsoeth, Antje (2017): Mentale Stärke.
Was wir von Spitzensportlern lernen können.
C.H.Beck Verlag, Reihe Beck kompakt.
Dyrchs, Peter (2017): «Warum scheitern
so viele Jurastudenten bereits im ersten
Semester? http://professordyrchs.de/423-2/
(zuletzt aufgerufen am 5.2.2018).
Heimsoeth, Antje (2015): Sportmentaltraining.
Mit einem Vorwort von Oliver Kahn.
Verlag pietsch.
Heimsoeth, Antje (2015): Chefsache Kopf.
Mit mentaler und emotionaler Stärke zu mehr
Führungskompetenz. Springer Gabler.
34
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Tipps für ein LL.M.-Studium
Der Abschluss LL.M. wird auch Master of Laws genannt. Der LL.M. ist
neben einer Dissertation eine der Möglich keiten, nach dem Jura-
Studium eine Zusatzqualifikation zu erlangen. Einen LL.M.-Abschluss
kann man sowohl an deutschen Hochschulen als auch im Ausland
erwerben. Ein LL.M. ist eine hervorragende Möglichkeit, verschiedene
Dinge zu verbinden: Zum einen ist es eine Zusatzqualifikation,
die bei einer späteren Bewerbung hilft, sich von der Masse der
Bewerber abzu heben. Hier kann auch eine entsprechende Spezialisierung
im LL.M. helfen. Zum anderen ist es eine gute Gelegenheit,
ins Ausland zu gehen, inter nationale Kontakte zu knüpfen und die
eigenen Sprachkenntnisse zu ver bessern.
Der richtige Zeitpunkt
Grundsätzlich kann man ein LL.M.-
Studium sowohl nach dem ersten als
auch nach dem zweiten Staatsexamen
machen. Das ist eine Geschmacksfrage.
Allerdings kann es sein, dass
es einem schwerer fällt, nach einem
LL.M.- Studium wieder in den Referendariatsalltag
zurückzukehren und sich
wieder mit deutschem Recht auseinanderzusetzen.
Durch den LL.M. ergeben
sich oftmals Chancen für den Berufseinstieg
oder nützliche Kontakte.
Welches Land, welche
Univer sität?
Es ist üblich – aber natürlich nicht
zwingend notwendig –, den LL.M. im
englischsprachigen Ausland zu erwerben.
Allerdings sind die Studiengebühren
in den USA erheblich höher als z.B.
die im Vereinigten Königreich oder in Irland.
Auf der Seite www.llm- guide.com
kann man sich einen guten Überblick
über mögliche Universitäten verschaffen.
Regelmäßig erstellen auch renommierte
Zeitungen in den jewei ligen
Ländern Rankings über die Hochschulen
(z.B. für Großbritannien ist hier
das jährliche Ranking des Gu ardian
empfehlenswert). Es lohnt sich auch,
auf entsprechende LL.M.-Messen, wie
z.B. die von e- fellows, zu gehen. Hier
bekommt man einen guten ersten Eindruck
von verschiedenen Universitäten
und deren Angebot.
Die Möglichkeiten zur Spezialisierung
muss man sich genau anschauen:
In welche Richtung will man gehen
und ist die Universität in diesem Bereich
gut aufgestellt? In der Regel haben
größere Universitäten auch mehr
Möglichkeiten, z.B. Studienfahrten zu
organisieren oder Gastprofessoren einzuladen.
Darüber hinaus kommen möglicherweise
nicht alle Universitäten in
Frage auf Grund der eigenen Note im
Staatsexamen. Am besten recherchiert
man auf den Uni- Websites: Dort sind
die Voraussetzungen für eine LL.M.-
Bewerbung, sortiert nach den jeweiligen
Herkunftsländern der Bewerber,
aufgeführt. Oder man fragt konkret bei
der Universität nach, wie viele Punkte
mindestens benötigt werden.
Bei der Wahl der Universität spielen
neben den Studiengebühren na türlich
auch die Lebenshaltungskosten eine
Rolle.
Lohnt sich eine Spezialisierung?
Man kann einen allgemeinen LL.M.
oder einen spezialisierten LL.M. machen.
Beim allgemeinen LL.M. darf man
sich eine bestimmte Anzahl an Fächern
aus dem gesamten Kursprogramm aussuchen.
Dies lässt einem einerseits sehr
große Freiräume und man hat die Möglichkeit,
verschiedene Fachrichtungen
auszuprobieren. Andererseits kann es
gerade in der Prüfungsphase sehr stressig
werden, wenn man zu viele Themen
gleichzeitig lernen muss. Mit einer
Spezialisierung in einem Rechtsgebiet
hat man es da leichter. Viele Kanzleien
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 35
auf den Kar rieremessen geben zu verstehen,
dass ihnen das LL.M.-Studium
wichtig ist, weil es Sprachkenntnisse
und Flexi bilität, aber auch Anpassungsfähigkeit
und interkulturelle Kompetenz
beweist. Die Fach richtung des LL.M. ist
ihnen dabei nicht so wichtig.
Mit wieviel Aufwand muss man
rechnen?
Man darf nicht verkennen, dass ein
LL.M. in der Vorbereitung sehr aufwändig
ist. Das beginnt schon bei der Recherche,
um die geeignete Universität
zu finden. Die meisten Universitäten
verlangen mindestens zwei Empfehlungsschreiben
von Professoren. Diese
Professoren muss man finden und sie
bitten, ein Empfehlungsschreiben anzufertigen.
Hier sollte man genügend Zeit
einplanen (mehrere Monate). Darüber
hinaus muss man seine Zeugnisse übersetzen
lassen, z.B. in Übersetzungsbüros
oder in einem OLG (dort dauert
die Anfer tigung der Übersetzung zwar
länger, ist dafür aber auch billiger als
in einem Übersetzungsbüro). Außerdem
muss man für den LL.M. im Ausland
einen Sprachtest ablegen (TOEFL oder
IELTS je nach Land und Universität).
Auch hierfür sollte man genügend Zeit
einplanen und nicht vergessen, dass
der bestandene IELTS- Test nur zwei
Jahre gültig ist.
Über die Finanzierung sollte man
sich frühzeitig Gedanken machen. Vielleicht
hat man die Möglichkeit, eines
der seltenen Stipendien (siehe LL.M.-
Infokasten) zu bekommen, oder man
kann den LL.M. selbst bezahlen. Zu den
Studiengebühren kommt ein nicht unerheblicher
Betrag an Kosten für Flüge,
Miete, Essen, Lehrbücher und Freizeitaktivitäten
hinzu.
Vor Ort darf man nicht den Fehler
machen, nur in der Bibliothek zu sitzen.
Außer den Vorlesungen, die man sich
ausgesucht hat, sollte man unbedingt
auch Zusatzprogramme der Universität
wahrnehmen. Ein LL.M.- Studium lebt
vom Austausch mit an deren Studenten,
und zumindest die größeren Universitäten
werden dazu auf jeden Fall
einige Veranstaltungen organisieren.
Das LL.M.-Studium ist eine wunderbare
Erfahrung, die viele neue Eindrücke,
Freundschaften und berufliche
Chancen bringt.
Viel Erfolg dabei!
Susanne Loder
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36
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Informationsrecht:
Rechtsfragen der Digitalisierung
Mit dem berufsbegleitenden Master of Laws (LL.M.) Informationsrecht
auf dem neuesten Stand
❯❯
Von Heidi Scharvogel *
Heidi Scharvogel
Crowd Working und der Einsatz immer
leistungsfähigerer Roboter verändern
Arbeitsabläufe, neue Geschäftsmo delle
wie Sharing- Plattformen und virtuelle
Währungen entstehen, soziale Medien
und Smart Home-Anwendungen hinterlassen
deutliche Spuren in unserem
privaten Umfeld – die rasant voranschreitende
Digitalisierung treibt diesen
Wandel an. Mit ihm entstehen immer
neue Rechtsfragen. «Anwälte und Unternehmensjuristen
werden im Jura-
Stu dium darauf meist nicht ausreichend
vorbereitet», merkt Prof. Dr. Jürgen Taeger
an. Er leitet den Studiengang Master
of Laws (LL.M.) Informationsrecht
am Center für lebenslanges Lernen (C3L)
der Universität Oldenburg.
Dieser berufsbegleitende Studiengang
wendet sich an Juristinnen und Juristen
sowie Betriebswirte und Informatiker
mit juristischen Kenntnissen. Sie
lernen aktuelles, durch Gesetze, Rechtsprechung
und Wissenschaft geprägtes
Recht kennen, das sie benötigen, um
diese neuen, informationstechnisch bedingten
Rechtsfragen bearbeiten zu
können. «In Deutschland gibt es wohl
kein vergleichbares An gebot, das durch
Präsenzphasen und Selbstlernmethoden
in der wissenschaftlichen Tiefe und
praktischen Aus richtung so umfassend
auf dem Gebiet des Informationsrechts
ausbildet», sagt Taeger. «Wir legen zum
Beispiel Wert da rauf, dass durch Mustertexte
oder simulierte Verhandlungssituationen
Vor gehensweisen eingeübt
werden, wie sie in der Praxis häufig
vorkommen.»
Fragen aus Betrieben im
Studium geklärt
«Da alle Teilnehmenden über Berufserfahrung
verfügen, ist der Praxisbezug
im Studium garantiert. Die Studierenden
bringen zum Beispiel Fragestellungen
aus ihren Unternehmen oder
Anwaltskanzleien mit, die dann mit
wissenschaftlichen Methoden, etwa in
Projekten, bearbeitet werden», ergänzt
Tim Zentner, Bereichsleiter Studiengänge
am C3L.
Die Studieninhalte orientieren sich
an den Bedürfnissen von Rechtsanwaltskanzleien,
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften,
Unternehmen der Informations-
und Medienwirtschaft, der
Software-Entwicklung sowie von Service-
und Content- Providern. Dabei stehen
Themenschwerpunkte wie Datenschutzrecht,
Telekommunikationsrecht,
Internetrecht, Immaterialgüterrecht und
IT- Vertragsrecht im Vordergrund.
Flexible Studiengestaltung
Neben Beruf und Familie ein Studium
absolvieren, ist das zu schaffen, ohne
dass anderes auf der Strecke bleibt?
Und lohnt sich die Investition an Zeit
und Geld? «Ich weiß von Teilnehmenden,
dass ein berufsbegleitendes Studium
eine sehr disziplinierte Organisation
erfordert», sagt Zentner. «Eine
Studentin berichtet etwa, dass sie mit
ihrem Partner feste Zeiten vereinbart
hat, in denen sie vor Prüfungen lernt
und er für die Kinder zuständig ist.»
Der Studiengang kann allerdings sehr
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 37
flexibel an die eigenen Bedürfnisse angepasst
werden. Er ist webbasiert und
setzt sich aus Online-Selbststudium und
kurzen Präsenzphasen zusammen.
Außerdem ist er modular aufgebaut.
Teilnehmende können frei entscheiden,
wann sie welche Module belegen möchten.
«Viele Studierende schätzen es,
dass der Masterstudiengang Informationsrecht
so wenig verschult ist», so
Zentner. «So bieten wir auf der Homepage
des C3L einen Musterstudienplan
an, der vier Semester dauert, aber zugleich
auch Alternativen. Möchte jemand
statt der vorgeschlagenen zwei
Module pro Semester lieber nur eines
belegen, ist das kein Pro blem.»
Ein komplettes Studium ist zu viel,
aber eines oder mehrere Module, wie
etwa Internet- und Telekommunikationsrecht,
sind sehr interessant? Für
diesen Fall bietet das C3L ein Zertifikatsstudium
an. Interessierte belegen
entweder drei Module ihrer Wahl und
schließen mit dem Diploma of Advanced
Studies (DAS) ab oder sie absolvieren
ein einzelnes Modul und erhalten
dafür ein Certificate of Advanced Studies
(CAS).
übernehmen muss. In solchen begründeten
Fällen suchen wir gemeinsam
nach einer Lösung. Das kann etwa
sein, dass die kurze Projektarbeit in
Absprache mit dem Prüfer zwei Wochen
später abgegeben wird oder die
abschließende Präsentation nicht vor
Ort, sondern per Videoübertragung erfolgt»,
berichtet Zentner.
«Oder eine Teilnehmerin bekommt
das Angebot, eine Zweigstelle im Ausland
aufzubauen. In so einem Fall kann
das Studium eine Zeit lang ruhen und
später fortgesetzt werden. Die Teilnehmerin
kann auch aus dem Ausland
weiter studieren, da nur wenige Präsenzphasen
pro Jahr vorge sehen sind.
Regelmäßig nehmen auch Studierende
aus dem europäischen Ausland am
Studiengang teil.»
Großer Mehrwert durch Netzwerk
Auf die Präsenzphasen verzichten wollen
die Oldenburger auf keinen Fall.
«Dabei entsteht ein Netzwerk zwischen
Lehrenden und Teilnehmenden sowie
zwischen den Studierenden untereinander.
Absolventen erzählen immer
wieder, dass dies neben der Karriere-
förderung ein ganz großer Mehrwert
des Studiums ist. Da entstehen Freundschaften
und berufliche Kontakte, die
weit über die Studiendauer anhalten.
Das kann kein reines Fernstudium
bieten», ist Zentner überzeugt.
Auch entstehen aus Projektausarbeitungen
häufig Publikationen in angesehenen
Fachzeitschriften.
Den Nutzen der Weiterbildung für
die Karriere belegen Absolventenbefragungen.
So gaben 35 Prozent der
Teilnehmenden vor dem Studium an,
als qualifizierte Mitarbeiter tätig zu
sein. Nach dem Studium waren dies
nur noch 17 Prozent, während die Zahl
derer, die in mittleren und gehobenen
Leitungspositionen arbeiteten, signifikant
stieg. «Teilnehmer erzählen immer
wieder, dass ihre Arbeitgeber ihnen
schon nach kurzer Studiendauer
verantwortungsvollere Aufgaben anbieten,
weil sie gemerkt haben, dass
die jeweiligen Arbeitnehmer höher
qualifiziert sind und Sachverhalte besser
durchdringen.» Für Anwälte ist
das erworbene Wissen wesentlich,
um Mandanten qualifiziert beraten zu
können.
Persönliche Beratung bietet
individuelle Lösungen
Treten während des Studiums Probleme
auf, sind die Studienberater jederzeit
ansprechbar. «Es passiert immer
wieder, dass jemand zum Beispiel
eine Hausarbeit nicht rechtzeitig abgeben
kann, weil sein Kollege krank
geworden ist und er dessen Arbeit
Bewerbungen sind für das Sommersemester bis 1. März, für das Wintersemester
bis 1. September möglich.
Studienaufbau: Online-Selbststudium kombiniert mit wenigen Präsenz phasen
pro Jahr (meist Freitagnachmittag und Samstag)
Studiendauer: 4 Semester – kann per sönlichen Wünschen angepasst werden;
es ist auch möglich, einzelne Module zu belegen (Zertifikatsstudium)
Weitere Informationen unter: www.informationsrecht.uni-oldenburg.de
* Heidi Scharvogel fand nach ihrem Studien abschluss in Biologie, dass es zu viel Spannendes gibt, um sich nur einem Fach zu widmen und wechselte deshalb in
den Journalismus. Sie lebt und arbeitet als freie Redakteurin in Oldenburg.
Autorinnenfoto: privat, Foto (S. 38): www.istockphoto.com Nr. 908264470 © tolgart
38
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
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Ausgewählte LL.M.-Studiengänge siehe Seite 370
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 39
LL.M., M.C.L., M.C.J.? –
Hauptsache, in den USA
studieren!
❯❯
Von Prof. Dr. Andreas Kark *
So oder ähnlich kann die Motivation
um schrieben werden, die mich bereits
vor dem ersten juristischen Staatsexamen
dazu antrieb, mir zu überlegen,
wie ich es schaffen könnte, in
den USA zu studieren. Der Vorzug, bei
späteren Bewerbungen ein Auslandsstudium
im Lebenslauf vorweisen zu
können, spielte eine Rolle, aber gewiss
keine übergeordnete. Meine Englischkenntnisse
ver bessern zu wollen, vor
allem auch in Bezug auf die juristische
Fachterminologie, auch dies spielte
eine Rolle, war aber bestenfalls ein
«nice to have».
Warum in die USA?
Tatsächlich ging es mir im Kern darum,
dieses Land, das ich bis dato durch den
einen oder anderen Urlaub auf naturgemäß
nur sehr oberflächliche Weise
kennengelernt hatte, näher zu erforschen.
In einer Prä Internet- Zeit, die
heute eigentlich kaum vorstellbar ist,
die es aber tatsächlich vor gar nicht
allzu langer Zeit einmal gab, erschienen
mir damals die USA, trotz des Vietnamkrieges,
trotz Pershing Raketen und trotz
vieler anderer, vielleicht nicht ganz perfekter
Dinge, als ein Land mit einer fast
magnetischen Anziehungskraft.
Dieses so unglaublich vielfältige
Land, über das ich schon so viel gelesen
hatte, dieser wohl geradezu unzerstörbare
Optimismus, den dieses
Land und seine Menschen ausstrahlten
und der vor wenigen Jahren in
dem Wahlkampfslogan «Yes, we can!»
zusammengefasst wurde, erschienen
mir unglaublich attraktiv.
Überwindbare Hürden
Allerdings gab es zwei kleinere Hürden
zu überwinden: einen Studienplatz
an einer vernünftigen Universität
zu erhalten und diesen zu finanzieren.
Beides zu erledigen kann mit einem
Schlag gelingen, wenn man das zweite
Hindernis als erstes in Angriff nimmt.
All dies erfordert ein gewisses Organisationstalent,
denn Finanzquellen
wollen langfristig erschlossen werden.
Anders formuliert: Möchte man ein
Stipendium, sollte man sich frühzeitig
darum bewerben. Hat man dies erfolgreich
erledigt, sorgen die Stipendiengeber
dafür, dass man auch an einer
vernünftigen Universität einen Studienplatz
erhält.
Die Finanzierung eines einjährigen
Studienjahres in den USA ist in der Tat
heute wichtiger denn je, da in den letz
40
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
ten Jahren die Studiengebühren explosionsartig
gestiegen sind. Dazu kommen
die Ausgaben für die Lebenshaltung,
einschließlich der Mietkosten. Nicht zu
vergessen sind dabei die horrenden
Preise für Lehrbücher und das Auto,
welches man in aller Regel benötigt, da
in vielen Städten der «public transport»
diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient.
Der Weg in die Uni, sofern man
off- campus wohnt, der Wocheneinkauf
im fernen Supermarkt und der dringende
Wunsch, etwas anderes als Bücher
und Hörsäle zu sehen, lassen den
Erwerb eines Fahrzeugs sehr schnell
alternativlos erscheinen.
Das zwingend erforderliche Mindest-Toefl-Testergebnis
ist schlussendlich
nur eine Fleißaufgabe. Dieser sollte
man sich jedoch mit ähnlicher Akribie
widmen wie der Beantwortung der
Frage, wer als Gutachter für Stipendienanträge
in Frage kommen könnte.
Spätes tens nach dem Ergebnis des
ersten «Probe-Toefl-Tests» merkt man,
dass auch hier der Teufel im Detail
steckt.
Die ersten Tage in den USA
Die ersten zwei Wochen an der University
of Miami in Coral Gables waren
gefüllt mit einer Unzahl von Eindrücken,
die von dem Schreck über ein
aquariumsartiges Wohnheimzimmer
reichten, das komplett in einem frischen
Himmelblau gestrichen war, und aus
dem ich nicht nur deshalb nach einer
Woche in eine off-campus-WG flüchtete,
bis hin zu einer außerordentlich
großen Hilfsbereitschaft und
Freundlichkeit sowohl der Universitätsmitarbeiter
als auch
der Kommilitonen.
In der Tat erleichtert
ein Stipendium sehr vieles,
da zum Beispiel das
Verfahren der Einschreibung
deutlich
vereinfacht war. Bei
dieser Gelegenheit
wurde übrigens
auch gleich mein
Vorurteil ausgeräumt, dass es in den
USA deutlich bürokratiefreier zugehe
als in Deutschland.
Auch merkten wir relativ schnell,
dass wir Masterstudenten, und abgesehen
von einem himmelblauen Zimmer
war dies nicht der einzige Unterschied
zu einem Masterstudium in
Deutschland, aus Sicht der amerikanischen
Kommilitonen und Universitätsmitarbeiter
wirklich nichts Besonderes
waren. Die Vorlesungen und Seminare,
die wir besuchten, waren daher auch
die des JD- Programms, also des normalen
amerikanischen Jurastudiums,
das nach dem Bar Exam die Zulassung
zur Anwaltschaft ermöglicht.
All die vielen Vorteile
Und in diesen Lehrveranstaltungen
zeigte sich ein weiterer eklatanter Unterschied
zu den deutschen Studiengängen:
kleinere Studentengruppen sowie
Professoren, die nicht nur ex cathe dra
über ihr Thema referieren, sondern mit
den Studenten in einen – sehr häufig
ziemlich anstrengenden – Gedankenaustausch
eintreten, den man gesichtswahrend
eigentlich nur übersteht,
wenn man die sogenannten
«reading assignments»
vor der Vorlesung
bewältigt
hat.
Dies vermittelt nicht nur vertiefte
Kenntnisse von einer völlig fremden
Rechtsordnung, sondern erledigt eines
der oben genannten Nebenziele, nämlich
die Verbesserung der eng lischen
Sprachkenntnisse, in Windes eile.
Ein weiterer, bis dahin von mir in
Deutschland noch nicht so wahrgenommener
Vorteil waren die Bibliothekare.
Es gab nichts, was sie für mein
Forschungsprojekt im Rahmen meiner
Dissertation an Literatur nicht organisieren
konnten. Dabei half, dass sie
sich nicht nur im Bibliothekswesen,
sondern auch in der Jurisprudenz gut
auskannten.
Ein weiterer Unterschied war die
Internationalität der Zusammensetzung
der Studenten aus vier Kontinenten.
Da wir alle durch ein entsprechendes
Auswahlverfahren gekommen waren,
hatte ich den Eindruck, dass alle Kommilitonen
mit großem Ernst, aber auch
zu gegebener Zeit mit großem Spaß bei
der Sache waren.
Und diesen Spaß hatten wir in der
Tat. Auch
wenn das Studium in Bezug auf den
erforderlichen Arbeitseinsatz hohe Anforderungen
an das eigene Durchhaltevermögen
stellte, schaffte die
verbleibende Zeit einen fantastischen
Ausgleich. Gemeinsam mit Kommilitonen
aus einer Vielzahl von Ländern
an manchen Wochenenden und in der
vorlesungsfreien Zeit unterwegs zu
sein, war eine Erfahrung, an die ich
gern zurückdenke und aus der Freundschaften
entstanden, die bis heute gehalten
haben.
Welche Eindrücke sind
geblieben?
Die fachlichen Aspekte des «Master
of Laws»-Studiums in den USA waren
außerordentlich interessant, zumal in
einer Vielzahl von Themen, wie zum
Beispiel im Gesellschafts- oder Wettbewerbsrecht,
amerikanisches Gedankengut
Einzug in europäische bzw. deutsche
Regelungen gefunden hat.
Für mindestens ebenso wichtig halte
ich jedoch – damals wie heute – die
Aspekte der persönlichen Bereicherung
eines solchen Aufenthaltes. Nicht
nur bewegt man sich in einer angeblich
doch ähnlichen, de facto jedoch in
einer sehr anderen Kultur. Ist man bereit,
sich selbst zu hinterfragen, bietet
es die Gelegenheit, viel über sich selbst
lernen zu können. So ist mir bis heute
in Erinnerung geblieben, wie ansteckend
die Freundlichkeit, oder besser,
die Herzlichkeit und Hilfsbe reitschaft
von Menschen war, welche sicherlich
ein Leben führten, das deutlich härter
war als das eines stipendiatsfinanzierten
LL.M. Studenten.
Rückblickend war es auch interessant
zu erfahren, wie es ist, Ausländer
zu sein, in einem Land zu leben, in
dem man keinen Heimvorteil genießt
und in dem man nur ein beschränktes
Bleiberecht erhalten hat. Dies alles
führte bei dem Verfasser dieses Artikels
zu einer deutlich differenzierteren
Sicht auf das eigene Leben.
Und was hat es beruflich
gebracht?
Der homo oeconomicus unter den Lesern
mag sich dies seit den letzten 1000 Worten
fragen. Die Antwort auf diese einfache
Frage ist durchaus vielfältig.
Nach dem zweiten Staatsexamen
hatte ich mich gegen die klassische juristische
Karriereschiene entschieden
und wurde Mitglied eines Traineeprogramms
eines deutschen Großkonzerns.
Hier gereichte mir ganz gewiss die erhebliche
Auslandserfahrung über das
Studium zunächst in der Schweiz und
sodann in den USA in dieser international
ausgerichteten Geschäftswelt zum
Vorteil. Der oben erwähnte Sprachvorteil
kam voll zum Tragen, ebenso wie
das Verständnis für andere Länder und
andere Sitten und vor allem die damit
verbundene Art zu kommunizieren sowie
das Verständnis für unterschiedliche
Problemlösungsstrategien.
Fachlich profitierte ich mehr und
mehr, als zunehmend amerikanisches
Regelwerk im Tagesgeschäft zu berücksichtigen
war. Damit meine ich nicht
nur die Vorgaben der U.S. GAAP, sondern
auch und vor allem die Regelungen
des Sarbanes Oxley Act (SOX) und Themen
des Foreign Corrupt Practices Act.
Denn ich war zwar im Finanzbereich
des Konzerns tätig, zunächst in London,
dann in Tokio, erhielt jedoch dort zusätzlich
die Verantwortung für die operative
Umsetzung der SOX-Anforderungen
in den Gesellschaften, in welchen
ich als Chief Financial Officer tätig war.
Nach meinem Konzernleben baute
ich, mittlerweile wieder als Rechtsanwalt
zugelassen, eine Compliance Beratung
auf. Auch hier erwies sich die US-Ausbildung
als sehr hilfreich. Kenntnisse
des amerikanischen Rechts systems sind
einfach sehr nützlich bei der Erstellung
entsprechender Rechtsgutachten oder
bei der Beratung von Mandanten, die
international tätig sind. Darüber hinaus
versuche ich als Hochschulprofessor,
dieses Wissen weiterzugeben.
Daher wird es nicht verwundern,
wenn ich die oben gestellte Frage mit:
«unglaublich viel» beantworte. Ebenso
eindeutig würde ich die Frage positiv
beantworten, ob ich diesen Schritt noch
einmal machen würde. Der Grund hierfür
liegt in der Mischung aus der Auslandserfahrung
und dem Masterstudium
in einer fremden Rechtsordnung.
Die Verbindung der persönlichen Erfahrungen
eines längeren Auslandsaufenthaltes
gekoppelt mit einem völlig
anderen Stil der Zusammenarbeit
zwischen Professoren und Studenten
und damit einer sehr anderen Unterrichtskultur
lassen ein solches Studium
für mich bis heute als eine wichtige
Bereicherung erscheinen.
Abschließende Empfehlung
Yes, you can! So just do it!
Prof. Dr. Andreas Kark
* Der Autor ist Professor für Wirtschaftsrecht an
der Hochschule Heilbronn und berät als Rechtsanwalt
Unternehmen beim Aufbau von Compliance-
Managementsystemen. Dies beinhaltet sowohl die
konzeptionelle Vorbereitung als auch die Schulung
von Vorständen, Führungskräften und Mitarbeitern
(www.compliance- consultancy.de). Zuvor war er
nach einem Studium der Rechtswissenschaften
u. a. als kaufmännischer Geschäftsführer verschiedener
ausländischer Tochtergesellschaften und
als Leiter eines Compliance- Bereichs in einem Dax-
30-Konzern tätig. Die Schweiz, die USA, Hongkong,
Belgien, England und Japan waren Stationen auf
seinem beruflichen Weg. Im Verlag C.H.Beck ist
von ihm die Monographie «Compliance- Risikomanagement»
erschienen.
Autorenfoto: privat
Foto (S. 41): de.fotolia.com/# Nr. 66895049 © beatrice prève
42
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Insurance-Anwalt
Ein Erfahrungsbericht aus dem Arbeitsalltag bei
Norton Rose Fulbright, München
❯❯
Von Dr. Daniel Peppersack, LL.M. *
Mein Interesse für das Versicherungsrecht
habe ich
schon frühzeitig während
des Studiums entdeckt und
durch die Gestaltung meiner Stationen
im Referendariat weiter vertieft. Nach
mehrjähriger Tätigkeit bei einem großen
Düsseldorfer D&O-Spezialmakler stellte
sich für mich die Frage, wohin sich meine
berufliche Ausrichtung in Zukunft entwickeln
sollte. Schon länger spielte ich
mit dem Gedanken, in den Anwaltsberuf
zu wechseln. Um nicht die Zeit für den
Einstieg in den Anwalts beruf zu «verpassen»,
habe ich mich dann auch relativ
schnell für den Wechsel zu Norton Rose
Fulbright entschieden. Dies nicht zuletzt
wegen des tollen Arbeits klimas im Büro.
Es bietet auf jeden Fall einen interessanten
Perspektivwechsel, wenn man
von der Makler ebene in die «Anwaltsschiene»
hinein gelangt. Auf Maklerebene
stand man im «Lager» der Versicherungsnehmer,
nunmehr nehme ich die Interessen
und Wünsche von Mandanten wahr,
die im Corporate Insurance- Bereich insbesondere
Versicherer oder auch Banken
sind. Jedem, der sich mit dem Einstieg
in den Anwalts beruf anfreunden könnte,
kann ich nur empfehlen, diese Chance
zu nutzen und auch frühzeitig wahrzunehmen.
Zu lange sollte mit dem Einstieg
jedoch nicht gewartet werden, da es bedeutend
einfacher ist, nach mehrjähriger
Anwaltstätigkeit in ein Wirtschaftsunternehmen
zu wechseln als andersherum.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 43
Die Kanzlei
Norton Rose Fulbright gehört weltweit
zu den Top Ten der internationalen
Wirt schaftskanzleien mit einer
starken strategischen Ausrichtung und
Dynamik. Das stetige Wachstum von
verschie denen Standorten oder Fusionen
mit externen Kanzleien führen mit
dazu, dass die Entwicklung von einem
unternehmerischen Denken geprägt ist.
Norton Rose Fulbright verfügt über
ein zielgerichtetes und strukturiertes
Fortbildungssystem, die sogenannten
International Academies, die für die
unterschiedlichen Stufen der Associates
weltweit standardisiert sind und im
Londoner Hauptbüro stattfinden. Im
Rahmen solcher Academies wird neben
der Vermittlung von Fachkenntnissen
auch die Entwicklung von Soft Skills
gefördert. Mit steigender Erfahrung auf
Associate-Ebene (Junior/Middle/Senior)
wird auch die Weiterbildung immer
spezieller und angepasster (Business
Development Training), gerade im Hinblick
auf die früh zeitige Vorbereitung
einer etwaigen Partnerschaft, welche
von Partnern an den jeweiligen Standorten
durchgeführt wird. In regelmäßigen
Meetings werden Associates so
an die eigenständige Mandatsgenerierung
herangeführt, bearbeiten Business
Development-Aufgaben und müssen
ihren eigenen Business Case entwickeln
und präsentieren.
Das Mentoring der jüngeren Anwältinnen
/Anwälte erfolgt durch einen
erfahrenen Partner während des gesamten
Karrierewegs vom Junior bis
hin zum Senior Associate. Zudem steht
den Junior Associates ein schon berufserfahrener
Senior Associate als Ansprechpartner
in der Kanzlei zur Verfügung.
So wird sichergestellt, dass eine
umfassende Betreuung in der Ausbildung
zum Tragen kommt.
Die Arbeit im Alltag
Wer bei Norton Rose Fulbright im
Bereich Corporate Insurance tätig ist,
findet eine interessante Mischung aus
den Bereichen Gesellschafts- und Versicherungsrecht.
Hier ist man beratend
insbesondere auf Seiten der Versicherer
tätig, vor allem in Bereichen des
Versicherungsaufsichtsrechts oder im
Bereich M & A, speziell auf Versichererbegleitung
ausgerichtet. Im Aufsichtsrecht
liegt ein Schwerpunkt auf der
Bestandsübertragung von alten (Rück-)
Versicherungsbeständen (im run-off).
Es kann beispielsweise vorkommen,
dass ein Versicherer einen alten Bestand
in der Lebensversicherung gerne
auf einen neuen (Rück-)Versicherer
über tragen will. Zum Schutz der Belange
der Versicherten ist ein solches
Vorhaben eng durch die Aufsichtsbehörde
im Versicherungsbereich, die
BaFin, reglementiert. Aber auch Fragen
zu Neuregelungen im Versicherungsvertragsrecht
stehen durch die
Umsetzung der IDD-Richtlinie und Vorgaben
von Solvency II auf der Tagesordnung.
Gerade durch den anstehenden
Brexit ergeben sich für die in UK
ansässigen Versicherer oder Broker eine
Vielzahl von ungelösten und schwierigen
Fragen, die deren Geschäftsbetrieb
und die Niederlassungen betreffen. Daneben
kann ich als Associate im Bereich
Litigation auch an einer Vielzahl
von spannenden (gerichtlichen) Fällen
mitwirken. Hier gibt es auch einen passenden
Schwerpunkt im Versicherungsrecht,
wo viele Sachverhalte sowohl
mit dem interessanten Bereich der
Managerhaftung («D&O-Versicherung»)
als auch «W&I – Versicherung» (Gewährleistungsversicherung
bei Unterneh
Bei Norton Rose Fulbright besteht standortabhängig
auch ein Angebot an Yogakursen.
44
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
menskaufverträgen) in Zusammenhang
stehen. Bei letzterer gibt es Auseinandersetzungen
meist im Rahmen der
Schiedsgerichtsbarkeit.
Schon als Berufseinsteiger gibt es
früh die Möglichkeit, Projekte vom
Start bis zum Abschluss zu begleiten.
Durch diese vollständige Begleitung
eines ganzen Projektes kann viel Erfahrung
gesammelt werden – sofern
die Möglichkeit sich anbietet, steht
einem auch die Teilnahme an Terminen
mit den Mandanten offen. Norton
Rose Fulbright bietet so Berufseinsteigern
frühen Man dantenkontakt und
die Möglichkeit, sich erfolgreich einzubringen,
eigene Ideen umzusetzen und
die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
Ein frühzeitiger Mandantenkontakt
ist sehr hilfreich und wichtig
für die weitere Entwicklung, im Gegensatz
zu einer bloßen «back office»-
Tätigkeit, ohne jeglichen Bezug nach
«außen».
Die «Work-Life-Balance»
Jeder, der in einer größeren Kanzlei
arbeitet, hat von vornherein das Bewusstsein
und die Erwartung, dass es
nicht immer geregelte Arbeitszeiten
gibt und auch kein typischer Arbeitsalltag
mit einem Nine-to-five-Job besteht.
Das ist natürlich auch nicht
weiter schlimm, so gibt es eine faire
Arbeitszeitregelung, die sich an dem
aktuell bestehenden Arbeitsbedarf orientiert.
In arbeitsreichen Phasen wird
eine entsprechende Präsenz erwartet,
dafür ist es in ruhigeren Phasen auch
selbstverständlich, das Büro früher zu
verlassen. Feste Präsenzzeiten, auch in
ruhigeren Phasen, sind der Kanzlei
fremd. Die Wochenenden sind grundsätzlich
immer arbeitsfrei. In wenigen
Ausnahmefällen – z.B. bei eiligen Projekten
– kann es allerdings vorkommen,
dass auch mal am Wochenende
gearbeitet wird. Erleichternd besteht
bei Bedarf und in individuellen Fällen
sogar die Möglichkeit, von zuhause aus
zu arbeiten. Das ist je nach Situation
sehr praktisch und technisch überhaupt
kein Problem. Es besteht nach
Absprache auch die Möglichkeit, eine
längere unbezahlte Auszeit («leave») zu
nehmen. Dadurch lassen sich persönliche
Belange gut verfolgen.
Wer sich zwischendurch sportlich
betätigen möchte, kann das in der
Kanzlei auch tun. Hier besteht standortabhängig
ein Angebot an Inhouse
Rückentraining und Yogakursen; darüber
hinaus bietet die Kanzlei vergünstigte
Konditionen bei einem Fitness-Studio
an.
Es wird von der Kanzlei sichergestellt,
dass alle Anwältinnen /Anwälte
ihren Jahresurlaub im aktuellen Kalenderjahr
auch tatsächlich vollständig
nehmen können. Nur in Ausnahme
situationen kann es vorkommen, dass
ein kleiner Teil des Resturlaubes mit
ins neue Jahr genommen wird.
