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Buch Clara Clan - digital

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<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong><br />

Maria Friederike Kirsten-Haas<br />

f m<br />

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irtuelles Matriarchat


in virtuelles Matriarchat<br />

lara <strong>Clan</strong><br />

Maria Friederike Kirsten-Haas<br />

f m


1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

1847<br />

1877<br />

1853<br />

1832<br />

1822<br />

1795<br />

-20<br />

-1400


Impressum<br />

CLARA CLAN – Ein virtuelles Matriarchat<br />

© 2018 Maria Friederike Kirsten-Haas<br />

Gemälde: Maria Friederike Kirsten-Haas<br />

Redaktion, Umschlagfoto, Stammbaum, Gemälde S. 18, 103: Sohn Martin<br />

(Martin Werner Haas alias Maitreya)<br />

Layout und Fotografie: Sarah-Marie Martin<br />

Gemälde-Fotografie: Hans-Martin Asch<br />

Fotografie S. 47 rechts unten: Maresa Jung<br />

Herausgeberin und Verlag: Frauenmuseum – Kunst, Kultur, Forschung e.V.<br />

Im Krausfeld 10, 53111 Bonn<br />

Druck: buchdruck.de, Berlin<br />

ISBN: 978-3-946430-16-2<br />

E-Book-Download unter www.maria-art.de<br />

Kontakt: siehe S. 99


4


5<br />

I<br />

II<br />

a<br />

b<br />

c<br />

III<br />

IV<br />

Einleitende Worte 006<br />

Vorwort: Marianne Pitzen 008<br />

Einleitung: Maria Friederike 010<br />

Einführung: Sohn Martin 012<br />

Die Gemälde<br />

<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Einzelportraits 014<br />

Parallelclans – Einzelportraits 054<br />

<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Gruppenbilder 068<br />

Anschließende Worte 100<br />

Das Virtuelle Matriarchat (Sohn Martin) 102<br />

Nachwort und Ausblick 106<br />

An die Leserin und den Leser 110<br />

Anhang 112<br />

Matriarchal Chess (Sohn Martin) 114<br />

Die historischen CC-Quellen 116<br />

Literaturliste 118<br />

Originalahnenbuch v. Renate 120


6<br />

Generation lila (S. 92)<br />

1989 Maria (S. 96)<br />

Generation blau (S. 86)<br />

**** virtuelle Anni (S. 50)<br />

1935 Maria F. (S. 42)<br />

Generation grün (S. 76)<br />

Generation gelb (S. 70)<br />

1901 Gerdha (S. 34)<br />

877 Hildegard (S. 28)<br />

1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />

1847 väterliche Helena (S. 64)<br />

1832 väterliche Ida (S. 60)<br />

1822 Maria L. (S. 20)<br />

1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />

-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />

-1400 DINA und LEA (S. 16)


7<br />

I<br />

Einleitende Worte<br />

Vorwort: Marianne Pitzen 008<br />

Einleitung: Maria Friederike 010<br />

Einführung: Sohn Martin 012


8<br />

I Vorwort: Marian


9<br />

ne Pitzen<br />

Es ist ein anderes Lebensgefühl und Bewusstsein, wenn wir wissen, wer unsere Vorfahren und<br />

Vorfahrinnen waren, was sie dachten, wie sie lebten und wovon sie lebten. Das vorliegende<br />

<strong>Buch</strong> über die Frauen in der weitverzweigten Familie von Maria Kirsten-Haas ist daher ein wunderbares<br />

Beispiel für die Stärkung, die aus der permanenten familiären Forschungsarbeit, nicht<br />

nur für sie selber sondern für sämtliche Frauen, die das <strong>Buch</strong> in die Hand nehmen, erwachsen<br />

kann.<br />

Dass Geschichte stets mehr ist als der Blick zurück, versteht sich, dass sie aber für Frauen<br />

ganz besonders große Bedeutung hat, soll kurz dargestellt werden. Da Frauen bis zum Erlangen<br />

des Frauenwahlrechts aus der Öffentlichkeit weitgehend herausgehalten wurden, sind ihre<br />

Spuren, von Ausnahmen abgesehen, so gering, dass man daraus schließen könnte, sie hätten<br />

nicht richtig zur Gesellschaft dazugehört. Diese Klage ließe sich endlos fortsetzen, und es sind<br />

in der Tat große Verluste und Lücken an Wissen um die weiblichen Leistungen entstanden, die<br />

kaum noch aufzuholen sind. Zum Funktionieren des traditionellen Patriarchats gehört es, die<br />

Frauen voneinander zu trennen, dass sie sich nicht aufeinander beziehen. In der Wissenschaft<br />

zitieren sie folglich viel seltener ihre Kolleginnen als umgekehrt Männer ihre Geschlechtsgenossen.<br />

Frauen sollen nicht nur keine eigene Geschichte haben, sondern sie nicht einmal vermissen.<br />

Insofern war es konsequent, dass der Kulturdezernent der Stadt Bonn das Frauenmuseum<br />

eliminieren wollte.<br />

Wer seine eigene Geschichte nicht kennt, nimmt die gegenwärtige Situation als „Naturgesetz“<br />

hin. Allein der Mangel an Phantasie, dass es anders sein könnte, verfestigt die Vorurteile<br />

und Strukturen. Ohne Kenntnis ihrer „Herstory“ sind Frauen wie hilflose Personen, ausgeliefert,<br />

ganz extrem in der neuen globalen Welt, wo ihnen in vielen Ländern Bildung und Selbstbestimmung<br />

verwehrt werden. Wo Mütter keine Töchter haben wollen, wo deshalb niemals ein solches<br />

<strong>Buch</strong> geschrieben würde, dort haben wir es letztlich mit todkranken Gesellschaften zu tun.<br />

Maria Kirsten-Haas verschweigt nicht, dass die Frauen früherer Zeiten und ihre Familien<br />

in feste Rollen und Regelwerke eingebunden waren, dass erst in der Zeit der Großmütter viele<br />

Hindernisse verschwanden, und die Liebesheirat Vorrang vor der arrangierten Ehe bekam.<br />

Die Familie war Thema der Kirchen und der CDU in den 50er Jahren. Der Tenor war allerdings,<br />

dass die Familie von einem männlichen Haushaltsvorstand dominiert wurde und Mütter<br />

sich sogar in Sachen Kindererziehung zu fügen hätten. An dieser Stelle sei an eine „Protagonistin“<br />

des <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>s erinnert, die Juristin Erna Scheffler, geb. Friedenthal, Enkelin jener <strong>Clara</strong><br />

Schmidt, verw. Friedenthal, verh. von Heigel. Erna war als Juristin eine der ersten ihres Fachs,<br />

und ab 1951 als einzige Frau im Verfassungsgericht in Karlsruhe an der richtigen Stelle, um das<br />

Grundgesetz Artikel 3 über die Gleichstellung von Mann und Frau umzusetzen. Starke Frauen<br />

wie Maria Kirsten-Haas‘ Vormütter konnten kraft ihrer Persönlichkeit durchaus großen Einfluss<br />

haben, doch erst die breite Frauenbewegung stellte die klassische Familie auf den Prüfstand<br />

und forderte die Väter heraus, ihren Anteil an Beziehungsarbeit und gewissermaßen weibliche<br />

Werte wie Wärme und Zärtlichkeit einzubringen. Für Frauen der Gegenwart heißt es umso<br />

mehr, dass sie alles wollen: Familie und Beruf und die Möglichkeit, vielen eigenen Interessen<br />

nachzugehen. Familie ist nun ein begrenzter Zeitraum im Frauenleben.<br />

Bemerkenswert ist, dass erst die Loslösung von der Tradition den Blick auf das ganze Phänomen<br />

Familie lenkt, und sich die Frage stellt, wie die Frauen sich darin sehen. Familiengeschichte<br />

wird immer komplexer, und doch wird sie, in welcher Form auch immer, weiter bestehen.<br />

Auch <strong>Clara</strong>s <strong>Clan</strong> wird weiter wachsen und gedeihen!<br />

Marianne Pitzen, August 2018<br />

Direktorein Frauenmuseum Bonn – Kunst, Kultur, Forschung e. V.


10<br />

I Einleitung Maria Friederike<br />

Immer hatte mich meine Mutter Gerda darin bestärkt, an unsere Mütter und Vormütter der Familie zu denken.<br />

Bei allen Umzügen wurden unsere Lebens- und Tagebücher der Vorfahren mitgenommen und als kostbarer<br />

Schatz bewahrt. Durch das Lesen in diesen Dokumenten wird die Denkweise unserer Ahnfrauen weitergegeben,<br />

ihre Talente und Fähigkeiten, die bei uns Nachkommen auftauchen, sind sozusagen „geerbt“.<br />

Etwa das Spinnen, Weben, Nähen und Sticken bei uns Müttern und uns Töchtern. Ich kann mir vorstellen,<br />

was die Frauen erlebten, wie sie Feste feierten, wie sie sich sorgten, wenn ihr Kind krank war und wie sie<br />

sich freuten, wenn alles „in der Ordnung der Mutter” gegangen ist. Das Geistige muss den Vorrang bilden.<br />

Bemerkenswert ist, dass meine Schwestern Renate und Dorothee als Zweit- und Drittnamen die ihrer Vormütter<br />

tragen: Renate Hildegard Helene und Dorothee <strong>Clara</strong> Agnes. Das entwickelt ein <strong>Clan</strong>-Gefühl unter<br />

den weiblichen Nachkommen, einen Zusammenhalt – Matrilinearität. Ahnenforschung hilft, die Identität<br />

der Frauen zu benennen. Die Tage- und Lebensbücher meiner Mutter und Vormütter sagen uns viel über<br />

den Charakter und die Lebensweise der schreibenden Frauen meiner Herkunftsfamilie und ihre individuelle<br />

Leistung; Mutter-<strong>Clan</strong>.<br />

Darüber hinaus sind diese Aussagen aber auch exemplarisch zu bewerten. Wie diese Mütter haben viele<br />

Andere gedacht und gelebt. Deshalb sind diese ihre Schriften ein genealogisches Dokument zur Bewertung<br />

und Hochschätzung ganz normaler Frauen, über deren Geschichte noch sehr wenig vorliegt. Es ist ein neues<br />

Gebiet der Erforschung der Frauengeschichte, der matrilinearen Großfamilie. Anette Kuhn, die bedeutende<br />

Pädagogin auf dem Gebiet der Frauengeschichte, sagte zu mir in einem Gespräch: „Tagebücher sind verallgemeinbar.<br />

Sie stehen exemplarisch für einen großen Teil der Bevölkerung: Die Mütter haben Verantwortung<br />

für ihr Kind, der Ehemann spielt seine Rolle der Hinwendung zu Mutter und Kind. – Diese Biografien in den<br />

Tagebüchern stehen in Bezug zu dem, was viele Frauen denken; es besteht eine biografische Kontinuität.”<br />

Es sind im Grunde frohe Frauen, die ihren Kindern all das beibringen, was sie selbst einmal gelernt haben.<br />

Die Matriarchatsforscherin Uschi Madeisky, bekannt durch ihre Filme von existierenden Matriarchaten<br />

in aller Welt, stellt fest: „Wenn Mütter von Vielen umsorgt werden, dann werden es die Kinder auch. Wenn<br />

Kinder umsorgt werden, werden sie zufriedene Erwachsene, die sich in kleinen und größeren Gemeinschaften<br />

um Andere kümmern.“<br />

Hier das Beispiel aus meiner eigenen Lebensgeschichte der Kriegsgeneration: Gisela, die Cousine meiner<br />

Mutter (aus matriarchler Sicht sind die Cousinen auch Schwestern), damals Sekretärin in einer Heimschule,<br />

brachte mich dort im Internat unter, als Mutter schwer erkrankte. Ursel, die Schwester meiner Mutter,<br />

holte uns vom Osten Berlins nach dem Westen Deutschlands. Hier half dann wieder Erna, eine andere<br />

Cousine, Mutters Witwen-Pension endlich durchzusetzen, was zu Gerdas Gesundung führte. Dieses Vorbild<br />

nahmen wir drei Töchter von Gerda uns zum Beispiel, indem sie mir, Maria Friederike, der Jüngsten, in ihrer<br />

Nähe die Wohnung besorgten und unsere Älteste, Renate, in finanzieller Not unterstützten. Unsere mittelste<br />

Schwester Dorothee sagte: „Blut ist dicker als Wasser” und hielt wie eine „Matriarche” den „<strong>Clan</strong>” zusammen.<br />

Und immer spielt das Geistige eine bedeutende Rolle. Taufe, Kommunion, Konfirmation, Eheschließung<br />

und Beerdigung, die großen Kirchenfeste wie Ostern und Weihnachten, das Gebet in der Familie, sind<br />

die Grundlage des familiären Zusammenhaltes, dessen Wurzeln.<br />

Ich lese in den Tage- und Lebensbüchern von Brüdern und Schwestern, die sich besuchen oder zusammenleben,<br />

von Festen und Freude. Denn Humor zeigt sich in lustigen Festreden und Spiel, die Ernsthaftigkeit<br />

der Kindererziehung in Einbeziehung der Groß- und Urgroßmütter, durch Reisen zu ihnen oder Besuche<br />

von ihnen. (Großmütter geben energetische Impulse!) Immer wird ein Ort gesucht, wo sich die Familie trifft,<br />

sogar der Grundbesitz geht an die Tochter, wie wir im Lebensbuch von Gerda über Maria lesen: Hier ist


11<br />

Liebe zu Nachhaltigkeit, solide Gartenkultur, Haltung von Haustieren, Erholung in der freien Natur, zu sehen.<br />

Bei der Auswahl der Zitate für diesen Bildband waren für mich neben Humor, Religion und Nachhaltigkeit<br />

hauptsächlich die Beziehungen von Müttern und Töchtern, also die Mutterliebe entscheidend.<br />

Aber die Kriege zerstörten immer wieder viele der guten Ansätze des sozialen Lebens. Deshalb sind<br />

heute die Stimmen der Mütter und Vormütter entscheidend wichtig. Wie sie dachten, lebten, was sie uns davon<br />

mitteilen, gibt jungen Frauen von heute ein wertvolles und nachahmenswertes Modell. Das Patriarchat<br />

ist überall gegenwärtig, doch ich sehe, dass es sich verändern lässt, indem wir uns der Führung der Mütter<br />

anvertrauen, so wie wir es in der Schilderung von alten und auch noch heute bestehenden Matriarchaten<br />

erfahren. Ich sehe in der Gottesmutter, der seligen Jungfrau Maria, der starken, selbstbewussten jungen<br />

Frau mit ihrem Kind Jesus Christus das Bild der neuen Frau für unsere Zeit.<br />

In dem <strong>Buch</strong> der feministischen Theologin Christa Mulack „Maria, die geheime Göttin im Christentum”<br />

lesen wir: „Ausgehend von der syrischen Marienverehrung, von der wohl ... die bedeutendsten Impulse ausgingen,<br />

wird Maria als die erste geschichtliche Urheberin des Heils angesehen, weil sie den Erlöser zur Welt<br />

gebracht hat.”<br />

Meine Schwester Renate hat mithilfe ihrer Eltern eine großartige Leistung vollbracht, indem sie als Schularbeit<br />

ein Ahnenbuch ihrer Familie zusammengestellt hat. Die Eltern nahmen sogar die Fotos aus den Rahmen<br />

an der Wand und alles wurde ins <strong>Buch</strong> eingeklebt. Es beginnt mit einer Karte „Wo meine Vorfahren<br />

geboren wurden; in der Eifel – in Schlesien“ und endet mit ihren Ururgroßeltern. Dieses große <strong>Buch</strong> nahm<br />

Renate auf die Reise im Reichsarbeitsdienst 1942 mit und verlor es. Viele Jahre später tauchte dieses<br />

<strong>Buch</strong> bei ihrer Cousine Lisbeth in der Eifel auf. Eine Frau hatte das <strong>Buch</strong> auf einem Schutthaufen in Kassel<br />

gefunden, gelesen und zum Glück einfach zu den Verwandten in die Eifel geschickt, weil sie richtigerweise<br />

angenommen hat, dass diese dort noch lebten. Dieses kostbare <strong>Buch</strong> dient nun später unserer Familienforschung.<br />

Aus diesem Ahnenbuch habe ich meine Portraits entnommen. In ihrem besten Kleid sitzen die<br />

Frauen vor dem Fotografen und sehen mich an. Ihre Ehemänner stehen stattlich und ernst neben einem<br />

Stuhl und ich denke mir, ihnen anzusehen, dass sie die verantwortungsvolle Aufgabe haben, für Frau und<br />

Kinder standesgemäß zu sorgen.<br />

Während im Patriarchat die Töchter zur Familie des Ehemannes ziehen, bleiben im Matriarchat die<br />

Töchter bei der Mutter, entweder im <strong>Clan</strong>haus oder in eigenen Häusern in der Nähe zusammen. Weil die<br />

Frauen, die ich hier beschreibe, in patriarchaler Weise gelebt haben, sind sie alle über die Welt verstreut<br />

worden. Wir haben unsere weibliche Genealogie bis hinab zu Maria Luise, meiner Ururgroßmutter, erforschen<br />

können. Ihre Tochter war <strong>Clara</strong>. Stellen wir uns vor, die Töchter unserer Familie wären alle bei ihren<br />

Müttern geblieben, dann würden alle lebenden weiblichen Nachkommen beieinander wohnen. Das wäre<br />

dann der „<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>“: benannt also nach der ersten Tochter, von der wir wissen, die unsere erste Matriarche,<br />

die Ur-Matriarche, ist. Weil das aber nur virtuell ist, also in der Vorstellung existiert, nennen wir diese<br />

Situation das „virtuelle Matriarchat“.<br />

Würdigen möchte ich die Leistung meines Sohnes Martin. Seine Beiträge in diesem <strong>Buch</strong> sind: Der gemalte<br />

Stammbaum unserer weiblichen Linie, die Einführung, der Text zu Dina und Lea, das Gemälde „Lady of all<br />

Nations - Pacific“ (LoaN-pac.) mit Text, das Kapitel über das Virtuelle Matriarchat (VM) mit Gemälde und die<br />

Anleitung zum „Matriarchal Chess“, was den spielerischen Aspekt des VM betonen soll. Die Familienfotografien<br />

stellte unsere Assistentin und Layouterin Sarah-Marie Martin, ohne die wir dieses <strong>Buch</strong> nicht hätten<br />

abschließen können, zusammen und lichtete sie erneut ab. Ihr sei unser besonderer Dank.<br />

Das Feminine, das Weibliche wird wieder erstarken! Ich stelle mir vor, dass die Wahrhaftigkeit, die aus den<br />

Tage- und Lebensbüchern herausleuchtet, für uns Frauen ein Licht auf unserem Weg ist.<br />

Maria Friederike Kirsten-Haas, geborene Kirsten, Wiesbaden den 8. März 2018


12<br />

I Einführung in CLARA CLAN Ein virtuelles Matriarchat –<br />

Heute, am Weltfrauentag, will ich ein paar einführende Worte zu diesem Bildband und dessen geistigem<br />

Hintergrund schreiben. Er zeigt die Gemälde meiner Mutter und zitiert aus den handschriftlichen<br />

Hinterlassenschaften einiger weiblicher Personen unserer Familie. Durch meinen eigenen<br />

Lebensweg und viel Zeit, die ich in spirituellen Gemeinschaften verbracht habe, bedeutet er für<br />

mich aber noch mehr: Die hier vorliegende Publikation birgt die Möglichkeit, eine uralte matrilineare<br />

Spiritualität ganz praktisch für unsere Zeit neu zu begreifen und hier in unserer Gesellschaft<br />

konkret zu leben. Diese Idee hat sich jedoch erst nach und nach, in der gemeinsamen Arbeit mit<br />

meiner Mutter an diesem Bildband, so herauskristallisiert. Begonnen bei den gemalten Portraits<br />

der Ahnfrauen, hin zu den Tagebüchern, widmeten wir uns dann immer tiefergehend der Erforschung<br />

der matrilinearen Genealogie unserer Familie – und haben schließlich einen sogenannten<br />

„Virtuellen-Matri-<strong>Clan</strong>“ aus der Taufe gehoben.<br />

Wir ermittelten die „Virtuelle Matriarche“ als jüngste Tochter der jüngsten – uns bekannten –<br />

Tochter unserer Ahnfrau <strong>Clara</strong>, geboren 1853. Anschließend versuchten wir, die lebenden <strong>Clan</strong>-Angehörigen<br />

für unsere Ideen zu gewinnen und sie irgendwie wieder miteinander zu verbinden. Im<br />

Bedürfnis nach einer auch geistigen Grundlage für diese Bemühung wurden wir aufmerksam auf<br />

die in der Bibel beschriebene Geschichte der einzigen Tochter Israels mit dem Namen „Dina“ (siehe<br />

Seite 16 f.). Außerdem erfuhren wir von den neuzeitlichen Offenbarungen der Gottesmutter Maria<br />

in Amsterdam nach dem zweiten Weltkrieg (Frau aller Völker, siehe Seite 18 f.). Beides haben wir<br />

in unsere Überlegungen zu einem heutigen Matriarchat integriert. Die Liebe zu Gott und besonders<br />

zur Göttin – der weibliche Aspekt Gottes spielt für uns eine ganz wichtige Rolle – ist ebenso umfassend<br />

wie das Göttliche Prinzip selbst und sie durchdringt deshalb die ganze Schöpfung und wirkt<br />

sich konkret als Fürsorge, Humor und Verantwortung für die Erde als Ganzes aus. Mutterliebe, Humor,<br />

Religiosität und Nachhaltigkeit sind für uns die vier Aspekte weiblicher Spiritualität – die sanft<br />

und demütig, aber auch selbstbewusst und stark sein kann. Diese mütterliche Spiritualität hält wie<br />

ein „Klebstoff“ die Familie zusammen.<br />

Warum ist das Matriarchat heute so wichtig? Warum sind diese uralten Traditionen wieder<br />

brandaktuell? Weil uns das herkömmliche patriarchale Modell vor allem Unterdrückung und Krieg<br />

gebracht hat. Das Matriarchat ist keine Umkehrung des Patriarchats. Im Matriarchat gibt es niemanden,<br />

der „herrscht“. Die Matriarche „bemuttert“ eher: Sie will nur vermitteln und durch ihre<br />

Überzeugungskraft koordinieren. Die Bereitschaft zu Kooperation und Einigkeit muss aber von allen<br />

Mitgliedern des <strong>Clan</strong>s geteilt werden, denn hier gibt es keine unterdrückten Minderheiten oder ein<br />

„Machtwort“ der Stärkeren. Das setzt Geduld und Weisheit voraus – und ist daher eine anspruchsvolle<br />

Angelegenheit; für weise Menschen gedacht. Die matriarchalen Männer sind ihrerseits mit<br />

der Situation zufrieden, sie achten die Frauen des <strong>Clan</strong>s und die Frauen wiederum erkennen die<br />

Leistung der Männer an; es gibt keinen Geschlechterkampf um die Vorherrschaft in der Familie,<br />

höchstens einen Wettbewerb um das Dienen, wer am meisten zum Gesamtwohl beigetragen hat.<br />

Ist das alles nur eine schöne Utopie? Vielleicht nur ein Hirngespinst, wie man hierzulande<br />

denken könnte? Nein, diese Gesellschaften gibt es ganz real: Die Khasi in Indien, die Mosuo in<br />

China, die Minangkabau in Sumatra, um nur einige zu nennen – und wir sollten, oder besser, wir<br />

müssen von ihnen lernen, wenn wir als homo sapiens (der leider gar nicht so weise ist, wie das Wort<br />

nahelegt) hier auf der Erde überleben wollen. Wie sich dieses Konzept hier, in einem patriarchalen<br />

gesellschaftlichen Kontext, verwirklichen lassen könnte, wird am Ende dieses Bandes genauer ausgeführt<br />

– dialogisch, versteht sich, denn im Matriarchat wird alles gemeinsam erarbeitet!


