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<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong><br />
Maria Friederike Kirsten-Haas<br />
f m<br />
in v<br />
irtuelles Matriarchat
in virtuelles Matriarchat<br />
lara <strong>Clan</strong><br />
Maria Friederike Kirsten-Haas<br />
f m
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
1847<br />
1877<br />
1853<br />
1832<br />
1822<br />
1795<br />
-20<br />
-1400
Impressum<br />
CLARA CLAN – Ein virtuelles Matriarchat<br />
© 2018 Maria Friederike Kirsten-Haas<br />
Gemälde: Maria Friederike Kirsten-Haas<br />
Redaktion, Umschlagfoto, Stammbaum, Gemälde S. 18, 103: Sohn Martin<br />
(Martin Werner Haas alias Maitreya)<br />
Layout und Fotografie: Sarah-Marie Martin<br />
Gemälde-Fotografie: Hans-Martin Asch<br />
Fotografie S. 47 rechts unten: Maresa Jung<br />
Herausgeberin und Verlag: Frauenmuseum – Kunst, Kultur, Forschung e.V.<br />
Im Krausfeld 10, 53111 Bonn<br />
Druck: buchdruck.de, Berlin<br />
ISBN: 978-3-946430-16-2<br />
E-Book-Download unter www.maria-art.de<br />
Kontakt: siehe S. 99
4
5<br />
I<br />
II<br />
a<br />
b<br />
c<br />
III<br />
IV<br />
Einleitende Worte 006<br />
Vorwort: Marianne Pitzen 008<br />
Einleitung: Maria Friederike 010<br />
Einführung: Sohn Martin 012<br />
Die Gemälde<br />
<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Einzelportraits 014<br />
Parallelclans – Einzelportraits 054<br />
<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Gruppenbilder 068<br />
Anschließende Worte 100<br />
Das Virtuelle Matriarchat (Sohn Martin) 102<br />
Nachwort und Ausblick 106<br />
An die Leserin und den Leser 110<br />
Anhang 112<br />
Matriarchal Chess (Sohn Martin) 114<br />
Die historischen CC-Quellen 116<br />
Literaturliste 118<br />
Originalahnenbuch v. Renate 120
6<br />
Generation lila (S. 92)<br />
1989 Maria (S. 96)<br />
Generation blau (S. 86)<br />
**** virtuelle Anni (S. 50)<br />
1935 Maria F. (S. 42)<br />
Generation grün (S. 76)<br />
Generation gelb (S. 70)<br />
1901 Gerdha (S. 34)<br />
877 Hildegard (S. 28)<br />
1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />
1847 väterliche Helena (S. 64)<br />
1832 väterliche Ida (S. 60)<br />
1822 Maria L. (S. 20)<br />
1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />
-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />
-1400 DINA und LEA (S. 16)
7<br />
I<br />
Einleitende Worte<br />
Vorwort: Marianne Pitzen 008<br />
Einleitung: Maria Friederike 010<br />
Einführung: Sohn Martin 012
8<br />
I Vorwort: Marian
9<br />
ne Pitzen<br />
Es ist ein anderes Lebensgefühl und Bewusstsein, wenn wir wissen, wer unsere Vorfahren und<br />
Vorfahrinnen waren, was sie dachten, wie sie lebten und wovon sie lebten. Das vorliegende<br />
<strong>Buch</strong> über die Frauen in der weitverzweigten Familie von Maria Kirsten-Haas ist daher ein wunderbares<br />
Beispiel für die Stärkung, die aus der permanenten familiären Forschungsarbeit, nicht<br />
nur für sie selber sondern für sämtliche Frauen, die das <strong>Buch</strong> in die Hand nehmen, erwachsen<br />
kann.<br />
Dass Geschichte stets mehr ist als der Blick zurück, versteht sich, dass sie aber für Frauen<br />
ganz besonders große Bedeutung hat, soll kurz dargestellt werden. Da Frauen bis zum Erlangen<br />
des Frauenwahlrechts aus der Öffentlichkeit weitgehend herausgehalten wurden, sind ihre<br />
Spuren, von Ausnahmen abgesehen, so gering, dass man daraus schließen könnte, sie hätten<br />
nicht richtig zur Gesellschaft dazugehört. Diese Klage ließe sich endlos fortsetzen, und es sind<br />
in der Tat große Verluste und Lücken an Wissen um die weiblichen Leistungen entstanden, die<br />
kaum noch aufzuholen sind. Zum Funktionieren des traditionellen Patriarchats gehört es, die<br />
Frauen voneinander zu trennen, dass sie sich nicht aufeinander beziehen. In der Wissenschaft<br />
zitieren sie folglich viel seltener ihre Kolleginnen als umgekehrt Männer ihre Geschlechtsgenossen.<br />
Frauen sollen nicht nur keine eigene Geschichte haben, sondern sie nicht einmal vermissen.<br />
Insofern war es konsequent, dass der Kulturdezernent der Stadt Bonn das Frauenmuseum<br />
eliminieren wollte.<br />
Wer seine eigene Geschichte nicht kennt, nimmt die gegenwärtige Situation als „Naturgesetz“<br />
hin. Allein der Mangel an Phantasie, dass es anders sein könnte, verfestigt die Vorurteile<br />
und Strukturen. Ohne Kenntnis ihrer „Herstory“ sind Frauen wie hilflose Personen, ausgeliefert,<br />
ganz extrem in der neuen globalen Welt, wo ihnen in vielen Ländern Bildung und Selbstbestimmung<br />
verwehrt werden. Wo Mütter keine Töchter haben wollen, wo deshalb niemals ein solches<br />
<strong>Buch</strong> geschrieben würde, dort haben wir es letztlich mit todkranken Gesellschaften zu tun.<br />
Maria Kirsten-Haas verschweigt nicht, dass die Frauen früherer Zeiten und ihre Familien<br />
in feste Rollen und Regelwerke eingebunden waren, dass erst in der Zeit der Großmütter viele<br />
Hindernisse verschwanden, und die Liebesheirat Vorrang vor der arrangierten Ehe bekam.<br />
Die Familie war Thema der Kirchen und der CDU in den 50er Jahren. Der Tenor war allerdings,<br />
dass die Familie von einem männlichen Haushaltsvorstand dominiert wurde und Mütter<br />
sich sogar in Sachen Kindererziehung zu fügen hätten. An dieser Stelle sei an eine „Protagonistin“<br />
des <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>s erinnert, die Juristin Erna Scheffler, geb. Friedenthal, Enkelin jener <strong>Clara</strong><br />
Schmidt, verw. Friedenthal, verh. von Heigel. Erna war als Juristin eine der ersten ihres Fachs,<br />
und ab 1951 als einzige Frau im Verfassungsgericht in Karlsruhe an der richtigen Stelle, um das<br />
Grundgesetz Artikel 3 über die Gleichstellung von Mann und Frau umzusetzen. Starke Frauen<br />
wie Maria Kirsten-Haas‘ Vormütter konnten kraft ihrer Persönlichkeit durchaus großen Einfluss<br />
haben, doch erst die breite Frauenbewegung stellte die klassische Familie auf den Prüfstand<br />
und forderte die Väter heraus, ihren Anteil an Beziehungsarbeit und gewissermaßen weibliche<br />
Werte wie Wärme und Zärtlichkeit einzubringen. Für Frauen der Gegenwart heißt es umso<br />
mehr, dass sie alles wollen: Familie und Beruf und die Möglichkeit, vielen eigenen Interessen<br />
nachzugehen. Familie ist nun ein begrenzter Zeitraum im Frauenleben.<br />
Bemerkenswert ist, dass erst die Loslösung von der Tradition den Blick auf das ganze Phänomen<br />
Familie lenkt, und sich die Frage stellt, wie die Frauen sich darin sehen. Familiengeschichte<br />
wird immer komplexer, und doch wird sie, in welcher Form auch immer, weiter bestehen.<br />
Auch <strong>Clara</strong>s <strong>Clan</strong> wird weiter wachsen und gedeihen!<br />
Marianne Pitzen, August 2018<br />
Direktorein Frauenmuseum Bonn – Kunst, Kultur, Forschung e. V.