Norton Rose Fulbright verfolgt eine
Open-Door-Policy. Das unter Kollegen
übliche «Du» auf allen Ebenen unterstreicht
unsere Arbeitsatmosphäre auf
Augenhöhe. Hier wird viel Wert auf
Teamgeist und internen Austausch gelegt.
Regelmäßig geht man im Team
miteinander zum Lunch. Das soziale Miteinander
wird durch wiederkehrende
Veranstaltungen, gemeinsame Freizeitaktivitäten
oder auch unsere monatlichen
«After Work Drinks» gepflegt.
Regelmäßig gibt es auch wöchent liche
interne Trainings in dem passenden
Fachbereich, wo man sich «Grundwissen»
aneignet und dieses später auch
vertieft. Beim 14-tägig stattfindenden
sogenannten «Lunch&Learn» werden
aktuelle Themen aus der Praxis und
unterschiedlichen Praxisgruppen von
erfahrenen Kollegen präsentiert.
Resümee
Der Arbeitsalltag in der Kanzlei gestaltet
sich sehr vielseitig. Es kommt
durch individuelle und verschiedene
Projekte nie zu einem «standardisierten
Ablauf». Durch die internationale Ausprägung
kann man auch öfter mit Anwältinnen/Anwälten
anderer deutscher
oder ausländischer Büros bei diversen
Projekten zusammenarbeiten.
Dr. Daniel Peppersack
* Dr. Daniel Peppersack, LL.M., ist Rechtsanwalt im Bereich Corporate Insurance in München und Mitglied
der Practice Area «Corporate Insurance / Litigation». Er berät regelmäßig Versicherer und Rückversicherer in
regulatorischen und gesellschaftsrechtlichen Fragen sowie im Versicherungsvertragsrecht. Im Versicherungsvertragsrecht
hat er besondere Erfahrung in Financial Lines und D&O-Deckung. Sein Fokus liegt auf der
Finanz- und Versicherungsbranche. Daneben liegt ein Teil seines Tätigkeitsfeldes in der Begleitung versicherungsrechtlicher
Streitigkeiten.
An der Universität Münster hat er Jura studiert und dort auch sein Referendariat mit dem Schwerpunkt
Versicherungsrecht bei renommierten Kanzleien absolviert. Er hat zudem einen LL.M. von der Universität
Münster im Versicherungsrecht erhalten, welchen er parallel zum Referendariat durchführte. Die Promotion
hat er an der Universität Bielefeld zu einem D&O-versicherungsrechtlichen Spezialthema abgeschlossen.
Autorenfoto: privat
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www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 45
Work-Life-Balance
bei McDermott Will & Emery
❯❯
Von Volker Teigelkötter *
Volker Teigelkötter
In der Ankündigung ihres Werkes über
eine vermeintliche «Elite ohne Ambition»
unter dem reißerischen Titel «Ihr
kriegt den Arsch nicht hoch» lässt die
Autorin Evi Hartmann ihren Verlag
bemängeln, dass jede Menge intelligente
und gut ausgebildete junge Menschen
Status und Geld, aber weder
Anstrengung noch zu viel Verantwortung
im Job wollen. Diese Pseudo-Elite
sei selbstzufrieden, gierig und überschätze
sich maßlos selbst. Es breite
sich eine Kultur der Leistungsverweigerung
aus, gut getarnt als «Work- Life-
Balance». Dem möchte die Autorin offenbar
entgegenwirken und zu einem
«verschärften Leben» aufrufen. **
Das ist einerseits starker Tobak als
Mittel der Verkaufsförderung. Andererseits
dürfte die Autorin mit hoher
Wahrscheinlichkeit leider gerade unter
altgedienten Partnern in deutschen
und internationalen Sozietäten auf eine
gewisse Zustimmung zu ihren Thesen
stoßen. Allen Personalmarketingstrategien
und -kampagnen zum Trotz fremdelt
die konservative Anwaltsbranche
auch im Jahre 2018 jedenfalls teilweise
noch mit Kandidaten, die sich bereits
im ersten Vorstellungsgespräch frank
und frei nach den üblichen Arbeitszeiten,
freien Wochenenden und mobilem
Arbeiten erkundigen. Nichtsdestotrotz
wird der zumeist in den 90 er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts
sozia lisierte Partner ein solches Denken
im Interesse der Zukunfts- und
Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Sozietät
sehr schnell ablegen müssen.
Dabei mag das Verständnis helfen,
dass die «Work-Life-Balance» letztlich
nur Mittel zur Verwirklichung eines
durch und durch kapitalistischen Prinzips
und mitnichten eine Tarnung für
Arbeitsscheu und Leistungsverweigerung
ist. Die Abgrenzung produktiver
von unproduktiver Arbeit hat bereits
Karl Marx vorgenommen. Von dauerhaftem
Interesse für den Arbeitgeber
ist allein die produktive Arbeit. Insoweit
unterscheiden sich Rechtsanwaltssozietäten
nicht von Unternehmen
anderer Branchen. Indem durch
die «Work-Life-Balance» der perfekte
Einklang zwischen Arbeits- und Privatleben
angestrebt wird, wird zugleich
die Grundlage für höchst produktives
Arbeiten geschaffen. Das Private kann
gleichsam außerhalb der Bürotür bleiben,
weil es zur Zufriedenheit des Mitarbeiters
organisiert ist. Kaum etwas
ist giftiger für produktives Arbeiten als
die unzureichende Organisation des
Privatlebens.
Flexible Arbeitsorte, flexible
Arbeitszeiten
In dieser Überzeugung versuchen wir
bei McDermott bereits seit dem Eintritt
in den deutschen Anwaltsmarkt
in 2002 dem Bedarf sowohl unserer
Rechtsanwälte als auch unserer nicht
* Volker Teigelkötter, Düsseldorf, ist Partner der Rechtsanwaltssozietät McDermott Will & Emery und gehörte 2002 zu den Gründungspartnern der Kanzlei in
Deutschland. Neben seiner arbeitsrechtlichen Praxisgruppe kümmert sich Volker Teigelkötter u.a. um strategische Personalthemen der Sozietät.
** Hartmann, Ihr kriegt den Arsch nicht hoch – Über eine Elite ohne Ambition, Campus Verlag 2018.
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46
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Die Abgrenzung produktiver von unproduktiver Arbeit hat bereits Karl Marx vorgenommen.
anwaltlichen Mitarbeiter an der Flexibilisierung
von Arbeitsort und Arbeitszeit
gerecht zu werden.
Die tageweise Möglichkeit des mobilen
Arbeitens im Home-Office ist eine
Selbstverständlichkeit und technisch
abgesichert. Nicht zuletzt als Reaktion
auf die miserable Verkehrssituation
in Nord rhein-Westfalen haben wir
zudem in 2017 die Möglichkeit für unsere
in Köln wohnenden Kolleginnen
und Kollegen geschaffen, wohnortnah
in un serem Kölner Hub zu arbeiten.
Eine Ausweitung dieses Konzepts auf
andere Uni versitätsstädte ist grundsätzlich
denk bar. Die Zeit im Verkehrsstau
ist so wohl aus beruflicher als
auch aus privater Sicht vollkommen
unproduktiv.
Gleichermaßen selbstverständlich
sind die unterschiedlichsten Gestaltungen
der Teilzeit, die insbesondere von
Kolleginnen nach der Rückkehr aus der
Elternzeit, aber beispielsweise auch von
jungen Rechtsanwälten zum Anfertigen
einer Dissertation genutzt werden. Auf
den gesetzlichen Anspruch zur Rückkehr
in die Vollzeit muss bei McDermott
im Übrigen niemand warten.
Modell der alternativen
Vollzeitbeschäftigung
Abgerundet wird das flexible Arbeitszeitangebot
bei McDermott durch das
Mitte 2017 eingeführte Modell der alternativen
Vollzeitbeschäftigung mit fest
vereinbarten Arbeitszeiten ohne Mehrarbeit.
Allein in Düsseldorf arbeiten
bereits fünf neu eingestellte Rechtsanwälte
in diesem noch nicht einmal ein
Jahr alten Modell. Der Beitrag, den dieses
Modell zur «Work-Life-Balance» leistet,
ist die klare Berechenbarkeit für den
Mitarbeiter, welche wiederum (s.o.) zu
hoch produktiver Arbeit im von Vornherein
festgelegten Zeitraum führt.
Entgegen allen Unkenrufen und literarischen
Versuchen der Verunglimpfung:
Der Einklang zwischen Berufs- und
Privatleben ist in einer internationalen
Großkanzlei nicht nur möglich, sondern
im Interesse produktiven Arbeitens ausdrücklich
gewünscht. Darauf, ob der
einzelne dabei sein Gleichgewicht im
klassischen 24 / 7-Anwalts leben findet,
weil ihm dafür bereits die Gelegenheit
zum mobilen Arbeiten genügt oder
weil die individuelle Balance eine zeitlich
klar definierte und stets einzuhaltende
Grenze voraussetzt, kommt es
nicht an.
«Umparken beginnt im Kopf», lautete
ein preisgekrönter Werbeslogan
zur Aufbesserung des etwas angestaubten
Images einer Automarke. Das
Umdenken auf der Führungsebene deutscher
Anwaltssozietäten muss eben
dort statt finden und sehr schnell abgeschlossen
werden. Der Kandidat, der
im Bewerbungsgespräch die Frage nach
dem perfekten Einklang von Berufsund
Privatleben stellt, denkt unternehmerisch
und erfüllt damit bereits eine
wichtige Voraussetzung für eine zukünftige
Anwaltspersönlichkeit.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 47
Arbeitsrecht in der
Großkanzlei –
alles, was das Anwaltsherz
begehrt
❯❯
Von Dr. Jens Günther *
Man kennt das ja: Die Juristerei gilt
häufig als langweilig und trocken. Und
wenn wir ehrlich sind, ist da durchaus
manchmal etwas dran. Wer Abwechslung,
Herausforderungen, Kontakt
zu un terschiedlichsten Menschen
und ständige Horizonterweiterung
sucht, für den gibt es eine Alternative:
Arbeitsrechtsanwalt in der Großkanzlei!
Konferenzräume, Fabrikhallen
und Gerichtssäle
Die Tätigkeit als Arbeitsrechtler ist
vielfältig. Unterschiedlichste Aufgaben
und Szenarien warten. Dabei kann
Ver handlungsgeschick nicht schaden.
Bei organisatorischen Veränderungen
in Betrieben sind oftmals Interessenausgleich
und Sozialplan mit einem
Betriebsrat zu verhandeln. In einem
Interessenausgleich einigen sich Arbeitgeber
und Betriebsrat auf die Durchführung
einer konkreten Maßnahme
(z.B. eine Standortverlagerung). Mit einem
Sozialplan werden etwaige Nachteile
für die Arbeitnehmer ausgeglichen,
z.B. durch die Zahlung von Umzugskosten.
Der Arbeitsrechtsanwalt (gemeint
ist damit selbstverständlich auch immer
die Arbeitsrechtsanwältin) braucht
dazu nicht nur Rechtskenntnisse, sondern
auch einiges an taktischem Geschick.
Und geht es in den Verhandlungen
einmal hoch her, gilt es, die
Nerven zu bewahren und den Mandanten
zu beruhigen. Verhandlungen
sind so etwas wie das «täglich Brot»
des Arbeitsrechtsanwaltes. So setzt er
die Interessen seines Mandanten auch
beim Abschluss von Anstellungsverträgen
oder – sollten sich die Wege
wieder trennen – von Aufhebungsverträgen
durch. In Großkanzleien geht
es dabei oftmals um Anstellungsverträge
von Vorständen und Geschäftsführern.
Sowohl die im Streit stehenden
Summen als auch die öffentliche
Aufmerksamkeit sind dabei häufig nicht
gering.
Doch den Arbeitsrechtler sieht man
nicht nur in Konferenzräumen und am
Schreibtisch, sondern auch in Gerichtssälen.
Dort gilt es, in der Robe den Fall
für den Mandanten zu gewinnen. Dieses
Kerngeschäft des Anwaltslebens
lässt sich in der Großkanzlei wohl vor
allem im Arbeitsrecht erleben. Der be-
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
sondere Reiz liegt dabei im unmittelbaren
Feedback. Der Anwalt merkt sofort,
ob seine Schriftsätze das Gericht
überzeugt haben. Verlässt der Mandant
das Gerichtsgebäude mit einem
Lächeln, ist dies eine schöne Bestätigung.
In der Großkanzlei sind die Fälle
in der Regel besonders interessant.
Unternehmen wenden sich an größere
Kanzleien, wenn entweder viel auf
dem Spiel steht (Reputation, hohes finanzielles
Risiko) oder die Sache rechtlich
besonders knifflig ist. Da kann der
Anwalt durchaus ein bisschen Rechtsgeschichte
schreiben, wenn die bislang
ungelösten juristischen Fragen «seiner»
Fälle vor dem Bundesarbeitsgericht beantwortet
werden.
Die Tätigkeit in der Großkanzlei ist
zudem durch die Zusammenarbeit mit
Kollegen aus anderen Rechtsge bieten
gekennzeichnet. Besteht beispielsweise
der Verdacht, dass aus Unternehmen
heraus Rechtsverstöße be gangen wurden,
werden in Compliance-Untersuchungen
auch Arbeitsrechtler gebraucht.
Hier stellen sich viele Fragen: Darf
der Arbeitgeber den beruflichen
E-Mail-Account des Mitarbeiters
ohne dessen Wissen
durchsuchen?
Hat der Mitarbeiter an Befragungen
teilzunehmen? Ist der Betriebsrat einzubinden?
usw. Und wird einem möglichen
Mitwisser die Sank tionsfreiheit
(z.B. Verzicht auf Kündigung) versprochen,
falls er sich an der Aufklärung
beteiligt, hat der Arbeitsrechtler die
Vereinbarung hierüber (Amnestie)
«wasserdicht» zu machen. Auch beim
Erwerb und Verkauf von Unternehmen
(Mergers & Acquisitions) geht es
nicht ohne den Arbeitsrechtsanwalt.
Bevor ein Unternehmen ein anderes
Unternehmen kauft, checkt es dieses
auf Risiken. Aus arbeitsrechtlicher Sicht
können hier z.B. versteckte finanzielle
Verantwortlichkeiten in der betrieblichen
Alters versorgung liegen. Bei
solchen Transaktionen ist Team arbeit
angesagt. Ab stimmungen mit den Kollegen
aus dem Gesellschaftsrecht, Steuerrecht
und weiteren Rechtsgebieten
schaffen Mehrwert für den Mandanten
und erweitern auch den eigenen Horizont.
Flugzeug, Zug
und Taxi
Wer nicht jeden Tag an
seinem Schreibtisch
verbringen möchte,
ist im Arbeitsrecht
richtig auf gehoben.
Der Arbeitsrechtsanwalt
ist un terwegs: zu
Mandanten, Gerichten,
Verhandlun gen an «neutralen» Orten
wie Flug häfen und zu Konferenzen.
Dies macht den Arbeitsalltag abwechslungsreich.
Verhandlungen mit Betriebsräten
bei Restrukturierungen finden
regelmäßig in den Unternehmen statt.
Um die Auswirkungen von Management-Entscheidungen
auf einzelne Arbeitsplätze
beurteilen zu können, muss
der Arbeitsrechtsanwalt verstehen,
welche Auf gaben an den einzelnen Arbeitsplätzen
erledigt werden. Hierfür
lässt er sich den Arbeitsprozess am
besten durch einen Werksleiter in der
Fabrikhalle erklären. Gerichtsverfahren
gilt es bundesweit zu gewinnen.
Unterstützt der Arbeitsrechtler seinen
Kollegen aus dem Bereich Mergers &
Acquisitions bei Vertragsverhandlungen,
finden diese auch schon einmal in
den USA oder anderswo statt.
National und International
Mandanten in der Großkanzlei sind
zum einen die großen nationalen Unternehmen.
Doch der Arbeitsrechtler
arbeitet auch international. So haben
internationale Konzerne oftmals auch
Unternehmen in Deutschland. Diese
werden im Arbeitsrecht konzernintern
in der Regel von der Konzernzentrale
begleitet. Für den Arbeitsrechtler bedeutet
dies, dass er z.B. die Einführung
eines neuen Entgeltsystems mit dem
Head of Global HR aus der Konzernzentrale
in Los Angeles abklärt. Will
Demnächst Platztausch? Der Kollege Roboter könnte zum Vorgesetzten befördert werden.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 49
die Konzernmutter mit Sitz in Deutschland
etwa weltweit ein einheitliches
Bonusprogramm ausrollen, arbeitet
der Arbeitsrechtsanwalt aus Deutschland
mit Kollegen aus den Büros der
Kanzlei im Ausland oder mit Kanzleien
im ausländischen Netzwerk zusammen.
Bei der Koordination solcher
internationalen Projekte sind wahre
Managementfähigkeiten gefragt. Zudem
erfährt man einiges über andere Jurisdiktionen
und deren Besonderheiten.
Auf dem Laufenden bleiben
im digitalen Wandel
In kaum einem Rechtsgebiet ist so
viel Bewegung wie im Arbeitsrecht.
Die arbeitsrechtliche Gesetzgebung ist
stark interessengesteuert. Jede Regierung
versucht, eigene Akzente zu setzen.
Und selbst wenn Gesetze bestehen
bleiben, ändert sich oftmals die Auslegung
durch die Gerichte. Einöde sieht
anders aus. Dies gilt erst recht in Zeiten
der Digitalisierung. Das Arbeitsleben
wandelt sich – «Arbeit 4.0» ist
das Stich wort. Der digitale Wandel der
Wirt schaft bringt neben revolutionären
technischen Möglichkeiten auch
Veränderungen in der Arbeitswelt mit
sich. Diese stellen Mitarbeiter, Arbeitgeber,
aber auch deren rechtliche Berater
vor spannende Herausforderungen.
Neue Berufsbilder und Formen
der Zusammenarbeit wie Crowdwork
entstehen. Unternehmen schreiben auf
web-basierten Plattformen einzelne
Arbeitsaufgaben oder Aufträge aus und
bedienen sich auftragsbezogen kurz
fristig der Arbeitskraft einzelner. Dabei
sind viele Fragen zu beantworten: Sind
die Crowdworker selbständig? Haben
sie im Einzelfall Arbeitnehmerrechte?
Wem gehören Arbeitsergebnisse? In
einer Smart Factory sind Maschinen,
Bauteile und Menschen über das Internet
vernetzt. Dies sorgt für einen Paradigmenwechsel:
Arbeitnehmer müssen
nicht mehr unbedingt vor Ort anwesend
sein, um unmittelbar in den Produktionsprozess
einzugreifen. Die Produktion
kann grundsätzlich von jedem
Ort der Welt mit ausreichendem Internetzugang
gesteuert werden. Arbeit
wird so mobiler. Dies bedeutet gleichzeitig,
dass Arbeitszeit und Erreichbarkeit
neu zu regeln sind.
Künstliche Intelligenz
Roboter sind längst mehr als reine
Hilfsmittel. Intelligente Systeme übernehmen
immer mehr Aufgaben, die
bisher Menschen vorbehalten waren.
Wenn Roboter ihre Käfige verlassen
und Hand in Hand mit den Menschen
arbeiten, gewinnen die Vorgaben des
Arbeitsschutzrechts besondere Bedeutung.
Beim Einsatz von Software, ohne
die intelligente Roboter nicht arbeiten
können, hat ein Betriebsrat mitzubestimmen.
Hier gilt es für den Arbeitsrechtler,
gemeinsam mit den Mandanten
Lösungen zu entwickeln, um
zum einen eine flexible Produktion zu
sichern und gleichzeitig die betrieblichen
Mitbestimmungsrechte zu wahren.
Der «Kollege Roboter» kann zum
Vorgesetzten befördert werden. Maschinen
und Computerprogramme treffen
Arbeitgeberentscheidungen. Sie üben
das sog. Direktionsrecht aus, wenn sie
Beschäftigten Arbeitsanweisungen erteilen.
Hier wird – etwa durch Programmierungen
– sicherzustellen sein,
dass auch der «virtuelle Vorgesetzte»
sich in den Grenzen des Arbeitsrechts
bewegt. Es bleibt insbesondere auch
für anwaltliche Berater spannend: Für
diese gilt es, nicht nur bei der rechtlichen,
sondern auch bei der technischen
Entwicklung «am Ball zu bleiben».
Aber genau dies ist schließlich
einer der Reize der anwaltlichen Tätigkeit.
Dr. Jens Günther
* Dr. Jens Günther ist Partner und Rechtsanwalt
im Arbeitsrecht bei Gleiss Lutz in München.
Autorenfoto: privat
Illustration (S. 49): de.fotolia.com/# Nr. 129714519
© aleutie
50
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
RÜ+RÜ2
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Bewerbungstipps
für die Auslandsstation
Für Referendare besteht bekanntlich die Möglichkeit,
einen Teil der Ausbildung während der Verwaltungs-,
Anwalts- oder Wahlstation im Ausland
zu verbringen. Für die Zeit zwischen Bewerbung
und geplanter Auslandsstation sollte mindestens ein halbes
Jahr eingeplant werden, besser sind zwölf Monate. Die
Chancen, bei einer Kanzlei im Ausland als Referendar genommen
zu werden, hängen von den jeweiligen Zeugnissen,
besonderen Qualifikationen und den nachgewiesenen guten
Sprach kenntnissen ab, manchmal aber auch schlicht von
einem interessanten Anschreiben und häufig einem persönlichen
Kontakt (der vielleicht wiederum einen Kontakt
vermittelt etc.).
Die Station im Ausland muss durch eine Verfügung der
eigenen deutschen Ausbildungsbehörde an geordnet werden.
Interesse an der Bearbeitung von Rechtsfragen mit internationalem
Bezug wird ebenso voraus gesetzt wie die Fähigkeit,
sich an die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ausland anzupassen.
Schließlich ist auch ein gutes Stück (Selbst-)Organisation
bei der Suche nach einer Wohnmöglichkeit sowie
das Sicherstellen der finanziellen Rahmen bedingungen (Miete,
Reise- und Lebenshaltungskosten etc.) erforderlich.
Illustration: de.fotolia.com/# Nr. 78893008 © elenabsl
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Juristenvereinigung
Ein guter Ansprechpartner für die
Frage, bei welcher ausländischen
Kanzlei oder Einrichtung man unterkommen
möchte, kann eine deutschausländische
Juristenvereinigung sein.
Eine Internetrecherche mit dem Suchbegriff
«Juristenvereinigung» lohnt sich.
Sie sollten dann anfragen, ob die jeweilige
Ver einigung Kanzleien benennen
kann, die deutsche Referendare aufnehmen.
Besonders informativ sind
hierbei unter anderem die Deutsch-
Amerikanische, die Deutsch-Britische,
die Deutsch- Französische, die Deutsch-
Brasilianische und die Deutsch-Südafrikanische
Juristenvereinigung. Es
gibt aber noch viele weitere. Viele von
ihnen haben ein eigenes Verzeichnis
mit Rechtsanwälten für Referendare.
Fragen Sie nach, ob man Ihnen bei der
Suche nach einer Stationskanzlei weiterhelfen
kann.
Auswärtiges Amt
Außerdem können Sie über die Homepage
des Auswärtigen Amtes zu den
jeweiligen Botschaften und Konsulaten
im Ausland gelangen. Diese wiederum
veröffentlichen häufig Listen von
Rechts anwälten, die Referendare aufnehmen.
Auch lohnt es sich, bei der
eigenen Stammdienststelle oder dem
Ausbildungspersonalrat nachzufragen,
ob entsprechende Listen geführt werden.
Internationale Kanzleien
Die meisten internationalen Großkanzleien,
am einfachsten diejenigen, die
auch in Deutschland einen Standort
haben, können zu ihren Büros in anderen
Städten weltweit ebenfalls Kontakte
herstellen. Eine Nachfrage bei
den deutschen Standorten lohnt sich
in vielen Fällen. Einige der Kanzleien
nehmen allerdings nur zu bestimmten
festen Zeiten Referendare auf. Fragen
Sie also gezielt nach, ob dies der Fall
ist, und geben Sie die Zeitspanne an, in
der Sie dort arbeiten wollen.
Tipps
1.
2.
3.
4.
5.
Informieren Sie sich frühzeitig
(am besten sechs Monate bis
ein Jahr vor Ihrer Auslandsstation)
über die Homepage der
Kanzlei oder des Unternehmens.
Lesen Sie nach, was dort über
die jeweiligen Tätigkeitsfelder
und Einsatz gebiete steht. Meist
haben die Homepages eine englische
und/oder sogar deutsche
Sprachversion.
Gehen Sie auf den Unterpunkt
Career oder Recruitment. Dort
erhalten Sie meist einen Überblick
über die jeweiligen Bewerbungsmodalitäten.
Suchen Sie dort auch die
E-Mail- Adresse des zuständigen
Ansprech partners heraus.
Achtung: Dieser kann im Laufe
der Zeit wechseln!
Rufen Sie zunächst nicht an,
sondern schreiben Sie eine
kurze E-Mail (Landessprache)
mit folgendem Inhalt:
a) kurze Vorstellung der
eigenen Person
b) Interesse an der Kanzlei
(konkreter Bezug)
c) Ihr Wunsch, dort für die
Zeit vom (…) bis (…) zu
arbeiten
d) Frage hinsichtlich der Verfügbarkeit
eines Referendarplatzes.
Sobald Ihre E-Mail beantwortet ist,
können Sie alle weiteren Punkte,
zum Beispiel benötigte Zeugnisse
und Unter lagen, besprechen. Wenn
keine Antwort kommt, kann es auch
sein, dass Ihre E-Mail versehentlich
im Spamordner gelandet ist. Fragen
Sie daher noch einmal per E-Mail
nach, ob Ihre Nachricht angekommen
ist. Falls keine Reaktion kommt,
sollten Sie dort anrufen oder sich
schriftlich vorstellen. Es kann durchaus
sein, dass E-Mails nicht abgerufen
wurden.
Eine Vergütung wird in den seltensten
Fällen bezahlt, da Sie schließlich
zu Ausbildungszwecken dort sind.
Allerdings wurde schon des Öfteren
die Hin- und Rückreise bezahlt. Am
besten man klärt diese Punkte frühzeitig
ab.
Ihre Aufgabe ist es nun, auch die
weiteren Modalitäten wie Unterkunft,
Entfernung zur Kanzlei, Gültigkeit
des Reisepasses, Impfungen,
Visum, EC- oder Kreditkarten, Preise
für Wohnen und Essen, Gesetze und
Regeln im Ausland, Aufenthaltsund
Einfuhrbedingungen, Gepäckbeschränkung
bei Flügen, Auslandskrankenversicherung,
beglaubigte
Übersetzung der Zeugnisse und Befreiung
von Arbeitsgemeinschaften
zu klären.
Alle weiteren Informationen über
die nachfolgenden Kanzleien können
Sie auf den jeweiligen Homepages
erhalten.
Noch etwas in eigener Sache:
Berufen Sie sich bei Ihrer Bewerbung auf diesen Referendarführer, damit die Kanzleien
wissen, woher Sie den Kontakt haben!
Ich wünsche Ihnen bei der Bewerbung viel Erfolg!
Dr. Klaus Winkler
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 53
REFERENDARSTATIONEN
IM IN- UND AUSLAND
rsw.beck.de mit der JuS zum Job
www.karriere.de/stellenmarkt
www.karriere-jura.de
www.kimeta.de
www.monster.de
www.daad.de
www.auswaertiges-amt.de
Haben Sie selbst eine spannende
Wahlsta tion erlebt und möchten darüber
einen Beitrag schreiben?
Oder möchten Sie Ihre Wahlstation
in unserem juristischen Lektorat verbringen?
Dann melden Sie sich doch einfach unter:
referendarfuehrer@beck.de
Going East
Erfahrungsbericht
eines Referendars bei
King & Wood Mallesons
Von Lukas Kirchhof *
schaftlichen Aufstieg beschleunigt, der das Land von einem
seit Jahrtausenden verschlossenen Kaiserreich hinter seiner
symbolhaften großen Mauer über eine Stellung als «Werkbank
der Welt» zunehmend zu einem Herausforderer im
Hightech-Bereich wandelte, der nun auch seinen Blick auf
den Dienstleistungssektor wirft.
Ganz in diesem Sinne fusionierten 2012 King & Wood mit
Mallesons Stephens Jaques zu King & Wood Mallesons
(KWM). In Deutschland stehen hinter all den hochtrabenden
englischen Namen der Kanzleien aber deutsche Anwälte, die
im deutschen Recht praktizieren. Wo liegt also der Unterschied
zwischen einer asiatisch-pazifischen Kanzlei und einer
anglo-amerikanischen?
Zum Thema «internationale Großkanzlei» fallen den meisten
Jurastudenten und Referendaren vermutlich zuerst
die englischen Namen der großen Kanzleien aus den USA
und dem Vereinigten Königreich ein. Die Wachstumsregionen
dieser Welt liegen aber mittlerweile hauptsächlich im Osten.
Der große Reformbedarf der dortigen Rechtssysteme, der
exponentiell zunehmende Handel mit Asien und die Investitionsströme
in diese aufstrebenden Märkte, aber auch die
zunehmende Globalisierung asiatischer Unternehmen ziehen
Juristen an wie das Licht die Motten. Auch mich als jungen
Juristen hat es nach Osten verschlagen: Nach einem LL.M. in
Hongkong war ich als Referendar bei King & Wood Mallesons
in Hongkong und Frankfurt.
King & Wood Mallesons ist zwar auch ein englischer Name,
die Geschichte dahinter ist aber eine asiatisch-pazifische.
Während King & Wood, auf Mandarin 金 杜 , ein Kunstname
ist, der die fünf Elemente des Fengshui widerspiegelt, gab es
einen Mr. Mallesons wirklich. Alfred Brooks Mallesons, ein
britischer Anwalt, startete 1856 als 25-Jähriger von England
nach Australien und hinterließ als einer der führenden
Anwälte des südlichen Kontinents seinen Namen der Kanzlei
Mallesons Stephens Jaques, eine der «Big Six» Australiens.
King & Wood PRC Lawyers hingegen firmierte als solche seit
1993 als eine der ersten Kanzleien Chinas zu einer Zeit, in der
es in dem Riesenreich kaum Anwälte gab und Guanxi 关 系 –
persönliche Kontakte – noch ein verlässliches Rechtssystem
mehr schlecht als recht ersetzte. Seitdem hat sich viel geändert.
Chinas Öffnung hat einen unvergleichlichen wirt
Chengdu und Perth statt Houston
und Boston
In den großen Finanzzentren der Welt findet man sie alle. Sei
es London, New York und Frankfurt am Main oder Sydney,
Singapur und Shanghai. Geht man aber davon weiter in Richtung
regionaler Umschlagplätze, fällt die Verwurzelung in
einem Heimatmarkt auf. In Houston oder Boston haben
hauptsächlich US-Kanzleien eine Dependance, genauso wie
in Chengdu, Jinan oder Chongqing chinesische Kanzleien
dominieren.
Mit den Standorten abseits der großen Zentren nehmen die
Anzahl der weniger globalen Mandanten und damit auch
die kulturellen Eigenheiten zu. Während für den US-Mandanten
eher der optimierte Prozess mit schnellem Resultat
im Vordergrund steht, ist es chinesischen Unternehmern
häufig wichtig, förmliche vertrauensbildende Maßnahmen
inklusive Baijiu – einem furchtbaren Reisschnaps – zu durchlaufen.
Und so landet auch der deutsche Anwalt mit Stäbchen
in der einen Hand und Tee in der anderen am runden
Tisch in China.
Die Referendare bei KWM in Deutschland fliegen leider seltener
mit nach Asien. Die kulturelle Erfahrung hat man trotzdem:
Sei es durch die Zusammenarbeit mit den chinesischen
Juristen im Frankfurter Büro oder im Treffen oder Telefonat
mit asiatischen Mandanten und australischen Kollegen. Auch
bringen die deutschen Ausbilder ihre Erfahrung aus dem
westpazifischen Raum mit ein. Zum Beispiel durch mitgebrachte
Teespezialitäten oder Team-Lunchs in chinesischen
Restaurants. Und mit etwas Glück (oder Fleiß) bietet sich eine
Chance auf eine aufregende Wahlstation fern der Heimat.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 55
Panda-Bonds statt
Yankee-Bonds?
Civil Law statt Common Law
Neben den kulturellen Unterschieden gibt es auch rechtliche.
Zusätzlich zum Beherrschen des deutschen Rechts
wird in internationalen Wirtschaftskanzleien meist auch ein
Grundverständnis des anglosächsischen Rechtskreises erwartet.
Der internationale Wirtschaftsverkehr wird weltweit
zu einem erheblichen Teil auf Grundlage der Prinzipien dieser
Rechtstradition abgewickelt.
Daran führt auch in einer pazifischen Kanzlei kein Weg vorbei.
Mit einem Standbein in Australien ist auch KWM im
Common Law zuhause. Das chinesische Recht gehört aber in
den Civil Law-Rechtskreis und basiert unter anderem auf deutschem
Recht. Natürlich wird man sich als deutscher Jurist in
der Regel keinen tiefgreifenden Fragen im chinesischen
Recht stellen müssen. Dennoch gibt es immer wieder Schnittstellen,
an denen man sich doch einarbeiten muss.
Lukas Kirchhof
studierte Rechtswissenschaften und Europarecht
an der Julius-Maximilians-Universität
Würzburg und der University of Bristol.
Anschließend erlangte er einen LL.M.
in International Economic Law an der Chinese University of
Hong Kong. Seit März 2017 ist er Referendar im OLG-Bezirk
Frankfurt a. M. und in der Nebentätigkeit wissenschaftlicher Mitarbeiter
im Corporate Department bei KWM Europe. Zuvor verbrachte
er bereits weitere drei Monate im KWM-Netzwerk in
Frankfurt a. M. und fünf Monate in Hongkong.
So stellt sich beispielsweise für einen deutschen Investor bei
einem Projekt in China die Frage, welche rechtlichen Unterschiede
er erwarten muss. Auch wenn sich der chinesische
Markt langsam weiter für ausländische Investoren öffnet,
gibt es immer noch viele Restriktionen, die es schon in einer
frühen Planungsphase zu beachten gilt. Zum Beispiel gibt es
in China eine spezielle Rechtsform für ausländische Investoren
– das WFOE (Wholly Foreign Owned Enterprise). Aus
diesem darf man aber in aller Regel vor dem Ende einer
festgelegten Laufzeit seine Investition nicht wieder abziehen.
Deshalb könnte man dem Mandanten nahelegen, ein Offshore-Vehikel
zwischenzuschalten – eine Gesellschaft außerhalb
Chinas, die alle Anteile am WFOE hält und samt dieser
frühzeitig verkauft werden könnte.
Panda-Bonds statt Yankee-Bonds
Aber auch jenseits des Gesellschaftsrechts gibt es eine
Reihe von Unterschieden im Wirtschaftsalltag. Ein Großteil
der Arbeit ist natürlich ähnlich und von globalen Trends
bestimmt, doch der Teufel steckt im Detail der Spezialisierung.
Der Finance-Experte einer US-Kanzlei wird zum Beispiel
Erfahrung mit den rechtlichen Tücken der Ausgabe von
Yankee-Bonds – in US-Dollar ausgegebene Bonds ausländischer
Investoren – haben. Der Kollege mit einer östlichen
Ausrichtung ist dagegen eher auf Panda-Bonds spezialisiert
– das Gegenstück in chinesischen RMB. Bei Letzteren
liegt die Herausforderung oft weniger in den Verhandlungen
mit den Banken als in den vielfältigen Kontrollen der Behörden.
Während der US-Dollar weltweit eine Ankerwährung
ist, unterliegt der Kapitalverkehr in China strengen Devisenkontrollen.
Zwar betreibt Peking die Internationalisierung
des RMB, schreckt aber vor einer zu schnellen Öffnung unter
anderem aus Angst vor einer starken Aufwertung des RMB
56
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
noch zurück. Wer den Behördendschungel lieber meidet,
kann sich in der Region alternativ auf die australischen Kangaroo-Bonds
konzentrieren.
Harmonie statt Streit
In Vorträgen zu ostasiatischem Recht hört man an Universitäten
oft vom Harmoniestreben der Ostasiaten, die –
basierend auf Konfuzianismus und Buddhismus – offenen
Streit als Gesichtsverlust sehen. Das ist sicherlich grundsätzlich
nicht falsch und gerade bei lokalen Unternehmen auch
oft der Fall. Bei den global agierenden Konzernen sieht das
jedoch ganz anders aus. Hier sind Schiedsgerichtsklauseln in
internationalen Verträgen nahezu Marktstandard in Ostasien,
während zumindest kontinentaleuropäische Unternehmen
vor solchen tendenziell eher zurückschrecken.