13<br />

Worte zur Orientierung von Sohn Martin<br />

Im Nachwort wird auch das spirituelle Konzept des „Taotheismus“ erklärt, der einen Brückenschlag<br />

zwischen östlicher und westlicher Spiritualität darstellt. Indien, der Osten, ist ein uraltes Kulturland<br />

mit sogenannter „ewiger“ Spiritualität: Yoga, Ayurveda und Vegetarismus sind heute nicht<br />

mehr Außenseitermethoden sondern im Bewusstsein der Menschen etabliert. Und im Westen Amerika,<br />

das die stärksten Christlichen Charismen hervorgebracht hat: zuerst die verfassungsmäßige<br />

Religionsfreiheit, dann den „Bible-Belt“ und nicht zuletzt das „<strong>Buch</strong> Mormon“, eine Übersetzung<br />

alter christlicher Schriften (der „goldenen Platten“) aus diesem Lande.<br />

Als sich komplementär ergänzende Praxis nennen wir das den „Taotheismus“, der Elemente aus<br />

beiden Religionen enthält: theistische, etwa in Form der persönlichen Gottesbeziehung, und taoistische,<br />

als zugrundeliegende Philosophie. Für unser „Virtuelles Matriarchat“ eignet sich diese Spiritualität<br />

ganz besonders, weil der „Taotheismus“ auch männliche Anteile hat, aber insgesamt unter der<br />

Gottesmutter Maria (Lady-of-all-Nations-pacific) als Mediatorin oder Mittlerin steht. Sie verkörpert<br />

das TAO, also die dialogische Synthese aus Yin (Ost) und Yang (West).<br />

... und Erläuterung zum Stammbaum<br />

Der Stammbaum ist ganz vorn in diesem <strong>Buch</strong> abgedruckt. Er zeigt die Verwandtschaftszusammenhänge<br />

auf einen Blick und gibt so Orientierung beim Lesen von <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>: Ein virtuelles Matriarchat.<br />

Der Aufbau bzw. das Ordnungsprinzip ist gemäß der Generationsfolge, also von unten nach oben,<br />

jede Generation auf einer Höhe. Innerhalb einer Generation steht – bei mehreren Töchtern einer<br />

Mutter – die ältere Tochter links der jüngeren, also chronologisch von links nach rechts. Jeweils die<br />

Jüngsten einer Generation sind die Matriarchen des <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>s. Die Ehemänner sind namentlich<br />

je unter den Frauen erwähnt; die Söhne werden weggelassen, da sie zum <strong>Clan</strong> ihrer Ehefrauen gehören.<br />

Darüber hinaus ist der Stammbaum farblich gestaltet. Jede <strong>Clan</strong>-Generation wird gekennzeichnet<br />

durch eine von sechs Farben. Grün, blau, violett, rot, orange, gelb in sich wiederholender Reihenfolge,<br />

wie die Farben des Regenbogens. Da wir Marias Gemälde-Portraits in diesem Band teilweise<br />

anders angeordnet haben, als es streng genommen dem Aufbau des Stammbaums entspicht, lässt<br />

sich auf diese Weise rasch nachvollziehen, welcher Generation eine portraitierte Frau angehört.<br />

Am Anfang stehen die Einzelportraits der <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>-Frauen, gemalt 2006 und 2007. Darauf<br />

folgen drei Gemälde aus derselben Entstehungszeit, die wir aber von den anderen trennen, weil die<br />

Portraitierten sich auf väterliche Linien zurückführen und somit nicht dem <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> angehören.<br />

Es sind die ältesten Frauen, von denen wir Dokumente vorliegen haben. Darauf folgen Gruppenbilder<br />

der Generationen des <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>s. Fast ein Jahrzehnt später gemalt, nämlich 2015 und 2016,<br />

zeigen sie eine deutliche stilistische Veränderung. Am Schluss steht, im Stil der Gruppenbilder, das<br />

jüngste Portrait, unsere aktuelle Matriarche.<br />

Sohn Martin, Wiesbaden am Weltfrauentag 2018


14<br />

Generation lila (S. 92)<br />

1989 Maria (S. 96)<br />

Generation blau (S. 86)<br />

**** virtuelle Anni (S. 50)<br />

1935 Maria F. (S. 42)<br />

Generation grün (S. 76)<br />

Generation gelb (S. 70)<br />

1901 Gerdha (S. 34)<br />

877 Hildegard (S. 28)<br />

1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />

1847 väterliche Helena (S. 64)<br />

1832 väterliche Ida (S. 60)<br />

1822 Maria L. (S. 20)<br />

1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />

-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />

-1400 DINA und LEA (S. 16)


15<br />

II<br />

Die Gemälde<br />

A <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Einzelportraits 014<br />

B<br />

C


1935<br />

16<br />

D<br />

1989<br />

****<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

1400


INA und LEA<br />

Sohn Martin:<br />

Mutter Maria Friederike und ihr Sohn Martin verstehen<br />

sich als Christen. Sie sehen sich als Zugehörige<br />

des Bundesvolkes JHWHs und sogar als direkte<br />

Nachkommen Jakobs (sein Ehrenname ist „Israel“).<br />

Das hängt auch mit der im NSDAP-Staat veranlassten<br />

Ahnenforschung und der Suche nach jüdischen Wurzeln<br />

zusammen. Wobei aber zu sagen ist, dass nicht<br />

nur der Stamm „Juda“ zu Israel gehört, sondern auch<br />

die Nachkommen der anderen Söhne Jakobs. Allerdings<br />

war zur Zeit Jesu von den anderen Stämmen<br />

– ausgenommen Levi und Benjamin – nicht mehr viel<br />

bekannt. Denn ihr Stammesgebiet war schon lange<br />

vor dieser Zeit vom Großreich Assur überrannt und<br />

die Menschen verschleppt worden, derer viele auch<br />

nach Europa und Asien gelangten.<br />

Wie kann man/frau sich aber als Israelit „matriarchal“<br />

verstehen? Normalerweise sieht man die<br />

biblische semitische Religion als patriarchal an. Es<br />

werden zwar auch gelegentlich besonders mutige<br />

oder spirituell starke Frauen in der Bibel erwähnt,<br />

aber der Mann hat eindeutig das Sagen. Und auch<br />

die Ahnenreihe wird meistens in männlicher Linie beschrieben.<br />

Bisweilen zeigen sich aber auch matrilineare<br />

Ansätze, wie bei Ruth und ihrer Schwiegermutter<br />

Naomi, die im Alten Testament gar ein eigenes nach<br />

ihr benanntes <strong>Buch</strong> hat und im Stammbaum Jesu bei<br />

Matthäus erwähnt wird.<br />

Gibt es aber vielleicht noch eine andere, möglicherweise<br />

matrilineare Verbindung zum Bundesvolk<br />

des HERRN, des Gottes Saras, der Frau Abrahams?<br />

Das war eine unserer Fragen, und wie durch Zufall fiel<br />

uns auf, dass es immer nur die zwölf Stämme sind,<br />

die Erwähnung finden. Aber was ist mit der einen<br />

Tochter Jakobs? Hat sie nicht auch das Recht, ein<br />

Stamm Israels zu sein? Vielleicht gar der „Dreizehnte<br />

Stamm“ Israels? Dieser Frage gehen wir nun anhand<br />

des biblischen Berichtes im ersten <strong>Buch</strong> Mose nach.<br />

Dina, die Tochter, die Lea Jakob geboren hatte, ging<br />

aus, um sich die Töchter des Landes anzusehen.<br />

Sichem, der Sohn des Hiwiters Hamor, des Landesfürsten,<br />

erblickte sie; er ergriff sie, legte sich zu ihr<br />

und vergewaltigte sie. Er fasste Zuneigung zu Dina,<br />

der Tochter Jakobs, er liebte das Mädchen und redete<br />

ihm gut zu.<br />

– Erstes <strong>Buch</strong> Mose (Genesis), Kapitel 34<br />

Weiter wird hier berichtet, dass Hamor mit Jakob eine<br />

Vereinbarung eingeht, dass sich alle Männer des<br />

befestigten Dorfes, über das Sichem herrscht, beschneiden<br />

lassen (Zirkumzision), um damit auch zum<br />

Bundesvolk JHWHs zu gehören, damit Sichem die<br />

Tochter Jakobs heiraten kann. Das wird akzeptiert.<br />

Als alle Männer des Dorfes im Wundfieber darniederliegen,<br />

werden sie von den älteren Brüdern Dinas<br />

überfallen. Sichem und die anderen Männer werden<br />

– als Rache für die Gewalttat an ihrer Schwester –<br />

umgebracht. Die Brüder holen Dina aus dem Hause<br />

Sichems und schleppen die Frauen und Kinder des<br />

Dorfes mit sich zu ihren Zelten.<br />

Eine traurige Geschichte. Aber schon lange her<br />

– 3.400 Jahre! Was passierte dann? Jakob (Israel)<br />

zürnt zwar seinen Söhnen wegen ihrer Grausamkeit,<br />

er kann aber, ohne verfolgt zu werden, die Gegend<br />

verlassen, weil er von Gott (JHWH) beschützt wird.<br />

Was für uns hier wichtig ist: Gehören nun alle<br />

diese Frauen und Kinder nicht irgendwie zu Dina?<br />

War sie nicht die „Fürstin“ des Dorfes geworden, das<br />

nun ganz ohne erwachsene Männer war? Wenn wir<br />

diese Fragen mit Ja beantworten wollen, kann Dina<br />

– mit den anderen Frauen ihres Dorfes – als eine<br />

matriarchale Ahnfrau in Israel mit ihrem (virtuellen)<br />

dreizehnten Stamm „Dina“ angesehen werden! Und<br />

damit lässt sich eine matrilineare und (virtuell) matriarchale<br />

Familienkonstellation begründen! Ein interessanter<br />

Gedanke – mit Folgen, denken wir.


18<br />

L<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Möge die<br />

Frau aller Völker, die selige<br />

Jungfrau und<br />

Gottesmutter<br />

Maria<br />

unsere Fürsprecherin sein. Amen.<br />

Lieber<br />

Jesus<br />

Christus,<br />

Sohn der Mutter, sende<br />

jetzt Deine Ruach über<br />

die Erde, lass die<br />

Heilige Geistin<br />

wohnen in den<br />

Herzen aller<br />

Matri-<strong>Clan</strong>s,<br />

damit sie<br />

bewahrt<br />

bleiben<br />

mögen<br />

vor<br />

Zerfall,<br />

Unheil<br />

und Streit.


oaN-pac. (Lady of all Nations – pacific)<br />

Sohn Martin:<br />

Wie kam es zu unserer Weihe an das unbefleckte Herz<br />

Mariens am 27. April 2017 in der Diepenbrockstraße<br />

3 in Amsterdam? Dort, im Mutterhaus der „Kongregation<br />

der Familie Mariens“, wird das originale Gnadenbild<br />

der „Vrouwe van alle Volkeren“ verehrt: eine weiß<br />

bekleidete Maria vor dem Kreuz, auf der Erdkugel über<br />

Afrika stehend. Dieses Gnadenbild war meiner Mutter<br />

Maria Friederike nicht gänzlich unbekannt, als eine<br />

Bekannte uns vor zwei Jahren das <strong>Buch</strong> von P. Paul<br />

Maria Sigl „DIE FRAU ALLER VÖLKER, Miterlöserin,<br />

Mittlerin, Fürsprecherin“ zuschickte. Ihr war noch sehr<br />

gut erinnerlich, wie eine Studentin ihr anlässlich einer<br />

Wallfahrt zum Aachener Dom ein Blättchen mit dem<br />

Gnadenbild zugereicht hatte. Aber dann hatte sie nichts<br />

mehr davon gehört – bis wir besagtes <strong>Buch</strong> bekamen.<br />

Es handelt sich um eine theologische Ausarbeitung<br />

zu den Erscheinungen und Botschaften der<br />

Mutter Jesu für eine Holländerin (Ida Peerdeman)<br />

von kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu<br />

ihrem Tode am 17. Juni 1996. In ihr teilt Maria der<br />

Seherin mit, dass es für die Vorbereitung der Welt<br />

auf das Zweite Kommen Christi wichtig sei, dass sie<br />

selbst in dieser neuen Rolle als Frau aller Völker, Miterlöserin,<br />

Mittlerin und Fürsprecherin anerkannt und<br />

geehrt werde. Das sei das fünfte und letzte Marianische<br />

Dogma. Erst nach dessen Verkündigung könne<br />

der Heilige Geist in allen Völkern machtvoller wirken.<br />

Der Begriff „Heiliger Geist“ war uns im Sinne des<br />

Stammes Dina zu maskulin. Deshalb haben wir ihn im<br />

nebenstehenden, von der Gottesmutter Maria offenbarten<br />

Gebet durch den in der hebräischen Sprache<br />

weiblichen Begriff „Ruach“, das ist Heilige Geistin, ersetzt.<br />

Diese Botschaften beeindruckten uns sehr und<br />

sie fügten sich nahtlos in unsere Ahnenforschung zu<br />

den Frauen unserer Familie ein. Das Irdische und das<br />

Himmlische müssen Hand in Hand gehen, wenn es<br />

etwas bewirken soll – die Aufwertung der Frauen unserer<br />

Familie (oder Deiner Familie, liebe Leserin und<br />

lieber Leser) geht einher mit der Aufwertung der Rolle<br />

Mariens in der Heilsgeschichte und zeitgleich aktuell<br />

in der unsichtbaren Welt. Aber weil es Hand in Hand<br />

geht, braucht es die irdische Dimension. Hier auf Erden<br />

muss jetzt die Weihe an das unbefleckte Herz<br />

Mariens verbreitet werden, und auch ihre Anerkennung<br />

als Miterlöserin verstanden werden, denn sie<br />

wurde ohne Erbsünde empfangen und trug und trägt<br />

ihren wichtigen Teil zum Sühneopfer Christi bei.<br />

Hier begegnet uns wieder das Leiden der gefallenen<br />

Welt, das durch Gottesferne verursacht wird. Jesus<br />

war wirklich kein Masochist. Er bat darum, dass<br />

der „Kelch an ihm vorüberginge“. Aber wenn das Leid<br />

unvermeidlich ist, muss es angenommen werden.<br />

Seine Mutter Maria war eine echte Israelitin, vielleicht<br />

sogar eine „Tochter Dinas“ oder eine Tochter<br />

ihres „virtuellen matriarchalen Sichem-Stammes“.<br />

Maria als Miterlöserin trägt die Schuld der Welt mit<br />

Jesus zusammen. Auch Dina trug ihren Teil an der<br />

Sühne und litt unter der Sünde anderer Menschen.<br />

Sichem hatte ihr ja nach seiner Gewalttat „freundlich<br />

zugeredet“, er schämte sich – ob sie sich wohl<br />

zu wehren versucht hatte? Das wissen wir nicht.<br />

Aber vermutlich hat sie geweint, als ihre Brüder ihren<br />

„Mann“ töteten. Ich kann mir vorstellen, dass diese<br />

seelische Wunde dazu führte, dass sie sich vermehrt<br />

um die anderen Frauen des Dorfes kümmerte, die<br />

ja wie sie ihre Männer verloren hatten und nun unfreiwillig<br />

ein Teil ihres Volkes geworden waren. Vielleicht<br />

ist sie ja gerade dadurch wirklich zur geistigen<br />

Stammmutter des „virtuellen Dreizehnten Stammes“<br />

in Israel geworden.<br />

Dina wusste damals vielleicht noch nicht – oder<br />

hat sie es geahnt? –, was die künftigen Propheten<br />

Israels voraussagen würden. Nämlich dass dem Volk<br />

ein Kind geboren werden würde, welches Immanuel<br />

oder Yeshuah (Jesus) genannt würde, was „Gott ist<br />

mit uns und Er errettet uns“, bedeutet. Dieses besondere<br />

Kind, welches keinen leiblichen Vater hatte,<br />

sondern vom Heiligen Geist Gottes gezeugt worden<br />

war, erwählte Maria als das „reine Gefäß“, um sich<br />

zu inkarnieren. Maria umhüllte das Göttliche mit dem<br />

Irdischen, sie gab dem Wort Gottes seine GESTALT.<br />

Mein Gemälde, am 31. Mai 2017 vollendet, stellt<br />

die „Frau aller Völker“ als „Lady of all Nations“ über<br />

dem Pazifischen Ozean stehend dar, sozusagen die<br />

Rückseite des originalen Gnadenbildes. Sie trägt die<br />

Tracht der Missionarinnen der Nächstenliebe von<br />

Mutter Teresa (Kolkatta-Indien). Das betont Maria<br />

als Vermittlerin zu den östlichen Völkern und Religionen.<br />

Der Pazifische Ozean passt auch vom Namen<br />

her gut, denn ein Name Mariens ist „Meerstern“, und<br />

Pazifik bedeutet eigentlich „Ozean des Friedens“. Ein<br />

gutes Omen, denke ich.


20<br />

Maria Luise Sturm<br />

verheiratete Schmidt,<br />

geboren 1822 in Breslau/Schlesien,<br />

gestorben 1908 in Breslau/Schlesien,<br />

meine Ururgroßmutter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


21


22<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Ihren Namen Maria erhielt sie, weil sie am 12. Dezember,<br />

dem kirchlichen Festtag „Hochfest der ohne<br />

Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“,<br />

geboren ist.<br />

Maria ist die Mutter von <strong>Clara</strong>, nach der wir unseren<br />

virtuellen <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> benannt haben. Von Maria ist<br />

zu berichten, dass sie eine überaus gebildete Städterin<br />

war. Elegant gekleidet und durch den Besuch der<br />

„Höheren Tochterschule“ angeleitet, schrieb sie ein<br />

wunderbares Tagebuch und ein Kochbuch, das meine<br />

Mutter noch benutzt hat. Darum wissen wir heute von<br />

der Gastwirtschaft Benajmin Sturm in Breslau, wo Maria<br />

aufwuchs. Später wurde sie Frau Rath genannt, weil<br />

sie Eduard Schmidt, den Ratsmaurermeister der Stadt<br />

Breslau, der ganze Straßenzüge baute, heiratete. Maria<br />

Luise führte als Frau Meisterin ein großes Haus, in dem<br />

die Handwerksburschen auf ihrer Wanderschaft bei ihr<br />

Kost und Logie erhielten. Vier Kindern schenkte sie das<br />

Leben, einer älteren Tochter, die früh an Colera starb,<br />

zwei Söhnen, die beide Soldaten wurden, und die jüngste<br />

war <strong>Clara</strong> Schmidt, meine Urgroßmutter.<br />

Die Mutter gab ihrer Tochter ihre Fähigkeiten weiter:<br />

Die Gabe, mit vielen Menschen umzugehen, sich unter<br />

führenden Leuten der Stadt frei zu bewegen, sehr<br />

selbstbewusst und frei zu entscheiden, all das lernte<br />

<strong>Clara</strong> von ihrer Mutter.<br />

Aus dem Tagebuch meiner damals zwölfjährigen<br />

Schwester Renate zitiere ich (das Tagebuch von Maria<br />

Luise ist leider nach dem zweiten Weltkrieg verloren gegangen):<br />

Maria Luise Sturm<br />

3. November 1938. Heute las uns<br />

Mutti aus dem Tagebuch unserer<br />

Ururgroßmutter (Maria Luise Sturm)<br />

vor. Es ist fein geschrieben und „alle<br />

Achtung“, die hat „Haltung“ gehabt,<br />

obwohl sie evangelisch war. Haltung<br />

ist viel mehr als etwas Äußerliches.<br />

Haltung nennt man die Art und Weise,<br />

wie einer sein ganzes Leben hält.<br />

meine Ururgroßmutter


aus dem Ahnenbuch, das meine Schwester Renate<br />

zusammengestellt hat<br />

23


24<br />

<strong>Clara</strong> Schmidt<br />

verwitwete Friedenthal,<br />

verheiratete von Heigel,<br />

geboren 1853 in Breslau/Schlesien,<br />

gestorben 1938 in Bad Warmbrunn/Schlesien,<br />

meine Urgroßmutter,<br />

unsere <strong>Clan</strong>-Matriarche.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


25


26<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

Immer wieder ist im Tagebuch von ihrer<br />

Tochter Hilde von den vielen Besuchen<br />

bei ihrer Tochter die Rede. <strong>Clara</strong><br />

wird eine sehr liebevolle Groß- und<br />

Urgroßmutter für ihre Enkel.<br />

In einem handgeschriebenen<br />

Brieflein an meine Schwester Renate<br />

lese ich:<br />

<strong>Clara</strong> wächst als jüngste Tochter wohlbehütet in der<br />

schönen, damals deutschen Stadt Breslau auf, die als<br />

„zweites Venedig“ mit ihren vielen Brücken über die Oder<br />

berühmt wurde. Ich stelle mir vor, dass es in ihrem Elternhaus<br />

sehr gastfreundlich zuging; stammte doch ihre<br />

Mutter Maria aus einem Wirtshaus und ihr Vater Eduard<br />

gehörte zum Stadtrat. Ihre Tochter <strong>Clara</strong> lehrte Maria<br />

das Tagebuchschreiben und zeigte ihr die Kunst, gute<br />

Gerichte zuzubereiten aus ihrem selbstgeschriebenen<br />

Kochbuch (leider sind diese beiden Bücher später verloren<br />

gegangen, doch meine Eltern benutzten sie noch).<br />

Schon mit 19 Jahren heiratete <strong>Clara</strong> Georg Friedenthal,<br />

einen Ingenieur; das war damals, Ende des 19. Jahrhunderts,<br />

ein ganz neuer Beruf. Georg stammte aus der<br />

jüdischen Familie Dyrenfurth, die für den Breslauer Dom<br />

die Kirchenfenster von der „Erweckung des Lazarus“ stifteten.<br />

<strong>Clara</strong> schenkte drei Kindern das Leben, doch früh<br />

starb ihr Mann. Ich denke mir, wie schwer das für sie war.<br />

Und als sie jungverwitwet Karl August von Heigel, einen<br />

Schriftsteller, kennenlernte, heiratete sie ein zweites Mal<br />

und zog mit ihm nach Riva am Gardasee in Italien. Die<br />

weite Reise dorthin zu ihr beschreibt ihre Tochter Hilde<br />

ausführlich, sie waren zwölf Stunden mit dem Zug unterwegs.<br />

Sie trifft sich mit ihrer Tochter Hilde sehr oft und reist<br />

noch im hohen Alter von über 80 Jahren nach Berlin,<br />

wo nun ihre Enkeltöchter mit Kindern leben. Auch mich,<br />

ihre Urenkeltochter, sieht sie noch im Riesengebirge in<br />

Warmbrunn.<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Warmbrunn, 20.4.1929.<br />

Meinem lieben Pathenkinde Renate gratuliere ich herzlich zum<br />

Geburtstage. Sei und bleibe immer recht gesund, sei und bleibe<br />

immer ein großes, starkes, schönes Mädchen, das recht artig ist<br />

und den lieben Eltern stets zur Freude lebt. ... Lass dir von der<br />

Mutti sagen, welche Geschenke ich auf deinen Geburtstagstisch<br />

gelegt habe.<br />

Dich und dein gutes Schwesterchen [Dorothee] grüße ich und<br />

küsse Euch vielmals. Dir schickt einen Geburtstagsgruß<br />

<strong>Clara</strong> Schmidt<br />

Deine Urma Heigel.<br />

meine Urgroßmutter


27<br />

<strong>Clara</strong> mit Enkeltochter Gerdha<br />

und mir, Urenkeltochter Maria<br />

ihr erster Ehemann Georg Friedenthal<br />

mit Urenkeltöchtern<br />

Renate und Dorothee<br />

<strong>Clara</strong> mittig<br />

mit Schwägerin<br />

Ida (li.) und einer<br />

Verwandten,<br />

unten die Enkeltöchter<br />

Ursula<br />

(li.) und Gerdha<br />

(meine Mutter,<br />

re.) mit „Fiffi“<br />

und Schwiegersohn<br />

Fritz;<br />

Tochter Hildegard<br />

steht hinter<br />

der Kamera


28<br />

Hildegard Friedenthal<br />

verheiratete Warmuth,<br />

geboren 1877 in Breslau/Schlesien,<br />

gestorben 1929 in Berlin,<br />

meine Großmutter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


29


30<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

18. März 1918 Ilse-Senta bekommt die Masern, die aber gutartig verlaufen, die Augen machen ihr am<br />

meisten zu schaffen.<br />

26. März Gerdha verlässt die Schule und bekommt ein befriedigendes Abgangszeugnis. Am Nachmittag<br />

großes Abschiedsfest der Schülerinnen in der Fliedner’schen Konditorei.<br />

4. Juni Erste Tanzstunde beider Kinder [Gerdha und Ursel], nur unter Mädchen, bei Frau Henry, einer<br />

Liegnitzer Tanzlehrerin. 14 Teilnehmerinnen, von denen Gerdha die älteste ist. Vorerst nur Gymnastik<br />

und Muskeln sowie Grazie auszubilden.<br />

11. Juni Zweite Tanzstunde, die ersten Anfänge für Rheinländer, die Kinder lernen viel, unsere Mädel<br />

machen es sehr nett.<br />

24. Juni Ich fahre mit Gerdha und Ursel nach Breslau. Die Kinder bleiben in Breslau bei Onkel Erich<br />

Enders zu Besuch, sollen sich auffuttern und in der Ernte etwas helfen. Da noch Zeit bis zur Abfahrt<br />

des Zuges ist, sehen wir uns an der Johanneskirche in der Hohenzollernstraße die bunten Kirchenfenster<br />

an, links das Mittelfenster, rechte Seite zeigt meine Großeltern Friedenthal. Die Mutter hält<br />

sorgend die Hand über den auferstandenen Lazarus, der Vater steht neben ihr. Die Bilder hat Onkel<br />

Ernst der Kirche geschenkt, vielmehr das ganze Fenster, und damit seinen Eltern ein dauerndes<br />

Denkmal gesetzt.<br />

1. Juli Ursel geht mit ihrer Klasse zum ersten Mal Laub sammeln auf den ganzen Tag. Die Schulen tun<br />

es alle. Ursels Klasse vier mal wöchentlich. Das Laub wird getrocknet, gepresst und als Viehfutter<br />

verwendet.<br />

4. August Die Kinder kommen wieder heim, haben sich mit den drei Basen angefreundet und sich<br />

tüchtig aufgefuttert.<br />

7. 1. 1920 Früh um 4 Uhr verlässt Gerdha für längere Zeit Landsberg. Sie geht nach Berlin, um sich als<br />

Gutssekretärin auszubilden, dort <strong>Buch</strong>führung, Berechnung und so weiter zu lernen. ... Vom Spiel<br />

und Tanz, noch in derselben Nacht bis Mitternacht, in den Ernst des Lebens hineingesprungen.<br />

Im Ostseeurlaub!<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

3.9. Früh um 7 Uhr verließ uns Ursel, sie darf die Schule nicht länger versäumen. Ihre beiden Verehrer<br />

sind sehr betrübt. Abends besuchen wir mit Gerdha eine Re‘uni~[nicht leserlich]. Dort wurden wir<br />

bekannt mit Herrn Gerdt von Bassewitz, dem Dichter von ‚Peterchens Mondfahrt’, dem ‚Pips der Pilz’,<br />

der preisgekrönten ‚Schahrazade‘ usw.<br />

4. 9. Vormittags mit Selles, Müllers an der sonnigen Düne, Herr von B. gesellt sich zu uns, erzählt Ilse,<br />

mit der er sich gleich sehr anfreundet, das Märchen von ‚Pips‘. Gerdha nimmt ihre Schachkunst<br />

wieder auf, auch ich spiele öfter mit Fritz. Ilsens Husten geht etwas zurück.<br />

Hildes Mutter, meine Urgroßmutter, lebt in Warmbrunn im Riesengebirge.<br />

12.9.1918 Mutter kommt an, um die Kur für 14 Tage mitzunehmen. Sie ist äußerst schwach und elend,<br />

kann fast gar nicht laufen. Ich besorge ihr alles Nötige und bringe sie als letzten Gast in meiner Pension<br />

unter.<br />

21.8.1919 Später waren wir noch paar Mal Beeren suchen und die kleine Ilse hat sich tapfer gehalten,<br />

ist stundenlang mit herumgeklettert. Die Mutter war so lieb, fürsorglich und gut zu uns, wie dankbar<br />

bin ich ihr für alle Liebe!<br />

16.9.1919 Mein Mutterle kommt zum letzten Mal, uns in Jauer besuchen, um mir bei meiner vielen<br />

Arbeit [beim Umzug] behilflich zu sein.<br />

13.1.1920 Am 8. ist Mutter auf paar Wochen zu uns gekommen. Schwierige Verbindung von Breslau,<br />

früh um halb sieben Uhr Abreise, Ankunft abends halb zehn Uhr.<br />

13.5.1920 Mutters Geburtstag verbringe ich bei Gerths zum Skat, den ich jetzt regelmäßig mit ihr, Frau<br />

Sanitätsrat Ziklow, Frau Jusig und Mayer haben werde.<br />

Hildegard Friedenthal<br />

meine Großmutter


31<br />

Hilde wuchs mit ihrem Bruder Willi in den bildungsbürgerlichen Kreisen Breslaus auf. Von<br />

ihr liegen mir drei ausführliche Tagebücher vor und ich kann mir ihr reiches Leben gut vorstellen.<br />

Mit der Heirat des Richters Fritz Warmuth, der später Reichstagsabgeordneter in<br />

Berlin wurde, führte sie eine gute Ehe und schenkte vier Kindern das Leben, von denen das<br />

älteste, der kleine Wolfgang, im ersten Lebensjahr schon starb. Um so liebevoller und besorgter<br />

zog sie ihre drei Töchter Gerdha, Ursula und Ilse-Senta, auch Ille genannt, groß. Stets<br />

war ihr ihre geliebte Mutter <strong>Clara</strong>, Großel genannt, zur Seite. Hilde war sehr lebensklug, hilfsbereit<br />

und reiste gern. Als sie schwer erkrankte, wurde sie von ihrer Familie treu umsorgt,<br />

sie starb schon mit 52 Jahren.<br />

Ich zitiere Hilde aus ihrem Tagebuch; Ausschnitte von 1918 bis 1929.<br />

Mit ihrer Familie ist Hilde sehr glücklich.<br />

22.09.1927 Der Hochzeitstag mit Blumen und all meinen Lieben. Fritz hat auch Ille mitgebracht, die ich<br />

nach 7 Wochen endlich wiedersehe.<br />

24.12.1927 Ein frohes Fest zusammen mit der ganzen Familie Kirsten. Ursel hat am 1. Feiertag frei<br />

und isst den Feiertagsschmaus mit uns. Großel (die 3 Wochen bei uns war), ist gestern zu Willis<br />

gefahren [Bruder von Hilde], feiert mit, ist seit 8. Dezember bei uns.<br />

30.06.1928 Fritz und ich reisen nach dem Allgäu. Schlafwagen III. Klasse.<br />

17.07.1928 Wir nehmen Wohnung in Hindelang beim Schneidermeister Brutscher. Garten mit Liegestühlen,<br />

einfaches, sauberes Zimmer um 1 Mark. Finden Anschluss an ein Leipziger Ehepaar Berner<br />

und Ministerialrat Keding mit Frau und Söhnchen aus Schwerin. Das Mittagbrot nehmen wir meist im<br />

„Löwen“ in Oberstorf, das uns ebenso nahe liegt.<br />

15.08. Wir besuchen abends als Geburtstagsfeier ein Bauerntheater. Die Einheimischen spielen ganz<br />

reizend. Vorher haben wir Gelegenheit, das schönste Alpenglühen, das ich je sah, zu bewundern.


