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BRefF 2018/19

Hier lesen Sie den Beck'schen Referendarführer 2018/2019.

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Beck'scher

Referendarführer

2018 / 2019

Orientierungshilfen

Kanzlei- und

Unternehmensprofile

Nützliche Adressen


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Geleitwort

Beck'scher

Referendarführer

2018 / 2019


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Impressum

Beck'scher

Referendarführer

2018 / 2019

Herausgegeben von

Dr. Klaus Winkler

Verlag C.H.BECK oHG

Wilhelmstraße 9, 80801 München

Telefon: +49(0)89 38189-0

Telefax: +49 (0)89 38189-156

E-Mail: referendarfuehrer@beck.de

Internet: www.beck.de

Redaktion

Dr. Joseph Wälzholz, Natalie Klimsa

Lektorat und Mitarbeit

Ingrid Boumessid, Hildgund Kulhanek, Susanne

Loder, Annette Merbeler, Bettina Miszler, Philipp

Mützel, Ulrich Pawlik, Gerhard Peter, Dorothea

Swoboda, Sinan Behrozi, Karolin Borcherding,

Florian Fuchs, Heike Gabel, Phillip Hinz,

Simon Lutz, Sarah Müller, Miriam Wester

Anzeigenleitung

Bertram Götz (für den Anzeigenteil verantwortlich)

Anzeigenverkaufsleiter

Thomas Hepp, E-Mail: thomas.hepp@beck.de

Mediaberatung

+49 (0)89 38189-687

E-Mail: mediaberatung@beck.de

Anzeigenherstellung

Marle Wolf, +49 (0)89 38189-604,

E-Mail: anzeigen@beck.de

Der nächste Referendarführer erscheint

im Mai 2019. Anzeigenschluss ist der

7. März 2019, 12 Uhr.

Design

Birthe Gehrmann, Regina Schick

Herstellung

Erwin Wollenschläger

Satz

C.H.Beck.Media.Solutions, Nördlingen

Druck

Druckerei Aumüller, Regensburg

Bildnachweis

www.istockphoto.com:

Titelbild: Bild-Nr. 625889702 © RicoK69;

S. 1: Bild-Nr. 526092371 © aragami123345;

S. 11: Bild-Nr. 461839297 © aragami123345;

S. 117: Bild-Nr. 845471260 © glebchik;

S. 321: Bild-Nr. 658596000 © Pinosub;

S. 363: Bild-Nr. 471819046 © EM_prize.

Redaktionell: Verlag C.H.BECK oHG.

© 2018 Verlag C.H.BECK oHG

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme

ins Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger

dürfen nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung

des Verlages erfolgen. Fotokopieren mit

Quellennachweis zu privaten Zwecken sowie zum

Zweck der Berufsberatung ist gestattet. Die

Inhalte der Artikel geben nicht notwendig die

Meinung der Redaktion wieder.

Die Informationen in dieser Publikation sind

sorgfältig recherchiert und geprüft worden. Eine

Garantie kann dennoch nicht übernommen werden.

Eine Haftung für Personen, Sach- und Vermögensschäden

ist ausgeschlossen.

Wir danken allen Autorinnen und Autoren sowie

Anzeigenkunden für ihren Beitrag zum Gelingen

dieses Referendarführers sehr herzlich.

Geleitwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

im aktuellen Beck'schen Referendarführer stellen wir Ihnen

erneut eine große Bandbreite an juristischen Berufsfeldern vor,

außerdem finden Sie zahlreiche Tipps rund um das Thema Referendariat

und Berufsstart.

Was hat es mit Smart Contracts auf sich? Welche Chancen

schafft LegalTech? Welche Rolle spielt Work-Life-Balance in

einer internationalen Großkanzlei? Worauf kommt es an, wenn

Sie sich auf Kartellrecht spezialisieren möchten? Würden Sie

gerne als Datenschutzanwältin/Datenschutzanwalt arbeiten?

Überlegen Sie, Ihren LL.M. zu machen, brauchen dafür aber

noch konkrete Tipps? Zu diesen und vielen anderen Themen

finden Sie hilfreiche Infos in den Beiträgen im redaktionellen

Teil.

In der Mitte des Referendarführers präsentieren sich Ihnen

zahlreiche Kanzleien, Unternehmen und Behörden. Möglicherweise

finden Sie dort eine interessante Station, einen spannenden

Nebenjob oder bereits Ihren künftigen Arbeitgeber.

Weitere nützliche Adressen und Informationen finden Sie am

Ende des Referendarführers.

Natürlich können Sie Ihre Wahlstation auch sehr gerne im

Verlag C.H.BECK verbringen. Bewerben Sie sich dazu einfach

direkt bei mir unter referendarfuehrer@beck.de und wirken

Sie bei der nächsten Ausgabe des Referendarführers mit. Ich

freue mich auf Sie!

Für Ihr Referendariat und Ihren darauf folgenden Start in das

Berufsleben wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute!

Ihr

Dr. Klaus Winkler München, im April 2018

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 3


Der Verlag C.H.BECK

Wussten Sie, dass der Verlag

C.H.BECK eines der ältesten

Verlagsunternehmen Deutschlands

ist?

Gegründet wurde der Verlag

bereits im Jahre 1763 in der

mittelalter lichen Kleinstadt

Nördlingen. Dort kaufte der

Firmengründer Carl Gottlob

Beck eine schon seit 130 Jahren

bestehende Druckerei und

gliederte ihr einen Verlag und

eine Buchhandlung an. Die

heutige Firmenbezeichnung

C.H.BECK geht übrigens auf

die Initialen seines Sohnes

Carl Heinrich Beck zurück.

1889 verlegte Oscar Beck den

Verlagssitz nach München, die

Druckerei blieb in Nörd lingen.

Als einer der wenigen juristischen

Verlage in Deutschland ist der Verlag

C.H.BECK noch heute in Familienbesitz

– und feierte im Jahr 2013 sein

250- jähriges Firmenjubiläum. Inhaber

sind die Brüder Dr. Hans Dieter Beck

und Dr. h.c. Wolfgang Beck. Den Verlagsteil

Recht – Steuern – Wirtschaft

(RSW) leitet Dr. Hans Dieter Beck in

sechster Generation. Im Verlagsteil

Literatur – Sachbuch – Wissenschaft

(LSW) hat 2015 mit Dr. Jonathan Beck

bereits die siebte Generation die Leitung

übernommen.

Der Verlag beschäftigt allein am

Haupt sitz in München rund 750 Mitarbeiter.

Die meisten juristischen Zeitschriften

werden in der Zweigniederlassung

in Frankfurt am Main betreut. In Nördlingen

arbeiten weiterhin die firmeneigene

Buch- und Zeitschriftendruckerei,

eine Setzerei und eine Multimedia-

Abteilung. Ebenfalls dort angesiedelt

ist die Nördlinger Verlagsauslieferung,

von der aus die gesamte Verlagsproduktion

einschließlich der Titel von

Alp mann Schmidt ausgeliefert wird.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann

der Ausbau zu einem vielseitigen

wissenschaftlichen Verlag, der immer

auch ein kleines literarisches Programm

pflegte. Ein bedeutender Faktor für den

Aufbau des juristischen Verlagsprogramms

war die Gründung des Deutschen

Reichs im Jahr 1871, in deren

Folge einige wichtige, erstmals für ganz

Deutschland geltende Gesetze entstanden,

so die Zivilprozess ordnung von 1876,

das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896

und das Handelsgesetzbuch von 1897.

Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

wurden mit der Gesetzessammlung

Schönfelder (ab 1935), mit

dem BGB-Kommentar Palandt (Erstauflage

1938) und mit der Neuen Juristischen

Wochenschrift (ab 1947) eine

Reihe von juristischen Standardwerken

gegründet, die heute jeder Jurist kennt.

Im Jahr 1970 konnte der C.H.BECK-

Verlag den Vahlen- Verlag erwerben, der

heute durch verschiedene Erweiterungen

ein breites Spektrum an Referendarliteratur

bietet. Er wurde bereits im Jahr

1870 von Franz Vahlen (1833 – 1898)

in Bonn gegründet. Zahlreiche seiner

Titel aus der juristischen Studien- und

Referendarliteratur, aber auch wissenschaftliche

Kommentare, Handbücher,

Schriftenreihen sowie Zeit schriften aus

den Bereichen Jura, Wirtschafts- und

Sozialwissenschaften zählen heute zu

den deutschlandweit führenden Werken

auf ihrem Gebiet. Ein absoluter Klassiker

der Referendarliteratur ist beispielsweise

das bereits seit 1884 regelmäßig

erscheinende Werk «Zivilrechtliche

Arbeitstechnik im Asses sorexamen

(Bericht- Votum-Urteil-Aktenvortrag)»

von Schuschke/Kessen/Höltje.

Tradition und Fortschritt sind keine

Gegensätze. Auch im traditionsreichen

C.H.BECK- Verlag gewinnt neben dem

klassischen Buch der Online- Bereich

mit der Datenbank beck- online eine

immer größere Bedeutung. Nicht zuletzt

durch die Module JA/JuS Direkt

und JA/JuS Premium wird auch den

elektronischen Informationsbedürfnissen

von Referendarinnen und Referendaren

Rechnung getragen. Ihnen im

Referendariat und auch später im Beruf

zuverlässige juristische Fachinformationen

zu bieten ist unser Ziel. Vielleicht

denken Sie bei Ihrem nächsten

Besuch in einer Buchhandlung an uns.

Wir würden uns freuen!

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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort / Impressum .................................................. 3

Der Verlag C.H.BECK .................................................... 4

Beiträge

Was wäre, wenn …?

Oder: Wie man es schafft, als Jurist doch noch etwas ‹Ordentliches› zu werden

Sebastian Fitzek . ......................................................... 12

Kommt der Halbtags-Referendar?

Prof. Dr. Joachim Jahn ..................................................... 16

Auto tot, Tür zu, Smart Contracts

Prof. Dr. Nikolas Guggenberger, LL.M. (Stanford). ................................ 20

«Legal Tech? Legal Engineer? Data Lawyer?

Ich will doch Anwalt werden.»

Marco Klock ............................................................. 24

«Wer auf vier Punkte lernt, landet leicht unter dem Strich» –

Die Tätigkeit als Repetitor

Laura Christiane Nienaber . ................................................. 28

Prüfungen im Jurastudium souverän meistern

Antje Heimsoeth ......................................................... 32

Tipps für ein LL.M.-Studium

Susanne Loder . .......................................................... 35

Informationsrecht: Rechtsfragen der Digitalisierung

Mit dem berufsbegleitenden Master of Laws (LL.M.) Informationsrecht

auf dem neuesten Stand

Heidi Scharvogel ......................................................... 37

LL.M., M.C.L., M.C.J.? – Hauptsache, in den USA studieren!

Prof. Dr. Andreas Kark . ..................................................... 40

Insurance-Anwalt

Ein Erfahrungsbericht aus dem Arbeitsalltag bei Norton Rose Fulbright, München

Dr. Daniel Peppersack, LL.M ................................................ 43

Work-Life-Balance bei McDermott Will & Emery

Volker Teigelkötter . ....................................................... 46

Arbeitsrecht in der Großkanzlei – alles, was das Anwaltsherz begehrt

Dr. Jens Günther .......................................................... 48

Bewerbungstipps für die Auslandsstation

Dr. Klaus Winkler ......................................................... 52

Going East

Erfahrungsbericht eines Referendars bei King & Wood Mallesons

Lukas Kirchhof . .......................................................... 55

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Beck'scher

Referendarführer

2018 / 2019

Beiträge

Wahlstation bei adidas – Only the best for the athlete

Tim Lisner .............................................................. 58

Unternehmensjurist bei der Bavaria Film GmbH

Christiane Herbrecht ...................................................... 62

Compliance Management im Unternehmen – ein Beruf für Vielseitige

Dr. Robert Ratay . ......................................................... 65

«Datenschutzanwälte sind sehr gesucht»

Interview mit Tim Wybitul .................................................. 68

Die Rechtsanwaltschaft – berufliche Heimat der meisten Volljuristen

Prof. Dr. Matthias Kilian .................................................... 71

Kartellanwalt – eine berufliche Perspektive für junge Juristen?

Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker . .............................................. 74

Baurechtler und ihr (Hand-)Werk

Anwaltliche Tätigkeit in einer mittelständischen Kanzlei mit bau- und

immobilienrechtlichem Schwerpunkt

Dr. Meike Kilian und Eva Strauss ............................................. 78

Der Notar – Ein unparteiischer Rechtsberater

Dr. Armin Winnen ......................................................... 82

Der Richterberuf – nichts für Langweiler

Dr. Christina Pernice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Richter 4.0?

Dr. Adrian Hans .......................................................... 88

«Denn sie wissen (nicht), was sie tun»:

Warum ein bisschen Dolmetschen und Übersetzen nicht reicht

Plädoyer für mehr Sicherheit im Rechtsverkehr

Birgit Strauß . ............................................................ 91

Als Jurist/in in der Steuerfahndung/Finanzverwaltung

Katrin Kühl . ............................................................. 95

Juristinnen und Juristen in der Allgemeinen Inneren

Verwaltung und der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern

Dr. Simone Hilgers, Frank Unkroth und Daniela Simeonova ........................ 99

Querschnittsaufgabe Gleichstellungsbeauftragte

Jobcenter als Alternative im öffentlichen Dienst

Janine Klimsa ............................................................ 105

Arbeiten im politischen Berlin

Juristin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Dr. Friederike Kilian ....................................................... 108

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Inhaltsverzeichnis

Kanzlei- und

Unternehmensprofile Beiträge

Kanzlei-Awards, Kanzlei-Rankings, Kanzlei-Handbücher –

was steckt dahinter?

Eine Nachfrage bei JUVE, LTO, The Legal 500 und trendence .................. 111

«Wir stehen auf der Seite der Bewerber»

Interview mit Markus Lembeck .............................................. 111

«Unsere Ergebnisse sind transparent und nachvollziehbar»

Interview mit Christian Dülpers .............................................. 113

«Ein Ranking in The Legal 500 ist mit keinerlei Kosten verbunden»

Interview mit Anna Bauböck ................................................ 114

«Wir zeigen, welche Arbeitgeber besonders attraktiv sind»

Interview mit Holger Koch .................................................. 116

«Das juristische Denken funktioniert wie ein Schlüssel»

Interview mit Prof. Dr. Dr. Heribert Prantl ...................................... 384

Allen & Overy LLP ...................................................... 118

ALPMANN FRÖHLICH ................................................... 120

Alpmann Schmidt Juristische Lehrgänge .................................... 122

Arendt & Medernach – Rechtsanwälte ...................................... 124

ARNECKE SIBETH ....................................................... 126

Arnold & Porter ........................................................ 128

ARQIS Rechtsanwälte ................................................... 130

Ashurst LLP ........................................................... 132

AULINGER Rechtsanwälte | Notare ......................................... 134

Baker & McKenzie Partnerschaftsgesellschaft mbB ............................ 136

Baker Tilly ............................................................ 138

Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

BBG und Partner ....................................................... 142

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA) ............... 144

BDO ................................................................. 146

Becker Büttner Held .................................................... 148

BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Bird & Bird LLP ......................................................... 152

BLAUM DETTMERS RABSTEIN ............................................. 154

BLD Bach Langheid Dallmayr ............................................. 156

BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN Partnerschaft von Rechtsanwälten,

Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern mbB .................................... 158

Brödermann Jahn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

BRP Renaud & Partner .................................................. 162

Bryan Cave Leighton Paisner ............................................. 164

CBH Rechtsanwälte Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner ................ 166

Cleary Gottlieb Steen & Hamilton LLP ....................................... 168

Clifford Chance ........................................................ 170

CMS Hasche Sigle ...................................................... 172

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Beck'scher

Referendarführer

2018 / 2019

Kanzlei- und

Unternehmensprofile

Commerzbank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Deloitte/Deloitte Legal .................................................. 176

Dentons .............................................................. 178

Deutsche Bundesbank .................................................. 180

DLA Piper UK LLP ....................................................... 182

Ernst & Young Law GmbH (EY Law) ........................................ 184

Esche Schümann Commichau ............................................. 186

Eversheds Sutherland (Germany) LLP ....................................... 188

FPS .................................................................. 190

Gibson, Dunn & Crutcher LLP ............................................. 192

Glade Michel Wirtz – Corporate & Competition ............................... 194

Gleiss Lutz ............................................................ 196

GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB ............................... 198

GvW Graf von Westphalen ............................................... 200

Hengeler Mueller ....................................................... 202

Herbert Smith Freehills .................................................. 204

Hessisches Ministerium der Justiz ......................................... 206

Hessisches Ministerium des Innern und für Sport ............................. 208

Heuking Kühn Lüer Wojtek ............................................... 210

Hogan Lovells ......................................................... 212

honert + partner mbB ................................................... 214

HOYNG ROKH MONEGIER ................................................ 216

Iffland Wischnewski Rechtsanwälte ........................................ 218

Jones Day ............................................................ 220

Justiz des Landes NRW .................................................. 222

K & L Gates LLP ........................................................ 224

kallan Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ...................................... 226

Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB ................................ 228

Kirkland & Ellis International LLP .......................................... 230

KLIEMT.Arbeitsrecht .................................................... 232

KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (kurz KPMG Law) .................... 234

KUCERA Rechtsanwälte und Steuerberater Partnerschaft mbB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare ..................................... 238

KWG Rechtsanwälte .................................................... 240

King & Wood Mallesons / KWM Europe ..................................... 242

Landeshauptstadt München .............................................. 244

Latham & Watkins LLP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Leinemann Partner Rechtsanwälte ......................................... 248

Lenz und Johlen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ............................ 250

lindenpartners ......................................................... 252

Linklaters LLP .......................................................... 254

Loschelder ............................................................ 256

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ..................................... 258

Mayer Brown LLP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP ...................... 262

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 9


Inhaltsverzeichnis

Kanzlei- und

Unternehmensprofile

Menold Bezler Rechtsanwälte ............................................ 264

Milbank, Tweed, Hadley & McCloy LLP ...................................... 266

Morgan, Lewis & Bockius LLP ............................................. 268

Morrison & Foerster LLP ................................................. 270

Noerr LLP ............................................................ 272

Norton Rose Fulbright .................................................. 274

Hauptberufliche/r Notarin/Notar ........................................... 276

OPPENLÄNDER Rechtsanwälte ............................................ 278

Osborne Clarke ........................................................ 280

Pinsent Masons Germany LLP ............................................ 282

PwC Legal ............................................................ 284

RITTERSHAUS Rechtsanwälte ............................................. 286

SCHMIDT, VON DER OSTEN & HUBER ....................................... 288

SGP Rechtsanwälte ..................................................... 290

Shearman & Sterling LLP ................................................ 292

Simmons & Simmons LLP ................................................ 294

Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom LLP .................................. 296

SKW Schwarz Rechtsanwälte ............................................. 298

SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH .................. 300

Taylor Wessing ......................................................... 302

thyssenkrupp AG ....................................................... 304

Weil, Gotshal & Manges LLP .............................................. 306

White & Case LLP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Willkie Farr & Gallagher LLP .............................................. 310

WilmerHale ........................................................... 312

Wolter Hoppenberg ..................................................... 314

ZENK Rechtsanwälte .................................................... 316

ZIRNGIBL Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ................................. 318

Literaturempfehlungen

Nützliche Adressen

und Informationen

Jurakompakt – Studium und Referendariat .................................. 322

Themenschwerpunkt .................................................... 324

Schwerpunkt: Zivilrecht .................................................. 334

Schwerpunkt: Strafrecht ................................................. 343

Schwerpunkt: Öffentliches Recht .......................................... 351

Kommentare .......................................................... 357

Inhaltsverzeichnis der nützlichen Adressen und Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

Adressen ............................................................. 365

Ländertabellen bezüglich Klausuren, Stationen, Einstellung und Vergütung ......... 377

Übersicht über die Ergebnisse der juristischen Prüfungen 2012 – 2016 ............. 378

Bezugsquellen ......................................................... 380

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Beiträge

Beck'scher

Referendarführer

2018 / 2019


Was wäre, wenn …?

Oder: Wie man es schafft, als Jurist doch noch

etwas ‹Ordentliches› zu werden

Von Sebastian Fitzek *

Als ich gefragt wurde, ob ich eine Glosse für den

Beck’schen Referendarführer schreiben möchte, fühlte

ich mich sehr geehrt. Zumal der Themenvorschlag lautete:

«Wie schafft man es, als Jurist doch noch etwas ‹Ordentliches›

zu werden?»

Meistens stellen mir alte Studiengefährten genau die gegenteilige

Frage, nämlich wann ich mich denn auf meinen «ordentlichen

Beruf» besinnen und den albernen Ausflug in die

Niederungen der Belletristik endlich aufgeben würde.

Was, selbst wenn ich es wollte, gar nicht so einfach wäre,

denn ich habe zwar im Urheberrecht promoviert, aber ich

bin nur Halbjurist, ohne zweites Staatsexamen. Das Leben

kam mir vor dem Referendariat dazwischen, damals in Gestalt

eines Angebots als Chefredakteur beim Berliner Rundfunk.

Im Grunde bin ich der Albtraum eines auf Gradlinigkeit und

konsequente Berufszielverfolgung achtenden Personalberaters

und – gemessen an meinen Lebenszielen – ein totaler

Versager. (Ein Satz, den meine Lektorinnen wegen unsäglicher

Substantivierung rot markieren würden, aber hey, wir

sind ja unter uns Juristen.)

Ich hatte gerade erfolgreich ein Veterinärmedizinstudium

nach nur drei Monaten abgebrochen, weil ich über meine

Tierliebe vergessen hatte, dass ich zwei linke Hände habe,

die mir schon beim Sezieren eines Hundes im Weg waren.

Was sollten da später die noch lebenden Tiere sagen?

Aber auch Tierarzt war nicht meine erste Wahl, nicht einmal

meine dritte. Ich hatte Tennisspieler und Schlagzeuger

werden wollen, beides scheiterte an einem offensichtlichen

Mangel an Talent. Meinen Traum vom Job in der Musikindustrie,

damals wurden noch Schallplatten und CDs verkauft,

wollte ich dennoch nicht aufgeben. Band- oder Konzertmanager

schwebte mir vor, aber selbst ein Praktikum bei

Labels und Agenturen war unerreichbar. Denn um in die

heiligen Hallen der Musikindustrie vorgelassen zu werden,

braucht man Beziehungen. Da meine Eltern Lehrer waren,

sah es mit ihren Kontakten in die schillernde Welt des

Showbusiness eher schlecht aus.

Ich wollte nie Autor werden. Niemals beim Radio arbeiten.

Und nie Jura studieren.

Vom Medienrechtler zum Musikmanager?

Als ich im Wintersemester 1991, also in einem für Smartphonebesitzer

prähistorischen Zeitalter, mein Studium

der Rechtswissenschaften an der FU Berlin begann, war das

aus der Not geboren.

Ob Sebastian Fitzek wohl

*deshalb* das Veterinärmedizinstudium

abge brochen hat?

12

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


In meiner grenzenlosen Naivität nahm ich an, dass es auch

Menschen mit einer ordentlichen Berufsausbildung in den

von mir angestrebten Aufgabenbereichen geben musste. Ich

schnappte mir das Handbuch der Musikwirtschaft und studierte

die Lebensläufe der A&R-Manager, -Produzenten und

-Plattenbosse. Und siehe da: Ich fand auffällig viele Juristen

unter ihnen.

ter Not zu dem Buch, einfach aus Mangel an Alter nativen.

Und stellen beim Lesen fest, dass wir es mögen. Nein, dass

wir es sogar lieben. Dass es das Potential hat, unser Lieblingsbuch

zu werden. Und wir fragen uns, wieso wir diesen

Schatz so lange ignoriert haben. Auch das Jura studium hat

meine Erwartungen weit übertroffen.

Das Jurastudium – ein Studium generale?

Der Begriff des Studium generale mag zu hoch gegriffen

sein, aber das Studium der Rechtswissenschaft hat mich

vieles gelehrt, was mir heute meinen Beruf als Autor erleichtert,

wenn nicht sogar erst ermöglicht.

Ein weiterer Beruf, den

Sebastian Fitzek nicht ergriffen

hat: Tennisspieler.

Überall Juristen, Juristen, Juristen

Vermutlich hätte ich auch im Handbuch der Fleischereiwirtschaft

nachschauen können und wäre auf eine ähnliche

Schnittmenge gestoßen. Dass Jura damals ein Modefach

und völlig überlaufen war, wurde mir erst klar, als ich

im Audimax um einen Platz auf dem Fußboden kämpfen

musste.

Eine juristische Argumentation muss – wie eine fiktionale

Geschichte – den Adressaten überzeugen. Sie beginnt mit

der Recherche jener Fakten, auf denen wir unsere Argumentationskette

aufbauen. Neben dem Handwerk der Recherche

habe ich an der rechtswissenschaftlichen Fakultät aber etwas

noch Essentielleres gelernt: die Notwendigkeit, im Leben

einen anderen Standpunkt einzunehmen, um seine eigenen

Ansichten auf den Prüfstand zu stellen.

«Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint», schrieb ein

wohlwollender Kritiker über mein Debüt «Die Therapie». Im

Grunde eine Zusammenfassung jener Aha-Effekte, die ich

beim Studium mehrfach erlebte, etwa wenn die nähere Betrachtung

Kausalketten in Frage stellte, die auf den ersten

Blick ganz logisch erschienen: Der Arzt vergaß eine Vorsorgeuntersuchung

der schwangeren Frau, weswegen die

Missbildung des Babys nicht diagnostiziert wurde. Natürlich

gibt es hier einen «Schaden» – war meine Erstsemesterreaktion.

Die «Was wäre, wenn der Arzt korrekt gehandelthätte»-Frage

stellte ich mir nicht. Aber sie ist natürlich ent-

Ich hatte mich eingeschrieben in dem Glauben, mit dem

Studium des Wettbewerbs-, Medien-, Urheber- und Verlagsrechts

meinem Traum von der Arbeit im Musikgeschäft als

abgebrochener Schlagzeuger endlich näher zu kommen. Ich

hatte erwartet, mich durch ein knochentrockenes Paragraphenstudium

durchbeißen zu müssen, um am Ende mit

einem Traumjob belohnt zu werden. Ich musste lernen, dass

ich völlig falsch lag. Die Vorlesungen streiften noch nicht

einmal die von mir erwarteten Rechtsgebiete, waren aber

dennoch faszinierend und spannend.

Ich erlebte etwas, das alle Leserinnen und Leser nachvollziehen

können, die im Regal seit Jahren ein ungelesenes

Buch haben, dessen Titel und Thema sie nicht anspricht und

das sie schon oft in den Händen hielten, jedoch nie zu lesen

begannen. Irgendwann greifen wir dann doch in allerhöchs-

Wäre Sebastian Fitzek Schlagzeuger

geworden, hätte er natürlich

auch *so* enden können.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 13


scheidend, verändert alles. Sie öffnete mir damals das Tor zu

einem moralischen Dilemma, denn bis heute will ich ein

lebendiges, jedoch krankes Kind nicht als Schaden ansehen,

die Eltern aber nicht mit den Kosten der fi nanziellen Mehrbelastungen

alleine lassen.

Heute bestimmen «Was wäre, wenn»-Fragen mein Leben.

Nahezu jeder meiner bisher sechzehn Psychothriller dreht

sich um eine: «Was wäre, wenn das Paket, das ich für den

Nachbarn annehme, einen gefährlichen Inhalt hat?» – «Was

wäre, wenn mein Kind, das ich zum Arzt begleitet habe, nie

wieder aus dem Behandlungszimmer herauskommt?» –

«Was wäre, wenn eine Blinde die einzige Zeugin ist und den

Täter sogar beschreiben kann?»

Die Juristenausbildung – eine Kreativitätsschmiede

Oft werde ich belächelt, wenn ich sage, dass ich die Juristenausbildung

für eine Kreativitätsschmiede halte. Aber

selten wird das «out of the box»-Denken so gefördert wie

hier. Und es ist eben nicht nur ein Gesetz der Masse, dass wir

Juristen in so vielen, verschiedenen Lebensbereichen zu fi n-

den sind. Gerade das Strafrecht, dem ich in gewisser Hinsicht

treu geblieben bin (nur dass ich die Axtmörder nicht in der

Realität, sondern auf dem Papier anklage, verteidige oder

richte), hat mich gelehrt, was für meinen derzeitigen Beruf

als Autor unabdingbar ist: den Sachverhalt aus allen denkbaren

Perspektiven zu beleuchten, bevor man entscheidet.

Viele Menschen vergleichen das Leben mit einer einzigen,

großen Reise, die bei näherer Betrachtung übrigens eine

Parallele zu der dreiaktigen Erzählstruktur hat, in die wir fast

intuitiv verfallen, wenn wir uns Geschichten erzählen: Man

bricht auf in das Ungewisse (1. Akt: Geburt), man zieht durch

fremde Welten (2. Akt: Leben im Allgemeinen) und man

kehrt zurück (3. Akt: Tod). Im Grunde genommen ist dieser

Vergleich hilfreich, aber – was sollte ich als Jurist auch sonst

sagen – er greift zu kurz.

Das Leben ist nicht eine Reise, sondern sie besteht aus unglaublich

vielen, unterschiedlichen Reisen. Und meine nicht

sehr weltbewegende, aber für Kühlschrankmagneten geeignete

These lautet: Je mehr Reisen man erlebt habt, desto

erfüllter und glücklicher war das Leben.

Schon aus diesem Grund bedauere ich hin und wieder, dass

ich niemals Referendar war. Ich bin mir sicher, diese Reise

hätte mir noch weitere Aha-Effekte beschert; hätte mich die

Welt, in der ich lebe, erneut mit anderen Augen sehen lassen.

Hätte mich noch kreativer werden lassen. Doch dazu

haben Sie ja jetzt die Gelegenheit. Ich wünsche allen Leserinnen

und Lesern des Beck’schen Referendarführers eine

gute und spannende Reise. Vielleicht kreuzen sich ja irgendwann

unsere Wege. Und Sie könnten sich ja jetzt schon mal

fragen: «Was wäre, wenn …?»

Sebastian Fitzek

geboren 1971, ist Deutschlands erfolgreichster

Autor von Psychothrillern. Seit

seinem Debüt «Die Therapie» (2006) ist er

mit allen Romanen ganz oben auf den

Bestsellerlisten zu fi nden. Mittlerweile werden seine Bücher

in vierundzwanzig Sprachen übersetzt und sind Vorlage für

internationale Kinoverfi lmungen und Theateradaptionen. Als

erster deutscher Autor wurde Sebastian Fitzek mit dem Europäischen

Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Er lebt mit

seiner Familie in Berlin.

Autorenfoto: © FinePic / München / Helmut Henkensiefken

Foto 1 (S. 12): istockphoto.com Nr. 913131720 © IgorChus

Foto 2 (S. 13): de.fotolia.com/# Nr. 44893478 © GoodMood Photo

Foto 3 (S. 13): istockphoto.com Nr. 682636052 © Sportactive

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Kommt der Halbtags-Referendar?

❯❯

Von Prof. Dr. Joachim Jahn *

Prof. Dr. Joachim Jahn

Ein Referendariat mit kleinem Kind

oder pflegebedürftigen Eltern zu absolvieren,

ist eine echte Herausforderung.

Was läge da näher als ein Teilzeitreferendariat?

Das fand Anfang 2017 auch

der Bundesrat und brachte eine entsprechende

Initiative im Bundestag

ein. Denn für die Einführung müsste

das Deutsche Richtergesetz geändert

werden. Auf den letzten Metern vor

der Bundestagswahl ist der Vorstoß

dann aber versackt – trotz prinzipieller

Unterstützung durch die Bundesregierung.

Wegen des Grundsatzes der Diskontinuität

müsste also ein neuer Gesetzesvorschlag

eingebracht werden.

Derzeit ist dieser allerdings nicht in

Sicht: Niedersachsen, das damals zusammen

mit Brandenburg die Länderkammer

angetrieben hatte, mag das

Thema nach dem zwischenzeitlichen

Regierungswechsel in Hannover vorerst

nicht wieder aufgreifen, sondern

wartet ab – sieht aber durchaus Chancen,

dass eine solche Reform kommt.

Der Bedarf wächst

Dabei hat Julia Reumann es erst kürzlich

wieder erlebt. «Eine angehende

Referendarin hat uns kontaktiert, ob

wir ihr weiterhelfen können», erzählt

die Vorsitzende des Vereins der Rechtsreferendare

in Bayern. Ein Elternteil

wurde schwer krank und musste gepflegt

werden, die junge Frau wollte

aber gerne gleichzeitig ihr Referendariat

machen. «Sie bekam eine rigorose

Absage vom OLG mit dem Hinweis,

allenfalls könne sie kurze Sonderurlaube

einlegen.» Auch sonst sieht Reumann

einen echten Bedarf für die

Einführung eines Teilzeitmodells. «Ich

kenne ein paar Referendarinnen, die

schwanger sind oder kleine Kinder

haben – für die ist das schwierig, weil

alles so strikt vorgegeben ist.» Anwesenheitspflichten

in der AG, Urlaubssperren

für den Blockunterricht beim

Einführungslehrgang zum Familienrecht:

Wenn Sohn oder Tochter Fieber

kriegt oder die Kita schließt, bricht der

enge Zeitplan zusammen.

Zumal: «Viele gehen nicht gleich

nach dem Ersten Examen ins Referendariat,

sondern promovieren erst einmal.

Dann aber ist das Thema Familie

oft schon viel aktueller.» Auch die vielen

vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen

für die Kleinen bringen

Terminprobleme, weiß Reumann von

Kolleginnen. Wenn Sohn oder Tochter

öfter krank seien, werde vom Dienstvorgesetzten

sogar ein Attest verlangt.

Die Justizverwaltung sei da recht unflexibel,

anders als die oftmals großzügigen

AG­ Leiter. Für große Einführungslehrgänge

werde mitunter eine

Urlaubssperre verhängt. Und bei einem

Antrag auf Sonderurlaub werde eine

erhebliche Begründungsarbeit verlangt.

Das Fazit der Referendars­ Lobbyistin:

«Das Thema begegnet einem immer

wieder – in jeder AG sind ein paar

Fälle dabei.»

Eine «überfällige» Reform

«Überfällig» findet auch Daniel Brunkhorst,

Vorsitzender des Referendarspersonalrats

am OLG Celle, eine solche

Reform. Er hat ebenfalls beobachtet,

wie schwer es für Kolleginnen mit

Kleinkind ist – «weil die Betreuung

dann ja doch meist an den Frauen

hängenbleibt». Vermeiden müsse man

allerdings, dass jemand ohne einen

wichtigen Grund eine Art Halbtagsreferendariat

ablege: «Das würde zu

* Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der Schriftleitung der NJW.

Autorenfoto: privat, Foto (S.17): www.istockphoto.com Nr. 522399038 © Geber86

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Niemand soll sich zwischen Familie und Ausbildung zum Volljuristen entscheiden müssen.

einer Verzerrung führen.» Eine Begründung

wie ein eigenes Kleinkind oder ein

familiärer Pflegefall müsse daher schon

verlangt werden. «Aber wenn jemand

durch so etwas aktiv eingebunden ist,

zieht er ja keinen Vorteil aus einem

Teilzeitreferendariat, sondern bekommt

nur einen Ausgleich für seine Belastungen

daheim.» Auch Brunkhorst hielte

die Einführung dieser Möglichkeit für

eine wichtige Sache – vor allem für

Kollegen mit eigenem Nachwuchs:

«Wenn die Betreuung nicht durch den

Partner oder die Partnerin organisiert

werden kann, sind sie gekniffen.» Und

eine Klausur bereite sich nun einmal

nicht von alleine vor.

Niedersachsen und Brandenburg

waren mit ihrem Gesetzentwurf für ein

Rechtsreferendariat in Teilzeit schon

auf einem guten Weg. Der Bundesrat

hatte ihn sich zu eigen gemacht, die

Bundesregierung lobte in ihrer offiziellen

Stellungnahme die Initiative.

Schließlich sei die Vereinbarkeit von

Familie und Beruf auch für die Ausgestaltung

des juristischen Vorbereitungsdienstes

ein bedeutsames Kriterium.

Antje Niewisch­ Lennartz, die damalige

Justizministerin in Hannover, sah darin

überdies eine Chance, den notwendigen

Nachwuchs für Justiz, Anwaltschaft

und Verwaltung zu gewinnen.

«Keiner soll vor die Entscheidung zwischen

Familie und Ausbildung zum

Volljuristen gestellt werden», sagte die

Grünen­ Politikerin. In der Lehrerausbildung

gebe es bereits zunehmend

die Möglichkeit, eine familiäre Doppelbelastung

durch eine flexiblere Zeiteinteilung

abzumildern.

Woran es hakt

Der Haken: Ursprünglich wollte der

Vor schlag zur Änderung des Richtergesetzes

den Ländern die Wahl lassen,

ob sie eine Teilzeitoption einführen, um

ihnen die Zustimmung zu er leichtern.

Doch gerade diese Öffnungsklausel stieß

vielfach auf Bedenken. So gab Hessens

Ressortchefin Eva Kühne­ Hörmann in

der Länderkammer zwar ihre prinzipielle

Unterstützung zu Protokoll. Doch

müsse es eine bundeseinheitliche Regelung

geben. Eine Optionsklausel gefährde

die Chancengleichheit und die

Vergleichbarkeit der Examensergebnisse,

fürchtete die CDU­ Politikerin.

Eine Sorge, die mit Blick auf das Gleichheitsgebot

auch die Bundesregierung

teilte, weswegen sie einen eigenen Vorschlag

ankündigte. Daraus ist aber, wie

eine aktuelle Nachfrage ergab, bisher

nichts geworden. «Die notwendigen Abklärungen

der offenen Fachfragen dazu

im Kreis der Länder sowie die Überlegungen

der Bundesregierung dauern

noch an», erklärte eine Sprecherin.

Dabei haben die Bundesländer längst

selbst nachgebessert. Eine spezielle

Arbeitsgruppe des Koordinierungsausschusses,

den die Justizminister ohnehin

für die Reform der Juristenausbildung

eingesetzt haben, hat ein konkretes

Modell ausgearbeitet. Danach bliebe die

Dauer der einzelnen Pflichtstationen –

unter Absenkung der Ausbildungslast

und der Wochenstundenzahl – zunächst

unverändert. Anschließend müssten angehende

Juristen, die ein zu betreuendes

Kind oder zu pflegende Angehörige

nachweisen können, aber vor der

schriftlichen Prüfung zwei oder drei

zusätzliche Stagen absolvieren. Damit

würde die praktische Ausbildungsphase

30 Monate dauern.

Kein «Examen light»

Vorsichtige Unterstützung erfährt das

Vorhaben auch von dem Heidelberger

Rechtsanwalt Gustav Duden, der

dem Ausschuss Juristenausbildung der

Bundesrechtsanwaltskammer vorsitzt.

«Das Grundanliegen ist zu begrüßen»,

äußert er als private Einschätzung.

Problematisch sei allerdings, dass sich

die ohnehin schon lange Juristenausbildung

in diesen Fällen noch weiter

verlängern würde. Denn die praktische

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 17


Erfahrung dürfe darunter nicht leiden:

«Dabei darf keine Kürzung der

Teilnahme an Arbeitsgemeinschaften

und Einführungslehrgängen herauskommen.»

Und ebenso wenig, dass ein

«Examen light» geschrieben werden

könne. Denn das würde die gesamte

Ausbildung entwerten und überdies

ein Gleichheitsproblem gegenüber jenen

schaffen, die ein traditionelles

Voll zeitreferendariat absolvieren. Zwei

Sachen sind für Duden somit klar: Es

dürfe nur eine Sonderregelung aus Sozialgesichtspunkten

geben, aber keine

Wahlfreiheit: «Zwei Wege zum Examen

einzuführen wäre absurd.» Und käme

es zur Reform, dürfe nicht wieder der

Föderalismus «zuschlagen», sondern es

müssten bundesweit einheitliche Anforderungen

dabei herauskommen.

Oder doch kein Bedarf für

Änderungen?

Dr. Andrea Schmidt, Chefin des bayerischen

Landesjustizprüfungsamts, zeigt

sich dagegen skeptisch. Eigentlich sehe

sie keinen Bedarf für Änderungen –

jedenfalls nicht in ihrem Bundesland.

«Wir nehmen in der Praxis schon jetzt

große Rücksicht, wenn ein Kind da

ist», versichert sie. So werde der gewünschte

Ausbildungsort zugewiesen.

Ebenso diejenige Arbeitsgemeinschaft,

die je nach vorhandener Kinderbetreuung

vormittags oder nachmittags stattfinde.

Zudem gebe es eine ganze Reihe

von Rechtsansprüchen. So habe eine

Referendarin auch nach Auslaufen des

Mutterschutzes noch bis zur Vollendung

des dritten Lebensjahrs ihres jeweils

jüngsten Kindes einen Anspruch

auf Elternzeit. Und falls das nicht reiche,

gebe es immer noch die Möglichkeit

eines Sonderurlaubs. Hinzu

kommt aus Sicht der Amtsleiterin:

Jene Arbeitsgruppe der Justizminister

hatte in den Referendars- AGs gezielt

junge Mütter und Väter gefragt, ob sie

ein Bedürfnis für ein Teilzeitmodell

sähen. Doch nur 42 Prozent von ihnen

hätten überhaupt geantwortet. Und

von denen hätten wiederum 37 Prozent

ausdrücklich erklärt, dass sie

dies gar nicht wählen würden, wenn

es die Möglichkeit dazu gäbe. Die erfahrene

Chefprüferin gibt außerdem

zu bedenken: «Je länger eine Ausbildung

dauert, desto schwieriger wird

der Kampf gegen das Vergessen – und

desto später kommt der Berufseinstieg.»

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Auto tot, Tür zu,

Smart Contracts

❯❯

Von Prof. Dr. Nikolas Guggenberger, LL.M. (Stanford) *

Stellen Sie sich vor, Sie sind zu Besuch

bei Bekannten im Ausland, die Ihnen

Villa, Garten, Auto, Kaninchen und alles,

was dazugehört, für eine Woche

überlassen haben, weil sie selbst verreist

sind. Sie kommen morgens aus

der McMansion, kollidieren fast mit

einer der pseudokorinthischen marmorfarbenen

Betonsäulen und steigen

in den vor dem Haus geparkten Vorstadtpanzer

Ihrer Bekannten. Sie versuchen

das Fahrzeug zu starten. Eigentlich

ist das nur ein Knopfdruck. Doch

nichts tut sich. Es ist kalt draußen und

vielleicht hat die Batterie den Geist aufgegeben.

Sie schauen nach – nichts.

Von dem Nachbarn, mit dem Sie tags

zuvor noch Auberginen gegrillt haben,

wissen Sie, dass es in dem Viertel in

letzter Zeit zu Schäden durch Nagetiere

gekommen ist. Diese Ursache halten Sie

bei dem Neuwagen für unwahrscheinlich,

schauen aber dennoch nach –

nichts zu sehen. So langsam gehen Ihnen

Fantasie und Geduld aus und Sie

wollen zurück ins Haus, um Ihre Bekannten

anzurufen.

An der Haustür angekommen tippen

Sie 1 – 9 – 2 – 9 und dann die Sternchentaste

in das Keypad an der Haustür.

Nichts. Sie versuchen es erneut – genauso

wie von Ihren Bekannten beschrieben.

Vielleicht hatten Sie sich

vertippt. Nichts. Komisch, gestern, vorgestern

und die Tage davor hat das

alles noch funktioniert. Das Auto ließ

sich auf Knopfdruck starten und die

Haustüre konnte durch Eingabe des

Codes geöffnet werden.

Statt aus dem wohlig warmen

Wohn zimmer rufen Sie Ihre Bekannten

nun von der frostigen Terrasse des

Hauses über WhatsApp an und hoffen,

dass der Akku Ihres Mobiltelefons

noch ausreicht. Insgeheim fluchen Sie

über die ganze «neue Elektronik» und

ärgern sich über die anfallenden Roaminggebühren.

Sie schlucken Ihren Ärger

aber herunter, weil Sie vor Ihren

neureichen, technikaffinen Bekannten

nicht altbacken oder gar geizig wirken

wollen. Nach mehrmaligem Klingeln

nimmt Ihre Bekannte ab und lacht nur.

Ihre Reise sei wohl zu teuer gewesen.

Sie verstehen nur Bahnhof. Was soll

ihre Reise mit dem Auto und der Haustür

zu tun haben? Na, vermutlich sei

ihr Konto nicht mehr gedeckt gewesen,

fügt Ihre Bekannte hinzu. Sie verstehen

nicht einmal mehr Bahnhof.

Was hier passiert ist, kann aber

ohne weiteres vorkommen, wenn man

Verträge unmittelbar mit der Realität

verknüpft. Die Idee hinter sogenann­

20

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


ten Smart Contracts ist die Automatisierung

der Rechtsdurchsetzung. Ihre

Bekannten hatten weder die Leasingrate

für ihr Fahrzeug noch die Miete

für ihr Haus entrichtet. Die entsprechenden

Verträge, der Leasingvertrag

und der Mietvertrag, waren verknüpft

mit dem Auto und dem Schloss in der

Haustüre. Oftmals werden solche Objekte

dann aufgrund ihrer Verknüpfung

als «smart» bezeichnet – also

etwa als Smart Lock. Denken können

aber weder Smart Contracts noch

Smart Locks. Sie sind oder

enthalten vielmehr nur Programmcode,

der, ausgelöst

durch eine bestimmte Bedingung,

hier die Nichtzahlung,

eine bestimmte Folge,

hier die Verriegelung, automatisch

herbeiführt. Was

für manche eventuell wie

Science­ Fiction klingt, gibt

es im Prinzip bereits.

Das Revolutionäre an

Smart Contracts

Bestimmte Formen und

Grade der mechanischen

oder elektronischen Automatisierung

der Abwicklung

von Verträgen existieren sogar

schon seit Ewigkeiten.

Der Warenautomat, die Jukebox

und die Parkuhr sind

alles Beispiele für die automatisierte

Abwicklung von

Verträgen. Auch unternehmensintern

wird die Abwicklung

von Verträgen zu

einem hohen Grad automatisiert.

Wenn eine Zahlung

nicht «durchgeht», wird etwa

ein Buchungsprozess nicht weiter verfolgt.

Wenn ein Abo oder eine Mitgliedschaft

nicht bedient werden, so wird

automatisch das Abo oder die Mitgliedschaft

beendet. Das sind aber noch

nicht zwingend Smart Contracts. Was

sind Smart Contracts also genau und

was ist so inte ressant und revolutionär

am Konzept von Smart Contracts?

Smart Contracts muss man sich

vor stellen wie das digitale Äquivalent

eines Warenautomaten. Beim Warenautomaten

löst der Einwurf einer

Münze oder die Autorisierung einer

elektronischen Zahlung eine bestimmte

mechanische Folge aus: Der ausgewählte

Schokoriegel, das Erfrischungsgetränk

oder die Schale Pommes Frites

werden ausgegeben. [Merke: Kaufe niemals

Pommes Frites von einem Automaten.

Es gibt schlicht Dinge, die Automaten

nicht können.]

Es gibt schlicht Dinge, die Automaten nicht können.

Wie der klassische Warenautomat

auch, garantiert ein Smart Contract auf

technische Weise den Eintritt einer bestimmten

vordefinierten Folge, wenn

spezifische Voraussetzungen erfüllt sind.

Nachdem der Smart Contract aufgesetzt

bzw. veröffentlicht ist, kann er

nur noch so abgeändert werden, wie

es in seinem Programmcode vorgesehen

ist. Regelmäßig bedeutet dies,

dass der Smart Contract jedenfalls

nicht mehr einseitig umgeschrieben

werden kann. Wird die vordefinierte

Bedingung nun erfüllt, kann grundsätzlich

keine der Parteien mehr eine

vorgesehene Folge einseitig verhindern.

Der Smart Contract kann also sowohl

das Wollen der Vertragsausführung als

auch das Fortbestehen des Könnens

der Vertragsausführung technisch ersetzen.

Mit Blick auf die konkrete Folge

wird das sogenannte Gegenparteirisiko

beseitigt. In unserem Fall

bedeutet dies, dass Ihre Bekannten,

deren Haus Sie sitten,

nichts gegen die Verriegelung

der Zündung oder

der Haustüre unternehmen

können, nachdem die Auslösebedingung

eingetreten ist.