Die Ursachen dafür mögen vielfältig sein, in der Praxis bedeutet
das aber, dass man auch als deutscher Anwalt – oder
eben Referendar – die Wirksamkeit solcher Klauseln regelmäßig
prüfen muss. Auch gilt es den Mandanten darin zu
beraten, ob solche Klauseln für ihn akzeptabel sind, welches
Forum in Frage kommt und ob sich Schiedssprüche oder
auch Urteile in den jeweiligen Rechtsordnungen durchsetzen
lassen.
Belt and Road statt America First
Schließlich ist mit spektakulären Übernahmen europäischer
Hightech-Unternehmen durch chinesische Investoren
noch eine politische Komponente hinzugekommen.
Während europäische Staaten und Bürger sich vor dem Ausverkauf
von Schlüsselindustrie und strategisch wichtigen Betrieben
fürchten, sorgen sich chinesische Geschäftsleute um
ihren Marktzugang, um Möglichkeiten der Diversifizierung
und vor antichinesischer Rhetorik. Berechtigte Argumente
lassen sich wohl für beide Seiten finden und eine Bewertung
möchte ich mir nicht anmaßen. Im Arbeitsalltag spielt aber
seit der letzten Reform der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)
die Investitionskontrolle eine spürbar größere Rolle – schon
allein, um besorgte chinesische Mandanten zu beruhigen.
Protektionismus beschäftigt die Geschäftswelt auf der ganzen
Welt – insbesondere unter den Stichworten «America
First» und «Brexit». Betroffen sind nicht nur Anwälte anglosächsischer
Kanzleien, sondern, wie die Reform der AWV beweist,
gerade auch Anwälte mit einem asiatischen Fokus. In
Asien gibt es aber noch ein weiteres großes Thema: «Belt and
Road» – das größte Infrastrukturprojekt der Welt in Form
einer Initiative Pekings, die Märkte Asiens untereinander und
mit Europa zu verbinden. Hierzu stellt China bisher Mittel
von über 110 Mrd. USD bereit. Während die Volksrepublik es
als Entwicklungsprojekt anpreist, wird es im Westen teils
als geostrategisches Manöver gesehen, Südost- und Zentralasien
in Chinas Einflusssphäre zu binden.
Eine Entwicklung dieser Märkte ist jedenfalls auch im Interesse
Deutschlands, das sich offiziell an der Initiative beteiligt,
und genauso eine Chance für deutsche Unternehmen. Berater,
die auch die Hintergründe aus Asien verstehen, sind für
diese Unternehmen besonders wertvoll.
Fazit
Ich persönlich würde jederzeit wieder den Weg in Richtung
Osten einschlagen: in eine Region, die sich rasant ändert,
Abenteuer genauso wie glitzernde Metropolen bietet, in der
ständig neues Recht geschrieben wird und noch viele neue
Wege unbegangen sind. Auch wenn die Arbeit letztlich der
Arbeit in einer anderen Großkanzlei durchaus ähneln mag
und bei weitem nicht alle Mandanten aus dem Osten kommen,
liefern die feinen Unterschiede gelegentlich kleinere
Kulturschocks und Herausforderungen außerhalb der gängigen
juristischen Arbeit.
Kangaroo-Bonds statt
Behördendschungel?
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Wahlstation bei adidas –
Only the best for the athlete
❯❯
Von Tim Lisner *
Tim Lisner
Wahlstation im Unternehmen
Die Wahlstation sticht aus den übrigen
Stationen der Referendarausbildung
hervor. Sie ist die einzige Station, die
weitestgehend frei bestimmt werden
und den Bereich der klassischen Referendarstationen
(Gericht, Behörde,
Anwalt) verlassen kann. So ist es zum
Beispiel möglich, das Tätigkeitsfeld eines
Unternehmensjuristen ** kennenzulernen.
Die dafür geeigneten Unternehmen
mit eigener Rechtsabteilung
sind zahlreich. Wie schon bei der Anwaltsstation
stehen die Referendare
also vor der «Qual der Wahl».
Wie immer können dabei die bevorzugten
Rechtsgebiete ausschlaggebend
sein. Vorlieben für spezielle Rechtsgebiete
können den Weg in ebenso spezialisierte
Unternehmen ebnen. Weiter
können Größe und Internationalität
des Unternehmens eine Rolle spielen,
ebenso wie Erfahrungsberichte von
Bekannten und die eigene Präsentation
der Unternehmen als potentielle Arbeitgeber.
Folgende Fragestellungen können
den Referendaren bei der Auswahl
eines Unternehmens aber zusätzlich
durch den Kopf gehen:
❯❯
Gibt es vielleicht ein Unternehmen,
mit dem ich mich auch sonst identifizieren
kann?
❯❯
Gibt es ein Unternehmen, zu dessen
Branche ich Berührungspunkte habe,
vielleicht durch meine Freizeit und
sonstigen Interessen?
❯❯
Vielleicht gibt es sogar ein in Frage
kommendes Unternehmen gerade in
der Branche, für die ich eine besondere
Leidenschaft hege?
❯❯
Vielleicht noch ein Unternehmen, bei
dessen Produkten und Dienstleistungen
ich ohne lange zu überlegen auf
«Gefällt mir» klicken kann?
Bei mir führten eine besondere Leidenschaft
für Sport, der Wunsch, in einem
internationalen Umfeld zu arbeiten, ein
kurzer Blick in meinen Kleiderschrank,
auf meine Schuhe sowie in und auf
meine Sporttasche zu einer Bewerbung
bei adidas. Eine Entscheidung, die ich
so jederzeit wieder treffen würde.
Welcome to the adidas-Campus –
Anzugträger sucht man vergebens
Für Praktikanten und Trainees aus der
ganzen Welt – zu denen mangels passender
Übersetzungsmöglichkeit auch
Referendare gezählt werden – erfolgt
am ersten Tag eine Einführungsveranstaltung
zur Vorstellung des Unternehmens
und der Angebote für die Neuen
in den kommenden Monaten.
In Herzogenaurach betritt man ein
beeindruckendes Gelände, den Campus.
Die Bezeichnung als Campus ist
dank seiner vielen Grünflächen und
eines extra angelegten Teichs mehr als
treffend. Das Sportangebot ist überragend.
Nicht nur der – auch in der
übrigen Jurawelt geschätzte – Kickertisch
hat hier seinen Platz. Hinzu kommen
Tischtennisplatten, Fußball-, Basketball-,
Volleyball- und Tennisfelder,
ein Kletterturm sowie diverse Workoutbereiche.
Für ambitionierte Fahrradfahrer
stehen ausreichend Stellplätze,
Dusch- und Umkleidemöglichkeiten
sowie Schließfächer zur Verfügung. Ein
echtes Prunkstück ist das Adi-Dassler
Stadion, in dem abends nicht nur Hobbyfußball
der Mitarbeiter stattfindet,
sondern auch Turniere zu bestaunen
sind, beispielsweise mit den U19-Mannschaften
von Real Madrid und Manchester
United.
Den Campus prägen die sympathischen,
sportlich-schick und natürlich
unternehmensbewusst gekleideten Mit
58
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
* Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Frankreich
studierte der Autor ab 2010 Rechtswissenschaften
in Göttingen und Versailles. Dabei hatte
er einen medienrechtlichen Schwerpunkt und war
studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl von
Prof. Dr. Gerald Spindler im Gesellschafts- und
Medienrecht. Seit November 2015 absolviert er
sein Rechtsreferendariat im Oberlandesgerichtsbezirk
Hamm. Für seine dreimonatige Wahlstation
ging es nach Herzogenaurach – in ein internationales
Team der Abteilung Global Brand & Sports
Marketing | Legal & Business Affairs bei adidas.
** Gemeint sind selbstverständlich auch immer
Unternehmensjuristinnen/Referendarinnen, etc.
Der besseren Lesbarkeit halber beschränke ich
mich auf die Verwendung des Maskulinums.
Autorenfoto: privat, Foto (S. 59): adidas
arbeiter aus über 80 Nationen der
Welt. Anzugträger sucht man vergebens.
Nette Cafés und Kantinen, deren
ausgewogene Angebote sich nahtlos in
den eigenen Trainingsplan einfügen
lassen, laden zum entspannten gegenseitigen
Kennenlernen ein. Jura- Small-
Talk wie: «Herr Rechtsreferendar im
Hause, wie lief eigentlich Ihr erstes
Examen? Planen Sie eine Promotion
oder einen LL.M.?» findet nicht statt,
auch nicht beim Zusammentreffen
deut scher Juristen. Häufiger hört man
hingegen: «Hast du am Wochenende
Bundesliga geschaut? Warst du heute
schon im Gym? Are you up for an
after-work match at the Adi-Dassler-
Stadion?»
Bei der Einführungsveranstaltung
und auch in den kommenden Monaten
wurde deutlich: Bei adidas liebt
man den Sport und will diesen nachhaltig
fördern. Darüber hinaus ist man sich
seiner sozialen und gesellschaftlichen
Verantwortung bewusst. «Through sport,
we have the power to change lives», ist
schließlich nicht ohne Grund die Unternehmensricht
linie. Bei allen Mitarbeitern
und Prak tikanten war eine Begeisterung
für Sport deutlich zu spüren.
Tätigkeitsfelder – How is it
according to German law?
Das Arbeitsumfeld bei adidas ist international,
selbst in den Rechtsabteilungen
in Herzogenaurach. Juristen aus
ver schiedensten Ländern und Rechtsordnungen
arbeiten hier im ständigen
Austausch miteinander. Mein Haupttätigkeitsfeld
lag in der Vertragsgestaltung
mit Athleten sowie sonstigen
Wer beträgern und Agenturen. Dabei
waren Telefonate nach Paris, Amsterdam
und in sonstige Sportmetropolen
keine Seltenheit.
Vertragsanpassungen
an besondere
Gegebenheiten
auf ver-
schiedenen Sprachen erfordern juristisches
und sprachliches Verständnis
sowie eine enge Zusammenarbeit mit
den ausländischen Kollegen. Häufig
erhielt ich auch gesonderte Fragestellungen
mit dem Zusatz: «How is it
according to German Law?» Die Begutachtung
und Beantwortung einer
Frage zum deutschen Zivilrecht auf
Englisch birgt besondere Herausforderungen
und ist ja auch in anderen
juristischen Berufen keine Seltenheit.
Für die bestmögliche Ausstattung
der Athleten investiert adidas viel in
seine Produkte und Designs. Allein der
Blick in ein Schaufenster oder einen
Onlinekatalog zeigt, dass adidas über
viel geistiges Eigentum verfügt. Dessen
Schutz am internationalen Markt ist
da her ein zentrales Anliegen. Mögliche
Vertragsverletzungen und auch deliktische
Sachverhalte bedürfen einer
schnellen juristischen Bewertung und
entsprechenden Reaktion durch die
eigenen Rechtsabteilungen. Für mich
als Referendar bedeutete dies eine
ganz vertraute Vorgehensweise – Recherche,
Vor schlag, Gutachten, Praktischer
Entwurf – , nur eben diesmal
auch auf Englisch.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 59
Die eigenen Beiträge werden wertgeschätzt
und auch ein gegenseitiger
Austausch über relevante Gerichtsentscheidungen
zum Wettbewerbs- und
Werberecht in den unterschiedlichen
Ländern findet statt. Man arbeitet lösungsorientiert
und wirklich als Team
zusammen. Gespräche beginnen nicht
mit: «Herr Rechtsreferendar, die mir
fristgerecht vorgelegte Ausarbeitung
bewerte ich mit …».
Work-Life-Balance
Das Campusgelände und das umfassende
Sportangebot steigern das allgemeine
Wohlbefinden schon erheblich.
Freizeit und Beruf lassen sich so
hervorragend verbinden, ohne dass
die eigene Leistungsfähigkeit und -bereitschaft
darunter leiden. Dementsprechend
gut sind Arbeitsatmosphäre
und Stimmung unter den Mitarbeitern.
Auf dem Campusgelände gibt es zudem
eine Kita, ein Eltern-Kind-Büro
und in den Pfingst- und Sommerferien
«Kids Camps». Sogar ein Kleiderwaschservice
und Behandlungen durch Physiotherapeuten
können am Campus
wahrgenommen werden. Letzteres ist
sowohl bei sportlichen Verrenkungen
als auch für den examensgeplagten
Rücken eine Wohltat. Hinzu kommen
noch flexible Arbeitszeiten, Onlinezeiterfassung
zur Beschränkung von Überstunden
und regelmäßige Befragungen
der Mitarbeiter zu ihrer Zu friedenheit
und zu Verbesserungsvorschlägen. Die
im Studium und Referendariat entwickelte
eigene Haltung, auch am Abend
noch «kurz» etwas fertig machen zu
wollen, unterstützten meine Ausbilder
nicht.
Fazit – only the best for the
Referendar
Nach meiner Erfahrung lohnt sich der
Blick in ein Unternehmen. Selbst wenn
es danach beruflich nicht in ein Unternehmen
gehen sollte, bringt eine solche
Wahlstation dennoch enormen
Erkenntnisgewinn. Herausforderungen
bei der unternehmensinternen Kommunikation
und das Verhalten der verschiedenen
Abteilungen im Falle der
Entstehung von Rechtsstreitigkeiten
können so nachvollzogen werden. Die
Mitwirkung an Vertragsgestaltungen
fördert die rechtlichen und sprachlichen
Kompetenzen. Anders als bei
gerichtlichen Streitverfahren geht es
dabei nicht nur um die Behandlung
von diversen Schäden und Pflichtverletzungen
aus der Vergangenheit, sondern
vor allem um eine zukunftsorientierte
Konfliktvorsorge.
In meinem Fall ermöglichte ein international
aufgestelltes, junggebliebenes
(Durchschnittsalter der Mitarbeiter:
37 Jahre!) und dynamisches Unternehmen
wie adidas hervorragende Einblicke
in bisher unbekannte und vor
allem spannende und fordernde Betätigungsfelder
für Juristen. Daneben
trugen eine gute Mitarbeiterbetreuung
und die zahlreichen Sport- und sonstigen
Erlebnismöglichkeiten bei adidas
zusätzlich zu einer rundum gelungenen
Wahlstation bei.
Was ist EULISP?
Der auf ein Jahr angelegte postgraduale
Studiengang besteht seit dem Wintersemester
1999/2000 und ist eines der ältesten
Studienprogramme im Bereich des IT-Recht
& Recht des geistigen Eigentums in Deutschland.
Der Studiengang wird mit dem aka-
demischen Grad „Master of Laws“ (LL.M.)
abgeschlossen. Das im Rahmen des Studiengangs
erworbene Fachwissen deckt zudem
den Theorieteil des Fachanwalts für Informationstechnologierecht
ab und bietet damit
in zweifacher Hinsicht eine exzellente Qualifizierungsmöglichkeit.
Wie lange?
Insgesamt zwei Semester. Das Erste Semester
in Hannover und das zweite an einer der
zwölf Partner Universitäten.
Wer kann teilnehmen?
Qualifizierte Juristen mit erster juristischer
Prüfung oder einem vergleichbaren rechtswissenschaftlichen
Abschluss.
Welche Schwerpunkte?
• Nationales und internationales Urheberrecht
• Europa- und völkerrechtliche Grundlagen
des IT-Rechts
• Marken- und Patentrecht einschließlich
Rechtsdurchsetzung
• Medienrecht
• IT-Vertragsrecht
• Telekommunikationsrecht
• Datenschutzrecht
• Recht des E-Commerce
• Computerstrafrecht
• Informationstechnische Grundlagen
Bewerbungsfrist?
15. Juli für Bewerber aus Deutschland und
der EU jeweils zum kommenden Wintersemester.
Weitere Informationen erhalten Sie online
unter www.eulisp.de oder telefonisch unter
0511 762-17428.
60
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
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Diese Bände komprimieren das Wissen, das Referendare brauchen, und begleiten
Sie auf Ihrem Weg durch die Stationen. Gezielte Tipps, Beispielsfälle aus der
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Band I: Erkenntnisverfahren
erster Instanz
Begründet von VorsRiLG a.D. Dr. Otto
Tempel, Frankfurt a.M. Fortgeführt von
DirAG Dr. Clemens Theimer, Königstein i. Ts.
und VorsRiLG Anette Theimer, Frankfurt a. M.
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Band II: Besondere Ver
fahren erster und zweiter
Instanz, Relationstechnik
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ISBN 978-3-406-71915-8
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Materielles Recht im Zivilprozess
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Unternehmensjurist bei
der Bavaria Film GmbH
❯❯
Von Christiane Herbrecht *
Wie wird man eigentlich
Unternehmensjurist?
Der Unternehmensjurist, Syndikusrechtsanwalt,
In-House Jurist oder Justiziar
kommt in der juristischen Ausbildung
kaum vor. Eigentlich schade,
denn dabei wird ein spannendes, abwechslungsreiches
und herausforderndes
Berufsfeld für Assessoren übersehen.
Während man als Rechtsanwalt
häufig konsultiert wird, wenn das Kind
bereits in den Brunnen gefallen ist,
kann man als Unternehmens jurist im
Rahmen der Vertragsgestaltung aktiv
daran arbeiten, dass gerade dies nicht
passiert oder, sollte es doch mal schief
gehen, Einfluss darauf nehmen, dass
sich künftig etwas ändert.
Ich bin als Syndikusrechtsanwältin
bei der Bavaria Film zuständig für die
gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten
im Konzern, für das Grundstücksund
Immobilienrecht, für öffentlichrecht
liche Themen und für alle Fragen,
die im Bereich der Produktionen in den
Bavaria Studios am Gelände aufkommen.
Für die urheber-, medien- und
produktionsrechtlichen Fragen habe ich
drei Kollegen, die Film- und Fernsehproduktionen
rechtlich vom Autorenvertrag
bis zu den Senderechten begleiten.
Nach dreijähriger Tätigkeit als Rechtsanwältin
in einer mittelstän dischen
Kanzlei unter anderem mit den Schwerpunkten
Verwaltungs- und Grundstücksrecht
habe ich nach einem Unternehmen
gesucht, bei dem ich meine
bisherigen Themenschwerpunkte einbringen
und ausbauen kann. Auf ein
Film- und Fernsehunternehmen bin
ich dabei nur zufällig aufmerk sam geworden.
Aus der Rückschau betrachtet
ist dies gar nicht so abwegig, denn
viele Unternehmen haben Grundstücke,
halten Immobilien, vermieten und
mieten. Hierbei treten regelmäßig auch
öffentlich-rechtliche Fragestellungen
auf, sodass ich meinen regelmäßigen
Kontakt mit Baubehörden, Gewerbeaufsichtsämtern
oder Gemeinden nicht
verloren habe. Zudem ist mit dem gesellschaftsrechtlichen
Bereich mit verschiedenen
Beteiligungsverhältnissen
und Strukturen eine neue spannende
Herausforderung hinzugekommen.
Und was macht man den
ganzen Tag?
Mein Arbeitsalltag als Justiziarin unterscheidet
sich von meiner vorherigen
Tätigkeit als Rechtsanwältin nur darin,
dass ich meine Mandanten häufiger
62
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
sehe und besser kenne und ich meinen
Arbeitgeber nicht vor Gericht vertrete.
Wie zuvor wenden sich die Mandanten,
jetzt in Form von Fachabteilungen,
Geschäftsführern und Mitarbeitern von
Tochterfirmen, mit ihren Anfragen und
Rechtsproblemen an mich. Je nach
Kom plexität klären wir per Mail oder
Telefon bzw. in einer oder mehreren
Besprechungen den Sachverhalt und
erarbeiten Lösungsansätze. Es gilt offene
Punkte unter Berücksichtigung
der wirtschaftlichen Eckdaten und im
Rahmen oft langjährig bestehender
Geschäftsbeziehungen im Verhandlungswege
zu lösen. Und sollte es im
Ausnahmefall doch einmal zu einer gerichtlichen
Auseinandersetzung kommen,
stehe ich als wichtige Schnittstelle
zwischen der beteiligten Firma
oder Fachabteilung und den externen
Prozessanwälten zur Verfügung.
Ich bin viel am Gelände unterwegs,
besuche die von mir betreuten Tochterfirmen
und bespreche aktuelle Sachverhalte
oder wir gehen gemeinsam
die Arbeitsabläufe durch, um zu sehen,
wo die Rechtsabteilung z.B. mit Musterverträgen
oder AGB behilflich sein
kann. Dadurch komme ich mit vielen
Menschen am Gelände in Kontakt, man
geht gemeinsam Mittagessen oder kann
mal bei einer Fernsehshow oder Serienproduktion
live hinter die Kulissen
schauen. Denn bei all der Arbeit am
Schreibtisch sollte man nicht vergessen,
dass auf dem Gelände stets spannende
und abwechslungsreiche Produktionen
entstehen.
Wie sieht die Rechtsberatung aus?
Die Rechtsabteilung der Bavaria Film
steht allen konzernverbundenen Unternehmen
mit rechtlicher und wirtschaftlicher
Beratung zur Seite, zeigt
Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen
auf. Wie auch als Rechtsanwältin
braucht man dabei als Syndikusrechtsanwältin
viel Neugier für
eine große Vielfalt an Fragestellungen
sowie die Bereitschaft, mit dem Mandanten
den vollständigen Sachverhalt
zu ermitteln. Dabei darf man sich
nicht davon abschrecken lassen, dass
man z.B. alle technischen Möglichkeiten
eines Übertragungswagens (kurz:
Ü-Wagens) oder die Funktionsweise
eines Blockheizkraftwerks nicht von
Anfang an versteht, sondern muss
gemeinsam mit den Verantwortlichen
die für die rechtlichen Fragestellungen
relevanten Sachverhalte erarbeiten, um
sodann die bestehenden Handlungsmöglichkeiten
zu bewerten und Entscheidungen
entsprechend rechtlich
um zusetzen. Wobei diese Umsetzung,
entgegen häufiger Annahmen von
Rechts anwaltskollegen, nicht darin besteht,
eine externe Kanzlei zu beauftragen.
Ein Großteil der Tätigkeit liegt
in der Vertragsgestaltung und erfordert
fundierte Kenntnisse im allgemeinen
Zivilrecht, insbesondere dem Werkvertragsrecht.
Hier kann z.B. im Produktionsbereich
gut mit Musterverträgen
gearbeitet werden. Diese werden von
der Rechtsabteilung stets aktualisiert
und angepasst. Darüber hinaus gehört
die Erstellung und Aktualisierung von
AGB genauso zu den regelmäßigen
Aufgaben wie die Erstellung und Prüfung
von Gewerberaummietverträgen.
Komplexer wird es bei Unternehmensverträgen,
Grundstücksverträgen und
den Fragen des privaten und öffentlichen
Baurechts. Darüber hinaus
kommen immer wieder umfangreiche
Fragestellungen aus den unterschiedlichsten
Bereichen in der Rechtsabteilung
an. Hier gilt es, sich auch in
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 63
neue Rechtsgebiete wie das Energierecht,
IT-Recht oder Versammlungsstättenrecht
einzuarbeiten, aber auch
mal zu dem Ergebnis zu kommen, dass
es im Einzelfall wirtschaftlich sinnvoller
ist und auch schneller geht, wenn
eine bestimmte Frage von einem Fachanwalt
im entsprechenden Thema bewertet
wird.
Was sollte man mitbringen?
Als Jurist im Unternehmen sollte man
gute Kommunikationsfähigkeiten mitbringen
und Freude daran haben, sich
sowohl in kleine als auch komplexe
Sachverhalte mit dem gleichen Elan
einzuarbeiten. Man darf sich nicht zu
schade sein, auch mal Anfragen z.B. zu
Kündigungsfristen von Verträgen oder
zu dem Thema, was genau vom Begriff
Räum- und Streupflicht umfasst ist, zu
beantworten. Man sollte nie vergessen,
dass nicht jeder wie man selbst
tagaus tagein mit Worten, Formulierungen
und Verträgen umgeht und
dass man hierbei eine gute Unterstützung
und Rechtsberatung sein kann.
Darüber hinaus hat man große Gestaltungsmöglichkeiten,
um den Arbeitsalltag
von Tochterfirmen und Fachabteilungen
zukunftsorientiert durch
Musterverträge, AGB oder Bereitstellung
von Work Flows tatsächlich und
rechtlich zu erleichtern, wofür man
häufig positives Feedback und Anerkennung
bekommt. Das wiederum erhöht
den Spaß und die Freude an der
gemeinsamen Arbeit und Weiterentwicklung.
Und für diejenigen, die sich das
Ganze mal aus der Nähe ansehen
möchten: Die Rechtsabteilung der
Bavaria Film freut sich stets über Bewerbungen
von qualifizierten und engagierten
Referendarinnen und Referendaren.
Christiane Herbrecht
* Die Autorin hat an der Ludwig-Maximilians-
Universität in München Rechtswissenschaften
studiert. Ihr Referendariat absolvierte sie am
OLG München und in Melbourne, Australien. Sie
ist seit 2013 als Rechtsanwältin zugelassen und
war drei Jahre in einer mittelständischen Anwaltskanzlei
tätig. Seit 2016 ist sie auch als Syndikusrechtsanwältin
zugelassen und arbeitet in der
Rechts abteilung der Bavaria Film GmbH in Geiselgasteig
bei München.
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64
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Compliance
Management im
Unternehmen –
ein Beruf für
Vielseitige
❯❯
Von Dr. Robert Ratay *
Ich bin seit 1992 als Unternehmensjurist
in der BMW Group
tätig und habe vor etwa zehn
Jahren die Ge legenheit bekommen,
das Compliance Management
System der BMW Group aufzubauen
und kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Bis dahin war ich als Syndikusanwalt
in der Konzernrechtsabteilung der
BMW Group für unterschiedliche Betreuungsgebiete
verantwortlich. Während
dieser Zeit habe ich vielfältige
Erfahrungen in der juristischen Unternehmenspraxis
im Automobilsektor
gesammelt, angefangen vom Endverbrauchergeschäft,
über Finanzdienstleistungen,
Immobilien- und Baurecht,
Marketing und Beschaffung, bis hin
zu komplexen Entwicklungskooperationen,
um nur einen Ausschnitt zu
nennen.
Vor allem die Vertragsgestaltung in
Beschaffungs- und Entwicklungsprojekten
hat mir deutlich gemacht, wie reizvoll
es ist, an Zukunftsfragen zu arbeiten.
Bis dahin war ich nicht selten mit
der Aufarbeitung von Sachverhalten aus
der Vergangenheit beschäftigt, um gerichtliche
oder außergerichtliche Streitfälle
möglichst günstig abschließen zu
können. Eine weitere wichtige Erkenntnis
aus dieser Zeit: Es macht mir Freude,
in Teams gemeinsam Dinge voran zu
bringen und dabei mit Kol legen ** aus
unterschiedlichen Fakultäten zusammenzuarbeiten.
So wagte ich vor zehn
Jahren den Absprung vom Syndikusanwalt
ins Compliance Management.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 65
Compliance – was ist das?
Während damals noch häufig die
Frage gestellt wurde: «Compliance –
was ist das?», hat sich Compliance
mittlerweile als unverzichtbare Managementdisziplin
in Unternehmen etabliert
und wurde zu einem bedeutenden Betätigungsfeld
für Unternehmensjuristen
– neben der Rechtsabteilung, dem
Personalwesen und dem Vertragsmanagement.
Dabei ist Compliance eine
echte Managementaufgabe. Möglicherweise
ist dies einer der Gründe, weshalb
Compliance auch heutzutage in
der Referendarsausbildung kaum Berücksichtigung
findet.
Compliance Management hat zur
Aufgabe, in einem Unternehmen wirksame
Instrumente zu etablieren, um
flächendeckend Rechtsverstöße zu vermeiden
und damit das Unternehmen
und sein Management vor Haftungsrisiken
zu schützen. Angesichts der zunehmenden
Internationalisierung des
Wirtschaftsgeschehens und aufgrund
der Vielzahl und Komplexität rechtlicher
Vorschriften ist Compliance in
der Unternehmenswelt nicht mehr wegzudenken,
und dies gilt nicht nur für
Großunternehmen und den Finanzsektor,
sondern auch für den Mittelstand
und kleinere Betriebe. Ingenieure würden
dazu sagen: «Compliance ist Stand
der Technik».
Natürlich sind Unternehmen auch
in früheren Zeiten darauf bedacht gewesen,
auf die Vermeidung von Rechtsverstößen
hinzuwirken. Nicht umsonst
kennt das Handelsrecht seit vielen Jahrhunderten
das Leitbild des «ehrbaren
Kaufmanns», und auch das deutsche
Aktiengesetz sieht die Vorstandsmitglieder
seit vielen Jahren in der Pflicht, die
jeweiligen Geschäfte mit der Sorgfalt
eines ordentlichen und gewissenhaften
Geschäftsleiters zu betreiben. Etwas
neuer ist hingegen die Erwartung an
Unternehmen, ihre jeweiligen Risiken
aktiv anzugehen und diese durch systematische
Präventions- und Kontrollmaßnahmen
in angemessener Weise
nachhaltig in den Griff zu bekommen.
Gleichzeitig erwarten Unternehmen von
ihren Compliance Managern, nicht nur
Probleme aufzuzeigen, sondern auch
passgenaue Lösungen zu liefern und
deren Umsetzung aktiv zu steuern. Genau
das ist Compliance Management!
Für Rechtsreferendare und junge
Juristen ist dabei unter Karrieregesichtspunkten
nicht ganz unwichtig,
dass es sich bei Compliance definitiv
um ein «Wachstumsfeld» handelt, unabhängig
von der Branche, und gleichgültig
ob es um den organischen Aufbau
von Strukturen geht oder den
anlassbezogenen Einsatz aufgrund behördlicher
Verfahren. Der steigende
Bedarf für Talente im Bereich Compliance
ist nicht konjunkturabhängig,
und ein Ende dieser Entwicklung ist
derzeit nicht absehbar.
Vielseitigkeit im Compliance
Management
Was die Rechtsthemen betrifft, wird
Compliance in erster Linie mit Korruptionsvermeidung,
Kartellrecht und
Geld wäscheprävention in Verbindung
gebracht, und das ist auch zutreffend.
Abhängig vom Geschäftsmodell des
jeweiligen Unternehmens, kommt in
der Regel noch ein bunter Strauß an
Rechtsthemen hinzu, wie etwa Verbraucherschutz,
Daten- und Informationsschutz
oder Exportkontrolle. Einen
Sonderbereich bildet sicherlich
der Finanzsektor, wo sich das weite
Feld der aufsichtsrechtlichen Regulatorik
eröffnet, ähnlich wie in der Versicherungswirtschaft.
In vielen Unternehmen
beinhaltet Compliance u.a.
auch das Human Rights Management,
was eine große Nähe zum Bereich
Corporate Social Responsibility («CSR»)
mit sich bringt sowie zu Fragen der
Wirtschaftsethik und der Unternehmenskultur.
Man kann also sagen, es
gibt bei Compliance sicherlich keinen
«numerus clausus» an Rechtsthemen.
Die Tatsache, dass es sich bei Compliance
um eine Managementaufgabe
handelt, bringt eine Vielzahl unterschiedlicher
praktischer Tätigkeiten mit sich.
Den Juristen fällt in einem Compliance
Team zunächst die Aufgabe zu, die
relevanten rechtlichen Anforde rungen
zu identifizieren («Legal Monitoring»)
und deren Auswirkungen auf das Unternehmen
und dessen Geschäfte zu
analysieren («Risk Assessment»). Das
ist aber in der Regel nur der Start beim
Compliance Management. Was dann
folgt, ist das Erstellen von Regelungen,
das Gestalten von Kommunikationsund
Trainingsmaßnahmen, die Optimierung
von Unternehmensprozessen und
Kontrollen und natürlich ein umfangreiches
Case Management (Anfragen
und Hinweise). Letzteres führt in Ein-
66
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
zelfällen auch immer wieder zum Einsatz
von Task Forces, bei denen mit
forensischen Methoden Sachverhaltsaufklärung
betrieben und die Begleitung
behördlicher Verfahren vorbereitet wird.
Da Com pliance in der Regel von der
Unter nehmensführung mit großer Aufmerksamkeit
verfolgt wird, berichtet
ein Compliance Manager nicht selten
in den leitenden Gremien und Ausschüssen,
wo er sich mit Trends und
strategischen Weichenstellungen auseinandersetzt.
Diese Aufgaben erledigt der Compliance-Jurist
selbstverständlich nicht
alleine. Im Regelfall bestehen Compliance-Abteilungen
nicht nur aus Juristen,
sondern aus Kollegen mit unterschiedlichen
fachlichen Hintergründen,
wie etwa Kommunikation, Training,
IT und Forensic. Diese arbeiten projekthaft
in kleinen Teams zusammen,
um jeweils ihr Know-How einzubringen
und gemeinsam zu einer sinnvollen
Lösung zu kommen. Ähnlich
vielfältig wie diese abteilungsinternen
Konstellationen sind die Schnittstellen
zu Fachstellen außerhalb des Compliance
Managements. Da wären zunächst
die Rechtsabteilung und die Interne
Revision, aber auch die Bereiche
Kommunikation, Training, IT und das
Personalwesen. Hinzu kommen die
zahlreichen Ansprechpartner in den
Geschäftsbereichen, insbesondere Entwicklung,
Beschaffung und Vertrieb,
wo die Compliance-Maßnahmen letztlich
umgesetzt werden müssen. Im Fachjargon
spricht man hier vom «integrierten
Compliance Management»,
was für den Compliance-Juristen bedeutet,
dass er im gesamten Unternehmen
– weit über die eigenen Landesgrenzen
hinaus – intensiv vernetzt ist.
Der Vollständigkeit halber sind noch
die unterschiedlichen externen Kontakte
zu Geschäftspartnern, Behörden,
Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfern
und zu den vielen Organisationen zu
erwähnen, die sich in den letzten Jahren
rund um das Compliance Management
gebildet haben.
Compliance – ein Job für
Multitalente
Wer also ist der richtige Typ für Compliance?
Nach meiner Beschreibung
der Compliance-Praxis liegt die Antwort
auf diese Frage beinahe schon auf der
Hand. Wer als Jurist in das Compliance
Management einsteigen möchte,
sollte Spaß daran haben, sich – über
das eigene Handwerk hinaus – weitere
Aufgabenfelder zu erschließen. Gefragt
ist definitiv der «Teamplayer», der sich
in andere Fachbereiche eindenken kann
und gut mit den dort vorherrschenden
Denk- und Arbeitsstilen zurechtkommt.
Als Compliance-Jurist sollte man in der
Lage sein, komplexe juristische Fragestellungen
zu durchdringen, diese auf
typische Unternehmenssituationen anzuwenden
und für den Einzelnen in
verständliche, pragmatische Botschaften
zu übersetzen.
Compliance bedeutet, Menschen zu
sensibilisieren, zu überzeugen und für
eine Lösung zu begeistern. Dies gilt für
alle Hierarchiestufen im Unternehmen
hinweg, vom Tarifmitarbeiter bis zum
Vorstand. Die Stärken des Compliance
Managers liegen dementsprechend in
seiner Kommunikations- und Präsentationsfähigkeit
und – vor allem bei
größeren Unternehmen – im Gespür
für interkulturelle Besonderheiten. Da
Compliance immer noch eine verhältnismäßig
junge Disziplin ist, ergeben
sich nicht selten neue Entwicklungen
und auch Anforderungen. Dies erfordert
eine große Bereitschaft, immer
wieder Neuland zu betreten, Gestaltungsspielräume
zu nutzen und dabei
eine gewisse Start-up-Mentalität an den
Tag zu legen. Von Vorteil ist sicherlich
auch ein gewisses Interesse für moderne
Technologien, vor allem im Bereich
Medien und IT.
Für den Berufseinsteiger bietet sich
Compliance an, wenn dieser die juristische
Ausbildung von vornherein mit
dem Ziel verfolgt hat, in einem Unternehmen
ins sog. Management zu gehen.
Compliance hat eine große Sichtbarkeit
im Unternehmen und bietet
einen guten Ausgangspunkt für die
nächsten Karriereschritte, sei es in Governance-Funktionen
oder in anderen
Bereichen. Für junge Kollegen, die zunächst
eine der «klassischen» juristischen
Tätigkeiten aufnehmen wollen,
wird Compliance bei einem möglichen
späteren Jobwechsel immer ein Thema
bleiben. Dort besteht die Möglichkeit,
die bestehende juristische Fachkompetenz
mit Management- und Umsetzungsfähigkeiten
zu ergänzen. Compliance
wird damit zu einem Baustein in der
Juristenkarriere, der für leitende Funktionen
in Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen
immer mehr an Bedeutung
gewinnt.