32<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

Hilde ist nicht nur ein Privatmensch. Sie handelt nach dem<br />

Wort, „Das Private ist politisch“. Sie gründet eine Kriegsarbeitsstelle,<br />

wo Frauen für die verwundeten Soldaten Verbandsmaterial<br />

und Bettzeug nähen. Am 10. November 1918<br />

klebt sie in ihr Tagebuch einen Zeitungsartikel ein: „Abdankung<br />

des Kaisers“. Im Dezember schreibt sie in ihr Tagebuch:<br />

29.12.1918 Fritzens Wahlreden beginnen mit Breslau ... Ich selbst<br />

habe meine Arbeiterinnen von der Kriegsarbeitsstelle zusammengerufen,<br />

um mit ihnen eine Fühlung auch in der Zukunft<br />

zu bereden ... Nur mit Mühe gelingt es mir, sie wieder in meine<br />

Gewalt zu bekommen, und nach zwei Stunden verlassen alle<br />

ruhig die Versammlung. Die Freude an der Arbeit ist uns aber<br />

verdorben.<br />

19.1.1919 Der große Wahltag, Deutschlands Frauen dürfen zum<br />

ersten Mal mitwählen. Da sie in der Mehrzahl, sind ihre Stimmen<br />

die Maßgebenden.<br />

10.11.1921 Gestern und heut‘ deutschnationaler Parteitag. Gestern<br />

Frauentagung, gute Rede Frl. Dr. Spohrs. Frl. Jäschke aus<br />

Landsberg, die als Vertreter der dortigen Frauengruppe kam, ist<br />

uns für zwei Tage ein sehr lieber Gast.<br />

Meine Großmutter ist vielseitig begabt; sie ist eine Künstlerin<br />

und malt in ihrer Freizeit und fotografiert. Weil sie meist hinter<br />

der Kamera steht, sieht man sie selbst nur auf wenigen Fotografien.<br />

In ihren letzten Lebenstagen dichtet sie noch folgende<br />

Zeilen:<br />

Du lieber Gott, du bist so groß.<br />

Hast alle Kinder in deinem Schoß.<br />

Ach gib mir, dass ich fröhlich werde,<br />

auf Deiner wunderschönen Erde.<br />

links Familie Warmuth mit<br />

zwei Kindermädchen und<br />

Urlaubsfreunden an der<br />

Ostsee; Hilde mit Schlips<br />

Am 19. Februar 1929 stirbt sie nach schwerem, mit großer<br />

Tapferkeit ertragenem Krebsleiden, mit 52 Jahren. Ihr letzter<br />

Tagebucheintrag lautet:<br />

-20<br />

-1400<br />

29.01.1929 Ich bin glücklich gewesen in der Liebe der Meinen!<br />

Hilde Warmuth<br />

Sie ist auf dem Friedhof am Park Sanssoucis in Potsdam<br />

beerdigt.


33<br />

Hilde mit Dackel auf dem<br />

Schoß und ihre Töchter<br />

Gerdha und Ursula


34<br />

Gerdha Katharina Margarete Warmuth<br />

verheiratete Kirsten,<br />

geboren 1901 in Breslau/Schlesien,<br />

gestorben 1980 in Stratford-on-Avon/England,<br />

meine Mutter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


35<br />

1901


36<br />

Aus den Aufzeichnungen meiner Großmutter Hilde über die Kindheit meiner Mutter Gerdha gehen vier wichtige<br />

Ansätze matriarchalen Denkens hervor: Mutterliebe, Humor, Religiosität und Nachhaltigkeit.<br />

Dies hier sind Zitate aus diesem „Lebensbuch“, d.h. dem Tagebuch, das die Mutter über ihre Tochter<br />

geschrieben hat. Den Einband schmücken ein eingeprägter Schriftzug „Klein-Gerdha“ und ein Schneeglöckchen<br />

aus Messing. Es beginnt mit ihrer Geburt 1901. Das „h“ in ihrem Namen wird später weggelassen.<br />

1989<br />

Hilde notiert genau das Gewicht und die Nahrungsaufnahme.<br />

Die Liste endet mit Gerdhas Gewicht nach einem Jahr: 10110<br />

Gramm. Das sorgfältige <strong>Buch</strong>führen ist ein Beispiel für die<br />

„Ordnung der Mutter“.<br />

Geboren am 26. Dezember 1901<br />

früh 9 ¼ Uhr wiegt Gerdha 6 Pfund.<br />

Vom zweiten Tage an nimmt sie alle<br />

4 Stunden Nahrung zu sich und hat<br />

nach der ersten Woche nur 200 gr.<br />

abgenommen.<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Ihre erste Reise trat Gerdha mit fast 6 Monaten an, nach den<br />

Laberhäusern im Riesengebirge, wo wir ein viertel Jahr verbrachten.<br />

Dort trank sie nur Ziegenmilch, die ihr ausgezeichnet<br />

bekam. Gerdha ist nun 5/4 Jahr alt und fängt endlich an zu<br />

sprechen. Hauptwort ist „Na“. Wenn ein Wasserhahn aufgedreht<br />

wird, am Eisschrank Wasser abgelassen, oder wenn es<br />

regnet, all das fasst sie in dieses eine Wort zusammen. Die<br />

Gesundheit ist leider nicht berühmt, die Farben verlieren sich<br />

trotz reichlicher Nahrungsaufnahme und Kleinchen wird immer<br />

magerer. Mit 19 Monaten endlich stellt sich ein heftiger Darmkatarrh<br />

ein und die Milch wird für zwei Monate ausgesetzt.<br />

Noch krank fahren wir mit dem Kind nach Charlottenbrunn,<br />

auch dort bessert sich der Zustand nicht, aber geistig entwickelt<br />

sich Gerdha ganz auffallend. Sie spricht alles nach und<br />

fast immer richtig, ist aber durch die Krankheit meist schlecht<br />

aufgelegt, weint andauernd und macht uns durch ihr Befinden<br />

rechte Sorge, so dass wir beschließen, in Breslau einen Kinderarzt<br />

zu konsultieren und die Abreise deshalb beschleunigen.<br />

Die Eisenbahn ist eine Marter, die dreistündige Fahrt wird von<br />

Gerdha schreiend zurückgelegt und ein Passagier nach dem<br />

andern verlässt entsetzt das Wagenabteil. Wir atmen erst auf,<br />

als wir am Ziele sind und schon am nächsten Tage gehe ich mit<br />

Gerdha zu einem Kinderarzt: Dr. Theinich verordnet eine ganz<br />

andere, die vegetarische Lebensweise! Das Kind wiegt nur<br />

noch knapp 23 Pfund, hat tiefe, dunkle Ränder um die Augen<br />

und eingefallene Schläfen. Ihr Aussehen erbarmt, so leidend<br />

ist es. Die neue Kur schlägt aber augenblicklich an, der Appetit<br />

hebt sich und die grünliche Gesichtsfarbe verliert sich. Das<br />

Körpergewicht ist zum Stillstand gebracht, und das Wesen heitert<br />

sich merklich auf, und im Oktober, als Ursula geboren wird,<br />

sind wir über die Sorgen hinweg, das Kind blüht von da ab auf,<br />

nimmt tüchtig zu und ist meist heiter. [...] Sie spricht in ganzen<br />

Sätzen und spricht von sich aus „ich“. Das Kleinchen Ursula<br />

(Ursel) wird zärtlich geliebkost „mein Kleines“ genannt, und hat<br />

durch die Liebkosungen schon einige Beulen davongetragen.<br />

Das tägliche Bad interessiert sehr, aber die erste Flasche wird<br />

ihr nicht gegönnt und Gerdha fühlt sich in ihrem Recht beeinträchtigt.<br />

erdha Warmuth<br />

Gewicht<br />

nach der 2ten Woche 3000 gr<br />

nach der 3ten Woche 3350 gr.<br />

nach der 4ten Woche 3580 gr.<br />

jedesmal gegen 80 gr.<br />

nach der 5ten Woche 3715 gr.<br />

beim Trinken oder 7 Strich<br />

nach der 6ten Woche 3960 gr.<br />

Gerdha nimmt jetzt alle drei Stunden<br />

Nahrung zu sich, mit einer sechs-stündigen<br />

Pause während der Nacht.<br />

meine Mutter


37<br />

Eigensinn wird nicht gebrochen,<br />

sondern als matriarchaler Persönlichkeitszug<br />

anerkannt.<br />

Die Mutter achtet auf die Sprache ihrer Tochter.<br />

Gerdha ist stets höflich, das Wort „bitte und danke“ spielt eine<br />

große Rolle und wer niest, wird sofort mit einem „Prost“ bedacht,<br />

ohne Unterschied auch Ursula und sogar Hansel, der Hund, der<br />

auch beim Pferdespiel und Reigentanzen unentbehrlich ist. Die<br />

Freunde des Hauses kennt sie alle und begrüßt sie stets mit heller<br />

Freude, ist überhaupt sehr gesellig. Nun wird ein photographischer<br />

Apparat angeschafft, zuerst lässt sich Gerdha sehr gern aufnehmen<br />

und „Muttel, knips mal“ ist häufiger Wunsch, doch Stubenaufnahmen<br />

bei Blitzlicht verleiden ihr bald das neue Vergnügen und<br />

es fällt schwer, eine Aufnahme von ihr zu machen.<br />

In der damaligen Zeit war das Photographieren für Frauen noch<br />

ungewöhnlich; – die Großmutter wird geehrt und besucht:<br />

Die Mutter wird auf’s Zärtlichste geliebt. Im Alter von 2 ½ Jahren<br />

siedeln wir nach Hultschin über, wohin Vater als Amtsrichter berufen<br />

worden ist. Meta und Martha ziehen mit. Somit macht der Umzug<br />

auf die Kinder nur wenig Eindruck. Bei Großel Schmidt wird die<br />

letzte Breslauer Nacht verbracht, dann geht’s mit der Puff-Puff gen<br />

Süden. Viel Unbequemlichkeiten, bis endlich die Möbel angekommen<br />

sind und der Neubau soweit behaglich eingerichtet ist. Doch<br />

die Kinder sind brav und erschweren’s uns nicht. [...] Der Winter<br />

kommt, mit ihm zeigt sich erst das schlechte Klima dieses oberschlesischen<br />

Winkels. Mutter kränkelt und kann sich nicht recht<br />

erholen. Da heißt’s plötzlich, mit beiden Kindern zu Großmutter<br />

von Heigel nach Riva fahren. Mitte Februar geht’s los, über Wien<br />

zur Südbahn und Meta fährt mit. Die ganze Nacht sitzt Gerdha auf<br />

Muttels, Ursel auf Metas Schoß. Die Bahn ist überfüllt, eine Erlösung<br />

die endliche Ankunft nach fast 24 stündiger Fahrt. [...]<br />

Hilde unterrichtet ihre Tochter selbst.<br />

Ostern ist Gerdha schulpflichtig. Ich will ihr aber die goldene Freiheit<br />

noch etwas gönnen, unterrichte sie das erste Schuljahr allein.<br />

Die Hölle war’s und ich warne jede Mutter. Nun war’s bei Gerdha<br />

freilich doppelt schwer. Sie ist linkshändig, von klein auf wurde für<br />

alle schwierigen Handgriffe die linke Hand benützt. So auch beim<br />

Schreiben. Unendliche Mühe kostet es, ihr den Stift in die Rechte<br />

zu gewöhnen, die <strong>Buch</strong>staben wollen gar nicht werden. Über,<br />

unter der Linie wälzt sich ein unkenntliches „Etwas“, oder soll’s ein<br />

<strong>Buch</strong>stabe sein? – Als ich im Oktober meine Glanzschülerin der<br />

Schulvorsteherin präsentiere, versteinert diese zusehens vor Entsetzen<br />

über Gerdhas Leistungen und meine Schule. Sie hat es mir<br />

wohl später im Stillen abgebeten, denn auch in ihrer Schule hat es<br />

Monate gekostet, ehe das Händchen auch nur etwas geschickter<br />

werden wollte. Sieht niemand zu, so wird die Feder wie die Nadel<br />

schnell in die Linke geklemmt.<br />

Auch unser liebes „Schreikind“ verbreitet<br />

zuerst Entsetzen. Dauert nicht<br />

lange, so wird mir das Kind einmal<br />

aus der Schule heimgebracht, hat<br />

dort derart geschrien, dass sie den<br />

Unterricht in allen Klassen störte und<br />

ließ sich auf keinerlei Beruhigungsversuche<br />

ein. Ja, bockig war die kleine<br />

Göre immer. Schlug man sie, so<br />

nutzte das wenig und sperrte ich sie<br />

ein, so blieb sie lieber stundenlang<br />

in einem eher ungastlichen Raum,<br />

ehe sie sich entschlossen hätte, um<br />

Verzeihung zu bitten. „Komm, bitt‘ ab,<br />

Gerdha“ – „Da bleib ich lieber eingesperrt!“<br />

Schwer! – Was tun?<br />

Die Mutter fördert die Bildung der<br />

Tochter.<br />

Das Lernen geht, immer in der goldenen<br />

Mittelstraße der Klasse hält<br />

sie sich nach der ersten, schwersten<br />

Lernzeit. Ein bissel fahrig, ein bissel<br />

faul, ein bissel verspielt. – In jeder<br />

Not hat sie einen treuen Tröster,<br />

der nie versagt: Wupp, den Daumen<br />

in den Mund! Mit Schwesterchen<br />

wird viel gespielt und viel gezankt.<br />

Die Schularbeiten werden nur ganz<br />

nebenbei behandelt. [...] Neues Leid<br />

bringt die 7. Klasse, will doch die<br />

neue Fremdsprache zuerst gar nicht<br />

in den kleinen Kopf hinein. Über 12<br />

Vokabeln paukt man fast den ganzen<br />

Nachmittag und auch dann wollen<br />

sie noch nicht ordentlich sitzen. Über<br />

den ersten Zwischenfall, in der 9 ten<br />

Klasse, habe ich von Gerdha selbst<br />

später Aufklärung erhalten. Fräulein<br />

Jakob hatte Gerdha aufgetragen, mir<br />

auszurichten, ich hätte das Schulgeld<br />

vergessen zu zahlen. Ich hatte es natürlich<br />

bezahlt und konnte das auch<br />

in meinen Ausgabenbüchern feststellen.<br />

Da entfuhren mir im Ärger die<br />

Worte: „Ich habe es ja längst bezahlt,<br />

da soll doch die Gans in ihren Büchern<br />

nachsehen und nicht verbummeln<br />

zu quittieren.“ Gerdha soll am<br />

nächsten Morgen ausrichten, dass


38<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

das Geld längst bezahlt ist. Ihr aber haben wohl die<br />

Worte des Nachsatzes am meisten imponiert und<br />

wörtlich richtet sie aus: „Meine Muttel hat gesagt,<br />

sie hätte es längst bezahlt, da soll doch die... usw.“<br />

Heut’ natürlich bin ich Frl. Jakob dankbar, dass sie<br />

die Angelegenheit so freundlich verschleiert hat.<br />

Gerdha aber, die sich in ihrem Recht gekränkt fühlte,<br />

erhob deshalb damals ihr fürchterliches Gebrüll,<br />

sah sie doch keinen Grund dafür ein, für mich zu<br />

leiden und in einem Zimmer eingesperrt zu werden.<br />

Um so heldenhafter war’s, dass sie mir damals den<br />

wirklichen Grund verheimlichte. [...] Mit ihren Freundinnen<br />

ist Gerdha nicht intim, ist auch in ihrem<br />

Wesen, sobald sie Gäste hat, unnatürlich. Sie hält<br />

sich stets zu mir und ist wenig selbständig.<br />

Puppenspiel bereitet auf die Mutterrolle vor.<br />

Die Puppen werden aber leidenschaftlich geliebt,<br />

gepäppelt und bemuttert. Jeden Abend werden<br />

sie alle ausgezogen ins Puppenbettchen (es hat<br />

zum Glück eine Länge von einem Meter und die<br />

entsprechende Breite) gelegt und jeder ein Kuss<br />

aufgedrückt. Sind die Püppchen noch nicht im Bett,<br />

so kann auch Klein Gerdha unmöglich schlafen<br />

gehen. Oft wurde Großmutter in Warmbrunn besucht.<br />

Viel frohe Ferien wurden bei ihr verlebt. Der<br />

Sommer wie der Winter brachten dort ihre Freuden.<br />

Jahre ist’s her, da flog mal ein Storch über Großels<br />

Dach. Gerdha sieht ihm sehr interessiert nach und<br />

meint dann ruhig: „Da wird wohl die Großel ein Kind<br />

bekommen.“ Gerdha macht weiter ihre Sache in<br />

der Schule, immer die goldene Mittelstraße. Hat sie<br />

Arbeiten zurückbekommen, so hält sie das nicht für<br />

nötig, mir zu vermelden. Darüber von mir zur Rede<br />

gestellt, meint sie seelenruhig: „Wenn ich dir nun<br />

heut’ gesagt hätte, dass ich eine sehr gute Arbeit<br />

zurückbekommen habe, dann müsste ich es dir ja<br />

auch melden, wenn ich andermal eine Schlechte<br />

zurückbringe.“<br />

Mit dem Kind wird gebetet. Spiritualität ist eine<br />

Grundlage im Matriarchat.<br />

Als kleines Mädchen hat sie mich mal gefragt, ob<br />

der liebe Gott Joseph heiße. Auf meine überraschte<br />

Anfrage, wie sie darauf käme, erklärte sie das sehr<br />

einfach: „Der liebe Gott muss doch Joseph heißen,<br />

denn er ist doch der Vater vom Jesuskindel und<br />

der hieß Joseph.“ Im Gebet: „Gott, mein Gott kann<br />

vor Gefahren ...“ usw. verdreht sie die Stelle, ohne<br />

dass ich’s merke, in: „Gott, mein Gott kam vorgefahren“,<br />

bis ich durch ihre Anfrage: „Warum kommt<br />

Er denn vorgefahren?“ darauf aufmerksam wurde.<br />

Gerdha bleibt linkshändig, sie wird ein großes und<br />

sehr kräftiges Mädel, hat aber keinerlei Ehrgeiz und<br />

keinen Unternehmungsgeist. Sie hat nicht zu viele<br />

Freundinnen und ist auch mit diesen nicht intim,<br />

hält sich vielmehr immer ans Haus und die Familie.<br />

Am Brüderchen hängt sie sehr und ebenso groß wie<br />

die Freude über seine Geburt, ist der Schmerz über<br />

seinen frühen Heimgang. Oft werden Reisen unternommen,<br />

meist zu Großel <strong>Clara</strong> ins Riesengebirge<br />

[...] Gerdha fühlt sich überall wohl und wird gern als<br />

Gast gesehen, lässt sie doch ihre Fehler bei solchen<br />

Gelegenheiten daheim. - Die Jahre fliehen pfeilgeschwind,<br />

Gerdha wird im März 1917 konfirmiert und<br />

verlässt am 26. März 1918 die Schule. Ihr Abgangszeugnis<br />

ist nicht schlecht, doch zu weiteren Studien<br />

verspürt sie keine Lust. Wir schieben deshalb eine<br />

Berufswahl hinaus [...] Also Gerdha bleibt vorläufig<br />

daheim, ich würde sie auch jetzt während der<br />

Kriegszeit ungern fortgeben. Sie hilft in Haus und<br />

Garten und spielt viel mit dem kleinen Schwesterchen,<br />

unserem Sonnenschein, der am 29. Januar<br />

1916 geborenen Ilse-Senta.<br />

Das Malen habe ich von meiner Mutter geerbt.<br />

Daheim in Jauer stürzt sich Gerdha jetzt auf die<br />

Malerei. Sie scheint Talent zu haben, und ich habe<br />

Freude an ihren Fortschritten. [...] Von Neujahr<br />

an geht’s in die Schneiderstunde, das macht viel<br />

Freude, und ganz regelmäßig sitzt Gerdha von 8<br />

– 12 Uhr unter den Nähmädchen der Frl. Keil, die<br />

ihre Sache ausgezeichnet zu verstehen scheint.<br />

Ein Kunstwerk nach dem andern entquillt Gerdhas<br />

linker Hand und so schafft sie sich nach und<br />

nach eine ganze Ausstattung für das beabsichtigte<br />

Pensionsjahr in irgendeiner Maidenschule in Mitteldeutschland.<br />

Der Vater hat als Beschützer und Unterstützer der<br />

Mutter eine wichtige Rolle.<br />

Vater will nach Rudolfstadt hinfahren und sich die<br />

Schule ansehen, danach werden dann Entschlüsse<br />

gefasst werden.


39<br />

meine Mutter und ich an der Ostsee<br />

Gerdha, Ursula und Baby Ilse-Senta<br />

Gerdha in England<br />

Gerdha mit Tochter Renate und<br />

Enkeltöchtern Sonja und Kathy


40<br />

Gerdha, Hildegard, <strong>Clara</strong><br />

1927<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50<br />

cm, Köln 2006/2007]


41


42<br />

Maria Friederike Kirsten<br />

verheiratete Haas,<br />

geboren 1935 in Berlin-Dahlem,<br />

Selbstportrait mit 23 Jahren.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


43


44<br />

Meine Mutter – evangelisch erzogen und mit der Eheschließung katholisch konvertiert – schreibt vor meiner Geburt<br />

im „Haus und Familienbuch von Peter u. Gerdha“:<br />

Maria kam, und keiner hat es erkannt, ich wurde monatelang auf Gallenblase behandelt. Da kam Hans-Günther [Arzt,<br />

Ehemann von Gerdas Schwester Ursula], der mich sehr genau kannte, und sagte: „Alle Ärzte irren, es ist ein Kind unterwegs“!<br />

Peter musste den Ärzten und meinen Eltern versprechen, dass nie mehr ein Kind käme, weil ich bei Dörte<br />

beinahe gestorben bin. Er beschwor mich, auf dieses Kind zu verzichten. – Ich bat die Gottesmutter darum, das Kind zu<br />

erhalten, es würde dann keinen anderen Namen als Maria bekommen!<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Im „Lebensbuch von Gerdha über<br />