Im konkreten Beispiel wurde

das Gegenparteirisiko damit

freilich nicht vollständig beseitigt,

sondern nur reduziert.

Das theo retische Konzept

der Smart Contracts

stammt von dem Pionier und

Visionär auf dem Gebiet der

Automatisierung von Recht,

Nick Szabo, und wurde vor

gut zwanzig Jahren geprägt.

Blockchain und Bitcoin

Zum ersten Mal ermöglichen

Smart Contracts eine

automatisierte, digitale Abwicklung

von Verträgen auf

Peer­ to­ Peer­ Basis. Das ist

die wirkliche Neuerung. Was

ein Warenautomat dank der

Eigenschaften von Bargeld

schon längst konnte, war digital

nämlich undenkbar. Ermöglicht

wird das Ganze durch die sogenannte

Blockchain-Techno logie, die auch hinter

der virtuellen Währung Bitcoin

steht. Die zentrale Innovation dieser

Technologie besteht darin, eine Übertragung

digitaler Güter ohne Intermediär

zu erlauben. Wie, das ging doch

schon immer – oder nicht? Man

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 21


konnte doch seit jeher einen Song, ein

Video oder ein Bild an jemanden anderen

senden. Nun endlich lässt sich ein

«Ja, aber …» in diesen Text einbauen:

Ja, aber die Übertragung ist hier in Abgrenzung

zur Kopie zu verstehen. Eine

Übertragung bedeutet insoweit, dass

nichts beim Übertragenden verbleibt

[für Nerds: denken Sie an die Übergabe

im Rahmen von § 929 Satz 1 BGB]. Es

wird sichergestellt, dass ein Wert oder

Gegenstand nicht doppelt ausgegeben

oder verwendet werden kann.

Recht und Realität verknüpfen

Fragt sich natürlich, warum Verwender

Verträge oder einzelne Konsequenzen

aus Verträgen überhaupt automatisiert

umgesetzt sehen oder Verträge mit der

Realität verknüpfen möchten. Im Wesentlichen

können diese Mechanismen

für zweierlei verwendet werden: Zunächst,

und das ist der unmittelbare

Anwendungsfall, kann der Eintritt einer

Folge garantiert und damit direkt

durchgesetzt werden. Man macht sich

wie beschrieben vom Wollen und Fortdauern

des Könnens des Vertragspartners

unabhängig. Außerdem, und darauf

läuft das Eingangsbeispiel hinaus,

können Vertragspartner «motiviert»

wer den, ihren vertraglichen Verpflichtungen

nachzukommen. Ihre Bekannten

würden vermutlich alles daran setzen,

die versäumte Mietzahlung oder

Leasingrate schnellstmöglich auf den

Weg zu bringen, um ihr Haus wieder

betreten beziehungsweise ihr Auto wieder

bewegen zu können. Genau dieser

Umstand bietet auch die Grundlage

dafür, die entsprechende Leistung oder

das jeweilige Produkt zu einem güns­

tigeren Preis anzubieten. Dies wiederum

macht eine solche Verkürzung der

eigenen Freiheit eventuell attraktiv für

Mieter, Kunden oder Verbraucher.

Das Haus Ihrer Bekannten befindet

sich im nicht näher bezeichneten Ausland.

Wer aufmerksam liest, der stellt

fest, dass die Bekannten vermutlich

außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums

residieren. In Deutsch land jedenfalls

wäre ein entsprechendes Smart

Lock am Wohnhaus unzulässig. Offensichtlich

ist dies schon deshalb, weil

die gesetzlichen Voraussetzungen einer

fristlosen Kündigung umgangen würden.

Nun ließe sich der Zeitablauf seit

der letzten Zahlung noch relativ einfach

in den Programmcode aufnehmen.

Doch dann hört es schon bald auf mit

den Automatisierungsmöglich keiten.

Auch wenn die Voraussetzungen einer

fristlosen Kündigung erfüllt sind, darf

ein Mieter nämlich nicht einfach aus

der Wohnung ausgesperrt werden.

Etwas schwieriger wird die Grenzziehung

schon mit Blick auf Fahrzeuge.

Wenn das Ganze etwa nicht als

Leasing, sondern als Prepaid­ Modell

ausgestaltet wird, wird es irgendwie

schon vertrauter. Ein entsprechendes

CarSharing­ Modell kann ich eben nur

nutzen, solange sich noch Geld auf

meiner Karte befindet. Von Prepaid-

Handys und erst recht von klassischen

Münztelefonen ist das seit Ewigkeiten

bekannt. Das Gespräch endet schlicht,

wenn das Guthaben aufgebraucht ist.

Gerade beim Auto bleiben aber auch

öffentlich­rechtliche Schutzvorschriften

zu beachten: Natürlich dürfte das Auto

nicht einfach abstellen, wenn es sich

in voller Fahrt auf der Autobahn be-

findet. Auch wäre es wohl nicht akzeptabel,

wenn der Motor mitten in

der Nacht tief draußen im dunklen

Wald deshalb aufgeben würde, weil

die nächste Rate fällig wird.

Insgesamt gilt: Was mit konventionellen

Methoden, etwa einem Austausch

des Schlosses, unzulässig wäre,

wird natürlich nicht dadurch zulässig,

dass die Methode als smart bezeichnet

wird. Die Möglichkeiten, Recht und Realität

zu verknüpfen, sind aber hochinteressant

und eröffnen eine Vielzahl

neuer Anwendungsfälle. In der Zwischenzeit

haben Ihre Bekannten ihre

ausstehenden Zahlungen beglichen. Die

Zündung im Hochgeschwindigkeitsluxustraktor

und das Keypad an der

Eingangstüre sind wieder freigegeben

und Sie genießen die restlichen Tage

in Ihrem Feriendomizil.

Prof. Dr. Nikolas Guggenberger

* Prof. Dr. Nikolas Guggenberger, LL.M. (Stanford),

Inhaber der RWTÜV Stiftungsjuniorprofessur am

Institut für Informations-, Telekommunikationsund

Medienrecht (ITM) der Universität Münster.

Autorenfoto: privat

Foto (S. 21): www.istockphoto.com Nr. 482764827

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Die Revision im Strafrecht

Von RiLG Dr. Matthias Weidemann

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3. Auflage 2017, 207 S., brosch., 22,– €

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«Legal Tech?

Legal Engineer?

Data Lawyer?

Ich will doch Anwalt

werden.»

❯❯

Von Marco Klock *

Die Orientierung kommt mit dem ersten

Staatsexamen. Ein Satz, den ich selbst

in den weiten Gängen unseres Juridicums

oft gehört habe. Aber ist das so?

Nein. Die große Orientierungslosigkeit

und die Jagd nach dem vermeintlichen

Idealbild einer juristischen Laufbahn

beginnen erst mit dem Referendariat.

Bei vielen ist die Erwartung an das

«Danach» klar: Ein sechsstelliges Jahreseinkommen,

hohes Ansehen und

die große juristische Erleuchtung winken,

weshalb jeder von uns sofort wild

drauf los lernt. Spätestens nach dem

ersten Staatsexamen kommt aber langsam

die Gewissheit: Mit dem Referendariat

fängt das «richtige» Leben an,

und das wird heute begleitet von Zukunftsängsten

und Jobunsicherheit.

Auch bei Juristen.

Beständigkeit und einfache Entscheidungen

sind leider Mangelware.

Viele spüren den Druck, sich langsam

festzu­legen, «ihr» Arbeitsfeld zu finden

und damit den Grundstein für eine

erfolgreiche Zukunft als Rechtsanwalt

zu legen.

Leider befinden wir uns in einer

Zeit, in der das gewohnt ruhige Fahrwasser

der konservativen Juristen von

tsunami-ähnlichen Marktveränderungen

(LegalTech) durcheinandergewirbelt

wird. Gepaart mit der eigenen

Unsicherheit zum Ende des Grundstudiums

stellen sich viele die Frage: War

es die richtige Entscheidung, sich der

Rechtswissenschaft zu widmen?

LegalTech definiert den Beruf

des Juristen komplett neu – und

schafft große Chancen

Erstaunlich ist, dass viele Referendare

den Trend LegalTech für sich als unwichtig

erachten. Das antiquierte Bild

des Rechtsanwalts wird weitergelebt

und als Chance gesehen. Dabei übersehen

viele, dass die wahren Chancen

an anderer Stelle liegen.

Bei rightmart (stellvertretend für

viele andere LegalTech-Rechtsdienstleister)

beschäftigen wir viele Referendare,

die früher mit mir zusammen

studiert haben. Als sich mein Weg in

Richtung LegalTech abzeichnete und

das Studium deshalb frühzeitig beendet

wurde, trennten sich unsere Wege, die

nun so langsam wieder zusammenfinden.

24

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Obwohl rightmart als Kanzlei hochgradig

automatisiert ist und der Effekt

von Technologie vor allem in der Qualität

unserer Arbeit erkennbar wird,

gilt rightmart auch für viele unserer

Referendare als keine echte Kanzlei.

Denn stapelweise Papierdokumente, die

badische Aktenordnung und Besprechungen

an schweren Eichentischen

im renovierten Altbau findet man bei

uns nicht.

Und obwohl bei rightmart Software-

Entwickler, Marketing- und Produktverantwortliche,

Vertriebler und nicht

zuletzt der Kundenservice den unternehmerisch

gleichen Stellenwert haben

wie Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen,

scheint der Gedanke an eine

nachhaltige Veränderung der Rechtsdienstleistungen

für viele immer noch

unrealistisch.

Scheuklappen abnehmen und

die Chance ergreifen

rightmart als Kanzlei steht sicherlich

für Tausende von Verfahren zugunsten

der Verbraucher (Massengeschäft).

Wir bedienen mehr als 20.000 Mandanten

im Bereich Sozial- und Verkehrsrecht

und steuern unsere Kanzlei

durch eine eigene Software (rightmart),

die einen Großteil der Prozesse

automatisiert. Ein zentrales Wissensmanagement

gewähr leistet, dass repetitive

Arbeit auch nur 1 × gemacht

wird und wir aus jedem Prozess lernen

– sei es rechtlich-inhaltlicher oder

administrativer Natur.

Kann man rightmart trotzdem noch

als Nischenphänomen abtun? Nein,

das ist zu kurz gedacht.

Das Recht ist in modernen Kanzleien

nicht mehr der, sondern ein

Schwerpunkt

Die Prozesse von rightmart sind so effizient,

weil sie auf einer ausgeklügelten

Dynamik von Daten basieren, die nicht

durch das eigentliche Rechts gebiet,

son dern durch die dahinterliegende

Daten struktur geprägt ist. Die Struktur

hinter rightmart ist die Grundlage für

Automatisierung und letztlich die Basis

für künstliche Intelligenz, die umso

effizienter wird, je mehr und besser organisierte

Daten vorhanden sind.

Die Bearbeitung rechtlicher Probleme

wird zukünftig immer analytischer.

Neuronale Netze und die Masse

der Daten werden schneller und besser

als Rechtsanwälte – seien diese noch

so juristisch versiert. Data Science, Verständnis

für rechtliche bzw. kanzleiinterne

Prozesse und unternehmerisches

Denken werden zu Kernskills erfolgreicher

Juristen.

Aus diesen Veränderungen heraus

entsteht eine neue Auffassung einer

modernen Kanzlei, die an die Bearbeitung

einzelner Fälle ganz anders herangeht

als traditionelle Anwaltskanzleien.

Das Recht steht als Dienstleistung weiterhin

im Mittelpunkt. Aber es basiert

auf einer größeren Wissensgrundlage

und kann nur erfolgreich bestehen,

wenn Produkt, Prozesse, Mar keting und

Software als Kernpunkte erfolgreicher

Kanzleiarbeit anerkannt werden.

Papierberge findet man bei einem LegalTech-Player wie rightmart nicht.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 25


Wo ist mein Platz in der Welt des

LegalTechs? Wo ist mein Platz in

der neuen Berufswelt der Juristen?

LegalTech ist gerade für Referendare

und Berufseinsteiger die größte Chance

der letzten Jahrzehnte im Bereich der

Juristerei. Das juristische Establishment,

ob auf Seite des Rechts für Verbraucher

oder aber für Unternehmen

(Großkanzleien), ist angeschlagen und

gezwungen, sich neu zu erfinden.

Moderne Kanzleien bieten neue

Schwer punkte, die zwar juristisches

Grundverständnis voraussetzen, im

Kern allerdings ganz andere Fähigkeiten

verlangen: Ob juristisches Marketing

mit vielen Schnittpunkten zum

Berufsrecht (Legal Marketer), die datenpunktbasierte

Analyse von Urteilen

und Schriftsätzen auf ihre juristische

Grunddynamik hin (Data Lawyer), juristische

Softwareentwicklung (Legal

Engineer) oder eine agile Prozessge-

staltung in der Mandatsbearbeitung

(Structure Lawyer) – jede Veränderung

bringt viele neue Möglichkeiten mit

sich.

Als Referendar oder Berufseinsteiger

in der heutigen Zeit startet man in

diese Welt ganz ohne Altlasten. Ein

Referendariat oder Praktikum bei den

richtigen LegalTech- Playern der Branche

bringt unverhoffte Eindrücke und

ein Mindset, das zukünftig große Vorteile

bei der beruflichen Zukunft mit

sich bringt – sogar in konservativen

Kanzleien.

Genau dieser Gedanke hat mich

dazu getrieben, mit edicted. und rightmart

zwei LegalTech- Unternehmen zu

gründen. Was heute als erfolgreiche

Gründung bezeichnet wird, war damals

als Jurastudent ein großes Risiko.

Dennoch war mir eines klar: Der Markt

wird sich verändern und Technologie

wird den Beruf des Rechtsanwalts verändern.

Jeder angehende Jurist muss

sich fragen: Will ich diese Chance wirklich

verpassen, oder erkenne ich die

neuen Perspektiven an und gestalte die

Zukunft aktiv mit?

Marco Klock

* Marco Klock ist Gründer und CEO von rightmart

und edicted. und Mitautor des im Verlag C.H.Beck

erschienenen Buches «Legal Tech – Die Digitalisierung

des Rechtsmarkts».

Autorenfoto: privat

Foto (S. 25): www.istockphoto.com Nr. 637242578 © sturti

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«Wer auf vier Punkte

lernt, landet leicht

unter dem Strich» –

Die Tätigkeit als

Repetitor

❯❯

Von Laura Christiane Nienaber *

Annähernd jeder Jurastudent, der den

Weg zum ersten oder auch zweiten

juristischen Staatsexamen beschreitet,

besucht zur Examensvor bereitung ein

privates Repetitorium. In diesem wird –

in unterschiedlich großen Gruppen –

gelernt, vertieft und stetig wiederholt,

bis die scheinbar unendlichen juristischen

Konstellationen (hoffentlich) nach

dem unerläss lichen Feinschliff durch

den Repetitor sitzen.

Der Besuch eines Repetitoriums

stellt keine Modeerscheinung dar. Die

Tätigkeit als Repetitor ist traditionsreich

und stets gefragt, insbesondere

im Bereich der Rechtswissenschaften.

So kam bereits Goethe in den Genuss

eines Repetitoriums, nachdem es sich

seit Beginn des 18. Jahrhunderts in

Preußen verbreitete. Kurt Tucholsky

hat sogar manche der von ihm verwendeten

Pseudonyme den Unterlagen

seines Repetitors entnommen, der

eine Schwäche für Kunstnamen hatte.

Dies zeigt, wie stark ein Repe titorium

die Teilnehmer prägen kann.

Unterschiedliche Erfahrungen

mit Repetitoren

Repetitoren sind genauso unterschiedlich

wie die Teilnehmer. Über eine pädagogische

Ausbildung verfügen Repetitoren

als Praktiker in aller Regel nicht.

Manche Repetitoren und deren Vortrags-

sowie Unterrichtsstil erscheinen

manchen Teilnehmern ansprechend,

mit dem Ergebnis einer regen aktiven

Teilnahme am Unterricht. Andere Unterrichtsstile

hingegen fallen einigen

Teilnehmern mitunter eher schwer,

was zu der Notwendigkeit einer verstärkten

Nacharbeit führen kann, um

den Stoff zu verstehen. Natürlich spielt

für den Erfolg auch die persönliche

Vorliebe für ein bestimmtes Rechtsgebiet

eine Rolle, allerdings kann ein

enorm versierter und begeisterungsfähiger

Repetitor auch so manch ver-

28

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


meintlich langweiliges oder schwer

verständliches Rechtsgebiet anschaulich

und für die Teilnehmer ansprechend

und spannend darstellen.

Während der doch durchgehend

uns teten und harten Vorbereitungszeit

auf das erste Staatsexamen werden die

Jurastudenten und später Rechtsreferendare

in der Regel von verschiedenen

Repetitoren begleitet. Diese versuchen

auf unterschiedliche Art und

Weise, die Studenten zu motivieren

und den Stoff zu vermitteln. Allen

Repetitoren ist es jedoch gemein, dass

sie selbst Prädikatsexamina haben und

teilweise zu den Landesbesten ihres

jeweiligen Jahrgangs gehören. Sie haben

sich zum Ziel gemacht, ihre Kenntnisse

und die eigenen Erfahrungen an

die jüngeren zukünftigen Kolleginnen

und Kollegen weiterzugeben und sie

bei der Examensvorbereitung so gut

wie möglich zu unterstützen. Zudem

weisen Repetitoren meist besondere

rhetorische und fachliche Fähigkeiten

zur Vermittlung von Lehrinhalten auf

und können andere für das Fachliche

begeistern und zum Lernen motivieren.

Einige Repetitoren sind als Anwalt

tätig, andere als Richter oder Staatsanwalt.

Manche sind hauptberuflich

als Repetitor tätig, dies ist allerdings

die Ausnahme. Einige wenige sind auch

bereits schon während ihrer Promotion

als Repetitoren tätig.

Repetitoren für das zweite

Staatsexamen

Repetitoren für das zweite Staatsexamen

haben sich – häufig im Unterschied

zu Repetitoren für das erste

Staatsexamen – meist ein jahrelanges

Praxiswissen angeeignet. Dies ist auch

hinsichtlich des zweiten Staatsexamens

von enormer Wichtigkeit, da es insoweit

nicht nur auf juristische Kenntnisse,

sondern auch auf deren Umsetzung

in der Praxis ankommt. Bei

der Vorbereitung für das erste juristische

Staatsexamen ist dies nur bedingt

notwendig, entscheidend sind

hier haupt sächlich das juristische Verständnis

und die Vermittlung juristischen

Wissens.

Außerhalb der Kurse sind die einzelnen

Repetitoren meist gut vernetzt.

So haben die Repetitoren selbst die Gelegenheit,

sich zu verbessern und neue

Unterrichtsmethoden anzuwenden.

Vorteile und Herausforderungen

Die Tätigkeit als Repetitor hat viele

Vorteile. So bleibt man nicht nur als

Repetitor selbst fachlich stets auf dem

neuesten Stand, sondern entwickelt

sich dank der permanenten Auseinandersetzung

mit den Teilnehmern ständig

weiter. Die größte Motivation für

den Repetitor ist es, wenn die Teilnehmer

mitteilen, dass ihnen Jura nun

erstmals richtig Spaß mache, da sie

es nun verstehen würden und viele

Puzzleteile ein großes Ganzes ergeben.

Des Weiteren ist die Arbeit als Repetitor

sehr abwechslungsreich. Denn

es gibt nicht den typischen Studenten

bzw. Referendar. Häufig kann bei den

Teilnehmern der Lernfortschritt beobachtet

werden, was auch zu einer Steigerung

der intrinsischen Motivation

des Repetitors führt. Anders als bei

manchen anderen Tätigkeiten hat man

als Repetitor daher die Chance, eine

unmittelbare Reaktion auf die eigene

Arbeit zu bekommen.

Gerade dies bringt aber auch eine

große Herausforderung mit sich. Insbesondere

zu Beginn eines Kurses fällt

auf, dass man als Repetitor mit abwegigsten

und theorielastigen Konstellationen

seitens der Studenten konfrontiert

wird. Auch derartige Fallkonstellationen

müssen souverän gelöst werden,

denn fachliche Lücken darf man als

Repetitor nicht haben. Da rüber hinaus

muss die Durchführung eines Kurses

auch akribisch geplant werden. Die

Teilnehmer sollen am Ende einer Unterrichtseinheit

stets das Gefühl haben,

etwas gelernt zu haben, ohne dass sie

dabei überfordert wurden. Um diese

optimalen Ergebnisse zu erzielen, ist es

sinnvoll, verschiedene Unterrichtsmethoden

anzuwenden. Zudem stellt die

Erstellung eigener Unterrichtsmateria­

1

2 3

4

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 29


lien eine große fachliche und zeitliche

Herausforderung dar.

Die Arbeit als Repetitor ist durch

die mannigfaltigen Teilnehmer mit verschiedenen

Ausgangshorizonten und

völlig unterschiedlichen Charakteren

sowie die eigene fachliche Weiterentwicklung

– da man stets auf dem aktuellen

Stand der Gesetzgebung und

Rechtsprechung sein muss – sehr fordernd.

Überdies hat man neben der

fachlichen auch eine soziale Verantwortung

den Teilnehmern gegenüber, da

man sie in einer sehr anstrengenden

und anspruchsvollen Zeit begleitet und

sie als Repetitor häufig öfter als deren

Freunde sieht.

Auch die Kursvorbereitung und

-durchführung ist oft sehr anstrengend.

Diese Anstrengungen sind jedoch

schnell vergessen, wenn man merkt,

dass die Teilnehmer Erfolge erzielen

und ihre Angst verlieren, da sie erkennen,

was auf sie zukommt und Jura

kein Hexenwerk ist. Dem mitunter kursierenden

Vorwurf, dass Repe titoren

Geld mit der Angst der Studenten machen,

ist daher entgegenzutreten. Vielmehr

ist die Angst vor dem Examen

zu Beginn sehr hoch, doch im Verlauf

des Kurses nimmt sie stetig ab.

Zukunftsmusik

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass

die Universitäten die Existenz und die

Zukunft privater Repetitorien kritisch

sehen. Immer wieder werden Berichte

von Jurastudenten verbreitet, die sich

ohne privates Repetitorium auf das

erste juristische Staatsexamen vorbereitet

haben und welche überdurchschnittlich

viele Prädikatsexamina erlangt

haben. Diese Berichte können auf

unterschiedlichste Art und Weise interpretiert

werden. Maßgeblich ist aber,

dass jeder für sich selbst entscheiden

muss, ob ein privates Repetitorium besucht

wird. Trotz wachsender universitärer

Repetitorien gibt es einen ungebrochen

hohen Zulauf bei privaten

Repetitorien. Daher ist nicht damit zu

rechnen, dass der Beruf des Repetitors

keine Zukunft mehr haben wird.

Eigene Anforderungen

Die Anforderungen an die Tätigkeit eines

Repetitors sind hoch, die interessanten

Aspekte aber ebenso. Die Freude

an der Lehre, der soziale Kontakt mit

Studenten und die mögliche Kombination

mit einer praktischen Tätigkeit sind

nur ausgewählte Vorteile des Berufes.

Hinzu kommen ein freundschaftlicher

Austausch mit Kollegen und auch zumeist

die Besichtigung verschiedener

Städte. Dennoch sollte sich jeder auch

den Nachteilen der Tätigkeit stellen,

um auszuloten, ob es für einen selbst

der beste Weg ist.

Um herauszufinden, ob einem die

Tätigkeit als Repetitor selbst liegt, ist

zu empfehlen, dass man versucht, Lehr­

erfahrungen zu sammeln und sich zu

erproben. Dies kann schon in der eigenen

Lerngruppe geschehen oder an

der Universität. Nur wenn man feststellt,

dass man Lehrinhalte gut und

moti vierend vor einer großen Gruppe

vermitteln kann und Freude daran

hat, empfiehlt es sich, die Tätigkeit als

Repetitor in Betracht zu ziehen. Selbstbewusstsein,

pädagogische und rhetorische

Fähigkeiten sind neben der fachlichen

Qualifikation daher zwingend

erforderlich.

* Laura Christiane Nienaber ist Rechtsanwältin

bei einer internationalen Anwaltssozietät und Dozentin

an der Hochschule für Wirtschaft und Recht

Berlin und war jahrelang als Repetitorin tätig.

Autorinnenfoto: privat

Laura Christiane Nienaber

30

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schnell!“

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Prüfungen im Jurastudium

souverän meistern

❯❯

Von Antje Heimsoeth *

Antje Heimsoeth

Gerade zu Beginn ihres Studiums sind

Jurastudenten mit der komplexen Informationsflut,

die sie verarbeiten müssen,

komplett überfordert. Sie sitzen in

den Vorlesungen und werden mit Anspruchsgrundlagen

und Tatbeständen

konfrontiert, deren Zusammenhänge

sie, gerade frisch aus der Schule gekommen,

nicht nachvollziehen können.

Wenn dann die erste Klausur mit

der Bewertung «mangelhaft» zurückkommt,

folgt schnell das «böse Erwachen».

Die hohen Anforderungen des

juristischen Studiums und der folgenden

Referen darausbildung lassen regelmäßig

viele Jurastudenten scheitern.

«Es gibt kaum ein Studium, ein studentisches

Unterfangen, das mit so viel

Erwartungen und Neugier begonnen

wird und das mit solcher Häufigkeit

fehlschlägt wie das juristische Studium»,

schreibt Hochschulprofessor Peter

Dyrchs in seinem Blog «Juris tische

Ent deckungen – Ihr Einstieg ins Jurastudium»

(http://professordyrchs.de/)

und weist auf eine Abbrecherquote von

60 Prozent und eine Durchfallquote von

30 Prozent hin. «Hinzu kommt, dass die

Anfänger sich meist selbst für dumm

halten, so dass schwer verständliche,

ja ge radezu vorbeifliegende Informationen

in Vorlesung und Literatur sie

nicht nur nicht informieren, sondern

darüber hinaus ihr Selbstwertgefühl

beschädigen.»

Mentale Stärke entscheidet

über den Erfolg

Umso wichtiger ist es für Jurastudenten

und Referendare, sich frühzeitig

nicht nur fachlich, sondern auch

mental gut auf die Prüfungen und das

Staatsexamen vorzu bereiten, um sie

ge lassen, souverän, konzentriert und

selbstbewusst meistern zu können.

Nur mit einer gezielten mentalen Vorbereitung

können Studenten und Referendare

während des Studiums und

der beruflichen Vorbereitung immer

einen kühlen Kopf behalten. Besonders

mit einem angeknacksten Selbstwertgefühl

befinden sich Jurastudenten zu

Beginn ihres Studiums schnell in der

Opferrolle, in der sie sich nur noch

selber bedauern und sich passiv ihrem

Schicksal ergeben. Jeder Misserfolg

nagt weiter am Selbstwertgefühl. Sie

müssen schnell Selbstverantwortung

für ihre Leistungen übernehmen, wenn

sie nicht immer weiter in die Abwärtsspirale

gezogen werden wollen.

Wichtig ist: Jeder Schritt, den wir

persönlich erfolgreich gegangen sind,

stärkt unser eigenes Selbstwertgefühl.

Was ist das für ein tolles Gefühl, wenn

ich sagen kann: «Ich habe es tatsächlich

geschafft!» Ich habe mich der großen

Herausforderung in der Klausur,

der Hausarbeit oder später den Ab-

* Antje Heimsoeth, Jahrgang 1964, ist Dipl. Ing. (FH). Als Gründerin und Geschäftsführerin des Instituts für Business- und Sport Coaching, Heimsoeth Academy,

trainiert Antje Heimsoeth Führungskräfte, Vorstände und Unternehmer. Sie gehört zu den bekanntesten Mental Coaches und Vortragsrednern im deutschsprachigen

Raum. Die ausgebildete Ingen ieurin – sie studierte Geodäsie –, ehemalige Leistungssportlerin, Unternehmerin, Bestseller- Autorin und Hochschullehrbeauftragte

gilt bei Managern und Medien als « renommierteste Motivations trainerin Deutschlands» (FOCUS).

www.antje- heimsoeth.com, www.heimsoeth- academy.com, www.chefsache- kopf.de.

Autorinnenfoto: Orhidea Briegel, Illustration (S. 33): © Kudryashka – Fotolia.com, Illustrationstext: Antje Heimsoeth

32

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


schlussprüfungen im ersten oder zweiten

Staatsexamen gestellt und habe

sie erfolgreich bestanden. Aus meinen

rationalen Selbstzweifeln, die mich vorher

ausgebremst haben («Schaffe ich

das überhaupt?»), entwickelt sich durch

das Erfolgserlebnis ein positiver innerer

Dialog – meine gesamte Einstellung

und meine persönliche Perspektive werden

auf einmal positiv eingefärbt. Und

über die weitere Anerkennung von

außen für diese Leistung wird das

Selbstwertgefühl noch weiter gestärkt.

Dieses positive Gefühl motiviert mich,

die neuen Herausforderungen ebenfalls

positiv anzugehen, denn ich möchte

das Erfolgs erlebnis natürlich wiederholen!

Stärkenorientierung: Der Mehrwert

für das Selbstwertgefühl!

Wagen Sie den ersten Schritt aus

der Passivität, durchbrechen Sie die

Abwärtsspirale, übernehmen Sie proaktiv

Verantwortung für Ihren eigenen

Erfolg! Ihr eigenes Selbstwertgefühl

verbessern Sie in erster Linie, wenn

Sie sich Ihrer eigenen Stärken bewusst

werden. Seien Sie sich bewusst: «Auf

meine Stärken kann ich mich verlassen,

wenn ich Höchstleistungen erbringen

muss!» Über legen Sie, über

welchen Ressourcenschatz Sie bereits

verfügen, mit dem Sie die kommenden

Herausforderungen in Ihrer juristischen

Ausbildung erfolgreich bewältigen

können. Welche Talente, positiven

Eigenschaften, besonderen Begabungen,

Fertigkei ten, individuellen Fähigkeiten,

Erfahrungen und Erinnerungen

besitzen Sie bereits? Im Bewusstsein

Ihrer eigenen Stärken werden Sie den

kommenden Prüfungen optimistischer,

gelassener und souveräner entgegenblicken.

Denn Sie können nur Höchstleistungen

erbringen, wenn Sie Ihre

Flexibilität, Ihren Mut, Ihre Begeisterungsfähigkeit,

Ihre Intuition und Ihre

Beharrlichkeit voll in die Waagschale

werfen! Besinnen Sie sich daher jeden

Tag wieder mit Dankbarkeit, Zuversicht

und Stolz auf Ihre bereits vollbrachten

Leistungen!

Steuern Sie daher ganz bewusst,

wem oder was Sie ihre Aufmerksamkeit

schenken: Nicht in negativen Gedanken

und Gefühlen verharren! Richten

Sie den Blick stattdessen zügig

wieder nach vorn!

Zielvisualisierung

Nur wenn Ihnen im Vorfeld bewusst

ist, auf welche Ziele Sie den Fokus Ihrer

Aufmerksamkeit richten wollen, können

Sie sich Gedanken machen, welche

inneren und äußeren Res sourcen Sie

zur Reali sierung benötigen. Formulieren

Sie daher realistische Ziele – mit

Hilfe des positiven Zielrahmens – eindeutig,

konkret, klar («Ich verstehe die

Inhalte der kommenden Prüfung!»). Die

Schritte der Zielarbeit verlaufen überwiegend

auf der gedanklich-kognitiven

Ebene. Das vollständige Potenzial entfaltet

sich dann, wenn Sie die Zielerreichung

zusätzlich emotional und körperlich

erleben.

Formulieren Sie daher Ihr Ziel so

konkret, dass Sie den Zielzustand sehen,

hören, fühlen, vielleicht auch riechen

und schmecken können. Was

haben Sie an? Wo sind Sie? Schließen

Sie die Augen und erleben Sie möglichst

intensiv, wie es sein wird, am

Fokussierung

Zufriedenheit

Freude

Antrieb

Glück

Bewusste kleine Auszeiten

Ein gutes Gespräch

Innere Ruhe

Neugier

Humor

Unterstützung

Ziel und Vision vor Augen

Selbstbewusstsein

Intuition

Flexibilität

Gelassenheit

Begeisterungsfähigkeit

Spaß

Inspiration

Motivation

Willen

Dankbarkeit für die Möglichkeit

Anerkennung

Struktur

Erfolg

Mut

Kraft

Konzentration

Mentale Stärke

Ausdauer

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Ziel zu sein! Versetzen Sie sich in das

Bild Ihres gewünschten Er gebnisses.

Lassen Sie Ihre Phantasie spielen und

vor Ihrem inneren Auge einen Film

ablaufen, indem Sie das Ziel schon erreicht

haben. Aktivieren Sie Ihre Emotionen.

Denn je bewusster und greifbarer

Ihre Ziele werden, umso eher werden

Sie sie auch umsetzen! Damit Sie Ihre

Ziele nicht aus den Augen verlieren,

führen Sie ein Erfolgstagebuch (mindestens

einmal in der Woche).

Techniken zum Abbau von

Leistungsstress

Und wenn der Stress in der Prüfungssituation

doch einmal zu stark wird?

Stress abbau kann über eine tiefe

Bauchatmung erreicht werden. Mindestens

fünf tiefe Atem züge (und mehr)

in Verbindung mit dem Klopfen der

Thymusdrüse (in der Kinesiologie die

Steuerungszentrale für den Energiefluss

und das Bindeglied zwischen Körper

und Geist) können die Stresssituation

he runterfahren. Die Drüse sitzt

etwa vier Finger breit in der Körpermitte

bzw. unter dem Brustbein unterhalb

der Hals kuhle. Dazu wird eine

Hand locker zu einer Faust geschlossen

oder mit vier Fingern auf diese Stelle

geklopft. Sie wird so lange und stark

stimuliert, bis Sie durchatmen müssen,

denn dann hat sich etwas gelöst. Die

Übung kann auch durch die Visualisierung

eines Ruhebildes unterstützt

werden – ein Bild, mit dem Sie eine besonders

schöne Erinnerung verbinden

oder einen schönen Ort, an dem Sie

sich sehr wohl gefühlt haben.

Eine weitere Möglichkeit zum Abbau

von Leistungsstress sind unter

anderem professionelle wingwave ® ­

Coachings.

Der positive, innere Dialog

Gehen Sie in einen inneren positiven

Dialog mit sich, um eine positive Grundeinstellung

zu erzeugen, mit der Sie

an die kommenden Herausforderungen

herangehen. So können Sie die «Muster»

in Ihrem Kopf po sitiv dauerhaft

verändern. Das Gehirn hat die Eigenschaft,

lebenslang bis ins hohe Alter

seine neuronalen Strukturen fortlaufend

zu verändern. Diese Eigenschaft

nennt sich Neuroplastizität oder neuronale

Plastizität. Dabei gilt: Je häufiger

wir Nervenverbindungen benutzen,

desto mehr stärken wir ihre Effektivität.

Lernen wir etwas, vermehren sich

die Verbindungen zwischen zwei Nervenzellen.

Das geschieht, indem Gene

in den Ner venzellen aktiviert werden,

die weitere Proteine bilden, um neue

Verbindungen zu formen. Sogenannte

Neuro transmitter (von altgriech. «neuron»

= Sehne und lat. «transmittere» =

hinüberschicken, über tragen) übertragen

an chemischen Synapsen die Erregung

von einer Nervenzelle auf eine

andere.

Die Dinge, denen wir unsere Aufmerksamkeit

schenken, formen die

Struktur unseres Gehirns. Das beeinflusst

in erheb lichem Maße unsere innere

Haltung: Stellen Sie also das Positive,

die glücklichen Momente und das

Bewusstsein für die eigenen Stärken in

den Vordergrund Ihres Denkens. Heben

Sie besonders hervor, was Ihnen

bereits gelungen ist! Daraus entwickeln

sich positive Emotionen, die Ihre Motivation

verbessern, weiter an den eigenen

Stärken, Talenten und Fähigkeiten

zu arbeiten. Ihre eigene Leistungsbereitschaft

wird entscheidend gestärkt.

Positive Affirmationen verändern

Überzeugungen

Den inneren positiven Dialog können

Sie mit der Anwendung einer Affirmation

(= posi tives Selbstgespräch; lat.:

firmare = festigen, verankern) verstärken.

Die Affirmation ist ein bejahender,

bekräftigender Satz, der – oft genug

laut oder innerlich wiederholt – Gedanken

und Überzeugungen verändert.

Fangen Sie jeden Satz mit «Ich» an,

wählen Sie immer positive, be jahende

Formulierungen und bilden Sie kurze,

eingängige Sätze in der Gegenwartsform

mit höchstens zehn Wörtern

(rhythmisch, ggf. auch lustig oder originell).

Beispiele: «Ich bin voller Selbstvertrauen!»

oder «Ich bin sehr gut

vorbereitet!» Entwickeln Sie dabei ein

inneres Lächeln – das entspannt gleichzeitig

die Gesichtszüge und verleiht

äußerlich eine positive Ausstrahlung.

Notieren Sie die Affirmationen auf

Haftzetteln, die zum Beispiel in Ihrem

persönlichen Bereich in Sichtweite

plat ziert werden. Je öfter Sie darauf

schauen, umso besser speichert Ihr

Unterbewusstsein die Botschaft ab.

Ein positives Umfeld ist

entscheidend für den Erfolg

Damit Sie sich körperlich und geistig

nicht überlasten, sollten Sie auf gesunde

Ernährung, genug Trinken (reines

Wasser), auf Pausen beim Lernen,

genug Schlaf (mindestens 7,2 Stunden;

Schlaf hat Priorität Nr. 1) und Bewegung

achten. Darüber hinaus ist es

sehr wichtig, dass Sie um sich herum

ein positives Umfeld aufbauen! Neben

Partnern und guten Freunden können

dazu Kommi litonen zählen, mit denen

Sie eine Lerngruppe bilden. Aber Achtung:

Überlegen Sie sich im Vorfeld

ganz genau, mit welchen Menschen Sie

sich umgeben. Meiden Sie die ständigen

Bedenkenträger! Wichtig sind Ressourcengeber,

die positive Energie geben

können, die in diesem Moment

gerade gebraucht wird. Ein «Du schaffst

das!» erzeugt Motivation und weitere

Leistungsbereitschaft.

Literaturverzeichnis:

Heimsoeth, Antje (2017): Mentale Stärke.

Was wir von Spitzensportlern lernen können.

C.H.Beck Verlag, Reihe Beck kompakt.

Dyrchs, Peter (2017): «Warum scheitern

so viele Jurastudenten bereits im ersten

Semester? http://professordyrchs.de/423-2/

(zuletzt aufgerufen am 5.2.​2018).

Heimsoeth, Antje (2015): Sportmentaltraining.

Mit einem Vorwort von Oliver Kahn.

Verlag pietsch.

Heimsoeth, Antje (2015): Chefsache Kopf.

Mit mentaler und emotionaler Stärke zu mehr

Führungskompetenz. Springer Gabler.

34

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Tipps für ein LL.M.-Studium

Der Abschluss LL.M. wird auch Master of Laws genannt. Der LL.M. ist

neben einer Dissertation eine der Möglich keiten, nach dem Jura-

Studium eine Zusatzqualifikation zu erlangen. Einen LL.M.-Abschluss

kann man sowohl an deutschen Hochschulen als auch im Ausland

erwerben. Ein LL.M. ist eine hervorragende Möglichkeit, verschiedene

Dinge zu verbinden: Zum einen ist es eine Zusatzqualifikation,

die bei einer späteren Bewerbung hilft, sich von der Masse der

Bewerber abzu heben. Hier kann auch eine entsprechende Spezialisierung

im LL.M. helfen. Zum anderen ist es eine gute Gelegenheit,

ins Ausland zu gehen, inter nationale Kontakte zu knüpfen und die

eigenen Sprachkenntnisse zu ver bessern.

Der richtige Zeitpunkt

Grundsätzlich kann man ein LL.M.-

Studium sowohl nach dem ersten als

auch nach dem zweiten Staatsexamen

machen. Das ist eine Geschmacksfrage.

Allerdings kann es sein, dass

es einem schwerer fällt, nach einem

LL.M.- Studium wieder in den Referendariatsalltag

zurückzukehren und sich

wieder mit deutschem Recht auseinanderzusetzen.

Durch den LL.M. ergeben

sich oftmals Chancen für den Berufseinstieg

oder nützliche Kontakte.

Welches Land, welche

Univer sität?

Es ist üblich – aber natürlich nicht

zwingend notwendig –, den LL.M. im

englischsprachigen Ausland zu erwerben.

Allerdings sind die Studiengebühren

in den USA erheblich höher als z.B.

die im Vereinigten Königreich oder in Irland.

Auf der Seite www.llm- guide.com

kann man sich einen guten Überblick

über mögliche Universitäten verschaffen.

Regelmäßig erstellen auch renommierte

Zeitungen in den jewei ligen

Ländern Rankings über die Hochschulen

(z.B. für Großbritannien ist hier

das jährliche Ranking des Gu ardian

empfehlenswert). Es lohnt sich auch,

auf entsprechende LL.M.-Messen, wie

z.B. die von e- fellows, zu gehen. Hier

bekommt man einen guten ersten Eindruck

von verschiedenen Universitäten

und deren Angebot.

Die Möglichkeiten zur Spezialisierung

muss man sich genau anschauen:

In welche Richtung will man gehen

und ist die Universität in diesem Bereich

gut aufgestellt? In der Regel haben

größere Universitäten auch mehr

Möglichkeiten, z.B. Studienfahrten zu

organisieren oder Gastprofessoren einzuladen.

Darüber hinaus kommen möglicherweise

nicht alle Universitäten in

Frage auf Grund der eigenen Note im

Staatsexamen. Am besten recherchiert

man auf den Uni- Websites: Dort sind

die Voraussetzungen für eine LL.M.-

Bewerbung, sortiert nach den jeweiligen

Herkunftsländern der Bewerber,

aufgeführt. Oder man fragt konkret bei

der Universität nach, wie viele Punkte

mindestens benötigt werden.

Bei der Wahl der Universität spielen

neben den Studiengebühren na türlich

auch die Lebenshaltungskosten eine

Rolle.

Lohnt sich eine Spezialisierung?

Man kann einen allgemeinen LL.M.

oder einen spezialisierten LL.M. machen.

Beim allgemeinen LL.M. darf man

sich eine bestimmte Anzahl an Fächern

aus dem gesamten Kursprogramm aussuchen.

Dies lässt einem einerseits sehr

große Freiräume und man hat die Möglichkeit,

verschiedene Fachrichtungen

auszuprobieren. Andererseits kann es

gerade in der Prüfungsphase sehr stressig

werden, wenn man zu viele Themen

gleichzeitig lernen muss. Mit einer

Spezialisierung in einem Rechtsgebiet

hat man es da leichter. Viele Kanzleien

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 35


auf den Kar rieremessen geben zu verstehen,

dass ihnen das LL.M.-Studium

wichtig ist, weil es Sprachkenntnisse

und Flexi bilität, aber auch Anpassungsfähigkeit

und interkulturelle Kompetenz

beweist. Die Fach richtung des LL.M. ist

ihnen dabei nicht so wichtig.

Mit wieviel Aufwand muss man

rechnen?

Man darf nicht verkennen, dass ein

LL.M. in der Vorbereitung sehr aufwändig

ist. Das beginnt schon bei der Recherche,

um die geeignete Universität

zu finden. Die meisten Universitäten

verlangen mindestens zwei Empfehlungsschreiben

von Professoren. Diese

Professoren muss man finden und sie

bitten, ein Empfehlungsschreiben anzufertigen.

Hier sollte man genügend Zeit

einplanen (mehrere Monate). Darüber

hinaus muss man seine Zeugnisse übersetzen

lassen, z.B. in Übersetzungsbüros

oder in einem OLG (dort dauert

die Anfer tigung der Übersetzung zwar

länger, ist dafür aber auch billiger als

in einem Übersetzungsbüro). Außerdem

muss man für den LL.M. im Ausland

einen Sprachtest ablegen (TOEFL oder

IELTS je nach Land und Universität).

Auch hierfür sollte man genügend Zeit

einplanen und nicht vergessen, dass

der bestandene IELTS- Test nur zwei

Jahre gültig ist.

Über die Finanzierung sollte man

sich frühzeitig Gedanken machen. Vielleicht

hat man die Möglichkeit, eines

der seltenen Stipendien (siehe LL.M.-

Infokasten) zu bekommen, oder man

kann den LL.M. selbst bezahlen. Zu den

Studiengebühren kommt ein nicht unerheblicher

Betrag an Kosten für Flüge,

Miete, Essen, Lehrbücher und Freizeitaktivitäten

hinzu.

Vor Ort darf man nicht den Fehler

machen, nur in der Bibliothek zu sitzen.

Außer den Vorlesungen, die man sich

ausgesucht hat, sollte man unbedingt

auch Zusatzprogramme der Universität

wahrnehmen. Ein LL.M.- Studium lebt

vom Austausch mit an deren Studenten,

und zumindest die größeren Universitäten

werden dazu auf jeden Fall

einige Veranstaltungen organisieren.

Das LL.M.-Studium ist eine wunderbare

Erfahrung, die viele neue Eindrücke,

Freundschaften und berufliche

Chancen bringt.

Viel Erfolg dabei!

Susanne Loder

Illustration (S. 35): de.fotolia.com/# Nr. 55382350 © ecco

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36

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Informationsrecht:

Rechtsfragen der Digitalisierung

Mit dem berufsbegleitenden Master of Laws (LL.M.) Informationsrecht

auf dem neuesten Stand

❯❯

Von Heidi Scharvogel *

Heidi Scharvogel

Crowd Working und der Einsatz immer

leistungsfähigerer Roboter verändern

Arbeitsabläufe, neue Geschäftsmo delle

wie Sharing- Plattformen und virtuelle

Währungen entstehen, soziale Medien

und Smart Home-Anwendungen hinterlassen

deutliche Spuren in unserem

privaten Umfeld – die rasant voranschreitende

Digitalisierung treibt diesen

Wandel an. Mit ihm entstehen immer

neue Rechtsfragen. «Anwälte und Unternehmensjuristen

werden im Jura-

Stu dium darauf meist nicht ausreichend

vorbereitet», merkt Prof. Dr. Jürgen Taeger

an. Er leitet den Studiengang Master

of Laws (LL.M.) Informationsrecht

am Center für lebenslanges Lernen (C3L)

der Universität Oldenburg.

Dieser berufsbegleitende Studiengang

wendet sich an Juristinnen und Juristen

sowie Betriebswirte und Informatiker

mit juristischen Kenntnissen. Sie

lernen aktuelles, durch Gesetze, Rechtsprechung

und Wissenschaft geprägtes

Recht kennen, das sie benötigen, um

diese neuen, informationstechnisch bedingten

Rechtsfragen bearbeiten zu

können. «In Deutschland gibt es wohl

kein vergleichbares An gebot, das durch

Präsenzphasen und Selbstlernmethoden

in der wissenschaftlichen Tiefe und

praktischen Aus richtung so umfassend

auf dem Gebiet des Informationsrechts

ausbildet», sagt Taeger. «Wir legen zum

Beispiel Wert da rauf, dass durch Mustertexte

oder simulierte Verhandlungssituationen

Vor gehensweisen eingeübt

werden, wie sie in der Praxis häufig

vorkommen.»

Fragen aus Betrieben im

­Studium geklärt

«Da alle Teilnehmenden über Berufserfahrung

verfügen, ist der Praxisbezug

im Studium garantiert. Die Studierenden

bringen zum Beispiel Fragestellungen

aus ihren Unternehmen oder

Anwaltskanzleien mit, die dann mit

wissenschaftlichen Methoden, etwa in

Projekten, bearbeitet werden», ergänzt

Tim Zentner, Bereichsleiter Studiengänge

am C3L.

Die Studieninhalte orientieren sich

an den Bedürfnissen von Rechtsanwaltskanzleien,

Wirtschaftsprüfungsgesellschaften,

Unternehmen der Informations-

und Medienwirtschaft, der

Software-Entwicklung sowie von Service-

und Content- Providern. Dabei stehen

Themenschwerpunkte wie Datenschutzrecht,

Telekommunikationsrecht,

Internetrecht, Immaterialgüterrecht und

IT- Vertragsrecht im Vordergrund.