«Last but not least» sollte erwähnt
werden, dass die Vermeidung von
Rechts verstößen in Unternehmen eine
Aufgabe ist, mit der man sich voll und
ganz identifizieren kann. Für mich persönlich
ist dies ist ein wichtiger Aspekt,
der mich bei meiner Tätigkeit als Compliance
Manager täglich motiviert.
Dr. Robert Ratay
* Der Autor, Jahrgang 1961, ist seit 1992 im
Bereich Recht und Patente der BMW Group tätig.
Bis 2008 war er als Syndikusanwalt in der Konzernrechtsabteilung
der BMW Group tätig. Seit 2008
ist er Leiter des BMW Group Compliance Office.
** Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird
auf die geschlechtsneutrale Differenzierung, z.B.
Kollegen / Kolleginnen, verzichtet. Entsprechende
Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung
selbstverständlich für alle Geschlechter.
Autorenfoto: privat
Foto (S. 66): www.istockphoto.com Nr. 171349182
© georgeclerk
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 67
«Datenschutzanwälte
sind sehr gesucht»
❯❯
Interview mit Tim Wybitul *
Tim Wybitul
Seit wann sind Sie im Bereich
Datenschutz tätig?
Schwer zu sagen, Datenschutz war bei
der täglichen Arbeit schon immer dabei.
Aber bis vor einigen Jahren konnte
man alleine vom Datenschutz kaum
leben. Angefangen habe ich daher im
Bereich Arbeitsrecht. Allerdings war
schon immer Arbeit mit datenschutzrechtlichen
Bezügen dabei. Gerade
arbeitsrechtliche Mandate haben oft
starke datenschutzrechtliche Aspekte.
Beispielsweise wenn Sie mit Betriebsräten
über die Einführung oder den
Betrieb von IT-Anwendungen wie Betriebssystemen,
Office-Anwendungen
oder Personalinformationssystemen
ver handeln. Aber auch vor Gericht
wird der Datenschutz immer wichtiger.
Mittlerweile nehmen Arbeitsrichter
und normale Zivilgerichte regelmäßig
Beweisverwertungsverbote an,
wenn eine Partei einen Sachverhalt
vorträgt, den sie unter Verstoß gegen
die strengen Vorgaben des Datenschutzes
erhoben hat. Seit etwa 2012
arbeite ich fast ausschließlich im Datenschutz
oder mit datenschutzrechtlichen
Bezügen. Der Blick über den
Tellerrand in andere Rechtsgebiete ist
aber nach wie vor sehr wichtig.
Wie sind Sie zum Datenschutz
gekommen?
Das ist schnell gesagt, ich mag Computer.
Das hat mit meinem ersten Rechner,
einem Commodore 64, angefangen
und zieht sich bis heute durch.
Nach wie vor finde ich es spannend,
was moderne IT mittlerweile alles
kann. Nehmen Sie beispielsweise aktuelle
Diktierprogramme. Wenn man
sich etwas Zeit nimmt, zu lernen, wie
man diese Systeme anwendet und auf
die eigene Sprechweise anpasst, kann
man damit in der Alltagsarbeit ausgesprochen
schnell arbeiten. Selbst wenn
man Maschinenschreiben kann, arbeitet
man mit einem guten Diktierprogramm
deutlich effektiver.
Noch klarer werden die Vorteile bei
Legal Tech, also bei auf unsere Arbeit
als Anwälte zugeschnittenen Anwendungen.
Bei Hogan Lovells arbeiten wir
etwa mit sehr guten Programmen zur
Unterstützung der Planung und Umsetzung
komplexer rechtlicher Projekte,
sogenanntes Legal Project Management.
So können Sie den Zeitaufwand
umfangreicher Arbeiten besser einschätzen,
einzelne Teilziele bestimmen
und vor allem die angefallenen Kosten
gut im Blick behalten. Das ist auch für
ein gutes Erwartungsmanagement gegenüber
unseren Mandanten enorm
wichtig. Aber auch beim Know-How-
Management sparen moderne Systeme
viel Zeit und ermöglichen ein kosteneffizientes
Arbeiten. Auch wenn Legal
Tech noch nicht alles umsetzen kann,
was es verspricht, bieten moderne IT-
Lösungen auch für Anwälte enorme
Chancen.
Zum Datenschutz bin ich unter anderem
auch dadurch gekommen, dass
meine Chefs und Kollegen stets davon
wussten, dass ich sehr gerne Themen
rund um IT bearbeite. Und wer schon
* Rechtsanwalt, Certified Information Privacy Professional (CIPP-E), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner Hogan Lovells, Frankfurt am Main.
Autorenfoto: privat, Foto (S. 70): www.istockphoto.com Nr. 828938138 © Sidekick
68
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
einmal einen Blick in das alte Bundesdatenschutzgesetz
(BDSG) geworfen hat,
weiß, dass das nicht unbedingt ein
übersichtliches oder gar verständliches
Gesetz ist. Meine Kollegen waren daher
froh, wenn ich ihnen bei solchen
eher technischen und rechtlich komplexen
Mandaten half. Sie halfen mir
dafür gerne bei anderen Themengebieten.
Inwiefern hat sich in Ihrer Tätigkeit
der in den letzten Jahren vollzogene
Wandel im Datenschutz
bemerkbar gemacht?
Der Wandel ist gravierend. Früher bestand
die Arbeit in unserem Team aus
einer recht bunten Mischung aus Datenschutz,
Arbeitsrecht und Compliance.
Allein mit dem Datenschutz hätte man
sich bis etwa vor fünf, sechs Jahren finanziell
kaum erfolgreich über Wasser
halten können. 2008 bis 2010 beispielsweise
habe ich in Zürich für zweieinhalb
Jahre lang eine große interne
Ermittlung bei einer Schweizer Bank
geleitet. Vorher hatte ich schon oft
Mandanten zum Datenschutz bei unternehmensinternen
Ermittlungen beraten.
Meine damalige Kanzlei hatte zu
der Zeit niemanden vor Ort mit mehr
Erfahrungen bei internen Ermittlungen
und im Datenschutz. Da kommt man
manchmal sehr unverhofft an überraschende
Tätigkeitsfelder.
Mittlerweile sieht die Arbeit in Datenschutz
ganz anders aus. Das liegt
vor allem an der EU-Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO), die ab Mai 2018
gilt. Mit der DSGVO tritt ein EU-weit
einheitliches und sehr strenges Datenschutzrecht
in Kraft. Künftig können
die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz
pro Verstoß gegen die DSGVO
Bußgelder von bis zu 4 Prozent des globalen
Umsatzes eines Mandanten verhängen.
Das können bei sehr erfolgreichen
Unternehmen durchaus kleine
einstellige Milliardenbeträge werden.
Hinzu kommen flächendeckende Risiken
in Bezug auf Schadensersatzforderungen.
Auch dass Gerichte bereits seit geraumer
Zeit datenschutzwidrig erhobene
Informationen in der Regel nicht
als Beweismittel in einem Rechtsstreit
zulassen, hat vieles geändert. Wenn
Unternehmen damit rechnen müssen,
dass sie bei Fehlern im Datenschutz
ein wichtiges Gerichtsverfahren verlieren,
gewinnt das Thema in der Praxis
stark an Bedeutung.
Was sind aktuell die inhaltlichen
Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Ganz vorne stehen hier derzeit Projekte
zur Umsetzung der komplexen
Anforderungen der DSGVO. Das ist
einerseits juristisch sehr spannend.
Denn Sie beraten ja zu einem Gesetz –
bzw. zu einer EU-Verordnung –, das
zwar in der gesamten Union gelten
wird, zu dem es aber keinerlei Rechtsprechung
und nur vage Aussagen
der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz
gibt. Zudem braucht man einen
gesunden Menschenverstand und ein
solides Verständnis von IT-Systemen,
um sich zu überlegen, wie man die
neuen Vorgaben der DSGVO am besten
in die Praxis übersetzt. Unsere Kanzlei
gehörte in Deutschland meines Wissens
zu den ersten Sozietäten, die
Unternehmen zu der Einführung der
DSGVO beraten. Bei diesen ersten Implementierungsprojekten,
aber auch
vom Austausch mit unseren anderen
europäischen Kollegen haben wir sehr
viel gelernt.
Sehr häufig vertreten wir auch Unternehmen
in datenschutzrechtlichen
Fragestellungen vor Gericht. Beispielsweise
verteidigen wir gerade einen Mandanten
gegen eine Aufsichtsbehörde,
die ihm ein recht hohes Bußgeld wegen
vermeintlicher Datenschutzverstöße angedroht
hat. Dieses Ver fahren ist für
den Mandanten aus mehreren Gründen
sehr wichtig. Denn hier geht es
nicht nur um viel Geld, sondern auch
um die Außenwirkung, wenn man ein
solches Verfahren verliert. Das ist Kunden
oder Anlegern oft nur schwer zu
erklären.
Ein anderer Schwerpunkt ist die
Einführung von IT-Systemen. Da muss
man beim Datenschutz genau arbeiten,
auch weil ansonsten die Verhandlungen
mit den Betriebsräten sehr schwierig
und teuer werden. Mittlerweile
gehen die meisten Mandanten daher
dazu über, die datenschutzrechtlichen
Fragen gleich von Anfang an gründlich
zu regeln.
Welche typischen Aufgaben lösen
Sie bei Ihrer Arbeit?
Das muss man in der Tat oft erst einmal
erklären. Datenschutz soll verhindern,
dass der Staat oder Unternehmen
Informationen über Menschen
auf eine Weise nutzen, die sie unangemessen
benachteiligt. Ein typisches
Beispiel ist die Überwachung von Mitarbeitern.
Einerseits haben Arbeitgeber
natürlich ein berechtigtes Interesse
daran, zu überprüfen, dass Arbeitnehmer
ihre Arbeit richtig machen.
Andererseits möchte niemand bei der
Arbeit durchgehend überwacht werden.
Daher ist es beispielsweise verboten,
Beschäftigte während ihrer gesamten
Arbeitszeit durchgehend per
Videoüberwachung zu kontrollieren
oder jede einzelne Email des Mitarbeiters
durchzugehen. Die Kunst hierbei
ist es, einen vernünftigen Mittelweg
zu finden, mit dem Unternehmen Verstöße
gegen gesetzliche Vorgaben oder
arbeitsrechtliche Pflichten aufdecken
können, ohne zu sehr in die Rechte
ihrer Beschäftigten einzugreifen.
Beim Datenschutz ist letztlich die
Einschätzung und Minimierung von
rechtlichen und sonstigen Risiken sehr
wichtig. Es geht darum, Lösungen zu
finden, mit denen Unternehmen in der
Praxis gut arbeiten können, ohne dass
Aufsichtsbehörden oder Gerichte später
Bußgelder verhängen oder Schadensersatzklagen
stattgeben.
Als Datenschutzanwälte beraten
wir Unternehmen vor allem dazu, was
sie mit Informationen machen dürfen
und was sie besser bleiben lassen. Das
wird in der modernen Informations
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 69
Definitiv kann man mit Datenschutz sehr gute Umsätze erzielen.
gesellschaft immer wichtiger. Früher
hat die Technik die Leitplanken dafür
vorgegeben, was ich mit Daten machen
kann. Die wesentlichen Eckdaten waren
Prozessorgeschwindigkeit, Speicherplatz
und Datenverfügbarkeit. Heute haben
Sie W-LAN, schnelle Rechner und günstigen
Speicherplatz. Trotzdem wollen
Sie nicht, dass die NSA oder große Unternehmen
jede Ihrer Emails mitlesen
und auswerten. Der begrenzende Faktor
ist daher jetzt der Datenschutz und
nicht mehr die IT. Damit nimmt die
Bedeutung des Datenschutzes immer
mehr zu.
Kann man als Anwalt denn
gut vom Thema Datenschutz
leben?
Ja, definitiv kann man mittlerweile als
Datenschutzanwalt sehr gute Umsätze
erzielen. Wenn man sich hier auskennt
und einen guten Ruf hat, kann man
beispielsweise als Partner in einer internationalen
Kanzlei durchaus höhere
Stundensätze als in vielen anderen Beratungsfeldern
nehmen. Aber auch für
Einsteiger bietet der Datenschutz attraktive
Möglichkeiten. Anwälte mit Kenntnissen
im Datenschutzrecht sind sehr
gesucht. Wenn man nach einem spannenden
und lukrativen Rechtsgebiet
sucht, ist dieses Thema eine sehr gute
Wahl.
Wo sehen Sie das Hauptgewicht
der Arbeit im Datenschutz in,
sagen wir, fünf Jahren?
Bei der sogenannten Data Privacy Litigation,
also bei Gerichtsverfahren mit
datenschutzrechtlichen Bezügen. Wir
vertreten jetzt schon häufig Mandanten
in Datenschutzfragen vor Gericht.
Und das wird noch deutlich zunehmen.
Zum einen wird es zunehmend große
Verfahren geben, in denen sich Unternehmen
gegen hohe Bußgelder wegen
vermuteter oder tatsäch licher Datenschutzverstöße
wehren. Die DSGVO
sieht Bußgelder von bis zu 4 Prozent
des globalen Umsatzes eines Unternehmens
vor. Das können bei großen Firmen
Bußgelder in Milliardenhöhe werden.
Da ist dann schnell auch der
Vorstand in der Haftung. Daher werden
sich Unternehmen gegen hohe Bußgelder
auch vor Gericht immer öfter
verteidigen.
Vor allem werden aber Verbraucher
Schadensersatzansprüche wegen Datenschutzverstößen
einklagen. Das geht
seit Mai 2018 recht einfach. Anders als
das bisherige Recht sieht die DSGVO
Schadensersatz für immaterielle Verstöße
vor. Kunden, Mitarbeiter oder
Dritte können also schnell mal ein paar
tausend Euro allein dafür verlangen,
dass ein Unternehmen ihre Daten nicht
ordnungsgemäß verarbeitet. Und Verstöße
gegen EU-Verordnungen sind
grundsätzlich teuer. Das größte Problem
für Unternehmen, die Daten verarbeiten,
ist dabei die Beweislast. Künftig
muss nicht der Kläger beweisen,
dass ein Unternehmen seine Daten nicht
ordnungsgemäß verarbeitet hat. Sondern
die beklagte Firma muss nachweisen
können, dass sie alles richtig
gemacht hat. Und das ist in der Praxis
enorm schwer. Ein solcher Nachweis
setzt eine umfassende Dokumentation
aller datenschutzrecht lich relevanten
Prozesse voraus. Zudem sieht die
DSGVO Verbandsklagen vor, so dass
einzelne Verbraucher anwälte hunderte
oder sogar tausende Kunden eines
Unternehmens bei Datenschutzklagen
vertreten können. Das wird ein sehr
lukratives Geschäftsfeld für spezialisierte
und gut ausgebildete Anwälte.
70
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Die Rechtsanwaltschaft –
berufliche Heimat der meisten
Volljuristen
❯❯
Von Prof. Dr. Matthias Kilian *
Prof. Dr. Matthias Kilian
Wer ein Studium im Fach Rechtswissenschaft
aufnimmt und mehrere
Jahre zunächst in der Universität und
sodann im Referendariat an seiner
juristischen Basisqualifikation, dem
«Ass. iur.», arbeitet, kann angesichts
des gesetzlich definierten Studienziels
leicht in die Irre geführt werden: Der
angestrebte Studienabschluss ist nach
§ 5 Abs. 1 DRiG die Befähigung zum
Richteramt – doch die wenigsten Absolventen
dieser Ausbildung streifen
sich in der Gegenwart tatsächlich nach
Abschluss der Ausbildung die Richterrobe
über. Dass die Regelqualifikation
für Volljuristen mit einem Beruf verknüpft
ist, den nur relativ wenige Absolventen
der Ausbildung tatsächlich
ergreifen werden, ist vor allem historisch
begründet: Als vor rund 150 Jahren
die bis heute maßgeblichen Eckpfeiler
der juristischen Ausbildung definiert
wurden, gab es tatsächlich noch mehr
Richter als Rechtsanwälte. Die Tatsache,
dass gegenwärtig 163.000 Rechtsanwälte
zugelassen sind, in den Stellenplänen
der Justiz hingegen nur rund
20.000 Stellen für Richter und 5000 Stellen
für Staatsanwälte vorgesehen sind,
legt nahe, dass die allermeisten Absolventen
der volljuristischen Ausbildung
ihre berufliche Heimat in der Anwaltschaft
finden. Der genaue Prozentsatz
ist nicht bekannt. Vergleicht man aber
die Zahl der jährlich von den Landesjustizprüfungsämtern
frisch examinierten
Asses soren mit der Zahl der neu
zugelassenen Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälte, bleiben wenig Zweifel:
Mehr als 70 % derjenigen, die nach der
mühsamen, häufig fast zehnjährigen
Ausbildung der Juristerei treu bleiben
und einen der traditionellen volljuristischen
Berufe ergreifen, werden Rechtsanwalt
– nach einer Studie des Soldan
Instituts übrigens mehrheitlich aus
Überzeugung und nicht, weil sich keine
anderen Beschäftigungsmöglichkeiten
geboten hätten.
Die Großkanzlei – Ausnahme,
nicht Regel
Ein Problem hierbei: Zwar wird die
Mehrheit der Absolventen Rechtsan
* Prof. Dr. Matthias Kilian ist Inhaber der Hans-Soldan-Stiftungsjuniorprofessur für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Verfahrensrecht, Anwaltsrecht sowie anwaltsorientierte
Juristenausbildung der Universität zu Köln. Schwerpunkte seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre sind das Berufsrecht und die juristischen Berufe.
Er ist zudem Direktor des Soldan Instituts (www.soldaninstitut.de), einer 2002 gegründeten interdisziplinären Forschungseinrichtung, die sich mit empirischer
Berufsforschung zum Anwaltsberuf befasst. In dieser Funktion ist er u.a. Herausgeber des Statistischen Jahrbuchs der Anwaltschaft, der Forschungsberichte des
Soldan Instituts und des Berufsrechtsbarometers.
Autorenfoto: privat, Foto (S. 72): de.fotolia.com/# Nr. 100585346 © Wavebreak Media
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 71
walt, das den Anwälten in spe während
Studium und Referendariat vermittelte
Bild der deutschen Anwaltschaft
entspricht aber nur eingeschränkt den
Realitäten. Engen Kontakt mit Nachwuchsjuristen
suchen in Studium und
Referendariat insbesondere die großen,
wirtschaftsberatenden Kanzleien.
Sie stellen einen Großteil der anwaltlichen
Lehrbeauftragten an den juristischen
Fakultäten, bieten Praktika und
Nebenbeschäftigungen für Studierende,
werben häufig durch attraktive Hinzuverdienstmöglichkeiten
um Referendare,
die vom Staat mit einer kargen
Ausbildungsbeihilfe abgespeist werden.
Diese häufig international aufgestellten
«Law Firms» investieren in
profes sionelle Imagewerbung, sei es
über Sponsoring von akademischen
Aktivitäten, Promotionspreise oder Stipendien,
durch Berichterstattung in
Zeitschriften, die sich an den juristischen
Nachwuchs richten, oder
durch Teilnahme an Absolventenkongressen.
So kann sich bei Nachwuchs
juristen schnell das Bild verfes tigen,
dass diese Art der anwaltlichen Tätigkeit
typisch für die Berufspraxis der
allermeisten deutschen Rechtsanwälte
ist. Allerdings sind nur rund 11.000
der 163.000 Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälte in den 75 größten deutschen
Kanzleien tätig – dies sind Kanzleien
mit einer Größe von 60 und mehr
Berufsträgern. Selbst wenn man dieser
Zahl noch einige tausend Anwälte aus
den zahlreicher werdenden «Spin-Offs»
der Großkanzleien hinzurechnet, die
am Markt häufig als kleinere, spezialisierte
«Boutique»-Kanz leien tätig werden:
Die Wahrscheinlichkeit, als Nachwuchsanwalt
in einer solchen Kanzlei
beruflich durchzu starten, ist statistisch
betrachtet nicht so groß, wie mancher
Nachwuchsjurist während seiner Ausbildung
denken mag. Sich diesen Umstand
bewusst zu machen, hilft, realistische
Erwartungen etwa in Fragen der
Einkommensmöglichkeiten oder Internationalität
der Berufstätigkeit zu entwickeln.
Familienrecht, Mietrecht,
Verkehrsrecht – Materien der
anwaltlichen Berufspraxis
Eine Überraschung für Referendare, die
im Anwaltsberuf ankommen, ist nicht
selten, dass die fachlichen Inhalte der
Berufstätigkeit, die in den omnipräsenten
Wirtschaftskanzleien gepflegt werden
und die häufig auch Gegenstand
der universitären Schwerpunktausbildung
sind, weil sie das besondere Interesse
der Hochschullehrer finden,
nicht mit den Rechtsgebieten in Deckung
sind, mit denen sich Deutschlands
Anwaltschaft vorrangig beschäftigt:
Das Brot- und Buttergeschäft der
großen Mehrheit der deutschen Rechtsanwältinnen
und Rechtsanwälte ist
nicht das Gesellschaftsrecht, das Kapitalmarktrecht,
der gewerbliche Rechtsschutz
oder das internationale Wirtschaftsrecht
– es sind vielmehr die
zivilrechtlichen Materien des Familienrechts,
des Miet- und Wohnungseigentumsrechts
und des Verkehrsrechts
sowie das Arbeitsrecht. Sieht man einmal
von Letzterem ab, spielen diese
Rechtsgebiete in der Ausbildung der
Studierenden praktisch keine, in der
Ausbildung der Referendare eine eher
untergeordnete Rolle. In fachlicher Hinsicht
entsprechen sich damit juristische
Ausbildung einerseits und Berufspraxis
andererseits nur in geringem
Maße. Dies gilt auch für weitere Tätigkeitsschwerpunkte,
die bei Anwäl ten
sehr verbreitet sind, etwa das Erbrecht,
das Baurecht oder das Sozialrecht. Wer
sich nicht nur offen, sondern auch interessiert
für diese zunächst einmal
ungewohnten Materien zeigt, wird sich
beim Berufseinstieg leichter tun als ein
Absolvent, der die Erwartung hegt, das
universitäre Lieblingsfach auch im späteren
Berufsleben pflegen zu können.
Die Fachanwaltschaft – eine Art
drittes Staatsexamen
Nach dem zweiten Staatsexamen ist
vor den nächsten Prüfungsklausuren –
eine ernüchternde Wahrheit für die
große Mehrheit der frisch gebackenen
72
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Assessoren: Für Junganwälte ist mit
dem zweiten Staatsexamen die Zeit
des Lernens meist nicht vorbei, sondern
sie beginnt von neuem. Wer in
der Gegenwart Rechtsanwalt wird, für
den ist es sehr wahrscheinlich, dass
die Phase der Ausbildung nahtlos in
eine Phase der Weiterbildung übergeht,
an deren Ende der Erwerb eines
oder mehrerer Fachanwaltstitel steht.
Dies erfordert das Bestehen von Prüfungsklausuren
in den entsprechenden
Fachanwaltslehrgängen gewerblicher
Anbieter. In einer Studie mit jungen
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten
in den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit
gaben vor einigen Jahren mehr
als drei Viertel der Befragten an, bereits
über einen Fachanwaltstitel zu
verfügen, einen solchen zu erwerben
oder zumindest anzustreben. Die sich
der juristischen Ausbildung anschließende
Weiterbildung durch Erwerb
eines Fachanwaltstitels ist daher für
Nachwuchsanwälte in der Gegenwart
mittlerweile fast schon eine Selbstverständlichkeit
– sie wird auch belohnt,
können doch Fachanwälte im Wettbewerb
mit Kollegen, die über keinen
Fachanwaltstitel verfügen, höhere Stundensätze
gegenüber Mandanten realisieren
und spürbar höhere Umsätze
und damit unternehmerische Gewinne
erzielen. Die hierfür notwendige Vorleistung:
der Besuch eines Fachanwaltslehrgangs
und der Nachweis der
Bearbeitung einer Mindestzahl von
praktischen Fällen im Rechtsgebiet,
die abhängig vom jeweiligen Fachanwaltsgebiet
ist. Gerade dieser Nachweis
prak tischer Erfahrung gestaltet
sich zu nehmend schwieriger, neigen
Rechts suchende doch dazu, bevorzugt
erfahrene Fachanwälte zu beauftragen
und nicht Junganwälte, die erst noch
Fachanwalt werden wollen. Einziger
Ausweg für Berufseinsteiger ist häufig
eine Anstellung bei Fachanwälten, die
die geeigneten Fälle akquirieren und
zur Bearbeitung kanzleiintern weiterreichen.
Eine vorausschauende Planung
des Erwerbs eines Fachanwaltstitels,
der bereits referendariatsbegleitend
durch Besuch entsprechender, für Referendare
häufig vergünstigt angebotener
Fachanwaltslehrgänge begonnen
werden kann, ist daher jedem Referendar
anzuraten.
Die Anwaltsrobe – ein selten(er)
gebrauchtes Kleidungsstück
Als Synonym für Rechtsanwälte wird
gerne der Begriff des «Robenträgers»
verwendet – die Robe ist die Berufstracht
des Rechtsanwalts vor Gericht.
Dem traditionellen Bild des Rechtsanwalts
entspricht ein starker Fokus
auf die forensische Praxis – bis heute
sind Studium und Referendariat darauf
ausgerichtet, prozessual denkende
Dezisionsjuristen auszubilden. Wer als
Nachwuchsjurist in der Rechtsanwaltschaft
ankommt, wird deshalb häufig
überrascht sein, dass das gerichtliche
Tätigkeitsfeld mittlerweile für die meisten
Rechtsanwälte eine vergleichsweise
geringe Bedeutung hat: Nur
rund ein Viertel ihrer Arbeitszeit verwenden
Rechtsanwälte in der Gegenwart
auf Mandate, deren Gegenstand
die Prozessvertretung ist. Bedeutender
sind die außergerichtliche Beratung
und die außergerichtliche Vertretung.
Die meiste Arbeitszeit fließt mit 35 %
in Beratungsmandate – also solche, in
denen der Mandant nicht nach außen
vertreten, sondern rein intern beraten
wird. Fast ebenso bedeutend ist die
außergerichtliche Vertretung von Mandanten
gegenüber Dritten. Bemerkenswert:
Fast jeder zehnte Rechtsanwalt
ist überhaupt nicht mehr gerichtlich
tätig. Wer einen Blick in die Justizstatistik
wirft, kann von diesem Befund
freilich nicht überrascht sein: Während
sich in den vergangenen 20 Jahren die
Zahl der Rechtsanwälte verdoppelt hat,
sind die Eingangszahlen bei den Gerichten
dramatisch zurückgegangen –
immer mehr Rechtsanwälte teilen sich
also immer weniger Gerichtsverfahren.
Für Nachwuchsanwälte bedeutet dies,
dass nicht-juristische Kompetenzen,
die in der Ausbildung kaum vermittelt
werden, für den beruflichen Erfolg immer
wichtiger werden: So verbringen
Rechtsanwälte nach der Studie «Anwaltstätigkeit
der Gegenwart» des Soldan
Instituts ein Drittel ihrer Arbeitszeit
in Besprechungen mit Mandanten
oder Dritten, hingegen nur 11 % in
Gerichtsterminen. Ein solcher Arbeitsschwerpunkt
verlangt solide Fähigkeiten
zum Beispiel im Bereich der Gesprächs-
und Verhandlungsführung –
der nach wie vor lieblose Umgang mit
der seit 2003 bestehenden gesetzlichen
Pflicht, entsprechende Schlüsselqualifikationen
in der juristischen Ausbildung
zu vermitteln, bedeutet, dass bei
jungen Rechtsanwälten hier häufig erhebliche
Defizite bestehen. Wer sich
daher entsprechende Fähigkeiten, die
sich durch Besuch einschlägiger Fachveranstaltungen
erlernen lassen, aneignet,
wird sich beim Start in den
anwaltlichen Berufsalltag leichter tun
(und erfolgreicher sein) als so mancher
Kollege.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 73
Kartellanwalt – eine
berufliche Perspektive
für junge Juristen?
❯❯
Von Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker *
Obwohl das Kartellrecht in der universitären
Ausbildung noch immer etwas
stiefmütterlich behandelt wird, hat es
in der Beratungspraxis in den vergangenen
Jahren eine herausragende Rolle
eingenommen. Im Fokus der Medien
stehen derzeit die großen Kartellschadenersatzverfahren
wie z.B. das Lkw-
Kartell, das Zucker-Kartell oder die
Kon sumgüterkartelle. Diese bilden allerdings
nur einen kleinen Ausschnitt der
vielfältigen Betätigungsfelder des Kartellanwaltes.
Viele im Kartellrecht tätige Anwälte,
insbesondere solche in Großkanzleien,
beschäftigen sich in enger Zusammenarbeit
mit den Kollegen aus dem M&A-
Bereich mit der Fusions kontrolle. Hier
steht die Frage im Vordergrund, auf
welchen räumlich und sachlich relevanten
Märkten die an dem Zusammenschluss
beteiligten Unternehmen aktiv
sind, und wie sich die konkreten Marktanteile
ermitteln lassen. Oft erfolgt hier
eine enge Zusammenarbeit mit Volkswirten
und Wettbewerbsökonomen.
Neben der Fusionskontrolle deckt
das Kartellrecht die sog. Verhaltenskontrolle
ab. Nach § 1 GWB, Art. 101 AEUV
sind wettbewerbsbeschränkende Absprachen
oder abgestimmte Verhaltensweisen
zwischen Unternehmen
ver boten.
Aufgaben des Kartellanwaltes
Ein Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit
dar, die vom Bundeskartellamt
oder der Europäischen Kommission
verfolgt wird. Hat eine Kartellbehörde
ein Ermittlungsverfahren gegen ein
Unternehmen eingeleitet, besteht die
Aufgabe des Kartellanwaltes darin, das
Unternehmen gegen die drohende Bußgeldforderung
zu verteidigen. Da die
im Kartellrecht verhängten Bußen am
Umsatz des Unternehmens bemessen
werden, geht es hier oft um sehr hohe
und teilweise für die Unternehmen
existenzbedrohende Strafen. Die Arbeit
des Kartellanwaltes besteht nun darin,
das Unternehmen mit den Mitteln des
OWiG und der StPO zu verteidigen.
Letztlich handelt es sich um die «klassischen»
Aufgaben eines Strafverteidigers
mit bestimmten kartellrechtlichen
Besonderheiten. Zwischenzeitlich wird
im Kartellrecht sehr häufig von der
sog. «Bonusregelung» Gebrauch gemacht.
Nach diesen Regelungen der
Kartell behörden kann die Buße bis hin
74
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
zur Bußgeldfreiheit ermäßigt werden,
wenn ein kartellbeteiligtes Unternehmen
mit der Kartellbehörde zusammenarbeitet
und Beweismittel zur Aufdeckung
und zum Nachweis der illegalen
Kartellabsprache liefert. In diesem Fall
arbeitet der Kartellanwalt eng mit der
Kartellbehörde zusammen und übernimmt
in einem gewissen Rahmen die
Er mittlungsarbeit in dem betroffenen
Unternehmen selbst, indem er etwa
Mit arbeiter zu den Kartellverstößen
vernimmt, Unterlagen und Beweismittel
zu den Kartellver stößen sammelt,
diese auswertet und der Kartellbehörde
überlässt.
Ausnahmen vom Kartellverbot
Aufgrund des hohen Aufdeckungsrisikos
durch die Bonusregelung und der
teilweise exorbitanten Sanktionen sowie
der Öffentlichkeitswahrnehmung
werden immer mehr Unternehmen im
Kartellrecht präventiv tätig und machen
die Vermeidung von Kartellverstößen
zum zentralen Gegenstand ihrer Unternehmens-Compliance.
Als externer Berater
hat der Anwalt hier die Aufgabe,
die Geschäftsleitung, die Mitarbeiter
und die Compliance- Officer zu beraten
und zu schulen, welche unternehmerischen
Maßnahmen kartellrechtskonform
sind und wann von einem Verstoß
gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV auszugehen
ist. So ist nicht jede wettbewerbsbeschränkende
Absprache oder
Ab stimmung auch schädlich für den
Wett bewerb und damit kartellrechtlich
verboten. Im Gegenteil: Das Kartellrecht
lässt zahlreiche Ausnahmen vom
Kartellverbot zu (z.B. § 2 GWB, Art. 101
Abs. 3 AEUV). Viele dieser Ausnahmen
sind in sog. Gruppenfreistellungsverordnungen
geregelt. Hierbei lässt sich
generell zwischen Wettbewerbsbeschränkungen
zwischen Unternehmen
derselben Wirtschaftsstufe (beispielsweise
Apple und Samsung), den sog.
horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen,
und Wettbewerbsbeschränkungen
zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen
Wirtschaftsstufen (beispielsweise
Apple und Media-Markt), also Hersteller,
Groß- und Einzelhandel, den sog.
vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen,
unterscheiden.
Im Bereich der horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen
können etwa
sog. überbetriebliche Kooperationen
(beispielsweise ein gemeinsamer Einkauf,
eine gemeinsame Produktion von
Komponenten oder eine gemeinsame
Logistik) zu Kostensenkungen bei den
Unternehmen führen und damit wettbewerbsfördernde
Wirkung haben. Als
Kartellanwalt besteht in diesen Bereichen
die Tätigkeit oft darin, den Mandanten
die kartellrechtlichen Möglichkeiten
und Grenzen einer
solchen Kooperation aufzuzeigen und
diese mit zu gestalten.
Aktuelle Probleme
Eine sehr enge Verknüpfung zum klassischen
Vertriebsrecht hat der Kartellanwalt
bei den vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen
(beispielsweise
Exklusivitätsregelungen, Wettbewerbsverbote,
Alleinbelieferungsverpflichtungen
oder Beschränkungen von Vertriebsgebieten
oder Kundengruppen).
Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen
können durchaus positive Wirkungen
haben: So wird ein Händler nicht
in den Aufbau einer Marke im Rahmen
eines Franchise-Systems investieren,
wenn er im Gegenzug keinen Gebietsschutz
vom Hersteller bekommt. Im
Rahmen dieser vertriebsrechtlichen
Fragestellungen hat der Kartellanwalt
die Aufgabe, die vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen
darauf zu untersuchen,
ob sie mit den kartellrechtlichen
Vorschriften (beispielsweise der
sog. Vertikal-GVO 330 / 2010) in Einklang
stehen. Ein aktuelles Problem, das derzeit
viele Kartellrechtler beschäftigt, ist
die Internet-Ökonomie. Aufgrund des
Siegeszuges von «amazon & Co» verliert
der stationäre Einzelhandel zunehmend
Marktanteile an e-commerce-
Händler, die oft deutlich billiger an bieten
können als stationäre Händler, da sie
kaum Kosten für Mieten, Verkaufspersonal
etc. haben. Hier versuchen viele
Einzelhändler, Druck auf die Hersteller
auszuüben, die Waren an Internethändler
teurer zu verkaufen. Ein solches
«Doppelpreissystem» ist allerdings
kartellrechtswidrig und hat schon zu
zahlreichen populären Ermittlungsverfahren
der Kartellbehörden geführt
(Dornbracht, Gardena, etc.).
Was ist «private enforcement»?
Neben diesen herkömmlichen Tätigkeitsfeldern
des Kartellanwalts hat sich
in den letzten Jahren ein neuer Bereich
in der Beratungspraxis durchgesetzt
und in kürzester Zeit eine dominierende
Rolle eingenommen: das sog.
«private enforcement». Hinter diesem
Begriff verbirgt sich der sog. Kartellschadenersatz.
Es handelt sich um
nichts anderes als um – jedem Studenten
ab dem zweiten Semester bekannte
– deliktische Schadenersatzansprüche.
Hat ein Abnehmer von einem
Lieferanten Waren gekauft, die Gegenstand
von Kartellabsprachen waren,
dann hat der Abnehmer einen deliktischen
Schadenersatzanspruch. Dies
ergibt sich bereits aus § 823 Abs. 2 BGB
i.V.m. § 1 GWB. Zwischenzeitlich hat
der Gesetzgeber hier aber neben einer
eigenen Anspruchsgrundlage im Kartellrecht
zahlreiche kartellrechtliche
Sondervorschriften erlassen. So muss
etwa der Kartellverstoß als solcher
nicht mehr bewiesen werden, wenn
dieser von einer Kartellbehörde oder
einem Kartellgericht rechtskräftig festgestellt
wurde (der Kartellrechtler spricht
von einer sog. Follow-on-Klage). In diesen
Prozessen geht es also um klassische
«Litigation»-Fragen (Zuständigkeiten
der Gerichte, Aktivlegitimation,
Gesamtschuldnerschaft, Verjährung,
Vorteilsausgleichung etc.). Kartellrechtliche
Besonderheiten ergeben sich erst
bei der Frage der Schadenshöhe, die
der Richter nach § 287 ZPO schätzt. Der
Ausgangspunkt ist auch hier das allgemeine
zivilrechtliche Schadensrecht, also
die Differenzhypothese des § 249 BGB
und die Frage: Zu welchen Preisen hat
der Abnehmer bezogen, und zu welchen
Preisen hätte der Abnehmer ohne
die Kartellabsprache bezogen. Letzteres
kann nicht bestimmt werden, denn den
Bezugspreis unter hypothetischen Wettbewerbsbedingungen
kennt niemand.