Maria Friederike“ schreibt meine<br />

Mutter:<br />

Maria Kirsten heißt unser Minzelchen<br />

auf ihrer ersten Urkunde. Auf<br />

Großvaters Wunsch wird aber noch<br />

eine kleine Namensverlängerung<br />

vorgenommen, nun heißt sie „Maria<br />

Friederike“.<br />

Es ist ein sonniger erster Adventssonntag,<br />

als unser Kleinchen sich<br />

anmeldet. Früh flicht Mutter den<br />

Adventskranz für ihre großen beiden<br />

Töchterchen und dann geht’s im<br />

Auto mit Vati nach (Berlin-)Dahlem.<br />

Hier im „Haus Lenzallee“ in Dahlem<br />

bei den guten Grauen Schwestern<br />

erblickt Klein Maria am 2. Dezember<br />

morgens um ½ 2 Uhr das Licht<br />

der Welt. Ein reizendes Kerlchen ist<br />

sie, mit ganz hellen Härchen ist das<br />

Köpfchen bedeckt. [...]<br />

Nach sechzehn Tagen fahren die<br />

stolzen Eltern mit dem Kind nach<br />

Haus, wo der Opa als erster es<br />

begrüßt. Schön geschmückt ist<br />

die Wohnung, und überglücklich<br />

begrüßen Renatchen und Dorle den<br />

kleinen Erdenbewohner. Papi hat<br />

ein reizendes Bettchen gezimmert,<br />

in das Kleinchen nun einzieht. [...]<br />

Im Juni fängt Kleinchen zu husten<br />

an, ißt nicht mehr, und wird von Tag<br />

zu Tag kränker; auch Dorle hustet<br />

und bricht. Der Keuchhusten ist<br />

eingezogen. Was ist da zu tun? Luftveränderung,<br />

das altbewährte Mittel<br />

wird sicherlich helfen. Ich packte<br />

das Kind mit seinem Wägelchen<br />

zusammen und fahre mit ihr zum<br />

einzigen Besuch bei der Urgroßoma.<br />

Die 84jährige alte Dame ist<br />

glücklich, das jüngste Urenkelkind<br />

noch zu sehen. Wir wohnen in ihrer<br />

Nähe und können sie täglich besuchen.<br />

Sie sitzt mit uns im Garten<br />

und schon nach paar Tagen ist die<br />

Macht der Krankheit gebrochen.<br />

[...] Ein zeitiger Frühling beginnt und<br />

wir beginnen mit dem Hausbau. [...]<br />

Minz spricht jetzt sehr niedlich, sie<br />

hat nie Kinderdeutsch gelernt, sondern<br />

drückt sich stets hochdeutsch<br />

aus. Natürlich klingt es manchmal<br />

ganz ulkig, was sie plappert. Sie<br />

rennt immer strahlend umher,<br />

läßt sich von Papi auf die kleinen<br />

Obstbäume heben, hilft sickern<br />

[düngen mit Jauche] oder trägt im<br />

Gießkännchen Wasser an die neuen<br />

Pflänzchen. [...] Ostern werden die<br />

Eier zum ersten Mal im eigenen<br />

Garten gesucht. Sie hält selbst<br />

ihr Körbchen, bedauert aber, daß<br />

der Osterhase nicht zu sehen ist.<br />

[...] Tante Ille [Schwester Gerdhas]<br />

wohnt seit Vaters Tode ja bei uns,<br />

sie hat den Puppenpark um Häsekin<br />

vermehrt, die sich bestens mit Max<br />

und Moritz, mit Dornröschen und<br />

Rotkäppchen verträgt. [...]<br />

Juli 1941. Berlin Kleinmachnow.<br />

Zwei Jahre sind seit der letzten<br />

Eintragung verflossen, die uns dabei<br />

wie Tage vergangen sind. Minz ist<br />

nun fünfeinhalb Jahre alt. Sie ist<br />

noch immer zierlich und zart, blondhaarig<br />

und rotbackig, dazu jetzt im<br />

Hochsommer braungebrannt wie<br />

ein Negerlein. [...] Sommerliches<br />

Treiben erfüllt also unser Haus, und<br />

Maria Friederike Kirsten<br />

wenn dann Renate oder Dörte das<br />

Schwesterchen auf’s Rad packen<br />

und mit ihr zum Wannsee baden<br />

fahren, dann ist die Freude ganz<br />

groß. [...] Im Winter aber hat sich<br />

Minz als große Rodlerin betätigt, sie<br />

sitzt dann auf ihrem kleinen Schlitten<br />

und fährt zum Ergötzen der<br />

Zuschauer steile Bahnen oder im<br />

Walde gebildete Schneehügel ohne<br />

jede Angst hinab. Selber zieht sie<br />

ihr Gefährt dann wieder in die Höhe<br />

und kann nie genug von diesem<br />

Vergnügen bekommen. Brennend<br />

gern fährt sie mit mir nach Berlin<br />

oder Potsdam einkaufen. Wie ein<br />

Mäuschen so still sitzt sie in der<br />

U-Bahn und ist auch überall in den<br />

Geschäften strahlend artig, bettelt<br />

nicht und läßt sich als Abschluß bei<br />

„ZUNZ“ den Pudding mit künstlicher<br />

Schlagsahne schmecken. [...]<br />

Auch der Nachmittagsspaziergang<br />

der Eltern wird meist mitgemacht.<br />

Sie trippelt dann zwischen uns<br />

und will gern unterhalten sein. Sie<br />

freut sich über jedes Tierchen, das<br />

vorbeihuscht und beobachtet mit<br />

Vergnügen die Vögelchen im Walde,<br />

aber auch im Garten. [...] Gern<br />

teilt sie mit ihren kleinen Freunden<br />

Keks und Bonbons. Sie tröstet stets<br />

denjenigen im Spiel, der unter den<br />

Anderen zu leiden hat. Sie ist meist<br />

mit Jungens zusammen und daher<br />

an lebhafte Spiele gewöhnt, was sie<br />

jedoch nicht abhält, stundenlang<br />

mit Inga mit den Puppen zu spielen.<br />

Genau wie Dörte spielt sie wie<br />

ein Mütterchen mit ihren Kindern,<br />

ich


45<br />

füttert sie, spricht mit ihnen und<br />

nennt sie mit bestimmten Namen.<br />

[...] Die Winter sind hier draußen<br />

oft kalt, dann sitzt man gern in<br />

Minzens geheiztem Gemach, ich an<br />

der Nähmaschine und sie mit dem<br />

Malbuch beschäftigt. Sie tupft ganz<br />

sauber und tadellos. [...] In jedem<br />

Jahr besucht uns Patentante Gisela,<br />

die sehr von allen geliebt werdende<br />

Breslauer Tante. Sie und Tante Ille<br />

bringen den Kindern viel Freude ins<br />

Haus, beide sind jung und passen<br />

sich den Mädels an. [...] So lebt also<br />

Maria Friederike weiter zusammen<br />

mit Vati, Mutti, Renate und Dörte,<br />

nicht zu vergessen Hertel, die sehr<br />

an dem Kinde hängt, ihr frohes<br />

schönes Kinderdasein und ist unser<br />

süßer kleiner Liebling.<br />

Im „Haus- und Familenbuch von Peter und Gerda Kirsten“<br />

schreibt Mutter Gerdha in den 1950er Jahren:<br />

Wenige Menschen haben das Glück einer harmonischen Kinderzeit<br />

vergessen können; man nimmt die Erinnerung daran durch‘s<br />

ganze Leben mit. Ihr drei Mädel seid in der Athmosphäre friedlicher<br />

Zusammenarbeit aufgewachsen und habt Freud und Leid<br />

mit uns Eltern geteilt. Fast nie gab es Zank zwischen euch und<br />

ich betrachte es als schönsten Lohn unserer Beziehung, wenn<br />

das auch in späteren Jahren so bleiben wird. [...] Das Mariakind<br />

ist Mutters liebstes, ich habe sie mit allen Fasern des Herzens erkämpft<br />

und erwünscht, sie gehört uns Dreien zusammen. Keines<br />

meiner Kinder hat in meinem Herzen einen Sonderplatz, aber<br />

Maria ist so jung gewesen, als unser Vater uns verlassen musste,<br />

er hat sehr an ihr gehangen, wollte ihre Erstkommunion so gerne<br />

mitfeiern und hat gehofft, auch ihr Heranwachsen zu betrachten.<br />

Nun müssen wir dafür sorgen, ihre guten Anlagen zum Entfalten<br />

zu bringen. Sie lernt leicht und hat eine gesunde Auffassungsgabe.<br />

Ihre Liebe zu Blumen und Tieren spricht für ein gutes Herz,<br />

wenn nicht Eitelkeit und Leichtgläubigkeit von ihr Besitz ergreifen,<br />

so werden wir in ihr einen tüchtigen Menschen heranziehen<br />

können.


46<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Unser Haus mit dem großen Garten im Vorort Berlins ist mit dem Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs russisch besetzte Zone, später DDR geworden. Mein Vater lebt nicht mehr,<br />

und so verlassen wir alle vier Frauen unsere Heimat. In Wiesbaden, im sogenannten<br />

„Goldenen Westen“, finde ich Arbeit, heiratet und bringe meinen Sohn zu Welt. Mit<br />

fünfzig Jahren studiere ich Sozialpädagogik, lerne malen, und beginne, mich mit Genealogie<br />

zu befassen.<br />

Viele Bilder von Heiligen Frauen habe ich gemalt.<br />

Dann faszinierten mich die alten Tagebücher<br />

meiner Mutter, Großmutter und Urgroßmutter<br />

<strong>Clara</strong> und ich gewann die verstorbenen Ahnfrauen<br />

lieb. Daraus ergab sich fast wie von selbst die<br />

Matriarchatsforschung. Das Wissen der Mütter<br />

darf nicht verloren gehen; was die Frauen unserer<br />

Familie in ihren Tagebüchern und Lebensbüchern<br />

mitteilen wollten! Daraus ist nun dieser<br />

Bildband entstanden, in dem die Mütter und<br />

Töchter abgebildet sind und in ausgewählten<br />

Zitaten zu uns sprechen. Viel Erfahrung überliefern<br />

sie uns, viele Talente und Eigenschaften<br />

vererben sie an die Nachgeborenen. Es sind die<br />

Wurzeln, die uns nähren, und so ist es unsere<br />

Aufgabe, die zu pflegen.<br />

Auch für andere Frauen soll dieses <strong>Buch</strong><br />

eine Inspiration sein, nach ihren Müttern und<br />

Vormüttern zu fragen, weil sie uns Heutigen etwas<br />

Wichtiges über die moderne Frauenbewegung<br />

zu sagen haben.<br />

Das Christliche Weltbild liegt den Schriften<br />

der Mütter und Töchter zugrunde. In diesem spirituellen<br />

Sinne ist es mein Ziel, einen sog. Virtuellen<br />

Mutter-<strong>Clan</strong> (VMC), wie damals bei der<br />

Tochter Israels, Dina (s. S. 16 f.), aufzubauen,<br />

indem man die Frauen herausfindet, die mütterlicherseits<br />

miteinander verwandt sind und sie<br />

miteinander vernetzt.<br />

Die Ehemänner sind auch bedeutsam, weil<br />

sie die Leistungen der Frauen achten und sie unterstützen.<br />

Im „Virtuellen Matriarchat“ – Erläuterung<br />

dazu im Vorwort meines Sohnes Martin zu<br />

diesem, hier vorliegenden <strong>Buch</strong> – gibt es keine<br />

Herrschaft der Frauen über die Männer, sondern<br />

die jüngste Tochter der jüngsten Tochter ... der<br />

<strong>Clan</strong>-Mutter ist die „Virtuelle Matriarche“ und sie<br />

koordiniert die gemeinsame Meinungsbildung.<br />

Entscheidungen werden im Konsens getroffen.<br />

Nachhaltigkeit, Liebe in der Familie, insbesondere<br />

zwischen den Frauen und Kindern, Spiritualität,<br />

Humor und Lebensfreude sollen im Virtuellen<br />

Matriarchat die vorrangigen Merkmale sein.<br />

Pau<br />

eine


47<br />

se mit Schulfreundinnen während der Abiturprüfungen,<br />

Partie Skat, links ich<br />

auf den Schößen meiner Schwestern Renate und Dörte<br />

mit Schwestertochter Sonja in England<br />

auf der Dokumenta in Kassel, überschwänglich begrüßt von<br />

Marianne Pitzen, Direktorin des Frauenmuseums Bonn


48<br />

Maria Friederike Kirsten-Haas<br />

verheiratet geschieden Dr. Ing. W. Haas,<br />

geboren 1935 in Berlin-Dahlem,<br />

Selbstportrait mit 70 Jahren.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 28.02.2007]


49


50<br />

A


nni<br />

Das virtuelle Interview zum<br />

Thema: „Virtuelles Matriarchat“<br />

– mit Dipl. Sozialpädagogin<br />

Frau Maria Friederike<br />

Kirsten-Haas (81) und<br />

ihrer virtuellen Tochter und<br />

Matriarche Anni (42)<br />

Eigentlich sollte man erst dann Guru oder Priester<br />

werden, wenn man/frau Selbstverwirklichung erlangt<br />

hat, also fest in der Transzendenz verankert<br />

ist, wodurch man ohne äußere Führung auskommt.<br />

Eine Matriarche, die den <strong>Clan</strong> führt, muss also<br />

selbstverwirklicht sein. Falls das nicht der Fall ist,<br />

lässt sich eine virtuelle Matriarche etablieren, die<br />

dann „imaginär selbstverwirklicht“ ist. Unser <strong>Buch</strong><br />

„<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>“ ist ein Prozess, ein innerer Weg. Indem<br />

wir an ihm arbeiten, arbeitet das <strong>Buch</strong> an uns,<br />

oder die unsichtbare Welt hinter dem <strong>Buch</strong>, unsere<br />

Ahninnen, arbeiten mit uns. Das folgende imaginäre<br />

Interview gibt einen Einblick in diese virtuelle matriarchale<br />

Welt.<br />

Virtuelle Matriarche Anni: Liebe Maria Friederike,<br />

ich bin ja als deine virtuelle Tochter intuitiv eng<br />

mit dir verbunden, weil ich unsichtbar bereits<br />

lange in einer spirituellen Dimension existiert<br />

habe. Viele Frauen wissen, dass die feminine<br />

Intelligenz des Universums jetzt das Patriarchat<br />

durch matriarchale Elemente überwinden, erneuern<br />

oder zumindest ergänzen möchte. Dazu<br />

kann vielleicht auch eine solche Arrangierung,<br />

wie wir sie mit mir hier und heute haben, hilfreich<br />

sein. Mein älterer Bruder Martin ist bei unserem<br />

Interview jetzt auch mit dabei und schreibt meine<br />

Fragen auf, und auch deine Antworten, liebe<br />

Mutter Maria-Friederike, weil ich als Puppe ja<br />

(noch) nicht wirklich reden kann. Das Interview<br />

beginnt jetzt, und meine erste Frage ist folgende:<br />

VMA: Liebe Mutter, mit 48 hast du ein Studium an<br />

der Fachhochschule für Sozialpädagogik in Köln<br />

begonnen und emanzipatorische und feministisch-theologische<br />

Denkansätze kennengelernt.<br />

Sieben Jahre später ist deine Ehe, die sehr patriarchalisch<br />

war, geschieden worden. Wie war das<br />

für dich damals?<br />

Maria Friederike: Ja, das war erst mal ziemlich<br />

schwierig für mich, denn ich war all die 25 Jahre<br />

lang eine treue Ehefrau, „Nur-Hausfrau“ und<br />

Mutter gewesen und hatte das damalige sehr<br />

patriarchalische Denken internalisiert. Aber die<br />

Umstände zwangen mich, neue Wege zu gehen.<br />

An der Fachhochschule für Sozialpädagogik in<br />

Köln lernte ich in den Seminaren zu Psychologie<br />

und Soziologie die Professorinnen Dr.innen Brigitte<br />

Dorst und Maria Mies kennen und erfuhr<br />

erstmalig etwas über alte matriarchale Kulturen.<br />

VMA: Und wie bist du dann dazu gekommen, dich<br />

auch mit den Frauen deiner eigenen Familie intensiver<br />

zu befassen?<br />

MF: Die mir sehr freundlich gesinnte Frau Prof.in<br />

Dorst zeigte mir zuerst das Frauenmuseum Bonn<br />

und einige Jahre später dort, nach einem Vortrag<br />

von Claudia Werlhoff, unterhielt ich mich mit der<br />

Leiterin des Museums, Marianne Pitzen. Sie ermutigte<br />

mich, die weibliche Genealogie meiner<br />

Familie weiter zu erforschen und künstlerisch<br />

zu gestalten. Ich hatte auch mein Hobby Malerei<br />

nach abgeschlossenem Studium intensiv weiter<br />

mit Akademien vertieft. Außerdem hatte mein<br />

Sohn Martin damals über die Mormonenkirche<br />

viel mit Ahnenforschung zu tun gehabt und er<br />

half mir dabei, das Heft „Herstory – eine weibliche<br />

Genealogie“ als Ergänzung zu meinen Ölgemälde-Portraits<br />

unserer Ahnfrauen zusammenzustellen,<br />

als Beitrag dort zur Ausstellung „100<br />

Jahre Frauenwahlrecht“ im Jahr 2007.


52<br />

VMA: Wie hat sich dein Interesse dann von feministischer<br />

Kunst und Theologie auf die Matriarchatsforschung<br />

verlagert?<br />

MF: Ich wusste lange nichts von heute noch existierenden<br />

Matriarchaten. Aus meinem Studium<br />

waren mir nur dunkel die alten matriarchalen<br />

Kulturen, beispielsweise auf Malta, auf dem Gebiet<br />

der Türkei usw. in Erinnerung. Als ich dann<br />

vor wenigen Jahren einmal im Frauenmuseum<br />

Wiesbaden eine Ausstellung ansah, sprachen<br />

mich überraschenderweise Uschi Madeisky und<br />

Hemma Ecker amüsiert auf meine Schuhe an,<br />

weil sie „zufällig“ in den Frauenfarben Weiß, Rot,<br />

Schwarz waren. Ich wurde gleich spontan zu dem<br />

Treffen des MatriaVal Vereins eingeladen, wo ich<br />

auch Christa Mulack persönlich kennenlernte,<br />

die ich wegen meines Interesses an der feministischen<br />

Theologie sehr schätze. Damit begann<br />

meine Liebe zur Matriarchatsforschung!<br />

VMA: Mein Bruder, dein (realer) Sohn Martin, hat<br />

ja bei der Entwicklung des sogenannten „Virtuellen<br />

Matriarchats“ eine bedeutende Rolle gespielt.<br />

Wie würdest du dieses Konzept beurteilen?<br />

MF: Na ja, eher etwas kritisch: Er hat herausgefunden,<br />

dass im Gegensatz zum Patriarchat<br />

nicht der älteste Sohn sondern vielmehr die<br />

jüngste Tochter die Leitung der gesamten Familie<br />

übernimmt. In einem Matri-<strong>Clan</strong> wird diese jüngste<br />

Tochter dann die sogenannte Matriarche, und<br />

weil ich zufällig die jüngste Tochter meiner Mutter<br />

bin, kam er auf den originellen Gedanken,<br />

dass wiederum meine Tochter den virtuellen<br />

Matri-<strong>Clan</strong> seiner Großmutter führen sollte. Wir<br />

haben dann genealogisch geforscht und aufgeschrieben,<br />

wer alles zum <strong>Clan</strong> dazugehört. Die<br />

Ehemänner natürlich nicht, denn sie gehören ja<br />

zu dem Matri-<strong>Clan</strong> ihrer Mutter. Leider habe ich<br />

aber nur ihn als Kind. Er ist aber schon ein guter<br />

(Mutter-)Sohn, das muss ich doch immerhin sagen.<br />

Aber diese etwas ungewöhnliche Idee von<br />

ihm, dass ich dich, liebe Anni, eine Puppe, als<br />

„virtuelle Tochter“ und als real ansehen solle,<br />

hat mir erst mal einen Knoten in‘s Gehirn gemacht.<br />

Allerdings kann ich mich daran erinnern,<br />

dass ich als Kind immer mit einer imaginären<br />

Freundin namens Anni sprach, die alles sehr gut<br />

konnte und mir ein Vorbild war. Vermutlich kam<br />

er deshalb auf diese Idee. Jetzt muss ich halt irgendwie<br />

damit klarkommen, hier in meiner Wohnung<br />

ein virtuelles <strong>Clan</strong>-Haus und einen virtuel-


53<br />

len Familien-<strong>Clan</strong> zu haben ... Genauer gesagt,<br />

damit es in allen drei Generation eine weibliche<br />

und eine männliche Person gibt, haben wir vier<br />

virtuelle Familienmitglieder. Alles schön symmetrisch<br />

und „virtuell“.<br />

VMA: Wie kam mein Bruder denn auf den komischen<br />

Gedanken, mich als reale „Person“ zu installieren,<br />

obwohl doch jeder sehen kann, dass<br />

ich nur eine hübsche Puppe bin?<br />

MF: Ja wirklich, das ist eine gute Frage! Ich denke,<br />

das kam durch seine langjährige Beschäftigung<br />

mit der indischen Spiritualität. Dort gibt es ja bekanntlich<br />

diese sogenannten „transzendentalen<br />

Bildgestalten“. Wir würden vielleicht Götzen oder<br />

Götterbilder sagen, die von den Priestern wie reale<br />

Personen behandelt werden. Sie werden regelmäßig<br />

gewaschen, angekleidet, gefüttert und<br />

mit Räucherwerk sehr sorgsam und rituell in den<br />

Tempeln verehrt. Vermutlich hat er auch gehört,<br />

dass diese „Gottheiten“ manchmal den Priestern<br />

im Traum erscheinen oder tatsächlich Speisen<br />

oder Milch „zu sich nehmen“. Das konnte man<br />

sogar mal im Fernsehen mitansehen, im September<br />

1995, als plötzlich an einem bestimmten<br />

Tag die Götterfiguren von Millionen von Hindus<br />

Milch tranken.<br />

VMA: Und wie kommst du jetzt inzwischen mit mir<br />

klar, als „Virtueller Tochter u. Matriarche“?<br />

MF: Das geht eigentlich immer besser. Manchmal,<br />

wenn ich keine Lösung für ein bestimmtes<br />

Problem sehe, das mit dem Matri-<strong>Clan</strong> zu tun hat,<br />

frage ich dich einfach im Geist und dann kommt<br />

mir spontan eine zündende Idee. Es ist wirklich<br />

erstaunlich! Es scheint irgendwie doch zu funktionieren.<br />

Komisch, aber auch oft hilfreich!<br />

VMA: Ja, dann bedanken wir uns auch bei meinem<br />

lieben Bruder Martin für das Mitschreiben<br />

unseres (virtuellen) Interviews und überlassen<br />

es der gütigen Vorsehung, wie es mit unserem<br />

Virtuellen-Matri-<strong>Clan</strong> weitergehen wird. Hoffen<br />

wir das Beste, liebe Leserin, lieber Leser.<br />

MF: Ja, es war ein interessantes Gespräch, dir<br />

auch vielen Dank, liebe Anni, für die wirklich guten<br />

Fragen.


54<br />

Generation lila (S. 92)<br />

1989 Maria (S. 96)<br />

Generation blau (S. 86)<br />

**** virtuelle Anni (S. 50)<br />

1935 Maria F. (S. 42)<br />

Generation grün (S. 76)<br />

Generation gelb (S. 70)<br />

1901 Gerdha (S. 34)<br />

877 Hildegard (S. 28)<br />

1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />

1847 väterliche Helena (S. 64)<br />

1832 väterliche Ida (S. 60)<br />

1822 Maria L. (S. 20)<br />

1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />

Matrilinealität bedeutet,<br />

dass die mütterlicherseits miteinander verwandten<br />

Frauen im Fokus stehen; die Mütter der Ehemänner<br />

gehören deshalb nicht zu unserem <strong>Clara</strong><br />

<strong>Clan</strong>. Sie gehören ursprünglich dem <strong>Clan</strong> ihrer<br />

Mütter an. Mit der Heirat wechseln sie in den<br />

<strong>Clan</strong> ihrer Ehefrau über und wohnen auch dort.<br />

Die Frauen der folgenden Portraits bilden also<br />

sogenannte Parallelclans zu unserem <strong>Clara</strong><br />

<strong>Clan</strong>, weil sie die Mütter einiger Ehemänner sind.<br />

-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />

-1400 DINA und LEA (S. 16)


55<br />

II<br />

Die Gemälde<br />

A<br />

B Parallelclans – Einzelportraits 054<br />

C


56<br />

Johanna Dorothea Nehrich<br />

verheiratete Fritsch,<br />

geboren 1795 in Freiburg/Schlesien,<br />

gestorben 1867 in Dieban,<br />

meine Ururgroßmutter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


57


58<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

1847<br />

1832<br />

1795<br />

Johanna Dorothea, ihr Rufname ist Dorothea, das<br />

heißt: Geschenk Gottes. Sie ist die Tochter aus einem<br />

Posamentiergeschäft in Freiburg in Schlesien.<br />

Das Geschäft besteht noch 1940 als Familienbetrieb.<br />

Posamente werden zur Verzierung von Textilien<br />

mit Borten, Fransen, Litzen, Schnüre, Tressen benutzt;<br />

„Passer“, abgeleitet von französisch „passer<br />

= Fäden durchziehen“, da stoßen wir auf den matriarchalen<br />

Gedanken des Webens und Spinnens. Bis<br />

zu ihrer Heirat arbeitet Dorothea aktiv im elterlichen<br />

Geschäft mit: Es gehören handwerkliches Geschick<br />

und Kunstsinn zur Herstellung dieser schönen Borten.<br />

Sie ist ein religiöser Mensch. So heiratet sie mit<br />

24 Jahren den jungen Pfarramtskandidaten Wilhelm<br />

Traugott Fritsch. Das junge Paar siedelt nach Dieban,<br />

einem kleinen Landstädtchen in Schlesien, über. Dort<br />

nimmt Wilhelm Traugott die Pfarrstelle an und Johanna<br />

Dorothea wird Pfarrfrau. Mit 36 Jahren gebiert<br />

Dorothea ihre einzige Tochter Ida. Dorothea nimmt<br />

Anteil am Briefwechsel ihres Mannes mit anderen<br />

Geistlichen und Gelehrten. Noch später besitzen meine<br />

Eltern einen Brief von Ernst Moritz Arndt, der ein<br />

Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung<br />

war. In ihrer Lebenszeit der Romantik und des Biedermeier<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

wirken die Klassiker Goethe und Schiller, ebenso die<br />

Herausgeber von Volksliedern und Volksmärchen,<br />

die Gebrüder Grimm. Besonders die Volksmärchen<br />

deuten auf matriarchale Spuren hin. Meine Ururgroßmutter<br />

Johanna Dorothea erwirbt sich große Kenntnisse<br />

in der häuslichen Gesundheitspflege. Denn zu<br />

ihr als gebildeter Pfarrfrau kommen vor allem Frauen,<br />

die aus der reich ausgestatteten Hausapotheke<br />

gute Heilmittel erhalten. Linden- und Holunderblüten<br />

bei Erkältung, Pfefferminztee bei Koliken und Übelkeiten,<br />

die sie selbst gesammelt hat. Vor allem hat<br />

sie, als evangelische Pfarrfrau, die die Heilsbotschaft<br />

des Evangeliums von Jesus Christus bezeugt, auch<br />

immer ein gütiges, frommes und hilfreiches Wort für<br />

die Rat- und Trostsuchenden.<br />

Johanna Dorothea Nehrich<br />

väterlicherseits meine Urur


großmutter<br />

59<br />

aus Renates Ahnenbuch unserer Familie


60<br />

Ida Fritsch<br />

verheiratete Warmuth,<br />

geboren 1832 in Dieban/Schlesien,<br />

gestorben 1918 in Jauer/Schlesien,<br />

meine Urgroßmutter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


61


62<br />

Meine Urgroßmutter Ida ist eine Pastorentochter. Ihr<br />

Vater schreibt freudig über ihre Geburt (s. Seite 59):<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

1847<br />

1832<br />

1795<br />

Die heute vormittags 3/4 auf zwölf Uhr erfolgte<br />

glückliche Entbindung meiner guten Frau von<br />

einem gesunden Mädchen beehre ich mich ergebendst<br />

anzuzeigen. Dieban am 6. Mai 1832.<br />

W. T. Fritsch<br />

Pastor.<br />

Der Vater unterrichtet seine Tochter selbst; dadurch<br />

lernt sie auch Latein und Naturwissenschaften, was damals<br />

für Mädchen nicht üblich ist. Ihre Mutter bringt ihr<br />

Hauswirtschaft und Handarbeit bei. Später heiratet Ida<br />

meinen Urgroßvater, den Rechnungsrat Heinrich Warmuth,<br />

einen Witwer mit zwei kleinen Kindern. Sie leben<br />

in Glatz an der Neiße, ältester geschichtlich bezeugter<br />

Ort Schlesiens, einer schönen alten Festungsstadt.<br />

Und sie wird diesen und ihrem eigenen Sohn Fritz eine<br />

besonders gute aber sehr strenge Mutter. Sie ist eine<br />

neue Matriarchin: Mit unendlicher Liebe hängt sie an<br />

ihren Kindern und Enkelkindern. Sie schreibt viel ihre<br />

Gedanken auf und erzieht sie im christlichen Glauben.<br />

Ida ist das Vorbild einer guten Hausfrau und Mutter. Sie<br />

wird „Großel Rath“ genannt und meine Mutter verlebt<br />

in ihrer Kindheit jede Woche einen Tag bei ihr; sie bekommt<br />

dann stets ihre Lieblingsspeisen gekocht. Später<br />

noch hat meine Mutter ihr Kochbuch gern benutzt.<br />

Umgeben von ihren Kindern und Enkelkindern stirbt sie<br />

im hohen Alter von 86 Jahren in Jauer, wo ihr Sohn Fritz<br />

mit seiner Familie damals lebt.<br />

Sieh! Keinen Tropfen Wasser schlürft das Huhn,<br />

Ohn‘ einen Blick zum Himmel aufzuthun,<br />

Und ohne zuvor anbetend sich zum Staube<br />

geneigt zu haben, pickt kein Korn die Taube.<br />

Was sie bewusstlos tun, tu‘ Du es bewußt,<br />

Daß Du vor ihnen Dich nicht schämen mußt.<br />

– Friedrich Rückert<br />

Dieses deutsche Gedicht schreibt Ida auf ein<br />

Blättchen, das Renate später ins Ahnenbuch<br />

eingeklebt hat.<br />

In Ida haben sich in moderner Weise<br />

matriarchale Grundgedanken verwirklicht:<br />

Als religiöse Frau ist sie Ratgeberin<br />

und Vorbild für ihre Familie und eine<br />

liebevolle Mutter für ihre Kinder und<br />

Kindeskinder.<br />

väterlicherseits meine Urgroß


63<br />

mutter<br />

Idas Ehemann Heinrich Warmuth<br />

Ida mit <strong>Clara</strong>, unserer Urmatriarche<br />

Zeichnung von Ida: Kirche und Pfarrhaus von Dieban


64<br />

Helena Pinn<br />

verheiratete Kirsten,<br />

geboren 1847 in Schüller/Eifel,<br />

gestorben 1904 in Schüller/Eifel,<br />

meine Großmutter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]