Flexible Studiengestaltung

Neben Beruf und Familie ein Studium

absolvieren, ist das zu schaffen, ohne

dass anderes auf der Strecke bleibt?

Und lohnt sich die Investition an Zeit

und Geld? «Ich weiß von Teilnehmenden,

dass ein berufsbegleitendes Studium

eine sehr disziplinierte Organisation

erfordert», sagt Zentner. «Eine

Studentin berichtet etwa, dass sie mit

ihrem Partner feste Zeiten vereinbart

hat, in denen sie vor Prüfungen lernt

und er für die Kinder zuständig ist.»

Der Studiengang kann allerdings sehr

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 37


flexibel an die eigenen Bedürfnisse angepasst

werden. Er ist webbasiert und

setzt sich aus Online-Selbststudium und

kurzen Präsenzphasen zusammen.

Außerdem ist er modular aufgebaut.

Teilnehmende können frei entscheiden,

wann sie welche Module belegen möchten.

«Viele Studierende schätzen es,

dass der Masterstudiengang Informationsrecht

so wenig verschult ist», so

Zentner. «So bieten wir auf der Homepage

des C3L einen Musterstudienplan

an, der vier Semester dauert, aber zugleich

auch Alternativen. Möchte jemand

statt der vorgeschlagenen zwei

Module pro Semester lieber nur eines

belegen, ist das kein Pro blem.»

Ein komplettes Studium ist zu viel,

aber eines oder mehrere Module, wie

etwa Internet- und Telekommunikationsrecht,

sind sehr interessant? Für

diesen Fall bietet das C3L ein Zertifikatsstudium

an. Interessierte belegen

entweder drei Module ihrer Wahl und

schließen mit dem Diploma of Advanced

Studies (DAS) ab oder sie absolvieren

ein einzelnes Modul und erhalten

dafür ein Certificate of Advanced Studies

(CAS).

übernehmen muss. In solchen begründeten

Fällen suchen wir gemeinsam

nach einer Lösung. Das kann etwa

sein, dass die kurze Projektarbeit in

Absprache mit dem Prüfer zwei Wochen

später abgegeben wird oder die

abschließende Präsentation nicht vor

Ort, sondern per Videoübertragung erfolgt»,

berichtet Zentner.

«Oder eine Teilnehmerin bekommt

das Angebot, eine Zweigstelle im Ausland

aufzubauen. In so einem Fall kann

das Studium eine Zeit lang ruhen und

später fortgesetzt werden. Die Teilnehmerin

kann auch aus dem Ausland

weiter studieren, da nur wenige Präsenzphasen

pro Jahr vorge sehen sind.

Regelmäßig nehmen auch Studierende

aus dem europäischen Ausland am

Studiengang teil.»

Großer Mehrwert durch Netzwerk

Auf die Präsenzphasen verzichten wollen

die Oldenburger auf keinen Fall.

«Dabei entsteht ein Netzwerk zwischen

Lehrenden und Teilnehmenden sowie

zwischen den Studierenden untereinander.

Absolventen erzählen immer

wieder, dass dies neben der Karriere-

förderung ein ganz großer Mehrwert

des Studiums ist. Da entstehen Freundschaften

und berufliche Kontakte, die

weit über die Studiendauer anhalten.

Das kann kein reines Fernstudium

bieten», ist Zentner überzeugt.

Auch entstehen aus Projektausarbeitungen

häufig Publikationen in angesehenen

Fachzeitschriften.

Den Nutzen der Weiterbildung für

die Karriere belegen Absolventenbefragungen.

So gaben 35 Prozent der

Teilnehmenden vor dem Studium an,

als qualifizierte Mitarbeiter tätig zu

sein. Nach dem Studium waren dies

nur noch 17 Prozent, während die Zahl

derer, die in mittleren und gehobenen

Leitungspositionen arbeiteten, signifikant

stieg. «Teilnehmer erzählen immer

wieder, dass ihre Arbeitgeber ihnen

schon nach kurzer Studiendauer

verantwortungsvollere Aufgaben anbieten,

weil sie gemerkt haben, dass

die jeweiligen Arbeitnehmer höher

qualifiziert sind und Sachverhalte besser

durchdringen.» Für Anwälte ist

das erworbene Wissen wesentlich,

um Mandanten qualifiziert beraten zu

können.

Persönliche Beratung bietet

individuelle Lösungen

Treten während des Studiums Probleme

auf, sind die Studienberater jederzeit

ansprechbar. «Es passiert immer

wieder, dass jemand zum Beispiel

eine Hausarbeit nicht rechtzeitig abgeben

kann, weil sein Kollege krank

geworden ist und er dessen Arbeit

Bewerbungen sind für das Sommersemester bis 1. März, für das Wintersemester

bis 1. September möglich.

Studienaufbau: Online-Selbststudium kombiniert mit wenigen Präsenz phasen

pro Jahr (meist Freitagnachmittag und Samstag)

Studiendauer: 4 Semester – kann per sönlichen Wünschen angepasst werden;

es ist auch möglich, einzelne Module zu belegen (Zertifikatsstudium)

Weitere Informationen unter: www.informationsrecht.uni-oldenburg.de

* Heidi Scharvogel fand nach ihrem Studien abschluss in Biologie, dass es zu viel Spannendes gibt, um sich nur einem Fach zu widmen und wechselte deshalb in

den Journalismus. Sie lebt und arbeitet als freie Redakteurin in Oldenburg.

Autorinnenfoto: privat, Foto (S. 38): www.istockphoto.com Nr. 908264470 © tolgart

38

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


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www.llm-guide.com

www.master-vergleich.com

www.hochschulkompass.de

Finden Sie beim LL.M. Day

die passende Law School:

www.e-fellows.net/Events/LLM-Day

LL.M.-Fair der

Deutsch-Amerikanischen

Juristen vereinigung e.V.:

dajv.de/llm-fair.html

Master and more-Messen:

www.master-and-more.de

Ausgewählte LL.M.-Studiengänge siehe Seite 370

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 39


LL.M., M.C.L., M.C.J.? –

Hauptsache, in den USA

studieren!

❯❯

Von Prof. Dr. Andreas Kark *

So oder ähnlich kann die Motivation

um schrieben werden, die mich bereits

vor dem ersten juristischen Staatsexamen

dazu antrieb, mir zu überlegen,

wie ich es schaffen könnte, in

den USA zu studieren. Der Vorzug, bei

späteren Bewerbungen ein Auslandsstudium

im Lebenslauf vorweisen zu

können, spielte eine Rolle, aber gewiss

keine übergeordnete. Meine Englischkenntnisse

ver bessern zu wollen, vor

allem auch in Bezug auf die juristische

Fachterminologie, auch dies spielte

eine Rolle, war aber bestenfalls ein

«nice to have».

Warum in die USA?

Tatsächlich ging es mir im Kern darum,

dieses Land, das ich bis dato durch den

einen oder anderen Urlaub auf naturgemäß

nur sehr oberflächliche Weise

kennengelernt hatte, näher zu erforschen.

In einer Prä­ Internet- Zeit, die

heute eigentlich kaum vorstellbar ist,

die es aber tatsächlich vor gar nicht

allzu langer Zeit einmal gab, erschienen

mir damals die USA, trotz des Vietnamkrieges,

trotz Pershing­ Raketen und trotz

vieler anderer, vielleicht nicht ganz perfekter

Dinge, als ein Land mit einer fast

magnetischen Anziehungskraft.

Dieses so unglaublich vielfältige

Land, über das ich schon so viel gelesen

hatte, dieser wohl geradezu unzerstörbare

Optimismus, den dieses

Land und seine Menschen ausstrahlten

und der vor wenigen Jahren in

dem Wahlkampfslogan «Yes, we can!»

zusammengefasst wurde, erschienen

mir unglaublich attraktiv.

Überwindbare Hürden

Allerdings gab es zwei kleinere Hürden

zu überwinden: einen Studienplatz

an einer vernünftigen Universität

zu erhalten und diesen zu finanzieren.

Beides zu erledigen kann mit einem

Schlag gelingen, wenn man das zweite

Hindernis als erstes in Angriff nimmt.

All dies erfordert ein gewisses Organisationstalent,

denn Finanzquellen

wollen langfristig erschlossen werden.

Anders formuliert: Möchte man ein

Stipendium, sollte man sich frühzeitig

darum bewerben. Hat man dies erfolgreich

erledigt, sorgen die Stipendiengeber

dafür, dass man auch an einer

vernünftigen Universität einen Studienplatz

erhält.

Die Finanzierung eines einjährigen

Studienjahres in den USA ist in der Tat

heute wichtiger denn je, da in den letz­

40

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


ten Jahren die Studiengebühren explosionsartig

gestiegen sind. Dazu kommen

die Ausgaben für die Lebenshaltung,

einschließlich der Mietkosten. Nicht zu

vergessen sind dabei die horrenden

Preise für Lehrbücher und das Auto,

welches man in aller Regel benötigt, da

in vielen Städten der «public transport»

diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient.

Der Weg in die Uni, sofern man

off- campus wohnt, der Wocheneinkauf

im fernen Supermarkt und der dringende

Wunsch, etwas anderes als Bücher

und Hörsäle zu sehen, lassen den

Erwerb eines Fahrzeugs sehr schnell

alternativlos erscheinen.

Das zwingend erforderliche Mindest-­Toefl-­Testergebnis

ist schlussendlich

nur eine Fleißaufgabe. Dieser sollte

man sich jedoch mit ähnlicher Akribie

widmen wie der Beantwortung der

Frage, wer als Gutachter für Stipendienanträge

in Frage kommen könnte.

Spätes tens nach dem Ergebnis des

­ersten «Probe-­Toefl-­Tests» merkt man,

dass auch hier der Teufel im Detail

steckt.

Die ersten Tage in den USA

Die ersten zwei Wochen an der University

of Miami in Coral Gables waren

gefüllt mit einer Unzahl von Eindrücken,

die von dem Schreck über ein

aquariumsartiges Wohnheimzimmer

reichten, das komplett in einem frischen

Himmelblau gestrichen war, und aus

dem ich nicht nur deshalb nach einer

Woche in eine off-­campus-­WG flüchtete,

bis hin zu einer außerordentlich

großen Hilfsbereitschaft und

Freundlichkeit sowohl der Universitätsmitarbeiter

als auch

der Kommilitonen.

In der Tat erleichtert

ein Stipendium sehr vieles,

da zum Beispiel das

Verfahren der Einschreibung

deutlich

vereinfacht war. Bei

dieser Gelegenheit

wurde übrigens

auch gleich mein

Vorurteil ausgeräumt, dass es in den

USA deutlich bürokratiefreier zugehe

als in Deutschland.

Auch merkten wir relativ schnell,

dass wir Masterstudenten, und abgesehen

von einem himmelblauen Zimmer

war dies nicht der einzige Unterschied

zu einem Masterstudium in

Deutschland, aus Sicht der amerikanischen

Kommilitonen und Universitätsmitarbeiter

wirklich nichts Besonderes

waren. Die Vorlesungen und Seminare,

die wir besuchten, waren daher auch

die des JD- Programms, also des normalen

amerikanischen Jurastudiums,

das nach dem Bar Exam die Zulassung

zur Anwaltschaft ermöglicht.

All die vielen Vorteile

Und in diesen Lehrveranstaltungen

zeigte sich ein weiterer eklatanter Unterschied

zu den deutschen Studiengängen:

kleinere Studentengruppen sowie

Professoren, die nicht nur ex cathe dra

über ihr Thema referieren, sondern mit

den Studenten in einen – sehr häufig

ziemlich anstrengenden – Gedankenaustausch

eintreten, den man gesichtswahrend

eigentlich nur übersteht,

wenn man die sogenannten

«reading assignments»

vor der Vorlesung

bewältigt

hat.

Dies vermittelt nicht nur vertiefte

Kenntnisse von einer völlig fremden

Rechtsordnung, sondern erledigt eines

der oben genannten Nebenziele, nämlich

die Verbesserung der eng lischen

Sprachkenntnisse, in Windes eile.

Ein weiterer, bis dahin von mir in

Deutschland noch nicht so wahrgenommener

Vorteil waren die Bibliothekare.

Es gab nichts, was sie für mein

Forschungsprojekt im Rahmen meiner

Dissertation an Literatur nicht organisieren

konnten. Dabei half, dass sie

sich nicht nur im Bibliothekswesen,

sondern auch in der Jurisprudenz gut

auskannten.

Ein weiterer Unterschied war die

Internationalität der Zusammensetzung

der Studenten aus vier Kontinenten.

Da wir alle durch ein entsprechendes

Auswahlverfahren gekommen waren,

hatte ich den Eindruck, dass alle Kommilitonen

mit großem Ernst, aber auch

zu gegebener Zeit mit großem Spaß bei

der Sache waren.

Und diesen Spaß hatten wir in der

Tat. Auch


wenn das Studium in Bezug auf den

erforderlichen Arbeitseinsatz hohe Anforderungen

an das eigene Durchhaltevermögen

stellte, schaffte die

verbleibende Zeit einen fantastischen

Ausgleich. Gemeinsam mit Kommilitonen

aus einer Vielzahl von Ländern

an manchen Wochenenden und in der

vorlesungsfreien Zeit unterwegs zu

sein, war eine Erfahrung, an die ich

gern zurückdenke und aus der Freundschaften

entstanden, die bis heute gehalten

haben.

Welche Eindrücke sind

geblieben?

Die fachlichen Aspekte des «Master

of Laws»-Studiums in den USA waren

außerordentlich interessant, zumal in

einer Vielzahl von Themen, wie zum

Beispiel im Gesellschafts- oder Wettbewerbsrecht,

amerikanisches Gedankengut

Einzug in europäische bzw. deutsche

Regelungen gefunden hat.

Für mindestens ebenso wichtig halte

ich jedoch – damals wie heute – die

Aspekte der persönlichen Bereicherung

eines solchen Aufenthaltes. Nicht

nur bewegt man sich in einer angeblich

doch ähnlichen, de facto jedoch in

einer sehr anderen Kultur. Ist man bereit,

sich selbst zu hinterfragen, bietet

es die Gelegenheit, viel über sich selbst

lernen zu können. So ist mir bis heute

in Erinnerung geblieben, wie ansteckend

die Freundlichkeit, oder besser,

die Herzlichkeit und Hilfsbe reitschaft

von Menschen war, welche sicherlich

ein Leben führten, das deutlich härter

war als das eines stipendiatsfinanzierten

LL.M.­ Studenten.

Rückblickend war es auch interessant

zu erfahren, wie es ist, Ausländer

zu sein, in einem Land zu leben, in

dem man keinen Heimvorteil genießt

und in dem man nur ein beschränktes

Bleiberecht erhalten hat. Dies alles

führte bei dem Verfasser dieses Artikels

zu einer deutlich differenzierteren

Sicht auf das eigene Leben.

Und was hat es beruflich

gebracht?

Der homo oeconomicus unter den Lesern

mag sich dies seit den letzten 1000 Worten

fragen. Die Antwort auf diese einfache

Frage ist durchaus vielfältig.

Nach dem zweiten Staatsexamen

hatte ich mich gegen die klassische juristische

Karriereschiene entschieden

und wurde Mitglied eines Traineeprogramms

eines deutschen Großkonzerns.

Hier gereichte mir ganz gewiss die erhebliche

Auslandserfahrung über das

Studium zunächst in der Schweiz und

sodann in den USA in dieser international

ausgerichteten Geschäftswelt zum

Vorteil. Der oben erwähnte Sprachvorteil

kam voll zum Tragen, ebenso wie

das Verständnis für andere Länder und

andere Sitten und vor allem die damit

verbundene Art zu kommunizieren sowie

das Verständnis für unterschiedliche

Problemlösungsstrategien.

Fachlich profitierte ich mehr und

mehr, als zunehmend amerikanisches

Regelwerk im Tagesgeschäft zu berücksichtigen

war. Damit meine ich nicht

nur die Vorgaben der U.S. GAAP, sondern

auch und vor allem die Regelungen

des Sarbanes­ Oxley Act (SOX) und Themen

des Foreign Corrupt Practices Act.

Denn ich war zwar im Finanzbereich

des Konzerns tätig, zunächst in London,

dann in Tokio, erhielt jedoch dort zusätzlich

die Verantwortung für die operative

Umsetzung der SOX-Anforderungen

in den Gesellschaften, in welchen

ich als Chief Financial Officer tätig war.

Nach meinem Konzernleben baute

ich, mittlerweile wieder als Rechtsanwalt

zugelassen, eine Compliance­ Beratung

auf. Auch hier erwies sich die US-Ausbildung

als sehr hilfreich. Kenntnisse

des amerikanischen Rechts systems sind

einfach sehr nützlich bei der Erstellung

entsprechender Rechtsgutachten oder

bei der Beratung von Mandanten, die

international tätig sind. Darüber hinaus

versuche ich als Hochschulprofessor,

dieses Wissen weiterzugeben.

Daher wird es nicht verwundern,

wenn ich die oben gestellte Frage mit:

«unglaublich viel» beantworte. Ebenso

eindeutig würde ich die Frage positiv

beantworten, ob ich diesen Schritt noch

einmal machen würde. Der Grund hierfür

liegt in der Mischung aus der Auslandserfahrung

und dem Masterstudium

in einer fremden Rechtsordnung.

Die Verbindung der persönlichen Erfahrungen

eines längeren Auslandsaufenthaltes

gekoppelt mit einem völlig

anderen Stil der Zusammenarbeit

zwischen Professoren und Studenten

und damit einer sehr anderen Unterrichtskultur

lassen ein solches Studium

für mich bis heute als eine wichtige

Bereicherung erscheinen.

Abschließende Empfehlung

Yes, you can! So just do it!

Prof. Dr. Andreas Kark

* Der Autor ist Professor für Wirtschaftsrecht an

der Hochschule Heilbronn und berät als Rechtsanwalt

Unternehmen beim Aufbau von Compliance-

Managementsystemen. Dies beinhaltet sowohl die

konzeptionelle Vorbereitung als auch die Schulung

von Vorständen, Führungskräften und Mitarbeitern

(www.compliance- consultancy.de). Zuvor war er

nach einem Studium der Rechtswissenschaften

u. a. als kaufmännischer Geschäftsführer verschiedener

ausländischer Tochtergesellschaften und

als Leiter eines Compliance- Bereichs in einem Dax-

30-Konzern tätig. Die Schweiz, die USA, Hongkong,

Belgien, England und Japan waren Stationen auf

seinem beruflichen Weg. Im Verlag C.H.Beck ist

von ihm die Monographie «Compliance- Risikomanagement»

erschienen.

Autorenfoto: privat

Foto (S. 41): de.fotolia.com/# Nr. 66895049 © beatrice prève

42

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Insurance-Anwalt

Ein Erfahrungsbericht aus dem Arbeitsalltag bei

Norton Rose Fulbright, München

❯❯

Von Dr. Daniel Peppersack, LL.M. *

Mein Interesse für das Versicherungsrecht

habe ich

schon frühzeitig während

des Studiums entdeckt und

durch die Gestaltung meiner Stationen

im Referendariat weiter vertieft. Nach

mehrjähriger Tätigkeit bei einem großen

Düsseldorfer D&O-Spezialmakler stellte

sich für mich die Frage, wohin sich meine

berufliche Ausrichtung in Zukunft entwickeln

sollte. Schon länger spielte ich

mit dem Gedanken, in den Anwaltsberuf

zu wechseln. Um nicht die Zeit für den

Einstieg in den Anwalts beruf zu «verpassen»,

habe ich mich dann auch relativ

schnell für den Wechsel zu Norton Rose

Fulbright entschieden. Dies nicht zuletzt

wegen des tollen Arbeits klimas im Büro.

Es bietet auf jeden Fall einen interessanten

Perspektivwechsel, wenn man

von der Makler ebene in die «Anwaltsschiene»

hinein gelangt. Auf Maklerebene

stand man im «Lager» der Versicherungsnehmer,

nunmehr nehme ich die Interessen

und Wünsche von Mandanten wahr,

die im Corporate Insurance- Bereich insbesondere

Versicherer oder auch Banken

sind. Jedem, der sich mit dem Einstieg

in den Anwalts beruf anfreunden könnte,

kann ich nur empfehlen, diese Chance

zu nutzen und auch frühzeitig wahrzunehmen.

Zu lange sollte mit dem Einstieg

jedoch nicht gewartet werden, da es bedeutend

einfacher ist, nach mehrjähriger

Anwaltstätigkeit in ein Wirtschaftsunternehmen

zu wechseln als andersherum.

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Die Kanzlei

Norton Rose Fulbright gehört weltweit

zu den Top Ten der internationalen

Wirt schaftskanzleien mit einer

starken strategischen Ausrichtung und

Dynamik. Das stetige Wachstum von

verschie denen Standorten oder Fusionen

mit externen Kanzleien führen mit

dazu, dass die Entwicklung von einem

unternehmerischen Denken geprägt ist.

Norton Rose Fulbright verfügt über

ein zielgerichtetes und strukturiertes

Fortbildungssystem, die sogenannten

International Academies, die für die

unterschiedlichen Stufen der Associates

weltweit standardisiert sind und im

Londoner Hauptbüro stattfinden. Im

Rahmen solcher Academies wird neben

der Vermittlung von Fachkenntnissen

auch die Entwicklung von Soft Skills

gefördert. Mit steigender Erfahrung auf

Associate-Ebene (Junior/Middle/Senior)

wird auch die Weiterbildung immer

spezieller und angepasster (Business

Development Training), gerade im Hinblick

auf die früh zeitige Vorbereitung

einer etwaigen Partnerschaft, welche

von Partnern an den jeweiligen Standorten

durchgeführt wird. In regelmäßigen

Meetings werden Associates so

an die eigenständige Mandatsgenerierung

herangeführt, bearbeiten Business

Development-Aufgaben und müssen

ihren eigenen Business Case entwickeln

und präsentieren.

Das Mentoring der jüngeren Anwältinnen

/Anwälte erfolgt durch einen

erfahrenen Partner während des gesamten

Karrierewegs vom Junior bis

hin zum Senior Associate. Zudem steht

den Junior Associates ein schon berufserfahrener

Senior Associate als Ansprechpartner

in der Kanzlei zur Verfügung.

So wird sichergestellt, dass eine

umfassende Betreuung in der Ausbildung

zum Tragen kommt.

Die Arbeit im Alltag

Wer bei Norton Rose Fulbright im

Bereich Corporate Insurance tätig ist,

findet eine interessante Mischung aus

den Bereichen Gesellschafts- und Versicherungsrecht.

Hier ist man beratend

insbesondere auf Seiten der Versicherer

tätig, vor allem in Bereichen des

Versicherungsaufsichtsrechts oder im

Bereich M & A, speziell auf Versichererbegleitung

ausgerichtet. Im Aufsichtsrecht

liegt ein Schwerpunkt auf der

Bestandsübertragung von alten (Rück-)

Versicherungsbeständen (im run-off).

Es kann beispielsweise vorkommen,

dass ein Versicherer einen alten Bestand

in der Lebensversicherung gerne

auf einen neuen (Rück-)Versicherer

über tragen will. Zum Schutz der Belange

der Versicherten ist ein solches

Vorhaben eng durch die Aufsichtsbehörde

im Versicherungsbereich, die

BaFin, reglementiert. Aber auch Fragen

zu Neuregelungen im Versicherungsvertragsrecht

stehen durch die

Umsetzung der IDD-Richtlinie und Vorgaben

von Solvency II auf der Tagesordnung.

Gerade durch den anstehenden

Brexit ergeben sich für die in UK

ansässigen Versicherer oder Broker eine

Vielzahl von ungelösten und schwierigen

Fragen, die deren Geschäftsbetrieb

und die Niederlassungen betreffen. Daneben

kann ich als Associate im Bereich

Litigation auch an einer Vielzahl

von spannenden (gerichtlichen) Fällen

mitwirken. Hier gibt es auch einen passenden

Schwerpunkt im Versicherungsrecht,

wo viele Sachverhalte sowohl

mit dem interessanten Bereich der

Managerhaftung («D&O-Versicherung»)

als auch «W&I – Versicherung» (Gewährleistungsversicherung

bei Unterneh­

Bei Norton Rose Fulbright besteht standortabhängig

auch ein Angebot an Yogakursen.

44

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


menskaufverträgen) in Zusammenhang

stehen. Bei letzterer gibt es Auseinandersetzungen

meist im Rahmen der

Schiedsgerichtsbarkeit.

Schon als Berufseinsteiger gibt es

früh die Möglichkeit, Projekte vom

Start bis zum Abschluss zu begleiten.

Durch diese vollständige Begleitung

eines ganzen Projektes kann viel Erfahrung

gesammelt werden – sofern

die Möglichkeit sich anbietet, steht

einem auch die Teilnahme an Terminen

mit den Mandanten offen. Norton

Rose Fulbright bietet so Berufseinsteigern

frühen Man dantenkontakt und

die Möglichkeit, sich erfolgreich einzubringen,

eigene Ideen umzusetzen und

die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

Ein frühzeitiger Mandantenkontakt

ist sehr hilfreich und wichtig

für die weitere Entwicklung, im Gegensatz

zu einer bloßen «back office»-

Tätigkeit, ohne jeglichen Bezug nach

«außen».

Die «Work-Life-Balance»

Jeder, der in einer größeren Kanzlei

arbeitet, hat von vornherein das Bewusstsein

und die Erwartung, dass es

nicht immer geregelte Arbeitszeiten

gibt und auch kein typischer Arbeitsalltag

mit einem Nine-to-five-Job besteht.

Das ist natürlich auch nicht

weiter schlimm, so gibt es eine faire

Arbeitszeitregelung, die sich an dem

aktuell bestehenden Arbeitsbedarf orientiert.

In arbeitsreichen Phasen wird

eine entsprechende Präsenz erwartet,

dafür ist es in ruhigeren Phasen auch

selbstverständlich, das Büro früher zu

verlassen. Feste Präsenzzeiten, auch in

ruhigeren Phasen, sind der Kanzlei

fremd. Die Wochenenden sind grundsätzlich

immer arbeitsfrei. In wenigen

Ausnahmefällen – z.B. bei eiligen Projekten

– kann es allerdings vorkommen,

dass auch mal am Wochenende

gearbeitet wird. Erleichternd besteht

bei Bedarf und in individuellen Fällen

sogar die Möglichkeit, von zuhause aus

zu arbeiten. Das ist je nach Situation

sehr praktisch und technisch überhaupt

kein Problem. Es besteht nach

Absprache auch die Möglichkeit, eine

längere unbezahlte Auszeit («leave») zu

nehmen. Dadurch lassen sich persönliche

Belange gut verfolgen.

Wer sich zwischendurch sportlich

betätigen möchte, kann das in der

Kanzlei auch tun. Hier besteht standortabhängig

ein Angebot an Inhouse­

Rückentraining und Yogakursen; darüber

hinaus bietet die Kanzlei vergünstigte

Konditionen bei einem Fitness-Studio

an.

Es wird von der Kanzlei sichergestellt,

dass alle Anwältinnen /Anwälte

ihren Jahresurlaub im aktuellen Kalenderjahr

auch tatsächlich vollständig

nehmen können. Nur in Ausnahme­

situationen kann es vorkommen, dass

ein kleiner Teil des Resturlaubes mit

ins neue Jahr genommen wird.

Norton Rose Fulbright verfolgt eine

Open-Door-Policy. Das unter Kollegen

übliche «Du» auf allen Ebenen unterstreicht

unsere Arbeitsatmosphäre auf

Augenhöhe. Hier wird viel Wert auf

Teamgeist und internen Austausch gelegt.

Regelmäßig geht man im Team

miteinander zum Lunch. Das soziale Miteinander

wird durch wiederkehrende

Veranstaltungen, gemeinsame Freizeitaktivitäten

oder auch unsere monatlichen

«After Work Drinks» gepflegt.

Regelmäßig gibt es auch wöchent liche

interne Trainings in dem passenden

Fachbereich, wo man sich «Grundwissen»

aneignet und dieses später auch

vertieft. Beim 14-tägig stattfindenden

sogenannten «Lunch&Learn» werden

aktuelle Themen aus der Praxis und

unterschiedlichen Praxisgruppen von

erfahrenen Kollegen präsentiert.

Resümee

Der Arbeitsalltag in der Kanzlei gestaltet

sich sehr vielseitig. Es kommt

durch individuelle und verschiedene

Projekte nie zu einem «standardisierten

Ablauf». Durch die internationale Ausprägung

kann man auch öfter mit Anwältinnen/Anwälten

anderer deutscher

oder ausländischer Büros bei diversen

Projekten zusammenarbeiten.

Dr. Daniel Peppersack

* Dr. Daniel Peppersack, LL.M., ist Rechtsanwalt im Bereich Corporate Insurance in München und Mitglied

der Practice Area «Corporate Insurance / Litigation». Er berät regelmäßig Versicherer und Rückversicherer in

regulatorischen und gesellschaftsrechtlichen Fragen sowie im Versicherungsvertragsrecht. Im Versicherungsvertragsrecht

hat er besondere Erfahrung in Financial Lines und D&O-Deckung. Sein Fokus liegt auf der

Finanz- und Versicherungsbranche. Daneben liegt ein Teil seines Tätigkeitsfeldes in der Begleitung versicherungsrechtlicher

Streitigkeiten.

An der Universität Münster hat er Jura studiert und dort auch sein Referendariat mit dem Schwerpunkt

Versicherungsrecht bei renommierten Kanzleien absolviert. Er hat zudem einen LL.M. von der Universität

Münster im Versicherungsrecht erhalten, welchen er parallel zum Referendariat durchführte. Die Promotion

hat er an der Universität Bielefeld zu einem D&O-versicherungsrechtlichen Spezialthema abgeschlossen.

Autorenfoto: privat

Foto (S. 44): de.fotolia.com/# Nr. 171854777 © alfa27

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Work-Life-Balance

bei McDermott Will & Emery

❯❯

Von Volker Teigelkötter *

Volker Teigelkötter

In der Ankündigung ihres Werkes über

eine vermeintliche «Elite ohne Ambition»

unter dem reißerischen Titel «Ihr

kriegt den Arsch nicht hoch» lässt die

Autorin Evi Hartmann ihren Verlag

bemängeln, dass jede Menge intelligente

und gut ausgebildete junge Menschen

Status und Geld, aber weder

Anstrengung noch zu viel Verantwortung

im Job wollen. Diese Pseudo-Elite

sei selbstzufrieden, gierig und überschätze

sich maßlos selbst. Es breite

sich eine Kultur der Leistungsverweigerung

aus, gut getarnt als «Work- Life-

Balance». Dem möchte die Autorin offenbar

entgegenwirken und zu einem

«verschärften Leben» aufrufen. **

Das ist einerseits starker Tobak als

Mittel der Verkaufsförderung. Andererseits

dürfte die Autorin mit hoher

Wahrscheinlichkeit leider gerade unter

altgedienten Partnern in deutschen

und internationalen Sozietäten auf eine

gewisse Zustimmung zu ihren Thesen

stoßen. Allen Personalmarketingstrategien

und -kampagnen zum Trotz fremdelt

die konservative Anwaltsbranche

auch im Jahre 2018 jedenfalls teilweise

noch mit Kandidaten, die sich bereits

im ersten Vorstellungsgespräch frank

und frei nach den üblichen Arbeitszeiten,

freien Wochenenden und mobilem

Arbeiten erkundigen. Nichtsdestotrotz

wird der zumeist in den 90 er

Jahren des vergangenen Jahrhunderts

sozia lisierte Partner ein solches Denken

im Interesse der Zukunfts- und

Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Sozietät

sehr schnell ablegen müssen.

Dabei mag das Verständnis helfen,

dass die «Work-Life-Balance» letztlich

nur Mittel zur Verwirklichung eines

durch und durch kapitalistischen Prinzips

und mitnichten eine Tarnung für

Arbeitsscheu und Leistungsverweigerung

ist. Die Abgrenzung produktiver

von unproduktiver Arbeit hat bereits

Karl Marx vorgenommen. Von dauerhaftem

Interesse für den Arbeitgeber

ist allein die produktive Arbeit. Insoweit

unterscheiden sich Rechtsanwaltssozietäten

nicht von Unternehmen

anderer Branchen. Indem durch

die «Work-Life-Balance» der perfekte

Einklang zwischen Arbeits- und Privatleben

angestrebt wird, wird zugleich

die Grundlage für höchst produktives

Arbeiten geschaffen. Das Private kann

gleichsam außerhalb der Bürotür bleiben,

weil es zur Zufriedenheit des Mitarbeiters

organisiert ist. Kaum etwas

ist giftiger für produktives Arbeiten als

die unzureichende Organisation des

Privatlebens.

Flexible Arbeitsorte, flexible

Arbeitszeiten

In dieser Überzeugung versuchen wir

bei McDermott bereits seit dem Eintritt

in den deutschen Anwaltsmarkt

in 2002 dem Bedarf sowohl unserer

Rechtsanwälte als auch unserer nicht

* Volker Teigelkötter, Düsseldorf, ist Partner der Rechtsanwaltssozietät McDermott Will & Emery und gehörte 2002 zu den Gründungspartnern der Kanzlei in

Deutschland. Neben seiner arbeitsrechtlichen Praxisgruppe kümmert sich Volker Teigelkötter u.a. um strategische Personalthemen der Sozietät.

** Hartmann, Ihr kriegt den Arsch nicht hoch – Über eine Elite ohne Ambition, Campus Verlag 2018.

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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Die Abgrenzung produktiver von unproduktiver Arbeit hat bereits Karl Marx vorgenommen.

anwaltlichen Mitarbeiter an der Flexibilisierung

von Arbeitsort und Arbeitszeit

gerecht zu werden.

Die tageweise Möglichkeit des mobilen

Arbeitens im Home-Office ist eine

Selbstverständlichkeit und technisch

abgesichert. Nicht zuletzt als Reaktion

auf die miserable Verkehrssituation

in Nord rhein-Westfalen haben wir

zudem in 2017 die Möglichkeit für unsere

in Köln wohnenden Kolleginnen

und Kollegen geschaffen, wohnortnah

in un serem Kölner Hub zu arbeiten.

Eine Ausweitung dieses Konzepts auf

andere Uni versitätsstädte ist grundsätzlich

denk bar. Die Zeit im Verkehrsstau

ist so wohl aus beruflicher als

auch aus privater Sicht vollkommen

unproduktiv.

Gleichermaßen selbstverständlich

sind die unterschiedlichsten Gestaltungen

der Teilzeit, die insbesondere von

Kolleginnen nach der Rückkehr aus der

Elternzeit, aber beispielsweise auch von

jungen Rechtsanwälten zum Anfertigen

einer Dissertation genutzt werden. Auf

den gesetzlichen Anspruch zur Rückkehr

in die Vollzeit muss bei McDermott

im Übrigen niemand warten.

Modell der alternativen

Vollzeitbeschäftigung

Abgerundet wird das flexible Arbeitszeitangebot

bei McDermott durch das

Mitte 2017 eingeführte Modell der alternativen

Vollzeitbeschäftigung mit fest

vereinbarten Arbeitszeiten ohne Mehrarbeit.

Allein in Düsseldorf arbeiten

bereits fünf neu eingestellte Rechtsanwälte

in diesem noch nicht einmal ein

Jahr alten Modell. Der Beitrag, den dieses

Modell zur «Work-Life-Balance» leistet,

ist die klare Berechenbarkeit für den

Mitarbeiter, welche wiederum (s.o.) zu

hoch produktiver Arbeit im von Vornherein

festgelegten Zeitraum führt.

Entgegen allen Unkenrufen und literarischen

Versuchen der Verunglimpfung:

Der Einklang zwischen Berufs- und

Privatleben ist in einer internationalen

Großkanzlei nicht nur möglich, sondern

im Interesse produktiven Arbeitens ausdrücklich

gewünscht. Darauf, ob der

einzelne dabei sein Gleichgewicht im

klassischen 24 / 7-Anwalts leben findet,

weil ihm dafür bereits die Gelegenheit

zum mobilen Arbeiten genügt oder

weil die individuelle Balance eine zeitlich

klar definierte und stets einzuhaltende

Grenze voraussetzt, kommt es

nicht an.

«Umparken beginnt im Kopf», lautete

ein preisgekrönter Werbeslogan

zur Aufbesserung des etwas angestaubten

Images einer Automarke. Das

Umdenken auf der Führungsebene deutscher

Anwaltssozietäten muss eben

dort statt finden und sehr schnell abgeschlossen

werden. Der Kandidat, der

im Bewerbungsgespräch die Frage nach

dem perfekten Einklang von Berufsund

Privatleben stellt, denkt unternehmerisch

und erfüllt damit bereits eine

wichtige Voraussetzung für eine zukünftige

Anwaltspersönlichkeit.

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Arbeitsrecht in der

Großkanzlei –

alles, was das Anwaltsherz

begehrt

❯❯

Von Dr. Jens Günther *

Man kennt das ja: Die Juristerei gilt

häufig als langweilig und trocken. Und

wenn wir ehrlich sind, ist da durchaus

manchmal etwas dran. Wer Abwechslung,

Herausforderungen, Kontakt

zu un terschiedlichsten Menschen

und ständige Horizonterweiterung

sucht, für den gibt es eine Alternative:

Arbeitsrechtsanwalt in der Großkanzlei!

Konferenzräume, Fabrikhallen

und Gerichtssäle

Die Tätigkeit als Arbeitsrechtler ist

vielfältig. Unterschiedlichste Aufgaben

und Szenarien warten. Dabei kann

Ver handlungsgeschick nicht schaden.

Bei organisatorischen Veränderungen

in Betrieben sind oftmals Interessenausgleich

und Sozialplan mit einem

Betriebsrat zu verhandeln. In einem

Interessenausgleich einigen sich Arbeitgeber

und Betriebsrat auf die Durchführung

einer konkreten Maßnahme

(z.B. eine Standortverlagerung). Mit einem

Sozialplan werden etwaige Nachteile

für die Arbeitnehmer ausgeglichen,

z.B. durch die Zahlung von Umzugskosten.

Der Arbeitsrechtsanwalt (gemeint

ist damit selbstverständlich auch immer

die Arbeitsrechtsanwältin) braucht

dazu nicht nur Rechtskenntnisse, sondern

auch einiges an taktischem Geschick.

Und geht es in den Verhandlungen

einmal hoch her, gilt es, die

Nerven zu bewahren und den Mandanten

zu beruhigen. Verhandlungen

sind so etwas wie das «täglich Brot»

des Arbeitsrechtsanwaltes. So setzt er

die Interessen seines Mandanten auch

beim Abschluss von Anstellungsverträgen

oder – sollten sich die Wege

wieder trennen – von Aufhebungsverträgen

durch. In Großkanzleien geht

es dabei oftmals um Anstellungsverträge

von Vorständen und Geschäftsführern.

Sowohl die im Streit stehenden

Summen als auch die öffentliche

Aufmerksamkeit sind dabei häufig nicht

gering.

Doch den Arbeitsrechtler sieht man

nicht nur in Konferenzräumen und am

Schreibtisch, sondern auch in Gerichtssälen.

Dort gilt es, in der Robe den Fall

für den Mandanten zu gewinnen. Dieses

Kerngeschäft des Anwaltslebens

lässt sich in der Großkanzlei wohl vor

allem im Arbeitsrecht erleben. Der be-

48

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


sondere Reiz liegt dabei im unmittelbaren

Feedback. Der Anwalt merkt sofort,

ob seine Schriftsätze das Gericht

überzeugt haben. Verlässt der Mandant

das Gerichtsgebäude mit einem

Lächeln, ist dies eine schöne Bestätigung.

In der Großkanzlei sind die Fälle

in der Regel besonders interessant.

Unternehmen wenden sich an größere

Kanzleien, wenn entweder viel auf

dem Spiel steht (Reputation, hohes finanzielles

Risiko) oder die Sache rechtlich

besonders knifflig ist. Da kann der

Anwalt durchaus ein bisschen Rechtsgeschichte

schreiben, wenn die bislang

ungelösten juristischen Fragen «seiner»

Fälle vor dem Bundesarbeitsgericht beantwortet

werden.

Die Tätigkeit in der Großkanzlei ist

zudem durch die Zusammenarbeit mit

Kollegen aus anderen Rechtsge bieten

gekennzeichnet. Besteht beispielsweise

der Verdacht, dass aus Unternehmen

heraus Rechtsverstöße be gangen wurden,

werden in Compliance-Untersuchungen

auch Arbeitsrechtler gebraucht.

Hier stellen sich viele Fragen: Darf

der Arbeitgeber den beruflichen

E-Mail-Account des Mitarbeiters

ohne dessen Wissen

durchsuchen?

Hat der Mitarbeiter an Befragungen

teilzunehmen? Ist der Betriebsrat einzubinden?

usw. Und wird einem möglichen

Mitwisser die Sank tionsfreiheit

(z.B. Verzicht auf Kündigung) versprochen,

falls er sich an der Aufklärung

beteiligt, hat der Arbeitsrechtler die

Vereinbarung hierüber (Amnestie)

«wasserdicht» zu machen. Auch beim

Erwerb und Verkauf von Unternehmen

(Mergers & Acquisitions) geht es

nicht ohne den Arbeitsrechtsanwalt.

Bevor ein Unternehmen ein anderes

Unternehmen kauft, checkt es dieses

auf Risiken. Aus arbeitsrechtlicher Sicht

können hier z.B. versteckte finanzielle

Verantwortlichkeiten in der betrieblichen

Alters versorgung liegen. Bei

solchen Transaktionen ist Team arbeit

angesagt. Ab stimmungen mit den Kollegen

aus dem Gesellschaftsrecht, Steuerrecht

und weiteren Rechtsgebieten

schaffen Mehrwert für den Mandanten

und erweitern auch den eigenen Horizont.

Flugzeug, Zug

und Taxi

Wer nicht jeden Tag an

seinem Schreibtisch

verbringen möchte,

ist im Arbeitsrecht

richtig auf gehoben.

Der Arbeitsrechtsanwalt

ist un terwegs: zu

Mandanten, Gerichten,

Verhandlun gen an «neutralen» Orten

wie Flug häfen und zu Konferenzen.

Dies macht den Arbeitsalltag abwechslungsreich.

Verhandlungen mit Betriebsräten

bei Restrukturierungen finden

regelmäßig in den Unternehmen statt.

Um die Auswirkungen von Management-Entscheidungen

auf einzelne Arbeitsplätze

beurteilen zu können, muss

der Arbeitsrechtsanwalt verstehen,

welche Auf gaben an den einzelnen Arbeitsplätzen

erledigt werden. Hierfür

lässt er sich den Arbeitsprozess am

besten durch einen Werksleiter in der

Fabrikhalle erklären. Gerichtsverfahren

gilt es bundesweit zu gewinnen.

Unterstützt der Arbeitsrechtler seinen

Kollegen aus dem Bereich Mergers &

Acquisitions bei Vertragsverhandlungen,

finden diese auch schon einmal in

den USA oder anderswo statt.

National und International

Mandanten in der Großkanzlei sind

zum einen die großen nationalen Unternehmen.

Doch der Arbeitsrechtler

arbeitet auch international. So haben

internationale Konzerne oftmals auch

Unternehmen in Deutschland. Diese

werden im Arbeitsrecht konzernintern

in der Regel von der Konzernzentrale

begleitet. Für den Arbeitsrechtler bedeutet

dies, dass er z.B. die Einführung

eines neuen Entgeltsystems mit dem

Head of Global HR aus der Konzernzentrale

in Los Angeles abklärt. Will

Demnächst Platztausch? Der Kollege Roboter könnte zum Vorgesetzten befördert werden.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 49


die Konzernmutter mit Sitz in Deutschland

etwa weltweit ein einheitliches

Bonusprogramm ausrollen, arbeitet

der Arbeitsrechtsanwalt aus Deutschland

mit Kollegen aus den Büros der

Kanzlei im Ausland oder mit Kanzleien

im ausländischen Netzwerk zusammen.

Bei der Koordination solcher

internationalen Projekte sind wahre

Managementfähigkeiten gefragt. Zudem

erfährt man einiges über andere Jurisdiktionen

und deren Besonderheiten.

Auf dem Laufenden bleiben

im ­digitalen Wandel

In kaum einem Rechtsgebiet ist so

viel Bewegung wie im Arbeitsrecht.

Die arbeitsrechtliche Gesetzgebung ist

stark interessengesteuert. Jede Regierung

versucht, eigene Akzente zu setzen.

Und selbst wenn Gesetze bestehen

bleiben, ändert sich oftmals die Auslegung

durch die Gerichte. Einöde sieht

anders aus. Dies gilt erst recht in Zeiten

der Digitalisierung. Das Arbeitsleben

wandelt sich – «Arbeit 4.0» ist

das Stich wort. Der digitale Wandel der

Wirt schaft bringt neben revolutionären

technischen Möglichkeiten auch

Veränderungen in der Arbeitswelt mit

sich. Diese stellen Mitarbeiter, Arbeitgeber,

aber auch deren rechtliche Berater

vor spannende Herausforderungen.

Neue Berufsbilder und Formen

der Zusammenarbeit wie Crowdwork

entstehen. Unternehmen schreiben auf

web-basierten Plattformen einzelne

Arbeitsaufgaben oder Aufträge aus und

bedienen sich auftragsbezogen kurz­

fristig der Arbeitskraft einzelner. Dabei

sind viele Fragen zu beantworten: Sind

die Crowdworker selbständig? Haben

sie im Einzelfall Arbeitnehmerrechte?

Wem gehören Arbeitsergebnisse? In

einer Smart Factory sind Maschinen,

Bauteile und Menschen über das Internet

vernetzt. Dies sorgt für einen Paradigmenwechsel:

Arbeitnehmer müssen

nicht mehr unbedingt vor Ort anwesend

sein, um unmittelbar in den Produktionsprozess

einzugreifen. Die Produktion

kann grundsätzlich von jedem

Ort der Welt mit ausreichendem Internetzugang

gesteuert werden. Arbeit

wird so mobiler. Dies bedeutet gleichzeitig,

dass Arbeitszeit und Erreichbarkeit

neu zu regeln sind.

Künstliche Intelligenz

Roboter sind längst mehr als reine

Hilfsmittel. Intelligente Systeme übernehmen

immer mehr Aufgaben, die

bisher Menschen vorbehalten waren.

Wenn Roboter ihre Käfige verlassen

und Hand in Hand mit den Menschen

arbeiten, gewinnen die Vorgaben des

Arbeitsschutzrechts besondere Bedeutung.

Beim Einsatz von Software, ohne

die intelligente Roboter nicht arbeiten

können, hat ein Betriebsrat mitzubestimmen.

Hier gilt es für den Arbeitsrechtler,

gemeinsam mit den Mandanten

Lösungen zu entwickeln, um

zum einen eine flexible Produktion zu

sichern und gleichzeitig die betrieblichen

Mitbestimmungsrechte zu wahren.

Der «Kollege Roboter» kann zum

Vorgesetzten befördert werden. Maschinen

und Computerprogramme treffen

Arbeitgeberentscheidungen. Sie üben

das sog. Direktionsrecht aus, wenn sie

Beschäftigten Arbeitsanweisungen erteilen.

Hier wird – etwa durch Programmierungen

– sicherzustellen sein,

dass auch der «virtuelle Vorgesetzte»

sich in den Grenzen des Arbeitsrechts

bewegt. Es bleibt insbesondere auch

für anwaltliche Berater spannend: Für

diese gilt es, nicht nur bei der rechtlichen,

sondern auch bei der technischen

Entwicklung «am Ball zu bleiben».

Aber genau dies ist schließlich

einer der Reize der anwaltlichen Tätigkeit.

Dr. Jens Günther

* Dr. Jens Günther ist Partner und Rechtsanwalt

im Arbeitsrecht bei Gleiss Lutz in München.