Es gibt aber wettbewerbsökonomische
und wettbewerbs ökonometrische Verfahren,
mit denen man sich unter bestimmten
Annahmen diesem Preisniveau
mehr oder weniger genau nähern
kann. Diese Bere chnungen werden in
der Beratungspraxis häufig von Wettbewerbsökonomen
angestellt und dann
als Partei- oder Gerichtsgutachten Gegenstand
des Schadenersatzprozesses.
Eine weitere Besonderheit in Kartellschadenersatzprozessen
ist aus der angloamerikanischen
Praxis nach Deutschland
«geschwappt»: Häufig gibt es bei
Kartellen eine Vielzahl von Geschädigten
(im Lkw-Kartell geht man beispielsweise
von etwa 600.000 geschädigten
Abnehmern aus). Da die Prozesse aber
immer noch sehr aufwändig, teuer und
risikoreich sind, werden die Ansprüche
oft von sog. Bündelungsgesellschaften
erworben, die diese dann auf eigenes
Risiko und in eigenem Namen geltend
machen. Ist die Bün delungsgesellschaft
erfolgreich, erhält der Geschädigte die
Schadenssumme unter Abzug der Gebühr
der Bündelungsgesellschaft ausgezahlt.
Hinter den Bündelungsgesellschaften
stecken in der Regel Finanzinvestoren,
die den Prozess (Anwälte, Gericht, Gutachter
etc.) finanzieren und im Gegenzug
einen Teil der erstrittenen Schadenssumme
erhalten.
Die Aufgabe des Kartellanwaltes in
diesen Prozessen geht daher oft über
die reine anwaltliche Begleitung des
Schadensersatzprozesses hinaus, und
er wird daneben zum «Projekt-Manager»,
der die Tätigkeiten der Beteiligten
(Gutachter, Finanzierer, Bündelungsgesellschaft,
oft auch Statistiker und Datenanalysten)
steuert und koordiniert.
Ein zukunftsträchtiges
Betätigungsfeld
Ergo: Die Arbeit des Kartellanwalts geht
weit über eine Arbeit im reinen Kartellrecht
hinaus. Er ist an der Schnittstelle
zum Strafrecht, zum M&A, zum Gesellschaftsrecht,
zum Vertriebsrecht und
Deliktsrecht tätig, hat mit einer Vielzahl
von Fakultäten, insbesondere mit Volkswirten
und Wettbewerbsökonomen zu
tun, und übernimmt immer häufiger
Managementaufgaben. Sicher eine Herausforderung
für junge Juristen, aber
ein überaus spannendes und zukunftsträchtiges
Betätigungsfeld. Es ist sicher
sinnvoll, ein hohes Maß an Interesse für
wirtschaftliche Zusammenhänge mitzubringen
und in der Uni gelegentlich
eine Vorlesung über Makroökonomie,
Statistik, Ökonometrie oder Wettbewerbspolitik
zu hören.
Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker
* Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker ist geschäftsführender Gesellschafter der SGP Rechtsanwälte mit Sitz in Ulm. Dort leitet er das Dezernat Kartellrecht und
Compliance. Mit seinem Team bietet er seinen Mandanten getreu dem Kanzlei-Motto «Unternehmen. Besser. Machen.» höchstes Beratungsniveau durch
aus gewiesenes Expertenwissen und langjährige praktische Erfahrung. Neben seiner Anwaltstätigkeit ist Prof. Zwecker Professor für Wirtschaftsrecht an der
betriebswirtschaftlichen Fakultät der Hochschule Neu-Ulm und Referent bei zahlreichen Seminaren.
Autorenfoto: privat, Illustration (S. 75): de.fotolia.com/# Nr. 166495707 © suslo
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Baurechtler
und ihr (Hand-)Werk
Anwaltliche Tätigkeit in einer mittelständischen Kanzlei mit
bau- und immobilienrechtlichem Schwerpunkt
❯❯
Von Rechtsanwältin Dr. Meike Kilian und Rechtsanwältin Eva Strauss *
«Qual der Wahl»
Das Studium der Rechtswissenschaften
ist traditionell auf die Befähigung zum
Richteramt ausgerichtet. Wer sich für
dieses Studium entscheidet, ist aber
keineswegs auf diesen konkreten Berufsweg
festgelegt, denn die Juristerei
bietet viele Möglichkeiten. Trotzdem
entscheiden sich zahlreiche Absolventen
für den Rechtsanwaltsberuf. Doch
auch hier hat man «die Qual der Wahl»
nicht nur mit Blick auf die Fülle möglicher
Tätigkeitsschwerpunkte: Soll es
eine kleine oder mittelständische, vielfach
hochspezialisierte Anwaltsboutique
werden oder doch lieber eine
große «law firm»?
Frühe Spezialisierung?
Dabei bietet das Referendariat hervorragende
Gelegenheit dazu, unterschiedliche
Kanzleiformen und Rechtsgebiete
kennenzulernen und sich selbst
auszuprobieren, um die spätere Entscheidungsfindung
zu erleichtern, wenn
beide Examen endlich geschafft sind.
Eine frühzeitige Spezialisierung auf ein
Rechtsgebiet im Studium oder Referendariat
schadet sicherlich nicht, ist aus
unserer Sicht jedoch nicht zwingend
erforderlich.
«Learning by doing»
Wir sind in einer mittelständischen
Kanzlei gelandet, die mittlerweile seit
60 Jahren schwerpunktmäßig auf dem
gesamten Gebiet des öffentlichen Rechts
sowie des Zivilrechts rund um die Immobilie
tätig ist. Wir arbeiten auf dem
Gebiet des öffentlichen Bau- und Planungsrechts
bzw. des privaten Bauund
Immobilienrechts, ohne uns zuvor
schon in der Ausbildung hierauf spezialisiert
zu haben. Unser Einstieg in
das Berufsleben hat uns gezeigt: Das
nötige «Werkzeug», das uns die juristische
Ausbildung an die Hand gibt, ermöglicht
auch das Einarbeiten in neue
Rechtsmaterien zu Beginn eines neuen
Berufsabschnitts. Die tägliche Arbeit
und der Praxisbezug machen deutlich,
dass «learning by doing» immer noch
am besten funktioniert.
Nachfolgend wollen wir deshalb
einen kleinen Einblick in unseren Berufsalltag
gewähren, der möglicherweise
die Lust auf eine Tätigkeit «rund
um die Immobilie» weckt.
78
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Öffentliches Baurecht
Ein Grundstück und was nun? Bauen?
Aber wie? Und schon sieht man sich
mitten im Alltag eines Baurechtlers.
Von trockenem Verwaltungsrecht kann
keine Rede sein, wenn es um die Nutzung
von Grundstücken geht. Hier
wird mitgestaltet – im Großen wie im
Kleinen, wenn es um die Errichtung
von Ein- oder Mehrfamilienhäusern
geht, die Ansiedlung von Einzelhandelsvorhaben,
Einkaufszentren, großen
Bürokomplexen, Gewerbe- und Industriebauten,
Hotels oder aber die (Neu-)
Entwicklung ganzer Stadtquartiere. Im
Rahmen dieser vielschich tigen Projektarbeit
trifft und arbeitet man zusammen
mit unterschiedlichsten Berufsgruppen
wie Architekten, Ingenieuren
und Unternehmen, sodass die reine juristische
Arbeit durch fachfremde Betrachtungen
bereichert und ergänzt
wird. Im Berufsalltag verschlägt es die
Öffentlichrechtler dann auch nicht selten
an die frische Luft, denn den besten
Eindruck von einem Grundstück und
dessen Umgebung gewinnt man schließlich
vor Ort.
Da die Praxis eine schnelle Realisierung
von Bauvorhaben fordert, steht
daneben insbesondere der stetige Austausch
mit den Genehmigungsbehörden
im Mittelpunkt der anwalt lichen
Tätigkeit. Denn durch eine frühe Projektbegleitung
und vorausschauende
Planung lassen sich oftmals zeitraubende
gerichtliche Auseinandersetzungen
vermeiden. Eine sach- und interessengerechte
Vertretung der Man danten
erfordert vielfach Verhandlungsgeschick.
Denn die tägliche anwaltliche Tätigkeit
bewegt sich oft im Spannungs feld gegenläufiger
Interessen nicht nur von
Behörden und Bauherrn, sondern auch
von Bauherrn und Nachbarn. Diese Interessen
gilt es miteinander in Einklang
zu bringen. Weil sich die Differenzen
nicht immer ausräumen lassen, kommt
der Einsatz vor Gericht auch nicht zu
kurz.
Ebenso facettenreich wie die Projektstruktur
gestalten sich die zu beantwortenden
Rechtsfragen, da auf dem
Weg zur Realisierung der Bauvorhaben
zahlreiche Rechtsmaterien wie bspw.
das Bauplanungsrecht, das Bauordnungsrecht,
das Umweltrecht u.v.m.
ineinander greifen. Dementsprechend
arbeiten im Sinne einer effektiven
Rechtsberatung, insbesondere bei der
Planung von Großbauvorhaben, hochspezialisierte
Kollegenteams zusammen.
Das tägliche aktive Gestalten, Vermitteln
sowie die Suche nach kreativen Lösungen
machen also die grundstücks- und
projektbezogenen Beratungen im öffentlichen
Baurecht äußerst spannend und
abwechslungsreich.
Privates Bau- und
Immobilienrecht
Auch im privaten Baurecht dreht sich
alles um die Immobilie und ihre Anfänge.
So beginnt die zivilrechtliche Beratung
regelmäßig mit einem Grundstück,
einer Baumaßnahme oder bereits
deren Planung. Dabei begegnen einem
immer wieder alte Bekannte aus dem
Studium, etwa wenn es um grundlegende
Aspekte beispielsweise des Immobiliarsachenrechts
oder des Werkvertragsrechts
geht. Die Dinge und
Zusammenhänge, auf die es im Einzelfall
bei der anwaltlichen Beratung aber
entscheidend ankommen kann, werden
einem regelmäßig erst in der Praxis nähergebracht.
Themen, die im Studium
auf der Hitliste nicht immer an erster
Stelle standen, erlangen hier nun hohe
Priorität, wenn sich etwa abzeichnet,
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 79
dass ein durch Grunddienstbarkeit
gesichertes Wegerecht die Bebauungsabsichten
eines Mandan ten gefährdet.
Und plötzlich werden auch die im Studium
allenfalls abstrakt bekannte Prüfung
von Grundbuchaus zügen und die
Auslegung notarieller Bewilligungsurkunden
höchst spannend, da sie erhebliche
Bedeutung für die Verwertbarkeit
eines Grundstückes haben. Bei
großen Bauprojekten beginnt die rechtliche
Beratung daher schon sehr früh,
um dem Mandanten eine Risikobewertung
über die Grundstückssituation geben
zu können. Hierbei wird regelmäßig
dezernatsübergreifend gearbeitet,
um sowohl das öffentliche Baurecht
als auch die zivilrechtlichen Themen
rechtssicher einzuschätzen.
Auch im Zivilrecht geht es (regelmäßig)
nicht ohne den Nachbarn. Bei
Realisierung eines Bauvorhabens im
inner städtischen Bereich wird man
selten darum herumkommen, auch
die Interessen der Nachbareigentümer
zu berücksichtigen, wenn etwa bei
Abbruchmaßnahmen mit Lärm oder
Erschütterungen zu rechnen ist. Die
Baupraxis zeigt, dass die Führung gerichtlicher
Verfahren oftmals mit kostenträchtigen
Bauzeitverzögerungen verbunden
ist. Deshalb müssen in solchen
Fällen regelmäßig andere Konfliktlösungsstrategien
– unter Einbindung der
Nachbareigentümer – gefunden werden,
beispielsweise durch Vergleichsbemühungen
und die Gestal tung von
nachbarschaftlichen Vereinbarungen.
Die tägliche Arbeit, auch eines Junganwalts,
findet aber auch hier nicht
nur am Schreibtisch statt. Neben Besprechungsterminen
mit Mandanten
oder Gegnern gehört auch die Wahrnehmung
von Gerichtsterminen oder
Ortsterminen mit Sachverständigen zur
Anwaltstätigkeit. Dabei kommt man in
den Genuss, über den rechtlichen Tellerrand
zu blicken, um so auch ein
Verständnis für die oftmals relevanten
technischen Aspekte entwickeln zu
können. Ist ein Bauvorhaben nämlich
bereits im Gange, stellen sich nicht selten
Fragen im Zusammenhang mit
Mängeln am Bauwerk und der Qualität
der Leistungserbringung der einzelnen
am Bau beteiligten Personen, wie Architekten,
Fachplaner und ausführende
Unternehmen. Streitigkeiten über Mängel
führen dabei regelmäßig zur Einleitung
selbstständiger Beweissicherungsverfahren
oder Klageverfahren.
Da dabei entscheidend sein kann, wie
die Haftung in den Vertragsgrundlagen
gestaltet wurde, gehört auch die Prüfung
von Bestandsverträgen zum Arbeitsalltag.
Tradition
Auf die Unterstützung unseres Teams
von mittlerweile 33 Anwälten an unserem
neuen Standort am Rhein in
Köln-Bayenthal durch neugierige und
engagierte Referendare freuen wir uns,
denn diese hat bei uns gute Tradition –
eine Tradition, die sich bewährt hat,
wie die daraus hervorgegangenen Eigengewächse
zeigen. Referendare werden,
wie auch die späteren Junganwälte,
in unserer Kanzlei einem Partner
zugewiesen, um Einblick in dessen Berufsalltag
und die jeweilige inhaltliche
Spezialisierung zu erhalten.
Kompetenz durch
Spezialisierung
Gemäß dem Kanzleigrundsatz «Kompetenz
durch Spezialisierung» gelingt
durch diesen engen fachlichen Austausch
in der täglichen Mandatsarbeit
eine optimale Weichenstellung auf
dem Weg zur eigenen Spezialisierung.
Dabei wird der Weg zum Spezialisten
zugleich durch den aktiven «Einsatz an
der Front» von Beginn der anwaltlichen
Tätigkeit an gefördert. In einer
mittelständischen Kanzleistruktur bedeutet
dies, dass wir als Junganwälte
von Tag eins an eine hohe Verantwortung
in der Mandatsarbeit übernehmen,
die den stetigen Lernprozess
enorm beflügelt. Dabei ist jedoch niemand
allein, da zu jeder Zeit die erfahrenen
Kollegen mit Rat und Tat zur
Seite stehen.
Deshalb keine Angst vor dem
Sprung ins kalte Wasser. Der lohnt
sich, nicht zuletzt aufgrund des äußerst
kollegialen Miteinanders, das
auch durch gemeinsame Veranstaltungen
gestärkt wird, beispielsweise – wie
könnte es bei einer «echten kölschen
Kanzlei» anders sein – die jährlichen
Karnevalsfeiern. Wenn auch ihr bereit
seid, mit vollem Einsatz auf hohem Niveau
in einer mittelständischen Kanzlei
mitzuwirken, sind eure Bewerbungen
stets willkommen.
Dr. Meike Kilian
Eva Strauss
* Dr. Meike Kilian ist seit 2015 als Rechtsanwältin
in der Kanzlei Lenz und Johlen Rechtsanwälte
Partnerschaft mbB tätig. Sie studierte
in Bonn und Berlin (HU) und promovierte an
der Universität Bonn. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte
liegen im öffentlichen Bau- und Planungsrecht,
im Denkmalschutzrecht und im
Besonderen Städtebaurecht.
Eva Strauss ist ebenfalls seit 2015 als Rechtsanwältin
in dieser Kanzlei tätig. Sie studierte
an den Universitäten Köln und Kopenhagen.
Schwerpunkte ihrer anwaltlichen Tätigkeit
sind das Grundstücks- und Immobilienrecht,
das gewerbliche Miet- und Pachtrecht sowie
das Bau- und Architektenrecht.
Autorinnenfotos: Lenz und Johlen Rechtsanwälte
Partnerschaft mbB
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Rechtsberater
❯❯
Von Dr. Armin Winnen *
Notare – Mehr als nur Vorleser
«Wird das ständige Vorlesen von Urkunden
nicht auf die Dauer langweilig?»
– Diese oder ähnliche Fragen werden
mir häufig von Studenten und
Referendaren gestellt, die sich für den
Beruf des Notars interessieren. Gerade
am Erfordernis des Verlesens der Niederschrift
lassen sich ganz wesentliche
Aufgaben des Notars erkennen: Es soll
zum einen gewährleistet werden, dass
sämtliche Beteiligte von dem Inhalt der
Urkunde Kenntnis erlangen und sich
mit deren Inhalt tatsächlich auseinandersetzen
und vertraut machen. Zum
anderen wird sichergestellt, dass der
Notar seine Aufklärungs- und Belehrungspflichten
gegenüber den Beteiligten
wahrnimmt. Die Wahrnehmung
dieser Pflichten stellt oftmals den wesentlichen
Kern der Beurkundungsverhandlung
dar. Und dabei kommt mitnichten
Langeweile auf. Der Notar hat
dabei vor allem die Aufgabe, unerfahrenen
und ungewandten sowie juristisch
nicht vorgebildeten Beteiligten
die oftmals juristisch nicht einfachen
Problemstellungen zu erläutern und
hierdurch sicherzustellen, dass diese
verstanden werden.
Die Klienten des Notars stammen
dabei aus der gesamten Bandbreite
der Gesellschaft. Er wird von juristisch
erfahrenen und völlig unerfahrenen
Personen, Verbrauchern und Unternehmern
aufgesucht. Es erscheinen alte
und junge, vermögende und nicht vermögende,
kranke und gesunde Menschen
bei ihm. Auf jeden Termin muss
sich der Notar schnell und individuell
einstellen. Es bedarf oftmals eines großen
Einfühlungsvermögens und einer
guten Menschenkenntnis, um mit den
Beteiligten richtig umzugehen und deren
Sprachebene zu finden. Schließlich
ist der Besuch beim Notar für die meisten
Beteiligten ein außergewöhn liches
und besonderes Ereignis, wenn man
sich vor Augen führt, dass der Gesetzgeber
das Beurkundungserfordernis
nur bei besonders wesentlichen Rechtsgeschäften
anordnet.
Vorbereitung von Urkunden
Zwar stellt das Verlesen der Niederschrift
eine Kernaufgabe der notariellen
Tätigkeit dar, doch handelt es sich
dabei mitnichten um die einzige Aufgabe
des Notars. Zu seinen wesentlichen
weiteren Aufgaben zählt vor
82
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Notare haben vor allem die Aufgabe,
unerfahrenen und ungewandten sowie juristisch
nicht vorgebildeten Beteiligten die oftmals juristisch
nicht einfachen Problemstellungen zu erläutern und
hierdurch sicherzustellen, dass diese verstanden
werden.
Die Vorleserin – eine zukünftige Notarin?
allem die Vorbereitung seiner Urkunden.
Dabei geht es vor allem darum,
den Willen der Beteiligten zu ermitteln
und in eine rechtlich zutreffende Regelung
zwischen den Beteiligten umzusetzen.
Hier sind dann tatsächlich fundierte
Rechtskenntnisse verlangt. Dabei
sind die Tätigkeitsbereiche des Notars
besonders vielfältig, was aus meiner
Sicht einen ganz besonderen Reiz meiner
Tätigkeit ausmacht.
Die notarielle Unparteilichkeit
Der Notar hat stets seine gesetzlich
vorgesehene Unparteilichkeit gegenüber
sämtlichen Beteiligten zu wahren,
was ein ganz wesentlicher Unterschied
zur anwaltlichen Tätigkeit ist.
Insoweit hat ein Notar vor allem bei
gegenläufigen Interessen und Vorstellungen
gegenüber sämtlichen Beteiligten
die gleiche Distanz zu wahren. Er
ist eben anders als der Rechtsanwalt
kein Parteivertreter.
Rechtsgebiete in der
notariellen Praxis
Es dürfte wenige juristische Berufe geben,
die in der täglichen Praxis mit so
vielen unterschiedlichen Rechtsgebieten
befasst sind. In folgenden Bereichen erwarten
die Beteiligten eine Beratung
und anschließend ausgearbeitete Entwürfe
des Notars:
❯❯
Immobilienrecht:
Kauf und Schenkung von Immobilien,
Bauträgerverträge, Bestellung von
Grundpfandrechten zur Finanzierung
des Immobilienankaufs, Aufteilung von
Immobilien in Wohnungseigentum,
Änderung von Teilungserklärungen,
Bestellung von weiteren Grundstückbelastungen
(z.B. Wohnungs-, Wegeund
Leitungsrechte), Begründung und
Übertragung von Erbbaurechten
❯❯
Familienrecht:
Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen,
Partnerschaftsverträge
zwischen nichtehelichen Lebenspartnern,
Vaterschaftsanerkennungen,
Adoptionen, Vorsorgevollmachten und
Patientenverfügungen
❯❯
Erbrecht:
Testamente und Erbverträge, Erbscheinsanträge
und Anträge auf
europäische Nachlasszeugnisse, Erbauseinandersetzungen,
Erbausschlagungen,
Nachlassverzeichnisse, Erbund
Pflichtteilsverzichte
❯❯
Gesellschaftsrecht:
Gründung von Personen- und Kapitalgesellschaften
einschließlich des Entwurfes
von Gesellschaftsverträgen und
die Vornahme damit im Zusammenhang
stehender Handelsregisteranmeldungen,
Verkauf und Übertragung von
Gesellschaften, Umwandlung von Gesellschaften,
Änderungen von Gesellschaftsverträgen,
Protokollierung von
Gesellschafterversammlungen
❯❯
Vereins- und Stiftungsrecht:
An meldungen zum Vereinsregister,
Stiftungsgeschäfte und Zustiftungen.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 83
Zusätzlich sind in der täglichen Praxis
in sämtlichen genannten Bereichen
aufgrund der fortschreitenden Internationalisierung
oftmals Fragen des
internationalen Privatrechtes zu behandeln.
Auch die interprofessionelle
Zusammen arbeit mit anderen beratenden
Berufen, insbesondere Steuerberatern,
ist in vielen Fällen erforderlich
und angezeigt. Gerade hierdurch ergibt
sich aus meiner Sicht stets ein interessanter
Erfahrungsaustausch, der den
eigenen (oftmals zu sehr juristisch geprägten)
Horizont sehr erweitert. In
diesem Zusammenhang sind zumindest
auch Grundkenntnisse im Steuerund
Sozial recht erforderlich.
Bei der Gestaltung von Urkunden ist
es keineswegs so, dass stets auf vorgefertigte
Muster und Lösungen zurückgegriffen
werden kann, was ein häufiges
Vorurteil in Bezug auf die notarielle
Tätigkeit ist. Zwar gibt es eine Vielzahl
von Hand- und Formular büchern und
stets auch eine eigene Mustersammlung,
auf die man selbstverständlich
zur Vorbereitung von Urkunden primär
zurückgreift, doch ist in aller Regel eine
Individualisierung der zu erstellenden
Entwürfe anhand der kon kreten Umstände
des Einzelfalles er forderlich.
Im Anschluss an die Beurkundung
privatrecht liche Genehmigungen zur
Urkunde einzuholen.
Der Weg zum Notar
Der Weg zum Beruf des Notars führt –
zumindest im Bereich des hauptberuflichen
Notariats – über einen mindestens
dreijährigen Anwärterdienst als
Notarassessor. Dabei werden nur so
viele Bewerberinnen und Bewerber in
den Anwärterdienst übernommen, wie
später voraussichtlich als Notarinnen
und Notare bestellt werden können. In
den Anwärterdienst werden nur solche
Bewerberinnen und Bewerber eingestellt,
die die Gewähr dafür bieten,
dass sie sich nach Persönlichkeit, Fähigkeiten,
Kenntnissen und Leistungen für
das Notaramt eignen. Typischerweise
werden für die Übernahme in den Anwärterdienst
in fachlicher Hinsicht überdurchschnittliche
Ergebnisse in beiden
Staatsexamina erwartet. Im Einzelnen
können zu den Übernahmevoraussetzungen
die lokal zuständigen Notarkammern
oder Justizverwaltungen Auskunft
erteilen. Schließlich sollte ein
Anwärter auf das Notaramt auch eine
gewisse örtliche Flexibilität mitbringen.
Gerade in Flächenländern führen Notarvertretungen
und -verwaltungen zu
vermehrter Reisetätigkeit.
oder gar die Verwaltung von zwischenzeitlich
nicht besetzten Notarstellen
wird sichergestellt, dass Notarassessoren
optimal auf die Übernahme eines
eigenen Notaramtes vorbereitet werden.
Darüber hinaus gibt es ein vielfältiges
Fortbildungsangebot, welches von
den Notarkammern organisiert wird
und auch einen kollegialen und persönlichen
Austausch zwischen den Notarassessoren
ermöglicht. Notarassessoren
können sich nach Ableistung des Anwärterdienstes
auf frei werdende oder
neu geschaffene Notarstellen bewerben.
Während des Anwärterdienstes stehen
Notarassessoren in einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis zum
Staat und zur Notarkammer. Die Bezüge
eines Notarassessors sind dabei an die
eines Richters auf Probe angeglichen.
Mein persönlicher Weg ins Notariat
begann mit der Wahlstation im Referendariat,
die ich ganz bewusst bei einem
Notar absolviert habe. Hierdurch
konnte ich wertvolle erste Einblicke in
einen mehr als interessanten Beruf erlangen,
der in der juristischen Ausbildung
für mich persönlich bis dahin viel
zu kurz gekommen ist.
ist die Arbeit des Notars und seiner Während des Anwärterdienstes
Mitarbeiter regelmäßig noch nicht beendet.
Vielmehr schließt sich hieran
die Abwicklung bzw. der Vollzug der
Urkunde an. Oftmals sind Eintragungen
in Registern (Grundbuch, Handelsregister,
zentrales Vorsorgeregister,
zentrales Testamentsregister) zu veranlassen,
Behörden zu kontaktieren
wird man verschiedenen Notaren zur
Ausbildung zugewiesen. Hierbei wird
den Anwärtern frühzeitig die Möglichkeit
gegeben, etwa durch Besprechungen
mit Klienten, erste praktische
Erfahrungen zu sammeln. Durch die
regelmäßige Übernahme von Notarvertretungen
bei Abwesenheit oder Verhinderung
oder/und öffentlich-rechtliche bzw. von amtierenden Notaren
Dr. Armin Winnen
* Notar Dr. Armin Winnen, Amtssitz in Aachen (seit 2017), Studium der Rechtswissenschaften in Köln, Promotion zu einem aktienrechtlichen Thema, Ausbildungsstationen
als Notarassessor (2012 bis 2017) in Köln und Aachen, Mitglied der Geschäftsführung der Rheinischen Notarkammer, Schriftleiter der RNotZ, Autor von
Kommentie rungen (AktG und BeurkG) und Beiträgen in Praktikerbüchern.
Autorenfoto: privat, Foto (S. 83): de.fotolia.com/# Nr. 86385720 © JenkoAtaman
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Der Richterberuf –
nichts für Langweiler
❯❯
Von Dr. Christina Pernice *
Jeden Tag spannende Geschichten, die
das Leben schreibt, verknüpft mit der
Herausforderung, für kniffelige Rechtsfragen
die richtige rechtliche Lösung zu
finden – das macht für mich den Beruf
des Richters aus. Aber nicht nur das:
Auch der Kontakt zu Menschen und
die Aufgabe, Möglichkeiten einer Einigung
auszuloten und zu finden, sind
für mich ein Herzstück der täglichen
Arbeit als Richterin. Beide Kernaufgaben
des Richters – das Bemühen um
eine gütliche Einigung und Befriedung
der Streitparteien einerseits sowie die
Lösung juristischer Probleme durch
Entscheidungen andererseits – sind
eine Kombination, die die richterliche
Tätigkeit vielseitig, anspruchsvoll und
erfüllend sein lassen. Sie machen es
möglich und erfordern, dass man sich
mit seinem Verstand, seinem Wissen
und seiner Persönlichkeit voll einbringt.
Die Verantwortung, die man als
Richter für die rechtsuchenden Menschen,
aber auch für das Gelingen des
Staates und den Zusammenhalt der
Gesellschaft trägt, ist in der täglichen
Arbeit und im Umgang mit den streitenden
Menschen immer spürbar. Sie
tut gut, weil man ihr aufgrund der sachlichen
und persönlichen Unabhängigkeit
als Richter gerecht werden kann.
Wichtig ist für mich dabei vor allem,
dass man in seiner Arbeit nicht von
pekuniären Überlegungen und Erwartungen
anderer abhängig, sondern alleine
«seinem Gewissen unterworfen»
ist. Diese Freiheit ist unbezahlbar! Sie
ist für mich die elementare Voraussetzung
dafür, dass ich mit mir, meiner
Aufgabe und meinen Ent scheidungen
im Reinen sein und das Gefühl haben
kann, das Richtige zu tun.
Familienfreundliche Bedingungen
Da man als Richter im Wesentlichen
selbstbestimmt arbeiten kann, ist es
auch möglich, den beruflichen Alltag
mit seinem keineswegs unerheblichen
Arbeitsanfall weitgehend frei zu gestalten
und diesen mit privaten oder sonstigen
Aufgaben und Interessen in Einklang
zu bringen. Dies ist insbesondere
für die Herausforderung, Familie und
Beruf miteinander zu vereinbaren, ein
klarer Vorteil. Beides lässt sich – da
spreche ich aus eigener Erfahrung – in
der Justiz bestens unter einen Hut
bringen. In der Justiz herrscht nach
meiner Erfahrung ein familienfreundliches
Klima. Das kommt insbesondere
darin zum Ausdruck, dass nicht nur
problemlos Elternzeit und Teilzeit genommen
werden kann, sondern dass
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 85
So ähnlich geht es manchmal auch bei den Amtsgerichten zu.
auch die praktische Umsetzung des
Spagats zwischen Beruf und Familie
von der Gerichtsleitung und den Kollegen
innerhalb des Gerichts unterstützt
wird, sodass diese gelingen kann. Verständnis
und Rücksicht auf meine doppelte
Aufgabe als Richterin und Mutter
dreier Kinder habe ich fast immer erfahren.
Besonders hilfreich ist dabei
natürlich auch, dass man als Richter
seine Arbeitszeiten frei gestalten und
die Akten notfalls auch zu Hause bearbeiten
kann. Die Entscheidung für eine
Familie muss sich zum Glück auch nicht
als Karrierebremse auswirken: In der
Justiz wird durchaus wahrgenommen,
wenn sich Teilzeitkräfte engagiert einbringen;
die berufliche Förderung von
kinderbetreuenden Eltern wird aktiv
betrieben.
Die Vielfalt der Einsatzgebiete
Was ich als weiteren besonderen Vorteil
der Tätigkeit in der Justiz empfinde,
ist die Vielfalt der möglichen Einsatzgebiete.
So ist jedenfalls in einigen
Bundesländern ein Wechsel zwischen
Gericht und Staatsanwaltschaft ohne
weiteres möglich und in manchen Ländern
sogar zwingend. Meine berufliche
Tätigkeit hat beispielsweise als Strafrichterin
am Amtsgericht begonnen
und sich dann bei der Staatsanwaltschaft
fortgesetzt. Obwohl ich mich bis
dahin vor allem im Zivilrecht zuhause
gefühlt hatte, hat zu meiner Überraschung
auch das Strafrecht in der
Praxis viel Spaß gemacht. Aus heutiger
Sicht weiß ich: Der Wechsel tut gut
(auch wenn das eigene Herz besonders
für einen bestimmten juristischen
Bereich schlägt), er erweitert den Horizont,
hält geistig wach und belebt.
Nicht nur der Wechsel zwischen
Straf- und Zivilrecht und der – allerdings
meist schwierigere – Wechsel
zwischen Gerichtsbarkeiten, sondern
auch die Möglichkeit einer zeitlich befristeten
Abordnung in ein Ministerium,
einen Landtag, den Bundestag oder –
als wissenschaftlicher Mitarbeiter – an
eines der obersten Bundesgerichte, das
Bundesverfassungsgericht oder auch
europäische Institutionen können eine
spannende Abwechslung sein. Nach
meiner Zeit bei der Staatsanwaltschaft
bin ich selbst für zwei Jahre an das
Staatsministerium Baden-Württemberg
(Staatskanzlei) abgeordnet worden, wo
ich als Justiziarin und Spiegelreferentin
für das Justizministerium ein interessantes,
breit gefächertes Zuständigkeitsfeld
hatte. Ich konnte dort nicht
nur die Tätigkeit in der Ministerialverwaltung
kennenlernen, sondern auch
etwas Einblick in die Arbeit des Landtags
und des Bundesrats gewinnen. Da
ich aber mit Herz und Seele Richter
bin, hat es mich wieder in die Justiz
zurückgezogen, wo ich dann als Zivilrichterin
(am Landgericht) tätig war.
Diese Zeit am Landgericht, in der zwei
meiner drei Kinder geboren wurden,
habe ich – auch wenn sie sehr arbeitsam
war – in bester Erinnerung.
Trotzdem habe ich die Möglichkeit
eines weiteren beruflichen «Ausflugs»
als wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Bundesverfassungsgericht gerne wahrgenommen,
zunächst halbtags und später
ganztags. Die drei Jahre dort haben
mir nicht nur einen eindrucksvollen
Überblick über die Arbeit der deutschen
Gerichte verschafft, sondern mir einige
wunderbare Freundschaften mit klugen
Kollegen aus ganz Deutschland beschert,
die noch heute fortbestehen.
Eine solche Tätigkeit als wissenschaftlicher
Mitarbeiter ist aber nichts für
ewig: Auch wenn die Zuarbeit für einen
Verfassungsrichter spannend ist,
erstarkt doch nach einiger Zeit bei den
meisten Hiwis – wie bei mir – der
86
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Wunsch, wieder selbst Verantwortung
als Richter zu übernehmen.
Unterschiedliche Herausforderungen
– man wächst mit
seinen Aufgaben
Nach der Abordnung an das Bundesverfassungsgericht
und der Geburt
meines dritten Kindes stand für mich
die Erprobungsabordnung an das Oberlandesgericht
an. Ich kam in einen Familiensenat,
obwohl ich noch nie zuvor
Familiensachen gemacht hatte. Die
Sache entpuppte sich als großes Glück:
Nicht nur – aber auch – dank der tollen
Kollegen habe ich die dortige Zeit
als große Bereicherung empfunden. Ich
habe gelernt, dass das Familienrecht
nicht nur rechtlich spannend und vielseitig
ist, sondern dass dieses Rechtsgebiet
wie kaum ein anderes auch
menschlich eine besondere Herausforderung
ist.
Bald nach der Abordnung bin ich
zum Oberlandesgericht zurückgekehrt,
diesmal in einen eher wirtschaftsrechtlich
ausgerichteten Senat, der daneben
aber (unter anderem) auch für Vergabesachen
zuständig ist. Neben der
richterlichen Tätigkeit im Senat bin ich
Güterichterin am Oberlandesgericht,
was mir vielfältige Einblicke in wirtschaftliche
Zusammenhänge, in familiäre
Strukturen und die menschliche
Seele gewährt, mich auch und insbesondere
als Mensch sehr fordert und
mir sehr viel Freude macht.
Oberlandesgerichte, Landgerichte,
Amtsgerichte …
So unterschiedlich die tägliche Arbeit
eines Richters je nach der konkreten
Aufgabe ist, ich habe sie immer als abwechslungsreich
und spannend erlebt.
Natürlich entfällt ein Großteil der täglichen
Arbeitszeit im richterlichen Bereich
auf die Lektüre von Akten, die
juristische Recherche und das Diktieren
bzw. Schreiben von Entscheidungen.
Das gilt vor allem für die Tätigkeit
am Oberlandesgericht, wo mündliche
Verhandlungen meist durch eingehende
schriftliche Voten des jeweils
zuständigen Berichterstatters und eine
hierauf gestützte Beratung im Senat
vorbereitet werden. Verhandlungen
finden hier in der Regel nicht häufiger
als einmal pro Woche – manchmal
auch seltener und im Strafbereich sowieso
nur ausnahmsweise – statt. Zu
Beweisaufnahmen kommt es am Oberlandesgericht
nicht allzu häufig; Vergleichsgespräche
werden aber auch
hier, wenn es sinnvoll und erfolgversprechend
erscheint, geführt. Als Einzelrichter
entscheidet man am Oberlandesgericht
– anders als bei
Land- und Amtsgericht – eher selten.