65


Helena Pinn<br />

66<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

Helena Pinn, meine Großmutter aus der Eifel, ist leicht an<br />

ihrer schwarzen Tracht mit Kopftuch auf meinem Portrait<br />

von ihr zu erkennen. Sie ist eine Bauersfrau und stammt<br />

von einem Erbhofbauernhof. Ihre Voreltern sind einst aus<br />

Frankreich eingewandert und hießen Pin. Der Bauernhof,<br />

wo sie geboren wurde, heißt Thomessen, nach ihrem Vater<br />

Thomas. Er liegt in Schüller in der Südeifel oder Vulkaneifel<br />

und ist noch heute von unseren Nachkommen bewohnt.<br />

Nach ihrer Heirat mit meinem Großvater Jakob Kirsten, der<br />

aus dem Nachbardörfchen Schönfeld stammt, erbaut sie<br />

von ihrem ererbten Geld- und Landbesitz ein verhältnismäßig<br />

großes Haus und errichtet dort ein Gemischtwarengeschäft,<br />

das erste im Ort. Es wird später Edeka und bis in die<br />

achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts ist es in unserem<br />

Familienbesitz. Früh verliert sie ihren Mann und steht<br />

als Witwe mit drei kleinen Söhnen, Geschäft und Landwirtschaft<br />

allein. Aber ihr Bruder, aus Geschwistertreue, hilft<br />

ihr. Mit Erlaubnis des Papstes tritt er, zu diesem Zweck, aus<br />

einem Kloster, in das er eingetreten war, wieder aus. Dieser<br />

Bruder Johann führt die Landwirtschaft und sie, seine<br />

Schwester, Familie und Geschäft. Alle drei Söhne lässt sie<br />

etwas werden. Sie ist eine sehr kluge, liebe und tüchtige<br />

Frau. Mein Vater schreibt über sie in seinem Lebensbuch:<br />

utter<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

1847<br />

1832<br />

1795<br />

„Meine Mutter ließ uns eine milde, durch ihr gutes Beispiel<br />

eindrucksvolle Erziehung zuteil werden.“<br />

Mein Vater ist ihr jüngster Sohn. Kurz nach Ende des Krieges schreibt Helenas Schwiegertochter<br />

Gerdha, meine Mutter, im Haus- und Familienbuch über Helenas Sohn Peter, meinen Vater:<br />

„Ende 1945 ist Vater, mein guter Mann, von einer Eskorte abgeholt worden, und wir haben nichts<br />

mehr von ihm gehört. Leise Hoffnung, ihn wiederzusehen, ist uns geblieben.<br />

[...]<br />

Vaters Stellung als Amtsgerichtsrat in Berlin und Dr. jur. war ein verantwortungsvoller Posten. Unendlich<br />

viel Menschen hat er uneigennützig Rat erteilt, nie Dank verlangt oder erwartet. Er hatte die<br />

Gabe, eine neue Materie schnell zu erfassen und sie dann gründlich zu erlernen. Das genügte ihm<br />

aber dann, er liebte keine großen Aktenberge und war nicht für tiefgründiges Schürfen, dazu war er<br />

viel zu sehr mit der Umwelt beschäftigt und fand den Alltag so interessant.<br />

Schon zeitig erkannte er, dass Hitler und sein Aufstieg, das ganze tausendjährige Reich, ein Bluff<br />

war und machte keinen Hehl aus diesem Wissen. Seine Familie, sein Haus und Garten, beschäftigte<br />

ihn so stark, die Schularbeiten der Kinder, seine Bücher und Liebhabereien waren ihm aber viel<br />

wichtiger als jede Beschäftigung mit Politik. –“<br />

-20<br />

-1400


67<br />

links unten das von<br />

ihr gebaute Haus<br />

mit ihrem Gemischtwarengeschäft<br />

Helenas Söhne Johannes, Nikolaus<br />

und Peter mit Schwiegertochter Agnes<br />

väterlicherseits meine Großm<br />

Helenas Spruchbuch,<br />

geschrieben mit 10 Jahren


68<br />

Generation lila (S. 92)<br />

1989 Maria (S. 96)<br />

Generation blau (S. 86)<br />

**** virtuelle Anni (S. 50)<br />

1935 Maria F. (S. 42)<br />

Generation grün (S. 76)<br />

Generation gelb (S. 70)<br />

1901 Gerdha (S. 34)<br />

877 Hildegard (S. 28)<br />

1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />

1847 väterliche Helena (S. 64)<br />

1832 väterliche Ida (S. 60)<br />

1822 Maria L. (S. 20)<br />

1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />

-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />

-1400 DINA und LEA (S. 16)


69<br />

II<br />

Die Gemälde<br />

A<br />

B<br />

C <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Gruppenbilder 068


Meine Mutter Gerdha und ihre Schwestern<br />

Ilse-Senta Warmuth<br />

verheiratete Hirsch,<br />

geboren 1916 in Jauer/Schlesien,<br />

gestorben 1952 in Eisleben;<br />

und Ursula Warmuth<br />

verheiratete Kauffmann,<br />

geboren 1903 in Breslau/Schlesien,<br />

gestoreben 1997 in Wiesbaden;<br />

im Hintergrund Breslau und Gottesmutter Maria.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden Okt. 2015]


71


72<br />

1989<br />

****<br />

Rheinüberquerung! In der Mitte Tante Ursel und ich, links ihre Freundin<br />

Frau Marcinsky mit Töchterchen.<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Ursula Warmuth<br />

Ursula Kauffmanns älterer Sohn Hans-Jürgen ließ<br />

mich wissen:<br />

Meine Mutter wurde am 5. Oktober 1903 in<br />

Breslau geboren. Als Schlesierin war sie sehr gefühlsstark.<br />

Sie war eine sehr agile Frau, die hohe<br />

Ansprüche an sich selbst stellte. Da war beispielsweise<br />

ihr Ehrgeiz, im Sport richtig gut zu sein. Sie<br />

legte alle Sportabzeichenprüfungen ab, bis sie das<br />

„Goldene“ erhielt, auf das sie auch im hohen Alter<br />

noch wirklich stolz war.<br />

Dazu war sie sehr belesen. Diese Lesefreude<br />

war natürlich auch ein wichtiges Band zwischen<br />

meinen Eltern, und ihr Bücherschatz ist uns als<br />

Reichtum zum Glück noch erhalten. Über Alles<br />

liebte sie „ihren“ Goethe. Während der Kriegs- und<br />

Notzeiten hat sie viel Kraft und Trost in seinen Werken<br />

finden können.<br />

Liebevoll und auch zum Teil humorvoll hat sie<br />

1977 für meinen Vater zu seinem 75. Geburtstag<br />

einen Rückblick auf ihr Leben in Reimen zusammengestellt.<br />

Hier ein Auszug:<br />

meine Mutterschwester


73<br />

an der Ostsee: Tante Ursel mit ihren drei Nichten<br />

Renate, Dörte und mir, Maria, auf ihrem Arm<br />

mit ihrem Hund Percy<br />

1903<br />

In Breslau kam ich auf die Welt<br />

und weiß es nur vom Hörensagen<br />

Man dachte, dass mir‘s nicht gefällt:<br />

Kein Schreien, nur ganz leises Klagen.<br />

Geburtstag von Gerda zur Weihnachtszeit,<br />

da war für die Taufe alles bereit:<br />

„Ursula Erna Hildegard“!<br />

Das fand man damals sehr apart. [...]<br />

Unsere Mutter war die Seele vom Haus,<br />

und ging sie mit Vater am Abend aus,<br />

dann rauschten die Röcke aus Seide und Taft –<br />

das war für uns Kinder ganz märchenhaft!<br />

Sie neigte zu uns den schönen Kopf –<br />

zur Krone geflochten den dunklen Zopf<br />

und gab einen Kuss zur guten Nacht,<br />

dann wurde im Bett noch geschwatzt und gelacht.<br />

Sie sang und malte und spielte Klavier,<br />

liebte Hunde und Vögel und andres Getier,<br />

und sammelte schöne alte Sachen,<br />

die uns noch heute Freude machen.<br />

Wir haben auch sehr am Vater gehangen.<br />

Die Politik hat ihn später ganz eingefangen:<br />

Berlin und Reichstag und die Partei …<br />

Am Sonntag gab es dann Jubelgeschrei!<br />

Er brachte uns schöne Bücher zum Lesen,<br />

und ist meist heiter, humorvoll gewesen.<br />

1914<br />

Ein Jahr darauf brach der Weltkrieg aus.<br />

Die Mutter hatte in unserem Haus<br />

eine große Nähstube eingerichtet.<br />

Da lag der Flanell hoch aufgeschichtet<br />

blau-weiß gestreift für Soldaten im Bett,<br />

denn jeder Gasthof war Lazarett.<br />

Doch Puppenkleider ergaben die Reste.<br />

Das war für uns Kinder das Allerbeste!<br />

1916 – Ilse Senta<br />

Am fünfundzwanzigsten Januar<br />

der Klapperstorch war wieder da:<br />

Er brachte ein kleines Schwesterlein –<br />

„Dreimädelhaus“ soll es nun sein.<br />

Trotz Krieg und Hunger und bitterer Zeit<br />

war es die große Seligkeit,<br />

in die Wiege hinein zu schauen!<br />

Wir waren schon groß und genossen Vertrauen.<br />

Mit grauen Augen und blondem Haar:<br />

unser Baby war einfach wunderbar!


74<br />

74<br />

1989<br />

(ich)<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Im Lebensbuch für ihre Tochter Ilse-Senta schreibt<br />

Hildegard in den 1910er und 1920er Jahren:<br />

Es war am 25. Januar 1916 mittags gegen drei Uhr,<br />

da wurde uns unsere kleine Ilse-Senta geschenkt.<br />

Der Vater draußen in Polen, tobte doch der furchtbare<br />

Weltkrieg und brachte Leid und Trennung in jede<br />

Familie. Da konnte nur die Mutter umso wärmer ihr<br />

kleines Kriegsmädel ans Herz drücken.<br />

Freilich die Freude der Schwestern war unbeschreiblich.<br />

Die Älteste [Gerdha] 14 Jahre alt, lag gerade<br />

krank zu Bett, da ist sie vor Freude beinahe gesund<br />

geworden, als das Kleinchen ihr plötzlich quiekend<br />

den Antrittsbesuch machte. Ursel, 12-jährig, war<br />

nach der Schule bald zu Großel Warmuth [Ida] essen<br />

gegangen. Dort erreichte sie die frohe Botschaft, da<br />

gab’s kein Halten mehr und schon nach wenigen<br />

Minuten schloss auch sie das kleine Schwesterchen<br />

in die Arme.<br />

Kleinchen wog bei der Geburt 2.950 gr., hatte graue<br />

Augen, einen dunklen Schopf und ein rundliches,<br />

zierliches Körperchen. Mutter nährt sie selbst und<br />

freut sich über das gelehrige Töchterchen, das bald<br />

erfasst hat, wie es zu seiner Nahrung kommt, aber<br />

so energisch dabei verfährt, dass schmerzhafte<br />

Wochen folgten. Frau L., die tüchtige Pflegerin, bringt<br />

aber alles wieder ins rechte Gleis. Vater ist natürlich<br />

entzückt von seinem Mädel und ersinnt ihr den<br />

klangvollen Namen Ilse-Senta.<br />

Das erste Lächeln stellt sich im zweiten Monat ein.<br />

Ilse ist ein braves Kind, sie schreit nicht mehr als<br />

nötig und wir haben von Anfang an ruhige Nächte.<br />

lse-Senta Warmuth<br />

Schon nach acht Tagen macht sie nachts eine<br />

Pause von zehn Uhr bis früh um sechs.<br />

Am 9. April ist die [evangelische] Taufe durch<br />

Herrn Superintendant Maurer. Im Empfangszimmer<br />

ist der Altar hergerichtet, das uralte, aus<br />

getriebenem Silber bestehende Taufbecken steht<br />

bereit und die Paten und Gäste haben sich eingefunden<br />

...<br />

Mit 28 Wochen hat I. den ersten Zahn, in der<br />

einunddreißigsten den zweiten und in der dreiunddreißig<br />

winkt sie eifrig mit den Händchen.<br />

Nun ist die Maus ein Jahr alt und läuft kurze Tage<br />

darauf völlig selbständig herum. Am Weihnachtsfest<br />

war es allerliebst, ihr zuzusehen. Seelig [sic!]<br />

trippelt sie an meiner Hand ins Weihnachtszimmer<br />

hinein, das rechte Händchen verlangend und nach<br />

dem strahlenden Baum ausgestreckt, vor sich hin<br />

singend in höchsten Tönen. Diesen drolligen Ton<br />

behält sie auch bei, als sie unterm Baum stehend,<br />

nun ihren Gabentisch erst sah. Da wurde dann<br />

geräumt und gespielt und manchmal dazwischen<br />

etwas „Süßes“ geknabbert. Das kleine Persönchen<br />

bleibt die Hauptperson des Tages und unser aller<br />

Freude.<br />

Ilse-Senta ist drei Jahre alt:<br />

Bubis [Wolfgang, Mutter Hildegards zu diesem<br />

Zeitpunkt bereits früh verstorbenes Kind] Geburtstag!<br />

Mit dem Kranz will ich zu meines Jungen Grab<br />

und sage: „Ilse, Bübchen hat heut Geburtstag, jetzt<br />

geh ich zu ihm“, da fängt sie an zu weinen, „Müt-<br />

meine Mutterschwester


7575<br />

die drei Schwestern Ursula (li.), Ilse-Senta<br />

als Baby und Gerdha (re.)<br />

terchen, ich hab dich so lieb, bist du denn gestorben?<br />

Du sollst doch nicht zum Brüderle gehen“, weil Ilse<br />

gehört hat, dass Bubi nun im Himmel ist, da fürchtet<br />

sie, auch mich zu verlieren. Die Freude als ich wiederkomme!<br />

Ilse sieht einmal, wie Ursel sich umzieht, beobachtet<br />

sie sehr genau. Das Resultat dieser Beobachtung<br />

macht sich in dem wenig dezenten Ausdruck Luft:<br />

„Nein Ursel, hast du aber komische Euter!“ Als ich<br />

einmal vom Weihnachtsfest erzähle, hört Ilse mit<br />

glänzenden Augen zu. Am meisten beschäftigt sie der<br />

Christbaum, den das Christkindchen allen artigen Kindern<br />

anzündet, das veranlasst sie schließlich zu der<br />

drolligen Frage, ob denn Christkindchen denn dazu<br />

auch immer genug Streichhölzer in der Tasche hat. [...]<br />

Tischgebet und Abendgebet werden regelmäßig verrichtet.<br />

Abends im Bettchen brüllt Ilse fürchterlich, als<br />

ich schon herausgegangen bin. Noch immer lutscht<br />

das Kind besonders beim Einschlafen. Um es ihr<br />

abzugewöhnen, bekommt sie Handschuhe angezogen.<br />

Ich muss sie ihr überziehen, als ich komme. „Ich hab<br />

doch immer zum lieben Gott gebetet, er möchte mir<br />

den Lutschhandschuh anziehen und er hat es doch<br />

nicht getan.“<br />

Weihnachten wieder ein Freudenfest. Am Geburtstag<br />

werden mit Not und Mühe paar Kinderchen aufgetrieben<br />

und Ostern geht’s zur Schule. Leider nur wenige<br />

Wochen. Ille werden im Frühjahr die Mandeln herausgenommen<br />

wegen des furchtbar quälenden Schnupfens,<br />

der sie nachts so stark röcheln lässt, dass er sie<br />

und uns um den Schlaf bringt. Onkel Nolte macht mit<br />

Narkose die kleine Operation, wodurch er für lange Zeit<br />

die Achtung bei Ille verliert. Ein Husten stellt sich bald<br />

darauf ein und zwingt mich, das Kind aus der Schule<br />

zunehmen.<br />

April geht’s wieder in die Schule als schwache Schülerin.<br />

Im Mai feiert Ilse Großels siebzigsten Geburtstag in<br />

Hirschdorf mit und verbringt die Pfingstferien mit Gisela<br />

[Cousine] dort. Sie hängt an Großel [Großmutter <strong>Clara</strong>]<br />

und fühlt sich stets sehr wohl bei ihr. Die großen Ferien<br />

sollen mit Gisela zusammen an der See verbracht werden.<br />

Ille legt sich aber am ersten Ferientage mit Masern<br />

um, die sie zum zweiten Male und sehr schwer (zwei Tage<br />

einundvierzig Grad) durchmacht. Nachdem sie aufgestanden,<br />

zwei Wochen mit Großel in Warmbrunn, dann<br />

endlich darf sie nach Karlshagen und fühlt sich wider<br />

unter den vielen Kindern dort sehr behaglich erholt, wenn<br />

auch der einfachen Ernährung halber mager, kehrt sie<br />

zurück und besucht nach drei Wochen Versäumnis die<br />

Schule. Kommt jetzt flott vorwärts und wird eine ganz<br />

tüchtige Schülerin.<br />

Die Lebhaftigkeit bleibt sich immer gleich. Als sie einmal<br />

gefrozzelt wird, drückt sie ihre Empörung Gerdha und mir<br />

gegenüber folgendermaßen aus: „Jetzt möchte ich aber<br />

am liebsten ‚Ihr Lu’ zu euch sagen. Ihr liebes Puppenbaby<br />

hat sich beim Fall den Kopf zerschlagen. Untröstlich jammert<br />

Ilse, dass sie doch gerade dieses Püppchen ihren<br />

Kindern zum Spielen geben wollte. Erster Aufsatz: Was<br />

ich von Dr. Martin Luther weiß. Martin Luther war schon<br />

von Kindheit auf ein sehr frommer Mann. Er verbesserte<br />

die Kirche, als er größer wurde, übersetzte er die Bibel.<br />

Jetzt hängt er in unserer Klasse.


76<br />

Renate Kirsten<br />

verheiratete Desens,<br />

geboren 1926 in Berlin-Charlottenburg,<br />

gestorben 2009 in Stratford-wwwon-Avon/England,<br />

meine Schwester;<br />

ich, Maria;<br />

Dorothee Kirsten<br />

verheiratete Heller,<br />

geboren 1928 in Berlin-Charlottenburg,<br />

gestorben 1974 in Wiesbaden,<br />

meine Schwester;<br />

Ilse-Sentas Tochter Christina Hirsch<br />

verheiratete Wolf,<br />

geboren 1944 in Eisleben,<br />

meine Mutterschwestertochter (Cousine);<br />

jeweils von links nach rechts; im Hintergrund mein<br />

Elternhaus, ‚Drei-Mädelhaus‘ in Berlin-Zehlendorf/<br />

Kleinmachnow mit sieben Zimmern, für jedes Mädel<br />

eines.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden Dez. 2015]


77


1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Gerdha schreibt im „Lebensbuch von Gerdha für Renate“ über ihre Tochter; insgesamt von den<br />

1920ern bis in die 1970er Jahre:<br />

29. November 1931.<br />

Wieder brennt die erste Kerze am Adventslichterkranz,<br />

den die lieben Eifler Verwandten<br />

mit so viel Liebe geflochten haben, und trotz<br />

der schweren Zeiten wird uns weihnachtlich<br />

zumute. Wirtschaftliche Not hat das ganze<br />

Deutsche Volk ergriffen und politische Ruhelosigkeit<br />

lässt uns bange Zeit ahnen. Wer aber<br />

lacht sorglos in‘s Leben, wer singt und springt<br />

den ganzen Tag? Unsere beiden Mädel sind‘s!<br />

Renate im von Muttel gehäkelten Kleid steht<br />

rang und schlank vor mir, sieht mich mit ihren<br />

großen Augen an und sagt: „Muttel schreibst<br />

du mein Lebensbuch?“ Ja, ein solches <strong>Buch</strong><br />

soll es werden, hoffentlich eines, dass auch<br />

weiterhin von Freude und Glück berichtet. [...]<br />

Inzwischen hat Pitter, der gute Papi, nun meist<br />

Vatelchen genannt, eifrig gesucht, um den Kindern<br />

als Ersatz für den Sachsenpark ein freies<br />

Spielgebiet zu schaffen. Im April gelingt die<br />

Sache, der alte Obstgarten eines Majors, nur<br />

10 Minuten vom Haus entfernt, wird gepachtet.<br />

Im Wasser panschend, im Grase umhertollend,<br />

jubelnd und kreischend, meistens im Badeanzug<br />

sieht man unsere Kinder sich vergnügen.<br />

Sie helfen eifrig beim Graben und Pflanzen. [...]<br />

In diesem Winter schenkte uns Gott noch<br />

ein süßes Schwesterchen. Marialein wurde<br />

nicht nur freudig in der Klinik von den Großen<br />

begrüßt, sondern sie bildet einen dauernden<br />

Quell des Glückes für uns Alle. Renate darf sie<br />

ab und zu zum Sachsenpark fahren, dann wandern<br />

die geliebten Bücher mit.<br />

Renate Kirsten<br />

78<br />

Klein Renate hat am 20 April 1926 nachts um 2 Uhr 10 das<br />

Licht der Welt erblickt und wird auf die Namen Renate Hildegard<br />

Helene standesamtlich gemeldet. Die beiden Großmütter<br />

werden durch die beiden anderen Namen geehrt. [...]<br />

Im Cäcilienhaus Berlin [Charlottenburg], einer schön gestalteten<br />

Klinik, verbringen Mutter und Kind die zwölf ersten<br />

Tage nach der Geburt. Beide fühlen sich sehr behaglich. [...]<br />

Die Urgroßmutter (Urgroßl) [<strong>Clara</strong> von Heigl] empfängt ihr<br />

erstes Urenkelchen mit großer Freude und legt voll stolzer<br />

Würde Renate daheim in ihr Bettchen, das neben Mutters<br />

Bett steht. [...] Ein feierlicher Tag ist der 13. Mai, Christi<br />

Himmelfahrt und Urgroßls Geburtstag, ist dazu ausgewählt,<br />

Renates Tauftag in der Herz-Jesu-Kirche in Berlin Charlottenburg<br />

zu sein.<br />

9. Jan. 1930.<br />

Neben mir steht ein kleiner Nackedei<br />

mit zerzausten Löckchen<br />

und roten Bäckchen und ruft<br />

energisch: „Mutti ich will angezieht<br />

werden!“ Das Wörtchen „Bitte“<br />

geht recht ungern über die Lippen<br />

Klein-Renates, doch ist sie ein zärtliches<br />

Kind, das mit Liebe geleitet<br />

werden muss. Nur in Mutters Bett<br />

kann Renatchen einschlafen. [...]<br />

Jedem der es hören will, verkündet<br />

Renatchen in den ersten Septemberwochen<br />

[des Jahres 1928] „Ich<br />

habe eine ‚Wester‘ bekommen,<br />

die ist vom Himmel gefallen und<br />

hat einen Teddybär mitgebracht.“<br />

[Dorothee <strong>Clara</strong> Agnes] [...]<br />

Auch nach Potsdam fahren wir im<br />

Herbst. Wehmütig steht Renate<br />

in Omas Zimmer: „Wo ist Oma in<br />

ihrem Weißbettchen?“ [Hildegard,<br />

Gerdhas Mutter war im Jahr nach<br />

Dorles Geburt in Potsdam gestorben.]<br />

Das Kind hat nicht vergessen.<br />

Über ihrem Bettchen hängt ja<br />

auch Großmutters Bild, einer ihrer<br />

letzten Wünsche. Jeden Abend<br />

betet sie um ihren Schutz.<br />

15. Januar 1938.<br />

Renate ist groß und erwachsen, sie muss schon mal die Kleine<br />

[ich, Schwester Maria] übernehmen, heißt es jetzt öfter. [...]<br />

Im Februar 1937 beginnen wir in<br />

Zehlendorf-Machnow unser Heim,<br />

das langersehnte Eigenhaus zu<br />

bauen. Der Grundriss ist lange<br />

begutachtet, der große Garten wartet<br />

auf Bestellung und eines Tages<br />

steht wirklich die Außenmauer. Begeistert<br />

springen die Kinder über<br />

riesen Ziegelhaufen, schaukeln auf<br />

herumliegenden Balken herum.<br />

[...] Die Hausgenossin Tante Ille<br />

[Ilse-Senta, Schwester der Mutter]<br />

wird geliebt und als Beraterin<br />

geschätzt. Weihnachten verläuft<br />

mit Musik und kleiner Aufführung<br />

besonders nett. [...]<br />

Aber zurück zum<br />

meine Schwester


79<br />

Frühling 1939 [Berlin Kleinmachnow]. Mit Betrüben stellten Papi und Mama im<br />

Garten fest, dass es kein Obst gegen würde, da selbst der Mai noch manchmal<br />

vier Grad Kälte brachte. [...]<br />

Aber bald beginnen die Mienen sorgenvoll zu werden, denn Kriegswolken ballen<br />

sich am politischen Himmel. Wir müssen unsere Fenster mühsam verdunkeln,<br />

denn man spricht von Fliegerangriffsgefahr. [...] So manches Mal hat Renate<br />

inzwischen im Keller geschlafen, dem Donnern der Flack [„Flieger Abwehr<br />

Kanone“] zugehört, auch mal das Krachen der Bomben vernommen, aber im<br />

übrigen meist im Keller die Sache ziemlich verschlafen. Die „Engländer“ sind<br />

gerade im vorigen Jahr recht oft in Berlin erschienen; dann sagten die Kinder<br />

fast etwas wohlgelaunt: „Morgen gibt‘s paar Stunden später Schule!“ [...]<br />

Renate hat<br />

schon seit Jahren in der Schule keinen Religionsunterricht<br />

mehr. Sie geht nachmittags zum Unterricht beim<br />

Pfarrer, und wir hoffen, dass unsere Kinder trotz aller<br />

Religionsfeindlichkeit sich ihren Glauben erhalten und<br />

sich nicht von der Schönheit desselben abbringen<br />

lassen. [...] Im schönen Elternhaus zusammen mit den<br />

kleineren Schwestern verlebt Renatchen eine frohe<br />

Jugend. Sie versteht es sehr, mit Minzchen zu spielen,<br />

die so gern von ihr vorgelesen bekommt, und Dörtel<br />

kann stundenlang sich mit ihr unterhalten und folgt<br />

stets ihren guten Ratschlägen. Wenn nun der Krieg<br />

bald beendet wird, dann dürfen wir in Allem dankbar<br />

auf glückliche Jahre zurücksehen. Renate aber möge<br />

weiter froh und allzeit guter Dinge bleiben wie bisher,<br />

und uns durch ihre Gesundheit und Frische erfreuen.<br />

Später:<br />

Stratford/Avon 18. Juli 1971<br />

England.<br />

Renate hat noch viel erlebt, seit<br />

ich dieses <strong>Buch</strong> abschloss. Sie<br />

hat ein gutes Abitur bestanden<br />

und nach vielen Bombenangriffen<br />

im kaputten Haus die Aufräumungs-<br />

und Erneuerungsbauten<br />

mitgemacht. [...] Sie machte<br />

als Studentenumschülerin ihre<br />

Schneidergesellenprüfung. Im<br />

Laufe der Jahre ist ihr diese<br />

Handfertigkeit zum großen Segen<br />

geworden. [...]<br />

Renate heißt<br />

nun schon lange Mrs. Desens und seit dreizehn<br />

Jahren bewohnen sie und mein Schwiegersohn Ernst<br />

Desens mit ihren drei Kindern das schöne Haus in 78,<br />

Oakleyroad. [...]<br />

Stratford bietet Renatel in Sportmöglichkeit im Club<br />

der Kirche und im großen Freundeskreis die Möglichkeit,<br />

sich im neuen Vaterland sehr wohl und geborgen<br />

zu fühlen. Ich, die nun 70 werdende Granny, fühle<br />

mich Jahr für Jahr glücklich und zufrieden im Haus<br />

meiner Lieben. Die Flüge nach Deutschland sind der<br />

Weg, meinen drei lieben Töchtern und allen sieben<br />

Enkeln eine gute Großmama, die sie richtig um sich<br />

haben, zu sein. Stratford, die Shakespeare-Stadt, gibt<br />

neben der Hausarbeit meiner lieben Tochter Renate<br />

Gelegenheit, sich fortzubilden und ihre vielen Pflichten<br />

als Hausfrau, Gattin und Mutter sind von Gottesfurcht<br />

geleitet.<br />

Und in ihrem eigenen Tagebuch schreibt die zwölfjährige Renate, Ende der 1930er Jahre:


80<br />

1989<br />

mit Tochter Sonja und Ehemann Ernst<br />

****<br />

1935<br />

Renate und ich<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Renate Kirsten Mein Tagebuch I 1938/39.<br />

Mutti kam auf den Gedanken, die Marienfigur vom Boden zu holen [ein Kommuniongeschenk des Patenonkels<br />

Nikolaus aus der Eifel]. Ich werde von jetzt ab meine Morgen- und Abendandachten vor ihr verrichten.<br />

Montag, 12. Sept.<br />

Es wurde mal wieder tüchtig im Garten gearbeitet. Mein Beet gedeiht ja auch pfundig. Die Tagetes, Zinnien,<br />

Löwenmaul gedeihen prächtig. Ich habe aber auch Nützliches drauf: Wie grüne Bohnen, sehr vollhängende Tomatenstauden,<br />

Endivien, Mangold und Salat. Minzchens kleines Beet ist neben meinem. Es wird von ihr streng<br />

bewacht, und nur sie selber darf drauftreten.<br />

Freitag [16. Sept.].<br />

Ich muss noch bemerken, dass ich den allerbesten Hausaufsatz „Wasser um Berlin” geschrieben habe. Mutti<br />

hat ein bisschen geholfen und ich habe als einzige eine 1 geschrieben.<br />

Freitag, 4. Nov.<br />

Heute las uns Mutti aus dem Tagebuch unserer Ururgroßmutter Maria Schmidt vor [dieses Tagebuch von<br />

Urmas Mutter ist nicht mehr vorhanden]. Es ist fein geschrieben und alle Achtung, die hat „Haltung” gehabt,<br />

obwohl sie ja evangelisch war. Haltung ist viel mehr als etwas Äußerliches. Haltung nennt man die Art und<br />

Weise, wie einer sein ganzes Leben „hält”!<br />

Donnerstag, 10. Nov.<br />

[...] Danach wurde mit Mutti 66 [Kartenspiel] gespielt, und ich hab‘ man gerade um einen Punkt gewonnen,<br />

und dann ging’s wie immer dreiviertel neun ins Bett.<br />

Sonnabend, 12. Nov.<br />

Nach meinen üblichen Arbeiten Straße und Treppe fegen, zeigte mir Vati, wie man Obstbäume genau an den<br />

Augen beschneidet. [...]