10<br />
I Einleitung Maria Friederike<br />
Immer hatte mich meine Mutter Gerda darin bestärkt, an unsere Mütter und Vormütter der Familie zu denken.<br />
Bei allen Umzügen wurden unsere Lebens- und Tagebücher der Vorfahren mitgenommen und als kostbarer<br />
Schatz bewahrt. Durch das Lesen in diesen Dokumenten wird die Denkweise unserer Ahnfrauen weitergegeben,<br />
ihre Talente und Fähigkeiten, die bei uns Nachkommen auftauchen, sind sozusagen „geerbt“.<br />
Etwa das Spinnen, Weben, Nähen und Sticken bei uns Müttern und uns Töchtern. Ich kann mir vorstellen,<br />
was die Frauen erlebten, wie sie Feste feierten, wie sie sich sorgten, wenn ihr Kind krank war und wie sie<br />
sich freuten, wenn alles „in der Ordnung der Mutter” gegangen ist. Das Geistige muss den Vorrang bilden.<br />
Bemerkenswert ist, dass meine Schwestern Renate und Dorothee als Zweit- und Drittnamen die ihrer Vormütter<br />
tragen: Renate Hildegard Helene und Dorothee <strong>Clara</strong> Agnes. Das entwickelt ein <strong>Clan</strong>-Gefühl unter<br />
den weiblichen Nachkommen, einen Zusammenhalt – Matrilinearität. Ahnenforschung hilft, die Identität<br />
der Frauen zu benennen. Die Tage- und Lebensbücher meiner Mutter und Vormütter sagen uns viel über<br />
den Charakter und die Lebensweise der schreibenden Frauen meiner Herkunftsfamilie und ihre individuelle<br />
Leistung; Mutter-<strong>Clan</strong>.<br />
Darüber hinaus sind diese Aussagen aber auch exemplarisch zu bewerten. Wie diese Mütter haben viele<br />
Andere gedacht und gelebt. Deshalb sind diese ihre Schriften ein genealogisches Dokument zur Bewertung<br />
und Hochschätzung ganz normaler Frauen, über deren Geschichte noch sehr wenig vorliegt. Es ist ein neues<br />
Gebiet der Erforschung der Frauengeschichte, der matrilinearen Großfamilie. Anette Kuhn, die bedeutende<br />
Pädagogin auf dem Gebiet der Frauengeschichte, sagte zu mir in einem Gespräch: „Tagebücher sind verallgemeinbar.<br />
Sie stehen exemplarisch für einen großen Teil der Bevölkerung: Die Mütter haben Verantwortung<br />
für ihr Kind, der Ehemann spielt seine Rolle der Hinwendung zu Mutter und Kind. – Diese Biografien in den<br />
Tagebüchern stehen in Bezug zu dem, was viele Frauen denken; es besteht eine biografische Kontinuität.”<br />
Es sind im Grunde frohe Frauen, die ihren Kindern all das beibringen, was sie selbst einmal gelernt haben.<br />
Die Matriarchatsforscherin Uschi Madeisky, bekannt durch ihre Filme von existierenden Matriarchaten<br />
in aller Welt, stellt fest: „Wenn Mütter von Vielen umsorgt werden, dann werden es die Kinder auch. Wenn<br />
Kinder umsorgt werden, werden sie zufriedene Erwachsene, die sich in kleinen und größeren Gemeinschaften<br />
um Andere kümmern.“<br />
Hier das Beispiel aus meiner eigenen Lebensgeschichte der Kriegsgeneration: Gisela, die Cousine meiner<br />
Mutter (aus matriarchler Sicht sind die Cousinen auch Schwestern), damals Sekretärin in einer Heimschule,<br />
brachte mich dort im Internat unter, als Mutter schwer erkrankte. Ursel, die Schwester meiner Mutter,<br />
holte uns vom Osten Berlins nach dem Westen Deutschlands. Hier half dann wieder Erna, eine andere<br />
Cousine, Mutters Witwen-Pension endlich durchzusetzen, was zu Gerdas Gesundung führte. Dieses Vorbild<br />
nahmen wir drei Töchter von Gerda uns zum Beispiel, indem sie mir, Maria Friederike, der Jüngsten, in ihrer<br />
Nähe die Wohnung besorgten und unsere Älteste, Renate, in finanzieller Not unterstützten. Unsere mittelste<br />
Schwester Dorothee sagte: „Blut ist dicker als Wasser” und hielt wie eine „Matriarche” den „<strong>Clan</strong>” zusammen.<br />
Und immer spielt das Geistige eine bedeutende Rolle. Taufe, Kommunion, Konfirmation, Eheschließung<br />
und Beerdigung, die großen Kirchenfeste wie Ostern und Weihnachten, das Gebet in der Familie, sind<br />
die Grundlage des familiären Zusammenhaltes, dessen Wurzeln.<br />
Ich lese in den Tage- und Lebensbüchern von Brüdern und Schwestern, die sich besuchen oder zusammenleben,<br />
von Festen und Freude. Denn Humor zeigt sich in lustigen Festreden und Spiel, die Ernsthaftigkeit<br />
der Kindererziehung in Einbeziehung der Groß- und Urgroßmütter, durch Reisen zu ihnen oder Besuche<br />
von ihnen. (Großmütter geben energetische Impulse!) Immer wird ein Ort gesucht, wo sich die Familie trifft,<br />
sogar der Grundbesitz geht an die Tochter, wie wir im Lebensbuch von Gerda über Maria lesen: Hier ist
11<br />
Liebe zu Nachhaltigkeit, solide Gartenkultur, Haltung von Haustieren, Erholung in der freien Natur, zu sehen.<br />
Bei der Auswahl der Zitate für diesen Bildband waren für mich neben Humor, Religion und Nachhaltigkeit<br />
hauptsächlich die Beziehungen von Müttern und Töchtern, also die Mutterliebe entscheidend.<br />
Aber die Kriege zerstörten immer wieder viele der guten Ansätze des sozialen Lebens. Deshalb sind<br />
heute die Stimmen der Mütter und Vormütter entscheidend wichtig. Wie sie dachten, lebten, was sie uns davon<br />
mitteilen, gibt jungen Frauen von heute ein wertvolles und nachahmenswertes Modell. Das Patriarchat<br />
ist überall gegenwärtig, doch ich sehe, dass es sich verändern lässt, indem wir uns der Führung der Mütter<br />
anvertrauen, so wie wir es in der Schilderung von alten und auch noch heute bestehenden Matriarchaten<br />
erfahren. Ich sehe in der Gottesmutter, der seligen Jungfrau Maria, der starken, selbstbewussten jungen<br />
Frau mit ihrem Kind Jesus Christus das Bild der neuen Frau für unsere Zeit.<br />
In dem <strong>Buch</strong> der feministischen Theologin Christa Mulack „Maria, die geheime Göttin im Christentum”<br />
lesen wir: „Ausgehend von der syrischen Marienverehrung, von der wohl ... die bedeutendsten Impulse ausgingen,<br />
wird Maria als die erste geschichtliche Urheberin des Heils angesehen, weil sie den Erlöser zur Welt<br />
gebracht hat.”<br />
Meine Schwester Renate hat mithilfe ihrer Eltern eine großartige Leistung vollbracht, indem sie als Schularbeit<br />
ein Ahnenbuch ihrer Familie zusammengestellt hat. Die Eltern nahmen sogar die Fotos aus den Rahmen<br />
an der Wand und alles wurde ins <strong>Buch</strong> eingeklebt. Es beginnt mit einer Karte „Wo meine Vorfahren<br />
geboren wurden; in der Eifel – in Schlesien“ und endet mit ihren Ururgroßeltern. Dieses große <strong>Buch</strong> nahm<br />
Renate auf die Reise im Reichsarbeitsdienst 1942 mit und verlor es. Viele Jahre später tauchte dieses<br />
<strong>Buch</strong> bei ihrer Cousine Lisbeth in der Eifel auf. Eine Frau hatte das <strong>Buch</strong> auf einem Schutthaufen in Kassel<br />
gefunden, gelesen und zum Glück einfach zu den Verwandten in die Eifel geschickt, weil sie richtigerweise<br />
angenommen hat, dass diese dort noch lebten. Dieses kostbare <strong>Buch</strong> dient nun später unserer Familienforschung.<br />
Aus diesem Ahnenbuch habe ich meine Portraits entnommen. In ihrem besten Kleid sitzen die<br />
Frauen vor dem Fotografen und sehen mich an. Ihre Ehemänner stehen stattlich und ernst neben einem<br />
Stuhl und ich denke mir, ihnen anzusehen, dass sie die verantwortungsvolle Aufgabe haben, für Frau und<br />
Kinder standesgemäß zu sorgen.<br />
Während im Patriarchat die Töchter zur Familie des Ehemannes ziehen, bleiben im Matriarchat die<br />
Töchter bei der Mutter, entweder im <strong>Clan</strong>haus oder in eigenen Häusern in der Nähe zusammen. Weil die<br />
Frauen, die ich hier beschreibe, in patriarchaler Weise gelebt haben, sind sie alle über die Welt verstreut<br />
worden. Wir haben unsere weibliche Genealogie bis hinab zu Maria Luise, meiner Ururgroßmutter, erforschen<br />
können. Ihre Tochter war <strong>Clara</strong>. Stellen wir uns vor, die Töchter unserer Familie wären alle bei ihren<br />
Müttern geblieben, dann würden alle lebenden weiblichen Nachkommen beieinander wohnen. Das wäre<br />
dann der „<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>“: benannt also nach der ersten Tochter, von der wir wissen, die unsere erste Matriarche,<br />
die Ur-Matriarche, ist. Weil das aber nur virtuell ist, also in der Vorstellung existiert, nennen wir diese<br />
Situation das „virtuelle Matriarchat“.<br />
Würdigen möchte ich die Leistung meines Sohnes Martin. Seine Beiträge in diesem <strong>Buch</strong> sind: Der gemalte<br />
Stammbaum unserer weiblichen Linie, die Einführung, der Text zu Dina und Lea, das Gemälde „Lady of all<br />
Nations - Pacific“ (LoaN-pac.) mit Text, das Kapitel über das Virtuelle Matriarchat (VM) mit Gemälde und die<br />
Anleitung zum „Matriarchal Chess“, was den spielerischen Aspekt des VM betonen soll. Die Familienfotografien<br />
stellte unsere Assistentin und Layouterin Sarah-Marie Martin, ohne die wir dieses <strong>Buch</strong> nicht hätten<br />
abschließen können, zusammen und lichtete sie erneut ab. Ihr sei unser besonderer Dank.<br />
Das Feminine, das Weibliche wird wieder erstarken! Ich stelle mir vor, dass die Wahrhaftigkeit, die aus den<br />
Tage- und Lebensbüchern herausleuchtet, für uns Frauen ein Licht auf unserem Weg ist.<br />
Maria Friederike Kirsten-Haas, geborene Kirsten, Wiesbaden den 8. März 2018
12<br />
I Einführung in CLARA CLAN Ein virtuelles Matriarchat –<br />
Heute, am Weltfrauentag, will ich ein paar einführende Worte zu diesem Bildband und dessen geistigem<br />
Hintergrund schreiben. Er zeigt die Gemälde meiner Mutter und zitiert aus den handschriftlichen<br />
Hinterlassenschaften einiger weiblicher Personen unserer Familie. Durch meinen eigenen<br />
Lebensweg und viel Zeit, die ich in spirituellen Gemeinschaften verbracht habe, bedeutet er für<br />
mich aber noch mehr: Die hier vorliegende Publikation birgt die Möglichkeit, eine uralte matrilineare<br />
Spiritualität ganz praktisch für unsere Zeit neu zu begreifen und hier in unserer Gesellschaft<br />
konkret zu leben. Diese Idee hat sich jedoch erst nach und nach, in der gemeinsamen Arbeit mit<br />
meiner Mutter an diesem Bildband, so herauskristallisiert. Begonnen bei den gemalten Portraits<br />
der Ahnfrauen, hin zu den Tagebüchern, widmeten wir uns dann immer tiefergehend der Erforschung<br />
der matrilinearen Genealogie unserer Familie – und haben schließlich einen sogenannten<br />
„Virtuellen-Matri-<strong>Clan</strong>“ aus der Taufe gehoben.<br />
Wir ermittelten die „Virtuelle Matriarche“ als jüngste Tochter der jüngsten – uns bekannten –<br />
Tochter unserer Ahnfrau <strong>Clara</strong>, geboren 1853. Anschließend versuchten wir, die lebenden <strong>Clan</strong>-Angehörigen<br />
für unsere Ideen zu gewinnen und sie irgendwie wieder miteinander zu verbinden. Im<br />
Bedürfnis nach einer auch geistigen Grundlage für diese Bemühung wurden wir aufmerksam auf<br />
die in der Bibel beschriebene Geschichte der einzigen Tochter Israels mit dem Namen „Dina“ (siehe<br />
Seite 16 f.). Außerdem erfuhren wir von den neuzeitlichen Offenbarungen der Gottesmutter Maria<br />
in Amsterdam nach dem zweiten Weltkrieg (Frau aller Völker, siehe Seite 18 f.). Beides haben wir<br />
in unsere Überlegungen zu einem heutigen Matriarchat integriert. Die Liebe zu Gott und besonders<br />
zur Göttin – der weibliche Aspekt Gottes spielt für uns eine ganz wichtige Rolle – ist ebenso umfassend<br />
wie das Göttliche Prinzip selbst und sie durchdringt deshalb die ganze Schöpfung und wirkt<br />
sich konkret als Fürsorge, Humor und Verantwortung für die Erde als Ganzes aus. Mutterliebe, Humor,<br />
Religiosität und Nachhaltigkeit sind für uns die vier Aspekte weiblicher Spiritualität – die sanft<br />
und demütig, aber auch selbstbewusst und stark sein kann. Diese mütterliche Spiritualität hält wie<br />
ein „Klebstoff“ die Familie zusammen.<br />
Warum ist das Matriarchat heute so wichtig? Warum sind diese uralten Traditionen wieder<br />
brandaktuell? Weil uns das herkömmliche patriarchale Modell vor allem Unterdrückung und Krieg<br />
gebracht hat. Das Matriarchat ist keine Umkehrung des Patriarchats. Im Matriarchat gibt es niemanden,<br />
der „herrscht“. Die Matriarche „bemuttert“ eher: Sie will nur vermitteln und durch ihre<br />
Überzeugungskraft koordinieren. Die Bereitschaft zu Kooperation und Einigkeit muss aber von allen<br />
Mitgliedern des <strong>Clan</strong>s geteilt werden, denn hier gibt es keine unterdrückten Minderheiten oder ein<br />
„Machtwort“ der Stärkeren. Das setzt Geduld und Weisheit voraus – und ist daher eine anspruchsvolle<br />
Angelegenheit; für weise Menschen gedacht. Die matriarchalen Männer sind ihrerseits mit<br />
der Situation zufrieden, sie achten die Frauen des <strong>Clan</strong>s und die Frauen wiederum erkennen die<br />
Leistung der Männer an; es gibt keinen Geschlechterkampf um die Vorherrschaft in der Familie,<br />
höchstens einen Wettbewerb um das Dienen, wer am meisten zum Gesamtwohl beigetragen hat.<br />
Ist das alles nur eine schöne Utopie? Vielleicht nur ein Hirngespinst, wie man hierzulande<br />
denken könnte? Nein, diese Gesellschaften gibt es ganz real: Die Khasi in Indien, die Mosuo in<br />
China, die Minangkabau in Sumatra, um nur einige zu nennen – und wir sollten, oder besser, wir<br />
müssen von ihnen lernen, wenn wir als homo sapiens (der leider gar nicht so weise ist, wie das Wort<br />
nahelegt) hier auf der Erde überleben wollen. Wie sich dieses Konzept hier, in einem patriarchalen<br />
gesellschaftlichen Kontext, verwirklichen lassen könnte, wird am Ende dieses Bandes genauer ausgeführt<br />
– dialogisch, versteht sich, denn im Matriarchat wird alles gemeinsam erarbeitet!