Das macht einerseits eine weiträumigere
Vorausplanung erforderlich und
führt natürlich auch zu Abstimmungsbedarf
mit den Kollegen; andererseits
kann das aber wegen der interessanten
Rechtsgespräche im Senat, über
die man immer wieder neue Denkanstöße
und Impulse erhalten kann, eine
große Bereicherung sein. Die vertiefte
juristische Arbeit, für die beim Oberlandesgericht
natürlich mehr Zeit
bleibt als bei Land- und Amtsgerichten,
habe ich immer als sehr interessant
und befriedigend empfunden.
Etwas lebendiger als am Oberlandesgericht
ist es allerdings schon aufgrund
der höheren Verfahrenszahlen
beim Landgericht, wo man als Zivilrichter
– meist als Einzelrichter – zumindest
einen Verhandlungstag pro
Woche hat, an dem verschiedene Verfahren
verhandelt werden, und wo sich
eine Hauptverhandlung im Strafbereich
auch mal über einige Tage oder sogar
Wochen ziehen kann. Manchmal ein
bisschen wie im Taubenschlag geht es
schließlich bei den Amtsgerichten zu,
wo je nach Zuständigkeit auch zweimal
oder öfter pro Woche verhandelt wird
und für vertiefte juristische Arbeit daher
naturgemäß weniger Zeit bleibt.
Dafür kommt es umso mehr auf das
eigene Organisations- und Verhandlungsgeschick
sowie die persönliche
Überzeugungskraft an, um die Verfahrenszahlen
zu bewältigen.
Sinnstiftende Arbeit
Ein langer Verhandlungstag, an dem
man – ob bei Amts-, Land- oder Oberlandesgericht
– ständig mit allen Sinnen
voll präsent sein muss, an dem stets
Unvorhersehbares geschehen kann und
vielfach geschieht und an dem man
sich auch immer mit seiner ganzen
Persönlichkeit einbringen muss, fordert
regelmäßig viel Kraft. Meist ist die Erschöpfung
nach der Verhandlung aber
gepaart mit einem Gefühl entspannter
Zufriedenheit, weil es gelungen ist, Probleme
zu lösen, Verfahren zu erledigen
und – im besten Falle – Streitigkeiten
auszuräumen und zuvor zerstrittene
Menschen zusammenzubringen. Als
wohltuend empfinde ich dabei auch
und insbesondere, dass man von den
Menschen, über deren Streitigkeiten
(oder Verfehlungen) man entscheidet,
in der Regel großes Vertrauen sowie
Respekt und Anerkennung erfährt.
Meinen Beruf empfinde ich aus all
diesen Gründen jeden Tag als großes
Glück. Nach fast 20 Dienstjahren kann
ich sagen, dass es niemals langweilig und
immer sinnstiftend war. Noch heute
freue ich mich an jedem Tag auf den
nächsten – mit all seinen juristischen,
menschlichen und praktischen Herausforderungen.
Und natürlich auf die Kollegen
– vielleicht demnächst Sie!
Dr. Christina Pernice
* Dr. Christina Pernice ist derzeit Richterin am
Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Zivilsenat
und Senat für Vergabesachen sowie Landwirtschaftssachen.
Daneben ist sie als Güterichterin
am Oberlandesgericht tätig. Im März 2017 wurde
sie zur Richterin am Bundesgerichtshof gewählt.
Autorinnenfoto: privat
Foto (S. 86): www.istockphoto.com Nr. 689268004 © myibean
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Richter 4.0?
❯❯
Von Dr. Adrian Hans *
Einem Sprichwort zufolge soll nichts
so beständig sein wie der Wandel.
Dieser Ausspruch aus dem fünften
vorchristlichen Jahrhundert soll von
Heraklit von Ephesus stammen.
Die richterliche Tätigkeit befindet
sich ebenfalls im Wandel, man könnte
sagen, sie befindet sich in einem epochalen
Umbruch. Wer in diesen durchaus
spannenden Zeiten die Chance
nutzt und für die Justiz tätig wird,
kann an diesem Wandlungsprozess
täglich teilhaben. Eingeübte Geschäftsprozesse
werden grundlegend umgestaltet.
Die Kommunikation zwischen
Rechtsanwälten und Gerichten erfolgt
auf elektronischem Weg. Die gesamte
Gerichtsadministration und sämtliche
Prozessabläufe werden in absehbarer
Zeit umfassend digitalisiert sein. Auf
den ersten Blick scheint es lediglich so
zu sein, dass man künftig ähnlich einer
E-Mail mit dem Gericht kommunizieren
muss und anstelle einer Papierakte
künftig PDF-Dateien durchgesehen werden
müssen. Verfahrensinformationen,
die bislang in Papierform in Papp- oder
Aktenordnern sortiert worden sind,
werden in digitalisierter Form be- und
verarbeitet. Welche Probleme sich im
Einzelnen stellen, wird erst nach und
nach bei der praktischen Umsetzung
der gesetzlichen Vorgaben sichtbar,
etwa bei Einführung des elektronischen
Rechtsverkehrs. Wie geht man
etwa mit der Möglichkeit um, dass eine
Zustellung gegen Empfangsbekenntnis
auch an Privatpersonen möglich ist
(§ 174 ZPO)? Wie muss man Rechtsbehelfsbelehrungen
anpassen, um die
Einreichung eines Rechtsbehelfs bei der
richtigen Gerichtsbehörde sicherzustellen?
Auch hier lässt sich die Reihe der
Fragestellungen noch abendfüllend fortsetzen.
Blickt man zwei Jahrzehnte zurück,
war eine der ersten wahrnehmbaren
Folgen der Digitalisierung der Zugriff
auf juristische Fachpublikationen. Während
man in den 1990 er Jahren eine
juristische Recherche vor mit Printwerken
gefüllten Regelwänden beginnen
musste, reicht heute schon das
Internet aus, um eine erste Einschätzung
zu einer juristischen Fragestellung
zu erhalten oder um Hintergrundwissen
zu einem Problem zu erlangen.
Die Anbieter juristischer Informationen
haben ihrerseits Plattformen errichtet,
die das Auffinden «der» speziellen
und richtigen Information schnell
und sicher gewährleisten.
Big Data, Cloudsysteme,
predictive analytics
In der Welt der Juristen erfährt das
Thema «Legal Tech» derzeit sehr große
Aufmerksamkeit. Technologien rund
88
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
um «Big Data», Cloudsysteme oder «predictive
analytics» werden eingesetzt,
um Aufgaben zu automatisieren, die
man den Juristen (möglichst) abnehmen
möchte. Vorbilder gibt es bereits:
Banken und Versicherungen wickeln
Kundenkontakte möglichst ohne Kundenkontakt
ab, der Patient soll bereits
vor dem Arztbesuch erfahren, welche
Diagnose ihn erwartet. Steuerberatung
wird automatisiert. Der Wirtschaftsprüfer
wird durch Algorithmen ersetzt,
die den Jahresabschluss eines Unternehmens
maschinell prüfen (zum Beispiel
bei devatax.de). Kundenbeschwerden
werden automatisch beantwortet.
Statt eines Journalisten erstellen Textroboter
Meldungen. Filmdrehbücher
werden von einer Software geprüft und
es wird dabei der Umsatz des Films
prognostiziert, den man auf Grundlage
des Drehbuchs drehen würde. Die
Vorhersage, ob ein Roman wirtschaftlich
erfolgreich sein kann, soll sich
anhand des Schreibstils beantworten
lassen («Using Writing Style to Predict
the Success of Novels» **). Man kann
die Reihe der Beispiele weiterführen.
In der Welt der Juristen wird noch
nicht so recht geglaubt, dass bereits
in absehbarer Zeit tiefgreifende Änderungen
das traditionelle Berufsbild
des Juristen renovieren werden. Die
Ungläubigkeit im Hinblick auf den digitalen
Wandel dürfte der «berufsbedingten
Kritikunfähigkeit» der Juristen
zuzuschreiben sein.
Man kann vermutlich schon in naher
Zukunft mit den ersten wirklich
durchschlagenden Neuerungen bei der
Technologisierung juristischer Aufgaben
rechnen. Vertragstexte können bereits
jetzt automatisch generiert wer den,
Schrift sätze werden möglicherweise
schon bald anhand einiger Stichworte
im Entwurf erstellt und die
Qualität der Schriftsätze wird
von Algorithmen bewertet.
Erwarten kann man auch,
dass künftig die Suche nach
Literatur oder Rechtsprechung
nicht mehr auf Wortübereinstimmungen
basieren
wird, son dern dass Algorithmen
errechnen, welcher
Referenztext der richtige ist.
So verfährt etwa die Plattform
wolfram.com, allerdings
(leider noch) nicht für
juristische Texte.
Richter 4.0?
Vorteile des Richteramts
Falls Sie sich für eine Tätigkeit als Zivilrichter
interessieren, erwartet Sie ein
breites Spektrum juristischer Fragestellungen:
Von Verkehrsunfällen und Erbangelegenheiten,
über Baurechtsstreitigkeiten
bis hin zu Haftungsprozessen
gegen Rechtsanwälte, Steuer berater
und Ärzte sowie Wettbewerbsthemen
bleiben nur wenige Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozessordnung
unberührt. Die Verfahrensabläufe
sind bereits heute
schon gerichtsintern technisch optimiert.
Raum belegung für die mündliche
Verhandlung, Terminierung und
Kommunikation werden weitgehend
automatisiert abgewickelt. Die zunehmende
Digitalisierung beschäftigt inzwischen
alle Mitarbeiter der Justiz.
Falls Sie überlegen sollten, ob der Eintritt
in den Justizdienst das Richtige für
Sie wäre: Der Einstieg in das Richteramt
wird erleichtert durch die gesetzlich
gewährleistete Unabhängigkeit
des Richters. Von Anfang an wird
Entscheidungsstärke gefördert und gelobt.
Der Kollegenkreis, so jedenfalls
meine Erfahrung, verdient das Prädikat,
wirklich kollegial zu sein: hilfsbereit,
aufmerksam, persönlich interessiert,
ehrlich und – wenn es sein
muss – auch kritisch. Sicher liegt eine
Besonderheit der richterlichen Tätigkeit
darin, mit einem Kollegenkreis zusammenarbeiten
zu können, in dem
ein hohes Maß an Eigenmotivation und
Verantwortung aufgebracht wird. Eine
weitere Besonderheit der richterlichen
Tätigkeit besteht darin, dass man aller
Digitalisierung zum Trotz tun kann,
wofür man ausgebildet wurde, und
das ist eben: juristische Sachverhalte
aufzuarbeiten und zu lösen.
Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz
hat auf seinen Internetseiten
*** zusammengefasst, welche
Anforderungen für eine Bewerbung
bestehen. Sie können in Rheinland
Pfalz zwischen der Tätigkeit als Staatsanwalt
und der richterlichen Tätigkeit
wechseln. Während der Assessorenzeit
wird eine möglichst flexible Verwendung
vorausgesetzt. Das bedeutet zum
einen, dass sowohl ein Wechsel zwischen
Zivilgericht und Strafgericht möglich
ist, zum andern muss man aber
auch wissen, dass in einem Flächenland
wie Rheinland-Pfalz eine gewisse
räumliche Flexibilität verlangt wird.
* Dr. Adrian Hans war vor dem Eintritt in den Justizdienst Rechtsanwalt und Steuerberater bei Deloitte und Linklaters, anschließend Prokurist bei einem Medienunternehmen.
Aktuell tätig in der Zivilkammer eines pfälzischen Landgerichts und abgeordnet an das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken (IT-Referat).
** https://aclweb.org/anthology/D/D13/D13-1181.pdf.
*** https://jm.rlp.de/de/ministerium/karriere/richterlicher-und-staatsanwaltschaftlicher-dienst.
Foto: de.fotolia.com/# Nr. 173652771 © phonlamaiphoto
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 89
Ausländisches Recht in der
JuS-Schriftenreihe.
Babeck
Einführung in das
australische Recht
mit neuseeländischem Recht
Von Prof. Dr. h.c. Wolfgang Babeck
2. Auflage. 2017. XXVII, 309 Seiten.
Kartoniert € 49,80
ISBN 978-3-406-68793-8
Blumenwitz/Fedtke
Einführung in das
anglo-amerikanische Recht
Rechtsquellenlehre, Methode der Rechtsfindung,
Arbeiten mit praktischen Rechtsfällen
Begründet von Prof. Dr. Dieter Blumenwitz.
Fortgeführt von Prof. Dr. Jörg Fedtke
8. Auflage. 2018. Rund 180 Seiten.
Kartoniert ca. € 49,80
ISBN 978-3-406-60659-5
In Vorbereitung.
Menski/Fischer
Einführung in das
indische Recht
Von Prof. Dr. Werner F. Menski und
Dr. Alexander Fischer, MA (LSE), LL.M.
(Heidelberg)
2018. Rund 300 Seiten.
Kartoniert ca. € 49,80
ISBN 978-3-406-68034-2
In Vorbereitung.
Adomeit/Frühbeck
Einführung in das
spanische Recht
Das Verfassungs-, Zivil-, Wirtschafts- und
Arbeitsrecht Spaniens
Von Prof. Dr. Klaus Adomeit in Zusammenarbeit
mit Federico, Fernando und
Dr. Guillermo Frühbeck Olmedo
4. Auflage. 2018. Rund 200 Seiten.
Kartoniert ca. e 49,80
ISBN 978-3-406-70956-2
In Vorbereitung.
Bu
Einführung in das
Recht Chinas
Von Prof. Dr. Yuanshi Bu
2. Auflage. 2017. XXVIII, 376 Seiten.
Kartoniert € 49,80
ISBN 978-3-406-69538-4
Rumpf
Einführung in das
türkische Recht
Von Prof. Dr. Christian Rumpf
2. Auflage. 2016. XXXI, 413 Seiten.
Kartoniert € 49,80
ISBN 978-3-406-65766-5
Graf von Bernstorff
Einführung in das
englische Recht
Von Prof. Dr. Christoph Graf von Bernstorff,
Rechtsanwalt
5. Auflage. 2018. Rund 280 Seiten.
Kartoniert ca. € 49,80
ISBN 978-3-406-70955-5
In Vorbereitung.
Kindler
Einführung in das
italienische Recht
Von Prof. Dr. Peter Kindler
3. Auflage. 2018. Rund 400 Seiten.
Kartoniert ca. € 49,80
ISBN 978-3-406-66635-3
In Vorbereitung.
Feiten Wingert Ody
Einführung in das
brasilianische Recht
Von Prof. Dr. Lisiane Feiten Wingert Ody
2017. XXV, 283 Seiten.
Kartoniert € 49,80
ISBN 978-3-406-69540-7
Pereira/Zenthöfer
Einführung in das
luxemburgische Recht
Von João Pereira und Dr. Jochen Zenthöfer
2017. XX, 223 Seiten.
Kartoniert € 49,80
ISBN 978-3-406-69539-1
Ring/Olsen-Ring
Einführung in das
skandinavische Recht
Von Prof. Dr. Gerhard Ring und
Prof. Dr. Line Olsen-Ring, LL.M. (Köln)
2. Auflage 2014. XVI, 282 Seiten.
Kartoniert € 49,80
ISBN 978-3-406-66127-3
Medina/Walter/Scholz/Wabnitz
Einführung in das
israelische Recht
Hrsg. von Prof. Dr. Barak Medina,
Prof. Dr. Christian Walter, Dr. Lothar Scholz
und Dr. Heinz-Bernd Wabnitz
2018. Rund 300 Seiten.
Kartoniert ca. € 49,80
ISBN 978-3-406-71139-8
In Vorbereitung.
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«Denn sie
wissen
(nicht), was
sie tun»:
Warum
ein bisschen
Dolmetschen
und Übersetzen
nicht
reicht
Plädoyer für mehr Sicherheit
im Rechtsverkehr
Von Birgit Strauß *
Durch Globalisierung und Migration sind immer mehr
Menschen auf die Hilfe eines Sprachmittlers, also eines
Dolmetschers bzw. Übersetzers, angewiesen. Das gilt auch
und erst recht für den juristischen Bereich. Egal in welcher
Funktion Sie dort tätig sind, ob als Richter, Staatsanwalt,
Rechtsanwalt.
Wenn Sie vermeiden wollen, dass Prozesse platzen, Ermittlungen
torpediert werden, ein Urteil nicht revisionssicher ist
oder Vertragsverhandlungen ins Stocken geraten, dann sollten
Sie auf gut ausgebildete Sprachspezialisten zurückgreifen.
Machen Sie sich nicht angreifbar –
minimieren Sie Ihr Risiko!
Ihre Risiken
Machen Sie sich bewusst, welche Folgen die Beauftragung
von Laien, d. h. von Personen, die nicht für juristische
Sprachmittlung ausgebildet sind, für Sie haben kann –
die Qualität Ihrer eigenen Arbeit, Zeitaufwand und Kosten
hängen wesentlich von der Tätigkeit der beauftragten Sprachmittler
ab. Laien sind nicht in der Lage, komplexe juristische
Sachverhalte adäquat zu übertragen. Das gilt sowohl
für die inhaltlichen und sprachlichen Aspekte als auch den
Einsatz verschiedener Dolmetschtechniken. Dazu bedarf es
einer soliden Aus- und Weiterbildung, dafür sind fundierte
Kenntnisse beider Kulturen und Rechtsordnungen unerlässlich.
Der Einsatz von Laien kann für Sie zu erheblichen Problemen
führen, denn sie unterliegen keinerlei Überprüfung,
weder fachlich noch persönlich. Laien sind sich ihrer Aufgabe
nicht bewusst, gefährden die Sicherheit im Rechtsverkehr
und die Durchsetzung der Rechtsprechung und sind an keine
Berufs- und Ehrenordnung gebunden, d. h. sie unterliegen
auch nicht dem Geheimnis- und Datenschutz. Somit könnten
vertrauliche Informationen publik und Ihre langwierige,
intensive Vorbereitung auf ein Verfahren, die gewonnenen
Ermittlungs ergebnisse oder die laufenden Verhandlungen zunichte
gemacht werden, ohne dass Laien entsprechend zur
Rechenschaft gezogen werden könnten. So machen Sie sich
und Ihre Tätigkeit/Urteile angreifbar, denn eine mangelhafte
Qualität der Sprachmittlung kann ein Revisionsgrund sein
(un zureichendes rechtliches Gehör)!
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 91
Berufsbild
Das Angebot an Sprachmittlern ist unübersichtlich, denn
die Berufsbezeichnungen «Sprachmittler, Dolmetscher,
Übersetzer» sind in Deutschland nicht geschützt. Geschützt
sind lediglich Bezeichnungen, die eine staatliche oder staatlich
anerkannte Prüfung voraussetzen, beispielsweise Diplom-
oder M. A.-Abschlüsse einschlägiger akademischer
Ausbildungsstätten.
Das bedeutet: Auch ohne besondere (Sprach-)Kenntnisse
oder Ausbildung darf sich jedermann mit einer der allgemeinen
oder ähnlich klingenden Bezeichnungen schmücken,
ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen führt. Verhängnisvoll
ist auch der Irrglaube, dass, wer eine andere
Sprache einigermaßen spricht oder zweisprachig aufgewachsen
ist, automatisch auch dolmetschen und / oder übersetzen
kann. In der Praxis entstehen daraus Probleme in Bezug auf
Qualität (Inhalte, Sprache, Einhaltung von Standards) und
Ethik (Datenschutz, Geheimhaltung) im Bereich der juristischen
Sprachmittlung, die handfeste Folgen haben können.
Dabei sind gerade diese Aspekte im Rechtsverkehr besonders
sensibel. Als Juristen erwarten Sie zu Recht, dass Ihre
Texte präzise, rechtskonform und inhaltsgetreu übersetzt
werden und dass korrekt und vollständig gedolmetscht wird.
Der Weg zum richtigen Spezialisten
Wie aber finden Sie gut ausgebildete Spezialisten, die
über fundiertes sprachliches und fachliches Wissen verfügen,
sich in den verschiedenen Rechtssystemen auskennen
und auch kulturelle Unterschiede einzuordnen wissen?
Die Oberlandesgerichte führen eine bundeseinheitliche,
öffentlich zugängliche Internet-Datenbank aller für den
juristischen Bereich zugelassenen Dolmetscher und Übersetzer
unter www.gerichts-dolmetscher.de.
Die Anforderungen an natürliche Personen, die als Dolmetscher/Übersetzer
im juristischen Bereich tätig werden dürfen,
sind im sog. «Dolmetschergesetz» jedes Bundes landes **
festgelegt. Neben Sprach- und Rechtssprachekenntnissen ist
auch die fachliche und persönliche Eignung nachzuweisen
und ein Führungszeugnis vorzulegen.
Mit der Ermächtigung/Beeidigung/Bestallung/Verpflichtung
[die konkrete Bezeichnung hängt vom jeweiligen Bundesland
ab] sind diverse Pflichten (Vertraulichkeit des Wortes, Datenschutz,
Integrität, Neutralität) verbunden, bei Verstößen
drohen harte Strafen und der Entzug der «Lizenz» (u. a. bei
Vorteilsnahme, Bestechlichkeit und Verletzung von Dienst- /
Steuergeheimnissen).
Ermächtigte Übersetzer …
… übertragen das geschriebene Wort (Akten, Anklageschriften,
Rechtshilfeersuchen, Verträge usw.) von einer Sprache in
eine andere. Bei direkter Beauftragung eines qualifizierten
Sprachmittlers aus dem erwähnten OLG-Verzeichnis sparen
Sie Zeit, denn der Auftrag wird nicht erst über Zwischenstationen
zu ihm weitergeleitet, und der Daten schutz wird eingehalten.
Qualifizierte Übersetzer werden im Zweifelsfall mit
Ihnen Rücksprache halten, etwa wenn Unklarheiten, Fehler
oder Widersprüche im Text zu erkennen sind oder wenn der
Text umfangreiche Standardformulierungen enthält.
Sie sparen so Aufwand und bares Geld, weil z. B. Ungereimtheiten
oder Fehler im Text noch vor der Weiterleitung geklärt
werden können oder ggf. redundante Textteile erst gar nicht
übersetzt werden müssen.
Ermächtigte Übersetzer führen einen personalisierten Stempel
bzw. ein Siegel [je nach Bundesland]. So können Sie
sofort erkennen, dass wirklich ein qualifizierter, dazu berechtigter
Sprachmittler die Übersetzung angefertigt hat.
Birgit Strauß
schloss 1982 das Sprachenstudium als Diplom-Sprachmittlerin
ab und ist für Slowakisch,
Russisch und Tschechisch ermächtigt.
Seit 1990 ist sie freiberuflich tätig und arbeitet
u. a. für Gerichte, Staatsanwaltschaften, Großkonzerne und
deren Rechtsabteilungen im In- und Ausland. Sie ist spezialisiert
auf die Fachgebiete Recht, Wirtschaft und Medizin. Für Kollegen
und Kunden ist sie Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um
das JVEG oder zum professionellen Einsatz von Sprachmittlern.
www.rechtstexte.eu
Für NRW:
Hinweise zur Allgemeinen Beeidigung von Sprachmittlern in
Nordrhein Westfalen:
http://www.jm.nrw.de/Gerichte_Behoerden/anschriften/dolmetscher__u_uebersetzer/hinweise/hinweise_all_beeidigung.pdf
Gesetz über Dolmetscher und Übersetzer sowie zur Aufbewahrung
von Schriftgut in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Gesetz
über Dolmetscher und Übersetzer sowie zur Aufbewahrung von
Schriftgut in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen: https://recht.
nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=10649&vd_
back=N128&sg=0&menu=1
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Gerade im juristischen
Bereich steigt der Bedarf
an Dolmetschern.
Beeidigte Dolmetscher …
… übertragen das gesprochene Wort und unterstützen Sie
bei Mandantengesprächen, Vernehmungen, Verhandlungen
usw. Erforderlichenfalls werden Sie auf kulturelle oder Unterschiede
in den Rechtsordnungen hingewiesen.
Der Dolmetscher unterstützt Sie, um eine reibungslos funktionierende
Verständigung zu ermöglichen – deshalb ist es
sinnvoll und legitim, ihm Materialien zur Verfügung zu stellen
oder Einsicht in die Akte nehmen zu lassen, damit er sich
optimal auf den Einsatz vorbereiten und z. B. Fachbegriffe im
Vorfeld recherchieren kann.
Agenturen / Makler / Büros, die Dolmetsch-/
Übersetzungsleistungen vermitteln
(«Agenturen») …
… werben oft mit dem Versprechen, rund um die Uhr für Sie
verfügbar zu sein, natürlich bei bester Qualität – in vielen
Fällen entpuppt sich das jedoch als Mogel packung.
Bei Übersetzungen bedeutet das nicht zwangsläufig, dass
Ihr Auftrag auch sofort bearbeitet wird. Häufig werden die
Texte zuerst unverschlüsselt (!) per E-Mail rundgesendet,
und zwar im In- und Ausland, an möglichst viele in Betracht
kommende Zulieferer, um jemanden zu finden, der das niedrigste
Honorar anbietet und / oder als Erster annimmt (in
dieser Reihenfolge). Für Agenturen steht erfahrungsgemäß
Gewinnmaximierung an erster Stelle, nicht professionelle
Qualität oder Datenschutz. Darum werden sie sich bei Rückfragen
auch kaum bei Ihnen melden, denn das bedeutet
Zusatz aufwand, der nicht eingepreist ist.
Viele Agenturen beauftragen deshalb Personen, die nicht
auf der oben erwähnten OLG-Liste stehen. Sie erkennen es
daran, dass die Bestätigungsformel zur Richtigkeit und Vollständigkeit
einer Übersetzung von der Agentur statt von
einem ermächtigten Übersetzer, der über einen personalisierten
Stempel bzw. ein Siegel verfügt, bescheinigt wird. Die
Übersetzung ist damit nicht rechtssicher, da Agenturen als
juristische Personen die Voraussetzungen für die Ermächtigung
schlicht nicht erfüllen (können).
Im Bereich Dolmetschen werden ebenfalls häufig Laien
eingesetzt. Das ist deshalb problematisch, weil sie erst ad
hoc vereidigt werden müssen, bevor die Verhandlung beginnen
kann. Sie bezeugen damit lediglich, dass sie «treu und
gewissenhaft übertragen werden», was aber nichts zur Qualität
der Verdolmetschung aussagt. Sie kennen in der Regel
die Rechts- bzw. Fachsprache nicht, beherrschen auch keine
Dolmetschtechniken und sind zumeist nicht in der Lage,
simultan (zeitgleich) zu dolmetschen. Eine rein konsekutive
(zeitversetzte) Verdolmetschung bedingt aber eine längere
Einsatzdauer, was prozessökonomisch nicht sinnvoll ist.
Da Sie selten durchgängig kontrollieren können, ob korrekt
gedolmetscht wurde (weil Sie sich auf Ihre eigentliche Aufgabe
konzentrieren müssen oder mangels Sprachkenntnis),
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 93
müssen Sie sich zu 100 % auf den Dolmetscher verlassen
können, d. h. er muss jederzeit neutral, sachlich und integer
agieren, und zwar auch in belastenden Situationen.
Doch gleich um welche Sprachdienstleistung es sich handelt,
es bleibt die Frage: Wer trägt die Verantwortung und/oder
haftet, wenn eine Agentur bzw. ein Laie beauftragt wird?
Klare Regelung in Nordrhein-Westfalen
Die direkte Beauftragung der Dolmetscher und Übersetzer
wird in Nordrhein-Westfalen durch eine Justizverwaltungsvorschrift
geregelt [(Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer,
AV d. JM vom 29. September 2016 (3162 – I.4) – JMBl.
NW S. 309)]: «Die Service-Einheiten der Gerichte und Staats-
anwaltschaften müssen – sofern keine anders lautende richterliche
oder staatsanwaltschaftliche Anordnung vorliegt –
bei der Auswahl von … Dolmetschern sowie … Übersetzern
auf das gemeinsame Verzeichnis der allgemein beeidigten …
Dolmetscher und ermächtigten … Übersetzer … Zugriff
nehmen.»
Fazit
Mit der direkten Beauftragung der in dem OLG-Verzeichnis
der Sprachmittler für die Justiz geführten Übersetzer und
Dolmetscher sind Sie auf der (rechts)sicheren Seite. Lassen
Sie sich nicht durch anderslautende Ansichten beirren.
Beauftragen bzw. laden Sie direkt!
Ihre Vorteile
bei direkter Beauftragung von qualifizierten Dolmetschern
und Übersetzern:
❯❯
Sie finden ermächtigte / allgemein beeidigte
Sprachmittler in der von den OLG geführten Liste:
www.gerichts-dolmetscher.de
❯❯
Sie erhalten rechtssichere Übersetzungs- und
Dolmetschleistungen.
❯❯
Sie haben direkten Kontakt zum Sprachmittler
Ihres Vertrauens.
❯❯
Der Dolmetscher wird sich durch Akteneinsicht
oder Referenzmaterialien auf Ihren Dolmetschauftrag
vorbereiten.
❯❯
Der Übersetzer führt einen personalisierten
Stempel bzw. ein Siegel für seine Sprachenpaare.
❯❯
Er wird ausschließlich in den Sprachen tätig, für die er
ermächtigt ist.
❯❯
Er wird Sie auf Probleme im Text oder redundante
Textteile und auf kulturelle und Unterschiede in den
Rechtsordnungen hinweisen.
❯❯
Er wird Ihre Texte und Informationen vertraulich behandeln
und unterliegt dem Geheimnis- und Datenschutz.
❯❯
Er wurde fachlich und persönlich überprüft.
❯❯
Sie sparen Zeit und meistens auch Geld, weil
Zwischenvermittler wegfallen.
Weiterführende Informationen finden Sie auf den Seiten der
Berufsverbände für Dolmetscher und Übersetzer, z. B. unter
www.bdue.de oder www.aticom.de. Selbstverständlich stehe
auch ich Ihnen zur Verfügung, sollten Sie Fragen zu diesem
Thema haben (Kontakt über info@rechtstexte.eu).
Anm.: Zur besseren Lesbarkeit wurde auf gendergerechte Sprache verzichtet, es sind jedoch immer beide Geschlechter gemeint.
Autorinnenfoto: privat
Illustration (S. 93): de.fotolia.com/# Nr. 169071381 © pukach2012
94
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Als Jurist/in in der
Steuerfahndung /
Finanzverwaltung
❯❯
Von ORR'in Katrin Kühl *
«Studiere Jura! … Juristen werden immer und
überall gebraucht … Als Jurist stehen dir später
alle beruflichen Möglichkeiten offen!»
So oder so ähnlich formuliert, haben
diese Aussage bestimmt zahlreiche Abiturientinnen
und Abiturienten gehört,
die nach dem Schulabschluss ein Studium
beginnen wollten und sich noch
nicht abschließend für ein Studienfach
entschieden hatten.
Hat man Jahre später das Jura-
Studium dann erfolgreich abgeschlossen,
ist diese Aussage leider für die
meisten von uns immer noch eine
genauso «leere Hülle» wie zu Studienbeginn.
Erstmals im Referendariat hat
man neben dem Kennenlernen der
bekannten Juristenberufe wie Richter,
Staatsanwalt oder Rechtsanwalt im
Rahmen der Wahlstation eine Chance,
die Fühler in bisher unbekannte Arbeitsbereiche
für Juristen auszustrecken
und sich etwas umzuschauen,
um diese «leere Hülle» mit erstem Leben
zu füllen. Da allerdings in dieser
Phase der Fokus zunächst einmal auf
den erfolgreichen Abschluss des zweiten
Staatsexamens gerichtet ist, fehlt
den meisten die Zeit und Ruhe, sich
hier intensiver umzuschauen. Dann
spätestens nach dem Abschluss als
«Volljurist» erinnert man sich an die
motivierenden Aussagen zu Beginn des
Studiums und beginnt sich zu fragen,
welche vielfältigen Möglichkeiten es
denn nun tatsächlich gibt …
Einen Schritt zur Erhellung dieser
Frage möchte ich durch diesen Beitrag
leisten, indem ich die Tätigkeit des / der
Juristen/-in im höheren Dienst als Führungskraft
in der Finanzverwaltung
und hier im speziellen die Position «Leiterin
einer Steuerfahndungsstelle», in
welcher ich über sechs Jahre lang tätig
war, vorstelle.
Wenn Strafverteidigung nicht
das richtige ist …
Als ich mich nach meinem zweiten
Staatsexamen auf Jobsuche machte,
war ich durch meine Vorliebe für das
Strafrecht zunächst auf eine Stelle als
Richter oder Staatsanwalt fixiert, da
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 95
die Strafverteidigung für mich nicht
die «richtige» Seite darstellte. Die Einstellungssituation
in der Justiz war
damals jedoch äußerst schlecht und so
habe ich mich nach Alternativen umgesehen.
Dabei bin ich zufällig auf den
Internetauftritt der Finanzverwaltung
gestoßen, mit welcher ich bis dahin,
außer bei der Abgabe meiner ersten
Steuererklärungen während des Referendariats,
eigentlich keine Berührungspunkte
hatte. Das hier für Juristen
gemachte Angebot, direkt als
Führungskraft mit Personalverantwortung
eingestellt zu werden, hörte sich
für mich attraktiv an. Hinzu kam nicht
nur, dass mir das Thema Steuerstrafrecht,
in welches ich während des Referendariats
bereits erste kurze Einblicke
gewinnen konnte, interessant
erschien, sondern auch die Tatsache,
dass man zunächst ein sog. Einweisungsjahr
durchläuft, während dessen
man fast alle Bereiche der Finanzverwaltung,
insbesondere das Finanzamt
und die vorgesetzte Behörde Oberfinanzdirektion
(OFD), in manchen Ländern
auch Landesamt genannt, kennenlernt.
Zudem finden in dieser Zeit
unter anderem einige steuerrechtliche
Lehrgänge bei der Bundesfinanzakademie
statt, so dass man sich von dem
vielleicht eher unbekannten und umfangreichen
Rechtsgebiet des Steuerrechts
nicht abschrecken lassen sollte.
Wechselnde Aufgabenbereiche
Schon während des Einweisungsjahrs
wird man, wie auch ich es getan habe,
feststellen, dass es in der Finanzverwaltung
aufgrund der vielfältigen Tätigkeitsmöglichkeiten
nie langweilig werden
kann. Man hat die Möglichkeit, die
Aufgabenbereiche zu wechseln und auf
verschiedenen Ebenen der Verwaltung
zu arbeiten, d.h. im Ministerium, der
OFD oder auch im Finanzamt. Dabei
kann man sich nicht nur mit den unterschiedlichsten
Rechtsgebieten, wie
natürlich dem Steuer- und Steuerstrafrecht
oder etwa dem Beamten-, Vollstreckungs-
oder Insolvenzrecht u.v.a.,
befassen, sondern auch mit eher praktisch
geprägten Themen, wie der EDV,
der Organisation der Verwaltung oder
der Aus- und Fort bildung. Darüber hinaus
stellen sich insbesondere im Bereich
der Personalführung verschiedenste
Herausforderungen.
Ich hatte mich nicht nur auf die
Rolle der «Chefin» einer Abteilung und
die Arbeit mit den Menschen dort gefreut,
sondern auch auf das Thema
Steuerstrafrecht gehofft und begann
nach dem Einweisungsjahr dementsprechend
als Sachgebietsleiterin einer
Straf- und Bußgeldsachenstelle. Diese
Stelle und auch die Steuerfahndung
sind in Baden-Württemberg und den
meisten anderen Bundesländern einem
Finanzamt angegliedert und für einen
überregionalen Bereich zuständig.
Die Straf- und Bußgeldsachenstelle
ist mit staatsanwaltschaftlichen Befugnissen
ausgestattet und als Ermittlungsbehörde
in den Grenzen der §§ 399 ff.
Abgabenordnung (AO) selbstständig
für die Verfolgung von Steuerstraftaten
zuständig. Als einzige Juristin war ich
hier Vorgesetzte von 10 Sachbearbeitern
des gehobenen Dienstes, welche
die Ermittlungsverfahren weitgehend
eigenständig durchführen, sowie einer
eigenen Geschäftsstelle.
Die praktische Ermittlungsarbeit
Bei meiner darauf folgenden Tätigkeit
war ich als Sachgebietsleiterin der
Steuerfahndung für 10 – 12 Fahnder
zuständig und als sog. Hauptsachgebietsleiterin
zudem für die Gesamtorganisation
der Fahndungsstelle, die
aus mehreren Sachgebieten besteht.
Während die Strafsachenstelle für
die Leitung und den Abschluss der Ermittlungsverfahren
zuständig ist, führt
die Steuerfahndung die eigentliche Ermittlungsarbeit
durch.