Autorenfoto: privat

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RÜ+RÜ2

Ihre Examensfälle von morgen

RechtsprechungsÜbersicht

RÜ und RÜ2 (Kombiausgabe)

Aktuelle Rechtsprechung von ausbildungserfahrenen

Praktikern

Aufbereitet als praktischer Aufgabenteil der

Referendars- und Assessorklausuren

Speziell in der RÜ2: Aufgabenstellungen aus

gerichtlicher, staatsanwaltlicher, behördlicher

und anwaltlicher Sicht musterhaft gelöst

Infos unter www.alpmann-schmidt.de

Alpmann Schmidt


Bewerbungstipps

für die Auslandsstation

Für Referendare besteht bekanntlich die Möglichkeit,

einen Teil der Ausbildung während der Verwaltungs-,

Anwalts- oder Wahlstation im Ausland

zu verbringen. Für die Zeit zwischen Bewerbung

und geplanter Auslandsstation sollte mindestens ein halbes

Jahr eingeplant werden, besser sind zwölf Monate. Die

Chancen, bei einer Kanzlei im Ausland als Referendar genommen

zu werden, hängen von den jeweiligen Zeugnissen,

besonderen Qualifikationen und den nachgewiesenen guten

Sprach kenntnissen ab, manchmal aber auch schlicht von

einem interessanten Anschreiben und häufig einem persönlichen

Kontakt (der vielleicht wiederum einen Kontakt

vermittelt etc.).

Die Station im Ausland muss durch eine Verfügung der

eigenen deutschen Ausbildungsbehörde an geordnet werden.

Interesse an der Bearbeitung von Rechtsfragen mit internationalem

Bezug wird ebenso voraus gesetzt wie die Fähigkeit,

sich an die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ausland anzupassen.

Schließlich ist auch ein gutes Stück (Selbst-)Organisation

bei der Suche nach einer Wohnmöglichkeit sowie

das Sicherstellen der finanziellen Rahmen bedingungen (Miete,

Reise- und Lebenshaltungskosten etc.) erforderlich.

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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Juristenvereinigung

Ein guter Ansprechpartner für die

Frage, bei welcher ausländischen

Kanzlei oder Einrichtung man unterkommen

möchte, kann eine deutschausländische

Juristenvereinigung sein.

Eine Internetrecherche mit dem Suchbegriff

«Juristenvereinigung» lohnt sich.

Sie sollten dann anfragen, ob die jeweilige

Ver einigung Kanzleien benennen

kann, die deutsche Referendare aufnehmen.

Besonders informativ sind

hierbei unter anderem die Deutsch-

Amerikanische, die Deutsch-Britische,

die Deutsch- Französische, die Deutsch-

Brasilianische und die Deutsch-Südafrikanische

Juristenvereinigung. Es

gibt aber noch viele weitere. Viele von

ihnen haben ein eigenes Verzeichnis

mit Rechtsanwälten für Referendare.

Fragen Sie nach, ob man Ihnen bei der

Suche nach einer Stationskanzlei weiterhelfen

kann.

Auswärtiges Amt

Außerdem können Sie über die Homepage

des Auswärtigen Amtes zu den

jeweiligen Botschaften und Konsulaten

im Ausland gelangen. Diese wiederum

veröffentlichen häufig Listen von

Rechts anwälten, die Referendare aufnehmen.

Auch lohnt es sich, bei der

eigenen Stammdienststelle oder dem

Ausbildungspersonalrat nachzufragen,

ob entsprechende Listen geführt werden.

Internationale Kanzleien

Die meisten internationalen Großkanzleien,

am einfachsten diejenigen, die

auch in Deutschland einen Standort

haben, können zu ihren Büros in anderen

Städten weltweit ebenfalls Kontakte

herstellen. Eine Nachfrage bei

den deutschen Standorten lohnt sich

in vielen Fällen. Einige der Kanzleien

nehmen allerdings nur zu bestimmten

festen Zeiten Referendare auf. Fragen

Sie also gezielt nach, ob dies der Fall

ist, und geben Sie die Zeitspanne an, in

der Sie dort arbeiten wollen.

Tipps

1.

2.

3.

4.

5.

Informieren Sie sich frühzeitig

(am besten sechs Monate bis

ein Jahr vor Ihrer Auslandsstation)

über die Homepage der

Kanzlei oder des Unternehmens.

Lesen Sie nach, was dort über

die jeweiligen Tätigkeitsfelder

und Einsatz gebiete steht. Meist

haben die Homepages eine englische

und/oder sogar deutsche

Sprachversion.

Gehen Sie auf den Unterpunkt

Career oder Recruitment. Dort

erhalten Sie meist einen Überblick

über die jeweiligen Bewerbungsmodalitäten.

Suchen Sie dort auch die

E-Mail- Adresse des zuständigen

Ansprech partners heraus.

Achtung: Dieser kann im Laufe

der Zeit wechseln!

Rufen Sie zunächst nicht an,

sondern schreiben Sie eine

kurze E-Mail (Landessprache)

mit folgendem Inhalt:

a) kurze Vorstellung der

eigenen Person

b) Interesse an der Kanzlei

(konkreter Bezug)

c) Ihr Wunsch, dort für die

Zeit vom (…) bis (…) zu

arbeiten

d) Frage hinsichtlich der Verfügbarkeit

eines Referendarplatzes.

Sobald Ihre E-Mail beantwortet ist,

können Sie alle weiteren Punkte,

zum Beispiel benötigte Zeugnisse

und Unter lagen, besprechen. Wenn

keine Antwort kommt, kann es auch

sein, dass Ihre E-Mail versehentlich

im Spamordner gelandet ist. Fragen

Sie daher noch einmal per E-Mail

nach, ob Ihre Nachricht angekommen

ist. Falls keine Reaktion kommt,

sollten Sie dort anrufen oder sich

schriftlich vorstellen. Es kann durchaus

sein, dass E-Mails nicht abgerufen

wurden.

Eine Vergütung wird in den seltensten

Fällen bezahlt, da Sie schließlich

zu Ausbildungszwecken dort sind.

Allerdings wurde schon des Öfteren

die Hin- und Rückreise bezahlt. Am

besten man klärt diese Punkte frühzeitig

ab.

Ihre Aufgabe ist es nun, auch die

weiteren Modalitäten wie Unterkunft,

Entfernung zur Kanzlei, Gültigkeit

des Reisepasses, Impfungen,

Visum, EC- oder Kreditkarten, Preise

für Wohnen und Essen, Gesetze und

Regeln im Ausland, Aufenthaltsund

Einfuhrbedingungen, Gepäckbeschränkung

bei Flügen, Auslandskrankenversicherung,

beglaubigte

Übersetzung der Zeugnisse und Befreiung

von Arbeitsgemeinschaften

zu klären.

Alle weiteren Informationen über

die nachfolgenden Kanzleien können

Sie auf den jeweiligen Homepages

erhalten.

Noch etwas in eigener Sache:

Berufen Sie sich bei Ihrer Bewerbung auf diesen Referendarführer, damit die Kanzleien

wissen, woher Sie den Kontakt haben!

Ich wünsche Ihnen bei der Bewerbung viel Erfolg!

Dr. Klaus Winkler

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 53


REFERENDARSTATIONEN

IM IN- UND AUSLAND

rsw.beck.de mit der JuS zum Job

www.karriere.de/stellenmarkt

www.karriere-jura.de

www.kimeta.de

www.monster.de

www.daad.de

www.auswaertiges-amt.de

Haben Sie selbst eine spannende

Wahlsta tion erlebt und möchten darüber

einen Beitrag schreiben?

Oder möchten Sie Ihre Wahlstation

in unserem juristischen Lektorat verbringen?

Dann melden Sie sich doch einfach unter:

referendarfuehrer@beck.de


Going East

Erfahrungsbericht

eines Referendars bei

King & Wood Mallesons

Von Lukas Kirchhof *

schaftlichen Aufstieg beschleunigt, der das Land von einem

seit Jahrtausenden verschlossenen Kaiserreich hinter seiner

symbolhaften großen Mauer über eine Stellung als «Werkbank

der Welt» zunehmend zu einem Herausforderer im

Hightech-Bereich wandelte, der nun auch seinen Blick auf

den Dienstleistungssektor wirft.

Ganz in diesem Sinne fusionierten 2012 King & Wood mit

Mallesons Stephens Jaques zu King & Wood Mallesons

(KWM). In Deutschland stehen hinter all den hochtrabenden

englischen Namen der Kanzleien aber deutsche Anwälte, die

im deutschen Recht praktizieren. Wo liegt also der Unterschied

zwischen einer asiatisch-pazifischen Kanzlei und einer

anglo-amerikanischen?

Zum Thema «internationale Großkanzlei» fallen den meisten

Jurastudenten und Referendaren vermutlich zuerst

die englischen Namen der großen Kanzleien aus den USA

und dem Vereinigten Königreich ein. Die Wachstumsregionen

dieser Welt liegen aber mittlerweile hauptsächlich im Osten.

Der große Reformbedarf der dortigen Rechtssysteme, der

exponentiell zunehmende Handel mit Asien und die Investitionsströme

in diese aufstrebenden Märkte, aber auch die

zunehmende Globalisierung asiatischer Unternehmen ziehen

Juristen an wie das Licht die Motten. Auch mich als jungen

Juristen hat es nach Osten verschlagen: Nach einem LL.M. in

Hongkong war ich als Referendar bei King & Wood Mallesons

in Hongkong und Frankfurt.

King & Wood Mallesons ist zwar auch ein englischer Name,

die Geschichte dahinter ist aber eine asiatisch-pazifische.

Während King & Wood, auf Mandarin 金 杜 , ein Kunstname

ist, der die fünf Elemente des Fengshui widerspiegelt, gab es

einen Mr. Mallesons wirklich. Alfred Brooks Mallesons, ein

britischer Anwalt, startete 1856 als 25-Jähriger von England

nach Australien und hinterließ als einer der führenden

Anwälte des südlichen Kontinents seinen Namen der Kanzlei

Mallesons Stephens Jaques, eine der «Big Six» Australiens.

King & Wood PRC Lawyers hingegen firmierte als solche seit

1993 als eine der ersten Kanzleien Chinas zu einer Zeit, in der

es in dem Riesenreich kaum Anwälte gab und Guanxi 关 系 –

persönliche Kontakte – noch ein verlässliches Rechtssystem

mehr schlecht als recht ersetzte. Seitdem hat sich viel geändert.

Chinas Öffnung hat einen unvergleichlichen wirt­

Chengdu und Perth statt Houston

und Boston

In den großen Finanzzentren der Welt findet man sie alle. Sei

es London, New York und Frankfurt am Main oder Sydney,

Singapur und Shanghai. Geht man aber davon weiter in Richtung

regionaler Umschlagplätze, fällt die Verwurzelung in

einem Heimatmarkt auf. In Houston oder Boston haben

hauptsächlich US-Kanzleien eine Dependance, genauso wie

in Chengdu, Jinan oder Chongqing chinesische Kanzleien

dominieren.

Mit den Standorten abseits der großen Zentren nehmen die

Anzahl der weniger globalen Mandanten und damit auch

die kulturellen Eigenheiten zu. Während für den US-Mandanten

eher der optimierte Prozess mit schnellem Resultat

im Vordergrund steht, ist es chinesischen Unternehmern

häufig wichtig, förmliche vertrauensbildende Maßnahmen

inklusive Baijiu – einem furchtbaren Reisschnaps – zu durchlaufen.

Und so landet auch der deutsche Anwalt mit Stäbchen

in der einen Hand und Tee in der anderen am runden

Tisch in China.

Die Referendare bei KWM in Deutschland fliegen leider seltener

mit nach Asien. Die kulturelle Erfahrung hat man trotzdem:

Sei es durch die Zusammenarbeit mit den chinesischen

Juristen im Frankfurter Büro oder im Treffen oder Telefonat

mit asiatischen Mandanten und australischen Kollegen. Auch

bringen die deutschen Ausbilder ihre Erfahrung aus dem

westpazifischen Raum mit ein. Zum Beispiel durch mitgebrachte

Teespezialitäten oder Team-Lunchs in chinesischen

Restaurants. Und mit etwas Glück (oder Fleiß) bietet sich eine

Chance auf eine aufregende Wahlstation fern der Heimat.

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Panda-Bonds statt

Yankee-Bonds?

Civil Law statt Common Law

Neben den kulturellen Unterschieden gibt es auch rechtliche.

Zusätzlich zum Beherrschen des deutschen Rechts

wird in internationalen Wirtschaftskanzleien meist auch ein

Grundverständnis des anglosächsischen Rechtskreises erwartet.

Der internationale Wirtschaftsverkehr wird weltweit

zu einem erheblichen Teil auf Grundlage der Prinzipien dieser

Rechtstradition abgewickelt.

Daran führt auch in einer pazifischen Kanzlei kein Weg vorbei.

Mit einem Standbein in Australien ist auch KWM im

Common Law zuhause. Das chinesische Recht gehört aber in

den Civil Law-Rechtskreis und basiert unter anderem auf deutschem

Recht. Natürlich wird man sich als deutscher Jurist in

der Regel keinen tiefgreifenden Fragen im chinesischen

Recht stellen müssen. Dennoch gibt es immer wieder Schnittstellen,

an denen man sich doch einarbeiten muss.

Lukas Kirchhof

studierte Rechtswissenschaften und Europarecht

an der Julius-Maximilians-Universität

Würzburg und der University of Bristol.

Anschließend erlangte er einen LL.M.

in International Economic Law an der Chinese University of

Hong Kong. Seit März 2017 ist er Referendar im OLG-Bezirk

Frankfurt a. M. und in der Nebentätigkeit wissenschaftlicher Mitarbeiter

im Corporate Department bei KWM Europe. Zuvor verbrachte

er bereits weitere drei Monate im KWM-Netzwerk in

Frankfurt a. M. und fünf Monate in Hongkong.

So stellt sich beispielsweise für einen deutschen Investor bei

einem Projekt in China die Frage, welche rechtlichen Unterschiede

er erwarten muss. Auch wenn sich der chinesische

Markt langsam weiter für ausländische Investoren öffnet,

gibt es immer noch viele Restriktionen, die es schon in einer

frühen Planungsphase zu beachten gilt. Zum Beispiel gibt es

in China eine spezielle Rechtsform für ausländische Investoren

– das WFOE (Wholly Foreign Owned Enterprise). Aus

diesem darf man aber in aller Regel vor dem Ende einer

festgelegten Laufzeit seine Investition nicht wieder abziehen.

Deshalb könnte man dem Mandanten nahelegen, ein Offshore-Vehikel

zwischenzuschalten – eine Gesellschaft außerhalb

Chinas, die alle Anteile am WFOE hält und samt dieser

frühzeitig verkauft werden könnte.

Panda-Bonds statt Yankee-Bonds

Aber auch jenseits des Gesellschaftsrechts gibt es eine

Reihe von Unterschieden im Wirtschaftsalltag. Ein Großteil

der Arbeit ist natürlich ähnlich und von globalen Trends

bestimmt, doch der Teufel steckt im Detail der Spezialisierung.

Der Finance-Experte einer US-Kanzlei wird zum Beispiel

Erfahrung mit den rechtlichen Tücken der Ausgabe von

Yankee-Bonds – in US-Dollar ausgegebene Bonds ausländischer

Investoren – haben. Der Kollege mit einer östlichen

Ausrichtung ist dagegen eher auf Panda-Bonds spezialisiert

– das Gegenstück in chinesischen RMB. Bei Letzteren

liegt die Herausforderung oft weniger in den Verhandlungen

mit den Banken als in den vielfältigen Kontrollen der Behörden.

Während der US-Dollar weltweit eine Ankerwährung

ist, unterliegt der Kapitalverkehr in China strengen Devisenkontrollen.

Zwar betreibt Peking die Internationalisierung

des RMB, schreckt aber vor einer zu schnellen Öffnung unter

anderem aus Angst vor einer starken Aufwertung des RMB

56

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


noch zurück. Wer den Behördendschungel lieber meidet,

kann sich in der Region alternativ auf die australischen Kangaroo-Bonds

konzentrieren.

Harmonie statt Streit

In Vorträgen zu ostasiatischem Recht hört man an Universitäten

oft vom Harmoniestreben der Ostasiaten, die –

basierend auf Konfuzianismus und Buddhismus – offenen

Streit als Gesichtsverlust sehen. Das ist sicherlich grundsätzlich

nicht falsch und gerade bei lokalen Unternehmen auch

oft der Fall. Bei den global agierenden Konzernen sieht das

jedoch ganz anders aus. Hier sind Schiedsgerichtsklauseln in

internationalen Verträgen nahezu Marktstandard in Ostasien,

während zumindest kontinentaleuropäische Unternehmen

vor solchen tendenziell eher zurückschrecken.

Die Ursachen dafür mögen vielfältig sein, in der Praxis bedeutet

das aber, dass man auch als deutscher Anwalt – oder

eben Referendar – die Wirksamkeit solcher Klauseln regelmäßig

prüfen muss. Auch gilt es den Mandanten darin zu

beraten, ob solche Klauseln für ihn akzeptabel sind, welches

Forum in Frage kommt und ob sich Schiedssprüche oder

auch Urteile in den jeweiligen Rechtsordnungen durchsetzen

lassen.

Belt and Road statt America First

Schließlich ist mit spektakulären Übernahmen europäischer

Hightech-Unternehmen durch chinesische Investoren

noch eine politische Komponente hinzugekommen.

Während europäische Staaten und Bürger sich vor dem Ausverkauf

von Schlüsselindustrie und strategisch wichtigen Betrieben

fürchten, sorgen sich chinesische Geschäftsleute um

ihren Marktzugang, um Möglichkeiten der Diversifizierung

und vor antichinesischer Rhetorik. Berechtigte Argumente

lassen sich wohl für beide Seiten finden und eine Bewertung

möchte ich mir nicht anmaßen. Im Arbeitsalltag spielt aber

seit der letzten Reform der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)

die Investitionskontrolle eine spürbar größere Rolle – schon

allein, um besorgte chinesische Mandanten zu beruhigen.

Protektionismus beschäftigt die Geschäftswelt auf der ganzen

Welt – insbesondere unter den Stichworten «America

First» und «Brexit». Betroffen sind nicht nur Anwälte anglosächsischer

Kanzleien, sondern, wie die Reform der AWV beweist,

gerade auch Anwälte mit einem asiatischen Fokus. In

Asien gibt es aber noch ein weiteres großes Thema: «Belt and

Road» – das größte Infrastrukturprojekt der Welt in Form

einer Initiative Pekings, die Märkte Asiens untereinander und

mit Europa zu verbinden. Hierzu stellt China bisher Mittel

von über 110 Mrd. USD bereit. Während die Volksrepublik es

als Entwicklungsprojekt anpreist, wird es im Westen teils

als geostrategisches Manöver gesehen, Südost- und Zentralasien

in Chinas Einflusssphäre zu binden.

Eine Entwicklung dieser Märkte ist jedenfalls auch im Interesse

Deutschlands, das sich offiziell an der Initiative beteiligt,

und genauso eine Chance für deutsche Unternehmen. Berater,

die auch die Hintergründe aus Asien verstehen, sind für

diese Unternehmen besonders wertvoll.

Fazit

Ich persönlich würde jederzeit wieder den Weg in Richtung

Osten einschlagen: in eine Region, die sich rasant ändert,

Abenteuer genauso wie glitzernde Metropolen bietet, in der

ständig neues Recht geschrieben wird und noch viele neue

Wege unbegangen sind. Auch wenn die Arbeit letztlich der

Arbeit in einer anderen Großkanzlei durchaus ähneln mag

und bei weitem nicht alle Mandanten aus dem Osten kommen,

liefern die feinen Unterschiede gelegentlich kleinere

Kulturschocks und Herausforderungen außerhalb der gängigen

juristischen Arbeit.

Kangaroo-Bonds statt

Behördendschungel?

Autorenfoto: privat

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Wahlstation bei adidas –

Only the best for the athlete

❯❯

Von Tim Lisner *

Tim Lisner

Wahlstation im Unternehmen

Die Wahlstation sticht aus den übrigen

Stationen der Referendarausbildung

hervor. Sie ist die einzige Station, die

weitestgehend frei bestimmt werden

und den Bereich der klassischen Referendarstationen

(Gericht, Behörde,

Anwalt) verlassen kann. So ist es zum

Beispiel möglich, das Tätigkeitsfeld eines

Unternehmensjuristen ** kennenzulernen.

Die dafür geeigneten Unternehmen

mit eigener Rechtsabteilung

sind zahlreich. Wie schon bei der Anwaltsstation

stehen die Referendare

also vor der «Qual der Wahl».

Wie immer können dabei die bevorzugten

Rechtsgebiete ausschlaggebend

sein. Vorlieben für spezielle Rechtsgebiete

können den Weg in ebenso spezialisierte

Unternehmen ebnen. Weiter

können Größe und Internationalität

des Unternehmens eine Rolle spielen,

ebenso wie Erfahrungsberichte von

Bekannten und die eigene Präsentation

der Unternehmen als potentielle Arbeitgeber.

Folgende Fragestellungen können

den Referendaren bei der Auswahl

eines Unternehmens aber zusätzlich

durch den Kopf gehen:

❯❯

Gibt es vielleicht ein Unternehmen,

mit dem ich mich auch sonst identifizieren

kann?

❯❯

Gibt es ein Unternehmen, zu dessen

Branche ich Berührungspunkte habe,

vielleicht durch meine Freizeit und

sonstigen Interessen?

❯❯

Vielleicht gibt es sogar ein in Frage

kommendes Unternehmen gerade in

der Branche, für die ich eine besondere

Leidenschaft hege?

❯❯

Vielleicht noch ein Unternehmen, bei

dessen Produkten und Dienstleistungen

ich ohne lange zu überlegen auf

«Gefällt mir» klicken kann?

Bei mir führten eine besondere Leidenschaft

für Sport, der Wunsch, in einem

internationalen Umfeld zu arbeiten, ein

kurzer Blick in meinen Kleiderschrank,

auf meine Schuhe sowie in und auf

meine Sporttasche zu einer Bewerbung

bei adidas. Eine Entscheidung, die ich

so jederzeit wieder treffen würde.

Welcome to the adidas-Campus –

Anzugträger sucht man vergebens

Für Praktikanten und Trainees aus der

ganzen Welt – zu denen mangels passender

Übersetzungsmöglichkeit auch

Referendare gezählt werden – erfolgt

am ersten Tag eine Einführungsveranstaltung

zur Vorstellung des Unternehmens

und der Angebote für die Neuen

in den kommenden Monaten.

In Herzogenaurach betritt man ein

beeindruckendes Gelände, den Campus.

Die Bezeichnung als Campus ist

dank seiner vielen Grünflächen und

eines extra angelegten Teichs mehr als

treffend. Das Sportangebot ist überragend.

Nicht nur der – auch in der

übrigen Jurawelt geschätzte – Kickertisch

hat hier seinen Platz. Hinzu kommen

Tischtennisplatten, Fußball-, Basketball-,

Volleyball- und Tennisfelder,

ein Kletterturm sowie diverse Workoutbereiche.

Für ambitionierte Fahrradfahrer

stehen ausreichend Stellplätze,

Dusch- und Umkleidemöglichkeiten

sowie Schließfächer zur Verfügung. Ein

echtes Prunkstück ist das Adi-Dassler­

Stadion, in dem abends nicht nur Hobbyfußball

der Mitarbeiter stattfindet,

sondern auch Turniere zu bestaunen

sind, beispielsweise mit den U19-Mannschaften

von Real Madrid und Manchester

United.

Den Campus prägen die sympathischen,

sportlich-schick und natürlich

unternehmensbewusst gekleideten Mit­

58

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


* Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Frankreich

studierte der Autor ab 2010 Rechtswissenschaften

in Göttingen und Versailles. Dabei hatte

er einen medienrechtlichen Schwerpunkt und war

studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl von

Prof. Dr. Gerald Spindler im Gesellschafts- und

Medienrecht. Seit November 2015 absolviert er

sein Rechtsreferendariat im Oberlandesgerichtsbezirk

Hamm. Für seine dreimonatige Wahlstation

ging es nach Herzogenaurach – in ein internationales

Team der Abteilung Global Brand & Sports

Marketing | Legal & Business Affairs bei adidas.

** Gemeint sind selbstverständlich auch immer

Unternehmensjuristinnen/Referendarinnen, etc.

Der besseren Lesbarkeit halber beschränke ich

mich auf die Verwendung des Maskulinums.

Autorenfoto: privat, Foto (S. 59): adidas

arbeiter aus über 80 Nationen der

Welt. Anzugträger sucht man vergebens.

Nette Cafés und Kantinen, deren

ausgewogene Angebote sich nahtlos in

den eigenen Trainingsplan einfügen

lassen, laden zum entspannten gegenseitigen

Kennenlernen ein. Jura- Small-

Talk wie: «Herr Rechtsreferendar im

Hause, wie lief eigentlich Ihr erstes

Examen? Planen Sie eine Promotion

oder einen LL.M.?» findet nicht statt,

auch nicht beim Zusammentreffen

deut scher Juristen. Häufiger hört man

hingegen: «Hast du am Wochenende

Bundesliga geschaut? Warst du heute

schon im Gym? Are you up for an

after-work match at the Adi-Dassler-

Stadion?»

Bei der Einführungsveranstaltung

und auch in den kommenden Monaten

wurde deutlich: Bei adidas liebt

man den Sport und will diesen nachhaltig

fördern. Darüber hinaus ist man sich

seiner sozialen und gesellschaftlichen

Verantwortung bewusst. «Through sport,

we have the power to change lives», ist

schließlich nicht ohne Grund die Unternehmensricht

linie. Bei allen Mitarbeitern

und Prak tikanten war eine Begeisterung

für Sport deutlich zu spüren.

Tätigkeitsfelder – How is it

according to German law?

Das Arbeitsumfeld bei adidas ist international,

selbst in den Rechtsabteilungen

in Herzogenaurach. Juristen aus

ver schiedensten Ländern und Rechtsordnungen

arbeiten hier im ständigen

Austausch miteinander. Mein Haupttätigkeitsfeld

lag in der Vertragsgestaltung

mit Athleten sowie sonstigen

Wer beträgern und Agenturen. Dabei

waren Telefonate nach Paris, Amsterdam

und in sonstige Sportmetropolen

keine Seltenheit.

Vertragsanpassungen

an besondere

Gegebenheiten

auf ver-

schiedenen Sprachen erfordern juristisches

und sprachliches Verständnis

sowie eine enge Zusammenarbeit mit

den ausländischen Kollegen. Häufig

erhielt ich auch gesonderte Fragestellungen

mit dem Zusatz: «How is it

according to German Law?» Die Begutachtung

und Beantwortung einer

Frage zum deutschen Zivilrecht auf

Englisch birgt besondere Herausforderungen

und ist ja auch in anderen

juristischen Berufen keine Seltenheit.

Für die bestmögliche Ausstattung

der Athleten investiert adidas viel in

seine Produkte und Designs. Allein der

Blick in ein Schaufenster oder einen

Onlinekatalog zeigt, dass adidas über

viel geistiges Eigentum verfügt. Dessen

Schutz am internationalen Markt ist

da her ein zentrales Anliegen. Mögliche

Vertragsverletzungen und auch deliktische

Sachverhalte bedürfen einer

schnellen juristischen Bewertung und

entsprechenden Reaktion durch die

eigenen Rechtsabteilungen. Für mich

als Referendar bedeutete dies eine

ganz vertraute Vorgehensweise – Recherche,

Vor schlag, Gutachten, Praktischer

Entwurf – , nur eben diesmal

auch auf Englisch.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 59


Die eigenen Beiträge werden wertgeschätzt

und auch ein gegenseitiger

Austausch über relevante Gerichtsentscheidungen

zum Wettbewerbs- und

Werberecht in den unterschiedlichen

Ländern findet statt. Man arbeitet lösungsorientiert

und wirklich als Team

zusammen. Gespräche beginnen nicht

mit: «Herr Rechtsreferendar, die mir

fristgerecht vorgelegte Ausarbeitung

bewerte ich mit …».

Work-Life-Balance

Das Campusgelände und das umfassende

Sportangebot steigern das allgemeine

Wohlbefinden schon erheblich.

Freizeit und Beruf lassen sich so

hervorragend verbinden, ohne dass

die eigene Leistungsfähigkeit und -bereitschaft

darunter leiden. Dementsprechend

gut sind Arbeitsatmosphäre

und Stimmung unter den Mitarbeitern.

Auf dem Campusgelände gibt es zudem

eine Kita, ein Eltern-Kind-Büro

und in den Pfingst- und Sommerferien

«Kids Camps». Sogar ein Kleiderwaschservice

und Behandlungen durch Physiotherapeuten

können am Campus

wahrgenommen werden. Letzteres ist

sowohl bei sportlichen Verrenkungen

als auch für den examensgeplagten

Rücken eine Wohltat. Hinzu kommen

noch flexible Arbeitszeiten, Onlinezeiterfassung

zur Beschränkung von Überstunden

und regelmäßige Befragungen

der Mitarbeiter zu ihrer Zu friedenheit

und zu Verbesserungsvorschlägen. Die

im Studium und Referendariat entwickelte

eigene Haltung, auch am Abend

noch «kurz» etwas fertig machen zu

wollen, unterstützten meine Ausbilder

nicht.

Fazit – only the best for the

Referendar

Nach meiner Erfahrung lohnt sich der

Blick in ein Unternehmen. Selbst wenn

es danach beruflich nicht in ein Unternehmen

gehen sollte, bringt eine solche

Wahlstation dennoch enormen

Erkenntnisgewinn. Herausforderungen

bei der unternehmensinternen Kommunikation

und das Verhalten der verschiedenen

Abteilungen im Falle der

Entstehung von Rechtsstreitigkeiten

können so nachvollzogen werden. Die

Mitwirkung an Vertragsgestaltungen

fördert die rechtlichen und sprachlichen

Kompetenzen. Anders als bei

gerichtlichen Streitverfahren geht es

dabei nicht nur um die Behandlung

von diversen Schäden und Pflichtverletzungen

aus der Vergangenheit, sondern

vor allem um eine zukunftsorientierte

Konfliktvorsorge.

In meinem Fall ermöglichte ein international

aufgestelltes, junggebliebenes

(Durchschnittsalter der Mitarbeiter:

37 Jahre!) und dynamisches Unternehmen

wie adidas hervorragende Einblicke

in bisher unbekannte und vor

allem spannende und fordernde Betätigungsfelder

für Juristen. Daneben

trugen eine gute Mitarbeiterbetreuung

und die zahlreichen Sport- und sonstigen

Erlebnismöglichkeiten bei adidas

zusätzlich zu einer rundum gelungenen

Wahlstation bei.

Was ist EULISP?

Der auf ein Jahr angelegte postgraduale

Studiengang besteht seit dem Wintersemester

1999/2000 und ist eines der ältesten

Studienprogramme im Bereich des IT-Recht

& Recht des geistigen Eigentums in Deutschland.

Der Studiengang wird mit dem aka-

demischen Grad „Master of Laws“ (LL.M.)

abgeschlossen. Das im Rahmen des Studiengangs

erworbene Fachwissen deckt zudem

den Theorieteil des Fachanwalts für Informationstechnologierecht

ab und bietet damit

in zweifacher Hinsicht eine exzellente Qualifizierungsmöglichkeit.

Wie lange?

Insgesamt zwei Semester. Das Erste Semester

in Hannover und das zweite an einer der

zwölf Partner Universitäten.

Wer kann teilnehmen?

Qualifizierte Juristen mit erster juristischer

Prüfung oder einem vergleichbaren rechtswissenschaftlichen

Abschluss.

Welche Schwerpunkte?

• Nationales und internationales Urheberrecht

• Europa- und völkerrechtliche Grundlagen

des IT-Rechts

• Marken- und Patentrecht einschließlich

Rechtsdurchsetzung

• Medienrecht

• IT-Vertragsrecht

• Telekommunikationsrecht

• Datenschutzrecht

• Recht des E-Commerce

• Computerstrafrecht

• Informationstechnische Grundlagen

Bewerbungsfrist?

15. Juli für Bewerber aus Deutschland und

der EU jeweils zum kommenden Wintersemester.

Weitere Informationen erhalten Sie online

unter www.eulisp.de oder telefonisch unter

0511 762-17428.

60

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Referendarwissen

in der JuS-Schriftenreihe.

Diese Bände komprimieren das Wissen, das Referendare brauchen, und begleiten

Sie auf Ihrem Weg durch die Stationen. Gezielte Tipps, Beispielsfälle aus der

Praxis und Musterklausuren mit Lösungen geben perfekte Hilfestellungen fürs Examen.

Theimer/Theimer

Mustertexte zum

Zivilprozess

Band I: Erkenntnisverfahren

erster Instanz

Begründet von VorsRiLG a.D. Dr. Otto

Tempel, Frankfurt a.M. Fortgeführt von

DirAG Dr. Clemens Theimer, Königstein i. Ts.

und VorsRiLG Anette Theimer, Frankfurt a. M.

9. Auflage. 2016. XXI, 495 Seiten.

Kartoniert € 44,90

ISBN 978-3-406-68773-0

Band II: Besondere Ver

fahren erster und zweiter

Instanz, Relationstechnik

8. Auflage. 2018. Rund 500 Seiten.

Kartoniert ca. € 47,–

ISBN 978-3-406-71915-8

In Vorbereitung

Tempel/Graßnack/

Kosziol/Seyderhelm

Materielles Recht im Zivilprozess

Begründet von VorsRiLG . a. D. Dr. Otto

Tempel. Bearbeitet von RiOLG Christiane

Graßnack, RiBGH Frank Kosziol und VorsRiLG

Dr. Bernhard Seyderhelm, Frankfurt a.M.

6. Auflage. 2014. XXXI, 637 Seiten.

Kartoniert € 39,80

ISBN 978-3-406-65410-7

Kintz

Öffentliches Recht

im Assessorexamen

Von Roland Kintz, RiVG a.D.

10. Auflage. 2018. Rund 450 Seiten.

Kartoniert ca. € 28,–

ISBN 978-3-406-72287-5

In Vorbereitung.

Wimmer

Klausurtipps für das

Assessorexamen

Von Andreas Wimmer, Ministerialrat

5. Auflage. 2018. XXIV, 168 Seiten.

Kartoniert € 21,90

ISBN 978-3-406-69931-3

Kießling

Wirtschaftsrecht im Assessorexamen

Von Dr. Erik Kießling, RiLG

3. Auflage. 2018. Rund 500 Seiten.

Kartoniert ca. € 35,–

ISBN 978-3-406-66781-7

In Vorbereitung.

Erhältlich im Buchhandel oder bei: beck-shop.de | Verlag C.H.BECK oHG · 80791 München | kundenservice@beck.de | Preise inkl. MwSt. | 149701


Unternehmensjurist bei

der Bavaria Film GmbH

❯❯

Von Christiane Herbrecht *

Wie wird man eigentlich

Unternehmensjurist?

Der Unternehmensjurist, Syndikusrechtsanwalt,

In-House Jurist oder Justiziar

kommt in der juristischen Ausbildung

kaum vor. Eigentlich schade,

denn dabei wird ein spannendes, abwechslungsreiches

und herausforderndes

Berufsfeld für Assessoren übersehen.

Während man als Rechtsanwalt

häufig konsultiert wird, wenn das Kind

bereits in den Brunnen gefallen ist,

kann man als Unternehmens jurist im

Rahmen der Vertragsgestaltung aktiv

daran arbeiten, dass gerade dies nicht

passiert oder, sollte es doch mal schief

gehen, Einfluss darauf nehmen, dass

sich künftig etwas ändert.

Ich bin als Syndikusrechtsanwältin

bei der Bavaria Film zuständig für die

gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten

im Konzern, für das Grundstücksund

Immobilienrecht, für öffentlichrecht

liche Themen und für alle Fragen,

die im Bereich der Produktionen in den

Bavaria Studios am Gelände aufkommen.

Für die urheber-, medien- und

produktionsrechtlichen Fragen habe ich

drei Kollegen, die Film- und Fernsehproduktionen

rechtlich vom Autorenvertrag

bis zu den Senderechten begleiten.

Nach dreijähriger Tätigkeit als Rechtsanwältin

in einer mittelstän dischen

Kanzlei unter anderem mit den Schwerpunkten

Verwaltungs- und Grundstücksrecht

habe ich nach einem Unternehmen

gesucht, bei dem ich meine

bisherigen Themenschwerpunkte einbringen

und ausbauen kann. Auf ein

Film- und Fernsehunternehmen bin

ich dabei nur zufällig aufmerk sam geworden.

Aus der Rückschau betrachtet

ist dies gar nicht so abwegig, denn

viele Unternehmen haben Grundstücke,

halten Immobilien, vermieten und

mieten. Hierbei treten regelmäßig auch

öffentlich-rechtliche Fragestellungen

auf, sodass ich meinen regelmäßigen

Kontakt mit Baubehörden, Gewerbeaufsichtsämtern

oder Gemeinden nicht

verloren habe. Zudem ist mit dem gesellschaftsrechtlichen

Bereich mit verschiedenen

Beteiligungsverhältnissen

und Strukturen eine neue spannende

Herausforderung hinzugekommen.

Und was macht man den

­ganzen Tag?

Mein Arbeitsalltag als Justiziarin unterscheidet

sich von meiner vorherigen

Tätigkeit als Rechtsanwältin nur darin,

dass ich meine Mandanten häufiger

62

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


sehe und besser kenne und ich meinen

Arbeitgeber nicht vor Gericht vertrete.

Wie zuvor wenden sich die Mandanten,

jetzt in Form von Fachabteilungen,

Geschäftsführern und Mitarbeitern von

Tochterfirmen, mit ihren Anfragen und

Rechtsproblemen an mich. Je nach

Kom plexität klären wir per Mail oder

Telefon bzw. in einer oder mehreren

Besprechungen den Sachverhalt und

erarbeiten Lösungsansätze. Es gilt offene

Punkte unter Berücksichtigung

der wirtschaftlichen Eckdaten und im

Rahmen oft langjährig bestehender

Geschäftsbeziehungen im Verhandlungswege

zu lösen. Und sollte es im

Ausnahmefall doch einmal zu einer gerichtlichen

Auseinandersetzung kommen,

stehe ich als wichtige Schnittstelle

zwischen der beteiligten Firma

oder Fachabteilung und den externen

Prozessanwälten zur Verfügung.

Ich bin viel am Gelände unterwegs,

besuche die von mir betreuten Tochterfirmen

und bespreche aktuelle Sachverhalte

oder wir gehen gemeinsam

die Arbeitsabläufe durch, um zu sehen,

wo die Rechtsabteilung z.B. mit Musterverträgen

oder AGB behilflich sein

kann. Dadurch komme ich mit vielen

Menschen am Gelände in Kontakt, man

geht gemeinsam Mittagessen oder kann

mal bei einer Fernsehshow oder Serienproduktion

live hinter die Kulissen

schauen. Denn bei all der Arbeit am

Schreibtisch sollte man nicht vergessen,

dass auf dem Gelände stets spannende

und abwechslungsreiche Produktionen

entstehen.

Wie sieht die Rechtsberatung aus?

Die Rechtsabteilung der Bavaria Film

steht allen konzernverbundenen Unternehmen

mit rechtlicher und wirtschaftlicher

Beratung zur Seite, zeigt

Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen

auf. Wie auch als Rechtsanwältin

braucht man dabei als Syndikusrechtsanwältin

viel Neugier für

eine große Vielfalt an Fragestellungen

sowie die Bereitschaft, mit dem Mandanten

den vollständigen Sachverhalt

zu ermitteln. Dabei darf man sich

nicht davon abschrecken lassen, dass

man z.B. alle technischen Möglichkeiten

eines Übertragungswagens (kurz:

Ü-Wagens) oder die Funktionsweise

eines Blockheizkraftwerks nicht von

Anfang an versteht, sondern muss

gemeinsam mit den Verantwortlichen

die für die rechtlichen Fragestellungen

relevanten Sachverhalte erarbeiten, um

sodann die bestehenden Handlungsmöglichkeiten

zu bewerten und Entscheidungen

entsprechend rechtlich

um zusetzen. Wobei diese Umsetzung,

entgegen häufiger Annahmen von

Rechts anwaltskollegen, nicht darin besteht,

eine externe Kanzlei zu beauftragen.

Ein Großteil der Tätigkeit liegt

in der Vertragsgestaltung und erfordert

fundierte Kenntnisse im allgemeinen

Zivilrecht, insbesondere dem Werkvertragsrecht.

Hier kann z.B. im Produktionsbereich

gut mit Musterverträgen

gearbeitet werden. Diese werden von

der Rechtsabteilung stets aktualisiert

und angepasst. Darüber hinaus gehört

die Erstellung und Aktualisierung von

AGB genauso zu den regelmäßigen

Aufgaben wie die Erstellung und Prüfung

von Gewerberaummietverträgen.

Komplexer wird es bei Unternehmensverträgen,

Grundstücksverträgen und

den Fragen des privaten und öffentlichen

Baurechts. Darüber hinaus

kommen immer wieder umfangreiche

Fragestellungen aus den unterschiedlichsten

Bereichen in der Rechtsabteilung

an. Hier gilt es, sich auch in

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 63


neue Rechtsgebiete wie das Energierecht,

IT-Recht oder Versammlungsstättenrecht

einzuarbeiten, aber auch

mal zu dem Ergebnis zu kommen, dass

es im Einzelfall wirtschaftlich sinnvoller

ist und auch schneller geht, wenn

eine bestimmte Frage von einem Fachanwalt

im entsprechenden Thema bewertet

wird.

Was sollte man mitbringen?

Als Jurist im Unternehmen sollte man

gute Kommunikationsfähigkeiten mitbringen

und Freude daran haben, sich

sowohl in kleine als auch komplexe

Sachverhalte mit dem gleichen Elan

einzuarbeiten. Man darf sich nicht zu

schade sein, auch mal Anfragen z.B. zu

Kündigungsfristen von Verträgen oder

zu dem Thema, was genau vom Begriff

Räum- und Streupflicht umfasst ist, zu

beantworten. Man sollte nie vergessen,

dass nicht jeder wie man selbst

tagaus tagein mit Worten, Formulierungen

und Verträgen umgeht und

dass man hierbei eine gute Unterstützung

und Rechtsberatung sein kann.

Darüber hinaus hat man große Gestaltungsmöglichkeiten,

um den Arbeitsalltag

von Tochterfirmen und Fachabteilungen

zukunftsorientiert durch

Musterverträge, AGB oder Bereitstellung

von Work Flows tatsächlich und

rechtlich zu erleichtern, wofür man

häufig positives Feedback und Anerkennung

bekommt. Das wiederum erhöht

den Spaß und die Freude an der

gemeinsamen Arbeit und Weiterentwicklung.

Und für diejenigen, die sich das

Ganze mal aus der Nähe ansehen

möchten: Die Rechtsabteilung der

Bavaria Film freut sich stets über Bewerbungen

von qualifizierten und engagierten

Referendarinnen und Referendaren.

Christiane Herbrecht

* Die Autorin hat an der Ludwig-Maximilians-

Universität in München Rechtswissenschaften

studiert. Ihr Referendariat absolvierte sie am

OLG München und in Melbourne, Australien. Sie

ist seit 2013 als Rechtsanwältin zugelassen und

war drei Jahre in einer mittelständischen Anwaltskanzlei

tätig. Seit 2016 ist sie auch als Syndikusrechtsanwältin

zugelassen und arbeitet in der

Rechts abteilung der Bavaria Film GmbH in Geiselgasteig

bei München.

Autorinnenfoto: privat

Foto (S. 63) www.istockphoto.com Nr. 839072788

© SrdjanPav

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64

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Compliance

Management im

Unternehmen –

ein Beruf für

Vielseitige

❯❯

Von Dr. Robert Ratay *

Ich bin seit 1992 als Unternehmensjurist

in der BMW Group

tätig und habe vor etwa zehn

Jahren die Ge legenheit bekommen,

das Compliance Management

System der BMW Group aufzubauen

und kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Bis dahin war ich als Syndikusanwalt

in der Konzernrechtsabteilung der

BMW Group für unterschiedliche Betreuungsgebiete

verantwortlich. Während

dieser Zeit habe ich vielfältige

Erfahrungen in der juristischen Unternehmenspraxis

im Automobilsektor

gesammelt, angefangen vom Endverbrauchergeschäft,

über Finanzdienstleistungen,

Immobilien- und Baurecht,

Marketing und Beschaffung, bis hin

zu komplexen Entwicklungskooperationen,

um nur einen Ausschnitt zu

nennen.

Vor allem die Vertragsgestaltung in

Beschaffungs- und Entwicklungsprojekten

hat mir deutlich gemacht, wie reizvoll

es ist, an Zukunftsfragen zu arbeiten.

Bis dahin war ich nicht selten mit

der Aufarbeitung von Sachverhalten aus

der Vergangenheit beschäftigt, um gerichtliche

oder außergerichtliche Streitfälle

möglichst günstig abschließen zu

können. Eine weitere wichtige Erkenntnis

aus dieser Zeit: Es macht mir Freude,

in Teams gemeinsam Dinge voran zu

bringen und dabei mit Kol legen ** aus

unterschiedlichen Fakultäten zusammenzuarbeiten.

So wagte ich vor zehn

Jahren den Absprung vom Syndikusanwalt

ins Compliance Management.

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Compliance – was ist das?

Während damals noch häufig die

Frage gestellt wurde: «Compliance –

was ist das?», hat sich Compliance

mittlerweile als unverzichtbare Managementdisziplin

in Unternehmen etabliert

und wurde zu einem bedeutenden Betätigungsfeld

für Unternehmensjuristen

– neben der Rechtsabteilung, dem

Personalwesen und dem Vertragsmanagement.

Dabei ist Compliance eine

echte Managementaufgabe. Möglicherweise

ist dies einer der Gründe, weshalb

Compliance auch heutzutage in

der Referendarsausbildung kaum Berücksichtigung

findet.

Compliance Management hat zur

Aufgabe, in einem Unternehmen wirksame

Instrumente zu etablieren, um

flächendeckend Rechtsverstöße zu vermeiden

und damit das Unternehmen

und sein Management vor Haftungsrisiken

zu schützen. Angesichts der zunehmenden

Internationalisierung des

Wirtschaftsgeschehens und aufgrund

der Vielzahl und Komplexität rechtlicher

Vorschriften ist Compliance in

der Unternehmenswelt nicht mehr wegzudenken,

und dies gilt nicht nur für

Großunternehmen und den Finanzsektor,

sondern auch für den Mittelstand

und kleinere Betriebe. Ingenieure würden

dazu sagen: «Compliance ist Stand

der Technik».

Natürlich sind Unternehmen auch

in früheren Zeiten darauf bedacht gewesen,

auf die Vermeidung von Rechtsverstößen

hinzuwirken. Nicht umsonst

kennt das Handelsrecht seit vielen Jahrhunderten

das Leitbild des «ehrbaren

Kaufmanns», und auch das deutsche

Aktiengesetz sieht die Vorstandsmitglieder

seit vielen Jahren in der Pflicht, die

jeweiligen Geschäfte mit der Sorgfalt

eines ordentlichen und gewissenhaften

Geschäftsleiters zu betreiben. Etwas

neuer ist hingegen die Erwartung an

Unternehmen, ihre jeweiligen Risiken

aktiv anzugehen und diese durch systematische

Präventions- und Kontrollmaßnahmen

in angemessener Weise

nachhaltig in den Griff zu bekommen.

Gleichzeitig erwarten Unternehmen von

ihren Compliance Managern, nicht nur

Probleme aufzuzeigen, sondern auch

passgenaue Lösungen zu liefern und

deren Umsetzung aktiv zu steuern. Genau

das ist Compliance Management!

Für Rechtsreferendare und junge

Juristen ist dabei unter Karrieregesichtspunkten

nicht ganz unwichtig,

dass es sich bei Compliance definitiv

um ein «Wachstumsfeld» handelt, unabhängig

von der Branche, und gleichgültig

ob es um den organischen Aufbau

von Strukturen geht oder den

anlassbezogenen Einsatz aufgrund behördlicher

Verfahren. Der steigende

Bedarf für Talente im Bereich Compliance

ist nicht konjunkturabhängig,

und ein Ende dieser Entwicklung ist

derzeit nicht absehbar.

Vielseitigkeit im Compliance

Management

Was die Rechtsthemen betrifft, wird

Compliance in erster Linie mit Korruptionsvermeidung,

Kartellrecht und

Geld wäscheprävention in Verbindung

gebracht, und das ist auch zutreffend.

Abhängig vom Geschäftsmodell des

jeweiligen Unternehmens, kommt in

der Regel noch ein bunter Strauß an

Rechtsthemen hinzu, wie etwa Verbraucherschutz,

Daten- und Informationsschutz

oder Exportkontrolle. Einen

Sonderbereich bildet sicherlich

der Finanzsektor, wo sich das weite

Feld der aufsichtsrechtlichen Regulatorik

eröffnet, ähnlich wie in der Versicherungswirtschaft.