81<br />

mit Sohn Richard auf dem Arm in England<br />

Sonnabend, 26. Nov.<br />

Morgen war ja erster Advent, und so musste man schon an den Kranz denken. Nachmittags machte sich die ganze<br />

Familie Kirsten zur Gärtnerei auf, um Tannengrün zu holen. Mir waren die Dinger zu teuer und ich holte mir für meinen<br />

kleinen Adventskranz aus dem Wald Kiefernzweige. So banden wir beim Singen von Weihnachtsliedern sogenannte<br />

Kränze. Sie wurden beide auch sehr schön, doch sahen wir weniger gut aus.<br />

Sonntag, 4. Dez.<br />

[...] Ab und zu veranstalten wir abends auch eine Weihnachtsliedersingstunde. Vati und Dorle spielen Blockflöte und ich<br />

begleite auf der Geige. Die übrigen sind Singstimmen. Es ist immer so weihnachtlich.<br />

Renate hat mit 12 Jahren ein Ahnenbuch unserer Familie „Meine Ahnen“ geschrieben. Es dient noch heute als<br />

zentrale Grundlage unserer genealogischen Arbeit.<br />

Sonnabend, 11. 3.<br />

Heute konnte ich mal wieder an meinem Ahnenbuche machen. Mama hilft mir manchmal beim Rausschreiben der Daten<br />

aus den für mich schlecht leserlichen Urkunden. Auch klebe ich von den meisten meiner Ahnen Fotobilder ein. Die<br />

hat wirklich nicht jeder. Der Einband aus Pergamentpapier, wobei mir Vati feste geholfen hat, ist sehr fein geworden.<br />

Sonntag, 12. 3.<br />

Ich möchte gerne von allen Geburtsorten meiner Vorfahren eine Ansicht haben u. einkleben. Nun habe ich an die betreffenden<br />

Bürgermeister recht höflich darum geschrieben. Hoffentlich habe ich Erfolg. [...]<br />

Donnerstag, 23. III.<br />

Schnee, Hurra!! Schnell die Schier vom Boden u. los.


8282<br />

mit Schwester Renate<br />

(li) und deren Tochter<br />

Sonia<br />

1989<br />

wir Schwestern, ich links<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Auszug aus dem „Lebensbuch von Gerda über<br />

Dorothee“; es sind die 1930er Jahre:<br />

„Sei dir selber treu,<br />

und darauf folgt,<br />

so wie die Nacht dem Tage,<br />

du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.“<br />

- Shakespeare<br />

Die kleine Dorothee wurde am 31. August des<br />

Jahres 1928 geboren. Gerade 14 Tage vor ihrem<br />

ersten Schritt ins Dasein waren wir aus der etwas<br />

düsteren Wohnung in der Berliner Straße in den<br />

luftigen sonnigen Neubau gezogen; Licht und<br />

Luft unseren Kindern zum fröhlichen Gedeihen zu<br />

verschaffen, war der Hauptbeweggrund für den<br />

Wohnungswechsel. Das Korbwägelchen wartete<br />

frischbezogen im Kinderzimmer auf den Einzug<br />

des kleinen Erdenbürgers. Großmama <strong>Clara</strong> von<br />

Heigel kaufte sogleich feine blanke Töpfchen und<br />

kochte mit Sorgfalt die gern verzehrten Fläschchen.<br />

[...] Am 13. Januar 1929 wird aus dem<br />

hartnäckigen kleinen Heiden ein braves Christenkind.<br />

Die Feier findet in der Heilig-Geist-Kirche<br />

am Reichskanzlerplatz statt und verläuft schlicht<br />

und friedlich. Dorothea, Agnes, <strong>Clara</strong> Kirsten wird<br />

sie getauft. [...] Die Taufkerze brennt an Dörtes<br />

Bettchen und ein Rosenkränzel schmückt den<br />

Wagen. [...] Am Beginn des April kaufen wir einen<br />

Kinderwagen und Dorothee beginnt, sich in der<br />

Westendallee und im Sachsenpark umzusehen. Sie<br />

wird liebevoll vom Schwesterchen Renate betreut,<br />

die ihr oft recht wenig praktische Dinge in den<br />

Kinderwagen wirft. [...] Heute ist sie 2,5 Jahre und<br />

spricht richtige deutliche kleine Sätze. „Um Gottes<br />

Dorothee Kirsten<br />

Willen, das ist doch mein Essen!“, jammert sie, als<br />

ich einen Löffel koste. „Pfui Teufel ist da“, bewundert<br />

sie einen Fleck. [...]<br />

27. November 1931.<br />

Wenn ich die vorangegangen Zeilen lese, so fasst<br />

mich eine leise Wehmut, wenn ich bedenke, wie<br />

viele niedliche Stadien ihrer Entwicklung schon<br />

seit dem ersten Augenaufschlag unserer Jüngsten<br />

hinter ihr und uns liegen! Aber dankbar kann<br />

ich eintragen, sie ist weiterhin kerngesund und<br />

guter Dinge. Aus den ersten Worten sind lange<br />

ausführliche Sätze geworden. Ist sie irgendwie<br />

gekränkt, so wird nicht geweint, auch nicht geplärrt<br />

oder gestampft. Nein, mit feuerrotem Kopf wird<br />

geschimpft: „Ich komme nicht mehr zu Dich, ich<br />

gehe ganz daweg, Du hast keinen Opa aber ich,<br />

du kommst in die Höhle=Hölle, ich haude Dich<br />

ganz doll...“ Solche und ähnliche Trompetentöne<br />

durchziehen dann längere Zeit die Wohnung. [...]<br />

Gesundheitlich macht sie keinerlei Schwierigkeit,<br />

sie isst mit regem Appetit jede Speise, im Gegensatz<br />

zu Renate liebt sie Fleisch und Süßigkeiten,<br />

Mehlspeisen und fette Kost, während ihr Obst nicht<br />

so sehr behagt. [...] Die Krippe in der Kirche wird<br />

ihr gezeigt. „Nee, das ist doch kein Ochse an der<br />

Krippe, das ist doch Hänsels Kuh!“ Ein anderer<br />

kleiner Witz wird belacht. Renate fragt mich, ob Renate<br />

Dorothea Kirchennamen sind. Auch Dörte will<br />

dazu was sagen. „Ist Pimps (Kosenamen des Vetter<br />

Jürgen Kaufmann) auch ein Kirchenname?“ [...] Sie<br />

erfreut sich also im Ganzen allseitiger Beliebtheit<br />

und einer guten Gesundheit. Sie ist und bleibt aber<br />

unser süßer kleiner Liebling. Sehr gut verträgt sie<br />

sich mit Tante Ilse-Senta.<br />

meine Schwester


83<br />

mit Töchterchen Irene und mir<br />

24. Januar 1936.<br />

Drei Jahre hat das <strong>Buch</strong> im Schub geschlummert<br />

und fast will mich das Gedächtnis im Bezug auf<br />

diese lange Zeit verlassen. Dörte ist inzwischen<br />

ein Schulmädchen geworden. Sie hat sich nach<br />

anfänglichen Schwierigkeiten gut eingerichtet.<br />

Das Rechnen fällt ihr leicht, auch Anschauung und<br />

Religion machen ihr Freude. Nur die von der Lehrerin<br />

etwas früh begonnenen Diktate machen ihr<br />

größere Schwierigkeiten. Sie ist in der katholischen<br />

Volksschule eingeschult worden und besucht mit<br />

Jungens gemeinsam die Klasse. [...] Unsere Zweite<br />

ist weiter recht amüsant und leistet sich noch<br />

manchen kleinen Scherz, sie ist breit und untersetzt,<br />

hat dunkle Härchen, die wir regelmäßig zum<br />

Bubenkopf verschneiden lassen. Sie ist manchmal<br />

etwas zum Weinen geneigt. Zankt auch ab und zu<br />

mit Renate, aber im Großen und Ganzen erzieht<br />

sie sich sehr leicht. Zeitweise mussten wir sie sehr<br />

zum Essen anhalten, den Fleischgenuss haben<br />

die Kinder fast aufgegeben. Sie isst am liebsten<br />

Milchreis mit Zimt und Schneemilchsuppe, die sie<br />

sich oft bestellt. [...] Seit Jahr und Tag halte ich<br />

die Kinder zum Helfen an. Daher ist das kleine<br />

elektrische Bügeleisen sowie der Puppenkochherd<br />

ein angebrachtes Geschenk. Ganze Stöße<br />

Taschentücher und so weiter werden von Dorle<br />

geplättet. Hänschen [Kinderfreund] bedauert stets,<br />

kein Mädchen zu sein, denn die selbstgekochten<br />

Sachen schmecken gar zu gut, sie decken ihren<br />

Kindertisch und verzehren mit Wonne merkwürdige<br />

Speisefolgen. Das Puppenbaby hat nicht nur<br />

einen sehr hübschen Wagen, auch die Wäscheausstattung<br />

ist reichhaltig und von Mutter solide aus<br />

Leinen genäht. Sie besucht im Gemeindehaus der<br />

Kirche nun Montag eine Spielstunde zusammen<br />

mit Ursel [Kinderfreundin] und hat am Nikolastag<br />

als Engelchen verkleidet ihr Gedicht gesagt. Auch<br />

unter dem Weihnachtsbaum steht ein verschämt<br />

lächelndes Dörtchen und sagt ohne Stocken sein<br />

Gedicht. [...]<br />

9. März 1938.<br />

Dörtchen ist heut früh mit fliegenden Hängezöpfchen<br />

zum Auto gerannt, das sie getreulich jeden<br />

Morgen zur Schule bringt. „Schreib mein <strong>Buch</strong>“,<br />

hat sie gerufen und Mutter wills nun schnell<br />

besorgen. Dorle hat viel erlebt im letzten Jahr. Das<br />

Schwesterchen Minz ist gewachsen und rennt getreulich<br />

hinter ihr her, stets bereit, Dorles Puppen<br />

an ihr Herz zu drücken. Puppenmütterchen sieht<br />

das aber nicht allzu gern, denn Rösi, Lieselotte<br />

und Gerda sind gepflegte und gehegte Damen, die<br />

beste Behandlung gewöhnt sind. Sie werden jeden<br />

Abend zu Bett gebracht, besuchen die unterste<br />

Klasse der gut geleiteten Puppenschule. Lehrerin<br />

Dörte hat viele Bücher verfasst, alle selbstgeschrieben,<br />

und ein gründliches Lernen wird in der<br />

Schule geübt. Na, Dorle ist mit der Schule jeder Art<br />

vertraut. Vor einem Jahr besuchte sie die berühmte<br />

Waldschule an der Heerstraße. Dort lernte sie bei<br />

Spiel und reichster Abwechslung, sich im Gemeinschaftsleben<br />

mit andern Kindern tummelnd, ein<br />

frohes Treiben kennen. Sie pflegte ihr eigenes<br />

Gärtchen, sie machte niedlichste Bastelarbeiten<br />

und fand in Frau Praller eine herzliche fröhliche<br />

Lehrerin.


84<br />

1989<br />

links mit Tante Gerdha und mir<br />

****<br />

mit mir 2015<br />

1935<br />

Ich habe Christina gebeten, mir von ihr zu schreiben:<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Christina Hirsch<br />

meine Mutterschwestertochter


8585<br />

Meine Kinderzeit war sehr schön, trotz der vielen Beschwerden der Nachkriegszeit. So wuchs ich bei meiner<br />

geliebten Mutter und meinen guten Großeltern auf.<br />

Mein Vater, Dr. phil. Martin Hirsch hat mich nie gesehen, da er genau an meinem Geburtstag im Kriege<br />

bei Sarajewo gefallen ist.<br />

Meine Mutter musste dann als Röntgenassistentin im Krankenhaus Eisleben arbeiten und ich war bei<br />

den Großeltern.<br />

Ich war erst acht Jahre alt, als meine geliebte Mutter starb. So war ich alleine, und froh, bei den Großeltern<br />

zu sein.<br />

Oft sehe ich mir heute noch die Fotos aus meiner Kinderzeit an, denn meine Mutter war eine hervorragende<br />

Fotografin. Ich erinnere mich nur daran, dass sie mit mir oft fröhlich war, mir viele Märchen vorgelesen<br />

hat und viel gelacht hat. Wir hatten damals in Eisleben einen großen Freundeskreis und meine Mutter<br />

wurde dort gut aufgenommen und geliebt wegen ihrer so freundlichen Art.<br />

Das Talent des Schreibens und Malens habe ich geerbt und besuchte als Schülerin einen Malkurs bei<br />

einem Eislebener Heimatmaler.<br />

Ich liebe die Natur und habe mich in einer Apotheke viel mit Kräutern und deren Heilwirkung beschäftigt.<br />

45 Jahre lang war ich mit einem wunderbaren Mann verheiratet, der mich leider, vor Jahren, nach einer<br />

heimtückischen Krankheit verlassen hat.<br />

Liebe Maria, ich hoffe, Dir nun geholfen zu haben und wünsche Dir und Martin ein schönes Weihnachtsfest,<br />

deine Kusine Christina.


86<br />

Renates Tochter Katharina Desens<br />

verheiratete O.,<br />

geboren 1960 in Stratford-on-Avon/England,<br />

lebt in Arabien;<br />

Dorothees Tochter Carlotta Heller<br />

verheiratete K.,<br />

geboren 1959 in Wiesbaden,<br />

lebt in Südafrika;<br />

Christinas Tochter Sylke Wolf<br />

verheiratete F.,<br />

geboren 1964 in Eisleben,<br />

lebt in Deutschland;<br />

meine Mutterschwesterenkeltöchter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden Febr. 2016]


87


88<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Aus dem Lebensbuch von Dorothee über ihre<br />

Zwillinge Carlo und Carlotta; die 1960er Jahre:<br />

Am 17. August 1959 wurden unsere Zwillinge Carlo<br />

und Carlotta geboren. [...]<br />

Es war ein ganz besonders heißer Sommer, in dem<br />

unsere Kinder geboren wurden. Dazu kam unser<br />

großer Schmerz über die schwere Erkrankung<br />

unserer kleinen Tochter Irene, die es nicht mehr<br />

bei Gesundheit erleben durfte, gleich ein Brüderchen<br />

und ein Schwesterchen zu bekommen, so<br />

wie sie es sich gewünscht hatte, lange bevor wir<br />

es wussten, dass wir Zwillinge bekommen sollten.<br />

[...] Die beiden Kinder waren so gesund und kräftig<br />

zur Welt gekommen, sodass sie wie die andern<br />

Einzelkinder behandelt werden konnten. [...] Am<br />

20. September wurden die beiden Kinder in der<br />

St. Elisabethkirche, uns gegenüber, getauft. [...]<br />

Der Taufsonntag war noch ein besonders warmer<br />

Spätsommertag, außer den Taufpaten und dem<br />

Großvater war noch meine Schwester Maria, seit<br />

Anfang August Frau Haas, mit ihrem Mann da. Es<br />

war ein schöner Tag. [...] Im Oktober verbrachte<br />

Fred 10 Tage auf der Messe in Köln, während der<br />

Tage war meine Mutter bei uns, und erfreute sich<br />

an den 2 Kindern. Trotz ihres schweren Hüftgelenkbruchs<br />

und der damit verbundenen Behinderung<br />

beim Gehen half sie tüchtig mit, die Kleinen zu<br />

besorgen. Für mich ist jede Hilfe willkommen, denn<br />

die ersten Wochen war jede Nacht unterbrochen,<br />

auch das Stillen hat mich viel Zeit gekostet, aber es<br />

war ein Opfer, was ich gerne länger gebracht hätte.<br />

[...] Ende Oktober reiste die gute Omi mit dem Flugzeug<br />

nach England zu meiner Schwester Renate u.<br />

ihrer Familie. [...] Ich fütter die Kinder im Bettchen,<br />

weil ich es dann leichter habe, auf dem Schoß<br />

drehen sie den Kopf hin u. her und der Brei läuft<br />

daneben runter. Es ist natürlich ein ausgefüllter<br />

Tag mit 2 Säuglingen. Aber durch die komfortable<br />

Carlotta Heller<br />

Wohnung und meine Waschmaschine kann ich alles sehr gewissenhaft<br />

machen. Die Kinder liegen vormittags viele Stunden<br />

beim geöffneten Fenster und haben beide frische rote Backen.<br />

[...] Carlotta ist dagegen wieder ein kleiner unruhiger Geist, der<br />

schon tüchtig auf dem Wickeltisch turnt. Sie sind auch äußerlich<br />

so verschieden, wie ganz gewöhnliche Geschwister. Carlotta ist der<br />

kleinen Irene so ähnlich, während Carlo mit grau blauen Augen u.<br />

blonden Haaren ein neuer Typ ist. [...]<br />

4. April [1960]<br />

Heute ist wieder ein kleines Ereignis in unserer Kinderstube<br />

gewesen. Carlotta steht am Kindergitter und strahlt mich an<br />

vor lauter Vergnügen. Ganz plötzlich ist unser kleines Mädchen<br />

flügge geworden. Bis vor einer Woche lagen beide immer noch<br />

friedlich im Kinderwagen nebeneinander, nun geht es plötzlich<br />

nicht mehr. Sie ärgern sich gegenseitig und lehnen sich so weit<br />

heraus, dass es gefährlich wurde. Nun habe ich schnellstens<br />

Schultergurte gekauft und nun wechseln sich unsre Kinder<br />

ab, einer auf dem Balkon, einer im Bett. Und natürlich ist der<br />

Sportaufsatz für den Kinderwagen bestellt, und dann werden<br />

unsere Kleinen im Sportwagen spazieren gefahren. Carlotta<br />

sitzt nun auch alleine, aber noch nicht lange. Carlo braucht noch<br />

eine Stütze im Rücken. Er ist in den ersten Wochen nur friedlich<br />

gewesen, während Carlotta jetzt gerne ihr Stimmchen ertönen<br />

lässt, sie hat auch Hunger u. fühlt sich nicht wohl in nassen<br />

Windeln, während Carlo so gut ausgefüttert ist, dass er immer<br />

erst als zweiter an die Reihe kommt. Er betrachtet sich die Welt<br />

mit Vorliebe auf dem Bauch. Er richtet sich so weit auf, dass er<br />

an die Stäbe greifen kann, aber noch nicht auf die Knie. Carlotta<br />

fing schon vor Wochen an, auf dem Bauch zu rutschen, nun<br />

geht sie auch in die Knie und krabbelt langsam vorwärts. Es ist<br />

alles so wie bei unserm Irenchen, genauso ein kleiner lebhafter<br />

Spatz wächst uns da wieder heran. Wir sind so glücklich mit<br />

den 2 Kleinen, obwohl unser Leben nach wie vor überschattet<br />

ist durch den Leidensweg unsrer Irene. ... Beide haben schon<br />

eine kleine Frisur, Carlotta hat schon ein paar Löckchen auf<br />

dem Kopf. Jeder findet sie besonders süß, ihr Kopf ist nicht so<br />

groß u. dadurch wirkt sie proportionierter. [...] Carlotta sitzt oft<br />

still und spielt mit Irenchens Püppchen. [...] Es lässt sich nicht<br />

meine Mutterschwesterenkeltochter


89<br />

Sommer ‘17 in Wiesbaden<br />

in Worten sagen, wie glücklich ich mit den beiden Kindern bin.<br />

Jeder kleine Fortschritt erfreut mich, und wenn ich auch nicht<br />

so viel Zeit habe, um sie viel zu tragen oder zu verwöhnen, so<br />

gebe ich ihnen doch so viel Liebe, wie ich nur kann. [...] Die Omi,<br />

die jetzt in England bei meiner Schwester lebt und auch bleiben<br />

wird, kam gerade zum 1. Geburtstag zu Besuch und freute sich<br />

an den Kleinen. Heute haben wir den 18. November und nun will<br />

ich doch wieder über unsre beiden Kinder berichten. Sie laufen<br />

schon sehr sicher auch draußen, meist muss eins im Wagen<br />

sitzen, das andere nebenher laufen. Im Park gehen wir dann die<br />

Enten und den kleinen Wasserfall ansehen und freuen uns über<br />

jedes Hündchen, was uns begegnet. Carlotta ist so possierlich<br />

in ihren Bewegungen, hüpft im Wagen wenn sie etwas freut. [...]<br />

Sie sind sich stets einig im Spiel, Carlotta ist nachgiebiger und<br />

so gibt es wenig Gezänk. Carlotta klettert auf jeden Stuhl, kaum<br />

bin ich aufgestanden, sitzt oder steht sie drauf. In der Kirche<br />

stehen beide mit Vorliebe auf den Stühlen. Natürlich muss man<br />

noch aufpassen, dass sie nicht fallen, aber Carlotta klettert sehr<br />

geschickt wieder runter. [...]<br />

5. Mai [1961]<br />

Heute ist ein besonderer Tag. In Rüsselsheim ist heute ein<br />

kleiner Junge [mein, Marias, Sohn Martin!] zur Welt gekommen,<br />

also der erste Vetter neben den beiden Cousinen in England. Wie<br />

freue ich mich, für meine liebe Schwester Maria u. ihren Mann.<br />

[...]<br />

24.I.1962<br />

Bereits ½ 7 h kann ich die Kinderzimmertür schließen; denn<br />

Carlo schläft seit einiger Zeit nicht mehr nach dem Mittagessen,<br />

und so ist er sehr müde. Carlottchen ist dagegen unser Schlafkind.<br />

Bereits morgens schläft sie, wenn sie niemand stört bis 8<br />

h, Carlo kommt schon vor 7 h zu mir ins Bett und begleitet mich<br />

ins Badezimmer. Auch mittags ging Carlottchen bisher sehr<br />

gerne ins Bett, nun sieht sie allerdings, dass Carlo aufbleibt, und<br />

da erhebt sie auch schon Protest, aber ihre Müdigkeit siegt. Das<br />

Schlafen tut dem Kind aber so gut, sie ist viel munterer geworden<br />

und hat auch den schrecklichen Eigensinn ziemlich überwunden.<br />

Sie ist meist tonangebend im Spiel,<br />

Carlo ihr treuer Nachahmer. Auch im Park läuft sie<br />

vorne weg am liebsten durch die Büsche und er<br />

hinterher. „Straße Mutti Hand geben“ verkündet sie<br />

laut und befolgt es dann auch. Oft müssen wir stehen<br />

bleiben „Stein Schuh“ verkündet sie unerbittlich, setzt<br />

sich an den Wegrand und ich muss den Schuh öffnen.<br />

Es stimmt aber auch in den allermeisten Fällen. Wie<br />

merkwürdig, dass Carlo nie einen Stein im Schuh hat!<br />

Im Sprechen ist sie immer dem Bruder etwas voraus,<br />

ich glaube, er lernt von ihr. Sie sagt z. B. seit 2 Tagen<br />

„Carlo“, heute sagte er es auch. Auch kleine Reime,<br />

und Zeilen aus dem Struwwelpeter fangen sie an zu<br />

erzählen. Den Struwwelpeter lieben sie leider sehr, sie<br />

sitzen gerne abends noch im Bett und schauen Bilder<br />

an. Carlo klettert allerdings zu gerne noch umher, sie<br />

schreit dann sehr energisch „Carlo gehste Bett“, wie<br />

sie es von mir gehört hat. [...] Zum 60. Geburtstag<br />

meiner Mutter fuhr ich für 5 Tage nach England. [...]<br />

Die Kinder waren bei der Werkmeisterfrau, die sie<br />

beköstigt hat, und unsere treue Erna hat die Kinder<br />

morgens u. abends besorgt. Sie haben mich überhaupt<br />

nicht vermisst, wenn sie nach mir fragten „Mutti<br />

Frisör“. Carlo war aber sehr glücklich, als ich wieder<br />

kam. Er rief voller Freude bestimmt 10 x „Mutti wieder<br />

da“ u. umarmte mich voller Glück. Carlottchen hat<br />

Muttis Rückkehr gar nicht beachtet. Für mich war es<br />

mal sehr erholsam und die Freude in England groß.<br />

Inzwischen ist nun am 19. Januar [1963] ein Junge<br />

namens Richard Ernst geboren [Schwester Renates<br />

Sohn]. – Nach meiner Rückkehr waren die Kinder<br />

ganz aus dem Häuschen. Es wurde in den Betten<br />

getobt, dauernd hauten sie aufeinander ein, dass es<br />

für mich eine schwere Zeit war. Wie weit das damit zusammenhängt,<br />

weiß ich nicht, seit ein paar Tagen sind<br />

sie beide sehr lieb untereinander und spielen auch<br />

zusammen. Jeder weiß genau was ihm gehört, wie<br />

Puppenwagen u. Eisenbahn. Bilderbücher u. Bauklötze<br />

sind allerdings Gemeingut.