13<br />
Worte zur Orientierung von Sohn Martin<br />
Im Nachwort wird auch das spirituelle Konzept des „Taotheismus“ erklärt, der einen Brückenschlag<br />
zwischen östlicher und westlicher Spiritualität darstellt. Indien, der Osten, ist ein uraltes Kulturland<br />
mit sogenannter „ewiger“ Spiritualität: Yoga, Ayurveda und Vegetarismus sind heute nicht<br />
mehr Außenseitermethoden sondern im Bewusstsein der Menschen etabliert. Und im Westen Amerika,<br />
das die stärksten Christlichen Charismen hervorgebracht hat: zuerst die verfassungsmäßige<br />
Religionsfreiheit, dann den „Bible-Belt“ und nicht zuletzt das „<strong>Buch</strong> Mormon“, eine Übersetzung<br />
alter christlicher Schriften (der „goldenen Platten“) aus diesem Lande.<br />
Als sich komplementär ergänzende Praxis nennen wir das den „Taotheismus“, der Elemente aus<br />
beiden Religionen enthält: theistische, etwa in Form der persönlichen Gottesbeziehung, und taoistische,<br />
als zugrundeliegende Philosophie. Für unser „Virtuelles Matriarchat“ eignet sich diese Spiritualität<br />
ganz besonders, weil der „Taotheismus“ auch männliche Anteile hat, aber insgesamt unter der<br />
Gottesmutter Maria (Lady-of-all-Nations-pacific) als Mediatorin oder Mittlerin steht. Sie verkörpert<br />
das TAO, also die dialogische Synthese aus Yin (Ost) und Yang (West).<br />
... und Erläuterung zum Stammbaum<br />
Der Stammbaum ist ganz vorn in diesem <strong>Buch</strong> abgedruckt. Er zeigt die Verwandtschaftszusammenhänge<br />
auf einen Blick und gibt so Orientierung beim Lesen von <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>: Ein virtuelles Matriarchat.<br />
Der Aufbau bzw. das Ordnungsprinzip ist gemäß der Generationsfolge, also von unten nach oben,<br />
jede Generation auf einer Höhe. Innerhalb einer Generation steht – bei mehreren Töchtern einer<br />
Mutter – die ältere Tochter links der jüngeren, also chronologisch von links nach rechts. Jeweils die<br />
Jüngsten einer Generation sind die Matriarchen des <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>s. Die Ehemänner sind namentlich<br />
je unter den Frauen erwähnt; die Söhne werden weggelassen, da sie zum <strong>Clan</strong> ihrer Ehefrauen gehören.<br />
Darüber hinaus ist der Stammbaum farblich gestaltet. Jede <strong>Clan</strong>-Generation wird gekennzeichnet<br />
durch eine von sechs Farben. Grün, blau, violett, rot, orange, gelb in sich wiederholender Reihenfolge,<br />
wie die Farben des Regenbogens. Da wir Marias Gemälde-Portraits in diesem Band teilweise<br />
anders angeordnet haben, als es streng genommen dem Aufbau des Stammbaums entspicht, lässt<br />
sich auf diese Weise rasch nachvollziehen, welcher Generation eine portraitierte Frau angehört.<br />
Am Anfang stehen die Einzelportraits der <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>-Frauen, gemalt 2006 und 2007. Darauf<br />
folgen drei Gemälde aus derselben Entstehungszeit, die wir aber von den anderen trennen, weil die<br />
Portraitierten sich auf väterliche Linien zurückführen und somit nicht dem <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> angehören.<br />
Es sind die ältesten Frauen, von denen wir Dokumente vorliegen haben. Darauf folgen Gruppenbilder<br />
der Generationen des <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>s. Fast ein Jahrzehnt später gemalt, nämlich 2015 und 2016,<br />
zeigen sie eine deutliche stilistische Veränderung. Am Schluss steht, im Stil der Gruppenbilder, das<br />
jüngste Portrait, unsere aktuelle Matriarche.<br />
Sohn Martin, Wiesbaden am Weltfrauentag 2018
14<br />
Generation lila (S. 92)<br />
1989 Maria (S. 96)<br />
Generation blau (S. 86)<br />
**** virtuelle Anni (S. 50)<br />
1935 Maria F. (S. 42)<br />
Generation grün (S. 76)<br />
Generation gelb (S. 70)<br />
1901 Gerdha (S. 34)<br />
877 Hildegard (S. 28)<br />
1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />
1847 väterliche Helena (S. 64)<br />
1832 väterliche Ida (S. 60)<br />
1822 Maria L. (S. 20)<br />
1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />
-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />
-1400 DINA und LEA (S. 16)
15<br />
II<br />
Die Gemälde<br />
A <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Einzelportraits 014<br />
B<br />
C
1935<br />
16<br />
D<br />
1989<br />
****<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
1400
INA und LEA<br />
Sohn Martin:<br />
Mutter Maria Friederike und ihr Sohn Martin verstehen<br />
sich als Christen. Sie sehen sich als Zugehörige<br />
des Bundesvolkes JHWHs und sogar als direkte<br />
Nachkommen Jakobs (sein Ehrenname ist „Israel“).<br />
Das hängt auch mit der im NSDAP-Staat veranlassten<br />
Ahnenforschung und der Suche nach jüdischen Wurzeln<br />
zusammen. Wobei aber zu sagen ist, dass nicht<br />
nur der Stamm „Juda“ zu Israel gehört, sondern auch<br />
die Nachkommen der anderen Söhne Jakobs. Allerdings<br />
war zur Zeit Jesu von den anderen Stämmen<br />
– ausgenommen Levi und Benjamin – nicht mehr viel<br />
bekannt. Denn ihr Stammesgebiet war schon lange<br />
vor dieser Zeit vom Großreich Assur überrannt und<br />
die Menschen verschleppt worden, derer viele auch<br />
nach Europa und Asien gelangten.<br />
Wie kann man/frau sich aber als Israelit „matriarchal“<br />
verstehen? Normalerweise sieht man die<br />
biblische semitische Religion als patriarchal an. Es<br />
werden zwar auch gelegentlich besonders mutige<br />
oder spirituell starke Frauen in der Bibel erwähnt,<br />
aber der Mann hat eindeutig das Sagen. Und auch<br />
die Ahnenreihe wird meistens in männlicher Linie beschrieben.<br />
Bisweilen zeigen sich aber auch matrilineare<br />
Ansätze, wie bei Ruth und ihrer Schwiegermutter<br />
Naomi, die im Alten Testament gar ein eigenes nach<br />
ihr benanntes <strong>Buch</strong> hat und im Stammbaum Jesu bei<br />
Matthäus erwähnt wird.<br />
Gibt es aber vielleicht noch eine andere, möglicherweise<br />
matrilineare Verbindung zum Bundesvolk<br />
des HERRN, des Gottes Saras, der Frau Abrahams?<br />
Das war eine unserer Fragen, und wie durch Zufall fiel<br />
uns auf, dass es immer nur die zwölf Stämme sind,<br />
die Erwähnung finden. Aber was ist mit der einen<br />
Tochter Jakobs? Hat sie nicht auch das Recht, ein<br />
Stamm Israels zu sein? Vielleicht gar der „Dreizehnte<br />
Stamm“ Israels? Dieser Frage gehen wir nun anhand<br />
des biblischen Berichtes im ersten <strong>Buch</strong> Mose nach.<br />
Dina, die Tochter, die Lea Jakob geboren hatte, ging<br />
aus, um sich die Töchter des Landes anzusehen.<br />
Sichem, der Sohn des Hiwiters Hamor, des Landesfürsten,<br />
erblickte sie; er ergriff sie, legte sich zu ihr<br />
und vergewaltigte sie. Er fasste Zuneigung zu Dina,<br />
der Tochter Jakobs, er liebte das Mädchen und redete<br />
ihm gut zu.<br />
– Erstes <strong>Buch</strong> Mose (Genesis), Kapitel 34<br />
Weiter wird hier berichtet, dass Hamor mit Jakob eine<br />
Vereinbarung eingeht, dass sich alle Männer des<br />
befestigten Dorfes, über das Sichem herrscht, beschneiden<br />
lassen (Zirkumzision), um damit auch zum<br />
Bundesvolk JHWHs zu gehören, damit Sichem die<br />
Tochter Jakobs heiraten kann. Das wird akzeptiert.<br />
Als alle Männer des Dorfes im Wundfieber darniederliegen,<br />
werden sie von den älteren Brüdern Dinas<br />
überfallen. Sichem und die anderen Männer werden<br />
– als Rache für die Gewalttat an ihrer Schwester –<br />
umgebracht. Die Brüder holen Dina aus dem Hause<br />
Sichems und schleppen die Frauen und Kinder des<br />
Dorfes mit sich zu ihren Zelten.<br />
Eine traurige Geschichte. Aber schon lange her<br />
– 3.400 Jahre! Was passierte dann? Jakob (Israel)<br />
zürnt zwar seinen Söhnen wegen ihrer Grausamkeit,<br />
er kann aber, ohne verfolgt zu werden, die Gegend<br />
verlassen, weil er von Gott (JHWH) beschützt wird.<br />
Was für uns hier wichtig ist: Gehören nun alle<br />
diese Frauen und Kinder nicht irgendwie zu Dina?<br />
War sie nicht die „Fürstin“ des Dorfes geworden, das<br />
nun ganz ohne erwachsene Männer war? Wenn wir<br />
diese Fragen mit Ja beantworten wollen, kann Dina<br />
– mit den anderen Frauen ihres Dorfes – als eine<br />
matriarchale Ahnfrau in Israel mit ihrem (virtuellen)<br />
dreizehnten Stamm „Dina“ angesehen werden! Und<br />
damit lässt sich eine matrilineare und (virtuell) matriarchale<br />
Familienkonstellation begründen! Ein interessanter<br />
Gedanke – mit Folgen, denken wir.