In vielen Unternehmen

beinhaltet Compliance u.a.

auch das Human Rights Management,

was eine große Nähe zum Bereich

Corporate Social Responsibility («CSR»)

mit sich bringt sowie zu Fragen der

Wirtschaftsethik und der Unternehmenskultur.

Man kann also sagen, es

gibt bei Compliance sicherlich keinen

«numerus clausus» an Rechtsthemen.

Die Tatsache, dass es sich bei Compliance

um eine Managementaufgabe

handelt, bringt eine Vielzahl unterschiedlicher

praktischer Tätigkeiten mit sich.

Den Juristen fällt in einem Compliance­

Team zunächst die Aufgabe zu, die

relevanten rechtlichen Anforde rungen

zu identifizieren («Legal Monitoring»)

und deren Auswirkungen auf das Unternehmen

und dessen Geschäfte zu

analysieren («Risk Assessment»). Das

ist aber in der Regel nur der Start beim

Compliance Management. Was dann

folgt, ist das Erstellen von Regelungen,

das Gestalten von Kommunikationsund

Trainingsmaßnahmen, die Optimierung

von Unternehmensprozessen und

Kontrollen und natürlich ein umfangreiches

Case Management (Anfragen

und Hinweise). Letzteres führt in Ein-

66

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


zelfällen auch immer wieder zum Einsatz

von Task Forces, bei denen mit

forensischen Methoden Sachverhaltsaufklärung

betrieben und die Begleitung

behördlicher Verfahren vorbereitet wird.

Da Com pliance in der Regel von der

Unter nehmensführung mit großer Aufmerksamkeit

verfolgt wird, berichtet

ein Compliance Manager nicht selten

in den leitenden Gremien und Ausschüssen,

wo er sich mit Trends und

strategischen Weichenstellungen auseinandersetzt.

Diese Aufgaben erledigt der Compliance-Jurist

selbstverständlich nicht

alleine. Im Regelfall bestehen Compliance-Abteilungen

nicht nur aus Juristen,

sondern aus Kollegen mit unterschiedlichen

fachlichen Hintergründen,

wie etwa Kommunikation, Training,

IT und Forensic. Diese arbeiten projekthaft

in kleinen Teams zusammen,

um jeweils ihr Know-How einzubringen

und gemeinsam zu einer sinnvollen

Lösung zu kommen. Ähnlich

vielfältig wie diese abteilungsinternen

Konstellationen sind die Schnittstellen

zu Fachstellen außerhalb des Compliance

Managements. Da wären zunächst

die Rechtsabteilung und die Interne

Revision, aber auch die Bereiche

Kommunikation, Training, IT und das

Personalwesen. Hinzu kommen die

zahlreichen Ansprechpartner in den

Geschäftsbereichen, insbesondere Entwicklung,

Beschaffung und Vertrieb,

wo die Compliance-Maßnahmen letztlich

umgesetzt werden müssen. Im Fachjargon

spricht man hier vom «integrierten

Compliance Management»,

was für den Compliance-Juristen bedeutet,

dass er im gesamten Unternehmen

– weit über die eigenen Landesgrenzen

hinaus – intensiv vernetzt ist.

Der Vollständigkeit halber sind noch

die unterschiedlichen externen Kontakte

zu Geschäftspartnern, Behörden,

Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfern

und zu den vielen Organisationen zu

erwähnen, die sich in den letzten Jahren

rund um das Compliance Management

gebildet haben.

Compliance – ein Job für

Multitalente

Wer also ist der richtige Typ für Compliance?

Nach meiner Beschreibung

der Compliance-Praxis liegt die Antwort

auf diese Frage beinahe schon auf der

Hand. Wer als Jurist in das Compliance

Management einsteigen möchte,

sollte Spaß daran haben, sich – über

das eigene Handwerk hinaus – weitere

Aufgabenfelder zu erschließen. Gefragt

ist definitiv der «Teamplayer», der sich

in andere Fachbereiche eindenken kann

und gut mit den dort vorherrschenden

Denk- und Arbeitsstilen zurechtkommt.

Als Compliance-Jurist sollte man in der

Lage sein, komplexe juristische Fragestellungen

zu durchdringen, diese auf

typische Unternehmenssituationen anzuwenden

und für den Einzelnen in

verständliche, pragmatische Botschaften

zu übersetzen.

Compliance bedeutet, Menschen zu

sensibilisieren, zu überzeugen und für

eine Lösung zu begeistern. Dies gilt für

alle Hierarchiestufen im Unternehmen

hinweg, vom Tarifmitarbeiter bis zum

Vorstand. Die Stärken des Compliance

Managers liegen dementsprechend in

seiner Kommunikations- und Präsentationsfähigkeit

und – vor allem bei

größeren Unternehmen – im Gespür

für interkulturelle Besonderheiten. Da

Compliance immer noch eine verhältnismäßig

junge Disziplin ist, ergeben

sich nicht selten neue Entwicklungen

und auch Anforderungen. Dies erfordert

eine große Bereitschaft, immer

wieder Neuland zu betreten, Gestaltungsspielräume

zu nutzen und dabei

eine gewisse Start-up-Mentalität an den

Tag zu legen. Von Vorteil ist sicherlich

auch ein gewisses Interesse für moderne

Technologien, vor allem im Bereich

Medien und IT.

Für den Berufseinsteiger bietet sich

Compliance an, wenn dieser die juristische

Ausbildung von vornherein mit

dem Ziel verfolgt hat, in einem Unternehmen

ins sog. Management zu gehen.

Compliance hat eine große Sichtbarkeit

im Unternehmen und bietet

einen guten Ausgangspunkt für die

nächsten Karriereschritte, sei es in Governance-Funktionen

oder in anderen

Bereichen. Für junge Kollegen, die zunächst

eine der «klassischen» juristischen

Tätigkeiten aufnehmen wollen,

wird Compliance bei einem möglichen

späteren Jobwechsel immer ein Thema

bleiben. Dort besteht die Möglichkeit,

die bestehende juristische Fachkompetenz

mit Management- und Umsetzungsfähigkeiten

zu ergänzen. Compliance

wird damit zu einem Baustein in der

Juristenkarriere, der für leitende Funktionen

in Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen

immer mehr an Bedeutung

gewinnt.

«Last but not least» sollte erwähnt

werden, dass die Vermeidung von

Rechts verstößen in Unternehmen eine

Aufgabe ist, mit der man sich voll und

ganz identifizieren kann. Für mich persönlich

ist dies ist ein wichtiger Aspekt,

der mich bei meiner Tätigkeit als Compliance

Manager täglich motiviert.

Dr. Robert Ratay

* Der Autor, Jahrgang 1961, ist seit 1992 im

Bereich Recht und Patente der BMW Group tätig.

Bis 2008 war er als Syndikusanwalt in der Konzernrechtsabteilung

der BMW Group tätig. Seit 2008

ist er Leiter des BMW Group Compliance Office.

** Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird

auf die geschlechtsneutrale Differenzierung, z.B.

Kollegen / Kolleginnen, verzichtet. Entsprechende

Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung

selbstverständlich für alle Geschlechter.

Autorenfoto: privat

Foto (S. 66): www.istockphoto.com Nr. 171349182

© georgeclerk

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«Datenschutzanwälte

sind sehr gesucht»

❯❯

Interview mit Tim Wybitul *

Tim Wybitul

Seit wann sind Sie im Bereich

Datenschutz tätig?

Schwer zu sagen, Datenschutz war bei

der täglichen Arbeit schon immer dabei.

Aber bis vor einigen Jahren konnte

man alleine vom Datenschutz kaum

leben. Angefangen habe ich daher im

Bereich Arbeitsrecht. Allerdings war

schon immer Arbeit mit datenschutzrechtlichen

Bezügen dabei. Gerade

arbeitsrechtliche Mandate haben oft

starke datenschutzrechtliche Aspekte.

Beispielsweise wenn Sie mit Betriebsräten

über die Einführung oder den

Betrieb von IT-Anwendungen wie Betriebssystemen,

Office-Anwendungen

oder Personalinformationssystemen

ver handeln. Aber auch vor Gericht

wird der Datenschutz immer wichtiger.

Mittlerweile nehmen Arbeitsrichter

und normale Zivilgerichte regelmäßig

Beweisverwertungsverbote an,

wenn eine Partei einen Sachverhalt

vorträgt, den sie unter Verstoß gegen

die strengen Vorgaben des Datenschutzes

erhoben hat. Seit etwa 2012

arbeite ich fast ausschließlich im Datenschutz

oder mit datenschutzrechtlichen

Bezügen. Der Blick über den

Tellerrand in andere Rechtsgebiete ist

aber nach wie vor sehr wichtig.

Wie sind Sie zum Datenschutz

gekommen?

Das ist schnell gesagt, ich mag Computer.

Das hat mit meinem ersten Rechner,

einem Commodore 64, angefangen

und zieht sich bis heute durch.

Nach wie vor finde ich es spannend,

was moderne IT mittlerweile alles

kann. Nehmen Sie beispielsweise aktuelle

Diktierprogramme. Wenn man

sich etwas Zeit nimmt, zu lernen, wie

man diese Systeme anwendet und auf

die eigene Sprechweise anpasst, kann

man damit in der Alltagsarbeit ausgesprochen

schnell arbeiten. Selbst wenn

man Maschinenschreiben kann, arbeitet

man mit einem guten Diktierprogramm

deutlich effektiver.

Noch klarer werden die Vorteile bei

Legal Tech, also bei auf unsere Arbeit

als Anwälte zugeschnittenen Anwendungen.

Bei Hogan Lovells arbeiten wir

etwa mit sehr guten Programmen zur

Unterstützung der Planung und Umsetzung

komplexer rechtlicher Projekte,

sogenanntes Legal Project Management.

So können Sie den Zeitaufwand

umfangreicher Arbeiten besser einschätzen,

einzelne Teilziele bestimmen

und vor allem die angefallenen Kosten

gut im Blick behalten. Das ist auch für

ein gutes Erwartungsmanagement gegenüber

unseren Mandanten enorm

wichtig. Aber auch beim Know-How-

Management sparen moderne Systeme

viel Zeit und ermöglichen ein kosteneffizientes

Arbeiten. Auch wenn Legal

Tech noch nicht alles umsetzen kann,

was es verspricht, bieten moderne IT-

Lösungen auch für Anwälte enorme

Chancen.

Zum Datenschutz bin ich unter anderem

auch dadurch gekommen, dass

meine Chefs und Kollegen stets davon

wussten, dass ich sehr gerne Themen

rund um IT bearbeite. Und wer schon

* Rechtsanwalt, Certified Information Privacy Professional (CIPP-E), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner Hogan Lovells, Frankfurt am Main.

Autorenfoto: privat, Foto (S. 70): www.istockphoto.com Nr. 828938138 © Sidekick

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einmal einen Blick in das alte Bundesdatenschutzgesetz

(BDSG) geworfen hat,

weiß, dass das nicht unbedingt ein

übersichtliches oder gar verständliches

Gesetz ist. Meine Kollegen waren daher

froh, wenn ich ihnen bei solchen

eher technischen und rechtlich komplexen

Mandaten half. Sie halfen mir

dafür gerne bei anderen Themengebieten.

Inwiefern hat sich in Ihrer Tätigkeit

der in den letzten Jahren vollzogene

Wandel im Datenschutz

bemerkbar gemacht?

Der Wandel ist gravierend. Früher bestand

die Arbeit in unserem Team aus

einer recht bunten Mischung aus Datenschutz,

Arbeitsrecht und Compliance.

Allein mit dem Datenschutz hätte man

sich bis etwa vor fünf, sechs Jahren finanziell

kaum erfolgreich über Wasser

halten können. 2008 bis 2010 beispielsweise

habe ich in Zürich für zweieinhalb

Jahre lang eine große interne

Ermittlung bei einer Schweizer Bank

geleitet. Vorher hatte ich schon oft

Mandanten zum Datenschutz bei unternehmensinternen

Ermittlungen beraten.

Meine damalige Kanzlei hatte zu

der Zeit niemanden vor Ort mit mehr

Erfahrungen bei internen Ermittlungen

und im Datenschutz. Da kommt man

manchmal sehr unverhofft an überraschende

Tätigkeitsfelder.

Mittlerweile sieht die Arbeit in Datenschutz

ganz anders aus. Das liegt

vor allem an der EU-Datenschutz-Grundverordnung

(DSGVO), die ab Mai 2018

gilt. Mit der DSGVO tritt ein EU-weit

einheitliches und sehr strenges Datenschutzrecht

in Kraft. Künftig können

die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz

pro Verstoß gegen die DSGVO

Bußgelder von bis zu 4 Prozent des globalen

Umsatzes eines Mandanten verhängen.

Das können bei sehr erfolgreichen

Unternehmen durchaus kleine

einstellige Milliardenbeträge werden.

Hinzu kommen flächendeckende Risiken

in Bezug auf Schadensersatzforderungen.

Auch dass Gerichte bereits seit geraumer

Zeit datenschutzwidrig erhobene

Informationen in der Regel nicht

als Beweismittel in einem Rechtsstreit

zulassen, hat vieles geändert. Wenn

Unternehmen damit rechnen müssen,

dass sie bei Fehlern im Datenschutz

ein wichtiges Gerichtsverfahren verlieren,

gewinnt das Thema in der Praxis

stark an Bedeutung.

Was sind aktuell die inhaltlichen

Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Ganz vorne stehen hier derzeit Projekte

zur Umsetzung der komplexen

Anforderungen der DSGVO. Das ist

einerseits juristisch sehr spannend.

Denn Sie beraten ja zu einem Gesetz –

bzw. zu einer EU-Verordnung –, das

zwar in der gesamten Union gelten

wird, zu dem es aber keinerlei Rechtsprechung

und nur vage Aussagen

der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz

gibt. Zudem braucht man einen

gesunden Menschenverstand und ein

solides Verständnis von IT-Systemen,

um sich zu überlegen, wie man die

neuen Vorgaben der DSGVO am besten

in die Praxis übersetzt. Unsere Kanzlei

gehörte in Deutschland meines Wissens

zu den ersten Sozietäten, die

Unternehmen zu der Einführung der

DSGVO beraten. Bei diesen ersten Implementierungsprojekten,

aber auch

vom Austausch mit unseren anderen

europäischen Kollegen haben wir sehr

viel gelernt.

Sehr häufig vertreten wir auch Unternehmen

in datenschutzrechtlichen

Fragestellungen vor Gericht. Beispielsweise

verteidigen wir gerade einen Mandanten

gegen eine Aufsichtsbehörde,

die ihm ein recht hohes Bußgeld wegen

vermeintlicher Datenschutzverstöße angedroht

hat. Dieses Ver fahren ist für

den Mandanten aus mehreren Gründen

sehr wichtig. Denn hier geht es

nicht nur um viel Geld, sondern auch

um die Außenwirkung, wenn man ein

solches Verfahren verliert. Das ist Kunden

oder Anlegern oft nur schwer zu

erklären.

Ein anderer Schwerpunkt ist die

Einführung von IT-Systemen. Da muss

man beim Datenschutz genau arbeiten,

auch weil ansonsten die Verhandlungen

mit den Betriebsräten sehr schwierig

und teuer werden. Mittlerweile

gehen die meisten Mandanten daher

dazu über, die datenschutzrechtlichen

Fragen gleich von Anfang an gründlich

zu regeln.

Welche typischen Aufgaben lösen

Sie bei Ihrer Arbeit?

Das muss man in der Tat oft erst einmal

erklären. Datenschutz soll verhindern,

dass der Staat oder Unternehmen

Informationen über Menschen

auf eine Weise nutzen, die sie unangemessen

benachteiligt. Ein typisches

Beispiel ist die Überwachung von Mitarbeitern.

Einerseits haben Arbeitgeber

natürlich ein berechtigtes Interesse

daran, zu überprüfen, dass Arbeitnehmer

ihre Arbeit richtig machen.

Andererseits möchte niemand bei der

Arbeit durchgehend überwacht werden.

Daher ist es beispielsweise verboten,

Beschäftigte während ihrer gesamten

Arbeitszeit durchgehend per

Videoüberwachung zu kontrollieren

oder jede einzelne Email des Mitarbeiters

durchzugehen. Die Kunst hierbei

ist es, einen vernünftigen Mittelweg

zu finden, mit dem Unternehmen Verstöße

gegen gesetzliche Vorgaben oder

arbeitsrechtliche Pflichten aufdecken

können, ohne zu sehr in die Rechte

ihrer Beschäftigten einzugreifen.

Beim Datenschutz ist letztlich die

Einschätzung und Minimierung von

rechtlichen und sonstigen Risiken sehr

wichtig. Es geht darum, Lösungen zu

finden, mit denen Unternehmen in der

Praxis gut arbeiten können, ohne dass

Aufsichtsbehörden oder Gerichte später

Bußgelder verhängen oder Schadensersatzklagen

stattgeben.

Als Datenschutzanwälte beraten

wir Unternehmen vor allem dazu, was

sie mit Informationen machen dürfen

und was sie besser bleiben lassen. Das

wird in der modernen Informations­

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 69


Definitiv kann man mit Datenschutz sehr gute Umsätze erzielen.

gesellschaft immer wichtiger. Früher

hat die Technik die Leitplanken dafür

vorgegeben, was ich mit Daten machen

kann. Die wesentlichen Eckdaten waren

Prozessorgeschwindigkeit, Speicherplatz

und Datenverfügbarkeit. Heute haben

Sie W-LAN, schnelle Rechner und günstigen

Speicherplatz. Trotzdem wollen

Sie nicht, dass die NSA oder große Unternehmen

jede Ihrer Emails mitlesen

und auswerten. Der begrenzende Faktor

ist daher jetzt der Datenschutz und

nicht mehr die IT. Damit nimmt die

Bedeutung des Datenschutzes immer

mehr zu.

Kann man als Anwalt denn

gut vom Thema Datenschutz

leben?

Ja, definitiv kann man mittlerweile als

Datenschutzanwalt sehr gute Umsätze

erzielen. Wenn man sich hier auskennt

und einen guten Ruf hat, kann man

beispielsweise als Partner in einer internationalen

Kanzlei durchaus höhere

Stundensätze als in vielen anderen Beratungsfeldern

nehmen. Aber auch für

Einsteiger bietet der Datenschutz attraktive

Möglichkeiten. Anwälte mit Kenntnissen

im Datenschutzrecht sind sehr

gesucht. Wenn man nach einem spannenden

und lukrativen Rechtsgebiet

sucht, ist dieses Thema eine sehr gute

Wahl.

Wo sehen Sie das Hauptgewicht

der Arbeit im Datenschutz in,

sagen wir, fünf Jahren?

Bei der sogenannten Data Privacy Litigation,

also bei Gerichtsverfahren mit

datenschutzrechtlichen Bezügen. Wir

vertreten jetzt schon häufig Mandanten

in Datenschutzfragen vor Gericht.

Und das wird noch deutlich zunehmen.

Zum einen wird es zunehmend große

Verfahren geben, in denen sich Unternehmen

gegen hohe Bußgelder wegen

vermuteter oder tatsäch licher Datenschutzverstöße

wehren. Die DSGVO

sieht Bußgelder von bis zu 4 Prozent

des globalen Umsatzes eines Unternehmens

vor. Das können bei großen Firmen

Bußgelder in Milliardenhöhe werden.

Da ist dann schnell auch der

Vorstand in der Haftung. Daher werden

sich Unternehmen gegen hohe Bußgelder

auch vor Gericht immer öfter

verteidigen.

Vor allem werden aber Verbraucher

Schadensersatzansprüche wegen Datenschutzverstößen

einklagen. Das geht

seit Mai 2018 recht einfach. Anders als

das bisherige Recht sieht die DSGVO

Schadensersatz für immaterielle Verstöße

vor. Kunden, Mitarbeiter oder

Dritte können also schnell mal ein paar

tausend Euro allein dafür verlangen,

dass ein Unternehmen ihre Daten nicht

ordnungsgemäß verarbeitet. Und Verstöße

gegen EU-Verordnungen sind

grundsätzlich teuer. Das größte Problem

für Unternehmen, die Daten verarbeiten,

ist dabei die Beweislast. Künftig

muss nicht der Kläger beweisen,

dass ein Unternehmen seine Daten nicht

ordnungsgemäß verarbeitet hat. Sondern

die beklagte Firma muss nachweisen

können, dass sie alles richtig

gemacht hat. Und das ist in der Praxis

enorm schwer. Ein solcher Nachweis

setzt eine umfassende Dokumentation

aller datenschutzrecht lich relevanten

Prozesse voraus. Zudem sieht die

DSGVO Verbandsklagen vor, so dass

einzelne Verbraucher anwälte hunderte

oder sogar tausende Kunden eines

Unternehmens bei Datenschutzklagen

vertreten können. Das wird ein sehr

lukratives Geschäftsfeld für spezialisierte

und gut ausgebildete Anwälte.

70

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Die Rechtsanwaltschaft –

berufliche Heimat der meisten

Volljuristen

❯❯

Von Prof. Dr. Matthias Kilian *

Prof. Dr. Matthias Kilian

Wer ein Studium im Fach Rechtswissenschaft

aufnimmt und mehrere

Jahre zunächst in der Universität und

sodann im Referendariat an seiner

­juristischen Basisqualifikation, dem

«Ass. iur.», arbeitet, kann angesichts

des gesetzlich definierten Studienziels

leicht in die Irre geführt werden: Der

angestrebte Studienabschluss ist nach

§ 5 Abs. 1 DRiG die Befähigung zum

Richteramt – doch die wenigsten Absolventen

dieser Ausbildung streifen

sich in der Gegenwart tatsächlich nach

Abschluss der Ausbildung die Richterrobe

über. Dass die Regelqualifikation

für Volljuristen mit einem Beruf verknüpft

ist, den nur relativ wenige Absolventen

der Ausbildung tatsächlich

ergreifen werden, ist vor allem historisch

begründet: Als vor rund 150 Jahren

die bis heute maßgeblichen Eckpfeiler

der juristischen Ausbildung defi­niert

wurden, gab es tatsächlich noch mehr

Richter als Rechtsanwälte. Die Tatsache,

dass gegenwärtig 163.000 Rechtsanwälte

zugelassen sind, in den Stellenplänen

der Justiz hin­gegen nur rund

20.000 Stellen für Richter und 5000 Stellen

für Staatsanwälte vorgesehen sind,

legt nahe, dass die allermeisten Absolventen

der vollju­ristischen Ausbildung

ihre berufliche Heimat in der Anwaltschaft

finden. Der genaue Prozentsatz

ist nicht bekannt. Vergleicht man aber

die Zahl der jährlich von den Landesjustizprüfungsämtern

frisch examinierten

Asses soren mit der Zahl der neu

zugelassenen Rechtsanwältinnen und

Rechts­anwälte, bleiben wenig Zweifel:

Mehr als 70 % derjenigen, die nach der

mühsamen, häufig fast zehnjährigen

Ausbildung der Juristerei treu bleiben

und einen der traditionellen volljuristischen

Berufe ergreifen, werden Rechtsanwalt

– nach einer Studie des Soldan

Instituts übrigens mehrheitlich aus

Über­zeugung und nicht, weil sich keine

anderen Beschäftigungsmöglichkeiten

geboten hätten.

Die Großkanzlei – Ausnahme,

nicht Regel

Ein Problem hierbei: Zwar wird die

Mehrheit der Absolventen Rechtsan­

* Prof. Dr. Matthias Kilian ist Inhaber der Hans-Soldan-Stiftungsjuniorprofessur für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Verfahrensrecht, Anwaltsrecht sowie anwaltsorientierte

Juristenausbildung der Universität zu Köln. Schwerpunkte seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre sind das Berufsrecht und die juristischen Berufe.

Er ist zudem Direktor des Soldan Instituts (www.soldaninstitut.de), einer 2002 gegründeten interdisziplinären Forschungseinrichtung, die sich mit empirischer

Berufsforschung zum Anwaltsberuf befasst. In dieser Funktion ist er u.a. Herausgeber des Statistischen Jahrbuchs der Anwaltschaft, der Forschungsberichte des

Soldan Instituts und des Berufsrechtsbarometers.

Autorenfoto: privat, Foto (S. 72): de.fotolia.com/# Nr. 100585346 © Wavebreak Media

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 71


walt, das den Anwälten in spe während

Studium und Referendariat vermittelte

Bild der deutschen Anwaltschaft

entspricht aber nur eingeschränkt den

Realitäten. Engen Kontakt mit Nachwuchsjuristen

suchen in Studium und

Referendariat insbesondere die großen,

wirtschaftsberatenden Kanzleien.

Sie stellen einen Großteil der anwaltlichen

Lehrbeauftragten an den juristischen

Fakultäten, bieten Praktika und

Nebenbeschäftigungen für Studierende,

werben häufig durch attraktive Hinzuverdienstmöglichkeiten

um Referendare,

die vom Staat mit einer kargen

Ausbildungsbeihilfe abgespeist werden.

Diese häufig international aufgestellten

«Law Firms» investieren in

profes sionelle Imagewerbung, sei es

über Sponsoring von akademischen

Aktivitäten, Promotionspreise oder Stipendien,

durch Berichterstattung in

Zeitschriften, die sich an den juristischen

Nachwuchs richten, oder

durch Teilnahme an Absolventenkongressen.

So kann sich bei Nachwuchs­

juristen schnell das Bild verfes tigen,

dass diese Art der anwaltlichen Tätigkeit

typisch für die Berufspraxis der

allermeisten deutschen Rechtsanwälte

ist. Allerdings sind nur rund 11.000

der 163.000 Rechtsanwältinnen und

Rechtsanwälte in den 75 größten deutschen

Kanzleien tätig – dies sind Kanzleien

mit einer Größe von 60 und mehr

Berufsträgern. Selbst wenn man dieser

Zahl noch einige tausend Anwälte aus

den zahlreicher werdenden «Spin-Offs»

der Großkanzleien hinzurechnet, die

am Markt häufig als kleinere, spezialisierte

«Boutique»-Kanz leien tätig werden:

Die Wahrscheinlichkeit, als Nachwuchsanwalt

in einer solchen Kanzlei

beruflich durchzu starten, ist statistisch

betrachtet nicht so groß, wie mancher

Nachwuchsjurist während seiner Ausbildung

denken mag. Sich diesen Umstand

bewusst zu machen, hilft, realistische

Erwartungen etwa in Fragen der

Einkommensmöglichkeiten oder Internationalität

der Berufstätigkeit zu entwickeln.

Familienrecht, Mietrecht,

­Verkehrsrecht – Materien der

anwaltlichen Berufspraxis

Eine Überraschung für Referendare, die

im Anwaltsberuf ankommen, ist nicht

selten, dass die fachlichen Inhalte der

Berufstätigkeit, die in den omnipräsenten

Wirtschaftskanzleien gepflegt werden

und die häufig auch Gegenstand

der universitären Schwerpunktausbildung

sind, weil sie das besondere Interesse

der Hochschullehrer finden,

nicht mit den Rechtsgebieten in Deckung

sind, mit denen sich Deutschlands

Anwaltschaft vorrangig beschäftigt:

Das Brot- und Buttergeschäft der

großen Mehrheit der deutschen Rechtsanwältinnen

und Rechtsanwälte ist

nicht das Gesellschaftsrecht, das Kapitalmarktrecht,

der gewerbliche Rechtsschutz

oder das internationale Wirtschaftsrecht

– es sind vielmehr die

zivilrechtlichen Materien des Familienrechts,

des Miet- und Wohnungseigentumsrechts

und des Verkehrsrechts

sowie das Arbeitsrecht. Sieht man einmal

von Letzterem ab, spielen diese

Rechtsgebiete in der Ausbildung der

Studierenden praktisch keine, in der

Ausbildung der Referendare eine eher

untergeordnete Rolle. In fachlicher Hinsicht

entsprechen sich damit juristische

Ausbildung einerseits und Berufspraxis

andererseits nur in geringem

Maße. Dies gilt auch für weitere Tätigkeitsschwerpunkte,

die bei Anwäl ten

sehr verbreitet sind, etwa das Erbrecht,

das Baurecht oder das Sozialrecht. Wer

sich nicht nur offen, sondern auch interessiert

für diese zunächst einmal

ungewohnten Materien zeigt, wird sich

beim Berufseinstieg leichter tun als ein

Absolvent, der die Erwartung hegt, das

universitäre Lieblingsfach auch im späteren

Berufsleben pflegen zu können.

Die Fachanwaltschaft – eine Art

drittes Staatsexamen

Nach dem zweiten Staatsexamen ist

vor den nächsten Prüfungsklausuren –

eine ernüchternde Wahrheit für die

große Mehrheit der frisch gebackenen

72

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Assessoren: Für Junganwälte ist mit

dem zweiten Staatsexamen die Zeit

des Lernens meist nicht vorbei, sondern

sie beginnt von neuem. Wer in

der Gegenwart Rechtsanwalt wird, für

den ist es sehr wahrscheinlich, dass

die Phase der Ausbildung nahtlos in

eine Phase der Weiterbildung übergeht,

an deren Ende der Erwerb eines

oder mehrerer Fachanwaltstitel steht.

Dies erfordert das Bestehen von Prüfungsklausuren

in den entsprechenden

Fachanwaltslehrgängen gewerblicher

Anbieter. In einer Studie mit jungen

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten

in den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit

gaben vor einigen Jahren mehr

als drei Viertel der Befragten an, bereits

über einen Fachanwaltstitel zu

verfügen, einen solchen zu erwerben

oder zumindest anzustreben. Die sich

der juristischen Ausbildung anschließende

Weiterbildung durch Erwerb

eines Fachanwaltstitels ist daher für

Nachwuchsanwälte in der Gegenwart

mittlerweile fast schon eine Selbstverständlichkeit

– sie wird auch belohnt,

können doch Fachanwälte im Wettbewerb

mit Kollegen, die über keinen

Fachanwaltstitel verfügen, höhere Stundensätze

gegenüber Mandanten realisieren

und spürbar höhere Umsätze

und damit unternehmerische Gewinne

erzielen. Die hierfür notwendige Vorleistung:

der Besuch eines Fachanwaltslehrgangs

und der Nachweis der

Bearbeitung einer Mindestzahl von

praktischen Fällen im Rechtsgebiet,

die abhängig vom jeweiligen Fachanwaltsgebiet

ist. Gerade dieser Nachweis

prak tischer Erfahrung gestaltet

sich zu nehmend schwieriger, neigen

Rechts suchende doch dazu, bevorzugt

erfahrene Fachanwälte zu beauftragen

und nicht Junganwälte, die erst noch

Fachanwalt werden wollen. Einziger

Ausweg für Berufseinsteiger ist häufig

eine Anstellung bei Fachanwälten, die

die geeigneten Fälle akquirieren und

zur Bearbeitung kanzleiintern weiterreichen.

Eine vorausschauende Planung

des Erwerbs eines Fachanwaltstitels,

der bereits referendariatsbegleitend

durch Besuch entsprechender, für Referendare

häufig vergünstigt angebotener

Fachanwaltslehrgänge begonnen

werden kann, ist daher jedem Referendar

anzuraten.

Die Anwaltsrobe – ein selten(er)

gebrauchtes Kleidungsstück

Als Synonym für Rechtsanwälte wird

gerne der Begriff des «Robenträgers»

verwendet – die Robe ist die Berufstracht

des Rechtsanwalts vor Gericht.

Dem traditionellen Bild des Rechtsanwalts

entspricht ein starker Fokus

auf die forensische Praxis – bis heute

sind Studium und Referendariat darauf

ausgerichtet, prozessual denkende

Dezisionsjuristen auszubilden. Wer als

Nachwuchsjurist in der Rechtsanwaltschaft

ankommt, wird deshalb häufig

überrascht sein, dass das gerichtliche

Tätigkeitsfeld mittlerweile für die meisten

Rechtsanwälte eine vergleichsweise

geringe Bedeutung hat: Nur

rund ein Viertel ihrer Arbeitszeit verwenden

Rechtsanwälte in der Gegenwart

auf Mandate, deren Gegenstand

die Prozessvertretung ist. Bedeutender

sind die außergerichtliche Beratung

und die außergerichtliche Vertretung.

Die meiste Arbeitszeit fließt mit 35 %

in Beratungsmandate – also solche, in

denen der Mandant nicht nach außen

vertreten, sondern rein intern beraten

wird. Fast ebenso bedeutend ist die

außergerichtliche Vertretung von Mandanten

gegenüber Dritten. Bemerkenswert:

Fast jeder zehnte Rechtsanwalt

ist überhaupt nicht mehr gerichtlich

tätig. Wer einen Blick in die Justizstatistik

wirft, kann von diesem Befund

freilich nicht überrascht sein: Während

sich in den vergangenen 20 Jahren die

Zahl der Rechtsanwälte verdoppelt hat,

sind die Eingangszahlen bei den Gerichten

dramatisch zurückgegangen –

immer mehr Rechtsanwälte teilen sich

also immer weniger Gerichtsverfahren.

Für Nachwuchsanwälte bedeutet dies,

dass nicht-juristische Kompetenzen,

die in der Ausbildung kaum vermittelt

werden, für den beruflichen Erfolg immer

wichtiger werden: So verbringen

Rechtsanwälte nach der Studie «Anwaltstätigkeit

der Gegenwart» des Soldan

Instituts ein Drittel ihrer Arbeitszeit

in Besprechungen mit Mandanten

oder Dritten, hingegen nur 11 % in

Gerichtsterminen. Ein solcher Arbeitsschwerpunkt

verlangt solide Fähigkeiten

zum Beispiel im Bereich der Gesprächs-

und Verhandlungsführung –

der nach wie vor lieblose Umgang mit

der seit 2003 bestehenden gesetzlichen

Pflicht, entsprechende Schlüsselqualifikationen

in der juristischen Ausbildung

zu vermitteln, bedeutet, dass bei

jungen Rechtsanwälten hier häufig erhebliche

Defizite bestehen. Wer sich

daher entsprechende Fähigkeiten, die

sich durch Besuch einschlägiger Fachveranstaltungen

erlernen lassen, aneignet,

wird sich beim Start in den

anwaltlichen Berufsalltag leichter tun

(und erfolgreicher sein) als so mancher

Kollege.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 73


Kartellanwalt – eine

berufliche Perspektive

für junge Juristen?

❯❯

Von Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker *

Obwohl das Kartellrecht in der universitären

Ausbildung noch immer etwas

stiefmütterlich behandelt wird, hat es

in der Beratungspraxis in den vergangenen

Jahren eine herausragende Rolle

eingenommen. Im Fokus der Medien

stehen derzeit die großen Kartellschadenersatzverfahren

wie z.B. das Lkw-

Kartell, das Zucker-Kartell oder die

Kon sumgüterkartelle. Diese bilden allerdings

nur einen kleinen Ausschnitt der

vielfältigen Betätigungsfelder des Kartellanwaltes.

Viele im Kartellrecht tätige Anwälte,

insbesondere solche in Großkanzleien,

beschäftigen sich in enger Zusammenarbeit

mit den Kollegen aus dem M&A-

Bereich mit der Fusions kontrolle. Hier

steht die Frage im Vordergrund, auf

welchen räumlich und sachlich relevanten

Märkten die an dem Zusammenschluss

beteiligten Unternehmen aktiv

sind, und wie sich die konkreten Marktanteile

ermitteln lassen. Oft erfolgt hier

eine enge Zusammenarbeit mit Volkswirten

und Wettbewerbsökonomen.

Neben der Fusionskontrolle deckt

das Kartellrecht die sog. Verhaltenskontrolle

ab. Nach § 1 GWB, Art. 101 AEUV

sind wettbewerbsbeschränkende Absprachen

oder abgestimmte Verhaltensweisen

zwischen Unternehmen

ver boten.

Aufgaben des Kartellanwaltes

Ein Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit

dar, die vom Bundeskartellamt

oder der Europäischen Kommission

verfolgt wird. Hat eine Kartellbehörde

ein Ermittlungsverfahren gegen ein

Unternehmen eingeleitet, besteht die

Aufgabe des Kartellanwaltes darin, das

Unternehmen gegen die drohende Bußgeldforderung

zu verteidigen. Da die

im Kartellrecht verhängten Bußen am

Umsatz des Unternehmens bemessen

werden, geht es hier oft um sehr hohe

und teilweise für die Unternehmen

existenzbedrohende Strafen. Die Arbeit

des Kartellanwaltes besteht nun darin,

das Unternehmen mit den Mitteln des

OWiG und der StPO zu verteidigen.

Letztlich handelt es sich um die «klassischen»

Aufgaben eines Strafverteidigers

mit bestimmten kartellrechtlichen

Besonderheiten. Zwischenzeitlich wird

im Kartellrecht sehr häufig von der

sog. «Bonusregelung» Gebrauch gemacht.

Nach diesen Regelungen der

Kartell behörden kann die Buße bis hin

74

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


zur Bußgeldfreiheit ermäßigt werden,

wenn ein kartellbeteiligtes Unternehmen

mit der Kartellbehörde zusammenarbeitet

und Beweismittel zur Aufdeckung

und zum Nachweis der illegalen

Kartellabsprache liefert. In diesem Fall

arbeitet der Kartellanwalt eng mit der

Kartellbehörde zusammen und übernimmt

in einem gewissen Rahmen die

Er mittlungsarbeit in dem betroffenen

Unternehmen selbst, indem er etwa

Mit arbeiter zu den Kartellverstößen

vernimmt, Unterlagen und Beweismittel

zu den Kartellver stößen sammelt,

diese auswertet und der Kartellbehörde

überlässt.

Ausnahmen vom Kartellverbot

Aufgrund des hohen Aufdeckungsrisikos

durch die Bonusregelung und der

teilweise exorbitanten Sanktionen sowie

der Öffentlichkeitswahrnehmung

werden immer mehr Unternehmen im

Kartellrecht präventiv tätig und machen

die Vermeidung von Kartellverstößen

zum zentralen Gegenstand ihrer Unternehmens-Compliance.

Als externer Berater

hat der Anwalt hier die Aufgabe,

die Geschäftsleitung, die Mitarbeiter

und die Compliance- Officer zu beraten

und zu schulen, welche unternehmerischen

Maßnahmen kartellrechtskonform

sind und wann von einem Verstoß

gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV auszugehen

ist. So ist nicht jede wettbewerbsbeschränkende

Absprache oder

Ab stimmung auch schädlich für den

Wett bewerb und damit kartellrechtlich

verboten. Im Gegenteil: Das Kartellrecht

lässt zahlreiche Ausnahmen vom

Kartellverbot zu (z.B. § 2 GWB, Art. 101

Abs. 3 AEUV). Viele dieser Ausnahmen

sind in sog. Gruppenfreistellungsverordnungen

geregelt. Hierbei lässt sich

generell zwischen Wettbewerbsbeschränkungen

zwischen Unternehmen

derselben Wirtschaftsstufe (beispielsweise

Apple und Samsung), den sog.

horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen,

und Wettbewerbsbeschränkungen

zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen

Wirtschaftsstufen (beispielsweise

Apple und Media-Markt), also Hersteller,

Groß- und Einzelhandel, den sog.

vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen,

unterscheiden.

Im Bereich der horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen

können etwa

sog. überbetriebliche Kooperationen

(beispielsweise ein gemeinsamer Einkauf,

eine gemeinsame Produktion von

Komponenten oder eine gemeinsame

Logistik) zu Kostensenkungen bei den

Unternehmen führen und damit wettbewerbsfördernde

Wirkung haben. Als

Kartellanwalt besteht in diesen Bereichen

die Tätigkeit oft darin, den Mandanten

die kartellrechtlichen Möglichkeiten

und Grenzen einer

solchen Kooperation aufzuzeigen und

diese mit zu gestalten.

Aktuelle Probleme

Eine sehr enge Verknüpfung zum klassischen

Vertriebsrecht hat der Kartellanwalt

bei den vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen

(beispielsweise

Exklusivitätsregelungen, Wettbewerbsverbote,

Alleinbelieferungsverpflichtungen

oder Beschränkungen von Vertriebsgebieten

oder Kundengruppen).

Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen

können durchaus positive Wirkungen

haben: So wird ein Händler nicht

in den Aufbau einer Marke im Rahmen

eines Franchise-Systems investieren,

wenn er im Gegenzug keinen Gebietsschutz

vom Hersteller bekommt. Im

Rahmen dieser vertriebsrechtlichen

Fragestellungen hat der Kartellanwalt

die Aufgabe, die vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen

darauf zu untersuchen,

ob sie mit den kartellrechtlichen

Vorschriften (beispielsweise der

sog. Vertikal-GVO 330 / 2010) in Einklang

stehen. Ein aktuelles Problem, das derzeit

viele Kartellrechtler beschäftigt, ist

die Internet-Ökonomie. Aufgrund des

Siegeszuges von «amazon & Co» verliert

der stationäre Einzelhandel zunehmend

Marktanteile an e-commerce-

Händler, die oft deutlich billiger an bieten


können als stationäre Händler, da sie

kaum Kosten für Mieten, Verkaufspersonal

etc. haben. Hier versuchen viele

Einzelhändler, Druck auf die Hersteller

auszuüben, die Waren an Internethändler

teurer zu verkaufen. Ein solches

«Doppelpreissystem» ist allerdings

kartellrechtswidrig und hat schon zu

zahlreichen populären Ermittlungsverfahren

der Kartellbehörden geführt

(Dornbracht, Gardena, etc.).

Was ist «private enforcement»?

Neben diesen herkömmlichen Tätigkeitsfeldern

des Kartellanwalts hat sich

in den letzten Jahren ein neuer Bereich

in der Beratungspraxis durchgesetzt

und in kürzester Zeit eine dominierende

Rolle eingenommen: das sog.

«private enforcement». Hinter diesem

Begriff verbirgt sich der sog. Kartellschadenersatz.

Es handelt sich um

nichts anderes als um – jedem Studenten

ab dem zweiten Semester bekannte

– deliktische Schadenersatzansprüche.

Hat ein Abnehmer von einem

Lieferanten Waren gekauft, die Gegenstand

von Kartellabsprachen waren,

dann hat der Abnehmer einen deliktischen

Schadenersatzanspruch. Dies

ergibt sich bereits aus § 823 Abs. 2 BGB

i.V.m. § 1 GWB. Zwischenzeitlich hat

der Gesetzgeber hier aber neben einer

eigenen Anspruchsgrundlage im Kartellrecht

zahlreiche kartellrechtliche

Sondervorschriften erlassen. So muss

etwa der Kartellverstoß als solcher

nicht mehr bewiesen werden, wenn

dieser von einer Kartellbehörde oder

einem Kartellgericht rechtskräftig festgestellt

wurde (der Kartellrechtler spricht

von einer sog. Follow-on-Klage). In diesen

Prozessen geht es also um klassische

«Litigation»-Fragen (Zuständigkeiten

der Gerichte, Aktivlegitimation,

Gesamtschuldnerschaft, Verjährung,

Vorteilsausgleichung etc.). Kartellrechtliche

Besonderheiten ergeben sich erst

bei der Frage der Schadenshöhe, die

der Richter nach § 287 ZPO schätzt. Der

Ausgangspunkt ist auch hier das allgemeine

zivilrechtliche Schadensrecht, also

die Differenzhypothese des § 249 BGB

und die Frage: Zu welchen Preisen hat

der Abnehmer bezogen, und zu welchen

Preisen hätte der Abnehmer ohne

die Kartellabsprache bezogen. Letzteres

kann nicht bestimmt werden, denn den

Bezugspreis unter hypothetischen Wettbewerbsbedingungen

kennt niemand.

Es gibt aber wettbewerbsökonomische

und wettbewerbs ökonometrische Verfahren,

mit denen man sich unter bestimmten

Annahmen diesem Preisniveau

mehr oder weniger genau nähern

kann. Diese Bere chnungen werden in

der Beratungspraxis häufig von Wettbewerbsökonomen

angestellt und dann

als Partei- oder Gerichtsgutachten Gegenstand

des Schadenersatzprozesses.

Eine weitere Besonderheit in Kartellschadenersatzprozessen

ist aus der angloamerikanischen

Praxis nach Deutschland

«geschwappt»: Häufig gibt es bei

Kartellen eine Vielzahl von Geschädigten

(im Lkw-Kartell geht man beispielsweise

von etwa 600.000 geschädigten

Abnehmern aus). Da die Prozesse aber

immer noch sehr aufwändig, teuer und

risikoreich sind, werden die Ansprüche

oft von sog. Bündelungsgesellschaften

erworben, die diese dann auf eigenes

Risiko und in eigenem Namen geltend

machen. Ist die Bün delungsgesellschaft

erfolgreich, erhält der Geschädigte die

Schadenssumme unter Abzug der Gebühr

der Bündelungsgesellschaft ausgezahlt.

Hinter den Bündelungsgesellschaften

stecken in der Regel Finanzinvestoren,

die den Prozess (Anwälte, Gericht, Gutachter

etc.) finanzieren und im Gegenzug

einen Teil der erstrittenen Schadenssumme

erhalten.

Die Aufgabe des Kartellanwaltes in

diesen Prozessen geht daher oft über

die reine anwaltliche Begleitung des

Schadensersatzprozesses hinaus, und

er wird daneben zum «Projekt-Manager»,

der die Tätigkeiten der Beteiligten

(Gutachter, Finanzierer, Bündelungsgesellschaft,

oft auch Statistiker und Datenanalysten)

steuert und koordiniert.

Ein zukunftsträchtiges

Betätigungsfeld

Ergo: Die Arbeit des Kartellanwalts geht

weit über eine Arbeit im reinen Kartellrecht

hinaus. Er ist an der Schnittstelle

zum Strafrecht, zum M&A, zum Gesellschaftsrecht,

zum Vertriebsrecht und

Deliktsrecht tätig, hat mit einer Vielzahl

von Fakultäten, insbesondere mit Volkswirten

und Wettbewerbsökonomen zu

tun, und übernimmt immer häufiger

Managementaufgaben. Sicher eine Herausforderung

für junge Juristen, aber

ein überaus spannendes und zukunftsträchtiges

Betätigungsfeld. Es ist sicher

sinnvoll, ein hohes Maß an Interesse für

wirtschaftliche Zusammenhänge mitzubringen

und in der Uni gelegentlich

eine Vorlesung über Makroökonomie,

Statistik, Ökonometrie oder Wettbewerbspolitik

zu hören.

Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker

* Prof. Dr. Kai-Thorsten Zwecker ist geschäftsführender Gesellschafter der SGP Rechtsanwälte mit Sitz in Ulm. Dort leitet er das Dezernat Kartellrecht und

Compliance. Mit seinem Team bietet er seinen Mandanten getreu dem Kanzlei-Motto «Unternehmen. Besser. Machen.» höchstes Beratungsniveau durch

aus gewiesenes Expertenwissen und langjährige praktische Erfahrung. Neben seiner Anwaltstätigkeit ist Prof. Zwecker Professor für Wirtschaftsrecht an der

betriebswirtschaftlichen Fakultät der Hochschule Neu-Ulm und Referent bei zahlreichen Seminaren.

Autorenfoto: privat, Illustration (S. 75): de.fotolia.com/# Nr. 166495707 © suslo

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Baurechtler

und ihr (Hand-)Werk

Anwaltliche Tätigkeit in einer mittelständischen Kanzlei mit

bau- und immobilienrechtlichem Schwerpunkt

❯❯

Von Rechtsanwältin Dr. Meike Kilian und Rechtsanwältin Eva Strauss *

«Qual der Wahl»

Das Studium der Rechtswissenschaften

ist traditionell auf die Befähigung zum

Richteramt ausgerichtet. Wer sich für

dieses Studium entscheidet, ist aber

keineswegs auf diesen konkreten Berufsweg

festgelegt, denn die Juristerei

bietet viele Möglichkeiten. Trotzdem

entscheiden sich zahlreiche Absolventen

für den Rechtsanwaltsberuf. Doch

auch hier hat man «die Qual der Wahl»

nicht nur mit Blick auf die Fülle möglicher

Tätigkeitsschwerpunkte: Soll es

eine kleine oder mittelständische, vielfach

hochspezialisierte Anwaltsboutique

werden oder doch lieber eine

große «law firm»?

Frühe Spezialisierung?