90<br />

Renate (oben re.) bei ihrer Tochter<br />

zu Besuch in Bahrain in Arabien<br />

1989<br />

Hochzeit mit Omran (li.) in England<br />

Wiesbaden 2017<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Ihr geliebte Granny, Großmutter Gerdha, brachte Kathy Deutschsprechen bei. Kathy ist<br />

in England geboren und aufgewachsen und ist eine Engländerin, die dort in die Mittelschule<br />

geht und sehr hübsch in der Schuluniform aussieht. Granny lebt in Stratfordon-Avon<br />

bei ihren Eltern. Sie verabredet sich oft mit ihrer Enkelin nach der Schule im<br />

„Goldenen Ei“ zu einem kleinen Imbiss. Auch vermittelt sie für das Kind Reitstunden.<br />

Kathy wird eine sehr gute Reiterin, die sogar an den typischen englischen Fuchsjagden<br />

teilnehmen darf. Im Garten ihres Elternhauses hat Kathy einen Stall für ihr Kaninchen<br />

Miranda. Und später schafft sie sich eine kleine Dackelhündin Abba an, benannt<br />

nach der bekannten Musikgruppe. Mit ihrer Mutter Renate verlebt sie die Ferien oft<br />

in Deutschland, wo wir drei Schwestern mit unseren Kindern in einem Ferienhaus von<br />

unserer Tante Dorothee eine fröhliche Zeit an der Mosel verbringen. Dabei lerne ich<br />

Kathy Dorothee als ein ruhiges, sehr liebes Kind kennen. Unsere gute Beziehung ist<br />

nie verloren gegangen, auch nachdem Kathy jetzt schon seit vielen Jahren mit ihrem<br />

Mann Abdullah Omran und ihrer Tochter Hana in Bahrain am persischen Golf in Arabien<br />

lebt. Sie ist dort als Engländerin Erzieherin für arabische Kinder. Das macht ihr<br />

Freude.<br />

Katharina Desens<br />

Im Lebensbuch für Renate schreibt meine Mutter<br />

Gerdha über Kathy:<br />

„Katharine ist mein geliebtes Enkelkind, liebstes<br />

Enkelchen, weil sie auch Katharina, wie ich heißt. Ich<br />

war bei der Taufe in der Kirche, Church of England,<br />

inzwischen abgerissen, zugegen.“<br />

meine Mutterschwesterenkeltöchter


Sylke Wolf<br />

91<br />

Tini und ihr Mann Hans<br />

meine Mutter Gerdha mit Schwesterenkeltochter Sylke<br />

Christina schreibt mir über ihre Tochter Sylke:<br />

20 Jahre war ich alt, als unsere Sylke im April 1964 in<br />

Eisleben geboren wurde.<br />

Mein Mann Hans absolvierte gerade ein Praktikum für<br />

sein Ingenieurstudium in Bitterfeld und ich war alleine<br />

mit meiner süßen kleinen Tochter.<br />

Sie kam genau am errechneten Termin zur Welt und<br />

die Geburt dauerte über zwanzig Stunden. Doch als der<br />

erste Schrei ertönte, war ich überglücklich und die Mühen<br />

der letzten Stunden waren vergessen.<br />

Ein wohlig, warmes Gefühl durchströmte mich, als sie<br />

mir auf die Brust gelegt wurde. Nun war ich Mama! Am<br />

nächsten Tag reiste der glückliche Papa an und sah<br />

sein Töchterchen zum ersten Mal.<br />

Sylke war intelligent, lebensfroh und wuchs unkompliziert<br />

auf – zur großen Freude von uns Eltern – und ist<br />

heute eine anerkannte Lehrerin, die glücklich mit ihren<br />

Schülern den Unterricht in den Fächern Biologie und<br />

Chemie gestaltet.


92<br />

Sylkes Tochter Maria F.<br />

verheiratetete H.,<br />

geboren 1989 in Mitteldeutschland,<br />

meine Mutterschwesterurenkeltochter, die Matriarche;<br />

Sylkes Tochter Lisa F.<br />

verheiratete S.,<br />

geboren 1986 in Mitteldeutschland,<br />

meine Mutterschwesterurenkeltochter;<br />

Carlottas Tochter Silja K.<br />

geboren 1994 in Südafrika,<br />

meine Schwesterenkeltochter;<br />

Kathys Tochter Hana O.<br />

geboren 1996 in Arabien,<br />

meine Schwesterenkeltochter.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden 2016]


93


94<br />

2000<br />

die Zwillinge Silja und Marko 2010<br />

1989<br />

Abschlussfeier ‘16<br />

Afrikaansuniversität<br />

die Zwillinge<br />

Carlo und Carlotta<br />

Silja und Marko<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Carlotta schreibt mir heute in einer E-Mail über<br />

ihre Tochter Silja:<br />

Silja wurde am 15.März an einem schönen Herbsttag<br />

im Jahre 1994 in Kapstadt, Rep. Südafrika,<br />

ganz genau dreißig Sekunden vor ihrem Zwillingsbruder<br />

Marko von mir geboren.Genau sechs Wochen<br />

später findet die erste demokratische Wahl in<br />

Südafrika statt und Silja konnte sich wohl politisch<br />

kein ereignisreicheres Jahr als Geburtsjahr hier im<br />

Land ausgewählt haben.<br />

In unserem neuerbauten Haus in Kleinmond<br />

bei Kapstadt verbringt Silja ganz gemütlich und<br />

zufrieden ihre Babyjahre. Ihr erstes Lebensjahr verschläft<br />

Silja fast die ganze Zeit, und sie überrascht<br />

uns dann, als sie mit elf Monaten ihre ersten<br />

Schrittchen macht. Die drei großen Geschwister<br />

helfen sehr viel mit Fläschchengeben, Wickeln<br />

und Baden und wir alle haben sehr viel Freude an<br />

unseren neuen Familienmitgliedern. Die Babyzeit<br />

geht sehr schnell herum und Silja und Marko entwickeln<br />

sich zu zwei sehr lebendigen und bewegungsfreudigen<br />

Kleinkindern und eine sehr erfreuliche,<br />

aber auch überaus anstrengende Kleinkinderzeit<br />

steht Mama bevor. Mit drei Jahren beginnt Silja<br />

zusammen mit Marko mit Schwimmunterricht und<br />

Mama fährt zwei mal in der Woche in das eine<br />

Stunde entfernt gelegene Hallenbad nach Strand.<br />

Dort lernen unsere Zwei sich durch Paddeln auf<br />

dem Rücken zu drehen und somit sich über Wasser<br />

zu halten. Silja überwindet sehr schnell ihre Furcht<br />

und springt ganz waghalsig vom Beckenrand ins<br />

Wasser.<br />

Da zu Hause nur Deutsch gesprochen wird, ist das<br />

Afrikaans von Silja recht holperig, aber trotzdem<br />

genießt Silja die Kindergartenaktivitäten und sie<br />

Silja K.<br />

schließt mit anderen Kindern schnell Freundschaft. Rasch<br />

lernt Silja fließend Afrikaans zu sprechen und von ihren<br />

großen Geschwistern erfährt Silja die Existenz der englischen<br />

Sprache, ihrer zukünftigen Schul- und Berufssprache.<br />

Im Januar 2001 wird Silja mit knapp sieben Jahren in die<br />

Grundschule eingeschult. Um die Selbständigkeit unserer Zwillinge<br />

zu fördern, werden unsere Beiden gleich von Anfang an<br />

in verschiedenen Klassen unterrichtet. In der zehnten Klasse<br />

entschließt sich Silja durch Fächerwahl ihr Abitur im Mathematischen<br />

Zweig zu machen. Weiterhin nimmt sie privaten<br />

Kunstunterricht, sie ist eine leidenschaftliche Hockeyspielerin<br />

und eine begabte Reiterin und schwimmt weite Strecken im<br />

Breede River.<br />

Im Jahre 2011 empfängt Silja Deutschunterricht. Aussprache<br />

und Wortschatz sind kein Problem, nur für das Abitur muss Silja<br />

noch auf die Schnelle die deutsche Grammatik erlernen. Silja<br />

wird im Jahre 2011 in der deutschen Kirche in Stellenbosch<br />

zusammen mit ihrem Bruder und drei anderen deutschen<br />

Kindern bei Pastorin Christiane Simon konfirmiert.<br />

Im März 2012 besteht Silja kurz nach ihrem 18. Geburtstag<br />

nach 16 Fahrstunden ihren Führerschein. Silja nimmt wenig<br />

später an der berühmten Fahrradtour Cape Argus teil und erledigt<br />

die 112 Kilometer in knapp sieben Stunden.<br />

Das Abiturjahr vergeht wie im Fluge. Das Abschlussball und<br />

Dinner gehören zu den großen Höhepunkten des Jahres und<br />

sie schließt ihr Abitur mit insgesamt fünf Auszeichnungen ab,<br />

und wird somit Sechstbeste von der ganzen Overbergregion.<br />

Im Februar 2013 beginnt Silja an der Afrikaansuniversität in<br />

Stellenbosch ihr Studium als Wirtschaftsprüferin und bekommt<br />

im Jahre 2016 ihren ersten Abschluss als Chartered<br />

Accountant (Wirtschaftsprüferin). Die Abschlusszeremonie an<br />

der Universität Stellenbosch mit Nationalhymne und 38°C im<br />

Schatten ist sehr langwierig, aber auch sehr ergreifend. Wir<br />

wünschen unserer Tochter Silja alles Gute für ihre Zukunft.<br />

meine Schwesterenkeltöchter


Hana O.<br />

95<br />

mit Großmutter Renate<br />

Ich selbst, Maria, lernte Hana, die Enkeltochter meiner<br />

Schwester Renate d. h. meine Großnichte, als kleines<br />

Mädchen in England kennen. Sie war dort oft mit ihrer<br />

Mutter zu Besuch. Hana war ein reizendes, sehr lebhaftes<br />

kleines Mädchen, zur großen Freude ihrer Großeltern.<br />

In ihrer Heimat in Bahrain, lernte Hannah dann Reiten<br />

und Ballett. Ihre Mutter erzählte mir, wie tierlieb sie<br />

ist, und dass sie Blumen sehr liebt. Fernostreisen mit<br />

ihrer Mutter Kathy nach Singapur und China bringen ihr<br />

Freude, und in England besuchen sie gerne ihren Onkel<br />

Richard, den Bruder ihrer Mutter.<br />

Jetzt studiert Hannah Englische Literatur und liest<br />

W. Shakespeare. Ihre deutschstämmige Mutter Kathy<br />

(Katherine Dorothy Desens) und ihr arabischer Vater Abdullah<br />

Omran hatten sich in der weltberühmten Shakespearestadt<br />

Stratford-on-Avon kennengelernt, wo Kathy<br />

geboren wurde und aufwuchs (meine Schwester war nach<br />

dem Kriege als „Aupairgirl“ nach England gegangen).<br />

Mit Kathy und Hannah halten wir über Facebook engen<br />

Kontakt, trotz der Entfernung! Das ist charaktieristisch<br />

für das Virtuelle Matriarchat.<br />

Per Mail schreibt mir die in England zweisprachig aufgewachsene<br />

Kathy O. in deutscher Sprache über ihre Tochter<br />

Hana:<br />

Unsere Tochter Hana (oder „Hannah“, sie mag<br />

jetzt ihren Namen selbst buchstabieren) kam am<br />

5.6.1996 in Bahrain (in Arabien, im Persischen<br />

Golf), genau einen Monat vor meinem Geburtstag<br />

in die Welt. Wir waren absolut begeistert, ein<br />

kleines Mädchen und eine Schwester für Anwar<br />

zu haben. Sie war ein pflegeleichtes Baby, das viel<br />

schlafen konnte.<br />

Hannah‘s Charakter entwickelte sich bald. Sie war sehr<br />

aktiv während des Tages und machte ihre ersten Schritte<br />

nach 9 Monaten. Hannah gefiel der Schnuller, und<br />

sie war nie lange ohne ihn, und unterhielt uns mit den<br />

lustigen Geräuschen, die sie machte, während er noch<br />

in ihrem Mund war. Hannah wurde definitiv der Anführer<br />

zwischen sich und ihrem Bruder. Hannahs Lieblingsspielzeug<br />

war ein rosa Dinosaurier namens Barney.<br />

Wir reisten nach England, als Hannah etwas über ein<br />

Jahr alt war, und unser kleines Mädchen war glücklich,<br />

auf dem Boden des Flugzeugs auf einer Decke unter<br />

unseren Sitzen mit ihrem rosa Schnuller im Mund zu<br />

schlafen.<br />

An ihrem ersten Tag im Kindergarten bestand sie darauf<br />

ihre roten Gummistiefel zu tragen, die im heißen Klima<br />

von Bahrain fehl am Platz erschienen. Ich möchte sagen,<br />

dass unsere Tochter später dazu überredet wurde<br />

Sportschuhe zu tragen.<br />

Hannah entwickelte eine Liebe zu Tieren. Wir hatten<br />

immer Haustiere: Ein Kaninchen, eine ganze Weile lang<br />

Vögel; aber dann öffnete sie immer wieder die Käfige<br />

und ließ sie frei, dann konnte sie nicht verstehen, warum<br />

wir sie nicht wieder einfangen konnten.<br />

Hannah war immer sehr aktiv, sie lernte schon sehr früh<br />

schwimmen. Sie war eine begeisterte Reiterin und nahm<br />

sogar an Wettkämpfen teil. Hannah nahm auch für einige<br />

Zeit Ballettunterricht, fand die Disziplin aber zu sehr<br />

wie in der Schule.<br />

Unsere Tochter hat immer noch ihre fröhliche Persönlichkeit<br />

bewahrt, jetzt mit 22 Jahren bringt sie uns oft<br />

mit ihrem Sinn für Humor zum Lachen, und sie mag es,<br />

auf arabische Weise zu singen und zu tanzen.


96<br />

Sylkes Tochter Maria F.<br />

verheiratete H.,<br />

geboren 1989 in Mitteldeutschland,<br />

meine Mutterschwestergroßenkeltochter;<br />

die heutige Matriarche.<br />

[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden 2015]


97


98<br />

1989<br />

****<br />

1935<br />

1901<br />

877<br />

1853<br />

1822<br />

-20<br />

-1400<br />

Die Matriarche.<br />

aria F.<br />

meine Mutterschwestergroßenkeltochter


99


100


101<br />

III<br />

Anschließende Worte<br />

Das Virtuelle Matriarchat (Sohn Martin) 102<br />

Nachwort und Ausblick 106<br />

An die Leserin und den Leser 110


as Virtuelle Matriarchat – Theorie & Praxis<br />

Liebe Leserin, lieber Leser, vielleicht hast du dich schon intensiv mit diesem<br />

<strong>Buch</strong> befasst, vielleicht ist dieses Kapitel auch das Erste für dich,<br />

aber in in jedem Fall wirst du die Frage stellen, wieso wir diesen Untertitel<br />

für das <strong>Buch</strong> mit den Portraits der Ahnfrauen unserer Familie gewählt<br />

haben und was sich genau dahinter verbirgt.<br />

Ja, es ist richtig, matriarchale Gesellschaften sind hunderte oder sogar<br />

tausende von Jahren alt, sie sind älter als das Patriarchat, auch wenn<br />

sie nicht so im Bewusstsein der modernen Industriegesellschaft präsent<br />

sind. Zum Beispiel die Khasi in Indien, die Mosuo in China und die Minangkabau<br />

in Indonesien sind große und selbstbewusste Ethnien, die in einer<br />

patriarchalen Umgebung überlebt haben und uns inspirieren können.<br />

Aber es stimmt schon, wenn das Patriarchat verantwortlich und spirituell<br />

gelebt wird, ist es prinzipiell auch funktionsfähig, doch leider gibt es<br />

viel zu wenige Männer, die dieser Verantwortung tatsächlich gerecht werden<br />

können – und auch Frauen haben heutzutage Schwierigkeiten, die<br />

traditionellen patriarchalen Rollen für Frauen zu akzeptieren. Vor diesem<br />

Hintergrund erschien es mir geboten, ein alternatives gesellschaftliches<br />

Familienmodell zu entwickeln, welches zugleich patriarchale (also bei<br />

uns traditionelle) Elemente wie die monogame Ehe enthält, aber auch<br />

matriarchale Elemente wie die Matrifokalität und Matrilokalität.<br />

Was bedeutet nun der Begriff „virtuell“ in diesem Zusammenhang?<br />

1. Im VM wird viel mit modernen (virtuellen) Kommunikationsmitteln gearbeitet. Ohne sie ist es auch<br />

kaum möglich, Menschen miteinander zu verbinden, speziell, wenn sie (zunächst) nicht beieinander<br />

leben.<br />

2. Der Virtuelle Matri-<strong>Clan</strong> (VMC) ist ja erst mal keine gewachsene Struktur, er besteht zunächst nur virtuell,<br />

in der Vorstellung derer, die die matrilineare Genealogie verfolgen und die jüngste Tochter der<br />

jüngsten Tochter ... der <strong>Clan</strong>-Urmutter als „Matriarche“ identifizieren.<br />

3. Wenn es nicht möglich ist, gleich einen realen Matri-<strong>Clan</strong> aufzubauen, kann es hilfreich sein, zunächst<br />

sogenannte „virtuelle“ Familienmitglieder in Form von Puppen zu etablieren (s. Anni, S. 50 ff.). Wir<br />

haben damit gute Erfahrungen gemacht, weil meine Mutter zwar die jüngste Tochter ist, sie aber keine<br />

eigene Tochter hat, die unsere Matriarche sein könnte, und sie selbst ist schon zu alt für diese Rolle,<br />

denn es ist aus verschiedenen Gründen besser, wenn die Matriarche jung ist.<br />

4. Schließlich hat das Wort „virtuell“ die lateinische Wurzel „vir“, was „männlich“ bedeutet. In unserem<br />

virtuellen Matriarchat spielen die Männer überhaupt keine untergeordnete Rolle! Obwohl die Frauen<br />

im Zentrum (Fokus) sind und die Matriarche den VMC in konsensueller (es wird eine Lösung gefunden,<br />

die alle befriedigt) Weise leitet, sehe ich auch:


103<br />

Vier typisch „männliche“ Aspekte im VM<br />

a) Eine gute Ehe wird angestrebt, so wie es von Jesus Christus gewünscht wurde, als er in Palästina lehrte.<br />

Das heißt, der Mann liebt seine Frau, er ist ihr treu, und die Frau ehrt ihren Ehemann.<br />

b) Die Männer eines MCs arbeiten zusammen und beschützen wie ein „äußerer Ring“ den weiblichen<br />

„Kern“. Sie können beispielsweise miteinander ein gemeinsames Geschäft führen oder sich etwa<br />

beim Hausbau unterstützen.<br />

c) Die Männer praktizieren, wenn sie das wollen, eine „echte patriarchale“ Spiritualität mit Jesus Christus<br />

und/oder Shri Krishna als Vorbild im Sinne eines „dienenden Priestertums“, wo der Einfluss nur<br />

vermittels Liebe, Langmut und Überzeugung geltend gemacht wird, nicht etwa gewaltsam oder durch<br />

laute Worte.<br />

d) Die Männer leben im VM aus Überzeugung, weil es die bessere Ordnung ist, und weil sie ihren Frauen<br />

den Raum geben wollen, den sie verdienen – ohne ihre eigene Selbständigkeit aufgeben zu müssen.<br />

Sie sind friedlich und sanftmütig, aber auch stark und klar, wenn es erforderlich ist.<br />

Was folgt daraus für das gemeinschaftliche Leben?<br />

Die mütterlicherseits verwandten Frauen helfen sich bei der Erziehung der Kinder gegenseitig. Negative<br />

Effekte der Kleinfamilie werden vermieden, weil Kontrolle da ist. Es gibt keinen Missbrauch oder Ausbeutung.<br />

Die Männer teilen sich auch ihre Aufgaben und stabilisieren sich gegenseitig, aufwachsende Jungen<br />

haben mehrere Vorbilder und können den eigenen Mutter-<strong>Clan</strong> verlassen, wenn sie eine geeignete Frau<br />

– die möglichst auch in matriachalen Strukturen organisiert lebt – gefunden haben. Männer und Frauen<br />

können sich bei schwierigen Themen zuerst separat miteinander als Gruppe beraten, um danach im Plenum<br />

eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Männliche und weibliche Sichtweisen ergänzen sich dabei.<br />

Das VM hat eine spirituelle Grundlage. Die Lady of all Nations (LoaN-pac. = Maria als Miterlöserin,<br />

auf dem Pazifik stehend, s. S. 18 f.) ist im VM zwar klar die geistliche Führung. Aber auch „patriarchale“<br />

spirituelle Elemente spielen eine Rolle, da ja auch die Männer ein integraler Bestandteil des VMs sind.<br />

Warum ist die Spiritualität im VM überhaupt so wichtig?<br />

Weil erfahrungsgemäß eine spirituelle Praxis gemeinschaftsbildend ist! Speziell wenn die östliche (Yin)<br />

und westliche (Yang) Spiritualität kombiniert werden, entsteht eine starke seelisch verbindende Energie,<br />

die es der virtuellen Matriarche erlaubt, den <strong>Clan</strong> um sich zu sammeln und ihn auch zusammenzuhalten.<br />

Das Gebet zur Frau aller Völker kann dazu hilfreich sein (s. S. 18).<br />

Yin und Yang sind bekanntlich im traditionellen Taoismus (Laotse) die beiden sich gegenseitig komplementär<br />

ergänzenden allgegenwärtigen Grundprinzipien, die in der Welt wirken. Yin ist weich, dunkel,<br />

rund und intuitiv, Yang hart, hell, linear und intellektuell. Natürlich ist das nur das theoretische Extrem,<br />

die Realität ist eine Kombination aus beidem, wie es die andersfarbigen Kerne im Yin-Yang-Symbol Taijitu<br />

bereits andeuten.<br />

Auf die Spiritualität unserer Welt angewandt, kann man mit der bekannten Autorin Shakti Gawain „Leben<br />

im Licht“, der östlichen Spiritualität mehr einen Yin- und der westlichen mehr einen Yang-Charakter<br />

zuordnen. Indien und Amerika sind für mich die Exponenten in dieser Sichtweise. Wenn beide zum TAO<br />

kombiniert werden, entsteht eine globale und ganzheitliche Spiritualität mit der „LoaN-pac.“ als Mittlerin<br />

zwischen beiden Extremen, die jeweils in Christus und Krishna personifiziert werden können. Diese<br />

beiden spirituellen Personen stellen, bildlich gesprochen, zwei Leuchttürme dar, die dem „matriarchalen<br />

Schiff“ auf dem Weg durch das „dunkle Meer der patriarchalen Welt“ ein Licht sein können. Das in<br />

Amerika niedergeschriebene „<strong>Buch</strong> Mormon“ und die in Indien gesprochene „Bhagavad-Gita“ sind zwei<br />

weltweit bekannte Heilige Schriften, die wie Fackeln in den Leuchttürmen hell erstrahlen.<br />

ohn Martin


104<br />

<strong>Buch</strong> Mormon, 1. Ne. 22; 24-25:<br />

Und die Zeit kommt schnell, da die Rechtschaffenen heraufgeführt<br />

werden müssen wie Kälber aus dem Stall, und der Heilige Israels<br />

[Jesus] muss regieren mit Herrschaft und Kraft und großer Herrlichkeit.<br />

Und er sammelt seine Kinder von den vier Enden der Erde;<br />

und er zählt seine Schafe, und sie kennen ihn; und es wird eine<br />

Herde sein und ein Hirte; und er wird seine Schafe weiden, und in<br />

ihm werden sie Weidegrund finden.<br />

Bhagavadgita, Kapitel 10, Verse 17-20:<br />

Arjuna: Sag mir, wie ich erfasse Dich,<br />

wenn sich mein Geist in Dich versenkt,<br />

in welcher Offenbarungsform<br />

erscheinst Du dem, der an Dich denkt?<br />

Erkläre Deine Wundermacht,<br />

die Göttliche, und habe Dank,<br />

denn nimmer trinke ich mich satt<br />

an Deiner Worte Göttertrank.<br />

Krishna: Wohlan, es sei! Ich künde dir<br />

die Fülle der Erhabenheit,<br />

doch wähl‘ Ich nur das Höchste aus:<br />

Kein End‘ ist meiner Herrlichkeit.<br />

Ich wohne, Ringellockiger,<br />

als Seele allen Wesen ein,<br />

ihr Ziel bin Ich, und ihr Beginn<br />

und ihre Mitte, Ich allein.<br />

Ich bin der festen Gewissheit, dass mit der LoaN-pac. (der Miterlöserin Maria) als Kapitänin<br />

auf diesem „Schiff“ das VM sicher den Hafen des Friedens und Glücks erreichen wird. Die<br />

lebende Matriarche hält das Steuer der Liebe und alle arbeiten gemeinsam an den Tauen<br />

und Segeln, der Wind ist auch günstig und so sind alle ausgelastet und zufrieden!<br />

[Am Rande sei erwähnt, dass dabei für mich ein gutes Zeichen ist, dass auf unserem Weg<br />

zu diesem <strong>Buch</strong> viele (Zahlen-) Synchronizitäten eingetreten sind: Zum Beispiel ist der virtuelle<br />

Stamm „Dina“ der dreizehnte Stamm in Israel, dem Bundesvolk Jesu Christi. Am 13.<br />

Mai zeigte sich die Gottesmutter den drei Seherkindern in Fatima zum ersten Mal – und<br />

unsere <strong>Clan</strong>-Urmutter <strong>Clara</strong> (s. S. 24 f.) hat auch am 13. Mai ihren Geburtstag. So wird die<br />

Dreizehn unsere Glückszahl, deren Quersumme vier ist, die „Frauenzahl“!]<br />

Möge uns also das VM helfen, eine Alternative zum meist zerstörerisch wirkenden Patriarchat<br />

aufzuzeigen. Und dir, liebe Leserin, lieber Leser, wünschen wir viel Erfolg beim Aufbau<br />

deines eigenen VMs - und vielleicht können wir ja eines Tages alle VMs miteinaner vernetzen<br />

und uns dadurch ergänzen ...<br />

Das wäre doch großartig – oder?


v<br />

105


achwort und Ausblick<br />

Was wissen wir über die Situation europäischer Frauen? Viel wurde von der neuen Frauenbewegung<br />

zur Erlangung gleicher Rechte von Frauen und Männern erreicht.<br />

Wir sehen aber auch heute noch die Benachteiligung von Frauen in verschiedenen<br />

gesellschaftlichen Bereichen.<br />

In den Tagebüchern lese ich von den Gedanken meiner Mütter und Vormütter. Ich beginne<br />

mit meiner Ururgoßmutter Maria Luise, geboren 1822, die ein ausgezeichnet gutes<br />

Verhältnis zu ihrer Tochter <strong>Clara</strong> hatte, diese wieder zu ihrer Tochter Hilde, weiter in tätiger<br />

Liebe zur Tochter Gerda und diese zu ihren Töchtern Renate, Dorothee und mir selbst. Da<br />

werden aber auch manche Konflikte offengelegt, die in der Öffentlichkeit von damals nicht<br />

geklärt wurden.<br />

Doch das „Private ist politisch“, habe ich gelernt, und so frage ich:<br />

Was wollten die Mütter uns sagen?<br />

An einigen Beispielen möchte ich das vorstellen. So beschreibt meine<br />

Großmutter Hilde, dass sie traurig darüber ist, dass ihr in der Politik erfolgreicher<br />

Ehemann sie mit der Erziehung der drei Töchter alleine lässt, weil<br />

er viel auf Reisen ist. Aber sie geht den Weg nach vorn. Sie reist ihm, wenn<br />

er von Tagungen im Reichstag kommt, entgegen, um die Ergebnisse zu<br />

erfahren. Auch sie ist politisch engagiert, kann dieses jedoch nicht selbst<br />

ausüben. Ein weiteres Beispiel: Die Bildung der Mädchen in der Höheren<br />

Töchterschule war auf die sogenannten Schönen Künste und etwas Hauswirtschaft<br />

beschränkt. Deshalb sorgt Hilde dafür, dass ihre Töchter einen<br />

Beruf erlernen.<br />

Oder noch weiter zurück: Meine Urgroßmutter <strong>Clara</strong> heiratet als Witwe<br />

ein zweites Mal. Mutig, weil unüblich.<br />

Meine Ururgoßmutter Maria-Luise kann ich eine „Matriarche“ im weiteren<br />

Sinne nennen, denn sie führt selbständig ein großes Haus, erzieht vier<br />

Kinder und verköstigt die armen umherziehenden Handwerksgesellen,<br />

ähnlich wie es der Reformer Adolph Kolping später tat.<br />

Hier zeigt sich: Wenn Frauen und Männer gleichberechtigt an derselben<br />

Sache arbeiten, kann es Veränderungen zum Guten geben. Das<br />

gute Verhältnis zwischen den Müttern und den Töchtern bringt Früchte.<br />

Die Fertigkeiten, die religiöse Einstellung, die Liebe zu ihren Kindern, das<br />

Streben nach Bildung, das gute Einvernehmen zu ihren Ehemännern und<br />

mütterlichen Verwandten führt dazu, dass auch die Nachgeborenen diese<br />

Einstellung übernehmen und an ihre Kinder weitergeben.<br />

Durch die Erforschung der Genealogie<br />

meiner Familie bin ich<br />

aber auch auf Konflikte innerhalb<br />

der Frauenlinie gestoßen. Die Mutter-Tochter-Beziehung<br />

muss zuerst<br />

gesunden, damit die Heilige Geistin,<br />

die „Heilige Ruach“ kommen<br />

kann. So lernen die Mütter und<br />

Töchter, die in der ehemaligen<br />

DDR mit der dortigen „Scheinemanzipation“<br />

aufgewachsen sind,<br />

erst spät das ganzheitliche emanzipatorische<br />

Konzept von Frauen<br />

kennen, die sich völlig aus alten,<br />

unterdrückerischen Strukturen<br />

befreien. Das ist zumindest meine<br />

persönliche Erfahrung. Ich habe<br />

zwei totalitäre Systeme erleben<br />

müssen, erst den Nationalsozialismus<br />

und dann den real existierenden<br />

Sozialismus/Kommunismus.<br />

Im freien Westen konnte<br />

sich der Feminismus anders<br />

entwickeln. Aber die Genealogie<br />

nach der mütterlichen Herkunft,<br />

und gelebte Spiritualität, so stelle<br />

ich es mir vor, bringen Licht auch<br />

in unsere modernen Lebensbedingungen<br />

und wirken mit der Zeit.