18<br />
L<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Möge die<br />
Frau aller Völker, die selige<br />
Jungfrau und<br />
Gottesmutter<br />
Maria<br />
unsere Fürsprecherin sein. Amen.<br />
Lieber<br />
Jesus<br />
Christus,<br />
Sohn der Mutter, sende<br />
jetzt Deine Ruach über<br />
die Erde, lass die<br />
Heilige Geistin<br />
wohnen in den<br />
Herzen aller<br />
Matri-<strong>Clan</strong>s,<br />
damit sie<br />
bewahrt<br />
bleiben<br />
mögen<br />
vor<br />
Zerfall,<br />
Unheil<br />
und Streit.
oaN-pac. (Lady of all Nations – pacific)<br />
Sohn Martin:<br />
Wie kam es zu unserer Weihe an das unbefleckte Herz<br />
Mariens am 27. April 2017 in der Diepenbrockstraße<br />
3 in Amsterdam? Dort, im Mutterhaus der „Kongregation<br />
der Familie Mariens“, wird das originale Gnadenbild<br />
der „Vrouwe van alle Volkeren“ verehrt: eine weiß<br />
bekleidete Maria vor dem Kreuz, auf der Erdkugel über<br />
Afrika stehend. Dieses Gnadenbild war meiner Mutter<br />
Maria Friederike nicht gänzlich unbekannt, als eine<br />
Bekannte uns vor zwei Jahren das <strong>Buch</strong> von P. Paul<br />
Maria Sigl „DIE FRAU ALLER VÖLKER, Miterlöserin,<br />
Mittlerin, Fürsprecherin“ zuschickte. Ihr war noch sehr<br />
gut erinnerlich, wie eine Studentin ihr anlässlich einer<br />
Wallfahrt zum Aachener Dom ein Blättchen mit dem<br />
Gnadenbild zugereicht hatte. Aber dann hatte sie nichts<br />
mehr davon gehört – bis wir besagtes <strong>Buch</strong> bekamen.<br />
Es handelt sich um eine theologische Ausarbeitung<br />
zu den Erscheinungen und Botschaften der<br />
Mutter Jesu für eine Holländerin (Ida Peerdeman)<br />
von kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu<br />
ihrem Tode am 17. Juni 1996. In ihr teilt Maria der<br />
Seherin mit, dass es für die Vorbereitung der Welt<br />
auf das Zweite Kommen Christi wichtig sei, dass sie<br />
selbst in dieser neuen Rolle als Frau aller Völker, Miterlöserin,<br />
Mittlerin und Fürsprecherin anerkannt und<br />
geehrt werde. Das sei das fünfte und letzte Marianische<br />
Dogma. Erst nach dessen Verkündigung könne<br />
der Heilige Geist in allen Völkern machtvoller wirken.<br />
Der Begriff „Heiliger Geist“ war uns im Sinne des<br />
Stammes Dina zu maskulin. Deshalb haben wir ihn im<br />
nebenstehenden, von der Gottesmutter Maria offenbarten<br />
Gebet durch den in der hebräischen Sprache<br />
weiblichen Begriff „Ruach“, das ist Heilige Geistin, ersetzt.<br />
Diese Botschaften beeindruckten uns sehr und<br />
sie fügten sich nahtlos in unsere Ahnenforschung zu<br />
den Frauen unserer Familie ein. Das Irdische und das<br />
Himmlische müssen Hand in Hand gehen, wenn es<br />
etwas bewirken soll – die Aufwertung der Frauen unserer<br />
Familie (oder Deiner Familie, liebe Leserin und<br />
lieber Leser) geht einher mit der Aufwertung der Rolle<br />
Mariens in der Heilsgeschichte und zeitgleich aktuell<br />
in der unsichtbaren Welt. Aber weil es Hand in Hand<br />
geht, braucht es die irdische Dimension. Hier auf Erden<br />
muss jetzt die Weihe an das unbefleckte Herz<br />
Mariens verbreitet werden, und auch ihre Anerkennung<br />
als Miterlöserin verstanden werden, denn sie<br />
wurde ohne Erbsünde empfangen und trug und trägt<br />
ihren wichtigen Teil zum Sühneopfer Christi bei.<br />
Hier begegnet uns wieder das Leiden der gefallenen<br />
Welt, das durch Gottesferne verursacht wird. Jesus<br />
war wirklich kein Masochist. Er bat darum, dass<br />
der „Kelch an ihm vorüberginge“. Aber wenn das Leid<br />
unvermeidlich ist, muss es angenommen werden.<br />
Seine Mutter Maria war eine echte Israelitin, vielleicht<br />
sogar eine „Tochter Dinas“ oder eine Tochter<br />
ihres „virtuellen matriarchalen Sichem-Stammes“.<br />
Maria als Miterlöserin trägt die Schuld der Welt mit<br />
Jesus zusammen. Auch Dina trug ihren Teil an der<br />
Sühne und litt unter der Sünde anderer Menschen.<br />
Sichem hatte ihr ja nach seiner Gewalttat „freundlich<br />
zugeredet“, er schämte sich – ob sie sich wohl<br />
zu wehren versucht hatte? Das wissen wir nicht.<br />
Aber vermutlich hat sie geweint, als ihre Brüder ihren<br />
„Mann“ töteten. Ich kann mir vorstellen, dass diese<br />
seelische Wunde dazu führte, dass sie sich vermehrt<br />
um die anderen Frauen des Dorfes kümmerte, die<br />
ja wie sie ihre Männer verloren hatten und nun unfreiwillig<br />
ein Teil ihres Volkes geworden waren. Vielleicht<br />
ist sie ja gerade dadurch wirklich zur geistigen<br />
Stammmutter des „virtuellen Dreizehnten Stammes“<br />
in Israel geworden.<br />
Dina wusste damals vielleicht noch nicht – oder<br />
hat sie es geahnt? –, was die künftigen Propheten<br />
Israels voraussagen würden. Nämlich dass dem Volk<br />
ein Kind geboren werden würde, welches Immanuel<br />
oder Yeshuah (Jesus) genannt würde, was „Gott ist<br />
mit uns und Er errettet uns“, bedeutet. Dieses besondere<br />
Kind, welches keinen leiblichen Vater hatte,<br />
sondern vom Heiligen Geist Gottes gezeugt worden<br />
war, erwählte Maria als das „reine Gefäß“, um sich<br />
zu inkarnieren. Maria umhüllte das Göttliche mit dem<br />
Irdischen, sie gab dem Wort Gottes seine GESTALT.<br />
Mein Gemälde, am 31. Mai 2017 vollendet, stellt<br />
die „Frau aller Völker“ als „Lady of all Nations“ über<br />
dem Pazifischen Ozean stehend dar, sozusagen die<br />
Rückseite des originalen Gnadenbildes. Sie trägt die<br />
Tracht der Missionarinnen der Nächstenliebe von<br />
Mutter Teresa (Kolkatta-Indien). Das betont Maria<br />
als Vermittlerin zu den östlichen Völkern und Religionen.<br />
Der Pazifische Ozean passt auch vom Namen<br />
her gut, denn ein Name Mariens ist „Meerstern“, und<br />
Pazifik bedeutet eigentlich „Ozean des Friedens“. Ein<br />
gutes Omen, denke ich.
20<br />
Maria Luise Sturm<br />
verheiratete Schmidt,<br />
geboren 1822 in Breslau/Schlesien,<br />
gestorben 1908 in Breslau/Schlesien,<br />
meine Ururgroßmutter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
21
22<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Ihren Namen Maria erhielt sie, weil sie am 12. Dezember,<br />
dem kirchlichen Festtag „Hochfest der ohne<br />
Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“,<br />
geboren ist.<br />
Maria ist die Mutter von <strong>Clara</strong>, nach der wir unseren<br />
virtuellen <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> benannt haben. Von Maria ist<br />
zu berichten, dass sie eine überaus gebildete Städterin<br />
war. Elegant gekleidet und durch den Besuch der<br />
„Höheren Tochterschule“ angeleitet, schrieb sie ein<br />
wunderbares Tagebuch und ein Kochbuch, das meine<br />
Mutter noch benutzt hat. Darum wissen wir heute von<br />
der Gastwirtschaft Benajmin Sturm in Breslau, wo Maria<br />
aufwuchs. Später wurde sie Frau Rath genannt, weil<br />
sie Eduard Schmidt, den Ratsmaurermeister der Stadt<br />
Breslau, der ganze Straßenzüge baute, heiratete. Maria<br />
Luise führte als Frau Meisterin ein großes Haus, in dem<br />
die Handwerksburschen auf ihrer Wanderschaft bei ihr<br />
Kost und Logie erhielten. Vier Kindern schenkte sie das<br />
Leben, einer älteren Tochter, die früh an Colera starb,<br />
zwei Söhnen, die beide Soldaten wurden, und die jüngste<br />
war <strong>Clara</strong> Schmidt, meine Urgroßmutter.<br />
Die Mutter gab ihrer Tochter ihre Fähigkeiten weiter:<br />
Die Gabe, mit vielen Menschen umzugehen, sich unter<br />
führenden Leuten der Stadt frei zu bewegen, sehr<br />
selbstbewusst und frei zu entscheiden, all das lernte<br />
<strong>Clara</strong> von ihrer Mutter.<br />
Aus dem Tagebuch meiner damals zwölfjährigen<br />
Schwester Renate zitiere ich (das Tagebuch von Maria<br />
Luise ist leider nach dem zweiten Weltkrieg verloren gegangen):<br />
Maria Luise Sturm<br />
3. November 1938. Heute las uns<br />
Mutti aus dem Tagebuch unserer<br />
Ururgroßmutter (Maria Luise Sturm)<br />
vor. Es ist fein geschrieben und „alle<br />
Achtung“, die hat „Haltung“ gehabt,<br />
obwohl sie evangelisch war. Haltung<br />
ist viel mehr als etwas Äußerliches.<br />
Haltung nennt man die Art und Weise,<br />
wie einer sein ganzes Leben hält.<br />
meine Ururgroßmutter
aus dem Ahnenbuch, das meine Schwester Renate<br />
zusammengestellt hat<br />
23
24<br />
<strong>Clara</strong> Schmidt<br />
verwitwete Friedenthal,<br />
verheiratete von Heigel,<br />
geboren 1853 in Breslau/Schlesien,<br />
gestorben 1938 in Bad Warmbrunn/Schlesien,<br />
meine Urgroßmutter,<br />
unsere <strong>Clan</strong>-Matriarche.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
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26<br />
1989<br />
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1935<br />
1901<br />
877<br />
Immer wieder ist im Tagebuch von ihrer<br />
Tochter Hilde von den vielen Besuchen<br />
bei ihrer Tochter die Rede. <strong>Clara</strong><br />
wird eine sehr liebevolle Groß- und<br />
Urgroßmutter für ihre Enkel.<br />
In einem handgeschriebenen<br />