Dabei bietet das Referendariat hervorragende

Gelegenheit dazu, unterschiedliche

Kanzleiformen und Rechtsgebiete

kennenzulernen und sich selbst

auszuprobieren, um die spätere Entscheidungsfindung

zu erleichtern, wenn

beide Examen endlich geschafft sind.

Eine frühzeitige Spezialisierung auf ein

Rechtsgebiet im Studium oder Referendariat

schadet sicherlich nicht, ist aus

unserer Sicht jedoch nicht zwingend

erforderlich.

«Learning by doing»

Wir sind in einer mittelständischen

Kanzlei gelandet, die mittlerweile seit

60 Jahren schwerpunktmäßig auf dem

gesamten Gebiet des öffentlichen Rechts

sowie des Zivilrechts rund um die Immobilie

tätig ist. Wir arbeiten auf dem

Gebiet des öffentlichen Bau- und Planungsrechts

bzw. des privaten Bauund

Immobilienrechts, ohne uns zuvor

schon in der Ausbildung hierauf spezialisiert

zu haben. Unser Einstieg in

das Berufsleben hat uns gezeigt: Das

nötige «Werkzeug», das uns die juristische

Ausbildung an die Hand gibt, ermöglicht

auch das Einarbeiten in neue

Rechtsmaterien zu Beginn eines neuen

Berufsabschnitts. Die tägliche Arbeit

und der Praxisbezug machen deutlich,

dass «learning by doing» immer noch

am besten funktioniert.

Nachfolgend wollen wir deshalb

einen kleinen Einblick in unseren Berufsalltag

gewähren, der möglicherweise

die Lust auf eine Tätigkeit «rund

um die Immobilie» weckt.

78

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Öffentliches Baurecht

Ein Grundstück und was nun? Bauen?

Aber wie? Und schon sieht man sich

mitten im Alltag eines Baurechtlers.

Von trockenem Verwaltungsrecht kann

keine Rede sein, wenn es um die Nutzung

von Grundstücken geht. Hier

wird mitgestaltet – im Großen wie im

Kleinen, wenn es um die Errichtung

von Ein- oder Mehrfamilienhäusern

geht, die Ansiedlung von Einzelhandelsvorhaben,

Einkaufszentren, großen

Bürokomplexen, Gewerbe- und Industriebauten,

Hotels oder aber die (Neu-)

Entwicklung ganzer Stadtquartiere. Im

Rahmen dieser vielschich tigen Projektarbeit

trifft und arbeitet man zusammen

mit unterschiedlichsten Berufsgruppen

wie Architekten, Ingenieuren

und Unternehmen, sodass die reine juristische

Arbeit durch fachfremde Betrachtungen

bereichert und ergänzt

wird. Im Berufsalltag verschlägt es die

Öffentlichrechtler dann auch nicht selten

an die frische Luft, denn den besten

Eindruck von einem Grundstück und

dessen Umgebung gewinnt man schließlich

vor Ort.

Da die Praxis eine schnelle Realisierung

von Bauvorhaben fordert, steht

daneben insbesondere der stetige Austausch

mit den Genehmigungsbehörden

im Mittelpunkt der anwalt lichen

Tätigkeit. Denn durch eine frühe Projektbegleitung

und vorausschauende

Planung lassen sich oftmals zeitraubende

gerichtliche Auseinandersetzungen

vermeiden. Eine sach- und interessengerechte

Vertretung der Man danten

erfordert vielfach Verhandlungsgeschick.

Denn die tägliche anwaltliche Tätigkeit

bewegt sich oft im Spannungs feld gegenläufiger

Interessen nicht nur von

Behörden und Bauherrn, sondern auch

von Bauherrn und Nachbarn. Diese Interessen

gilt es miteinander in Einklang

zu bringen. Weil sich die Differenzen

nicht immer ausräumen lassen, kommt

der Einsatz vor Gericht auch nicht zu

kurz.

Ebenso facettenreich wie die Projektstruktur

gestalten sich die zu beantwortenden

Rechtsfragen, da auf dem

Weg zur Realisierung der Bauvorhaben

zahlreiche Rechtsmaterien wie bspw.

das Bauplanungsrecht, das Bauordnungsrecht,

das Umweltrecht u.v.m.

ineinander greifen. Dementsprechend

arbeiten im Sinne einer effektiven

Rechtsberatung, insbesondere bei der

Planung von Großbauvorhaben, hochspezialisierte

Kollegenteams zusammen.

Das tägliche aktive Gestalten, Vermitteln

sowie die Suche nach kreativen Lösungen

machen also die grundstücks- und

projektbezogenen Beratungen im öffentlichen

Baurecht äußerst spannend und

abwechslungsreich.

Privates Bau- und

Immobilienrecht

Auch im privaten Baurecht dreht sich

alles um die Immobilie und ihre Anfänge.

So beginnt die zivilrechtliche Beratung

regelmäßig mit einem Grundstück,

einer Baumaßnahme oder bereits

deren Planung. Dabei begegnen einem

immer wieder alte Bekannte aus dem

Studium, etwa wenn es um grundlegende

Aspekte beispielsweise des Immobiliarsachenrechts

oder des Werkvertragsrechts

geht. Die Dinge und

Zusammenhänge, auf die es im Einzelfall

bei der anwaltlichen Beratung aber

entscheidend ankommen kann, werden

einem regelmäßig erst in der Praxis nähergebracht.

Themen, die im Studium

auf der Hitliste nicht immer an erster

Stelle standen, erlangen hier nun hohe

Priorität, wenn sich etwa abzeichnet,

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 79


dass ein durch Grunddienstbarkeit

gesichertes Wegerecht die Bebauungsabsichten

eines Mandan ten gefährdet.

Und plötzlich werden auch die im Studium

allenfalls abstrakt bekannte Prüfung

von Grundbuchaus zügen und die

Auslegung notarieller Bewilligungsurkunden

höchst spannend, da sie erhebliche

Bedeutung für die Verwertbarkeit

eines Grundstückes haben. Bei

großen Bauprojekten beginnt die rechtliche

Beratung daher schon sehr früh,

um dem Mandanten eine Risikobewertung

über die Grundstückssituation geben

zu können. Hierbei wird regelmäßig

dezernatsübergreifend gearbeitet,

um sowohl das öffentliche Baurecht

als auch die zivilrechtlichen Themen

rechtssicher einzuschätzen.

Auch im Zivilrecht geht es (regelmäßig)

nicht ohne den Nachbarn. Bei

Realisierung eines Bauvorhabens im

inner städtischen Bereich wird man

selten darum herumkommen, auch

die Interessen der Nachbareigentümer

zu berücksichtigen, wenn etwa bei

Abbruchmaßnahmen mit Lärm oder

Erschütterungen zu rechnen ist. Die

Baupraxis zeigt, dass die Führung gerichtlicher

Verfahren oftmals mit kostenträchtigen

Bauzeitverzögerungen verbunden

ist. Deshalb müssen in solchen

Fällen regelmäßig andere Konfliktlösungsstrategien

– unter Einbindung der

Nachbareigentümer – gefunden werden,

beispielsweise durch Vergleichsbemühungen

und die Gestal tung von

nachbarschaftlichen Vereinbarungen.

Die tägliche Arbeit, auch eines Junganwalts,

findet aber auch hier nicht

nur am Schreibtisch statt. Neben Besprechungsterminen

mit Mandanten

oder Gegnern gehört auch die Wahrnehmung

von Gerichtsterminen oder

Ortsterminen mit Sachverständigen zur

Anwaltstätigkeit. Dabei kommt man in

den Genuss, über den rechtlichen Tellerrand

zu blicken, um so auch ein

Verständnis für die oftmals relevanten

technischen Aspekte entwickeln zu

können. Ist ein Bauvorhaben nämlich

bereits im Gange, stellen sich nicht selten

Fragen im Zusammenhang mit

Mängeln am Bauwerk und der Qualität

der Leistungserbringung der einzelnen

am Bau beteiligten Personen, wie Architekten,

Fachplaner und ausführende

Unternehmen. Streitigkeiten über Mängel

führen dabei regelmäßig zur Einleitung

selbstständiger Beweissicherungsverfahren

oder Klageverfahren.

Da dabei entscheidend sein kann, wie

die Haftung in den Vertragsgrundlagen

gestaltet wurde, gehört auch die Prüfung

von Bestandsverträgen zum Arbeitsalltag.

Tradition

Auf die Unterstützung unseres Teams

von mittlerweile 33 Anwälten an unserem

neuen Standort am Rhein in

Köln-Bayenthal durch neugierige und

engagierte Referendare freuen wir uns,

denn diese hat bei uns gute Tradition –

eine Tradition, die sich bewährt hat,

wie die daraus hervorgegangenen Eigengewächse

zeigen. Referendare werden,

wie auch die späteren Junganwälte,

in unserer Kanzlei einem Partner

zugewiesen, um Einblick in dessen Berufsalltag

und die jeweilige inhaltliche

Spezialisierung zu erhalten.

Kompetenz durch

Spezialisierung

Gemäß dem Kanzleigrundsatz «Kompetenz

durch Spezialisierung» gelingt

durch diesen engen fachlichen Austausch

in der täglichen Mandatsarbeit

eine optimale Weichenstellung auf

dem Weg zur eigenen Spezialisierung.

Dabei wird der Weg zum Spezialisten

zugleich durch den aktiven «Einsatz an

der Front» von Beginn der anwaltlichen

Tätigkeit an gefördert. In einer

mittelständischen Kanzleistruktur bedeutet

dies, dass wir als Junganwälte

von Tag eins an eine hohe Verantwortung

in der Mandatsarbeit übernehmen,

die den stetigen Lernprozess

enorm beflügelt. Dabei ist jedoch niemand

allein, da zu jeder Zeit die erfahrenen

Kollegen mit Rat und Tat zur

Seite stehen.

Deshalb keine Angst vor dem

Sprung ins kalte Wasser. Der lohnt

sich, nicht zuletzt aufgrund des äußerst

kollegialen Miteinanders, das

auch durch gemeinsame Veranstaltungen

gestärkt wird, beispielsweise – wie

könnte es bei einer «echten kölschen

Kanzlei» anders sein – die jährlichen

Karnevalsfeiern. Wenn auch ihr bereit

seid, mit vollem Einsatz auf hohem Niveau

in einer mittelständischen Kanzlei

mitzuwirken, sind eure Bewerbungen

stets willkommen.

Dr. Meike Kilian

Eva Strauss

* Dr. Meike Kilian ist seit 2015 als Rechtsanwältin

in der Kanzlei Lenz und Johlen Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB tätig. Sie studierte

in Bonn und Berlin (HU) und promovierte an

der Universität Bonn. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte

liegen im öffentlichen Bau- und Planungsrecht,

im Denkmalschutzrecht und im

Besonderen Städtebaurecht.

Eva Strauss ist ebenfalls seit 2015 als Rechtsanwältin

in dieser Kanzlei tätig. Sie studierte

an den Universitäten Köln und Kopenhagen.

Schwerpunkte ihrer anwaltlichen Tätigkeit

sind das Grundstücks- und Immobilienrecht,

das gewerbliche Miet- und Pachtrecht sowie

das Bau- und Architektenrecht.

Autorinnenfotos: Lenz und Johlen Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB

Foto (S. 79): de.fotolia.com/# Nr. 187579386 © epics

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Der Notar –

Ein unparteiischer

Rechtsberater

❯❯

Von Dr. Armin Winnen *

Notare – Mehr als nur Vorleser

«Wird das ständige Vorlesen von Urkunden

nicht auf die Dauer langweilig?»

– Diese oder ähnliche Fragen werden

mir häufig von Studenten und

Referendaren gestellt, die sich für den

Beruf des Notars interessieren. Gerade

am Erfordernis des Verlesens der Niederschrift

lassen sich ganz wesentliche

Aufgaben des Notars erkennen: Es soll

zum einen gewährleistet werden, dass

sämtliche Beteiligte von dem Inhalt der

Urkunde Kenntnis erlangen und sich

mit deren Inhalt tatsächlich auseinandersetzen

und vertraut machen. Zum

anderen wird sichergestellt, dass der

Notar seine Aufklärungs- und Belehrungspflichten

gegenüber den Beteiligten

wahrnimmt. Die Wahrnehmung

dieser Pflichten stellt oftmals den wesentlichen

Kern der Beurkundungsverhandlung

dar. Und dabei kommt mitnichten

Langeweile auf. Der Notar hat

dabei vor allem die Aufgabe, unerfahrenen

und ungewandten sowie juristisch

nicht vorgebildeten Beteiligten

die oftmals juristisch nicht einfachen

Problemstellungen zu erläutern und

hierdurch sicherzustellen, dass diese

verstanden werden.

Die Klienten des Notars stammen

dabei aus der gesamten Bandbreite

der Gesellschaft. Er wird von juristisch

erfahrenen und völlig unerfahrenen

Personen, Verbrauchern und Unternehmern

aufgesucht. Es erscheinen alte

und junge, vermögende und nicht vermögende,

kranke und gesunde Menschen

bei ihm. Auf jeden Termin muss

sich der Notar schnell und individuell

einstellen. Es bedarf oftmals eines großen

Einfühlungsvermögens und einer

guten Menschenkenntnis, um mit den

Beteiligten richtig umzugehen und deren

Sprachebene zu finden. Schließlich

ist der Besuch beim Notar für die meisten

Beteiligten ein außergewöhn liches

und besonderes Ereignis, wenn man

sich vor Augen führt, dass der Gesetzgeber

das Beurkundungserfordernis

nur bei besonders wesentlichen Rechtsgeschäften

anordnet.

Vorbereitung von Urkunden

Zwar stellt das Verlesen der Niederschrift

eine Kernaufgabe der notariellen

Tätigkeit dar, doch handelt es sich

dabei mitnichten um die einzige Aufgabe

des Notars. Zu seinen wesentlichen

weiteren Aufgaben zählt vor

82

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Notare haben vor allem die Aufgabe,

unerfahrenen und ungewandten sowie juristisch

nicht vorgebildeten Beteiligten die oftmals juristisch

nicht einfachen Problemstellungen zu erläutern und

hierdurch sicherzustellen, dass diese verstanden

werden.

Die Vorleserin – eine zukünftige Notarin?

allem die Vorbereitung seiner Urkunden.

Dabei geht es vor allem darum,

den Willen der Beteiligten zu ermitteln

und in eine rechtlich zutreffende Regelung

zwischen den Beteiligten umzusetzen.

Hier sind dann tatsächlich fundierte

Rechtskenntnisse verlangt. Dabei

sind die Tätigkeitsbereiche des Notars

besonders vielfältig, was aus meiner

Sicht einen ganz besonderen Reiz meiner

Tätigkeit ausmacht.

Die notarielle Unparteilichkeit

Der Notar hat stets seine gesetzlich

vorgesehene Unparteilichkeit gegenüber

sämtlichen Beteiligten zu wahren,

was ein ganz wesentlicher Unterschied

zur anwaltlichen Tätigkeit ist.

Insoweit hat ein Notar vor allem bei

gegenläufigen Interessen und Vorstellungen

gegenüber sämtlichen Beteiligten

die gleiche Distanz zu wahren. Er

ist eben anders als der Rechtsanwalt

kein Parteivertreter.

Rechtsgebiete in der

­notariellen Praxis

Es dürfte wenige juristische Berufe geben,

die in der täglichen Praxis mit so

vielen unterschiedlichen Rechtsgebieten

befasst sind. In folgenden Bereichen erwarten

die Beteiligten eine Beratung

und anschließend ausgearbeitete Entwürfe

des Notars:

❯❯

Immobilienrecht:

Kauf und Schenkung von Immobilien,

Bauträgerverträge, Bestellung von

Grundpfandrechten zur Finanzierung

des Immobilienankaufs, Aufteilung von

Immobilien in Wohnungseigentum,

Änderung von Teilungserklärungen,

Bestellung von weiteren Grundstückbelastungen

(z.B. Wohnungs-, Wegeund

Leitungsrechte), Begründung und

Übertragung von Erbbaurechten

❯❯

Familienrecht:

Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen,

Partnerschaftsverträge

zwischen nichtehelichen Lebenspartnern,

Vaterschaftsanerkennungen,

Adoptionen, Vorsorgevollmachten und

Patientenverfügungen

❯❯

Erbrecht:

Testamente und Erbverträge, Erbscheinsanträge

und Anträge auf

europäische Nachlasszeugnisse, Erbauseinandersetzungen,

Erbausschlagungen,

Nachlassverzeichnisse, Erbund

Pflichtteilsverzichte

❯❯

Gesellschaftsrecht:

Gründung von Personen- und Kapitalgesellschaften

einschließlich des Entwurfes

von Gesellschaftsverträgen und

die Vornahme damit im Zusammenhang

stehender Handelsregisteranmeldungen,

Verkauf und Übertragung von

Gesellschaften, Umwandlung von Gesellschaften,

Änderungen von Gesellschaftsverträgen,

Protokollierung von

Gesellschafterversammlungen

❯❯

Vereins- und Stiftungsrecht:

An meldungen zum Vereinsregister,

Stiftungsgeschäfte und Zustiftungen.

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Zusätzlich sind in der täglichen Praxis

in sämtlichen genannten Bereichen

aufgrund der fortschreitenden Internationalisierung

oftmals Fragen des

internationalen Privatrechtes zu behandeln.

Auch die interprofessionelle

Zusammen arbeit mit anderen beratenden

Berufen, insbesondere Steuerberatern,

ist in vielen Fällen erforderlich

und angezeigt. Gerade hierdurch ergibt

sich aus meiner Sicht stets ein interessanter

Erfahrungsaustausch, der den

eigenen (oftmals zu sehr juristisch geprägten)

Horizont sehr erweitert. In

diesem Zusammenhang sind zumindest

auch Grundkenntnisse im Steuerund

Sozial recht erforderlich.

Bei der Gestaltung von Urkunden ist

es keineswegs so, dass stets auf vorgefertigte

Muster und Lösungen zurückgegriffen

werden kann, was ein häufiges

Vorurteil in Bezug auf die notarielle

Tätigkeit ist. Zwar gibt es eine Vielzahl

von Hand- und Formular büchern und

stets auch eine eigene Mustersammlung,

auf die man selbstverständlich

zur Vorbereitung von Urkunden primär

zurückgreift, doch ist in aller Regel eine

Individualisierung der zu erstellenden

Entwürfe anhand der kon kreten Umstände

des Einzelfalles er forderlich.

Im Anschluss an die Beurkundung

privatrecht liche Genehmigungen zur

Urkunde einzuholen.

Der Weg zum Notar

Der Weg zum Beruf des Notars führt –

zumindest im Bereich des hauptberuflichen

Notariats – über einen mindestens

dreijährigen Anwärterdienst als

Notarassessor. Dabei werden nur so

viele Bewerberinnen und Bewerber in

den Anwärterdienst übernommen, wie

später voraussichtlich als Notarinnen

und Notare bestellt werden können. In

den Anwärterdienst werden nur solche

Bewerberinnen und Bewerber eingestellt,

die die Gewähr dafür bieten,

dass sie sich nach Persönlichkeit, Fähigkeiten,

Kenntnissen und Leistungen für

das Notaramt eignen. Typischerweise

werden für die Übernahme in den Anwärterdienst

in fachlicher Hinsicht überdurchschnittliche

Ergebnisse in beiden

Staatsexamina erwartet. Im Einzelnen

können zu den Übernahmevoraussetzungen

die lokal zuständigen Notarkammern

oder Justizverwaltungen Auskunft

erteilen. Schließlich sollte ein

Anwärter auf das Notaramt auch eine

gewisse örtliche Flexibilität mitbringen.

Gerade in Flächenländern führen Notarvertretungen

und -verwaltungen zu

vermehrter Reisetätigkeit.

oder gar die Verwaltung von zwischenzeitlich

nicht besetzten Notarstellen

wird sichergestellt, dass Notarassessoren

optimal auf die Übernahme eines

eigenen Notaramtes vorbereitet werden.

Darüber hinaus gibt es ein vielfältiges

Fortbildungsangebot, welches von

den Notarkammern organisiert wird

und auch einen kollegialen und persönlichen

Austausch zwischen den Notarassessoren

ermöglicht. Notarassessoren

können sich nach Ableistung des Anwärterdienstes

auf frei werdende oder

neu geschaffene Notarstellen bewerben.

Während des Anwärterdienstes stehen

Notarassessoren in einem öffentlich-rechtlichen

Dienstverhältnis zum

Staat und zur Notarkammer. Die Bezüge

eines Notarassessors sind dabei an die

eines Richters auf Probe angeglichen.

Mein persönlicher Weg ins Notariat

begann mit der Wahlstation im Referendariat,

die ich ganz bewusst bei einem

Notar absolviert habe. Hierdurch

konnte ich wertvolle erste Einblicke in

einen mehr als interessanten Beruf erlangen,

der in der juristischen Ausbildung

für mich persönlich bis dahin viel

zu kurz gekommen ist.

ist die Arbeit des Notars und seiner Während des Anwärterdienstes

Mitarbeiter regelmäßig noch nicht beendet.

Vielmehr schließt sich hieran

die Abwicklung bzw. der Vollzug der

Urkunde an. Oftmals sind Eintragungen

in Registern (Grundbuch, Handelsregister,

zentrales Vorsorgeregister,

zentrales Testamentsregister) zu veranlassen,

Behörden zu kontaktieren

wird man verschiedenen Notaren zur

Ausbildung zugewiesen. Hierbei wird

den Anwärtern frühzeitig die Möglichkeit

gegeben, etwa durch Besprechungen

mit Klienten, erste praktische

Erfahrungen zu sammeln. Durch die

regelmäßige Übernahme von Notarvertretungen

bei Abwesenheit oder Verhinderung

oder/und öffentlich-rechtliche bzw. von amtierenden Notaren

Dr. Armin Winnen

* Notar Dr. Armin Winnen, Amtssitz in Aachen (seit 2017), Studium der Rechtswissenschaften in Köln, Promotion zu einem aktienrechtlichen Thema, Ausbildungsstationen

als Notarassessor (2012 bis 2017) in Köln und Aachen, Mitglied der Geschäftsführung der Rheinischen Notarkammer, Schriftleiter der RNotZ, Autor von

Kommentie rungen (AktG und BeurkG) und Beiträgen in Praktikerbüchern.

Autorenfoto: privat, Foto (S. 83): de.fotolia.com/# Nr. 86385720 © JenkoAtaman

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Der Richterberuf –

nichts für Langweiler

❯❯

Von Dr. Christina Pernice *

Jeden Tag spannende Geschichten, die

das Leben schreibt, verknüpft mit der

Herausforderung, für kniffelige Rechtsfragen

die richtige rechtliche Lösung zu

finden – das macht für mich den Beruf

des Richters aus. Aber nicht nur das:

Auch der Kontakt zu Menschen und

die Aufgabe, Möglichkeiten einer Einigung

auszuloten und zu finden, sind

für mich ein Herzstück der täglichen

Arbeit als Richterin. Beide Kernaufgaben

des Richters – das Bemühen um

eine gütliche Einigung und Befriedung

der Streitparteien einerseits sowie die

Lösung juristischer Probleme durch

Entscheidungen andererseits – sind

eine Kombination, die die richterliche

Tätigkeit vielseitig, anspruchsvoll und

erfüllend sein lassen. Sie machen es

möglich und erfordern, dass man sich

mit seinem Verstand, seinem Wissen

und seiner Persönlichkeit voll einbringt.

Die Verantwortung, die man als

Richter für die rechtsuchenden Menschen,

aber auch für das Gelingen des

Staates und den Zusammenhalt der

Gesellschaft trägt, ist in der täglichen

Arbeit und im Umgang mit den streitenden

Menschen immer spürbar. Sie

tut gut, weil man ihr aufgrund der sachlichen

und persönlichen Unabhängigkeit

als Richter gerecht werden kann.

Wichtig ist für mich dabei vor allem,

dass man in seiner Arbeit nicht von

pekuniären Überlegungen und Erwartungen

anderer abhängig, sondern alleine

«seinem Gewissen unterworfen»

ist. Diese Freiheit ist unbezahlbar! Sie

ist für mich die elementare Voraussetzung

dafür, dass ich mit mir, meiner

Aufgabe und meinen Ent scheidungen

im Reinen sein und das Gefühl haben

kann, das Richtige zu tun.

Familienfreundliche Bedingungen

Da man als Richter im Wesentlichen

selbstbestimmt arbeiten kann, ist es

auch möglich, den beruflichen Alltag

mit seinem keineswegs unerheblichen

Arbeitsanfall weitgehend frei zu gestalten

und diesen mit privaten oder sonstigen

Aufgaben und Interessen in Einklang

zu bringen. Dies ist insbesondere

für die Herausforderung, Familie und

Beruf miteinander zu vereinbaren, ein

klarer Vorteil. Beides lässt sich – da

spreche ich aus eigener Erfahrung – in

der Justiz bestens unter einen Hut

bringen. In der Justiz herrscht nach

meiner Erfahrung ein familienfreundliches

Klima. Das kommt insbesondere

darin zum Ausdruck, dass nicht nur

problemlos Elternzeit und Teilzeit genommen

werden kann, sondern dass

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 85


So ähnlich geht es manchmal auch bei den Amtsgerichten zu.

auch die praktische Umsetzung des

Spagats zwischen Beruf und Familie

von der Gerichtsleitung und den Kollegen

innerhalb des Gerichts unterstützt

wird, sodass diese gelingen kann. Verständnis

und Rücksicht auf meine doppelte

Aufgabe als Richterin und Mutter

dreier Kinder habe ich fast immer erfahren.

Besonders hilfreich ist dabei

natürlich auch, dass man als Richter

seine Arbeitszeiten frei gestalten und

die Akten notfalls auch zu Hause bearbeiten

kann. Die Entscheidung für eine

Familie muss sich zum Glück auch nicht

als Karrierebremse auswirken: In der

Justiz wird durchaus wahrgenommen,

wenn sich Teilzeitkräfte engagiert einbringen;

die berufliche Förderung von

kinderbetreuenden Eltern wird aktiv

betrieben.

Die Vielfalt der Einsatzgebiete

Was ich als weiteren besonderen Vorteil

der Tätigkeit in der Justiz empfinde,

ist die Vielfalt der möglichen Einsatzgebiete.

So ist jedenfalls in einigen

Bundesländern ein Wechsel zwischen

Gericht und Staatsanwaltschaft ohne

weiteres möglich und in manchen Ländern

sogar zwingend. Meine berufliche

Tätigkeit hat beispielsweise als Strafrichterin

am Amtsgericht begonnen

und sich dann bei der Staatsanwaltschaft

fortgesetzt. Obwohl ich mich bis

dahin vor allem im Zivilrecht zuhause

gefühlt hatte, hat zu meiner Überraschung

auch das Strafrecht in der

Praxis viel Spaß gemacht. Aus heutiger

Sicht weiß ich: Der Wechsel tut gut

(auch wenn das eigene Herz besonders

für einen bestimmten juristischen

Bereich schlägt), er erweitert den Horizont,

hält geistig wach und belebt.

Nicht nur der Wechsel zwischen

Straf- und Zivilrecht und der – allerdings

meist schwierigere – Wechsel

zwischen Gerichtsbarkeiten, sondern

auch die Möglichkeit einer zeitlich befristeten

Abordnung in ein Ministerium,

einen Landtag, den Bundestag oder –

als wissenschaftlicher Mitarbeiter – an

eines der obersten Bundesgerichte, das

Bundesverfassungsgericht oder auch

europäische Institutionen können eine

spannende Abwechslung sein. Nach

meiner Zeit bei der Staatsanwaltschaft

bin ich selbst für zwei Jahre an das

Staatsministerium Baden-Württemberg

(Staatskanzlei) abgeordnet worden, wo

ich als Justiziarin und Spiegelreferentin

für das Justizministerium ein interessantes,

breit gefächertes Zuständigkeitsfeld

hatte. Ich konnte dort nicht

nur die Tätigkeit in der Ministerialverwaltung

kennenlernen, sondern auch

etwas Einblick in die Arbeit des Landtags

und des Bundesrats gewinnen. Da

ich aber mit Herz und Seele Richter

bin, hat es mich wieder in die Justiz

zurückgezogen, wo ich dann als Zivilrichterin

(am Landgericht) tätig war.

Diese Zeit am Landgericht, in der zwei

meiner drei Kinder geboren wurden,

habe ich – auch wenn sie sehr arbeitsam

war – in bester Erinnerung.

Trotzdem habe ich die Möglichkeit

eines weiteren beruflichen «Ausflugs»

als wissenschaftliche Mitarbeiterin am

Bundesverfassungsgericht gerne wahrgenommen,

zunächst halbtags und später

ganztags. Die drei Jahre dort haben

mir nicht nur einen eindrucksvollen

Überblick über die Arbeit der deutschen

Gerichte verschafft, sondern mir einige

wunderbare Freundschaften mit klugen

Kollegen aus ganz Deutschland beschert,

die noch heute fortbestehen.

Eine solche Tätigkeit als wissenschaftlicher

Mitarbeiter ist aber nichts für

ewig: Auch wenn die Zuarbeit für einen

Verfassungsrichter spannend ist,

erstarkt doch nach einiger Zeit bei den

meisten Hiwis – wie bei mir – der

86

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Wunsch, wieder selbst Verantwortung

als Richter zu übernehmen.

Unterschiedliche Herausforderungen

– man wächst mit

seinen Aufgaben

Nach der Abordnung an das Bundesverfassungsgericht

und der Geburt

meines dritten Kindes stand für mich

die Erprobungsabordnung an das Oberlandesgericht

an. Ich kam in einen Familiensenat,

obwohl ich noch nie zuvor

Familiensachen gemacht hatte. Die

Sache entpuppte sich als großes Glück:

Nicht nur – aber auch – dank der tollen

Kollegen habe ich die dortige Zeit

als große Bereicherung empfunden. Ich

habe gelernt, dass das Familienrecht

nicht nur rechtlich spannend und vielseitig

ist, sondern dass dieses Rechtsgebiet

wie kaum ein anderes auch

menschlich eine besondere Herausforderung

ist.

Bald nach der Abordnung bin ich

zum Oberlandesgericht zurückgekehrt,

diesmal in einen eher wirtschaftsrechtlich

ausgerichteten Senat, der daneben

aber (unter anderem) auch für Vergabesachen

zuständig ist. Neben der

richterlichen Tätigkeit im Senat bin ich

Güterichterin am Oberlandesgericht,

was mir vielfältige Einblicke in wirtschaftliche

Zusammenhänge, in familiäre

Strukturen und die menschliche

Seele gewährt, mich auch und insbesondere

als Mensch sehr fordert und

mir sehr viel Freude macht.

Oberlandesgerichte, Landgerichte,

Amtsgerichte …

So unterschiedlich die tägliche Arbeit

eines Richters je nach der konkreten

Aufgabe ist, ich habe sie immer als abwechslungsreich

und spannend erlebt.

Natürlich entfällt ein Großteil der täglichen

Arbeitszeit im richterlichen Bereich

auf die Lektüre von Akten, die

juristische Recherche und das Diktieren

bzw. Schreiben von Entscheidungen.

Das gilt vor allem für die Tätigkeit

am Oberlandesgericht, wo mündliche

Verhandlungen meist durch eingehende

schriftliche Voten des jeweils

zuständigen Berichterstatters und eine

hierauf gestützte Beratung im Senat

vorbereitet werden. Verhandlungen

finden hier in der Regel nicht häufiger

als einmal pro Woche – manchmal

auch seltener und im Strafbereich sowieso

nur ausnahmsweise – statt. Zu

Beweisaufnahmen kommt es am Oberlandesgericht

nicht allzu häufig; Vergleichsgespräche

werden aber auch

hier, wenn es sinnvoll und erfolgversprechend

erscheint, geführt. Als Einzelrichter

entscheidet man am Oberlandesgericht

– anders als bei

Land- und Amtsgericht – eher selten.

Das macht einerseits eine weiträumigere

Vorausplanung erforderlich und

führt natürlich auch zu Abstimmungsbedarf

mit den Kollegen; andererseits

kann das aber wegen der interessanten

Rechtsgespräche im Senat, über

die man immer wieder neue Denkanstöße

und Impulse erhalten kann, eine

große Bereicherung sein. Die vertiefte

juristische Arbeit, für die beim Oberlandesgericht

natürlich mehr Zeit

bleibt als bei Land- und Amtsgerichten,

habe ich immer als sehr interessant

und befriedigend empfunden.

Etwas lebendiger als am Oberlandesgericht

ist es allerdings schon aufgrund

der höheren Verfahrenszahlen

beim Landgericht, wo man als Zivilrichter

– meist als Einzelrichter – zumindest

einen Verhandlungstag pro

Woche hat, an dem verschiedene Verfahren

verhandelt werden, und wo sich

eine Hauptverhandlung im Strafbereich

auch mal über einige Tage oder sogar

Wochen ziehen kann. Manchmal ein

bisschen wie im Taubenschlag geht es

schließlich bei den Amtsgerichten zu,

wo je nach Zuständigkeit auch zweimal

oder öfter pro Woche verhandelt wird

und für vertiefte juristische Arbeit daher

naturgemäß weniger Zeit bleibt.

Dafür kommt es umso mehr auf das

eigene Organisations- und Verhandlungsgeschick

sowie die persönliche

Überzeugungskraft an, um die Verfahrenszahlen

zu bewältigen.

Sinnstiftende Arbeit

Ein langer Verhandlungstag, an dem

man – ob bei Amts-, Land- oder Oberlandesgericht

– ständig mit allen Sinnen

voll präsent sein muss, an dem stets

Unvorhersehbares geschehen kann und

vielfach geschieht und an dem man

sich auch immer mit seiner ganzen

Persönlichkeit einbringen muss, fordert

regelmäßig viel Kraft. Meist ist die Erschöpfung

nach der Verhandlung aber

gepaart mit einem Gefühl entspannter

Zufriedenheit, weil es gelungen ist, Probleme

zu lösen, Verfahren zu erledigen

und – im besten Falle – Streitigkeiten

auszuräumen und zuvor zerstrittene

Menschen zusammenzubringen. Als

wohltuend empfinde ich dabei auch

und insbesondere, dass man von den

Menschen, über deren Streitigkeiten

(oder Verfehlungen) man entscheidet,

in der Regel großes Vertrauen sowie

Respekt und Anerkennung erfährt.

Meinen Beruf empfinde ich aus all

diesen Gründen jeden Tag als großes

Glück. Nach fast 20 Dienstjahren kann

ich sagen, dass es niemals langweilig und

immer sinnstiftend war. Noch heute

freue ich mich an jedem Tag auf den

nächsten – mit all seinen juristischen,

menschlichen und praktischen Herausforderungen.

Und natürlich auf die Kollegen

– vielleicht demnächst Sie!

Dr. Christina Pernice

* Dr. Christina Pernice ist derzeit Richterin am

Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Zivilsenat

und Senat für Vergabesachen sowie Landwirtschaftssachen.

Daneben ist sie als Güterichterin

am Oberlandesgericht tätig. Im März 2017 wurde

sie zur Richterin am Bundesgerichtshof gewählt.

Autorinnenfoto: privat

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Richter 4.0?

❯❯

Von Dr. Adrian Hans *

Einem Sprichwort zufolge soll nichts

so beständig sein wie der Wandel.

Dieser Ausspruch aus dem fünften

vorchristlichen Jahrhundert soll von

Heraklit von Ephesus stammen.

Die richterliche Tätigkeit befindet

sich ebenfalls im Wandel, man könnte

sagen, sie befindet sich in einem epochalen

Umbruch. Wer in diesen durchaus

spannenden Zeiten die Chance

nutzt und für die Justiz tätig wird,

kann an diesem Wandlungsprozess

täglich teilhaben. Eingeübte Geschäftsprozesse

werden grundlegend umgestaltet.

Die Kommunikation zwischen

Rechtsanwälten und Gerichten erfolgt

auf elektronischem Weg. Die gesamte

Gerichtsadministration und sämtliche

Prozessabläufe werden in absehbarer

Zeit umfassend digitalisiert sein. Auf

den ersten Blick scheint es lediglich so

zu sein, dass man künftig ähnlich einer

E-Mail mit dem Gericht kommunizieren

muss und anstelle einer Papierakte

künftig PDF-Dateien durchgesehen werden

müssen. Verfahrensinformationen,

die bislang in Papierform in Papp- oder

Aktenordnern sortiert worden sind,

werden in digitalisierter Form be- und

verarbeitet. Welche Probleme sich im

Einzelnen stellen, wird erst nach und

nach bei der praktischen Umsetzung

der gesetzlichen Vorgaben sichtbar,

etwa bei Einführung des elektronischen

Rechtsverkehrs. Wie geht man

etwa mit der Möglichkeit um, dass eine

Zustellung gegen Empfangsbekenntnis

auch an Privatpersonen möglich ist

(§ 174 ZPO)? Wie muss man Rechtsbehelfsbelehrungen

anpassen, um die

Einreichung eines Rechtsbehelfs bei der

richtigen Gerichtsbehörde sicherzustellen?

Auch hier lässt sich die Reihe der

Fragestellungen noch abendfüllend fortsetzen.

Blickt man zwei Jahrzehnte zurück,

war eine der ersten wahrnehmbaren

Folgen der Digitalisierung der Zugriff

auf juristische Fachpublikationen. Während

man in den 1990 er Jahren eine

juristische Recherche vor mit Printwerken

gefüllten Regelwänden beginnen

musste, reicht heute schon das

Internet aus, um eine erste Einschätzung

zu einer juristischen Fragestellung

zu erhalten oder um Hintergrundwissen

zu einem Problem zu erlangen.

Die Anbieter juristischer Informationen

haben ihrerseits Plattformen errichtet,

die das Auffinden «der» speziellen

und richtigen Information schnell

und sicher gewährleisten.

Big Data, Cloudsysteme,

predictive analytics

In der Welt der Juristen erfährt das

Thema «Legal Tech» derzeit sehr große

Aufmerksamkeit. Technologien rund

88

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


um «Big Data», Cloudsysteme oder «predictive

analytics» werden eingesetzt,

um Aufgaben zu automatisieren, die

man den Juristen (möglichst) abnehmen

möchte. Vorbilder gibt es bereits:

Banken und Versicherungen wickeln

Kundenkontakte möglichst ohne Kundenkontakt

ab, der Patient soll bereits

vor dem Arztbesuch erfahren, welche

Diagnose ihn erwartet. Steuerberatung

wird automatisiert. Der Wirtschaftsprüfer

wird durch Algorithmen ersetzt,

die den Jahresabschluss eines Unternehmens

maschinell prüfen (zum Beispiel

bei devatax.de). Kundenbeschwerden

werden automatisch beantwortet.

Statt eines Journalisten erstellen Textroboter

Meldungen. Filmdrehbücher

werden von einer Software geprüft und

es wird dabei der Umsatz des Films

prognostiziert, den man auf Grundlage

des Drehbuchs drehen würde. Die

Vorhersage, ob ein Roman wirtschaftlich

erfolgreich sein kann, soll sich

anhand des Schreibstils beantworten

lassen («Using Writing Style to Predict

the Success of Novels» **). Man kann

die Reihe der Beispiele weiterführen.

In der Welt der Juristen wird noch

nicht so recht geglaubt, dass bereits

in absehbarer Zeit tiefgreifende Änderungen

das traditionelle Berufsbild

des Juristen renovieren werden. Die

Ungläubigkeit im Hinblick auf den digitalen

Wandel dürfte der «berufsbedingten

Kritikunfähigkeit» der Juristen

zuzuschreiben sein.

Man kann vermutlich schon in naher

Zukunft mit den ersten wirklich

durchschlagenden Neuerungen bei der

Technologisierung juristischer Aufgaben

rechnen. Vertragstexte können bereits

jetzt automatisch generiert wer den,

Schrift sätze werden möglicherweise

schon bald anhand einiger Stichworte

im Entwurf erstellt und die

Qualität der Schriftsätze wird

von Algorithmen bewertet.

Erwarten kann man auch,

dass künftig die Suche nach

Literatur oder Rechtsprechung

nicht mehr auf Wortübereinstimmungen

basieren

wird, son dern dass Algorithmen

errechnen, welcher

Referenztext der richtige ist.

So verfährt etwa die Plattform

wolfram.com, allerdings

(leider noch) nicht für

juristische Texte.

Richter 4.0?

Vorteile des Richteramts

Falls Sie sich für eine Tätigkeit als Zivilrichter

interessieren, erwartet Sie ein

breites Spektrum juristischer Fragestellungen:

Von Verkehrsunfällen und Erbangelegenheiten,

über Baurechtsstreitigkeiten

bis hin zu Haftungsprozessen

gegen Rechtsanwälte, Steuer berater

und Ärzte sowie Wettbewerbsthemen

bleiben nur wenige Vorschriften des

Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozessordnung

unberührt. Die Verfahrensabläufe

sind bereits heute

schon gerichtsintern technisch optimiert.

Raum belegung für die mündliche

Verhandlung, Terminierung und

Kommunikation werden weitgehend

automatisiert abgewickelt. Die zunehmende

Digitalisierung beschäftigt inzwischen

alle Mitarbeiter der Justiz.

Falls Sie überlegen sollten, ob der Eintritt

in den Justizdienst das Richtige für

Sie wäre: Der Einstieg in das Richteramt

wird erleichtert durch die gesetzlich

gewährleistete Unabhängigkeit

des Richters. Von Anfang an wird

Entscheidungsstärke gefördert und gelobt.

Der Kollegenkreis, so jedenfalls

meine Erfahrung, verdient das Prädikat,

wirklich kollegial zu sein: hilfsbereit,

aufmerksam, persönlich interessiert,

ehrlich und – wenn es sein

muss – auch kritisch. Sicher liegt eine

Besonderheit der richterlichen Tätigkeit

darin, mit einem Kollegenkreis zusammenarbeiten

zu können, in dem

ein hohes Maß an Eigenmotivation und

Verantwortung aufgebracht wird. Eine

weitere Besonderheit der richterlichen

Tätigkeit besteht darin, dass man aller

Digitalisierung zum Trotz tun kann,

wofür man ausgebildet wurde, und

das ist eben: juristische Sachverhalte

aufzuarbeiten und zu lösen.

Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz

hat auf seinen Internetseiten

*** zusammengefasst, welche

Anforderungen für eine Bewerbung

bestehen. Sie können in Rheinland­

Pfalz zwischen der Tätigkeit als Staatsanwalt

und der richterlichen Tätigkeit

wechseln. Während der Assessorenzeit

wird eine möglichst flexible Verwendung

vorausgesetzt. Das bedeutet zum

einen, dass sowohl ein Wechsel zwischen

Zivilgericht und Strafgericht möglich

ist, zum andern muss man aber

auch wissen, dass in einem Flächenland

wie Rheinland-Pfalz eine gewisse

räumliche Flexibilität verlangt wird.

* Dr. Adrian Hans war vor dem Eintritt in den Justizdienst Rechtsanwalt und Steuerberater bei Deloitte und Linklaters, anschließend Prokurist bei einem Medienunternehmen.

Aktuell tätig in der Zivilkammer eines pfälzischen Landgerichts und abgeordnet an das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken (IT-Referat).

** https://aclweb.org/anthology/D/D13/D13-1181.pdf.

*** https://jm.rlp.de/de/ministerium/karriere/richterlicher-und-staatsanwaltschaftlicher-dienst.

Foto: de.fotolia.com/# Nr. 173652771 © phonlamaiphoto

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Ausländisches Recht in der

JuS-Schriftenreihe.

Babeck

Einführung in das

australische Recht

mit neuseeländischem Recht

Von Prof. Dr. h.c. Wolfgang Babeck

2. Auflage. 2017. XXVII, 309 Seiten.

Kartoniert € 49,80

ISBN 978-3-406-68793-8

Blumenwitz/Fedtke

Einführung in das

anglo-amerikanische Recht

Rechtsquellenlehre, Methode der Rechtsfindung,

Arbeiten mit praktischen Rechtsfällen

Begründet von Prof. Dr. Dieter Blumenwitz.

Fortgeführt von Prof. Dr. Jörg Fedtke

8. Auflage. 2018. Rund 180 Seiten.

Kartoniert ca. € 49,80

ISBN 978-3-406-60659-5

In Vorbereitung.

Menski/Fischer

Einführung in das

indische Recht

Von Prof. Dr. Werner F. Menski und

Dr. Alexander Fischer, MA (LSE), LL.M.

(Heidelberg)

2018. Rund 300 Seiten.

Kartoniert ca. € 49,80

ISBN 978-3-406-68034-2

In Vorbereitung.

Adomeit/Frühbeck

Einführung in das

spanische Recht

Das Verfassungs-, Zivil-, Wirtschafts- und

Arbeitsrecht Spaniens

Von Prof. Dr. Klaus Adomeit in Zusammenarbeit

mit Federico, Fernando und

Dr. Guillermo Frühbeck Olmedo

4. Auflage. 2018. Rund 200 Seiten.

Kartoniert ca. e 49,80

ISBN 978-3-406-70956-2

In Vorbereitung.

Bu

Einführung in das

Recht Chinas

Von Prof. Dr. Yuanshi Bu

2. Auflage. 2017. XXVIII, 376 Seiten.

Kartoniert € 49,80

ISBN 978-3-406-69538-4

Rumpf

Einführung in das

türkische Recht

Von Prof. Dr. Christian Rumpf

2. Auflage. 2016. XXXI, 413 Seiten.

Kartoniert € 49,80

ISBN 978-3-406-65766-5

Graf von Bernstorff

Einführung in das

englische Recht

Von Prof. Dr. Christoph Graf von Bernstorff,

Rechtsanwalt

5. Auflage. 2018. Rund 280 Seiten.

Kartoniert ca. € 49,80

ISBN 978-3-406-70955-5

In Vorbereitung.

Kindler

Einführung in das

italienische Recht

Von Prof. Dr. Peter Kindler

3. Auflage. 2018. Rund 400 Seiten.

Kartoniert ca. € 49,80

ISBN 978-3-406-66635-3

In Vorbereitung.

Feiten Wingert Ody

Einführung in das

brasilianische Recht

Von Prof. Dr. Lisiane Feiten Wingert Ody

2017. XXV, 283 Seiten.

Kartoniert € 49,80

ISBN 978-3-406-69540-7

Pereira/Zenthöfer

Einführung in das

luxemburgische Recht

Von João Pereira und Dr. Jochen Zenthöfer

2017. XX, 223 Seiten.

Kartoniert € 49,80

ISBN 978-3-406-69539-1

Ring/Olsen-Ring

Einführung in das

skandinavische Recht

Von Prof. Dr. Gerhard Ring und

Prof. Dr. Line Olsen-Ring, LL.M. (Köln)

2. Auflage 2014. XVI, 282 Seiten.

Kartoniert € 49,80

ISBN 978-3-406-66127-3

Medina/Walter/Scholz/Wabnitz

Einführung in das

israelische Recht

Hrsg. von Prof. Dr. Barak Medina,

Prof. Dr. Christian Walter, Dr. Lothar Scholz

und Dr. Heinz-Bernd Wabnitz

2018. Rund 300 Seiten.

Kartoniert ca. € 49,80

ISBN 978-3-406-71139-8

In Vorbereitung.

Erhältlich im Buchhandel oder bei: beck-shop.de | Verlag C.H.BECK oHG · 80791 München | kundenservice@beck.de | Preise inkl. MwSt. | 136100


«Denn sie

wissen

(nicht), was

sie tun»:

Warum

ein bisschen

Dolmetschen

und Übersetzen

nicht

reicht

Plädoyer für mehr Sicherheit

im Rechtsverkehr

Von Birgit Strauß *

Durch Globalisierung und Migration sind immer mehr

Menschen auf die Hilfe eines Sprachmittlers, also eines

Dolmetschers bzw. Übersetzers, angewiesen. Das gilt auch

und erst recht für den juristischen Bereich. Egal in welcher

Funktion Sie dort tätig sind, ob als Richter, Staatsanwalt,

Rechtsanwalt.

Wenn Sie vermeiden wollen, dass Prozesse platzen, Ermittlungen

torpediert werden, ein Urteil nicht revisionssicher ist

oder Vertragsverhandlungen ins Stocken geraten, dann sollten

Sie auf gut ausgebildete Sprachspezialisten zurückgreifen.

Machen Sie sich nicht angreifbar –

minimieren Sie Ihr Risiko!