107<br />

Wie bin ich selbst zur Matriarchatsforschung gekommen?<br />

Meine Herkunft aus bildungsbürgerlicher Familie in Schlesien und mit bäuerlichen Wurzeln<br />

in der Eifel brachte mich auf diesen Weg. In Berlin unter der Herrschaft des Nationalsozialismus<br />

geboren, im Sozialismus der DDR erwachsen geworden, Übersiedlung und<br />

frühe Heirat in Westdeutschland, wurde ich Mutter, lange Hausfrau ohne Beruf trotz Abitur<br />

und stand eines Tages am Nullpunkt, als meine Ehe sich nicht fortsetzen ließ. Ich studierte<br />

nun Sozialpädagogik, las viel, fand Freundinnen in den Mitstudentinnen und den<br />

Professorinnen Maria Mies, Brigitte Dorst und Mechthild Höflich, mit denen ich über meine<br />

Erfahrungen reden konnte. Nach dem Studium bin ich noch viele Jahre in der Erwachsenenbildung<br />

berufstätig gewesen.<br />

Ich begeistere mich nun für die Kunst, Kultur und Forschung des Frauenmuseums<br />

Bonn mit ihrer Direktorin Frau Marianne Pitzen, besuche während und nach meiner Berufstätigkeit<br />

die Malakademie in Köln und gestalte Portraits von den Frauen meiner Familie<br />

und anderen bedeutenden Frauen und darf dort auch meine Gemälde ausstellen.<br />

Mein Leben geht nun in die Richtung einer Vision.<br />

Ich möchte Frauen stärken, gemeinsam zu handeln, um zerstörerische patriarschalische<br />

Strukturen zu überwinden. Dazu muss das Geschichtsbewusstsein von Frauen gestärkt<br />

werden. Ich finde Anregungen im „Haus der Frauengeschichte“ in Bonn bei Professorin<br />

Annette Kuhn. Es geht um die Veränderung der Einstellungen, es geht um die Zukunftsperspektive!<br />

Praktisch bedeutet das für uns im <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>: Kommunikation. Wir bauen eine rege<br />

E-Mail-Korrespondenz zu den Töchtern meiner Schwestern Renate und Dorothee auf, die<br />

weit entfernt mit ihren Familien leben: Kathy in Arabien und Carlotta in Südafrika. Sie besuchen<br />

uns sogar hier in Wiesbaden. Virtuell bedeutet für uns auch, dass deren Töchter<br />

Hana und Silja nun über Facebook miteinander bekannt und befreundet sind. Mein Sohn<br />

Martin reist zu meinem Schwestersohn Richard in England und trifft sich mit ihm am Grab<br />

von Gerdha, ihrer gemeinsamen Großmutter, in Stratford-on-Avon. Das sind nur kleine Beispiele<br />

für das ‚erfräuliche‘ Ergebnis unserer matrilinearen Familienforschung. Es möge<br />

viele Frauen dazu inspirieren, Fragen zu stellen und nach den Müttern und Vormüttern zu<br />

forschen.<br />

Hier verwirklichen sich matriarchale Ansätze konkret.<br />

Die Vision eines Zukunftsmodells ist: Mütter und Töchter leben, Spiritualität ausübend, in<br />

Liebe sich unterstützend, nahe beieinander. Die Gottesmutter Maria als Frau aller Völker<br />

(Lady of all Nations) wirkt einigend, segnend und beschützend. Kinder, Alte, Behinderte<br />

gehören in den <strong>Clan</strong> und werden in ihren unterschiedlichen Anlagen respektiert. Die<br />

<strong>Clan</strong>-Mitglieder helfen sich bei ihren vielfältigen Aufgaben und lösen Probleme gemeinsam.<br />

Wenn die Frauen verheiratet sind, leben ihre Ehemänner bei ihnen und sie arbeiten<br />

zusammen, um den „weiblichen Kern“ zu unterstützen und zu schützen. Die <strong>Clan</strong>-Matriarche,<br />

das heißt übersetzt: „die Frau, die vorangeht“, koordiniert ohne zu herrschen als<br />

jüngste Tochter (der jüngsten Tochter ... der Ahnfrau), diesen inzwischen real gewordenen<br />

„Virtuellen Matri-<strong>Clan</strong>“. Bei regelmäßigen Zusammenkünften wird im Konsens entschieden.<br />

Es gibt keine Erbstreitigkeiten, denn das Land und der Wirtschaftsbereich bleiben in<br />

der Hand der Frauen.<br />

Maria Friederike


109<br />

Um dieses visionäre Konzept zu verwirklichen,<br />

ist zuerst notwendig, die weibliche Genealogie zu<br />

erforschen, um die eigene Herkunft zu kennen<br />

und die weiblichen Personen zu identifizieren, die<br />

zum <strong>Clan</strong> gehören. Dann entsteht die „Ordnung<br />

der Mutter“. Falls keine eigene Tochter geboren<br />

ist, gibt es die Möglichkeit, eine virtuelle Tochter<br />

und/oder Enkeltochter in Form von Puppen zu<br />

haben. Das kann eine große Inspiration sein und<br />

hilft, das virtuelle Matriarchat bereits im Hier und<br />

Jetzt virtuell aufzubauen, bis lebende Personen<br />

hinzukommen. Das tägliche Gebet zur Frau aller<br />

Völker (Lady of all Nations s. S. 18) und/oder<br />

ggf. ein anderes Gebet geben uns dazu die Kraft.


iebe Leserin, lieber Leser,<br />

In Fortsetzung der guten Tradition, das Virtuelle Matriarchat (VM) in einer<br />

konsensuellen (einvernehmlichen) Weise zu gestalten, also nicht<br />

autoritativ hierarchisch sondern dialogisch, soll auch hier der Versuch<br />

gemacht werden, den Leser und die Leserin in die Entwicklung des VM<br />

miteinzubeziehen.<br />

Die Matriarche ist keine Herrscherin sondern die Koordinatorin. Sie<br />

sorgt dafür, dass alle zu Wort kommen und eine gemeinsame Entscheidung<br />

gefällt werden kann, nachdem die Wahrheit aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln betrachtet wurde.<br />

Die Herausgeberin des <strong>Buch</strong>es „<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>“, meine Mutter Maria<br />

Friederike, hatte zwei Anliegen: Erstens sollten die Vormütter sichtbar<br />

gemacht werden (Bilder) und zu Wort kommen (Tagebücher). Zweitens<br />

sollte der Versuch unternommen werden, eine alternative matriarchale<br />

Familienstruktur gesellschaftlich einzuführen: Auf der weiblichen Genealogie<br />

aufbauend eine Mutter-<strong>Clan</strong>-Struktur in einem patriarchalen<br />

Kontext beispielhaft verwirklichen.


111<br />

... jetzt bist Du gefragt – Du darfst hier Deine Meinung kundtun:<br />

Ja, ich bin dafür, dass Frauen mehr zu Wort kommen und<br />

finde Matri-Ahnenforschung wichtig.<br />

( ) stimmt<br />

( ) stimmt nicht<br />

( ) weißnich<br />

Ich habe schon herauszufinden versucht, was meine Großmutter<br />

und meine Tanten mütterlicherseits positiv auszeichnete<br />

und was sie davon an uns Mutterclan-Angehörige weitergegeben<br />

haben.<br />

( ) ja<br />

( ) nein<br />

( ) weißnich<br />

Wenn ich noch keinen Mutterlinien-Stammbaum habe, will<br />

ich das jetzt mal versuchen, um auch die potentiellen Matriarchen<br />

jedes einzelnen Zweiges und des ganzen Baumes<br />

herauszufinden.<br />

( ) ja<br />

( ) nein<br />

( ) weißnich<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

wenn Du alle Fragen mit „stimmt“ beantwortet<br />

hast, darfst Du weiterlesen, ansonsten bitte hier<br />

zu lesen aufhören und dieses <strong>Buch</strong> nochmal von<br />

vorn beginnen ... Sorry :-(.<br />

------------------------------------------------------------------------------------------ :-) ---------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Super, Du hast die Anforderungen erfüllt und bist geeignet, einen eigenen Virtuellen-Mutter-<strong>Clan</strong> aus der Taufe zu<br />

heben und die Segnungen des VM zu genießen.<br />

Also geh‘ an die Arbeit und wenn Du alle Namen (bei lebenden Personen mit Adresse) zusammengetragen<br />

hast, finde heraus, wer Deine lebende Matriarche ist (wenn sie noch nicht geschlechtsreif ist, ist ihre Mutter die<br />

amtierende Matriarche).<br />

Diese Person ist nun für Dich verantwortlich, Du kannst sie um Rat fragen und versuchen, ihr dabei zu helfen,<br />

den VMC zusammenzubringen, die Kinder gemeinsam zu erziehen, die Mütter zu unterstützen und spirituell und<br />

nachhaltig weiter Fortschritte zu machen, um Glück und Freude zu bewahren. Idealerweise sollte die Matriarche<br />

etwas eigenen Grund und Boden haben, damit dort das Mutterhaus entstehen und sich der <strong>Clan</strong> in der Nähe ansiedeln<br />

kann. Die männlichen Mitglieder des Mutter-<strong>Clan</strong>s sollten eine gute Frau finden und in der Nähe der Matriarche<br />

des <strong>Clan</strong>s ihrer Frau wohnen und mit den anderen Ehemännern gemeinsam den <strong>Clan</strong> finanziell unterhalten.<br />

Wenn Du Dich an die Arbeit gemacht hast, freuen wir uns, Dich mal persönlich kennenzulernen!


112


113<br />

IV<br />

Anhang<br />

Matriarchal Chess (Sohn Martin) 114<br />

Die historischen CC-Quellen 116<br />

Literaturliste 118<br />

Originalahnenbuch v. Renate 120


atriarchal Chess<br />

We have heard that by force alone no real victory can<br />

be achieved. Only by insight and love some lasting changes<br />

are possible. The She-Holy-Spirit (Ruach) is the<br />

only real transforming agent in our view.<br />

On the other hand most of us fight against our lower<br />

nature, whereas some of us are in a state of constant<br />

union with the Divine.<br />

When that transcendental state is achieved, the<br />

initial struggle for existence is transformed into a dance.<br />

This is the goal of this MC. We might have to fight<br />

against our bad habits in the beginning, but later on<br />

we will dance happily with our Brothers and Sisters ...


115<br />

by Son Martin<br />

This special game is sort of an adapted Chess<br />

with some new rules matching the matriarchal<br />

thinking:<br />

The ideal setting for MC would be four persons<br />

i.e. two pairs or at least three players (white<br />

having two persons). Surely you can sense the<br />

difference (black represents the patriarchal system,<br />

white stands for the Matriarchal Order).<br />

The two leading pieces (white M and black P) on<br />

both sides have two lives.<br />

The white King is not in the game in the beginning,<br />

because the white Queen is the „Matriarch“.<br />

She is „transformed“ into the King piece,<br />

(then called Lady-King (L)), when she should be<br />

taken the first time.<br />

Her (matriarchal) husband is represented by a<br />

characteristic extra piece (in the photo a snail<br />

on a mill-piece). But that piece may differ according<br />

to the phantasy of the players. The reason<br />

for this extra piece is the special quality of matriarchal<br />

men: they are strong but nonviolent. They<br />

are also (authentic) priests by their nature. Consequently<br />

that piece is called the „Priest“ and<br />

has a small „p“ letter as symbol (in contrast to<br />

the black King on his horse with capital P as his<br />

symbol). He (p) moves one field in each direction<br />

like a King piece but can neither strike nor<br />

being taken himself.<br />

His own party may walk over him as if he would<br />

be invisible, but for the opposing party (Black)<br />

he is blocking the path like a regular piece. Thus<br />

„p“ somehow acts like a shield for his Matri-<strong>Clan</strong><br />

members (White).<br />

As the black King is the Patriarch (P) he is sitting<br />

on an extra (flat) piece, which resembles a Horse:<br />

he can therefore move either like a Knight<br />

(N) or like a Pawn. (See also the example game<br />

at our website).<br />

If P is taken (for the first time), he loses the Millpiece<br />

he is sitting on and henceforth becomes<br />

simply a King (K). Neighboring to P sit the two<br />

Knights (N) and at his Queen‘s side are the two<br />

Bishops (B). Similarly on the white side, M is<br />

with the Bishops and p with the Knights. The Patriarch<br />

P will also become K if he moves other<br />

than Pawn or Knight, e.g. backwards one field<br />

(like only K could do).<br />

As they have two lives, both M and P may enter<br />

a single threat, if they choose to do so, or stay<br />

threatened. But if a second threat is given, it is<br />

like check and has to be answered.<br />

Both the black or the white party may open the<br />

game. If black (patriarchal system) has the lot, a<br />

zero-move is initially done with black only.<br />

Neither M nor P may enter in each others check,<br />

as they both have two lives. When one party has<br />

no pieces left (p does not count) M or P transform<br />

automatically into L or K.<br />

Terminology and abbreviations are as follows:<br />

M Matriarch (L Ladyking)<br />

P Patrirarch (K King)<br />

R Rock<br />

B Bishop<br />

N Knight<br />

Checkmate<br />

draw (Remis)<br />

pinned (gefesselt)<br />

capture (schlagen)<br />

piece<br />

move<br />

ranks (1-8)<br />

files (abc).<br />

Castling is not part of MC.<br />

When a pawn is promoted (reaching rank 8 or<br />

1), only those pieces can be used which already<br />

have been taken by the opposing party.<br />

May Matriarchy win – but it‘s fun in any case :-).


ie historischen CC-Quellen


117<br />

Autor/in Tage-/Lebensbuch Zeitraum Besonderheiten<br />

Hildegard Friedenthal,<br />

geb. Warmuth<br />

LB von Hildegard für Tochter Gerdha<br />

1901 – Lyceum<br />

(Mittelschule)<br />

- in Sütterlin<br />

- mit Fotografien<br />

Hildegard LB von Hildegard für Ilse-Senta 1916 – 1923 - in Sütterlin<br />

- mit Fotografien<br />

Hildegard TB von Hildegard 1918 – 1923 - in Sütterlin<br />

Gerdha Katharina<br />

Margarete Kirsten,<br />

geb. Warmuth<br />

a) Peter Kirsten,<br />

Ehemann Gerdhas<br />

b) Dorothee Agnes <strong>Clara</strong><br />

Heller, geb. Kirsten<br />

für Gerdha<br />

c) Gerdha<br />

a) Gerdha<br />

b) Renate Hildegard<br />

Helene Desens, geb.<br />

Kirsten<br />

Gerdha<br />

Renate<br />

<strong>Buch</strong> zur Hochzeit von Gerdha<br />

(vorgefertigt auszufüllendes <strong>Buch</strong>,<br />

bestehend aus Originaldokumenten)<br />

Haus- und Familienbuch von Peter<br />

und Gerdha Kirsten – 3 Teile:<br />

a) Autobiografie Peter Kirsten<br />

(rückblickend)<br />

b) TB von Gerdha, nachdem PK am<br />

26.12.45 v. Russen verschleppt,<br />

diktiert an ihre Tochter Dorothee<br />

(da G. krank u. erschöpft ist)<br />

c) die letzten beiden Einträge von<br />

Gerdha selbst<br />

2 Teile:<br />

a) LB von Gerdha für Renate<br />

b) TB von Renate im Ostseeurlaub<br />

LB von Gerdha über ihre Tochter<br />

Maria Friederike<br />

TB von Renate<br />

‚Herausgeberin’ Renate „Meine Ahnen“ –<br />

Dorothee Agnes <strong>Clara</strong><br />

Heller, geb. Kirsten<br />

(betitelt: „Mein Tagebuch I, 1938/39<br />

vom 31.8.38 bis 23.3.39“)<br />

Ahnenbuch, zusammengestellt von<br />

Renate nach Interviews m. ihren<br />

Eltern Gerdha u. Peter<br />

LB von Dorothee für Carlo und<br />

Carlotta<br />

1925<br />

(zur Hochzeit)<br />

a) 1940<br />

b) 1947<br />

c) 1947, 1950<br />

- mit Fotografien<br />

- mit Originaldokumenten<br />

- Hochzeitsspeisefolge<br />

- Telegramme zur Hochzeit<br />

- Geburtsurkunden<br />

1928 – 1942 - Fotografien<br />

1935 – 1956 - Fotografien<br />

- zwei alte Zeitungen aus<br />

G.s Hauswirtschaftskursus<br />

- Dokumente<br />

1938 – 1939 - in Sütterlin<br />

zusammengestellt<br />

ca. 1940<br />

- zwei Zeitungsbilder;<br />

keine Fotografien<br />

1959 – 1963 - Fotografien<br />

- einige Dokumente<br />

Dorothee TB von Dorothee über Israelreise 1967 - sehr viele Postkarten,<br />

Maria Friederike<br />

Kirsten-Haas,<br />

geb. Kirsten<br />

TB von Maria<br />

(betitelt: „Mein Leben mit Werner<br />

und unserem Sohn Martin“)<br />

1988 – 2002<br />

Magazinausschnitte u. Ä.


iteraturliste


119<br />

Bhagavadgita, Ausgabe Reclams Universal-Bibliothek (Nr. 7874), Stuttgart 2008<br />

Die Bibel mit Bildern von Marc Chagall, Weltbild Verlag GmbH, München, 1990<br />

Die grosse Bibel der Moderne. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Verl. Kath. Bibelwerk, Stuttgart 1999<br />

<strong>Buch</strong> Mormon. Ein weiterer Zeuge für Jesus Christus, Ausgabe der Kirche Jesus Christi der Heiligen der Letzten Tage,<br />

Frankfurt am Main 2003<br />

edition frauen museum wiesbaden, Von Erdgöttinnen und Kornmüttern. Aus dem Reich der Fülle, Wiesbaden 1998<br />

Frauenmuseum Bonn, Mit Macht zur Wahl. 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa. Katalog zur Wanderausstellung<br />

(Band 1, Geschichtlicher Teil), Bonn 2007 (?)<br />

frauen museum wiesbaden und Katholische Erwachsenenbildung – Bildungswerke Wiesbaden und Rheingau, Göttinnenfiguren<br />

und Marienbilder. Sag an, wer ist doch diese ... Katalog zur Ausstellung, Eigenverlag 2008<br />

Christine Friebe-Baron, Ferne Schwestern, ihr seid mir nah. Begegnungen mit Frauen aus biblischer Zeit, Stuttgart<br />

1988<br />

Heide Göttner-Abendroth, Die Göttin und ihr Heros, München 1980<br />

Heide Göttner-Abendroth (Hg.in), Gesellschaft in Balance. Dokumentation des 1. Weltkongresses für<br />

Matriarchatsforschung 2003 in Luxemburg, Winzer 2006<br />

Elizabeth G. Davis, Am Anfang war die Frau. Die neue Zivilisationsgeschichte aus weiblicher Sicht, München 1977<br />

Catharina J. M. Halkes, Gott hat nicht nur starke Söhne. Grundzüge einer feministischen Theologie, Mohn 1987<br />

Carter Heyward, Und sie rührte sein Kleid an, Stuttgart 1986<br />

Ursa Krattiger, Die perlmutterne Mönchin. Reise in eine weibliche Spiritualität, Zürich 1983<br />

Marie-Luise Kreiss und Marianne Pitzen, EVO – Frauen in den Weltreligionen. Katalogbuch zur gleichnamigen<br />

Ausstellung im Frauenmuseum Bonn 11.08. – 10.11.2013, Marianne Pitzen, Bonn 2013<br />

Ingeborg Kruse, Unter dem Schleier – ein Lachen. Neue Frauengeschichten aus dem Alten Testament, Zürich<br />

1986<br />

Pnina Navé Levinson, Was wurde aus Saras Töchtern? Frauen im Judentum, Gütersloh 1989<br />

Uschi Madeisky (Hg.in), Die Ordnung der Mutter – Wege aus dem Patriarchat. Dokumentation des Internationalen<br />

MutterGipfels 2008, Rüsselsheim 2010<br />

Maria Mies und Vandana Shiva, Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie, Zürich 1995<br />

Maria Mies, Patriarchat & Kapital (Neuauflage), München 2015<br />

Christa Mulack, Die Weiblichkeit Gottes. Matriarchale Voraussetzungen des Gottesbildes, Stuttgart 1983<br />

Christa Mulack, Maria. Die geheime Göttin des Christentums, Zürich 1985<br />

Christa Mulack, Jesus – der Gesalbte der Frauen. Weiblichkeit als Grundlage christlicher Ethik, Stuttgart 1987<br />

Christa Mulack, Im Anfang war die Weisheit. Feministische Kritik des männlichen Gottesbildes, Stuttgart 1988<br />

Luise F. Pusch (Hg.in), Feminismus. Inspektion der Herrenkultur. Ein Handbuch, Frankfurt am Main 1983<br />

Ingrid Riedel, Die weise Frau in uralt-neuen Erfahrungen, Olten 1989<br />

Jos Rosenthal, Die Jüngerinnen. Frauen im Neuen Testament, Kevelaer 2004<br />

Christine Schaumberger und Monika Maaßen (Hg.innen), Handbuch Feministische Theologie, Münster 1986<br />

P. Paul-Maria Sigl, Die Frau aller Völker. Miterlöserin. Mittlerin. Fürsprecherin, Amsterdam/Rom 1998<br />

Jutta Ströter-Bender, Heilige. Begleiter in göttliche Welten, Stuttgart 1990<br />

Maxie Wander, Guten Morgen, du Schöne. Frauen in der DDR, Darmstadt/Neuwied 1978<br />

Gerda Weiler, Ich verwerfe im Lande die Kriege. Das verborgene Matriarchat im Alten Testament, München 1984


120


121


Die Kiesel auf dem Grund sieht man nur im claren Wasser ...<br />

Unsere erste „virtuelle Matriarche“ heißt <strong>Clara</strong>. Sie wurde 1853 in<br />

Breslau/Schlesien geboren und verstarb 1938 in Bad Warmbrunn/<br />

Schlesien. Nach ihr haben wir unseren virtuellen Mutter-<strong>Clan</strong> benannt.<br />

Die Malerin Maria Kirsten-Haas erforscht seit Jahren<br />

die weibliche Linie ihrer Familie. Sie schaut<br />

auf Tagebücher, Lebensbücher, Dokumente und<br />

alte Fotografien.<br />

Mit Öl auf Leinwand portraitierte sie von 2006<br />

bis 2016 ihre Vorfahrinnen, von der ersten virtuellen<br />

Matriarche <strong>Clara</strong> bis hin zur Heutigen, die<br />

– wie sie selbst – wieder Maria heißt und 2018<br />

eine junge Frau und Mutter ist.<br />

Entlang der Gemälde, begleitet von originalen<br />

Tagebuchausschnitten dieser Mütter und Töchter,<br />

spannt sich ein matrilinearer Faden über Länder<br />

und Generationen hinweg ... und ein weiblicher<br />

Stammbaum wird sichtbar.<br />

CLARA CLAN –<br />

ist ein virtuelles Konstrukt. Dieser Mutter-<strong>Clan</strong><br />

existiert bis jetzt nur in der Phantasie. Doch die<br />

Malerin und ihr Sohn denken, dass es längst an<br />

der Zeit ist für mehr mütterzentrierte Forschung<br />

und Lebensformen.<br />

Warum sollten wir uns nicht einmal wieder auf die größte Kraft besinnen,<br />

die es in der Welt gibt? Die Mutter.<br />

f m

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