Brieflein an meine Schwester Renate<br />
lese ich:<br />
<strong>Clara</strong> wächst als jüngste Tochter wohlbehütet in der<br />
schönen, damals deutschen Stadt Breslau auf, die als<br />
„zweites Venedig“ mit ihren vielen Brücken über die Oder<br />
berühmt wurde. Ich stelle mir vor, dass es in ihrem Elternhaus<br />
sehr gastfreundlich zuging; stammte doch ihre<br />
Mutter Maria aus einem Wirtshaus und ihr Vater Eduard<br />
gehörte zum Stadtrat. Ihre Tochter <strong>Clara</strong> lehrte Maria<br />
das Tagebuchschreiben und zeigte ihr die Kunst, gute<br />
Gerichte zuzubereiten aus ihrem selbstgeschriebenen<br />
Kochbuch (leider sind diese beiden Bücher später verloren<br />
gegangen, doch meine Eltern benutzten sie noch).<br />
Schon mit 19 Jahren heiratete <strong>Clara</strong> Georg Friedenthal,<br />
einen Ingenieur; das war damals, Ende des 19. Jahrhunderts,<br />
ein ganz neuer Beruf. Georg stammte aus der<br />
jüdischen Familie Dyrenfurth, die für den Breslauer Dom<br />
die Kirchenfenster von der „Erweckung des Lazarus“ stifteten.<br />
<strong>Clara</strong> schenkte drei Kindern das Leben, doch früh<br />
starb ihr Mann. Ich denke mir, wie schwer das für sie war.<br />
Und als sie jungverwitwet Karl August von Heigel, einen<br />
Schriftsteller, kennenlernte, heiratete sie ein zweites Mal<br />
und zog mit ihm nach Riva am Gardasee in Italien. Die<br />
weite Reise dorthin zu ihr beschreibt ihre Tochter Hilde<br />
ausführlich, sie waren zwölf Stunden mit dem Zug unterwegs.<br />
Sie trifft sich mit ihrer Tochter Hilde sehr oft und reist<br />
noch im hohen Alter von über 80 Jahren nach Berlin,<br />
wo nun ihre Enkeltöchter mit Kindern leben. Auch mich,<br />
ihre Urenkeltochter, sieht sie noch im Riesengebirge in<br />
Warmbrunn.<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Warmbrunn, 20.4.1929.<br />
Meinem lieben Pathenkinde Renate gratuliere ich herzlich zum<br />
Geburtstage. Sei und bleibe immer recht gesund, sei und bleibe<br />
immer ein großes, starkes, schönes Mädchen, das recht artig ist<br />
und den lieben Eltern stets zur Freude lebt. ... Lass dir von der<br />
Mutti sagen, welche Geschenke ich auf deinen Geburtstagstisch<br />
gelegt habe.<br />
Dich und dein gutes Schwesterchen [Dorothee] grüße ich und<br />
küsse Euch vielmals. Dir schickt einen Geburtstagsgruß<br />
<strong>Clara</strong> Schmidt<br />
Deine Urma Heigel.<br />
meine Urgroßmutter
27<br />
<strong>Clara</strong> mit Enkeltochter Gerdha<br />
und mir, Urenkeltochter Maria<br />
ihr erster Ehemann Georg Friedenthal<br />
mit Urenkeltöchtern<br />
Renate und Dorothee<br />
<strong>Clara</strong> mittig<br />
mit Schwägerin<br />
Ida (li.) und einer<br />
Verwandten,<br />
unten die Enkeltöchter<br />
Ursula<br />
(li.) und Gerdha<br />
(meine Mutter,<br />
re.) mit „Fiffi“<br />
und Schwiegersohn<br />
Fritz;<br />
Tochter Hildegard<br />
steht hinter<br />
der Kamera
28<br />
Hildegard Friedenthal<br />
verheiratete Warmuth,<br />
geboren 1877 in Breslau/Schlesien,<br />
gestorben 1929 in Berlin,<br />
meine Großmutter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
29
30<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
18. März 1918 Ilse-Senta bekommt die Masern, die aber gutartig verlaufen, die Augen machen ihr am<br />
meisten zu schaffen.<br />
26. März Gerdha verlässt die Schule und bekommt ein befriedigendes Abgangszeugnis. Am Nachmittag<br />
großes Abschiedsfest der Schülerinnen in der Fliedner’schen Konditorei.<br />
4. Juni Erste Tanzstunde beider Kinder [Gerdha und Ursel], nur unter Mädchen, bei Frau Henry, einer<br />
Liegnitzer Tanzlehrerin. 14 Teilnehmerinnen, von denen Gerdha die älteste ist. Vorerst nur Gymnastik<br />
und Muskeln sowie Grazie auszubilden.<br />
11. Juni Zweite Tanzstunde, die ersten Anfänge für Rheinländer, die Kinder lernen viel, unsere Mädel<br />
machen es sehr nett.<br />
24. Juni Ich fahre mit Gerdha und Ursel nach Breslau. Die Kinder bleiben in Breslau bei Onkel Erich<br />
Enders zu Besuch, sollen sich auffuttern und in der Ernte etwas helfen. Da noch Zeit bis zur Abfahrt<br />
des Zuges ist, sehen wir uns an der Johanneskirche in der Hohenzollernstraße die bunten Kirchenfenster<br />
an, links das Mittelfenster, rechte Seite zeigt meine Großeltern Friedenthal. Die Mutter hält<br />
sorgend die Hand über den auferstandenen Lazarus, der Vater steht neben ihr. Die Bilder hat Onkel<br />
Ernst der Kirche geschenkt, vielmehr das ganze Fenster, und damit seinen Eltern ein dauerndes<br />
Denkmal gesetzt.<br />
1. Juli Ursel geht mit ihrer Klasse zum ersten Mal Laub sammeln auf den ganzen Tag. Die Schulen tun<br />
es alle. Ursels Klasse vier mal wöchentlich. Das Laub wird getrocknet, gepresst und als Viehfutter<br />
verwendet.<br />
4. August Die Kinder kommen wieder heim, haben sich mit den drei Basen angefreundet und sich<br />
tüchtig aufgefuttert.<br />
7. 1. 1920 Früh um 4 Uhr verlässt Gerdha für längere Zeit Landsberg. Sie geht nach Berlin, um sich als<br />
Gutssekretärin auszubilden, dort <strong>Buch</strong>führung, Berechnung und so weiter zu lernen. ... Vom Spiel<br />
und Tanz, noch in derselben Nacht bis Mitternacht, in den Ernst des Lebens hineingesprungen.<br />
Im Ostseeurlaub!<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
3.9. Früh um 7 Uhr verließ uns Ursel, sie darf die Schule nicht länger versäumen. Ihre beiden Verehrer<br />
sind sehr betrübt. Abends besuchen wir mit Gerdha eine Re‘uni~[nicht leserlich]. Dort wurden wir<br />
bekannt mit Herrn Gerdt von Bassewitz, dem Dichter von ‚Peterchens Mondfahrt’, dem ‚Pips der Pilz’,<br />
der preisgekrönten ‚Schahrazade‘ usw.<br />
4. 9. Vormittags mit Selles, Müllers an der sonnigen Düne, Herr von B. gesellt sich zu uns, erzählt Ilse,<br />
mit der er sich gleich sehr anfreundet, das Märchen von ‚Pips‘. Gerdha nimmt ihre Schachkunst<br />
wieder auf, auch ich spiele öfter mit Fritz. Ilsens Husten geht etwas zurück.<br />
Hildes Mutter, meine Urgroßmutter, lebt in Warmbrunn im Riesengebirge.<br />
12.9.1918 Mutter kommt an, um die Kur für 14 Tage mitzunehmen. Sie ist äußerst schwach und elend,<br />
kann fast gar nicht laufen. Ich besorge ihr alles Nötige und bringe sie als letzten Gast in meiner Pension<br />
unter.<br />
21.8.1919 Später waren wir noch paar Mal Beeren suchen und die kleine Ilse hat sich tapfer gehalten,<br />
ist stundenlang mit herumgeklettert. Die Mutter war so lieb, fürsorglich und gut zu uns, wie dankbar<br />
bin ich ihr für alle Liebe!<br />
16.9.1919 Mein Mutterle kommt zum letzten Mal, uns in Jauer besuchen, um mir bei meiner vielen<br />
Arbeit [beim Umzug] behilflich zu sein.<br />
13.1.1920 Am 8. ist Mutter auf paar Wochen zu uns gekommen. Schwierige Verbindung von Breslau,<br />
früh um halb sieben Uhr Abreise, Ankunft abends halb zehn Uhr.<br />
13.5.1920 Mutters Geburtstag verbringe ich bei Gerths zum Skat, den ich jetzt regelmäßig mit ihr, Frau<br />
Sanitätsrat Ziklow, Frau Jusig und Mayer haben werde.<br />
Hildegard Friedenthal<br />
meine Großmutter
31<br />
Hilde wuchs mit ihrem Bruder Willi in den bildungsbürgerlichen Kreisen Breslaus auf. Von<br />
ihr liegen mir drei ausführliche Tagebücher vor und ich kann mir ihr reiches Leben gut vorstellen.<br />
Mit der Heirat des Richters Fritz Warmuth, der später Reichstagsabgeordneter in<br />
Berlin wurde, führte sie eine gute Ehe und schenkte vier Kindern das Leben, von denen das<br />
älteste, der kleine Wolfgang, im ersten Lebensjahr schon starb. Um so liebevoller und besorgter<br />
zog sie ihre drei Töchter Gerdha, Ursula und Ilse-Senta, auch Ille genannt, groß. Stets<br />
war ihr ihre geliebte Mutter <strong>Clara</strong>, Großel genannt, zur Seite. Hilde war sehr lebensklug, hilfsbereit<br />
und reiste gern. Als sie schwer erkrankte, wurde sie von ihrer Familie treu umsorgt,<br />
sie starb schon mit 52 Jahren.<br />
Ich zitiere Hilde aus ihrem Tagebuch; Ausschnitte von 1918 bis 1929.<br />
Mit ihrer Familie ist Hilde sehr glücklich.<br />
22.09.1927 Der Hochzeitstag mit Blumen und all meinen Lieben. Fritz hat auch Ille mitgebracht, die ich<br />
nach 7 Wochen endlich wiedersehe.<br />
24.12.1927 Ein frohes Fest zusammen mit der ganzen Familie Kirsten. Ursel hat am 1. Feiertag frei<br />
und isst den Feiertagsschmaus mit uns. Großel (die 3 Wochen bei uns war), ist gestern zu Willis<br />
gefahren [Bruder von Hilde], feiert mit, ist seit 8. Dezember bei uns.<br />
30.06.1928 Fritz und ich reisen nach dem Allgäu. Schlafwagen III. Klasse.<br />
17.07.1928 Wir nehmen Wohnung in Hindelang beim Schneidermeister Brutscher. Garten mit Liegestühlen,<br />
einfaches, sauberes Zimmer um 1 Mark. Finden Anschluss an ein Leipziger Ehepaar Berner<br />
und Ministerialrat Keding mit Frau und Söhnchen aus Schwerin. Das Mittagbrot nehmen wir meist im<br />
„Löwen“ in Oberstorf, das uns ebenso nahe liegt.<br />
15.08. Wir besuchen abends als Geburtstagsfeier ein Bauerntheater. Die Einheimischen spielen ganz<br />
reizend. Vorher haben wir Gelegenheit, das schönste Alpenglühen, das ich je sah, zu bewundern.