Man könnte sagen, dass man bei
der Fahndung im «tatsächlichen» Leben
ankommt, denn hier hilft das bisher
angesammelte theoretische juris tische
Fachwissen, insbesondere bei der Planung
und Durchführung von Durchsuchungseinsätzen,
im Pressejargon auch
«Razzien» genannt, nur bedingt. Vielmehr
ist die praktische Anwendung
und rechtlich korrekte Umsetzung der
Vorschriften von StPO und AO gefragt,
was gar nicht so einfach ist, wie man
sich das vielleicht vorstellen mag. Es
gibt nämlich viele Fragen, die sich erst
in der Praxis stellen und dort z.B. während
einer Durchsuchung auch unter
96
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Zeitdruck beantwortet werden müssen.
Die Antworten sind aber teilweise
weder direkt aus der StPO herauszulesen,
noch in den Kommentierungen
auffindbar.
Beispielsweise können sich folgende
Fragen ergeben:
❯❯
Welche konkreten Maßnahmen sind
von meinem Durchsuchungsbeschluss
gedeckt?
❯❯
Darf ich z.B. fotografieren und wenn
ja, aus welchen Gründen?
❯❯
Wie ist zu verfahren, wenn behauptet
wird, dass der Gegenstand, den man
beschlagnahmen will (z.B. Laptop oder
Handy), einer dritten Person gehört?
❯❯
Wie setze ich die Beweissicherung verhältnismäßig
um, möglichst ohne dass
der Betrieb länger lahmgelegt wird?
❯❯
In welchen Situationen rufe ich den
Schlüsseldienst, um in ein Durchsuchungsobjekt
zu gelangen?
❯❯
Wie geht man damit um, wenn jemand
die Durchsuchung stört, und wie setzt
man z.B. § 127 StPO praktisch um?
❯❯
Ist einem Firmenvertreter oder Rechtsanwalt,
der für eine Firma tätig ist,
deren Steuern verkürzt wurden, die
Teilnahme an der Vernehmung einer
angestellten Zeugin zu gestatten und
so die Gefahr der Beeinflussung dieser
hinzunehmen?
Auf Menschen eingehen
Außer diesen Fragen der Rechtsanwendung
in der Praxis ergeben sich im
Einsatz aber auch andere als rechtliche
Fragen, insbesondere zum Umgang
mit den Menschen, die man mit einer
Durchsuchungsmaßnahme überrascht.
Hier bedarf es eines gewissen Maßes
an allgemeiner Lebenserfahrung, um
auf die unterschiedlichsten Situationen
und Menschen eingehen zu können.
Die Steuerfahndung ermittelt nämlich
nicht nur – wie es vielleicht in der
Presse den Anschein macht – bei Banken,
Großkonzernen oder Millionären,
sondern, um nur einige Branchen aufzuzählen,
auch bei Schrotthändlern, in
der Gastronomie, bei Ärzten, Handwerkern
oder auch bei hochkriminellen
und organisierten Banden, welche mit
sog. Umsatzsteuerkarussellen riesige
Summen hinterziehen. Auf all diese
unterschiedlichen Menschen, die sich
i.d.R. bei einer Durchsuchung ihrer
Räume in einer extremen Stresssituation
befinden, sollte man eingehen
können, auch um Gefahren für sich
und die Kollegen zu vermeiden und die
Maßnahme erfolgreich durchführen zu
können. Bei Großkonzernen wiederum
sieht man sich ggf. einer enormen
Riege von Rechtsanwälten und Steuerberatern
gegenüber, mit denen man
rechtliche Diskussionen führen muss.
Allrounder gefragt!
So spannend die eigentliche Fahndung
auch ist, möchte ich nicht den falschen
Eindruck erwecken, dass dies die einzige
Aufgabe eines Sachgebietsleiters
dort ist. Erwähnenswert ist auch die
Zusammenarbeit mit anderen Behörden,
wie Staatsanwaltschaft, Zoll oder
Polizei.
Neben den rechtlich anspruchsvollen
Themen wie z.B. Umsatzsteuerbetrug,
«cum-ex»- oder «cum-cum»-Geschäften,
mit denen man sich auseinandersetzt,
liegt der wesentliche Schwerpunkt der
Aufgaben in der Leitung und Organisation
der Stelle sowie der Personalplanung,
-entwicklung und -führung. Hier
ist eine gute Mischung aus Teamarbeit
mit den Fahndern und Führung dieser
gefragt, da man neben der Fallverteilung
und der Verantwortung für die
zügige und sachgerechte Fallerledigung
auch recht intensiv in die Fallbearbeitung
einbezogen ist.
»
Um es zusammenfassend zu beschreiben, sollte
man für diesen Job ein Allroundtalent und nicht
ausschließlich Jurist sein.
Meine Person betreffend, habe ich es
glücklicherweise gewagt, mich auf das
unbekannte Terrain des Steuerrechts
zu begeben, da ich die besonders spannende
und abwechslungsreiche Tätigkeit
als Sachgebietsleiterin der Steuerfahndung
wirklich gerne ausgeübt habe.
Ich freue mich, wenn ich mit diesem
Artikel bei manchen vielleicht
Interesse an der Tätigkeit als Jurist in
der Steuerfahndung oder besser noch
als Führungskraft in der Finanzverwaltung
insgesamt wecken konnte.
Denn die Fahndung ist zwar m.E. der
spannendste, aber nicht der einzig interessante
Tätigkeitsbereich hier. Ehrlich
gesagt, ist es beruhigend zu wissen,
dass man als Beamtin nicht nur
einen si cheren Arbeitsplatz hat, sondern
auch, dass man dennoch nicht
40 Berufsjahre lang dieselbe Tätigkeit
ausüben muss. Wer mehr über die
Einstellungsvoraussetzungen und Perspektiven
erfahren will, kann dies über
die Homepage der OFD Karlsruhe bzw.
den Link http://www.zu-hoeheremdienst-berufen.de/.
Katrin Kühl
* Katrin Kühl ist Oberregierungsrätin und derzeit
Leiterin der Betriebsprüfung beim Finanzamt
Rastatt. Sie trat Ende 2006 in den höheren Dienst
der Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg
ein, war zunächst Sachgebietsleiterin der
Straf- und Bußgeldsachenstelle und danach sechs
Jahre lang Hauptsachgebietsleiterin der Steuerfahndung
beim Finanzamt Karlsruhe-Durlach.
Autorinnenfoto: privat
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Juristinnen
und Juristen
in der
All gemeinen
Inneren
Verwaltung
und der
Verwaltungsgerichtsbarkeit
in
Bayern
Zugegeben, die Tätigkeit der Juristinnen und Juristen in
der öffentlichen Verwaltung erschließt sich nicht auf
den ersten Blick. Auch vermitteln das juristische Studium
sowie das Rechtsreferendariat noch immer zu wenig Einblicke
in die Praxis. Wie so oft lohnt sich aber ein zweiter
Blick:
Nur wenigen Referendarinnen und Referendaren ist bekannt,
wie viele unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für
Juristinnen und Juristen im öffentlichen Dienst und speziell
in der fachlich sehr breit gefächerten Inneren Verwaltung
bestehen. Die hier wahrzunehmenden Aufgaben sind
so vielfältig und aufgrund der unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten
auf allen Ebenen der öffent lichen Verwaltung
so facettenreich, dass kein fixiertes Berufsbild eines
Verwaltungsjuristen besteht. Vielmehr fügen sich diverse
Berufsbilder zu einem bunten Strauß an Möglichkeiten zusammen,
der in Bayern obendrein eine von vielen als reizvoll
empfundene Tätigkeit in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
umfasst.
Verantwortung – Gestaltung – Gemeinwohl
Die Innere Verwaltung des Freistaats Bayern bietet die
Möglichkeit, bereits in jungen Jahren auf verschiedenen
Ebenen der Verwaltung Führungs- und auch Personalverantwortung
zu übernehmen. Eigenverantwortliches Arbeiten,
überdurchschnittlicher juristischer Sachverstand und
ein hohes Maß an Sozialkompetenz sind gefordert, wenn
Sie im Ministerium Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen,
an den Regierungen bedeutende Infrastrukturvorhaben
begleiten oder am Landratsamt als Leiterin oder Leiter
einer Abteilung rasche Entscheidungen, etwa im Katastrophenschutz,
treffen müssen. Eine Karriere in der Verwaltung
des Freistaats kann aber auch über die Grenzen
Bayerns hinausgehen. Eine berufliche Station in den Bayerischen
Vertretungen in Berlin oder Brüssel ist ebenso
möglich wie eine Tätigkeit als wissenschaft liche Mitarbeiterin
oder wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungs-
oder Bundesverwaltungsgericht.
Es ist praktisch alles möglich, wenn man die Chancen ergreift,
die sich bieten, und Veränderungen offen gegenübersteht.
Hierzu zählt durchaus auch ein heimatnaher
und die individuellen Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigender
beruflicher Einsatz. Was das konkret für den
Einzelnen bedeutet und wie sich ein möglicher Werdegang
in der In neren Verwaltung Bayerns gestalten lässt, zeigt
sich exem plarisch anhand folgender Lebensläufe.
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Dr. Simone Hilgers
Oberregierungsrätin bei der Regierung von Oberbayern in München
– aktuell in Elternzeit –
Meine berufliche Laufbahn als Juristin in der Allgemeinen
Inneren Verwaltung des Freistaats Bayern begann nach
einer vierwöchigen Hospitation bei der Regierung von
Oberbayern zunächst am Landratsamt Miesbach, und
zwar als Abteilungsleiterin für Bauen und Umwelt. Bereits
im Studium hatten wir ja gelernt, welche Aufgaben ein
Landrats amt erfüllt und so hatte ich eine grundsätz liche
Vorstellung davon, was mich erwarten würde. Allerdings
muss ich sagen, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt
meine Er wartungen übertroffen wurden. Meine Aufgaben
als Abteilungsleiterin hätten vielfältiger, abwechslungsreicher
und eigenverantwortlicher nicht sein können. Mein
Tätigkeitsfeld umfasste neben der juris tischen Überprüfung
von Baugenehmigungen und Planfeststellungsbeschlüssen
einschließlich der Wahrnehmung von Gerichtsterminen
sowie der Durchführung von Er örterungsterminen auch
Verhandlungen mit politischen Mandatsträgern, die Teilnahme
an Kreistagssitzungen, Pressegespräche, Besprechungen
mit Vertretern anderer Behörden und nicht zuletzt
herausfordernde Bürger- und Personalgespräche.
Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt, Einblick in den
(kommunal-)politischen Alltag im Landkreis erhalten und
die Abläufe direkt vor Ort mitgestaltet. Die eigene Entscheidung
unmittelbar umgesetzt zu sehen und die direkten
Auswirkungen erleben zu dürfen ist eine Art von Eigenverantwortung
und Gestaltungsmöglichkeit, die man so in
nur wenigen juristischen Berufen finden wird. Gleichzeitig
war ich als Abteilungsleiterin für ca. 60 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter verantwortlich und konnte meine ersten
Erfahrungen als Führungskraft sammeln.
In jedem Lebensabschnitt aktiv
mitgestalten
Nach drei Jahren wechselte ich zur Regierung von Oberbayern,
um dort bei dem zu dieser Zeit drängendsten
Thema mitzuarbeiten – der Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen.
Hier habe ich zunächst als persönliche Referentin
die zuständige Bereichsleitung unterstützt. Trotz
gänzlich neuer Themenbereiche waren meine Aufgaben
nicht weniger vielgestaltig. Sie reichten von der Koordinierung
von Terminen und Bürgerinformationsveranstaltungen
über die konkrete Vorbereitung und Organisation
derselben vor Ort. Auch hier stand der Austausch mit Bürgerinnen
und Bürgern, anderen Behörden und Kolleginnen
und Kollegen sowie mit politischen Mandatsträgern auf
der Tagesordnung. Schon kurze Zeit später wechselte ich
sodann auf die Stelle der Pressesprecherin der Regierung
von Oberbayern. Diese Zeit war sicherlich meine bisher
spannendste, be reicherndste und herausforderndste zugleich.
Die organisatorische Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen
stellte für die zuständigen Behörden eine
Die Pressestelle ist zentraler Ansprechpartner für alle Medien.
Presseauskünfte, Interviews, Pressekonferenzen sowie der enge Austausch
mit den jeweils verantwort lichen Stellen gehören zum Tagesgeschäft.
100
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Herausforderung in einer neuen Größenordnung dar. Um
diese gesamtgesellschaftliche und historische Aufgabe zu
meistern, zogen alle Beteiligten an einem Strang. Entsprechend
intensiv und reizvoll waren all die Aufgaben,
die mich jeden Tag erwarteten. Ich konnte mich uneingeschränkt
einbringen und aktuelle Themen, quasi das
jeweilige Tages geschehen, aktiv mitgestalten. Tägliche
Presseauskünfte, Pressegespräche, Interviews, Pressekonferenzen
sowie der enge Austausch mit den jeweils verantwortlichen
Stellen, anderen Behörden und Interessenvertretern
forderten mich jeden Tag aufs Neue. Die
gewonnenen Einblicke und Erfahrungen möchte ich keinen
Tag missen.
Nach einer anschließenden elfmonatigen Elternzeit trat
ich eine Teilzeitstelle im Rahmen der «Ausbildung der
Rechtsreferendare» bei der Regierung von Oberbayern an,
sicherlich die «juristischste» Tätigkeit in meiner bis herigen
Laufbahn. Das Sachgebiet ist für die Ausbildung der
Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare und deren
Vorbereitung auf das Zweite Juristische Staatsexamen im
Bereich des öffentlichen Rechts zuständig. In meine Zuständigkeit
fällt die Überarbeitung und Aktualisierung von
Unterlagen für die Arbeitsgemeinschaften wie auch die tatsächliche
Lehrtätigkeit; es gilt die Rechtsreferen darinnen
und Rechtsreferendare bestmöglich auf die bevorstehenden
Prüfungen vorzubereiten. Den Austausch mit jungen
Nachwuchskräften empfinde ich immer wieder als bereichernd,
und die Aufgabe, die kommende Juristengeneration
auszubilden und auf die Berufswelt vorzube reiten, als eine
schöne Verantwortung. Zumal einige von ihnen künftige
Kolleginnen und Kollegen sein werden.
Ich habe viel Freude an meiner Arbeit, was für alle meine
bisherigen beruflichen Stationen gilt. Zu jedem Zeitpunkt
habe ich mich mit hochinteressanten, abwechslungsreichen
Themen beschäftigt. Hierbei wurde ich stets individuell
gefördert. Insbesondere mein Wechsel von einer
Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung wurde optimal unterstützt.
Ich kann einen Großteil meiner Arbeit von zu
Hause aus erledigen. Ein Platz in der re gierungseigenen
Kita wurde mir sofort zugesichert, was den Wiedereinstieg
in das aktive Berufsleben erheblich erleichtert. So kann ich
meine Arbeit maximal flexibel gestalten und das meiste
aus der Arbeitszeit herausholen. Die Entscheidung, in die
Allgemeine Innere Verwaltung des Freistaats Bayern zu
gehen, würde ich immer wieder treffen. Dafür spricht aus
meiner Sicht: ein hochinte ressantes, abwechslungsreiches
Tätigkeitsfeld bei guter Bezahlung mit einer großen Bandbreite
an Entwicklungsmöglichkeiten. Daneben ein Arbeitgeber
– im Beamtenbereich Dienstherr genannt – , der insbesondere
mit fle xiblen Arbeitszeitmodellen und in
moderner Art und Weise die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie ermöglicht.
Frank Unkroth
Regierungsdirektor im Bayer. Staatsministerium des Innern und für Integration
in München
Dass man als Nicht-Bayer auch im Freistaat herzlich aufgenommen
wird, hatte ich bereits während meiner Referendarzeit
in Bamberg erfahren dürfen. Gleichwohl habe
ich die Entscheidung zugunsten der Allgemeinen Inneren
Verwaltung in Bayern eher zufällig getroffen und letztlich
meinem Bauchgefühl vertraut. Sie war in erster Linie dem
Umstand geschuldet, dass ich schon kurze Zeit nach dem
Absenden meiner Bewerbung einen Anruf, die Einladung
zu einem Vorstellungsgespräch und ein konkretes Angebot
für den Berufseinstieg erhalten hatte. Diese Offenheit und
die hierdurch zum Ausdruck kommende Verlässlichkeit
meines Dienstherrn schätze ich bis heute.
Den vielbesagten bunten Strauß an Möglichkeiten in der
Inneren Verwaltung vor Augen hatte ich mich im Juni
2007 im Bayerischen Innenministerium vorgestellt und
schließlich eine Stelle als Proberichter am Verwaltungsgericht
in Bayreuth angetreten. Nach einem Gespräch mit
dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts fing ich im August
2007 am Verwaltungsgericht an und war je zur Hälfte
in der Kammer für Beamtenrecht sowie einer wei teren
Kammer für Kinder- und Jugendhilferecht, Ausbildungsförderung
und Schulrecht tätig. Zwar hatte man das
Schreiben von Urteilen und Beschlüssen im Referendariat
gelernt, die Auseinandersetzung mit den genannten Rechts-
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 101
Die Digitalisierung ist der große Megatrend unserer Zeit.
Unser Ziel ist es, auch im virtuellen Raum ein hohes Sicherheitsniveau für
Bayerns Bürger und Unternehmen zu gewährleisten.
materien war jedoch Neuland. Das hieß schon kurze Zeit
nach dem Zweiten Examen erneut weiter zu lernen.
Die Tätigkeit am Verwaltungsgericht hat den ungemeinen
Vorteil, dass man in einer Kammer entscheidet und damit
jedenfalls als Berufseinsteiger stets im Team agiert. Denn
eine Tätigkeit als Einzelrichter kommt in klassischen Verfahren
erst nach einem Jahr, im Asylrecht nach sechs Monaten
in Betracht. Schließlich kommt jeder Richterin und
jedem Richter hohe Verantwortung zu, sobald im Namen
des Volkes in richterlicher Unabhängigkeit Rechtsstreitigkeiten
– am Verwaltungsgericht zwischen Bürger und
Staat – entschieden oder besser noch einer einvernehmlichen
Lösung zugeführt werden.
Es ist eine bayerische Besonderheit, dass nur jemand als
Richter auf Lebenszeit am Verwaltungsgericht ernannt
wird, der auch über praktische Verwaltungserfahrung
verfügt. Nicht selten schreckt dies den einen oder anderen
Bewerber ab, weil man nicht weiß, ob und wann eine
Rückkehr zum Gericht erfolgen wird. Derartige Bedenken
sind allerdings unberechtigt. Sicherlich erfolgt eine Ernennung
von Verwaltungsrichtern nur, sofern Bedarf besteht
und auch eine Stelle frei ist. Nicht jeder frühere Proberichter
kehrt nach seinem Wechsel in die Innere Verwaltung aber
in die Verwaltungsgerichtsbarkeit zurück. Zusätzlich steht
auch den Kolleginnen und Kollegen eine Tätigkeit am Verwaltungsgericht
offen, die zuvor nicht als Proberichterin
oder Proberichter tätig waren. Zudem sichert das bayerische
Modell eine sehr praxis orientierte Rechtsprechung.
Man weiß nicht nur, worüber man entscheidet, sondern
auch welche Folgen und Umsetzungsschwierigkeiten eine
Entscheidung auslösen kann.
Gerade der Wechsel zwischen Verwaltung
und Verwaltungsgerichtsbarkeit
schärft den Blick und eröffnet ungeahnte
Betätigungsmöglichkeiten
Ich selbst habe es stets als sehr beruhigend empfunden,
nicht auf ein Berufsbild festgelegt zu sein, sondern
auch Einblicke in andere Betätigungsfelder zu erhalten. So
schloss sich für mich zunächst an meine Proberichterzeit
eine zweijährige Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter
im 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig
an, der zu jener Zeit u. a. für das Kommunalrecht, das
Wirtschaftsverwaltungsrecht und das Recht der freien
Berufe zuständig war. Hier galt es in größeren Revisionsverfahren
Vorgutachten zu erstatten und die Entscheidung
des Senats vorzubereiten. Besonders spannend waren freilich
die mündlichen Verhandlungen und die Teilnahme an
der Beratung des Senats.
Nach diesem praktischen Einblick in die höchstrichterliche
Verwaltungsrechtsprechung wechselte ich auf eine
Referentenstelle in die Abteilung Verfassungsschutz und
Cyber sicherheit des Innenministeriums in München. Statt
Schlapphut und James-Bond-Manier standen hier sicherheitsrechtliche
Fragen im Fokus, die neben der Extremismusbekämpfung
und der Rechtsaufsicht über das Bayerische
Landesamt für Verfassungsschutz auch klassische
Gebiete wie das Waffen- und Versammlungsrecht umfassten.
Über meine konkreten Aufgaben darf ich selbstverständlich
nichts Näheres sagen …
Nach dieser Zeit im Innenministerium wechselte ich
wunschgemäß nach Oberfranken zurück und ging an das
102
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Landratsamt Forchheim. Dort wurde mir die Leitung der
Dienststelle in Ebermannstadt samt der dortigen Abteilung
für Bauen und Umwelt übertragen. Zunächst beschränkten
sich meine baurechtlichen Erfahrungen zwar
auf die graue Theorie, dies änderte sich aber schnell. Herausfordernd
und spannend waren dabei weniger die juristischen
Detailfragen, die im Arbeitsalltag seltener, aber
durchaus auch vorkamen, sondern vor allem die Möglichkeiten
der Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort.
Beraten, informieren und im Streitfall Lösungen aufzeigen,
die für alle Beteiligten einen gangbaren Weg darstellen, ist
nicht immer leicht, aber letztlich das Salz in der Suppe
eines Verwaltungsjuristen. Auf diese Weise kann man
selbst erleben und praktizieren, was es heißt, Ermessen
auszuüben und Beurteilungsspielräume zu nutzen und
trotzdem Recht und Gesetz zu wahren. Größere Gestaltungsmacht
hat man in keiner anderen Position in der öffentlichen
Verwaltung.
Seit März 2017 bin ich nun erneut im Innenministerium
und in erster Linie für Fragen der Aus- und Fortbildung
zuständig. Was der weitere Lebensweg bringt, wird sich
zeigen. Eines ist aber sicher: Langweilig wird es nicht
werden.
Daniela Simeonova
Oberregierungsrätin bei der Vertretung des Freistaates Bayern bei der
Europäischen Union in Brüssel
Wie mein Name bereits erahnen lässt, bin ich gebürtige
Bulgarin. Ich kam nach Deutschland, um in Augsburg Jura
zu studieren und entschied mich, nach dem Studium in
Augsburg zu bleiben. Meine Herkunft habe ich im Bewerbungsprozess
und auf dem weiteren beruflichen Weg zu
keinem Zeitpunkt als Nachteil empfunden.
Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen stand ich
während und vor allem nach dem Referendariat vor der
Entscheidung: Anwaltschaft oder öffentlicher Dienst. Die
einzelnen Stationen im Rechtsreferendariat boten bereits
einen guten Überblick, aber erst nach der schriftlichen
Prüfung stand für mich fest, dass ich im öffentlichen
Dienst, und zwar nicht in einer kommunalen, sondern in
der Staatsverwaltung, arbeiten will. Mich reizten neben
der Arbeitsplatzsicherheit und der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf vor allem die äußerst vielfältigen beruflichen
Perspektiven.
Meine erste Stelle war aufgeteilt auf das Landrats amt
Günzburg und die Regierung von Schwaben. Während ich
drei Tage in der Woche die Abteilung Öffentliche Sicherheit
und Ordnung im Landratsamt betreute und mich um ausländer-,
waffen- sowie versammlungsrechtliche Fragen
kümmerte (etwa die juristische Begleitung schwieriger
Abschiebungen oder großer Versammlungslagen), bastelte
ich an den zwei anderen Tagen unter der Woche an Plan
feststellungsbeschlüssen für den Straßenbau. So durfte ich
von Anfang an die Arbeitsweise sowohl einer unteren als
auch einer mittleren Staatsbehörde kennenlernen.
Später wechselte ich in Vollzeit zum Landratsamt Günzburg
und übernahm die Abteilung Kommunales und Soziales.
Als junge Abteilungsleiterin im Landratsamt übernahm
ich sehr früh große Personalverantwortung und
schreckte auch nicht davor zurück, Entscheidungen zu
treffen. Das macht den Berufsalltag umso abwechslungsreicher.
Die Zeit im Landratsamt will ich auf keinen Fall
missen; neben spannenden juristischen Fragen hat man
einen ganz engen Kontakt zum Bürger, aber auch zu seinen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die praktische Anwendung
des Rechts und die Möglichkeit, die konkreten
Auswirkungen auf das tägliche Leben zu be obachten, sind
nur einige der Vorzüge dieser Tätigkeit.
Nach knapp zweieinhalb Jahren in dieser Position stand
ein beruflicher Wechsel an. Ich liebte meine Arbeit und
war daher nur schweren Herzens zu einer Veränderung
bereit. Nach einigem Überlegen entschied ich mich dennoch
für eine Referentenstelle im Innenministerium in
München im Bereich Rettungsdienst. Eine Entscheidung,
die ich nie bereut habe. Während man im Landratsamt als
Abteilungsleiter sofort viel Verantwortung trägt, fängt man
im Ministerium zunächst als Referent vergleichsweise
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 103
Katastrophenschutz ist eine staatliche Aufgabe.
Kern dieser Aufgabe ist es, Katastrophen abzuwehren und die dafür
notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen.
«klein» an. Grundlegende Entscheidungen werden von der
Sachgebiets- bzw. Referatsleitung oder der Abteilungsleitung
getroffen. Und während der Abteilungsleiter im Landratsamt
in vielen Rechtsgebieten unterwegs ist, arbeitet
man im Ministerium sehr spezialisiert und fokussiert in
einem bestimmten Rechtsgebiet. Das Rettungsdienstrecht
ist eine Materie der Länder, sodass man sich nach einer gewissen
Einarbeitungszeit schnell zu einem der wenigen
Spezialisten entwickelt. Während meiner Zeit im Sachgebiet
Rettungsdienst konnte ich ganz eng die Änderung des Rettungsdienstgesetzes
begleiten und vertieft juristisch arbeiten
– diese Gelegenheit hat man im Landratsamt aufgrund
der Themenfülle und der Führungsbreite eher selten.
Von Augsburg nach Günzburg, München
und Brüssel – ein eher gewöhnlicher
Werdegang? – Nein, keineswegs …
In der Regel wechselt man als junger Jurist im Minis terium
nach zwei bis drei Jahren die Stelle, um möglichst viele
Bereiche des Ministeriums kennenzulernen. So kam es,
dass ich nach meiner Zeit im Rettungsdienst bereich stellvertretende
Leiterin des Sachgebiets «Öffentlichkeitsarbeit»
wurde und mich um die Vorbereitung von Ver anstaltungen
(z.B. der Tag der offenen Tür), die Erstellung von Broschüren
und viele andere spannende, teils auch weniger juristische
Themen kümmerte. Eine sehr kurzweilige, kreative
und ungemein reizvolle Aufgaben.
Parallel zu meiner Tätigkeit im Innenministerium in München
absolvierte ich ein einjähriges Fortbildungsprogramm
der Bayerischen Staatskanzlei mit Schwerpunkt
Europa. Der Zufall wollte es, dass nach Abschluss dieses
Programms eine Stelle in der Vertretung des Freistaats
Bayern in Brüssel frei wurde, was mir einen weiteren beruflichen
Wechsel ermöglichte. Die Bayerische Vertretung
in Brüssel ist organisatorisch der Baye rischen Staatskanzlei
zugeordnet. Als Bindeglied zwischen München und
Brüssel ist es meine Aufgabe, die vielfältigen Themenbereiche
des Innenministeriums zu beobachten, die Kolleginnen
und Kollegen in München zu informieren, Veranstaltungen
zu relevanten Themen und Besucher aus
Bayern zu betreuen – ein im Vergleich zu meinen bisherigen
Tätigkeiten vollkommen anderes Aufgabenfeld. Nun
bin ich bereits seit einigen Monaten in Brüssel und würde
diesen «Blick über den Tellerrand» in einer internationalen
Umgebung jedem, der die Möglichkeit hierzu erhält, ans
Herz legen.
Der Geschäftsbereich der Allgemeinen Inneren Verwaltung
bietet eine unglaubliche Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten
für Juristen – man muss nur neu gierig und wissbegierig
bleiben! Im Übrigen schätzen wir nicht nur
Flexibilität, sondern können auch Kon tinuität bieten. So
muss niemand befürchten, gegen seinen Willen etwa von
Unterfranken ins Alpenvorland versetzt zu werden – es
sei denn, Sie fahren gern Ski und wollen eine Ortsveränderung.
Autorenfotos: privat
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Querschnittsaufgabe
Gleichstellungsbeauftragte
Jobcenter als Alternative im öffentlichen Dienst
❯❯
Von Janine Klimsa *
Der öffentliche Dienst bietet Juristinnen
und Juristen viele
Tätigkeitsfelder auf Bundesoder
Landesebene und in
der kommunalen Verwaltung. Bei meiner
Jobsuche unmittelbar nach dem
Referendariat durfte ich fest stellen,
dass – neben den «klassischen» Berufen
als Richterin oder Richter, Staatsanwältin
oder Staatsanwalt oder Beschäftigte
bzw. Beschäftigter in einem
Rechtsamt – der Bereich der Grundsicherung
in den Jobcentern bundesweit
eine Vielzahl von Möglichkeiten
im Hinblick auf eine juristische Tätigkeit
zu bieten hat.
Ich habe als Juristin beim Jobcenter
zunächst in der Leistungssachbearbeitung
gearbeitet, mich dann in
den Bereich Controlling Finanzen begeben
und bin nun seit vier Jahren
als Gleichstellungsbeauftragte tätig.
Die unmittelbar der Dienststellenleitung
zugeordnete Gleichstellungsbeauftragte
gehört zur Personalverwaltung
des Jobcenters. Anders als in den
kommunalen Verwaltungen bin ich für
die Amtszeit von vier Jahren von den
weiblichen Beschäftigten des Jobcenters
gewählt. In der Ausübung meiner
Tätigkeit bin ich weisungsfrei.
Die rechtlichen Grundlagen der Gleichstellung
von Frauen und Männern ergeben
sich aus dem Grundgesetz (GG),
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) und dem Bundesgleichstellungsgesetz
(BGleiG). Daneben sind
Kenntnisse des Arbeitsrechts, insbesondere
zum Teilzeit- und Befristungsgesetz
(TzBfG), zum Mutterschutzgesetz
(MuSchG), zum BGB und zum Kündigungsschutzgesetz
(KSchG), unabdingbar.
Immer stärker in den Fokus rücken
die Gesetze rund um die Pflege von Angehörigen.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 105
Die Gleichberechtigung von
Frauen und Männern ist bereits
im Grundgesetz verankert
In Art. 3 Abs. 2 GG heißt es:
«Männer und Frauen sind
gleich berechtigt. Der Staat fördert die
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung
von Frauen und Männern
und wirkt auf die Be seitigung bestehender
Nachteile hin.»
Damit legt bereits das Grundgesetz die
Gleichberechtigung von Frauen und
Männern sowie den Auftrag zur staatlichen
Förderung fest. Das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz verfolgt das
Ziel, die Benachteiligung aus Gründen
der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft, des Geschlechts, der Religion
oder Weltanschauung, einer Behinderung,
des Alters oder der sexuellen
Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Als Ausprägung des im GG verankerten
Gebotes ist am 5.12.2001 das
Gesetz für die Gleichstellung von Frauen
und Männern in der Bundesverwaltung
und in den Unternehmen und Gerichten
des Bundes – Bundesgleichstellungsgesetz
– in Kraft getreten. Ziel
des BGleiG ist, die Gleichstellung von
Frauen und Männern zu verwirklichen,
bestehende Benachteiligungen aufgrund
des Geschlechts, insbesondere Benachteiligungen
von Frauen, zu beseitigen
und künftige Benachteiligungen zu verhindern
sowie die Familienfreundlichkeit
und die Vereinbarkeit von Familie,
Pflege und Berufstätigkeit für Frauen
und Männer zu verbessern.
Zu meinen Aufgaben zählt insbesondere,
die Dienststelle darin zu
unterstützen, die Ziele des BGleiG zu
erreichen. So wirke ich bei allen personellen,
organisatorischen und sozialen
Maßnahmen der Dienststelle mit, die
die Gleichstellung von Frauen und
Männern, die Beseitigung von Unterrepräsentanzen,
die Vereinbarkeit von
Familie, Pflege und Berufstätigkeit sowie
den Schutz vor sexueller Belästigung
am Arbeitsplatz betreffen. Daneben
ist es mir ein hohes Bedürfnis, die
Gleichstellung von Frauen und Männern
auch sprachlich zum Ausdruck
zu bringen.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit Geschäftsführung, Führungskräften
und Personalverwaltung
Meine Einbeziehung in alle personellen,
organisatorischen und sozialen Maßnahmen
muss durch die Geschäftsführung
frühzeitig und umfassend zu
Beginn des Willensbildungsprozesses
erfolgen. Die Teilnahme an Arbeitskreisen
und anderen geschäftspolitischen
Besprechungen wird mir durch die Geschäftsführung
ermöglicht. Sofern dies
nicht geschieht, habe ich ein Einspruchsrecht
gegen die beabsichtigte Maßnahme
bzw. gegen den Ausschluss von Besprechungen.
Dieses kann im Rahmen
eines gerichtlichen Verfahrens vor dem
Verwaltungsgericht enden.
Eine meiner Kernaufgaben ist zudem
die Rekrutierung von Personal.
Dabei stelle ich sicher, dass der Inhalt
der Bewerbungsgespräche und das Auswahlverfahren
keiner geschlechterspezifischen
Benachteiligung unterliegen.
In Vorstellungsgesprächen sind Fragen
nach dem Familienstand, einer bestehenden
oder geplanten Schwangerschaft
sowie nach einer bestehenden oder geplanten
Familien- oder Pflegezeit nicht
zulässig. Zudem gibt § 7 BGleiG weitere
formelle Voraussetzungen vor, die bei
der Durchführung von Bewerbungsgesprächen
zu beachten sind. Gerade
in den Positionen der Führungskräfte
stelle ich in den Bewerbungsgesprächen
immer wieder fest, dass Teilzeitkräfte,
insbesondere weibliche Beschäftigte
oder auch jüngere Frauen, oft
benachteiligt werden. Trotz fach licher
Eignung werden Vorbehalte wie: «Wer
nur halb da ist, verpasst die Hälfte
oder ist auch nur halb motiviert», «Entweder
Kinder oder Karriere» oder «Sie
gehen immer früh, bekommen nicht
alles mit oder kommen gar nicht, wenn
ein Kind krank ist» gehegt und gepflegt.
Auch wenn viele wissenschaftliche
Studien belegen, dass eine Karriere
in Teilzeit sehr gut möglich und
auch effektiv ist, ist es notwendig, die
Rekrutierung, Einarbeitung und Entwicklung
einschließlich Beförderung
von Beschäftigten durch die Gleichstellungsbeauftragte
zu überwachen.
Gleichzeitig stehe ich allen Beschäftigten
des Jobcenters als Beraterin in
allen gleichstellungsrelevanten Fragen
zur Verfügung. Die Fragestellungen der
Kolleginnen und auch der Kollegen sind
breit gefächert – über die Regelungen
106
Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
zum Mutterschutz und zur Elternzeit,
die Auswirkungen der Arbeitszeitreduzierungen
nach dem Teilzeit- und
Befristungsgesetz (Urlaubsansprüche,
Rente, Beförderung), die arbeitsrechtlichen
Ansprüche bei Kündigung etc.
bis hin zum rechtlichen Rahmen der
Pflege. Neben den verschiedenen Rechtsgebieten
sind auch die Regelungen der
verschiedenen Tarifverträge von großer
Bedeutung.
Ein gutes Netzwerk ist hilfreich
Aufgrund des sehr umfangreichen gesetzlichen
Rahmens und der verschiedenen
tarifrechtlichen Bestimmungen
bin ich sehr glücklich über ein gut funktionierendes
Netzwerk der Gleichstellungsbeauftragten
der Jobcenter. Jede
Kollegin bietet Hilfe und Unterstützung
sowie wertvolle Tipps bei noch nicht
dagewesenen Problemstellungen. Sowohl
die Pflege des Netzwerkes im
Rahmen von persönlichen Treffen (umliegende
Jobcenter, landesweit, bundesweit)
als auch die Unterstützung im
Tagesgeschäft per E-Mail und Telefon
dürfen nicht vernachlässigt werden.