Ihre Risiken

Machen Sie sich bewusst, welche Folgen die Beauftragung

von Laien, d. h. von Personen, die nicht für juristische

Sprachmittlung ausgebildet sind, für Sie haben kann –

die Qualität Ihrer eigenen Arbeit, Zeitaufwand und Kosten

hängen wesentlich von der Tätigkeit der beauftragten Sprachmittler

ab. Laien sind nicht in der Lage, komplexe juristische

Sachverhalte adäquat zu übertragen. Das gilt sowohl

für die inhaltlichen und sprachlichen Aspekte als auch den

Einsatz verschiedener Dolmetschtechniken. Dazu bedarf es

einer soliden Aus- und Weiterbildung, dafür sind fundierte

Kenntnisse beider Kulturen und Rechtsordnungen unerlässlich.

Der Einsatz von Laien kann für Sie zu erheblichen Problemen

führen, denn sie unterliegen keinerlei Überprüfung,

weder fachlich noch persönlich. Laien sind sich ihrer Aufgabe

nicht bewusst, gefährden die Sicherheit im Rechtsverkehr

und die Durchsetzung der Rechtsprechung und sind an keine

Berufs- und Ehrenordnung gebunden, d. h. sie unterliegen

auch nicht dem Geheimnis- und Datenschutz. Somit könnten

vertrauliche Informationen publik und Ihre langwierige,

intensive Vorbereitung auf ein Verfahren, die gewonnenen

Ermittlungs ergebnisse oder die laufenden Verhandlungen zunichte

gemacht werden, ohne dass Laien entsprechend zur

Rechenschaft gezogen werden könnten. So machen Sie sich

und Ihre Tätigkeit/Urteile angreifbar, denn eine mangelhafte

Qualität der Sprachmittlung kann ein Revisionsgrund sein

(un zureichendes rechtliches Gehör)!

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 91


Berufsbild

Das Angebot an Sprachmittlern ist unübersichtlich, denn

die Berufsbezeichnungen «Sprachmittler, Dolmetscher,

Übersetzer» sind in Deutschland nicht geschützt. Geschützt

sind lediglich Bezeichnungen, die eine staatliche oder staatlich

anerkannte Prüfung voraussetzen, beispielsweise Diplom-

oder M. A.-Abschlüsse einschlägiger akademischer

Ausbildungsstätten.

Das bedeutet: Auch ohne besondere (Sprach-)Kenntnisse

oder Ausbildung darf sich jedermann mit einer der allgemeinen

oder ähnlich klingenden Bezeichnungen schmücken,

ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen führt. Verhängnisvoll

ist auch der Irrglaube, dass, wer eine andere

Sprache einigermaßen spricht oder zweisprachig aufgewachsen

ist, automatisch auch dolmetschen und / oder übersetzen

kann. In der Praxis entstehen daraus Probleme in Bezug auf

Qualität (Inhalte, Sprache, Einhaltung von Standards) und

Ethik (Datenschutz, Geheimhaltung) im Bereich der juristischen

Sprachmittlung, die handfeste Folgen haben können.

Dabei sind gerade diese Aspekte im Rechtsverkehr besonders

sensibel. Als Juristen erwarten Sie zu Recht, dass Ihre

Texte präzise, rechtskonform und inhaltsgetreu übersetzt

werden und dass korrekt und vollständig gedolmetscht wird.

Der Weg zum richtigen Spezialisten

Wie aber finden Sie gut ausgebildete Spezialisten, die

über fundiertes sprachliches und fachliches Wissen verfügen,

sich in den verschiedenen Rechtssystemen auskennen

und auch kulturelle Unterschiede einzuordnen wissen?

Die Oberlandesgerichte führen eine bundeseinheitliche,

öffentlich zugängliche Internet-Datenbank aller für den

juristischen Bereich zugelassenen Dolmetscher und Übersetzer

unter www.gerichts-dolmetscher.de.

Die Anforderungen an natürliche Personen, die als Dolmetscher/Übersetzer

im juristischen Bereich tätig werden dürfen,

sind im sog. «Dolmetschergesetz» jedes Bundes landes **

festgelegt. Neben Sprach- und Rechtssprachekenntnissen ist

auch die fachliche und persönliche Eignung nachzuweisen

und ein Führungszeugnis vorzulegen.

Mit der Ermächtigung/Beeidigung/Bestallung/Verpflichtung

[die konkrete Bezeichnung hängt vom jeweiligen Bundesland

ab] sind diverse Pflichten (Vertraulichkeit des Wortes, Datenschutz,

Integrität, Neutralität) verbunden, bei Verstößen

drohen harte Strafen und der Entzug der «Lizenz» (u. a. bei

Vorteilsnahme, Bestechlichkeit und Verletzung von Dienst- /

Steuergeheimnissen).

Ermächtigte Übersetzer …

… übertragen das geschriebene Wort (Akten, Anklageschriften,

Rechtshilfeersuchen, Verträge usw.) von einer Sprache in

eine andere. Bei direkter Beauftragung eines qualifizierten

Sprachmittlers aus dem erwähnten OLG-Verzeichnis sparen

Sie Zeit, denn der Auftrag wird nicht erst über Zwischenstationen

zu ihm weitergeleitet, und der Daten schutz wird eingehalten.

Qualifizierte Übersetzer werden im Zweifelsfall mit

Ihnen Rücksprache halten, etwa wenn Unklarheiten, Fehler

oder Widersprüche im Text zu erkennen sind oder wenn der

Text umfangreiche Standardformulierungen enthält.

Sie sparen so Aufwand und bares Geld, weil z. B. Ungereimtheiten

oder Fehler im Text noch vor der Weiterleitung geklärt

werden können oder ggf. redundante Textteile erst gar nicht

übersetzt werden müssen.

Ermächtigte Übersetzer führen einen personalisierten Stempel

bzw. ein Siegel [je nach Bundesland]. So können Sie

sofort erkennen, dass wirklich ein qualifizierter, dazu berechtigter

Sprachmittler die Übersetzung angefertigt hat.

Birgit Strauß

schloss 1982 das Sprachenstudium als Diplom-Sprachmittlerin

ab und ist für Slowakisch,

Russisch und Tschechisch ermächtigt.

Seit 1990 ist sie freiberuflich tätig und arbeitet

u. a. für Gerichte, Staatsanwaltschaften, Großkonzerne und

deren Rechtsabteilungen im In- und Ausland. Sie ist spezialisiert

auf die Fachgebiete Recht, Wirtschaft und Medizin. Für Kollegen

und Kunden ist sie Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um

das JVEG oder zum professionellen Einsatz von Sprachmittlern.

www.rechtstexte.eu

Für NRW:

Hinweise zur Allgemeinen Beeidigung von Sprachmittlern in

Nordrhein­ Westfalen:

http://www.jm.nrw.de/Gerichte_Behoerden/anschriften/dolmetscher__u_uebersetzer/hinweise/hinweise_all_beeidigung.pdf

Gesetz über Dolmetscher und Übersetzer sowie zur Aufbewahrung

von Schriftgut in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Gesetz

über Dolmetscher und Übersetzer sowie zur Aufbewahrung von

Schriftgut in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen: https://recht.

nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=10649&vd_

back=N128&sg=0&menu=1

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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Gerade im juristischen

Bereich steigt der Bedarf

an Dolmetschern.

Beeidigte Dolmetscher …

… übertragen das gesprochene Wort und unterstützen Sie

bei Mandantengesprächen, Vernehmungen, Verhandlungen

usw. Erforderlichenfalls werden Sie auf kulturelle oder Unterschiede

in den Rechtsordnungen hingewiesen.

Der Dolmetscher unterstützt Sie, um eine reibungslos funktionierende

Verständigung zu ermöglichen – deshalb ist es

sinnvoll und legitim, ihm Materialien zur Verfügung zu stellen

oder Einsicht in die Akte nehmen zu lassen, damit er sich

optimal auf den Einsatz vorbereiten und z. B. Fachbegriffe im

Vorfeld recherchieren kann.

Agenturen / Makler / Büros, die Dolmetsch-/

Übersetzungsleistungen vermitteln

(«Agenturen») …

… werben oft mit dem Versprechen, rund um die Uhr für Sie

verfügbar zu sein, natürlich bei bester Qualität – in vielen

Fällen entpuppt sich das jedoch als Mogel packung.

Bei Übersetzungen bedeutet das nicht zwangsläufig, dass

Ihr Auftrag auch sofort bearbeitet wird. Häufig werden die

Texte zuerst unverschlüsselt (!) per E-Mail rundgesendet,

und zwar im In- und Ausland, an möglichst viele in Betracht

kommende Zulieferer, um jemanden zu finden, der das niedrigste

Honorar anbietet und / oder als Erster annimmt (in

dieser Reihenfolge). Für Agenturen steht erfahrungsgemäß

Gewinnmaximierung an erster Stelle, nicht professionelle

Qualität oder Datenschutz. Darum werden sie sich bei Rückfragen

auch kaum bei Ihnen melden, denn das bedeutet

Zusatz aufwand, der nicht eingepreist ist.

Viele Agenturen beauftragen deshalb Personen, die nicht

auf der oben erwähnten OLG-Liste stehen. Sie erkennen es

daran, dass die Bestätigungsformel zur Richtigkeit und Vollständigkeit

einer Übersetzung von der Agentur statt von

einem ermächtigten Übersetzer, der über einen personalisierten

Stempel bzw. ein Siegel verfügt, bescheinigt wird. Die

Übersetzung ist damit nicht rechtssicher, da Agenturen als

juristische Personen die Voraussetzungen für die Ermächtigung

schlicht nicht erfüllen (können).

Im Bereich Dolmetschen werden ebenfalls häufig Laien

eingesetzt. Das ist deshalb problematisch, weil sie erst ad

hoc vereidigt werden müssen, bevor die Verhandlung beginnen

kann. Sie bezeugen damit lediglich, dass sie «treu und

gewissenhaft übertragen werden», was aber nichts zur Qualität

der Verdolmetschung aussagt. Sie kennen in der Regel

die Rechts- bzw. Fachsprache nicht, beherrschen auch keine

Dolmetschtechniken und sind zumeist nicht in der Lage,

simultan (zeitgleich) zu dolmetschen. Eine rein konsekutive

(zeitversetzte) Verdolmetschung bedingt aber eine längere

Einsatzdauer, was prozessökonomisch nicht sinnvoll ist.

Da Sie selten durchgängig kontrollieren können, ob korrekt

gedolmetscht wurde (weil Sie sich auf Ihre eigentliche Aufgabe

konzentrieren müssen oder mangels Sprachkenntnis),

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 93


müssen Sie sich zu 100 % auf den Dolmetscher verlassen

können, d. h. er muss jederzeit neutral, sachlich und integer

agieren, und zwar auch in belastenden Situationen.

Doch gleich um welche Sprachdienstleistung es sich handelt,

es bleibt die Frage: Wer trägt die Verantwortung und/oder

haftet, wenn eine Agentur bzw. ein Laie beauftragt wird?

Klare Regelung in Nordrhein-Westfalen

Die direkte Beauftragung der Dolmetscher und Übersetzer

wird in Nordrhein-Westfalen durch eine Justizverwaltungsvorschrift

geregelt [(Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer,

AV d. JM vom 29. September 2016 (3162 – I.4) – JMBl.

NW S. 309)]: «Die Service-Einheiten der Gerichte und Staats-

anwaltschaften müssen – sofern keine anders lautende richterliche

oder staatsanwaltschaftliche Anordnung vorliegt –

bei der Auswahl von … Dolmetschern sowie … Übersetzern

auf das gemeinsame Verzeichnis der allgemein beeidigten …

Dolmetscher und ermächtigten … Übersetzer … Zugriff

nehmen.»

Fazit

Mit der direkten Beauftragung der in dem OLG-Verzeichnis

der Sprachmittler für die Justiz geführten Übersetzer und

Dolmetscher sind Sie auf der (rechts)sicheren Seite. Lassen

Sie sich nicht durch anderslautende Ansichten beirren.

Beauftragen bzw. laden Sie direkt!

Ihre Vorteile

bei direkter Beauftragung von qualifizierten Dolmetschern

und Übersetzern:

❯❯

Sie finden ermächtigte / allgemein beeidigte

Sprachmittler in der von den OLG geführten Liste:

www.gerichts-dolmetscher.de

❯❯

Sie erhalten rechtssichere Übersetzungs- und

Dolmetschleistungen.

❯❯

Sie haben direkten Kontakt zum Sprachmittler

Ihres Vertrauens.

❯❯

Der Dolmetscher wird sich durch Akteneinsicht

oder Referenzmaterialien auf Ihren Dolmetschauftrag

vorbereiten.

❯❯

Der Übersetzer führt einen personalisierten

Stempel bzw. ein Siegel für seine Sprachenpaare.

❯❯

Er wird ausschließlich in den Sprachen tätig, für die er

ermächtigt ist.

❯❯

Er wird Sie auf Probleme im Text oder redundante

Textteile und auf kulturelle und Unterschiede in den

Rechtsordnungen hinweisen.

❯❯

Er wird Ihre Texte und Informationen vertraulich behandeln

und unterliegt dem Geheimnis- und Datenschutz.

❯❯

Er wurde fachlich und persönlich überprüft.

❯❯

Sie sparen Zeit und meistens auch Geld, weil

Zwischenvermittler wegfallen.

Weiterführende Informationen finden Sie auf den Seiten der

Berufsverbände für Dolmetscher und Übersetzer, z. B. unter

www.bdue.de oder www.aticom.de. Selbstverständlich stehe

auch ich Ihnen zur Verfügung, sollten Sie Fragen zu diesem

Thema haben (Kontakt über info@rechtstexte.eu).

Anm.: Zur besseren Lesbarkeit wurde auf gendergerechte Sprache verzichtet, es sind jedoch immer beide Geschlechter gemeint.

Autorinnenfoto: privat

Illustration (S. 93): de.fotolia.com/# Nr. 169071381 © pukach2012

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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Als Jurist/in in der

Steuerfahndung /

Finanzverwaltung

❯❯

Von ORR'in Katrin Kühl *

«Studiere Jura! … Juristen werden immer und

überall gebraucht … Als Jurist stehen dir später

alle beruflichen Möglichkeiten offen!»

So oder so ähnlich formuliert, haben

diese Aussage bestimmt zahlreiche Abiturientinnen

und Abiturienten gehört,

die nach dem Schulabschluss ein Studium

beginnen wollten und sich noch

nicht abschließend für ein Studienfach

entschieden hatten.

Hat man Jahre später das Jura-

Studium dann erfolgreich abgeschlossen,

ist diese Aussage leider für die

meisten von uns immer noch eine

genauso «leere Hülle» wie zu Studienbeginn.

Erstmals im Referendariat hat

man neben dem Kennenlernen der

bekannten Juristenberufe wie Richter,

Staatsanwalt oder Rechtsanwalt im

Rahmen der Wahlstation eine Chance,

die Fühler in bisher unbekannte Arbeitsbereiche

für Juristen auszustrecken

und sich etwas umzuschauen,

um diese «leere Hülle» mit erstem Leben

zu füllen. Da allerdings in dieser

Phase der Fokus zunächst einmal auf

den erfolgreichen Abschluss des zweiten

Staatsexamens gerichtet ist, fehlt

den meisten die Zeit und Ruhe, sich

hier intensiver umzuschauen. Dann

spätestens nach dem Abschluss als

«Volljurist» erinnert man sich an die

motivierenden Aussagen zu Beginn des

Studiums und beginnt sich zu fragen,

welche vielfältigen Möglichkeiten es

denn nun tatsächlich gibt …

Einen Schritt zur Erhellung dieser

Frage möchte ich durch diesen Beitrag

leisten, indem ich die Tätigkeit des / der

Juristen/-in im höheren Dienst als Führungskraft

in der Finanzverwaltung

und hier im speziellen die Position «Leiterin

einer Steuerfahndungsstelle», in

welcher ich über sechs Jahre lang tätig

war, vorstelle.

Wenn Strafverteidigung nicht

das richtige ist …

Als ich mich nach meinem zweiten

Staatsexamen auf Jobsuche machte,

war ich durch meine Vorliebe für das

Strafrecht zunächst auf eine Stelle als

Richter oder Staatsanwalt fixiert, da

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 95


die Strafverteidigung für mich nicht

die «richtige» Seite darstellte. Die Einstellungssituation

in der Justiz war

damals jedoch äußerst schlecht und so

habe ich mich nach Alternativen umgesehen.

Dabei bin ich zufällig auf den

Internetauftritt der Finanzverwaltung

gestoßen, mit welcher ich bis dahin,

außer bei der Abgabe meiner ersten

Steuererklärungen während des Referendariats,

eigentlich keine Berührungspunkte

hatte. Das hier für Juristen

gemachte Angebot, direkt als

Führungskraft mit Personalverantwortung

eingestellt zu werden, hörte sich

für mich attraktiv an. Hinzu kam nicht

nur, dass mir das Thema Steuerstrafrecht,

in welches ich während des Referendariats

bereits erste kurze Einblicke

gewinnen konnte, interessant

erschien, sondern auch die Tatsache,

dass man zunächst ein sog. Einweisungsjahr

durchläuft, während dessen

man fast alle Bereiche der Finanzverwaltung,

insbesondere das Finanzamt

und die vorgesetzte Behörde Oberfinanzdirektion

(OFD), in manchen Ländern

auch Landesamt genannt, kennenlernt.

Zudem finden in dieser Zeit

unter anderem einige steuerrechtliche

Lehrgänge bei der Bundesfinanzakademie

statt, so dass man sich von dem

vielleicht eher unbekannten und umfangreichen

Rechtsgebiet des Steuerrechts

nicht abschrecken lassen sollte.

Wechselnde Aufgabenbereiche

Schon während des Einweisungsjahrs

wird man, wie auch ich es getan habe,

feststellen, dass es in der Finanzverwaltung

aufgrund der vielfältigen Tätigkeitsmöglichkeiten

nie langweilig werden

kann. Man hat die Möglichkeit, die

Aufgabenbereiche zu wechseln und auf

verschiedenen Ebenen der Verwaltung

zu arbeiten, d.h. im Ministerium, der

OFD oder auch im Finanzamt. Dabei

kann man sich nicht nur mit den unterschiedlichsten

Rechtsgebieten, wie

natürlich dem Steuer- und Steuerstrafrecht

oder etwa dem Beamten-, Vollstreckungs-

oder Insolvenzrecht u.v.a.,

befassen, sondern auch mit eher praktisch

geprägten Themen, wie der EDV,

der Organisation der Verwaltung oder

der Aus- und Fort bildung. Darüber hinaus

stellen sich insbesondere im Bereich

der Personalführung verschiedenste

Herausforderungen.

Ich hatte mich nicht nur auf die

Rolle der «Chefin» einer Abteilung und

die Arbeit mit den Menschen dort gefreut,

sondern auch auf das Thema

Steuerstrafrecht gehofft und begann

nach dem Einweisungsjahr dementsprechend

als Sachgebietsleiterin einer

Straf- und Bußgeldsachenstelle. Diese

Stelle und auch die Steuerfahndung

sind in Baden-Württemberg und den

meisten anderen Bundesländern einem

Finanzamt angegliedert und für einen

überregionalen Bereich zuständig.

Die Straf- und Bußgeldsachenstelle

ist mit staatsanwaltschaftlichen Befugnissen

ausgestattet und als Ermittlungsbehörde

in den Grenzen der §§ 399 ff.

Abgabenordnung (AO) selbstständig

für die Verfolgung von Steuerstraftaten

zuständig. Als einzige Juristin war ich

hier Vorgesetzte von 10 Sachbearbeitern

des gehobenen Dienstes, welche

die Ermittlungsverfahren weitgehend

eigenständig durchführen, sowie einer

eigenen Geschäftsstelle.

Die praktische Ermittlungsarbeit

Bei meiner darauf folgenden Tätigkeit

war ich als Sachgebietsleiterin der

Steuerfahndung für 10 – 12 Fahnder

zuständig und als sog. Hauptsachgebietsleiterin

zudem für die Gesamtorganisation

der Fahndungsstelle, die

aus mehreren Sachgebieten besteht.

Während die Strafsachenstelle für

die Leitung und den Abschluss der Ermittlungsverfahren

zuständig ist, führt

die Steuerfahndung die eigentliche Ermittlungsarbeit

durch.

Man könnte sagen, dass man bei

der Fahndung im «tatsächlichen» Leben

ankommt, denn hier hilft das bisher

angesammelte theoretische juris tische

Fachwissen, insbesondere bei der Planung

und Durchführung von Durchsuchungseinsätzen,

im Pressejargon auch

«Razzien» genannt, nur bedingt. Vielmehr

ist die praktische Anwendung

und rechtlich korrekte Umsetzung der

Vorschriften von StPO und AO gefragt,

was gar nicht so einfach ist, wie man

sich das vielleicht vorstellen mag. Es

gibt nämlich viele Fragen, die sich erst

in der Praxis stellen und dort z.B. während

einer Durchsuchung auch unter

96

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Zeitdruck beantwortet werden müssen.

Die Antworten sind aber teilweise

weder direkt aus der StPO herauszulesen,

noch in den Kommentierungen

auffindbar.

Beispielsweise können sich folgende

Fragen ergeben:

❯❯

Welche konkreten Maßnahmen sind

von meinem Durchsuchungsbeschluss

gedeckt?

❯❯

Darf ich z.B. fotografieren und wenn

ja, aus welchen Gründen?

❯❯

Wie ist zu verfahren, wenn behauptet

wird, dass der Gegenstand, den man

beschlagnahmen will (z.B. Laptop oder

Handy), einer dritten Person gehört?

❯❯

Wie setze ich die Beweissicherung verhältnismäßig

um, möglichst ohne dass

der Betrieb länger lahmgelegt wird?

❯❯

In welchen Situationen rufe ich den

Schlüsseldienst, um in ein Durchsuchungsobjekt

zu gelangen?

❯❯

Wie geht man damit um, wenn jemand

die Durchsuchung stört, und wie setzt

man z.B. § 127 StPO praktisch um?

❯❯

Ist einem Firmenvertreter oder Rechtsanwalt,

der für eine Firma tätig ist,

deren Steuern verkürzt wurden, die

Teilnahme an der Vernehmung einer

angestellten Zeugin zu gestatten und

so die Gefahr der Beeinflussung dieser

hinzunehmen?

Auf Menschen eingehen

Außer diesen Fragen der Rechtsanwendung

in der Praxis ergeben sich im

Einsatz aber auch andere als rechtliche

Fragen, insbesondere zum Umgang

mit den Menschen, die man mit einer

Durchsuchungsmaßnahme überrascht.

Hier bedarf es eines gewissen Maßes

an allgemeiner Lebenserfahrung, um

auf die unterschiedlichsten Situationen

und Menschen eingehen zu können.

Die Steuerfahndung ermittelt nämlich

nicht nur – wie es vielleicht in der

Presse den Anschein macht – bei Banken,

Großkonzernen oder Millionären,

sondern, um nur einige Branchen aufzuzählen,

auch bei Schrotthändlern, in

der Gastronomie, bei Ärzten, Handwerkern

oder auch bei hochkriminellen

und organisierten Banden, welche mit

sog. Umsatzsteuerkarussellen riesige

Summen hinterziehen. Auf all diese

unterschiedlichen Menschen, die sich

i.d.R. bei einer Durchsuchung ihrer

Räume in einer extremen Stresssituation

befinden, sollte man eingehen

können, auch um Gefahren für sich

und die Kollegen zu vermeiden und die

Maßnahme erfolgreich durchführen zu

können. Bei Großkonzernen wiederum

sieht man sich ggf. einer enormen

Riege von Rechtsanwälten und Steuerberatern

gegenüber, mit denen man

rechtliche Diskussionen führen muss.

Allrounder gefragt!

So spannend die eigentliche Fahndung

auch ist, möchte ich nicht den falschen

Eindruck erwecken, dass dies die einzige

Aufgabe eines Sachgebietsleiters

dort ist. Erwähnenswert ist auch die

Zusammenarbeit mit anderen Behörden,

wie Staatsanwaltschaft, Zoll oder

Polizei.

Neben den rechtlich anspruchsvollen

Themen wie z.B. Umsatzsteuerbetrug,

«cum-ex»- oder «cum-cum»-Geschäften,

mit denen man sich auseinandersetzt,

liegt der wesentliche Schwerpunkt der

Aufgaben in der Leitung und Organisation

der Stelle sowie der Personalplanung,

-entwicklung und -führung. Hier

ist eine gute Mischung aus Teamarbeit

mit den Fahndern und Führung dieser

gefragt, da man neben der Fallverteilung

und der Verantwortung für die

zügige und sachgerechte Fallerledigung

auch recht intensiv in die Fallbearbeitung

einbezogen ist.

»

Um es zusammenfassend zu beschreiben, sollte

man für diesen Job ein Allroundtalent und nicht

ausschließlich Jurist sein.

Meine Person betreffend, habe ich es

glücklicherweise gewagt, mich auf das

unbekannte Terrain des Steuerrechts

zu begeben, da ich die besonders spannende

und abwechslungsreiche Tätigkeit

als Sachgebietsleiterin der Steuerfahndung

wirklich gerne ausgeübt habe.

Ich freue mich, wenn ich mit diesem

Artikel bei manchen vielleicht

Interesse an der Tätigkeit als Jurist in

der Steuerfahndung oder besser noch

als Führungskraft in der Finanzverwaltung

insgesamt wecken konnte.

Denn die Fahndung ist zwar m.E. der

spannendste, aber nicht der einzig interessante

Tätigkeitsbereich hier. Ehrlich

gesagt, ist es beruhigend zu wissen,

dass man als Beamtin nicht nur

einen si cheren Arbeitsplatz hat, sondern

auch, dass man dennoch nicht

40 Berufsjahre lang dieselbe Tätigkeit

ausüben muss. Wer mehr über die

Einstellungsvoraussetzungen und Perspektiven

erfahren will, kann dies über

die Homepage der OFD Karlsruhe bzw.

den Link http://www.zu-hoeheremdienst-berufen.de/.

Katrin Kühl

* Katrin Kühl ist Oberregierungsrätin und derzeit

Leiterin der Betriebsprüfung beim Finanzamt

Rastatt. Sie trat Ende 2006 in den höheren Dienst

der Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg

ein, war zunächst Sachgebietsleiterin der

Straf- und Bußgeldsachenstelle und danach sechs

Jahre lang Hauptsachgebietsleiterin der Steuerfahndung

beim Finanzamt Karlsruhe-Durlach.

Autorinnenfoto: privat

Illustration (S. 96): de.fotolia.com/# Nr. 121696965

© ivector

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 97


Die praktischen Ratgeber

für juristische Hausarbeiten.

Thomas/Putzo · ZPO

mit FamFG · GVG · Einführungsgesetze ·

EU-Zivilverfah rensrecht

Begründet von Prof. Dr. Heinz Thomas und

Prof. Dr. Hans Putzo, München, Vizepräs.

des BayObLG a.D.; fortgeführt von Dr. Klaus

Reichold, VorsRi BayObLG München a.D.,

Dr. Rainer Hüßtege, VorsRiOLG München und

Dr. Christian Seiler, RiOLG.

39. Auflage. 2018. XXXVII, 2512 Seiten.

In Leinen € 63,–

ISBN 978-3-406-71928-8

Jauernig · BGB

Herausgegeben von Prof. Dr. Dres. h.c. Rolf

Stürner, Universität Freiburg.

17. Auflage. 2018. Rund 2500 Seiten.

In Leinen ca. € 70,–

ISBN 978-3-406-71269-2

In Vorbereitung.

Jarass/Pieroth · GG

Von Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M., Münster,

und Prof. Dr. Bodo Pieroth, Münster.

14. Auflage. 2016. XXVIII, 1386 Seiten.

In Leinen € 55,–

ISBN 978-3-406-69379-3

Kopp/Ramsauer · VwVfG

Begründet von Prof. Dr. Ferdinand O. Kopp.

Fortgeführt v. Prof. em. Dr. Ulrich Ramsauer,

RA, VorsRi Hamburgisches OVG a.D., und

Dr. Peter Wysk, RiBVerwG und Dr. Carsten

Tegethoff, RiBVerwG

18. Auflage. 2017. XXXII, 1990 Seiten.

In Leinen € 62,–

ISBN 978-3-406-71056-8

Kopp/Schenke · VwGO

Herausgegeben von Prof. Dr. Wolf-Rüdiger

Schenke, Universität Mannheim.

23. Auflage. 2017. XXX, 2066 Seiten.

In Leinen € 65,–

ISBN 978-3-406-70767-4

Geiger/Khan/Kotzur · EUV/AEUV

Von Prof. Dr. Rudolf Geiger,

Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan und

Prof. Dr. Markus Kotzur

6. Auflage. 2017. XXXIII, 1254 Seiten.

In Leinen € 129,–

ISBN 978-3-406-67480-8

Schmidt · EStG

Herausgegeben von Prof. Dr. Heinrich

Weber-Grellet. Begründet von

Prof. Dr. Ludwig Schmidt

37. Auflage. 2018. XXVII, 2600 Seiten.

In Leinen € 109,–

ISBN 978-3-406-71503-7

Zur 2. juristischen

Staatsprüfung zugelassen

in allen Bundesländern

Zur 2. juristischen

Staatsprüfung zugelassen

in vielen Bundesländern

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Juristinnen

und Juristen

in der

All gemeinen

Inneren

Verwaltung

und der

Verwaltungsgerichtsbarkeit

in

Bayern

Zugegeben, die Tätigkeit der Juristinnen und Juristen in

der öffentlichen Verwaltung erschließt sich nicht auf

den ersten Blick. Auch vermitteln das juristische Studium

sowie das Rechtsreferendariat noch immer zu wenig Einblicke

in die Praxis. Wie so oft lohnt sich aber ein zweiter

Blick:

Nur wenigen Referendarinnen und Referendaren ist bekannt,

wie viele unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für

Juristinnen und Juristen im öffentlichen Dienst und speziell

in der fachlich sehr breit gefächerten Inneren Verwaltung

bestehen. Die hier wahrzunehmenden Aufgaben sind

so vielfältig und aufgrund der unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten

auf allen Ebenen der öffent lichen Verwaltung

so facettenreich, dass kein fixiertes Berufsbild eines

Verwaltungsjuristen besteht. Vielmehr fügen sich diverse

Berufsbilder zu einem bunten Strauß an Möglichkeiten zusammen,

der in Bayern obendrein eine von vielen als reizvoll

empfundene Tätigkeit in der Verwaltungsgerichtsbarkeit

umfasst.

Verantwortung – Gestaltung – Gemeinwohl

Die Innere Verwaltung des Freistaats Bayern bietet die

Möglichkeit, bereits in jungen Jahren auf verschiedenen

Ebenen der Verwaltung Führungs- und auch Personalverantwortung

zu übernehmen. Eigenverantwortliches Arbeiten,

überdurchschnittlicher juristischer Sachverstand und

ein hohes Maß an Sozialkompetenz sind gefordert, wenn

Sie im Ministerium Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen,

an den Regierungen bedeutende Infrastrukturvorhaben

begleiten oder am Landratsamt als Leiterin oder Leiter

einer Abteilung rasche Entscheidungen, etwa im Katastrophenschutz,

treffen müssen. Eine Karriere in der Verwaltung

des Freistaats kann aber auch über die Grenzen

Bayerns hinausgehen. Eine berufliche Station in den Bayerischen

Vertretungen in Berlin oder Brüssel ist ebenso

möglich wie eine Tätigkeit als wissenschaft liche Mitarbeiterin

oder wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungs-

oder Bundesverwaltungsgericht.

Es ist praktisch alles möglich, wenn man die Chancen ergreift,

die sich bieten, und Veränderungen offen gegenübersteht.

Hierzu zählt durchaus auch ein heimatnaher

und die individuellen Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigender

beruflicher Einsatz. Was das konkret für den

Einzelnen bedeutet und wie sich ein möglicher Werdegang

in der In neren Verwaltung Bayerns gestalten lässt, zeigt

sich exem plarisch anhand folgender Lebensläufe.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 99


Dr. Simone Hilgers

Oberregierungsrätin bei der Regierung von Oberbayern in München

– aktuell in Elternzeit –

Meine berufliche Laufbahn als Juristin in der Allgemeinen

Inneren Verwaltung des Freistaats Bayern begann nach

einer vierwöchigen Hospitation bei der Regierung von

Oberbayern zunächst am Landratsamt Miesbach, und

zwar als Abteilungsleiterin für Bauen und Umwelt. Bereits

im Studium hatten wir ja gelernt, welche Aufgaben ein

Landrats amt erfüllt und so hatte ich eine grundsätz liche

Vorstellung davon, was mich erwarten würde. Allerdings

muss ich sagen, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt

meine Er wartungen übertroffen wurden. Meine Aufgaben

als Abteilungsleiterin hätten vielfältiger, abwechslungsreicher

und eigenverantwortlicher nicht sein können. Mein

Tätigkeitsfeld umfasste neben der juris tischen Überprüfung

von Baugenehmigungen und Planfeststellungsbeschlüssen

einschließlich der Wahrnehmung von Gerichtsterminen

sowie der Durchführung von Er örterungsterminen auch

Verhandlungen mit politischen Mandatsträgern, die Teilnahme

an Kreistagssitzungen, Pressegespräche, Besprechungen

mit Vertretern anderer Behörden und nicht zuletzt

herausfordernde Bürger- und Personalgespräche.

Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt, Einblick in den

(kommunal-)politischen Alltag im Landkreis erhalten und

die Abläufe direkt vor Ort mitgestaltet. Die eigene Entscheidung

unmittelbar umgesetzt zu sehen und die direkten

Auswirkungen erleben zu dürfen ist eine Art von Eigenverantwortung

und Gestaltungsmöglichkeit, die man so in

nur wenigen juristischen Berufen finden wird. Gleichzeitig

war ich als Abteilungsleiterin für ca. 60 Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter verantwortlich und konnte meine ersten

Erfahrungen als Führungskraft sammeln.

In jedem Lebensabschnitt aktiv

mitgestalten

Nach drei Jahren wechselte ich zur Regierung von Oberbayern,

um dort bei dem zu dieser Zeit drängendsten

Thema mitzuarbeiten – der Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen.

Hier habe ich zunächst als persönliche Referentin

die zuständige Bereichsleitung unterstützt. Trotz

gänzlich neuer Themenbereiche waren meine Aufgaben

nicht weniger vielgestaltig. Sie reichten von der Koordinierung

von Terminen und Bürgerinformationsveranstaltungen

über die konkrete Vorbereitung und Organisation

derselben vor Ort. Auch hier stand der Austausch mit Bürgerinnen

und Bürgern, anderen Behörden und Kolleginnen

und Kollegen sowie mit politischen Mandatsträgern auf

der Tagesordnung. Schon kurze Zeit später wechselte ich

sodann auf die Stelle der Pressesprecherin der Regierung

von Oberbayern. Diese Zeit war sicherlich meine bisher

spannendste, be reicherndste und herausforderndste zugleich.

Die organisatorische Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen

stellte für die zuständigen Behörden eine

Die Pressestelle ist zentraler Ansprechpartner für alle Medien.

Presseauskünfte, Interviews, Pressekonferenzen sowie der enge Austausch

mit den jeweils verantwort lichen Stellen gehören zum Tagesgeschäft.

100

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Herausforderung in einer neuen Größenordnung dar. Um

diese gesamtgesellschaftliche und historische Aufgabe zu

meistern, zogen alle Beteiligten an einem Strang. Entsprechend

intensiv und reizvoll waren all die Aufgaben,

die mich jeden Tag erwarteten. Ich konnte mich uneingeschränkt

einbringen und aktuelle Themen, quasi das

jeweilige Tages geschehen, aktiv mitgestalten. Tägliche

Presseauskünfte, Pressegespräche, Interviews, Pressekonferenzen

sowie der enge Austausch mit den jeweils verantwortlichen

Stellen, anderen Behörden und Interessenvertretern

forderten mich jeden Tag aufs Neue. Die

gewonnenen Einblicke und Erfahrungen möchte ich keinen

Tag missen.

Nach einer anschließenden elfmonatigen Elternzeit trat

ich eine Teilzeitstelle im Rahmen der «Ausbildung der

Rechtsreferendare» bei der Regierung von Oberbayern an,

sicherlich die «juristischste» Tätigkeit in meiner bis herigen

Laufbahn. Das Sachgebiet ist für die Ausbildung der

Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare und deren

Vorbereitung auf das Zweite Juristische Staatsexamen im

Bereich des öffentlichen Rechts zuständig. In meine Zuständigkeit

fällt die Überarbeitung und Aktualisierung von

Unterlagen für die Arbeitsgemeinschaften wie auch die tatsächliche

Lehrtätigkeit; es gilt die Rechtsreferen darinnen

und Rechtsreferendare bestmöglich auf die bevorstehenden

Prüfungen vorzubereiten. Den Austausch mit jungen

Nachwuchskräften empfinde ich immer wieder als bereichernd,

und die Aufgabe, die kommende Juristengeneration

auszubilden und auf die Berufswelt vorzube reiten, als eine

schöne Verantwortung. Zumal einige von ihnen künftige

Kolleginnen und Kollegen sein werden.

Ich habe viel Freude an meiner Arbeit, was für alle meine

bisherigen beruflichen Stationen gilt. Zu jedem Zeitpunkt

habe ich mich mit hochinteressanten, abwechslungsreichen

Themen beschäftigt. Hierbei wurde ich stets individuell

gefördert. Insbesondere mein Wechsel von einer

Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung wurde optimal unterstützt.

Ich kann einen Großteil meiner Arbeit von zu

Hause aus erledigen. Ein Platz in der re gierungseigenen

Kita wurde mir sofort zugesichert, was den Wiedereinstieg

in das aktive Berufsleben erheblich erleichtert. So kann ich

meine Arbeit maximal flexibel gestalten und das meiste

aus der Arbeitszeit herausholen. Die Entscheidung, in die

Allgemeine Innere Verwaltung des Freistaats Bayern zu

gehen, würde ich immer wieder treffen. Dafür spricht aus

meiner Sicht: ein hochinte ressantes, abwechslungsreiches

Tätigkeitsfeld bei guter Bezahlung mit einer großen Bandbreite

an Entwicklungsmöglichkeiten. Daneben ein Arbeitgeber

– im Beamtenbereich Dienstherr genannt – , der insbesondere

mit fle xiblen Arbeitszeitmodellen und in

moderner Art und Weise die Vereinbarkeit von Beruf und

Familie ermöglicht.

Frank Unkroth

Regierungsdirektor im Bayer. Staatsministerium des Innern und für Integration

in München

Dass man als Nicht-Bayer auch im Freistaat herzlich aufgenommen

wird, hatte ich bereits während meiner Referendarzeit

in Bamberg erfahren dürfen. Gleichwohl habe

ich die Entscheidung zugunsten der Allgemeinen Inneren

Verwaltung in Bayern eher zufällig getroffen und letztlich

meinem Bauchgefühl vertraut. Sie war in erster Linie dem

Umstand geschuldet, dass ich schon kurze Zeit nach dem

Absenden meiner Bewerbung einen Anruf, die Einladung

zu einem Vorstellungsgespräch und ein konkretes Angebot

für den Berufseinstieg erhalten hatte. Diese Offenheit und

die hierdurch zum Ausdruck kommende Verlässlichkeit

meines Dienstherrn schätze ich bis heute.

Den vielbesagten bunten Strauß an Möglichkeiten in der

Inneren Verwaltung vor Augen hatte ich mich im Juni

2007 im Bayerischen Innenministerium vorgestellt und

schließlich eine Stelle als Proberichter am Verwaltungsgericht

in Bayreuth angetreten. Nach einem Gespräch mit

dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts fing ich im August

2007 am Verwaltungsgericht an und war je zur Hälfte

in der Kammer für Beamtenrecht sowie einer wei teren

Kammer für Kinder- und Jugendhilferecht, Ausbildungsförderung

und Schulrecht tätig. Zwar hatte man das

Schreiben von Urteilen und Beschlüssen im Referendariat

gelernt, die Auseinandersetzung mit den genannten Rechts-

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 101


Die Digitalisierung ist der große Megatrend unserer Zeit.

Unser Ziel ist es, auch im virtuellen Raum ein hohes Sicherheitsniveau für

Bayerns Bürger und Unternehmen zu gewährleisten.

materien war jedoch Neuland. Das hieß schon kurze Zeit

nach dem Zweiten Examen erneut weiter zu lernen.

Die Tätigkeit am Verwaltungsgericht hat den ungemeinen

Vorteil, dass man in einer Kammer entscheidet und damit

jedenfalls als Berufseinsteiger stets im Team agiert. Denn

eine Tätigkeit als Einzelrichter kommt in klassischen Verfahren

erst nach einem Jahr, im Asylrecht nach sechs Monaten

in Betracht. Schließlich kommt jeder Richterin und

jedem Richter hohe Verantwortung zu, sobald im Namen

des Volkes in richterlicher Unabhängigkeit Rechtsstreitigkeiten

– am Verwaltungsgericht zwischen Bürger und

Staat – entschieden oder besser noch einer einvernehmlichen

Lösung zugeführt werden.

Es ist eine bayerische Besonderheit, dass nur jemand als

Richter auf Lebenszeit am Verwaltungsgericht ernannt

wird, der auch über praktische Verwaltungserfahrung

verfügt. Nicht selten schreckt dies den einen oder anderen

Bewerber ab, weil man nicht weiß, ob und wann eine

Rückkehr zum Gericht erfolgen wird. Derartige Bedenken

sind allerdings unberechtigt. Sicherlich erfolgt eine Ernennung

von Verwaltungsrichtern nur, sofern Bedarf besteht

und auch eine Stelle frei ist. Nicht jeder frühere Proberichter

kehrt nach seinem Wechsel in die Innere Verwaltung aber

in die Verwaltungsgerichtsbarkeit zurück. Zusätzlich steht

auch den Kolleginnen und Kollegen eine Tätigkeit am Verwaltungsgericht

offen, die zuvor nicht als Proberichterin

oder Proberichter tätig waren. Zudem sichert das bayerische

Modell eine sehr praxis orientierte Rechtsprechung.

Man weiß nicht nur, worüber man entscheidet, sondern

auch welche Folgen und Umsetzungsschwierigkeiten eine

Entscheidung auslösen kann.

Gerade der Wechsel zwischen Verwaltung

und Verwaltungsgerichtsbarkeit

schärft den Blick und eröffnet ungeahnte

Betätigungsmöglichkeiten

Ich selbst habe es stets als sehr beruhigend empfunden,

nicht auf ein Berufsbild festgelegt zu sein, sondern

auch Einblicke in andere Betätigungsfelder zu erhalten. So

schloss sich für mich zunächst an meine Proberichterzeit

eine zweijährige Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter

im 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig

an, der zu jener Zeit u. a. für das Kommunalrecht, das

Wirtschaftsverwaltungsrecht und das Recht der freien

Berufe zuständig war. Hier galt es in größeren Revisionsverfahren

Vorgutachten zu erstatten und die Entscheidung

des Senats vorzubereiten. Besonders spannend waren freilich

die mündlichen Verhandlungen und die Teilnahme an

der Beratung des Senats.

Nach diesem praktischen Einblick in die höchstrichterliche

Verwaltungsrechtsprechung wechselte ich auf eine

Referentenstelle in die Abteilung Verfassungsschutz und

Cyber sicherheit des Innenministeriums in München. Statt

Schlapphut und James-Bond-Manier standen hier sicherheitsrechtliche

Fragen im Fokus, die neben der Extremismusbekämpfung

und der Rechtsaufsicht über das Bayerische

Landesamt für Verfassungsschutz auch klassische

Gebiete wie das Waffen- und Versammlungsrecht umfassten.

Über meine konkreten Aufgaben darf ich selbstverständlich

nichts Näheres sagen …

Nach dieser Zeit im Innenministerium wechselte ich

wunschgemäß nach Oberfranken zurück und ging an das

102

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Landratsamt Forchheim. Dort wurde mir die Leitung der

Dienststelle in Ebermannstadt samt der dortigen Abteilung

für Bauen und Umwelt übertragen. Zunächst beschränkten

sich meine baurechtlichen Erfahrungen zwar

auf die graue Theorie, dies änderte sich aber schnell. Herausfordernd

und spannend waren dabei weniger die juristischen

Detailfragen, die im Arbeitsalltag seltener, aber

durchaus auch vorkamen, sondern vor allem die Möglichkeiten

der Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort.

Beraten, informieren und im Streitfall Lösungen aufzeigen,

die für alle Beteiligten einen gangbaren Weg darstellen, ist

nicht immer leicht, aber letztlich das Salz in der Suppe

eines Verwaltungsjuristen. Auf diese Weise kann man

selbst erleben und praktizieren, was es heißt, Ermessen

auszuüben und Beurteilungsspielräume zu nutzen und

trotzdem Recht und Gesetz zu wahren. Größere Gestaltungsmacht

hat man in keiner anderen Position in der öffentlichen

Verwaltung.

Seit März 2017 bin ich nun erneut im Innenministerium

und in erster Linie für Fragen der Aus- und Fortbildung

zuständig. Was der weitere Lebensweg bringt, wird sich

zeigen. Eines ist aber sicher: Langweilig wird es nicht

werden.

Daniela Simeonova

Oberregierungsrätin bei der Vertretung des Freistaates Bayern bei der

Europäischen Union in Brüssel

Wie mein Name bereits erahnen lässt, bin ich gebürtige

Bulgarin. Ich kam nach Deutschland, um in Augsburg Jura

zu studieren und entschied mich, nach dem Studium in

Augsburg zu bleiben. Meine Herkunft habe ich im Bewerbungsprozess

und auf dem weiteren beruflichen Weg zu

keinem Zeitpunkt als Nachteil empfunden.

Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen stand ich

während und vor allem nach dem Referendariat vor der

Entscheidung: Anwaltschaft oder öffentlicher Dienst. Die

einzelnen Stationen im Rechtsreferendariat boten bereits

einen guten Überblick, aber erst nach der schriftlichen

Prüfung stand für mich fest, dass ich im öffentlichen

Dienst, und zwar nicht in einer kommunalen, sondern in

der Staatsverwaltung, arbeiten will. Mich reizten neben

der Arbeitsplatzsicherheit und der Vereinbarkeit von Familie

und Beruf vor allem die äußerst vielfältigen beruflichen

Perspektiven.

Meine erste Stelle war aufgeteilt auf das Landrats amt

Günzburg und die Regierung von Schwaben. Während ich

drei Tage in der Woche die Abteilung Öffentliche Sicherheit

und Ordnung im Landratsamt betreute und mich um ausländer-,

waffen- sowie versammlungsrechtliche Fragen

kümmerte (etwa die juristische Begleitung schwieriger

Abschiebungen oder großer Versammlungslagen), bastelte

ich an den zwei anderen Tagen unter der Woche an Plan­

feststellungsbeschlüssen für den Straßenbau. So durfte ich

von Anfang an die Arbeitsweise sowohl einer unteren als

auch einer mittleren Staatsbehörde kennenlernen.

Später wechselte ich in Vollzeit zum Landratsamt Günzburg

und übernahm die Abteilung Kommunales und Soziales.

Als junge Abteilungsleiterin im Landratsamt übernahm

ich sehr früh große Personalverantwortung und

schreckte auch nicht davor zurück, Entscheidungen zu

treffen. Das macht den Berufsalltag umso abwechslungsreicher.

Die Zeit im Landratsamt will ich auf keinen Fall

missen; neben spannenden juristischen Fragen hat man

einen ganz engen Kontakt zum Bürger, aber auch zu seinen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die praktische Anwendung

des Rechts und die Möglichkeit, die konkreten

Auswirkungen auf das tägliche Leben zu be obachten, sind

nur einige der Vorzüge dieser Tätigkeit.

Nach knapp zweieinhalb Jahren in dieser Position stand

ein beruflicher Wechsel an. Ich liebte meine Arbeit und

war daher nur schweren Herzens zu einer Veränderung

bereit. Nach einigem Überlegen entschied ich mich dennoch

für eine Referentenstelle im Innenministerium in

München im Bereich Rettungsdienst. Eine Entscheidung,

die ich nie bereut habe. Während man im Landratsamt als

Abteilungsleiter sofort viel Verantwortung trägt, fängt man

im Ministerium zunächst als Referent vergleichsweise

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 103


Katastrophenschutz ist eine staatliche Aufgabe.