32<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
Hilde ist nicht nur ein Privatmensch. Sie handelt nach dem<br />
Wort, „Das Private ist politisch“. Sie gründet eine Kriegsarbeitsstelle,<br />
wo Frauen für die verwundeten Soldaten Verbandsmaterial<br />
und Bettzeug nähen. Am 10. November 1918<br />
klebt sie in ihr Tagebuch einen Zeitungsartikel ein: „Abdankung<br />
des Kaisers“. Im Dezember schreibt sie in ihr Tagebuch:<br />
29.12.1918 Fritzens Wahlreden beginnen mit Breslau ... Ich selbst<br />
habe meine Arbeiterinnen von der Kriegsarbeitsstelle zusammengerufen,<br />
um mit ihnen eine Fühlung auch in der Zukunft<br />
zu bereden ... Nur mit Mühe gelingt es mir, sie wieder in meine<br />
Gewalt zu bekommen, und nach zwei Stunden verlassen alle<br />
ruhig die Versammlung. Die Freude an der Arbeit ist uns aber<br />
verdorben.<br />
19.1.1919 Der große Wahltag, Deutschlands Frauen dürfen zum<br />
ersten Mal mitwählen. Da sie in der Mehrzahl, sind ihre Stimmen<br />
die Maßgebenden.<br />
10.11.1921 Gestern und heut‘ deutschnationaler Parteitag. Gestern<br />
Frauentagung, gute Rede Frl. Dr. Spohrs. Frl. Jäschke aus<br />
Landsberg, die als Vertreter der dortigen Frauengruppe kam, ist<br />
uns für zwei Tage ein sehr lieber Gast.<br />
Meine Großmutter ist vielseitig begabt; sie ist eine Künstlerin<br />
und malt in ihrer Freizeit und fotografiert. Weil sie meist hinter<br />
der Kamera steht, sieht man sie selbst nur auf wenigen Fotografien.<br />
In ihren letzten Lebenstagen dichtet sie noch folgende<br />
Zeilen:<br />
Du lieber Gott, du bist so groß.<br />
Hast alle Kinder in deinem Schoß.<br />
Ach gib mir, dass ich fröhlich werde,<br />
auf Deiner wunderschönen Erde.<br />
links Familie Warmuth mit<br />
zwei Kindermädchen und<br />
Urlaubsfreunden an der<br />
Ostsee; Hilde mit Schlips<br />
Am 19. Februar 1929 stirbt sie nach schwerem, mit großer<br />
Tapferkeit ertragenem Krebsleiden, mit 52 Jahren. Ihr letzter<br />
Tagebucheintrag lautet:<br />
-20<br />
-1400<br />
29.01.1929 Ich bin glücklich gewesen in der Liebe der Meinen!<br />
Hilde Warmuth<br />
Sie ist auf dem Friedhof am Park Sanssoucis in Potsdam<br />
beerdigt.
33<br />
Hilde mit Dackel auf dem<br />
Schoß und ihre Töchter<br />
Gerdha und Ursula
34<br />
Gerdha Katharina Margarete Warmuth<br />
verheiratete Kirsten,<br />
geboren 1901 in Breslau/Schlesien,<br />
gestorben 1980 in Stratford-on-Avon/England,<br />
meine Mutter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
35<br />
1901
36<br />
Aus den Aufzeichnungen meiner Großmutter Hilde über die Kindheit meiner Mutter Gerdha gehen vier wichtige<br />
Ansätze matriarchalen Denkens hervor: Mutterliebe, Humor, Religiosität und Nachhaltigkeit.<br />
Dies hier sind Zitate aus diesem „Lebensbuch“, d.h. dem Tagebuch, das die Mutter über ihre Tochter<br />
geschrieben hat. Den Einband schmücken ein eingeprägter Schriftzug „Klein-Gerdha“ und ein Schneeglöckchen<br />
aus Messing. Es beginnt mit ihrer Geburt 1901. Das „h“ in ihrem Namen wird später weggelassen.<br />
1989<br />
Hilde notiert genau das Gewicht und die Nahrungsaufnahme.<br />
Die Liste endet mit Gerdhas Gewicht nach einem Jahr: 10110<br />
Gramm. Das sorgfältige <strong>Buch</strong>führen ist ein Beispiel für die<br />
„Ordnung der Mutter“.<br />
Geboren am 26. Dezember 1901<br />
früh 9 ¼ Uhr wiegt Gerdha 6 Pfund.<br />
Vom zweiten Tage an nimmt sie alle<br />
4 Stunden Nahrung zu sich und hat<br />
nach der ersten Woche nur 200 gr.<br />
abgenommen.<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Ihre erste Reise trat Gerdha mit fast 6 Monaten an, nach den<br />
Laberhäusern im Riesengebirge, wo wir ein viertel Jahr verbrachten.<br />
Dort trank sie nur Ziegenmilch, die ihr ausgezeichnet<br />
bekam. Gerdha ist nun 5/4 Jahr alt und fängt endlich an zu<br />
sprechen. Hauptwort ist „Na“. Wenn ein Wasserhahn aufgedreht<br />
wird, am Eisschrank Wasser abgelassen, oder wenn es<br />
regnet, all das fasst sie in dieses eine Wort zusammen. Die<br />
Gesundheit ist leider nicht berühmt, die Farben verlieren sich<br />
trotz reichlicher Nahrungsaufnahme und Kleinchen wird immer<br />
magerer. Mit 19 Monaten endlich stellt sich ein heftiger Darmkatarrh<br />
ein und die Milch wird für zwei Monate ausgesetzt.<br />
Noch krank fahren wir mit dem Kind nach Charlottenbrunn,<br />
auch dort bessert sich der Zustand nicht, aber geistig entwickelt<br />
sich Gerdha ganz auffallend. Sie spricht alles nach und<br />
fast immer richtig, ist aber durch die Krankheit meist schlecht<br />
aufgelegt, weint andauernd und macht uns durch ihr Befinden<br />
rechte Sorge, so dass wir beschließen, in Breslau einen Kinderarzt<br />
zu konsultieren und die Abreise deshalb beschleunigen.<br />
Die Eisenbahn ist eine Marter, die dreistündige Fahrt wird von<br />
Gerdha schreiend zurückgelegt und ein Passagier nach dem<br />
andern verlässt entsetzt das Wagenabteil. Wir atmen erst auf,<br />
als wir am Ziele sind und schon am nächsten Tage gehe ich mit<br />
Gerdha zu einem Kinderarzt: Dr. Theinich verordnet eine ganz<br />
andere, die vegetarische Lebensweise! Das Kind wiegt nur<br />
noch knapp 23 Pfund, hat tiefe, dunkle Ränder um die Augen<br />
und eingefallene Schläfen. Ihr Aussehen erbarmt, so leidend<br />
ist es. Die neue Kur schlägt aber augenblicklich an, der Appetit<br />
hebt sich und die grünliche Gesichtsfarbe verliert sich. Das<br />
Körpergewicht ist zum Stillstand gebracht, und das Wesen heitert<br />
sich merklich auf, und im Oktober, als Ursula geboren wird,<br />
sind wir über die Sorgen hinweg, das Kind blüht von da ab auf,<br />
nimmt tüchtig zu und ist meist heiter. [...] Sie spricht in ganzen<br />
Sätzen und spricht von sich aus „ich“. Das Kleinchen Ursula<br />
(Ursel) wird zärtlich geliebkost „mein Kleines“ genannt, und hat<br />
durch die Liebkosungen schon einige Beulen davongetragen.<br />
Das tägliche Bad interessiert sehr, aber die erste Flasche wird<br />
ihr nicht gegönnt und Gerdha fühlt sich in ihrem Recht beeinträchtigt.<br />
erdha Warmuth<br />
Gewicht<br />
nach der 2ten Woche 3000 gr<br />
nach der 3ten Woche 3350 gr.<br />
nach der 4ten Woche 3580 gr.<br />
jedesmal gegen 80 gr.<br />
nach der 5ten Woche 3715 gr.<br />
beim Trinken oder 7 Strich<br />
nach der 6ten Woche 3960 gr.<br />
Gerdha nimmt jetzt alle drei Stunden<br />
Nahrung zu sich, mit einer sechs-stündigen<br />
Pause während der Nacht.<br />
meine Mutter
37<br />
Eigensinn wird nicht gebrochen,<br />
sondern als matriarchaler Persönlichkeitszug<br />
anerkannt.<br />
Die Mutter achtet auf die Sprache ihrer Tochter.<br />
Gerdha ist stets höflich, das Wort „bitte und danke“ spielt eine<br />
große Rolle und wer niest, wird sofort mit einem „Prost“ bedacht,<br />
ohne Unterschied auch Ursula und sogar Hansel, der Hund, der<br />
auch beim Pferdespiel und Reigentanzen unentbehrlich ist. Die<br />
Freunde des Hauses kennt sie alle und begrüßt sie stets mit heller<br />
Freude, ist überhaupt sehr gesellig. Nun wird ein photographischer<br />
Apparat angeschafft, zuerst lässt sich Gerdha sehr gern aufnehmen<br />
und „Muttel, knips mal“ ist häufiger Wunsch, doch Stubenaufnahmen<br />
bei Blitzlicht verleiden ihr bald das neue Vergnügen und<br />
es fällt schwer, eine Aufnahme von ihr zu machen.<br />
In der damaligen Zeit war das Photographieren für Frauen noch<br />
ungewöhnlich; – die Großmutter wird geehrt und besucht:<br />
Die Mutter wird auf’s Zärtlichste geliebt. Im Alter von 2 ½ Jahren<br />
siedeln wir nach Hultschin über, wohin Vater als Amtsrichter berufen<br />
worden ist. Meta und Martha ziehen mit. Somit macht der Umzug<br />
auf die Kinder nur wenig Eindruck. Bei Großel Schmidt wird die<br />
letzte Breslauer Nacht verbracht, dann geht’s mit der Puff-Puff gen<br />
Süden. Viel Unbequemlichkeiten, bis endlich die Möbel angekommen<br />
sind und der Neubau soweit behaglich eingerichtet ist. Doch<br />
die Kinder sind brav und erschweren’s uns nicht. [...] Der Winter<br />
kommt, mit ihm zeigt sich erst das schlechte Klima dieses oberschlesischen<br />
Winkels. Mutter kränkelt und kann sich nicht recht<br />
erholen. Da heißt’s plötzlich, mit beiden Kindern zu Großmutter<br />