Der Austausch über neuste Rechtsprechung
und die Vorgehensweisen der
unterschiedlichen Dienststellen in allen
personellen Belangen stehen bei den
persönlichen Treffen auf der Tagesordnung.
Auch wenn das Gleichstellungsrecht
in der Juristerei eine Nebenrolle
spielt, gibt es Expertinnen und Experten,
die mir immer mit Rat und Tat zur
Seite stehen.
Die eigenen Soft Skills
hinterfragen
Für die Überlegung, ob man eine Tätigkeit
in einem Jobcenter aufnehmen
möchte, sollte man sich mit dem gesetzlichen
Konstrukt des Jobcenters und
ihren diversen Tätigkeitsfeldern auseinandersetzen.
Zudem ist es sinnvoll,
die eigenen Soft Skills zu hinterfragen.
Teamfähigkeit, Empathie, Belastbarkeit
sowie Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit
sind persönliche Eigenschaften, über
die man verfügen sollte.
Die Aufgaben der Grundsicherung
für Arbeitsuchende nehmen die Jobcenter
nach dem Sozialgesetzbuch II
wahr. Diese können in zwei unterschiedlichen
Organisationsmodellen organisiert
sein: zum einen als gemeinsame
Einrichtung als Zusammenschluss des
kommunalen Trägers und der Bundesagentur
für Arbeit, zum anderen als zugelassene
kommunale Träger. Aufgrund
der unterschiedlichen Organisationsformen
kann sowohl die ortsansässige
Kommune als auch die Bundesagentur
für Arbeit als Arbeit geberin bzw. Arbeitgeber
für eine zukünftige Anstellung
fungieren.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende
umfasst Leistungen zur Beratung,
Beendigung oder Verringerung
der Hilfebedürftigkeit insbesondere
durch Eingliederung in Ausbildung
oder Arbeit (Arbeitsvermittlung) und
die Sicherung des Lebensunterhalts
(Leistungsabteilung). Der erste Einstieg
in die berufliche Tätigkeit in einem
Jobcenter findet sich auf Ebene des
ge hobenen Dienstes zumeist in der
Leistungsabteilung, aber auch bei der
Arbeitsvermittlung. Die Rechtsmaterie
der Sozialgesetzbücher ist sehr vielfältig
und von essentieller Bedeutung.
Neben den Kernaufgaben der Leistungsgewährung
und der Arbeitsvermittlung
können Tätigkeiten in der
Widerspruchsstelle, der Unterhaltsheranziehung,
der Abteilung zur Verfolgung
von Ordnungswidrigkeiten nebst
Ermittlungsdienst und im Querschnitt
(Personal, Controlling, Finanzen, Vertragsrecht,
Infrastruktur, Datenschutz)
interessant sein. Die Themen reichen
dort von Anwendung des BGB (Mietrecht,
Unterhalt, etc.), den Vorschriften
der Vergabe, dem Zuwendungsrecht
und der Bundeshaushaltsordnung
bis hin zu Datenschutz und Arbeitsrecht.
Fazit
Nun kann man sich fragen, ob es heutzutage
tatsächlich noch einer Stelle zur
Durchsetzung der Gleichstellung von
Frauen und Männern bedarf. Diese
Frage habe ich mir vor nunmehr vier
Jahren zunächst auch gestellt. Heute
kann ich jedoch mit Überzeugung sagen:
Der Weg zur finalen Gleichstellung
von Mann und Frau ist noch lang
und eine Gleichstellungsbeauftragte zur
Erreichung der Ziele unabdingbar. Meiner
Einschätzung nach wird dies auch
noch viele Jahre lang der Fall sein.
Eine Tätigkeit im Jobcenter bringt
eine hohe Flexibilität bei der Vereinbarkeit
von Familie, Pflege und Beruf
mit sich. Die Bedürfnisse der Beschäftigten
werden berücksichtigt und umgesetzt.
Neben diesen Aspekten ist die
Rechtsmaterie der Sozialgesetzbücher
äußert interessant und vielseitig. Aufgrund
der immer wiederkehrenden
rechtlichen Änderungen bleibt die Tätigkeit
herausfordernd und abwechslungsreich.
Janine Klimsa
* Janine Klimsa studierte Rechtswissenschaften
an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
und absolvierte das Rechtsreferendariat am
Landgericht Essen. Ihren Schwerpunkt richtete sie
im Studium auf das Arbeits- und Sozialrecht aus.
Während des Referendariates erfolgte die erste
Orientierung und Spezialisierung auf die öffentliche
Verwaltung. Seit 2009 ist sie über die Bundesagentur
für Arbeit in verschiedenen Tätigkeiten
beim Jobcenter Rhein-Kreis Neuss beschäftigt.
Autorinnenfoto: privat
Illustration (S. 106): www.istockphoto.com Nr. 496561827
© sorbetto
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 107
Arbeiten im
politischen Berlin
Juristin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
❯❯
Von Dr. Friederike Kilian *
Eines vorweg: Eine Berufswahl zu haben,
ist ein echtes Privileg. Dank der
guten Arbeitsmarktlage werden aktuell
Referendarinnen und Referendare von
vielen offenen Türen empfangen. Um
eine geeignete Wahl treffen zu können,
muss man aber erst einmal wissen,
was man von seiner Arbeit erwartet
und welche Erwartungen man selbst erfüllen
möchte. Wer das jetzt noch nicht
weiß, der darf die erste Jobsuche dennoch
entspannt angehen: Oftmals bedarf
es etwas Praxis, das heißt Berufserfahrung,
um genau das herauszufinden.
Das BMAS
Meine Berufswahl hat mich nach etwa
drei Jahren in einer Großkanzlei in
den Staatsdienst, genauer: in das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales
(BMAS), geführt, obwohl ich diese
Option direkt nach dem Referendariat
zunächst nicht näher in Betracht gezogen
hatte. Das BMAS ist eines von
14 Bundesministerien mit Sitz in Berlin
und Bonn. Es ist das Ministerium mit
dem größten Anteil am Bundeshaushalt,
was insbesondere der Zuständigkeit
für die Rentenversicherung und
die Grundsicherung geschuldet ist. Insgesamt
sind über 1200 Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer bzw. Beamtinnen
und Beamte für das Ministerium
tätig. Zusammengefasst kann man sagen,
dass das BMAS für das Arbeitsrecht
im Allgemeinen, die Systeme der
sozialen Sicherung – mit Ausnahme
der Kranken- und Pflegeversicherung –,
die Inklusion und für die Gestaltung
von Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung
zuständig ist.
Die vergangene Legislaturperiode
war eine sehr arbeitsintensive. Es wurden
viele neue Gesetze auf den Weg
gebracht und bestehende Regelungen
überarbeitet. Dabei waren nicht nur
der demographische Wandel und der
Arbeitsmarktzugang von Asylbewerberinnen
und Asylbewerbern leitende
Themen. So wurde beispielsweise auch
die Auswirkung des digitalen Wandels
auf unsere Art und Weise zu arbeiten
in einem Dialogprozess diskutiert und
die Ergebnisse im sogenannten «Weißbuch»
festgehalten. Der digitale und
der demographische Wandel werden
auch die neue Regierung weiter beschäftigen.
108
Beck’scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Der interministerielle Arbeitsstab
Meine bisherige Tätigkeit im BMAS
führte mich zunächst in den interministeriellen
Arbeitsstab der Beauftragten
der Bundesregierung für die
Belange von Menschen mit Behinderungen,
Verena Bentele. Obwohl ich
Beamtin des BMAS bin, war dieser
Einsatz möglich, weil die Beauftragte –
und damit auch ihr Arbeitsstab –
dem BMAS organisatorisch zugeordnet
sind.
Die Besonderheit des Arbeitsstabes
ist, dass Referentinnen und Referenten,
anders als teilweise in den Referaten
des BMAS, kein singuläres Thema bearbeiten,
sondern einen bunten Strauß
an Zuständigkeiten besitzen. Ich habe
dort beispielsweise das Betreuungsrecht
und verfassungsrechtliche Fragen
wie den Ausschluss vom Wahlrecht
von sogenannten «Vollbetreuten»
bearbeitet. Auch sozialrechtliche Themen
fielen in meine Zuständigkeit. So
wurde ich gleich zu Beginn meiner
Tätigkeit in die Arbeit am Bundesteilhabegesetz
involviert. Das war durchaus
herausfordernd, da ich meinen
fachlichen Schwerpunkt bis dahin ausschließlich
auf das Arbeitsrecht gelegt
hatte und mir das Sozialrecht daher,
bis auf einzelne Vorschriften, neu war.
Trotzdem hat es großen Spaß gemacht,
sich in die neue Materie einzuarbeiten
und mitzubekommen, wie ein Gesetzesentwurf
zustande kommt, was das
Parlament damit macht und wie der
Bundesrat reagiert. Die Arbeit findet
dabei nicht nur am Schreibtisch, sondern
auch im Rahmen von vielen
Besprechungen mit anderen Häusern
und Abgeordneten statt.
Was mir an der Arbeit im Arbeitsstab
besonders gefallen hat, waren die
flachen Hierarchien und die eigenverantwortliche
Arbeit. Die Tätigkeit war
vornehmlich juristisch geprägt, allerdings
war ich auch mit der Organisation
von Veranstaltungen betraut und
durfte die Beauftragte auf Terminen
vertreten. Die Arbeit war inhaltlich anspruchsvoll,
gleichzeitig wurde mir
ausreichend Zeit gegeben, mich in die
verschiedenen Materien einzuarbeiten
und mir ein Netzwerk aufzubauen.
Das Pressereferat
Nach zwei spannenden Jahren im Arbeitsstab
habe ich mich letztes Jahr
dazu entschieden, ins BMAS direkt zu
wechseln. Eine tolle Gelegenheit hierfür
war ein neues Modellprojekt der
Personalabteilung, das flexible Einsätze
in unterschiedlichen Bereichen – je
nach Bedarf in den Referaten – ermöglicht.
Seit Oktober 2017 bin ich im Rahmen
dieses Modellprojekts nun im Leitungs-
und Kommunikationsstab des
BMAS im Bereich Presse und Strategische
Kommunikation tätig. Auch hier
handelt es sich wieder um eine neue
Herausforderung, die ich als sehr bereichernd
empfinde. Als Juristin darf
ich nun mit an Pressemitteilungen arbeiten
und Presseanfragen beantworten.
Das Spannende daran ist, dass es
sich um juristisch anspruchsvolle Sachverhalte
handelt, die jedoch so nach
außen kommuniziert werden müssen,
dass sie auch für Nicht-Juristinnen und
-Juristen gut verständlich sind. Das ist
nicht immer einfach, bestätigt aber auch,
dass nur dann etwas einfach formuliert
werden kann, wenn es auch wirklich
verstanden wurde.
Ich glaube nicht, dass es mir in
der freien Wirtschaft möglich gewesen
wäre, mich in kurzer Zeit bereits in
zwei so unterschiedlichen Bereichen
auszuprobieren, ohne hierfür den Arbeitgeber
zu wechseln. Die Flexibilität
und Offenheit, die auch neuen Kolleginnen
und Kollegen entgegengebracht
wird, ist etwas, was ich von einem Ministerium
nicht erwartet hatte und
mich wirklich positiv überrascht hat.
Wirklich beeindruckend ist auch, wie
viel Fachwissen die Kolleginnen und
Kollegen besitzen. Gerade im Pressebereich,
wo Anfragen aus allen Themengebieten
des BMAS zusammenlaufen
und mit allen Abteilungen zusammengearbeitet
wird, erlebe ich dies jeden
Tag aufs Neue.
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Die Karrierechancen
Als Beamtin in einer Bundesbehörde
weiß man bereits bei der Verbeamtung,
wohin die berufliche Entwicklung
im besten Fall führen kann. Während
dies auf der einen Seite natürlich
Sicherheit schafft, nimmt es auf der
anderen Seite auch den Berufsweg ein
Stück weit vorweg. Dessen muss man
sich bewusst sein. Andererseits gibt es
aber neben den Entwicklungsmöglichkeiten
im Haus auch viele weitere Optionen,
die bei entsprechender Eigeninitiative
auch den Weg ins Kanzleramt,
nach Brüssel, Genf und an viele Botschaften
weltweit eröffnen.
Vereinbarkeit von Beruf und
Familie/Freizeit
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
ist wahrscheinlich direkt nach dem
Referendariat nicht das wichtigste Kriterium
bei der Berufswahl. Allerdings
steht nach meinem Dafürhalten die
Handhabung dieses Themas stellvertretend
für die Einstellung des Arbeitgebers
bzw. des Dienstherren zum Verhältnis
von Arbeit und Freizeit bzw.
Privatleben. Für das Ministerium kann
ich nur bestätigen, dass beide Themen
eine wichtige Rolle spielen und auch
ernst genommen werden. Natürlich
muss man auch mal länger bleiben
und Termine in den Abendstunden
und am Wochenende wahrnehmen.
Dies ist aber die Ausnahme und für geleistete
Mehrarbeit wird zudem Freizeitausgleich
gewährt. Daneben werden
flexible Teilzeitmodelle angeboten
und eine hauseigene Kita erspart Müttern
und Vätern doppelte Wege am
Morgen und Abend.
Fazit
Ich habe im BMAS die für mich passenden Rahmenbedingungen
gefunden, die es mir erlauben, mich kreativ
einzubringen und inhaltlich anspruchsvolle Arbeit zu erbringen.
Kollegialität und ein gutes und respektvolles Miteinander
werden hier großgeschrieben und prägen die
Arbeitsatmosphäre. Die Arbeitszeit und die Besoldung
stehen in einem ange messenen Verhältnis zueinander und
runden damit das Gesamtpaket ab. Wer sich zudem für
Politik und den berühmten «Blick hinter die Kulissen» interessiert,
ist beim BMAS gut aufgehoben. Das BMAS bildet
auch Referendarinnen und Referendare aus und freut
sich über Bewerbungen von fähigen und interessierten
Juristinnen und Juristen.
Dr. Friederike Kilian
* Die Autorin ist juristische Referentin im Bundesministerium
für Arbeit und Soziales. Zuvor war sie
Associate in einer Großkanzlei in Berlin. Dr. Kilian
hat an den Universitäten Heidelberg und Köln studiert
und ihr Referendariat im Bezirk des Kammergerichts
Berlin absolviert.
Autorinnenfoto: privat
Foto (S. 109): www.istockphoto.com Nr. 822473814
© Cineberg
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Beck’scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Kanzlei-
Awards,
Kanzlei-
Rankings,
Kanzlei-
Handbücher –
was steckt
dahinter?
In den Anzeigen vieler
Kanzleien finden sich Labels
wie «Kanzlei des Jahres»,
«Top 100 Arbeitgeber»,
«Top tier» oder «Young professionals'
choice». Doch wie
kommen diese Bewertungen
zustande? Eine Nachfrage
bei JUVE, LTO, The Legal 500
und trendence
Wir stehen auf der
Seite der Bewerber
Interview mit Markus Lembeck,
Co-Leiter des Karrieremagazins azur im JUVE Verlag *
Seit wann gibt es das azur100 Ranking
und die azur Awards?
Begonnen haben wir 2007 mit einer Sonderausgabe des azur
Karrieremagazins. Die Recherchen reichten damals für 36 Arbeitgeber,
die wir noch ohne Platzierung in alphabetischer Reihenfolge
vorgestellt haben. Das haben wir Jahr für Jahr ausgebaut.
2008 gab es die erste azur-Liste mit 50 Plätzen, seit 2009 heißt
die Publikation mit dieser Liste azur100. Seit 2010 gibt es die
azur Awards, zu Beginn nur auf dem Papier. 2012 wurden die
azur Awards erstmalig im Rahmen einer Preisverleihung an die
Sieger übergeben, damals noch im Auditorium der Bucerius
Law School in Hamburg. Inzwischen findet die Verleihung der
azur Awards jährlich in der Wolkenburg in Köln statt.
Bitte beschreiben Sie kurz die Methodik
dahinter.
Sowohl für die azur Awards als auch für azur100 ist die Umfrage
unter Bewerbern und Associates der wichtigste Baustein,
denn sie sind auch unsere Leser-Zielgruppe. Die Umfragen werden
jährlich online auf azur-online.de sowie auf juristischen
Karrieremessen durchgeführt. Die Umfrageergebnisse fließen
in die azur-Liste ein und sind zugleich ein Prüfkriterium für die
Awards. Die azur Awards werden in den drei Kategorien «Referendariat
und Praktikum», «Aus- und Fortbildung» und «Diversity»
verliehen. In diesen drei Kategorien nominiert die azur-
Redaktion je fünf Arbeitgeber, die als besonders dynamisch
und engagiert aufgefallen sind und die ein gutes Feedback von
Bewerbern und Berufseinsteigern bekommen. Zusätzlich wird
bei den azur Awards der Platz 1 azur100 ausgezeichnet – Preisträger
ist der Arbeitgeber, der an der Spitze der azur-Liste
steht. In der Rangliste spiegeln sich Ergebnisse aus der azur-
Bewerber- und Associate-Umfrage ebenso wider wie harte
Fakten zu Neueinstellungen und Gehältern.
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später auch auf unserer Website. azur100 ist kostenlos an
über 300 deutschlandweiten Auslageorten an Universitäten,
Gerichten und in Universitätsbuchhandlungen sowie auf
verschie denen Karrieremessen erhältlich. Eine Übersicht
aller Auslageorte fi ndet sich auf unserer Website.
Wie ist das Zusammenspiel in der
Aus wertung zwischen dem Fragebogen
für die Kanzleien und dem Fragebogen
für die Associates?
Maßgeblich sind die Ergebnisse der Associate-Umfrage, da
wir so erfahren, was die Associates über ihre Arbeitgeber
denken. Die Gespräche, die wir mit den Kanzleien führen, basieren
auf diesen Fragebögen und die Ergebnisse verifi zieren
sich gegenseitig – oder auch nicht. Wirbt z.B. eine Kanzlei
mit einem neuen Ausbildungsprogramm und wir erhalten
von mehreren Associates die Rückmeldung, dass dieses in
der Praxis nicht umgesetzt wird, ist das für uns Anlass, die
Angaben der Kanzlei genauer zu hinterfragen. Über die
Associate-Umfrage erhalten wir darüber hinaus auch Feedback
zu Kanzleien, in denen der Umfrageteilnehmer nicht
oder nicht mehr tätig ist.
Wie oft erscheint das Ranking, bzw. wie
oft werden die Awards vergeben?
Die azur Awards werden jährlich im Februar verliehen. Dann
erscheint auch die neue azur100 mit der azur-Liste – sie liegt
bei der Preisverleihung zum ersten Mal aus.
Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?
Die Sieger der azur Awards sowie Platz 1 – 3 der azur-Liste
veröffentlichen wir in der Nacht der Preisverleihung auf unserer
Website azur-online.de. Die komplette azur-Liste gibt
es ab dem Folgetag gedruckt in der azur100 sowie wenig
Welchen Nutzen sollen junge Juristen
daraus ziehen?
azur100 bietet unseren Lesern einen Blick hinter die Kulissen
und eine allgemeine Orientierung im Markt der Wirtschaftsjuristen.
Die Lektüre hilft bei der Vorbereitung für das Bewerbungsgespräch,
sowohl für Praktikanten, Referendare als
auch Berufseinsteiger. Nicht zuletzt schaffen wir Transparenz
im Markt. Am auffälligsten ist dieser Punkt bei den Gehaltsverhandlungen:
Wer sich auf die veröffentlichten Einstiegsgehälter
berufen kann, der bekommt vielleicht mehr, als
beim freien Aushandeln möglich wäre.
Was unterscheidet das azur100 Ranking
von anderen Auszeichnungen?
Am wichtigsten aus unserer Sicht ist die Unabhängigkeit: Die
Arbeitgeber haben weder direkt noch indirekt Einfluss auf
ihre Platzierung. Wir stehen auf der Seite der Bewerber und
versuchen aus ihrem Blickwinkel zu berichten. Hinzu kommt
der Anspruch auf eine gewisse Vollständigkeit. Die azur-Liste
ist kein in einem Moment erstelltes Ranking, das auch viele
subjektive Eindrücke enthalten kann, sondern basiert auf
harten Fakten zu Gehältern und Einstellungszahlen und, wie
gesagt, auf den Ergebnissen unserer Bewerber- und Associate-Umfrage.
Markus Lembeck
ist Fachredakteur und Co-Leiter des azur
Karrieremagazins im JUVE Verlag. Seit 1998
im Verlag, zuvor Studium der Geschichte,
Anglistik und Philosophie (M. A.) in Münster
und Köln. In der Redaktion u.a. zuständig
für die Produktgruppe azur sowie die JUVE- und azur Awards.
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Unsere Ergebnisse
sind transparent und
nachvollziehbar
Interview mit Christian Dülpers,
Head of Product der Legal Tribune Online *
Seit wann gibt es die LTO Young
Professional Survey?
Wir haben die erste Umfrage Ende 2014 gestartet. Die Ergebnisse
wurden im Mai 2015 veröffentlicht.
Bitte beschreiben Sie die Methodik dahinter.
Die Teilnehmer füllen einen Online-Fragebogen aus. Mitmachen
kann jeder, der sich selbst in die Zielgruppe der jungen
Juristen einordnet. Das Ergebnis präsentieren wir transparent
und nachvollziehbar: Wir zeigen die Fragen im selben
Wortlaut, wie wir sie den Nutzern gestellt haben. Die Antworten
geben wir ohne jegliche Bearbeitung weiter.
Wie erreichen Sie Ihre Teilnehmer?
Die Teilnehmer wurden über LTO.de und unsere Social-
Media-Seiten angesprochen, außerdem über unsere Partner
ELSA Deutschland, Talent Rocket, Clavisto, Lawyered und
Squeaker sowie Flyer an den Unis vor Ort.
Wie oft wird die Umfrage durchgeführt?
Bislang jährlich.
Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?
Auf LTO unter der Adresse www.lto.de/jura/umfrage/
Was unterscheidet die LTO Young Professional
Survey von anderen Rankings?
Die LTO Young Professionals Survey ist kein Ranking. Wir stellen
nicht darauf ab, wie gut oder schlecht einzelne Kanzleien
sind. Wir wollen wissen, wie Kanzleien und Unternehmen
von jungen Juristen wahrgenommen werden und welchen
Ruf sie als Arbeitgeber haben. Das ist aber nur ein kleiner Teil
der gesamten Umfrage.
Von anderen Umfragen unterscheiden wir uns unter anderem
in der Breite der Datenbasis. 2016 hatten wir rund
5500 Beantwortungen – damit hat die LTO Young Professional
Survey mit Abstand die größte Teilnehmerzahl.
Bei der Methodik legen wir sehr viel Wert auf Nachvollziehbarkeit
und Objektivität. Viele Rankings basieren teilweise
auf subjektiven Bestandteilen: Redakteure nehmen
Einschätzungen des Marktes und einzelner Kanzleien vor.
Die zugrunde liegenden Kriterien sind intransparent. Diese
Beeinflussung der Ergebnisse ist den meisten jungen Juristen
gar nicht bewusst. Wir als LTO machen das anders: Bei uns
kann man sich darauf verlassen, dass wir ungefi ltert die Meinung
der Teilnehmer wiedergeben.
Welchen Nutzen sollen junge Juristen daraus
ziehen?
Wir wollen jungen Juristen eine Orientierung für ihre Karriereplanung
geben. Sie können die Ergebnisse als Bezugspunkte
verwenden: Sie sehen, wie die Gehaltsvorstellungen anderer
junger Juristen sind, in welche Städte es sie zieht, welche Arbeitgeber
sich großer Beliebtheit erfreuen und vieles mehr.
Junge Juristen profi tieren auch mittelbar. Denn unsere Umfrage
ist auch ein Werkzeug für Kanzleien, mit dem sie die
Bedürfnisse der jungen Juristen erkennen und verstehen. Auf
dieser Basis können Arbeitgeber ein Umfeld schaffen, in dem
ihre Mitarbeiter produktiv sind und sich wohl fühlen. Wer an
unserer Umfrage teilnimmt, beeinflusst damit also seine zukünftige
Arbeitssituation positiv.
Christian Dülpers
Head of Product der Legal Tribune Online.
Der Dipl.-Finanzwirt und Dipl.-Medien wirt
startete als Redakteur bei Wolters Kluwer.
2010 übernahm er im LTO- Gründungsteam
die Verantwortung für Produktentwicklung
und Marketing.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 113
Ein Ranking in
The Legal 500 ist mit
keinerlei Kosten
verbunden
Interview mit Anna Bauböck,
Chefredakteurin von The Legal 500 *
Was ist The Legal 500?
The Legal 500 Handbücher wenden sich an Justiziare und Anwälte,
die sich einen Überblick über den Rechtsmarkt in verschiedensten
Jurisdiktionen verschaffen wollen. Sie dienen
als Guide zu den führenden Kanzleien weltweit, sind jedoch
mehr als nur ein Nachschlagewerk, da jedes Handbuch auf
detaillierter, qualitativer Recherche und Analyse von Kanzleien
und Anwälten beruht. Während The Legal 500 United
Kingdom als unser Aushängeschild gilt, ist The Legal 500 Europe,
Middle East und Africa unsere größte Ausgabe; zu den
weiteren bekannten Handbüchern zählen außerdem The Legal
500 United States, The Legal 500 Latin America sowie
The Legal 500 Asia Pacifi c. Darüber hinaus veröffentlichen wir
auch The Legal 500 Canada, The Legal 500 Caribbean und
das französischsprachige The Legal 500 Paris. Nicht zu vergessen
ist natürlich unser Handbuch speziell für den deutschen
Markt: The Legal 500 Deutschland.
jährlich von einem großen Team an Redakteuren über mehrere
Monate hinweg durchgeführt wird.
Bitte beschreiben Sie die Methodik hinter
Ihrer Recherche.
Jedes Jahr bitten wir Kanzleien, uns Informationen über ihre
Teams, ihre Mandatsarbeit und ihren Mandantenstamm in
den verschiedenen Praxisbereichen zur Verfügung zu stellen.
Anhand dieser Infos, die bis spätestens Anfang Mai bei uns
eintreffen müssen und die wir von Mai bis Ende Juli auch
mittels ausführlicher Interviews mit Partnern in den Kanzleien
vertiefen, ziehen wir den Vergleich zwischen den führenden
Praxen in diversen Rechtsgebieten. Darüber hinaus
befragen wir auch Mandanten und andere Referenzkontakte,
die uns von Kanzleien bereitgestellt werden, zum Serviceniveau
und den Leistungen der Sozietät.
Nach welchen Kriterien bewerten Sie
Kanzleien und Anwälte?
The Legal 500 konzentriert sich auf das obere Ende des
Rechtsmarkts – und damit ist nicht die Kanzleigröße, sondern
die Qualität der Beratung gemeint. Unsere Rankings basieren
in erster Linie auf den Informationen, die uns Kanzleien
über ihre Praxen zur Verfügung gestellt haben. Zudem
ziehen wir ebenso das Feedback der Referenzen in Betracht.
Obwohl wir uns während der Interviews mit Partnern in den
Kanzleien gerne auch über den Kanzleienmarkt unterhalten,
fließen subjektive Meinungen über andere Anwälte und So-
Seit wann gibt es The Legal 500?
The Legal 500 gibt es seit über 30 Jahren. Unser Verlag wurde
im Jahr 1987 von John Pritchard, selbst ein Jurist, gegründet
und befasst sich seitdem mit dem Thema Kanzleiempfehlungen.
Begonnen hat die Recherche in und für Großbritannien;
im Jahr 1990 erschien erstmals das Handbuch The Legal
500 Europe, Middle East und Africa (EMEA), in das auch
deutsche Kanzleien einbezogen wurden. Seit 2013 veröffentlichen
wir das deutschsprachige Werk The Legal 500 Deutschland
– in diesem Jahr erscheint die fünfte Ausgabe.
Wie oft wird die Umfrage durchgeführt?
Ich würde es weniger als Umfrage bezeichnen, denn dem
Handbuch liegt eine tiefgreifende Recherche zugrunde, die
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
zietäten nicht direkt mit in unsere Ranking-Entscheidung ein.
Zu den zahlreichen Elementen, die wir bei den Rankings berücksichtigen,
gehören als primäre Faktoren die jüngste Tätigkeit
der Kanzlei – konsistent anspruchsvoll, marktführende
Mandatsarbeit, aber auch Routinetätigkeit –, sowie die
Qualität des Mandantenstamms, einschließlich inländischer
und internationaler Mandanten, auf die wir als weltweit bekannte
Auszeichnung besonderen Wert legen, immer im Zusammenhang
mit der Art der Tätigkeit für die Mandanten;
neue Mandanten sind außerdem ein guter Indikator des Fortschritts
der Kanzlei. Unsere Recherche läuft auf jährlicher
Basis, nichtsdestotrotz berücksichtigen wir auch den historischen
Track-Record der Kanzlei und schenken der von Jahr
zu Jahr gleichbleibenden oder sich steigernden Leistung Beachtung.
Zu den sekundären Faktoren zählen zudem die
Breite der Praxis, einschließlich der Breite der abgedeckten
Branchen, sowie die Tiefe der Kenntnisse und die Erfahrung
des Teams. Hier betrachten wir auch jegliche Partnerernennungen
und/oder -wechsel und andere Veränderungen auf
per soneller Ebene. Schlussendlich ist auch die Fähigkeit der
Kanzlei, Schnittstellenbereiche zu anderen Praxen gut abdecken
zu können, von Bedeutung.
Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?
Die Ergebnisse, sprich die Rankings und Beschreibungen der
Kanzleien in den jeweiligen Praxisbereichen, werden sowohl
im gedruckten Handbuch als auch auf der deutschsprachigen
Website www.legal500.de sowie der englischen Website
www.legal500.com veröffentlicht. Für die englische
Version übersetzen wir jährlich das Deutschland-Handbuch,
denn das Germany-Kapitel in unserer englischsprachigen
EMEA-Ausgabe darf natürlich nicht fehlen. Somit wird jede
Kanzlei, die es in unsere Rankings in The Legal 500 Deutschland
geschafft hat, auch automatisch in The Legal 500 EMEA
aufgenommen und folglich einem globaleren Publikum vorgestellt.
Welchen Nutzen können junge Juristen
daraus ziehen?
Grundsätzlich wenden sich unsere Handbücher an Inhouse-
Juristen, aber natürlich kann sich jeder durch unsere Guides
über den Kanzleimarkt informieren. Neben einem nützlichen
Überblick über die Top-Kanzleien und führenden Anwälte in
Deutschland können unsere redaktionellen Texte auch aufschlussreiche
Einblicke in die verschiedenen Praxen verleihen.
So können sich junge Juristen beispielsweise anhand
der Kanzleibeschreibungen in die diversen Spezialisierungen
be ziehungsweise die Vielfalt der anwaltlichen Tätigkeiten innerhalb
von Praxisbereichen und Rechtsgebieten einlesen
und sich durch die Mandatsbeispiele ein Bild von der Spitze
des Fortschritts in der Rechtsberatung sowie den neuesten
Marktgeschehnissen und Innovationen in den verschiedensten
Industriebranchen machen und somit berufliche Orientierung
und Inspiration gewinnen.
Was unterscheidet The Legal 500 von
anderen Rankings?
Ein Ranking in The Legal 500 ist mit keinerlei Kosten verbunden
und somit können wir unabhängig und unvoreingenommen
unsere Recherche des Kanzleimarkts vornehmen.
Das ist nicht bei allen Rankings der Fall, da Auszeichnungen
des Öfteren durch einen Kostenbeitrag errungen werden
können. Ein weiteres bedeutendes Merkmal ist die globale
Bekanntheit und Reichweite von The Legal 500 im Gegensatz
zu diversen anderen Rankings sowie die Tatsache, dass
wir unsere Methodik seit drei Jahrzehnten perfektionieren
und unsere Handbücher stets weiterentwickeln. Abgesehen
von unseren bekannten Guides ist The Legal 500 auch durch
die Organisation von verschiedenen Veranstaltungen im
Rechtsmarkt präsent und zeichnet zusätzlich zu Rechtsanwälten
in Kanzleien ebenfalls die führenden und innovativsten
Inhouse-Juristen in einer Vielzahl an Jurisdiktionen,
inklusive Deutschland, durch unser Schwesterprodukt GC
Powerlist aus.
Anna Bauböck
ist seit 2015 Chefredakteurin von The Legal
500 Deutschland. Angefangen hat sie
beim Verlag Legalease Ltd als Redakteurin
des allerersten deutschsprachigen The Legal
500- Handbuches im Jahr 2013. Sie ist
im Londoner Büro ansässig, reist jedoch häufig quer durch
Deutschland, um den Kanzleimarkt zu erforschen.
www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 115
Wir zeigen, welche
Arbeitgeber besonders
attraktiv sind
Interview mit Holger Koch,
Gründer und Geschäftsführer des trendence
Instituts *
Was ist trendence?
trendence ist ein unabhängiges Beratungs- und Marktforschungsunternehmen
für Employer Branding und Personalmarketing.
Wir wissen, was Bewerber wollen, denn durch
unsere Befragungen kennen wir die Karrierepläne von drei
Millionen jungen Talenten weltweit.
Seit wann gibt es trendence?
Wir sind bereits seit 1999 am Markt.
Wie oft wird das trendence Graduate
Barometer erstellt?
Wir ermitteln einmal pro Jahr die Top-Arbeitgeber der Nachwuchsjuristen
mit dem trendence Graduate Barometer – Law
Edition.
Bitte beschreiben Sie die Methodik dahinter.
Das trendence Graduate Barometer ist eine Online-Befragung
unter 52.000 Studierenden in ganz Deutschland. Für
die Law Edition befragen wir rund 2200 Nachwuchsjuristen
zu ihren Wunscharbeitgebern, ihren Karriereplänen, aber
auch dazu, wie sie sich über Job und Karriere informieren.
nur Kanzleien, sondern auch der Öffentliche Dienst, Industrieunternehmen
und Wirtschaftsberatungen stehen weit oben
in der Gunst der Nachwuchsjuristen.
Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?
Das Ranking veröffentlichen wir auf unserer Website
www.trendence.com sowie in verschiedenen Medien wie
der JuS und der NJW.
Welchen Nutzen können/sollen junge
Juristen daraus ziehen?
Das Ranking gibt Nachwuchsjuristen einen wichtigen Impuls
für die eigene Berufsorientierung und Arbeitgeberwahl, weil
es ihnen zeigt, welche Arbeitgeber besonders attraktiv sind.
Zu erkennen sind diese Arbeitgeber an unserem Siegel. Gleichzeitig
erfahren Arbeitgeber aus unserer Studie, welche Dinge
den Nachwuchsjuristen bei einem Arbeitgeber besonders wichtig
sind, und sie können ihre Angebote und die Arbeitswelt
stärker an den Wünschen der jungen Bewerber ausrichten.
Nach welchen Kriterien bewerten Sie
Kanzleien?
Für das Ranking der Top-Arbeitgeber ist entscheidend, ob
sich die Nachwuchsjuristen bei einer Kanzlei oder einem Unternehmen
bewerben möchten. Je mehr Nachwuchsjuristen
einen Arbeitgeber so attraktiv fi nden, dass sie sich bei ihm
bewerben wollen, desto weiter oben landet das Unternehmen
im Ranking. Es ist also einzig und allein eine Entscheidung
der Bewerber, wen sie in das Ranking wählen. Übrigens befi
nden sich im Ranking der Top-Arbeitgeber der Juristen nicht
Holger Koch
ist Gründer und Geschäftsführer des
trendence Instituts, dem Beratungs- und
Markt forschungsunternehmen für Employer
Bran ding und Personalmarketing.
Fast 20 Jahre Markt forschung zu den
Karriereplänen und Wunscharbeitgebern von drei Millionen
jungen Bewerbern weltweit und jährlich über 400 Image-
Analysen von Arbeitgebern aller Branchen machen ihn zum
Experten für den Bewerbermarkt.
Autorenfoto: jakobhoff.com
Autorenfotos (S. 112, S. 113, S. 115): privat
Foto (S. 112): de.fotolia.com/# Nr. 25352639 © STUDIO GRAND OUEST, Foto (S. 113): de.fotolia.com/# Nr. 25352654 © STUDIO GRAND OUEST,
Foto (S. 114): de.fotolia.com/# Nr. 29773706 © STUDIO GRAND OUEST, Foto (S. 116): de.fotolia.com/# Nr. 29773730 © STUDIO GRAND OUEST
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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de
Kanzlei- und
Unternehmensprofile
Beck'scher
Referendarführer
2018 / 2019
Allen & Overy LLP
Schlüsseldaten
Gründungsjahr
1930 in London
Standorte in Deutschland
Düsseldorf, Frankfurt am Main,
Hamburg, München
Standorte weltweit
44 Büros in 31 Ländern
Umsatz p.a. k. A.
A