Kern dieser Aufgabe ist es, Katastrophen abzuwehren und die dafür

notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen.

«klein» an. Grundlegende Entscheidungen werden von der

Sachgebiets- bzw. Referatsleitung oder der Abteilungsleitung

getroffen. Und während der Abteilungsleiter im Landratsamt

in vielen Rechtsgebieten unterwegs ist, arbeitet

man im Ministerium sehr spezialisiert und fokussiert in

einem bestimmten Rechtsgebiet. Das Rettungsdienstrecht

ist eine Materie der Länder, sodass man sich nach einer gewissen

Einarbeitungszeit schnell zu einem der wenigen

Spezialisten entwickelt. Während meiner Zeit im Sachgebiet

Rettungsdienst konnte ich ganz eng die Änderung des Rettungsdienstgesetzes

begleiten und vertieft juristisch arbeiten

– diese Gelegenheit hat man im Landratsamt aufgrund

der Themenfülle und der Führungsbreite eher selten.

Von Augsburg nach Günzburg, München

und Brüssel – ein eher gewöhnlicher

Werdegang? – Nein, keineswegs …

In der Regel wechselt man als junger Jurist im Minis terium

nach zwei bis drei Jahren die Stelle, um möglichst viele

Bereiche des Ministeriums kennenzulernen. So kam es,

dass ich nach meiner Zeit im Rettungsdienst bereich stellvertretende

Leiterin des Sachgebiets «Öffentlichkeitsarbeit»

wurde und mich um die Vorbereitung von Ver anstaltungen

(z.B. der Tag der offenen Tür), die Erstellung von Broschüren

und viele andere spannende, teils auch weniger juristische

Themen kümmerte. Eine sehr kurzweilige, kreative

und ungemein reizvolle Aufgaben.

Parallel zu meiner Tätigkeit im Innenministerium in München

absolvierte ich ein einjähriges Fortbildungsprogramm

der Bayerischen Staatskanzlei mit Schwerpunkt

Europa. Der Zufall wollte es, dass nach Abschluss dieses

Programms eine Stelle in der Vertretung des Freistaats

Bayern in Brüssel frei wurde, was mir einen weiteren beruflichen

Wechsel ermöglichte. Die Bayerische Vertretung

in Brüssel ist organisatorisch der Baye rischen Staatskanzlei

zugeordnet. Als Bindeglied zwischen München und

Brüssel ist es meine Aufgabe, die vielfältigen Themenbereiche

des Innenministeriums zu beobachten, die Kolleginnen

und Kollegen in München zu informieren, Veranstaltungen

zu relevanten Themen und Besucher aus

Bayern zu betreuen – ein im Vergleich zu meinen bisherigen

Tätigkeiten vollkommen anderes Aufgabenfeld. Nun

bin ich bereits seit einigen Monaten in Brüssel und würde

diesen «Blick über den Tellerrand» in einer internationalen

Umgebung jedem, der die Möglichkeit hierzu erhält, ans

Herz legen.

Der Geschäftsbereich der Allgemeinen Inneren Verwaltung

bietet eine unglaubliche Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten

für Juristen – man muss nur neu gierig und wissbegierig

bleiben! Im Übrigen schätzen wir nicht nur

Flexibilität, sondern können auch Kon tinuität bieten. So

muss niemand befürchten, gegen seinen Willen etwa von

Unterfranken ins Alpenvorland versetzt zu werden – es

sei denn, Sie fahren gern Ski und wollen eine Ortsveränderung.

Autorenfotos: privat

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Querschnittsaufgabe

Gleichstellungsbeauftragte

Jobcenter als Alternative im öffentlichen Dienst

❯❯

Von Janine Klimsa *

Der öffentliche Dienst bietet Juristinnen

und Juristen viele

Tätigkeitsfelder auf Bundesoder

Landesebene und in

der kommunalen Verwaltung. Bei meiner

Jobsuche unmittelbar nach dem

Referendariat durfte ich fest stellen,

dass – neben den «klassischen» Berufen

als Richterin oder Richter, Staatsanwältin

oder Staatsanwalt oder Beschäftigte

bzw. Beschäftigter in einem

Rechtsamt – der Bereich der Grundsicherung

in den Jobcentern bundesweit

eine Vielzahl von Möglichkeiten

im Hinblick auf eine juristische Tätigkeit

zu bieten hat.

Ich habe als Juristin beim Jobcenter

zunächst in der Leistungssachbearbeitung

gearbeitet, mich dann in

den Bereich Controlling Finanzen begeben

und bin nun seit vier Jahren

als Gleichstellungsbeauftragte tätig.

Die unmittelbar der Dienststellenleitung

zugeordnete Gleichstellungsbeauftragte

gehört zur Personalverwaltung

des Jobcenters. Anders als in den

kommunalen Verwaltungen bin ich für

die Amtszeit von vier Jahren von den

weiblichen Beschäftigten des Jobcenters

gewählt. In der Ausübung meiner

Tätigkeit bin ich weisungsfrei.

Die rechtlichen Grundlagen der Gleichstellung

von Frauen und Männern ergeben

sich aus dem Grundgesetz (GG),

dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

(AGG) und dem Bundesgleichstellungsgesetz

(BGleiG). Daneben sind

Kenntnisse des Arbeitsrechts, insbesondere

zum Teilzeit- und Befristungsgesetz

(TzBfG), zum Mutterschutzgesetz

(MuSchG), zum BGB und zum Kündigungsschutzgesetz

(KSchG), unabdingbar.

Immer stärker in den Fokus rücken

die Gesetze rund um die Pflege von Angehörigen.

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Die Gleichberechtigung von

Frauen und Männern ist bereits

im Grundgesetz verankert

In Art. 3 Abs. 2 GG heißt es:

«Männer und Frauen sind

gleich berechtigt. Der Staat fördert die

tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung

von Frauen und Männern

und wirkt auf die Be seitigung bestehender

Nachteile hin.»

Damit legt bereits das Grundgesetz die

Gleichberechtigung von Frauen und

Männern sowie den Auftrag zur staatlichen

Förderung fest. Das Allgemeine

Gleichbehandlungsgesetz verfolgt das

Ziel, die Benachteiligung aus Gründen

der Rasse oder wegen der ethnischen

Herkunft, des Geschlechts, der Religion

oder Weltanschauung, einer Behinderung,

des Alters oder der sexuellen

Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Als Ausprägung des im GG verankerten

Gebotes ist am 5.12.​2001 das

Gesetz für die Gleichstellung von Frauen

und Männern in der Bundesverwaltung

und in den Unternehmen und Gerichten

des Bundes – Bundesgleichstellungsgesetz

– in Kraft getreten. Ziel

des BGleiG ist, die Gleichstellung von

Frauen und Männern zu verwirklichen,

bestehende Benachteiligungen aufgrund

des Geschlechts, insbesondere Benachteiligungen

von Frauen, zu beseitigen

und künftige Benachteiligungen zu verhindern

sowie die Familienfreundlichkeit

und die Vereinbarkeit von Familie,

Pflege und Berufstätigkeit für Frauen

und Männer zu verbessern.

Zu meinen Aufgaben zählt insbesondere,

die Dienststelle darin zu

unterstützen, die Ziele des BGleiG zu

erreichen. So wirke ich bei allen personellen,

organisatorischen und sozialen

Maßnahmen der Dienststelle mit, die

die Gleichstellung von Frauen und

Männern, die Beseitigung von Unterrepräsentanzen,

die Vereinbarkeit von

Familie, Pflege und Berufstätigkeit sowie

den Schutz vor sexueller Belästigung

am Arbeitsplatz betreffen. Daneben

ist es mir ein hohes Bedürfnis, die

Gleichstellung von Frauen und Männern

auch sprachlich zum Ausdruck

zu bringen.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

mit Geschäftsführung, Führungskräften

und Personalverwaltung

Meine Einbeziehung in alle personellen,

organisatorischen und sozialen Maßnahmen

muss durch die Geschäftsführung

frühzeitig und umfassend zu

Beginn des Willensbildungsprozesses

erfolgen. Die Teilnahme an Arbeitskreisen

und anderen geschäftspolitischen

Besprechungen wird mir durch die Geschäftsführung

ermöglicht. Sofern dies

nicht geschieht, habe ich ein Einspruchsrecht

gegen die beabsichtigte Maßnahme

bzw. gegen den Ausschluss von Besprechungen.

Dieses kann im Rahmen

eines gerichtlichen Verfahrens vor dem

Verwaltungsgericht enden.

Eine meiner Kernaufgaben ist zudem

die Rekrutierung von Personal.

Dabei stelle ich sicher, dass der Inhalt

der Bewerbungsgespräche und das Auswahlverfahren

keiner geschlechterspezifischen

Benachteiligung unterliegen.

In Vorstellungsgesprächen sind Fragen

nach dem Familienstand, einer bestehenden

oder geplanten Schwangerschaft

sowie nach einer bestehenden oder geplanten

Familien- oder Pflegezeit nicht

zulässig. Zudem gibt § 7 BGleiG weitere

formelle Voraussetzungen vor, die bei

der Durchführung von Bewerbungsgesprächen

zu beachten sind. Gerade

in den Positionen der Führungskräfte

stelle ich in den Bewerbungsgesprächen

immer wieder fest, dass Teilzeitkräfte,

insbesondere weibliche Beschäftigte

oder auch jüngere Frauen, oft

benachteiligt werden. Trotz fach licher

Eignung werden Vorbehalte wie: «Wer

nur halb da ist, verpasst die Hälfte

oder ist auch nur halb motiviert», «Entweder

Kinder oder Karriere» oder «Sie

gehen immer früh, bekommen nicht

alles mit oder kommen gar nicht, wenn

ein Kind krank ist» gehegt und gepflegt.

Auch wenn viele wissenschaftliche

Studien belegen, dass eine Karriere

in Teilzeit sehr gut möglich und

auch effektiv ist, ist es notwendig, die

Rekrutierung, Einarbeitung und Entwicklung

einschließlich Beförderung

von Beschäftigten durch die Gleichstellungsbeauftragte

zu überwachen.

Gleichzeitig stehe ich allen Beschäftigten

des Jobcenters als Beraterin in

allen gleichstellungsrelevanten Fragen

zur Verfügung. Die Fragestellungen der

Kolleginnen und auch der Kollegen sind

breit gefächert – über die Regelungen

106

Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


zum Mutterschutz und zur Elternzeit,

die Auswirkungen der Arbeitszeitreduzierungen

nach dem Teilzeit- und

Befristungsgesetz (Urlaubsansprüche,

Rente, Beförderung), die arbeitsrechtlichen

Ansprüche bei Kündigung etc.

bis hin zum rechtlichen Rahmen der

Pflege. Neben den verschiedenen Rechtsgebieten

sind auch die Regelungen der

verschiedenen Tarifverträge von großer

Bedeutung.

Ein gutes Netzwerk ist hilfreich

Aufgrund des sehr umfangreichen gesetzlichen

Rahmens und der verschiedenen

tarifrechtlichen Bestimmungen

bin ich sehr glücklich über ein gut funktionierendes

Netzwerk der Gleichstellungsbeauftragten

der Jobcenter. Jede

Kollegin bietet Hilfe und Unterstützung

sowie wertvolle Tipps bei noch nicht

dagewesenen Problemstellungen. Sowohl

die Pflege des Netzwerkes im

Rahmen von persönlichen Treffen (umliegende

Jobcenter, landesweit, bundesweit)

als auch die Unterstützung im

Tagesgeschäft per E-Mail und Telefon

dürfen nicht vernachlässigt werden.

Der Austausch über neuste Rechtsprechung

und die Vorgehensweisen der

unterschiedlichen Dienststellen in allen

personellen Belangen stehen bei den

persönlichen Treffen auf der Tagesordnung.

Auch wenn das Gleichstellungsrecht

in der Juristerei eine Nebenrolle

spielt, gibt es Expertinnen und Experten,

die mir immer mit Rat und Tat zur

Seite stehen.

Die eigenen Soft Skills

hinterfragen

Für die Überlegung, ob man eine Tätigkeit

in einem Jobcenter aufnehmen

möchte, sollte man sich mit dem gesetzlichen

Konstrukt des Jobcenters und

ihren diversen Tätigkeitsfeldern auseinandersetzen.

Zudem ist es sinnvoll,

die eigenen Soft Skills zu hinterfragen.

Teamfähigkeit, Empathie, Belastbarkeit

sowie Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit

sind persönliche Eigenschaften, über

die man verfügen sollte.

Die Aufgaben der Grundsicherung

für Arbeitsuchende nehmen die Jobcenter

nach dem Sozialgesetzbuch II

wahr. Diese können in zwei unterschiedlichen

Organisationsmodellen organisiert

sein: zum einen als gemeinsame

Einrichtung als Zusammenschluss des

kommunalen Trägers und der Bundesagentur

für Arbeit, zum anderen als zugelassene

kommunale Träger. Aufgrund

der unterschiedlichen Organisationsformen

kann sowohl die ortsansässige

Kommune als auch die Bundesagentur

für Arbeit als Arbeit geberin bzw. Arbeitgeber

für eine zukünftige Anstellung

fungieren.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende

umfasst Leistungen zur Beratung,

Beendigung oder Verringerung

der Hilfebedürftigkeit insbesondere

durch Eingliederung in Ausbildung

oder Arbeit (Arbeitsvermittlung) und

die Sicherung des Lebensunterhalts

(Leistungsabteilung). Der erste Einstieg

in die berufliche Tätigkeit in einem

Jobcenter findet sich auf Ebene des

ge hobenen Dienstes zumeist in der

Leistungsabteilung, aber auch bei der

Arbeitsvermittlung. Die Rechtsmaterie

der Sozialgesetzbücher ist sehr vielfältig

und von essentieller Bedeutung.

Neben den Kernaufgaben der Leistungsgewährung

und der Arbeitsvermittlung

können Tätigkeiten in der

Widerspruchsstelle, der Unterhaltsheranziehung,

der Abteilung zur Verfolgung

von Ordnungswidrigkeiten nebst

Ermittlungsdienst und im Querschnitt

(Personal, Controlling, Finanzen, Vertragsrecht,

Infrastruktur, Datenschutz)

interessant sein. Die Themen reichen

dort von Anwendung des BGB (Mietrecht,

Unterhalt, etc.), den Vorschriften

der Vergabe, dem Zuwendungsrecht

und der Bundeshaushaltsordnung

bis hin zu Datenschutz und Arbeitsrecht.

Fazit

Nun kann man sich fragen, ob es heutzutage

tatsächlich noch einer Stelle zur

Durchsetzung der Gleichstellung von

Frauen und Männern bedarf. Diese

Frage habe ich mir vor nunmehr vier

Jahren zunächst auch gestellt. Heute

kann ich jedoch mit Überzeugung sagen:

Der Weg zur finalen Gleichstellung

von Mann und Frau ist noch lang

und eine Gleichstellungsbeauftragte zur

Erreichung der Ziele unabdingbar. Meiner

Einschätzung nach wird dies auch

noch viele Jahre lang der Fall sein.

Eine Tätigkeit im Jobcenter bringt

eine hohe Flexibilität bei der Vereinbarkeit

von Familie, Pflege und Beruf

mit sich. Die Bedürfnisse der Beschäftigten

werden berücksichtigt und umgesetzt.

Neben diesen Aspekten ist die

Rechtsmaterie der Sozialgesetzbücher

äußert interessant und vielseitig. Aufgrund

der immer wiederkehrenden

rechtlichen Änderungen bleibt die Tätigkeit

herausfordernd und abwechslungsreich.

Janine Klimsa

* Janine Klimsa studierte Rechtswissenschaften

an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

und absolvierte das Rechtsreferendariat am

Landgericht Essen. Ihren Schwerpunkt richtete sie

im Studium auf das Arbeits- und Sozialrecht aus.

Während des Referendariates erfolgte die erste

Orientierung und Spezialisierung auf die öffentliche

Verwaltung. Seit 2009 ist sie über die Bundesagentur

für Arbeit in verschiedenen Tätigkeiten

beim Jobcenter Rhein-Kreis Neuss beschäftigt.

Autorinnenfoto: privat

Illustration (S. 106): www.istockphoto.com Nr. 496561827

© sorbetto

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Arbeiten im

politischen Berlin

Juristin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

❯❯

Von Dr. Friederike Kilian *

Eines vorweg: Eine Berufswahl zu haben,

ist ein echtes Privileg. Dank der

guten Arbeitsmarktlage werden aktuell

Referendarinnen und Referendare von

vielen offenen Türen empfangen. Um

eine geeignete Wahl treffen zu können,

muss man aber erst einmal wissen,

was man von seiner Arbeit erwartet

und welche Erwartungen man selbst erfüllen

möchte. Wer das jetzt noch nicht

weiß, der darf die erste Jobsuche dennoch

entspannt angehen: Oftmals bedarf

es etwas Praxis, das heißt Berufserfahrung,

um genau das herauszufinden.

Das BMAS

Meine Berufswahl hat mich nach etwa

drei Jahren in einer Großkanzlei in

den Staatsdienst, genauer: in das Bundesministerium

für Arbeit und Soziales

(BMAS), geführt, obwohl ich diese

Option direkt nach dem Referendariat

zunächst nicht näher in Betracht gezogen

hatte. Das BMAS ist eines von

14 Bundesministerien mit Sitz in Berlin

und Bonn. Es ist das Ministerium mit

dem größten Anteil am Bundeshaushalt,

was insbesondere der Zuständigkeit

für die Rentenversicherung und

die Grundsicherung geschuldet ist. Insgesamt

sind über 1200 Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer bzw. Beamtinnen

und Beamte für das Ministerium

tätig. Zusammengefasst kann man sagen,

dass das BMAS für das Arbeitsrecht

im Allgemeinen, die Systeme der

sozialen Sicherung – mit Ausnahme

der Kranken- und Pflegeversicherung –,

die Inklusion und für die Gestaltung

von Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung

zuständig ist.

Die vergangene Legislaturperiode

war eine sehr arbeitsintensive. Es wurden

viele neue Gesetze auf den Weg

gebracht und bestehende Regelungen

überarbeitet. Dabei waren nicht nur

der demographische Wandel und der

Arbeitsmarktzugang von Asylbewerberinnen

und Asylbewerbern leitende

Themen. So wurde beispielsweise auch

die Auswirkung des digitalen Wandels

auf unsere Art und Weise zu arbeiten

in einem Dialogprozess diskutiert und

die Ergebnisse im sogenannten «Weißbuch»

festgehalten. Der digitale und

der demographische Wandel werden

auch die neue Regierung weiter beschäftigen.

108

Beck’scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Der interministerielle Arbeitsstab

Meine bisherige Tätigkeit im BMAS

führte mich zunächst in den interministeriellen

Arbeitsstab der Beauftragten

der Bundesregierung für die

Belange von Menschen mit Behinderungen,

Verena Bentele. Obwohl ich

Beamtin des BMAS bin, war dieser

Einsatz möglich, weil die Beauftragte –

und damit auch ihr Arbeitsstab –

dem BMAS organisatorisch zugeordnet

sind.

Die Besonderheit des Arbeitsstabes

ist, dass Referentinnen und Referenten,

anders als teilweise in den Referaten

des BMAS, kein singuläres Thema bearbeiten,

sondern einen bunten Strauß

an Zuständigkeiten besitzen. Ich habe

dort beispielsweise das Betreuungsrecht

und verfassungsrechtliche Fragen

wie den Ausschluss vom Wahlrecht

von sogenannten «Vollbetreuten»

bearbeitet. Auch sozialrechtliche Themen

fielen in meine Zuständigkeit. So

wurde ich gleich zu Beginn meiner

Tätigkeit in die Arbeit am Bundesteilhabegesetz

involviert. Das war durchaus

herausfordernd, da ich meinen

fachlichen Schwerpunkt bis dahin ausschließlich

auf das Arbeitsrecht gelegt

hatte und mir das Sozialrecht daher,

bis auf einzelne Vorschriften, neu war.

Trotzdem hat es großen Spaß gemacht,

sich in die neue Materie einzuarbeiten

und mitzubekommen, wie ein Gesetzesentwurf

zustande kommt, was das

Parlament damit macht und wie der

Bundesrat reagiert. Die Arbeit findet

dabei nicht nur am Schreibtisch, sondern

auch im Rahmen von vielen

Besprechungen mit anderen Häusern

und Abgeordneten statt.

Was mir an der Arbeit im Arbeitsstab

besonders gefallen hat, waren die

flachen Hierarchien und die eigenverantwortliche

Arbeit. Die Tätigkeit war

vornehmlich juristisch geprägt, allerdings

war ich auch mit der Organisation

von Veranstaltungen betraut und

durfte die Beauftragte auf Terminen

vertreten. Die Arbeit war inhaltlich anspruchsvoll,

gleichzeitig wurde mir

ausreichend Zeit gegeben, mich in die

verschiedenen Materien einzuarbeiten

und mir ein Netzwerk aufzubauen.

Das Pressereferat

Nach zwei spannenden Jahren im Arbeitsstab

habe ich mich letztes Jahr

dazu entschieden, ins BMAS direkt zu

wechseln. Eine tolle Gelegenheit hierfür

war ein neues Modellprojekt der

Personalabteilung, das flexible Einsätze

in unterschiedlichen Bereichen – je

nach Bedarf in den Referaten – ermöglicht.

Seit Oktober 2017 bin ich im Rahmen

dieses Modellprojekts nun im Leitungs-

und Kommunikationsstab des

BMAS im Bereich Presse und Strategische

Kommunikation tätig. Auch hier

handelt es sich wieder um eine neue

Herausforderung, die ich als sehr bereichernd

empfinde. Als Juristin darf

ich nun mit an Pressemitteilungen arbeiten

und Presseanfragen beantworten.

Das Spannende daran ist, dass es

sich um juristisch anspruchsvolle Sachverhalte

handelt, die jedoch so nach

außen kommuniziert werden müssen,

dass sie auch für Nicht-Juristinnen und

-Juristen gut verständlich sind. Das ist

nicht immer einfach, bestätigt aber auch,

dass nur dann etwas einfach formuliert

werden kann, wenn es auch wirklich

verstanden wurde.

Ich glaube nicht, dass es mir in

der freien Wirtschaft möglich gewesen

wäre, mich in kurzer Zeit bereits in

zwei so unterschiedlichen Bereichen

auszuprobieren, ohne hierfür den Arbeitgeber

zu wechseln. Die Flexibilität

und Offenheit, die auch neuen Kolleginnen

und Kollegen entgegengebracht

wird, ist etwas, was ich von einem Ministerium

nicht erwartet hatte und

mich wirklich positiv überrascht hat.

Wirklich beeindruckend ist auch, wie

viel Fachwissen die Kolleginnen und

Kollegen besitzen. Gerade im Pressebereich,

wo Anfragen aus allen Themengebieten

des BMAS zusammenlaufen

und mit allen Abteilungen zusammengearbeitet

wird, erlebe ich dies jeden

Tag aufs Neue.

www.beck.de · Beck’scher Referendarführer 2018 / 2019 109


Die Karrierechancen

Als Beamtin in einer Bundesbehörde

weiß man bereits bei der Verbeamtung,

wohin die berufliche Entwicklung

im besten Fall führen kann. Während

dies auf der einen Seite natürlich

Sicherheit schafft, nimmt es auf der

anderen Seite auch den Berufsweg ein

Stück weit vorweg. Dessen muss man

sich bewusst sein. Andererseits gibt es

aber neben den Entwicklungsmöglichkeiten

im Haus auch viele weitere Optionen,

die bei entsprechender Eigeninitiative

auch den Weg ins Kanzleramt,

nach Brüssel, Genf und an viele Botschaften

weltweit eröffnen.

Vereinbarkeit von Beruf und

Familie/Freizeit

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

ist wahrscheinlich direkt nach dem

Referendariat nicht das wichtigste Kriterium

bei der Berufswahl. Allerdings

steht nach meinem Dafürhalten die

Handhabung dieses Themas stellvertretend

für die Einstellung des Arbeitgebers

bzw. des Dienstherren zum Verhältnis

von Arbeit und Freizeit bzw.

Privatleben. Für das Ministerium kann

ich nur bestätigen, dass beide Themen

eine wichtige Rolle spielen und auch

ernst genommen werden. Natürlich

muss man auch mal länger bleiben

und Termine in den Abendstunden

und am Wochenende wahrnehmen.

Dies ist aber die Ausnahme und für geleistete

Mehrarbeit wird zudem Freizeitausgleich

gewährt. Daneben werden

flexible Teilzeitmodelle angeboten

und eine hauseigene Kita erspart Müttern

und Vätern doppelte Wege am

Morgen und Abend.

Fazit

Ich habe im BMAS die für mich passenden Rahmenbedingungen

gefunden, die es mir erlauben, mich kreativ

einzubringen und inhaltlich anspruchsvolle Arbeit zu erbringen.

Kollegialität und ein gutes und respektvolles Miteinander

werden hier großgeschrieben und prägen die

Arbeitsatmosphäre. Die Arbeitszeit und die Besoldung

stehen in einem ange messenen Verhältnis zueinander und

runden damit das Gesamtpaket ab. Wer sich zudem für

Politik und den berühmten «Blick hinter die Kulissen» interessiert,

ist beim BMAS gut aufgehoben. Das BMAS bildet

auch Referendarinnen und Referendare aus und freut

sich über Bewerbungen von fähigen und interessierten

Juristinnen und Juristen.

Dr. Friederike Kilian

* Die Autorin ist juristische Referentin im Bundesministerium

für Arbeit und Soziales. Zuvor war sie

Associate in einer Großkanzlei in Berlin. Dr. Kilian

hat an den Universitäten Heidelberg und Köln studiert

und ihr Referendariat im Bezirk des Kammergerichts

Berlin absolviert.

Autorinnenfoto: privat

Foto (S. 109): www.istockphoto.com Nr. 822473814

© Cineberg

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Kanzlei-

Awards,

Kanzlei-

Rankings,

Kanzlei-

Handbücher –

was steckt

dahinter?

In den Anzeigen vieler

­Kanzleien finden sich Labels

wie «Kanzlei des Jahres»,

«Top 100 Arbeitgeber»,

«Top tier» oder «Young professionals'

choice». Doch wie

kommen diese Bewertungen

zustande? Eine Nachfrage

bei JUVE, LTO, The Legal 500

und ­trendence

Wir stehen auf der

Seite der Bewerber

Interview mit Markus Lembeck,

Co-Leiter des Karrieremagazins azur im JUVE Verlag *

Seit wann gibt es das azur100 Ranking

und die azur Awards?

Begonnen haben wir 2007 mit einer Sonderausgabe des azur

Karrieremagazins. Die Recherchen reichten damals für 36 Arbeitgeber,

die wir noch ohne Platzierung in alphabetischer Reihenfolge

vorgestellt haben. Das haben wir Jahr für Jahr ausgebaut.

2008 gab es die erste azur-Liste mit 50 Plätzen, seit 2009 heißt

die Publikation mit dieser Liste azur100. Seit 2010 gibt es die

azur Awards, zu Beginn nur auf dem Papier. 2012 wurden die

azur Awards erstmalig im Rahmen einer Preisverleihung an die

Sieger übergeben, damals noch im Auditorium der Bucerius

Law School in Hamburg. Inzwischen findet die Verleihung der

azur Awards jährlich in der Wolkenburg in Köln statt.

Bitte beschreiben Sie kurz die Methodik

dahinter.

Sowohl für die azur Awards als auch für azur100 ist die Umfrage

unter Bewerbern und Associates der wichtigste Baustein,

denn sie sind auch unsere Leser-Zielgruppe. Die Umfragen werden

jährlich online auf azur-online.de sowie auf juristischen

Karrieremessen durchgeführt. Die Umfrageergebnisse fließen

in die azur-Liste ein und sind zugleich ein Prüfkriterium für die

Awards. Die azur Awards werden in den drei Kategorien «Referendariat

und Praktikum», «Aus- und Fortbildung» und «Diversity»

verliehen. In diesen drei Kategorien nominiert die azur-

Redaktion je fünf Arbeitgeber, die als besonders dynamisch

und engagiert aufgefallen sind und die ein gutes Feedback von

Bewerbern und Berufseinsteigern bekommen. Zusätzlich wird

bei den azur Awards der Platz 1 azur100 ausgezeichnet – Preisträger

ist der Arbeitgeber, der an der Spitze der azur-Liste

steht. In der Rangliste spiegeln sich Ergebnisse aus der azur-

Bewerber- und Associate-Umfrage ebenso wider wie harte

Fakten zu Neueinstellungen und Gehältern.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 111


später auch auf unserer Website. azur100 ist kostenlos an

über 300 deutschlandweiten Auslageorten an Universitäten,

Gerichten und in Universitätsbuchhandlungen sowie auf

verschie denen Karrieremessen erhältlich. Eine Übersicht

aller Auslageorte fi ndet sich auf unserer Website.

Wie ist das Zusammenspiel in der

Aus wertung zwischen dem Fragebogen

für die Kanzleien und dem Fragebogen

für die Associates?

Maßgeblich sind die Ergebnisse der Associate-Umfrage, da

wir so erfahren, was die Associates über ihre Arbeitgeber

denken. Die Gespräche, die wir mit den Kanzleien führen, basieren

auf diesen Fragebögen und die Ergebnisse verifi zieren

sich gegenseitig – oder auch nicht. Wirbt z.B. eine Kanzlei

mit einem neuen Ausbildungsprogramm und wir erhalten

von mehreren Associates die Rückmeldung, dass dieses in

der Praxis nicht umgesetzt wird, ist das für uns Anlass, die

Angaben der Kanzlei genauer zu hinterfragen. Über die

Associate-Umfrage erhalten wir darüber hinaus auch Feedback

zu Kanzleien, in denen der Umfrageteilnehmer nicht

oder nicht mehr tätig ist.

Wie oft erscheint das Ranking, bzw. wie

oft werden die Awards vergeben?

Die azur Awards werden jährlich im Februar verliehen. Dann

erscheint auch die neue azur100 mit der azur-Liste – sie liegt

bei der Preisverleihung zum ersten Mal aus.

Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?

Die Sieger der azur Awards sowie Platz 1 – 3 der azur-Liste

veröffentlichen wir in der Nacht der Preisverleihung auf unserer

Website azur-online.de. Die komplette azur-Liste gibt

es ab dem Folgetag gedruckt in der azur100 sowie wenig

Welchen Nutzen sollen junge Juristen

daraus ziehen?

azur100 bietet unseren Lesern einen Blick hinter die Kulissen

und eine allgemeine Orientierung im Markt der Wirtschaftsjuristen.

Die Lektüre hilft bei der Vorbereitung für das Bewerbungsgespräch,

sowohl für Praktikanten, Referendare als

auch Berufseinsteiger. Nicht zuletzt schaffen wir Transparenz

im Markt. Am auffälligsten ist dieser Punkt bei den Gehaltsverhandlungen:

Wer sich auf die veröffentlichten Einstiegsgehälter

berufen kann, der bekommt vielleicht mehr, als

beim freien Aushandeln möglich wäre.

Was unterscheidet das azur100 Ranking

von anderen Auszeichnungen?

Am wichtigsten aus unserer Sicht ist die Unabhängigkeit: Die

Arbeitgeber haben weder direkt noch indirekt Einfluss auf

ihre Platzierung. Wir stehen auf der Seite der Bewerber und

versuchen aus ihrem Blickwinkel zu berichten. Hinzu kommt

der Anspruch auf eine gewisse Vollständigkeit. Die azur-Liste

ist kein in einem Moment erstelltes Ranking, das auch viele

subjektive Eindrücke enthalten kann, sondern basiert auf

harten Fakten zu Gehältern und Einstellungszahlen und, wie

gesagt, auf den Ergebnissen unserer Bewerber- und Associate-Umfrage.

Markus Lembeck

ist Fachredakteur und Co-Leiter des azur

Karrieremagazins im JUVE Verlag. Seit 1998

im Verlag, zuvor Studium der Geschichte,

Anglistik und Philosophie (M. A.) in Münster

und Köln. In der Redaktion u.a. zuständig

für die Produktgruppe azur sowie die JUVE- und azur Awards.

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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


Unsere Ergebnisse

sind transparent und

nachvollziehbar

Interview mit Christian Dülpers,

Head of Product der Legal Tribune Online *

Seit wann gibt es die LTO Young

Professional Survey?

Wir haben die erste Umfrage Ende 2014 gestartet. Die Ergebnisse

wurden im Mai 2015 veröffentlicht.

Bitte beschreiben Sie die Methodik dahinter.

Die Teilnehmer füllen einen Online-Fragebogen aus. Mitmachen

kann jeder, der sich selbst in die Zielgruppe der jungen

Juristen einordnet. Das Ergebnis präsentieren wir transparent

und nachvollziehbar: Wir zeigen die Fragen im selben

Wortlaut, wie wir sie den Nutzern gestellt haben. Die Antworten

geben wir ohne jegliche Bearbeitung weiter.

Wie erreichen Sie Ihre Teilnehmer?

Die Teilnehmer wurden über LTO.de und unsere Social-

Media-Seiten angesprochen, außerdem über unsere Partner

ELSA Deutschland, Talent Rocket, Clavisto, Lawyered und

Squeaker sowie Flyer an den Unis vor Ort.

Wie oft wird die Umfrage durchgeführt?

Bislang jährlich.

Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?

Auf LTO unter der Adresse www.lto.de/jura/umfrage/

Was unterscheidet die LTO Young Professional

Survey von anderen Rankings?

Die LTO Young Professionals Survey ist kein Ranking. Wir stellen

nicht darauf ab, wie gut oder schlecht einzelne Kanzleien

sind. Wir wollen wissen, wie Kanzleien und Unternehmen

von jungen Juristen wahrgenommen werden und welchen

Ruf sie als Arbeitgeber haben. Das ist aber nur ein kleiner Teil

der gesamten Umfrage.

Von anderen Umfragen unterscheiden wir uns unter anderem

in der Breite der Datenbasis. 2016 hatten wir rund

5500 Beantwortungen – damit hat die LTO Young Professional

Survey mit Abstand die größte Teilnehmerzahl.

Bei der Methodik legen wir sehr viel Wert auf Nachvollziehbarkeit

und Objektivität. Viele Rankings basieren teilweise

auf subjektiven Bestandteilen: Redakteure nehmen

Einschätzungen des Marktes und einzelner Kanzleien vor.

Die zugrunde liegenden Kriterien sind intransparent. Diese

Beeinflussung der Ergebnisse ist den meisten jungen Juristen

gar nicht bewusst. Wir als LTO machen das anders: Bei uns

kann man sich darauf verlassen, dass wir ungefi ltert die Meinung

der Teilnehmer wiedergeben.

Welchen Nutzen sollen junge Juristen daraus

ziehen?

Wir wollen jungen Juristen eine Orientierung für ihre Karriereplanung

geben. Sie können die Ergebnisse als Bezugspunkte

verwenden: Sie sehen, wie die Gehaltsvorstellungen anderer

junger Juristen sind, in welche Städte es sie zieht, welche Arbeitgeber

sich großer Beliebtheit erfreuen und vieles mehr.

Junge Juristen profi tieren auch mittelbar. Denn unsere Umfrage

ist auch ein Werkzeug für Kanzleien, mit dem sie die

Bedürfnisse der jungen Juristen erkennen und verstehen. Auf

dieser Basis können Arbeitgeber ein Umfeld schaffen, in dem

ihre Mitarbeiter produktiv sind und sich wohl fühlen. Wer an

unserer Umfrage teilnimmt, beeinflusst damit also seine zukünftige

Arbeitssituation positiv.

Christian Dülpers

Head of Product der Legal Tribune Online.

Der Dipl.-Finanzwirt und Dipl.-Medien wirt

startete als Redakteur bei Wolters Kluwer.

2010 übernahm er im LTO- Gründungsteam

die Verantwortung für Produktentwicklung

und Marketing.

www.beck.de · Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 113


Ein Ranking in

The Legal 500 ist mit

keinerlei Kosten

verbunden

Interview mit Anna Bauböck,

Chefredakteurin von The Legal 500 *

Was ist The Legal 500?

The Legal 500 Handbücher wenden sich an Justiziare und Anwälte,

die sich einen Überblick über den Rechtsmarkt in verschiedensten

Jurisdiktionen verschaffen wollen. Sie dienen

als Guide zu den führenden Kanzleien weltweit, sind jedoch

mehr als nur ein Nachschlagewerk, da jedes Handbuch auf

detaillierter, qualitativer Recherche und Analyse von Kanzleien

und Anwälten beruht. Während The Legal 500 United

Kingdom als unser Aushängeschild gilt, ist The Legal 500 Europe,

Middle East und Africa unsere größte Ausgabe; zu den

weiteren bekannten Handbüchern zählen außerdem The Legal

500 United States, The Legal 500 Latin America sowie

The Legal 500 Asia Pacifi c. Darüber hinaus veröffentlichen wir

auch The Legal 500 Canada, The Legal 500 Caribbean und

das französischsprachige The Legal 500 Paris. Nicht zu vergessen

ist natürlich unser Handbuch speziell für den deutschen

Markt: The Legal 500 Deutschland.

jährlich von einem großen Team an Redakteuren über mehrere

Monate hinweg durchgeführt wird.

Bitte beschreiben Sie die Methodik hinter

Ihrer Recherche.

Jedes Jahr bitten wir Kanzleien, uns Informationen über ihre

Teams, ihre Mandatsarbeit und ihren Mandantenstamm in

den verschiedenen Praxisbereichen zur Verfügung zu stellen.

Anhand dieser Infos, die bis spätestens Anfang Mai bei uns

eintreffen müssen und die wir von Mai bis Ende Juli auch

mittels ausführlicher Interviews mit Partnern in den Kanzleien

vertiefen, ziehen wir den Vergleich zwischen den führenden

Praxen in diversen Rechtsgebieten. Darüber hinaus

befragen wir auch Mandanten und andere Referenzkontakte,

die uns von Kanzleien bereitgestellt werden, zum Serviceniveau

und den Leistungen der Sozietät.

Nach welchen Kriterien bewerten Sie

Kanzleien und Anwälte?

The Legal 500 konzentriert sich auf das obere Ende des

Rechtsmarkts – und damit ist nicht die Kanzleigröße, sondern

die Qualität der Beratung gemeint. Unsere Rankings basieren

in erster Linie auf den Informationen, die uns Kanzleien

über ihre Praxen zur Verfügung gestellt haben. Zudem

ziehen wir ebenso das Feedback der Referenzen in Betracht.

Obwohl wir uns während der Interviews mit Partnern in den

Kanzleien gerne auch über den Kanzleienmarkt unterhalten,

fließen subjektive Meinungen über andere Anwälte und So-

Seit wann gibt es The Legal 500?

The Legal 500 gibt es seit über 30 Jahren. Unser Verlag wurde

im Jahr 1987 von John Pritchard, selbst ein Jurist, gegründet

und befasst sich seitdem mit dem Thema Kanzleiempfehlungen.

Begonnen hat die Recherche in und für Großbritannien;

im Jahr 1990 erschien erstmals das Handbuch The Legal

500 Europe, Middle East und Africa (EMEA), in das auch

deutsche Kanzleien einbezogen wurden. Seit 2013 veröffentlichen

wir das deutschsprachige Werk The Legal 500 Deutschland

– in diesem Jahr erscheint die fünfte Ausgabe.

Wie oft wird die Umfrage durchgeführt?

Ich würde es weniger als Umfrage bezeichnen, denn dem

Handbuch liegt eine tiefgreifende Recherche zugrunde, die

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Beck'scher Referendarführer 2018 / 2019 · www.beck.de


zietäten nicht direkt mit in unsere Ranking-Entscheidung ein.

Zu den zahlreichen Elementen, die wir bei den Rankings berücksichtigen,

gehören als primäre Faktoren die jüngste Tätigkeit

der Kanzlei – konsistent anspruchsvoll, marktführende

Mandatsarbeit, aber auch Routinetätigkeit –, sowie die

Qualität des Mandantenstamms, einschließlich inländischer

und internationaler Mandanten, auf die wir als weltweit bekannte

Auszeichnung besonderen Wert legen, immer im Zusammenhang

mit der Art der Tätigkeit für die Mandanten;

neue Mandanten sind außerdem ein guter Indikator des Fortschritts

der Kanzlei. Unsere Recherche läuft auf jährlicher

Basis, nichtsdestotrotz berücksichtigen wir auch den historischen

Track-Record der Kanzlei und schenken der von Jahr

zu Jahr gleichbleibenden oder sich steigernden Leistung Beachtung.

Zu den sekundären Faktoren zählen zudem die

Breite der Praxis, einschließlich der Breite der abgedeckten

Branchen, sowie die Tiefe der Kenntnisse und die Erfahrung

des Teams. Hier betrachten wir auch jegliche Partnerernennungen

und/oder -wechsel und andere Veränderungen auf

per soneller Ebene. Schlussendlich ist auch die Fähigkeit der

Kanzlei, Schnittstellenbereiche zu anderen Praxen gut abdecken

zu können, von Bedeutung.

Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?

Die Ergebnisse, sprich die Rankings und Beschreibungen der

Kanzleien in den jeweiligen Praxisbereichen, werden sowohl

im gedruckten Handbuch als auch auf der deutschsprachigen

Website www.legal500.de sowie der englischen Website

www.legal500.com veröffentlicht. Für die englische

Version übersetzen wir jährlich das Deutschland-Handbuch,

denn das Germany-Kapitel in unserer englischsprachigen

EMEA-Ausgabe darf natürlich nicht fehlen. Somit wird jede

Kanzlei, die es in unsere Rankings in The Legal 500 Deutschland

geschafft hat, auch automatisch in The Legal 500 EMEA

aufgenommen und folglich einem globaleren Publikum vorgestellt.

Welchen Nutzen können junge Juristen

daraus ziehen?

Grundsätzlich wenden sich unsere Handbücher an Inhouse-

Juristen, aber natürlich kann sich jeder durch unsere Guides

über den Kanzleimarkt informieren. Neben einem nützlichen

Überblick über die Top-Kanzleien und führenden Anwälte in

Deutschland können unsere redaktionellen Texte auch aufschlussreiche

Einblicke in die verschiedenen Praxen verleihen.

So können sich junge Juristen beispielsweise anhand

der Kanzleibeschreibungen in die diversen Spezialisierungen

be ziehungsweise die Vielfalt der anwaltlichen Tätigkeiten innerhalb

von Praxisbereichen und Rechtsgebieten einlesen

und sich durch die Mandatsbeispiele ein Bild von der Spitze

des Fortschritts in der Rechtsberatung sowie den neuesten

Marktgeschehnissen und Innovationen in den verschiedensten

Industriebranchen machen und somit berufliche Orientierung

und Inspiration gewinnen.

Was unterscheidet The Legal 500 von

anderen Rankings?

Ein Ranking in The Legal 500 ist mit keinerlei Kosten verbunden

und somit können wir unabhängig und unvoreingenommen

unsere Recherche des Kanzleimarkts vornehmen.

Das ist nicht bei allen Rankings der Fall, da Auszeichnungen

des Öfteren durch einen Kostenbeitrag errungen werden

können. Ein weiteres bedeutendes Merkmal ist die globale

Bekanntheit und Reichweite von The Legal 500 im Gegensatz

zu diversen anderen Rankings sowie die Tatsache, dass

wir unsere Methodik seit drei Jahrzehnten perfektionieren

und unsere Handbücher stets weiterentwickeln. Abgesehen

von unseren bekannten Guides ist The Legal 500 auch durch

die Organisation von verschiedenen Veranstaltungen im

Rechtsmarkt präsent und zeichnet zusätzlich zu Rechtsanwälten

in Kanzleien ebenfalls die führenden und innovativsten

Inhouse-Juristen in einer Vielzahl an Jurisdiktionen,

inklusive Deutschland, durch unser Schwesterprodukt GC

Powerlist aus.

Anna Bauböck

ist seit 2015 Chefredakteurin von The Legal

500 Deutschland. Angefangen hat sie

beim Verlag Legalease Ltd als Redakteurin

des allerersten deutschsprachigen The Legal

500- Handbuches im Jahr 2013. Sie ist

im Londoner Büro ansässig, reist jedoch häufig quer durch

Deutschland, um den Kanzleimarkt zu erforschen.

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Wir zeigen, welche

Arbeitgeber besonders

attraktiv sind

Interview mit Holger Koch,

Gründer und Geschäftsführer des trendence

Instituts *

Was ist trendence?

trendence ist ein unabhängiges Beratungs- und Marktforschungsunternehmen

für Employer Branding und Personalmarketing.

Wir wissen, was Bewerber wollen, denn durch

unsere Befragungen kennen wir die Karrierepläne von drei

Millionen jungen Talenten weltweit.

Seit wann gibt es trendence?

Wir sind bereits seit 1999 am Markt.

Wie oft wird das trendence Graduate

Barometer erstellt?

Wir ermitteln einmal pro Jahr die Top-Arbeitgeber der Nachwuchsjuristen

mit dem trendence Graduate Barometer – Law

Edition.

Bitte beschreiben Sie die Methodik dahinter.

Das trendence Graduate Barometer ist eine Online-Befragung

unter 52.000 Studierenden in ganz Deutschland. Für

die Law Edition befragen wir rund 2200 Nachwuchsjuristen

zu ihren Wunscharbeitgebern, ihren Karriereplänen, aber

auch dazu, wie sie sich über Job und Karriere informieren.

nur Kanzleien, sondern auch der Öffentliche Dienst, Industrieunternehmen

und Wirtschaftsberatungen stehen weit oben

in der Gunst der Nachwuchsjuristen.

Wo werden die Ergebnisse veröffentlicht?

Das Ranking veröffentlichen wir auf unserer Website

www.trendence.com sowie in verschiedenen Medien wie

der JuS und der NJW.

Welchen Nutzen können/sollen junge

Juristen daraus ziehen?

Das Ranking gibt Nachwuchsjuristen einen wichtigen Impuls

für die eigene Berufsorientierung und Arbeitgeberwahl, weil

es ihnen zeigt, welche Arbeitgeber besonders attraktiv sind.

Zu erkennen sind diese Arbeitgeber an unserem Siegel. Gleichzeitig

erfahren Arbeitgeber aus unserer Studie, welche Dinge

den Nachwuchsjuristen bei einem Arbeitgeber besonders wichtig

sind, und sie können ihre Angebote und die Arbeitswelt

stärker an den Wünschen der jungen Bewerber ausrichten.

Nach welchen Kriterien bewerten Sie

Kanzleien?

Für das Ranking der Top-Arbeitgeber ist entscheidend, ob

sich die Nachwuchsjuristen bei einer Kanzlei oder einem Unternehmen

bewerben möchten. Je mehr Nachwuchsjuristen

einen Arbeitgeber so attraktiv fi nden, dass sie sich bei ihm

bewerben wollen, desto weiter oben landet das Unternehmen

im Ranking. Es ist also einzig und allein eine Entscheidung

der Bewerber, wen sie in das Ranking wählen. Übrigens befi

nden sich im Ranking der Top-Arbeitgeber der Juristen nicht

Holger Koch

ist Gründer und Geschäftsführer des

trendence Instituts, dem Beratungs- und

Markt forschungsunternehmen für Employer

Bran ding und Personalmarketing.

Fast 20 Jahre Markt forschung zu den

Karriereplänen und Wunscharbeitgebern von drei Millionen

jungen Bewerbern weltweit und jährlich über 400 Image-

Analysen von Arbeitgebern aller Branchen machen ihn zum

Experten für den Bewerbermarkt.

Autorenfoto: jakobhoff.com

Autorenfotos (S. 112, S. 113, S. 115): privat

Foto (S. 112): de.fotolia.com/# Nr. 25352639 © STUDIO GRAND OUEST, Foto (S. 113): de.fotolia.com/# Nr. 25352654 © STUDIO GRAND OUEST,

Foto (S. 114): de.fotolia.com/# Nr. 29773706 © STUDIO GRAND OUEST, Foto (S. 116): de.fotolia.com/# Nr. 29773730 © STUDIO GRAND OUEST

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Kanzlei- und

­Unternehmensprofile

Beck'scher

Referendarführer

2018 / 2019


Allen & Overy LLP

Schlüsseldaten

Gründungsjahr

1930 in London

Standorte in Deutschland

Düsseldorf, Frankfurt am Main,

Hamburg, München

Standorte weltweit

44 Büros in 31 Ländern

Umsatz p.a. k. A.

A