von Heigel nach Riva fahren. Mitte Februar geht’s los, über Wien<br />
zur Südbahn und Meta fährt mit. Die ganze Nacht sitzt Gerdha auf<br />
Muttels, Ursel auf Metas Schoß. Die Bahn ist überfüllt, eine Erlösung<br />
die endliche Ankunft nach fast 24 stündiger Fahrt. [...]<br />
Hilde unterrichtet ihre Tochter selbst.<br />
Ostern ist Gerdha schulpflichtig. Ich will ihr aber die goldene Freiheit<br />
noch etwas gönnen, unterrichte sie das erste Schuljahr allein.<br />
Die Hölle war’s und ich warne jede Mutter. Nun war’s bei Gerdha<br />
freilich doppelt schwer. Sie ist linkshändig, von klein auf wurde für<br />
alle schwierigen Handgriffe die linke Hand benützt. So auch beim<br />
Schreiben. Unendliche Mühe kostet es, ihr den Stift in die Rechte<br />
zu gewöhnen, die <strong>Buch</strong>staben wollen gar nicht werden. Über,<br />
unter der Linie wälzt sich ein unkenntliches „Etwas“, oder soll’s ein<br />
<strong>Buch</strong>stabe sein? – Als ich im Oktober meine Glanzschülerin der<br />
Schulvorsteherin präsentiere, versteinert diese zusehens vor Entsetzen<br />
über Gerdhas Leistungen und meine Schule. Sie hat es mir<br />
wohl später im Stillen abgebeten, denn auch in ihrer Schule hat es<br />
Monate gekostet, ehe das Händchen auch nur etwas geschickter<br />
werden wollte. Sieht niemand zu, so wird die Feder wie die Nadel<br />
schnell in die Linke geklemmt.<br />
Auch unser liebes „Schreikind“ verbreitet<br />
zuerst Entsetzen. Dauert nicht<br />
lange, so wird mir das Kind einmal<br />
aus der Schule heimgebracht, hat<br />
dort derart geschrien, dass sie den<br />
Unterricht in allen Klassen störte und<br />
ließ sich auf keinerlei Beruhigungsversuche<br />
ein. Ja, bockig war die kleine<br />
Göre immer. Schlug man sie, so<br />
nutzte das wenig und sperrte ich sie<br />
ein, so blieb sie lieber stundenlang<br />
in einem eher ungastlichen Raum,<br />
ehe sie sich entschlossen hätte, um<br />
Verzeihung zu bitten. „Komm, bitt‘ ab,<br />
Gerdha“ – „Da bleib ich lieber eingesperrt!“<br />
Schwer! – Was tun?<br />
Die Mutter fördert die Bildung der<br />
Tochter.<br />
Das Lernen geht, immer in der goldenen<br />
Mittelstraße der Klasse hält<br />
sie sich nach der ersten, schwersten<br />
Lernzeit. Ein bissel fahrig, ein bissel<br />
faul, ein bissel verspielt. – In jeder<br />
Not hat sie einen treuen Tröster,<br />
der nie versagt: Wupp, den Daumen<br />
in den Mund! Mit Schwesterchen<br />
wird viel gespielt und viel gezankt.<br />
Die Schularbeiten werden nur ganz<br />
nebenbei behandelt. [...] Neues Leid<br />
bringt die 7. Klasse, will doch die<br />
neue Fremdsprache zuerst gar nicht<br />
in den kleinen Kopf hinein. Über 12<br />
Vokabeln paukt man fast den ganzen<br />
Nachmittag und auch dann wollen<br />
sie noch nicht ordentlich sitzen. Über<br />
den ersten Zwischenfall, in der 9 ten<br />
Klasse, habe ich von Gerdha selbst<br />
später Aufklärung erhalten. Fräulein<br />
Jakob hatte Gerdha aufgetragen, mir<br />
auszurichten, ich hätte das Schulgeld<br />
vergessen zu zahlen. Ich hatte es natürlich<br />
bezahlt und konnte das auch<br />
in meinen Ausgabenbüchern feststellen.<br />
Da entfuhren mir im Ärger die<br />
Worte: „Ich habe es ja längst bezahlt,<br />
da soll doch die Gans in ihren Büchern<br />
nachsehen und nicht verbummeln<br />
zu quittieren.“ Gerdha soll am<br />
nächsten Morgen ausrichten, dass
38<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
das Geld längst bezahlt ist. Ihr aber haben wohl die<br />
Worte des Nachsatzes am meisten imponiert und<br />
wörtlich richtet sie aus: „Meine Muttel hat gesagt,<br />
sie hätte es längst bezahlt, da soll doch die... usw.“<br />
Heut’ natürlich bin ich Frl. Jakob dankbar, dass sie<br />
die Angelegenheit so freundlich verschleiert hat.<br />
Gerdha aber, die sich in ihrem Recht gekränkt fühlte,<br />
erhob deshalb damals ihr fürchterliches Gebrüll,<br />
sah sie doch keinen Grund dafür ein, für mich zu<br />
leiden und in einem Zimmer eingesperrt zu werden.<br />
Um so heldenhafter war’s, dass sie mir damals den<br />
wirklichen Grund verheimlichte. [...] Mit ihren Freundinnen<br />
ist Gerdha nicht intim, ist auch in ihrem<br />
Wesen, sobald sie Gäste hat, unnatürlich. Sie hält<br />
sich stets zu mir und ist wenig selbständig.<br />
Puppenspiel bereitet auf die Mutterrolle vor.<br />
Die Puppen werden aber leidenschaftlich geliebt,<br />
gepäppelt und bemuttert. Jeden Abend werden<br />
sie alle ausgezogen ins Puppenbettchen (es hat<br />
zum Glück eine Länge von einem Meter und die<br />
entsprechende Breite) gelegt und jeder ein Kuss<br />
aufgedrückt. Sind die Püppchen noch nicht im Bett,<br />
so kann auch Klein Gerdha unmöglich schlafen<br />
gehen. Oft wurde Großmutter in Warmbrunn besucht.<br />
Viel frohe Ferien wurden bei ihr verlebt. Der<br />
Sommer wie der Winter brachten dort ihre Freuden.<br />
Jahre ist’s her, da flog mal ein Storch über Großels<br />
Dach. Gerdha sieht ihm sehr interessiert nach und<br />
meint dann ruhig: „Da wird wohl die Großel ein Kind<br />
bekommen.“ Gerdha macht weiter ihre Sache in<br />
der Schule, immer die goldene Mittelstraße. Hat sie<br />
Arbeiten zurückbekommen, so hält sie das nicht für<br />
nötig, mir zu vermelden. Darüber von mir zur Rede<br />
gestellt, meint sie seelenruhig: „Wenn ich dir nun<br />
heut’ gesagt hätte, dass ich eine sehr gute Arbeit<br />
zurückbekommen habe, dann müsste ich es dir ja<br />
auch melden, wenn ich andermal eine Schlechte<br />
zurückbringe.“<br />
Mit dem Kind wird gebetet. Spiritualität ist eine<br />
Grundlage im Matriarchat.<br />
Als kleines Mädchen hat sie mich mal gefragt, ob<br />
der liebe Gott Joseph heiße. Auf meine überraschte<br />
Anfrage, wie sie darauf käme, erklärte sie das sehr<br />
einfach: „Der liebe Gott muss doch Joseph heißen,<br />
denn er ist doch der Vater vom Jesuskindel und<br />
der hieß Joseph.“ Im Gebet: „Gott, mein Gott kann<br />
vor Gefahren ...“ usw. verdreht sie die Stelle, ohne<br />
dass ich’s merke, in: „Gott, mein Gott kam vorgefahren“,<br />
bis ich durch ihre Anfrage: „Warum kommt<br />
Er denn vorgefahren?“ darauf aufmerksam wurde.<br />
Gerdha bleibt linkshändig, sie wird ein großes und<br />
sehr kräftiges Mädel, hat aber keinerlei Ehrgeiz und<br />
keinen Unternehmungsgeist. Sie hat nicht zu viele<br />
Freundinnen und ist auch mit diesen nicht intim,<br />
hält sich vielmehr immer ans Haus und die Familie.<br />
Am Brüderchen hängt sie sehr und ebenso groß wie<br />
die Freude über seine Geburt, ist der Schmerz über<br />
seinen frühen Heimgang. Oft werden Reisen unternommen,<br />
meist zu Großel <strong>Clara</strong> ins Riesengebirge<br />
[...] Gerdha fühlt sich überall wohl und wird gern als<br />
Gast gesehen, lässt sie doch ihre Fehler bei solchen<br />
Gelegenheiten daheim. - Die Jahre fliehen pfeilgeschwind,<br />
Gerdha wird im März 1917 konfirmiert und<br />
verlässt am 26. März 1918 die Schule. Ihr Abgangszeugnis<br />
ist nicht schlecht, doch zu weiteren Studien<br />
verspürt sie keine Lust. Wir schieben deshalb eine<br />
Berufswahl hinaus [...] Also Gerdha bleibt vorläufig<br />
daheim, ich würde sie auch jetzt während der<br />
Kriegszeit ungern fortgeben. Sie hilft in Haus und<br />
Garten und spielt viel mit dem kleinen Schwesterchen,<br />
unserem Sonnenschein, der am 29. Januar<br />
1916 geborenen Ilse-Senta.<br />
Das Malen habe ich von meiner Mutter geerbt.<br />
Daheim in Jauer stürzt sich Gerdha jetzt auf die<br />
Malerei. Sie scheint Talent zu haben, und ich habe<br />
Freude an ihren Fortschritten. [...] Von Neujahr<br />
an geht’s in die Schneiderstunde, das macht viel<br />
Freude, und ganz regelmäßig sitzt Gerdha von 8<br />
– 12 Uhr unter den Nähmädchen der Frl. Keil, die<br />
ihre Sache ausgezeichnet zu verstehen scheint.<br />
Ein Kunstwerk nach dem andern entquillt Gerdhas<br />
linker Hand und so schafft sie sich nach und<br />
nach eine ganze Ausstattung für das beabsichtigte<br />
Pensionsjahr in irgendeiner Maidenschule in Mitteldeutschland.<br />
Der Vater hat als Beschützer und Unterstützer der<br />
Mutter eine wichtige Rolle.<br />
Vater will nach Rudolfstadt hinfahren und sich die<br />
Schule ansehen, danach werden dann Entschlüsse<br />
gefasst werden.
39<br />
meine Mutter und ich an der Ostsee<br />
Gerdha, Ursula und Baby Ilse-Senta<br />
Gerdha in England<br />
Gerdha mit Tochter Renate und<br />
Enkeltöchtern Sonja und Kathy
40<br />
Gerdha, Hildegard, <strong>Clara</strong><br />
1927<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50<br />
cm, Köln 2006/2007]
41
42<br />
Maria Friederike Kirsten<br />
verheiratete Haas,<br />
geboren 1935 in Berlin-Dahlem,<br />
Selbstportrait mit 23 Jahren.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
43
44<br />
Meine Mutter – evangelisch erzogen und mit der Eheschließung katholisch konvertiert – schreibt vor meiner Geburt<br />
im „Haus und Familienbuch von Peter u. Gerdha“:<br />
Maria kam, und keiner hat es erkannt, ich wurde monatelang auf Gallenblase behandelt. Da kam Hans-Günther [Arzt,<br />
Ehemann von Gerdas Schwester Ursula], der mich sehr genau kannte, und sagte: „Alle Ärzte irren, es ist ein Kind unterwegs“!<br />
Peter musste den Ärzten und meinen Eltern versprechen, dass nie mehr ein Kind käme, weil ich bei Dörte<br />
beinahe gestorben bin. Er beschwor mich, auf dieses Kind zu verzichten. – Ich bat die Gottesmutter darum, das Kind zu<br />
erhalten, es würde dann keinen anderen Namen als Maria bekommen!<br />
1989<br />
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1935<br />
1901<br />
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1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Im „Lebensbuch von Gerdha über<br />
Maria Friederike“ schreibt meine<br />
Mutter:<br />
Maria Kirsten heißt unser Minzelchen<br />
auf ihrer ersten Urkunde. Auf<br />
Großvaters Wunsch wird aber noch<br />
eine kleine Namensverlängerung<br />
vorgenommen, nun heißt sie „Maria<br />
Friederike“.<br />
Es ist ein sonniger erster Adventssonntag,<br />
als unser Kleinchen sich<br />
anmeldet. Früh flicht Mutter den<br />
Adventskranz für ihre großen beiden<br />
Töchterchen und dann geht’s im<br />
Auto mit Vati nach (Berlin-)Dahlem.<br />
Hier im „Haus Lenzallee“ in Dahlem<br />
bei den guten Grauen Schwestern<br />
erblickt Klein Maria am 2. Dezember<br />
morgens um ½ 2 Uhr das Licht<br />
der Welt. Ein reizendes Kerlchen ist<br />
sie, mit ganz hellen Härchen ist das<br />
Köpfchen bedeckt. [...]<br />
Nach sechzehn Tagen fahren die<br />
stolzen Eltern mit dem Kind nach<br />
Haus, wo der Opa als erster es<br />
begrüßt. Schön geschmückt ist<br />
die Wohnung, und überglücklich<br />
begrüßen Renatchen und Dorle den<br />
kleinen Erdenbewohner. Papi hat<br />
ein reizendes Bettchen gezimmert,<br />
in das Kleinchen nun einzieht. [...]<br />
Im Juni fängt Kleinchen zu husten<br />
an, ißt nicht mehr, und wird von Tag<br />
zu Tag kränker; auch Dorle hustet<br />
und bricht. Der Keuchhusten ist<br />
eingezogen. Was ist da zu tun? Luftveränderung,<br />
das altbewährte Mittel<br />
wird sicherlich helfen. Ich packte<br />
das Kind mit seinem Wägelchen<br />
zusammen und fahre mit ihr zum<br />
einzigen Besuch bei der Urgroßoma.<br />
Die 84jährige alte Dame ist<br />
glücklich, das jüngste Urenkelkind<br />
noch zu sehen. Wir wohnen in ihrer<br />
Nähe und können sie täglich besuchen.<br />
Sie sitzt mit uns im Garten<br />
und schon nach paar Tagen ist die<br />
Macht der Krankheit gebrochen.<br />
[...] Ein zeitiger Frühling beginnt und<br />
wir beginnen mit dem Hausbau. [...]<br />
Minz spricht jetzt sehr niedlich, sie<br />
hat nie Kinderdeutsch gelernt, sondern<br />
drückt sich stets hochdeutsch<br />
aus. Natürlich klingt es manchmal<br />
ganz ulkig, was sie plappert. Sie<br />
rennt immer strahlend umher,<br />
läßt sich von Papi auf die kleinen<br />
Obstbäume heben, hilft sickern<br />
[düngen mit Jauche] oder trägt im<br />
Gießkännchen Wasser an die neuen<br />
Pflänzchen. [...] Ostern werden die<br />
Eier zum ersten Mal im eigenen<br />
Garten gesucht. Sie hält selbst<br />
ihr Körbchen, bedauert aber, daß<br />
der Osterhase nicht zu sehen ist.<br />
[...] Tante Ille [Schwester Gerdhas]<br />
wohnt seit Vaters Tode ja bei uns,<br />
sie hat den Puppenpark um Häsekin<br />
vermehrt, die sich bestens mit Max<br />
und Moritz, mit Dornröschen und<br />
Rotkäppchen verträgt. [...]<br />
Juli 1941. Berlin Kleinmachnow.<br />
Zwei Jahre sind seit der letzten<br />
Eintragung verflossen, die uns dabei<br />
wie Tage vergangen sind. Minz ist<br />
nun fünfeinhalb Jahre alt. Sie ist<br />
noch immer zierlich und zart, blondhaarig<br />
und rotbackig, dazu jetzt im<br />
Hochsommer braungebrannt wie<br />
ein Negerlein. [...] Sommerliches<br />
Treiben erfüllt also unser Haus, und<br />
Maria Friederike Kirsten<br />
wenn dann Renate oder Dörte das<br />
Schwesterchen auf’s Rad packen<br />
und mit ihr zum Wannsee baden<br />
fahren, dann ist die Freude ganz<br />
groß. [...] Im Winter aber hat sich<br />
Minz als große Rodlerin betätigt, sie<br />
sitzt dann auf ihrem kleinen Schlitten<br />
und fährt zum Ergötzen der<br />
Zuschauer steile Bahnen oder im<br />
Walde gebildete Schneehügel ohne<br />
jede Angst hinab. Selber zieht sie<br />
ihr Gefährt dann wieder in die Höhe<br />
und kann nie genug von diesem<br />
Vergnügen bekommen. Brennend<br />
gern fährt sie mit mir nach Berlin<br />
oder Potsdam einkaufen. Wie ein<br />
Mäuschen so still sitzt sie in der<br />
U-Bahn und ist auch überall in den<br />
Geschäften strahlend artig, bettelt<br />
nicht und läßt sich als Abschluß bei<br />
„ZUNZ“ den Pudding mit künstlicher<br />
Schlagsahne schmecken. [...]<br />
Auch der Nachmittagsspaziergang<br />
der Eltern wird meist mitgemacht.<br />
Sie trippelt dann zwischen uns<br />
und will gern unterhalten sein. Sie<br />
freut sich über jedes Tierchen, das<br />
vorbeihuscht und beobachtet mit<br />
Vergnügen die Vögelchen im Walde,<br />
aber auch im Garten. [...] Gern<br />
teilt sie mit ihren kleinen Freunden<br />
Keks und Bonbons. Sie tröstet stets<br />
denjenigen im Spiel, der unter den<br />
Anderen zu leiden hat. Sie ist meist<br />
mit Jungens zusammen und daher<br />
an lebhafte Spiele gewöhnt, was sie<br />
jedoch nicht abhält, stundenlang<br />
mit Inga mit den Puppen zu spielen.<br />
Genau wie Dörte spielt sie wie<br />
ein Mütterchen mit ihren Kindern,<br />
ich
45<br />
füttert sie, spricht mit ihnen und<br />
nennt sie mit bestimmten Namen.<br />
[...] Die Winter sind hier draußen<br />
oft kalt, dann sitzt man gern in<br />
Minzens geheiztem Gemach, ich an<br />
der Nähmaschine und sie mit dem<br />
Malbuch beschäftigt. Sie tupft ganz<br />
sauber und tadellos. [...] In jedem<br />
Jahr besucht uns Patentante Gisela,<br />
die sehr von allen geliebt werdende<br />
Breslauer Tante. Sie und Tante Ille<br />
bringen den Kindern viel Freude ins<br />
Haus, beide sind jung und passen<br />
sich den Mädels an. [...] So lebt also<br />
Maria Friederike weiter zusammen<br />
mit Vati, Mutti, Renate und Dörte,<br />
nicht zu vergessen Hertel, die sehr<br />
an dem Kinde hängt, ihr frohes<br />
schönes Kinderdasein und ist unser<br />
süßer kleiner Liebling.<br />
Im „Haus- und Familenbuch von Peter und Gerda Kirsten“<br />
schreibt Mutter Gerdha in den 1950er Jahren:<br />
Wenige Menschen haben das Glück einer harmonischen Kinderzeit<br />
vergessen können; man nimmt die Erinnerung daran durch‘s<br />
ganze Leben mit. Ihr drei Mädel seid in der Athmosphäre friedlicher<br />
Zusammenarbeit aufgewachsen und habt Freud und Leid<br />
mit uns Eltern geteilt. Fast nie gab es Zank zwischen euch und<br />
ich betrachte es als schönsten Lohn unserer Beziehung, wenn<br />
das auch in späteren Jahren so bleiben wird. [...] Das Mariakind<br />
ist Mutters liebstes, ich habe sie mit allen Fasern des Herzens erkämpft<br />
und erwünscht, sie gehört uns Dreien zusammen. Keines<br />
meiner Kinder hat in meinem Herzen einen Sonderplatz, aber<br />
Maria ist so jung gewesen, als unser Vater uns verlassen musste,<br />
er hat sehr an ihr gehangen, wollte ihre Erstkommunion so gerne<br />
mitfeiern und hat gehofft, auch ihr Heranwachsen zu betrachten.<br />
Nun müssen wir dafür sorgen, ihre guten Anlagen zum Entfalten<br />
zu bringen. Sie lernt leicht und hat eine gesunde Auffassungsgabe.<br />
Ihre Liebe zu Blumen und Tieren spricht für ein gutes Herz,<br />
wenn nicht Eitelkeit und Leichtgläubigkeit von ihr Besitz ergreifen,<br />
so werden wir in ihr einen tüchtigen Menschen heranziehen<br />
können.
46<br />
1989<br />
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1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Unser Haus mit dem großen Garten im Vorort Berlins ist mit dem Ende des Zweiten<br />
Weltkriegs russisch besetzte Zone, später DDR geworden. Mein Vater lebt nicht mehr,<br />
und so verlassen wir alle vier Frauen unsere Heimat. In Wiesbaden, im sogenannten<br />
„Goldenen Westen“, finde ich Arbeit, heiratet und bringe meinen Sohn zu Welt. Mit<br />
fünfzig Jahren studiere ich Sozialpädagogik, lerne malen, und beginne, mich mit Genealogie<br />
zu befassen.<br />
Viele Bilder von Heiligen Frauen habe ich gemalt.<br />
Dann faszinierten mich die alten Tagebücher<br />
meiner Mutter, Großmutter und Urgroßmutter<br />
<strong>Clara</strong> und ich gewann die verstorbenen Ahnfrauen<br />
lieb. Daraus ergab sich fast wie von selbst die<br />
Matriarchatsforschung. Das Wissen der Mütter<br />
darf nicht verloren gehen; was die Frauen unserer<br />
Familie in ihren Tagebüchern und Lebensbüchern<br />
mitteilen wollten! Daraus ist nun dieser<br />
Bildband entstanden, in dem die Mütter und<br />
Töchter abgebildet sind und in ausgewählten<br />
Zitaten zu uns sprechen. Viel Erfahrung überliefern<br />
sie uns, viele Talente und Eigenschaften<br />
vererben sie an die Nachgeborenen. Es sind die<br />
Wurzeln, die uns nähren, und so ist es unsere<br />
Aufgabe, die zu pflegen.<br />
Auch für andere Frauen soll dieses <strong>Buch</strong><br />
eine Inspiration sein, nach ihren Müttern und<br />
Vormüttern zu fragen, weil sie uns Heutigen etwas<br />
Wichtiges über die moderne Frauenbewegung<br />
zu sagen haben.<br />
Das Christliche Weltbild liegt den Schriften<br />
der Mütter und Töchter zugrunde. In diesem spirituellen<br />
Sinne ist es mein Ziel, einen sog. Virtuellen<br />
Mutter-<strong>Clan</strong> (VMC), wie damals bei der<br />
Tochter Israels, Dina (s. S. 16 f.), aufzubauen,<br />
indem man die Frauen herausfindet, die mütterlicherseits<br />
miteinander verwandt sind und sie<br />
miteinander vernetzt.<br />
Die Ehemänner sind auch bedeutsam, weil<br />
sie die Leistungen der Frauen achten und sie unterstützen.<br />
Im „Virtuellen Matriarchat“ – Erläuterung<br />
dazu im Vorwort meines Sohnes Martin zu<br />
diesem, hier vorliegenden <strong>Buch</strong> – gibt es keine<br />
Herrschaft der Frauen über die Männer, sondern<br />
die jüngste Tochter der jüngsten Tochter ... der<br />
<strong>Clan</strong>-Mutter ist die „Virtuelle Matriarche“ und sie<br />
koordiniert die gemeinsame Meinungsbildung.<br />
Entscheidungen werden im Konsens getroffen.<br />
Nachhaltigkeit, Liebe in der Familie, insbesondere<br />
zwischen den Frauen und Kindern, Spiritualität,<br />
Humor und Lebensfreude sollen im Virtuellen<br />
Matriarchat die vorrangigen Merkmale sein.<br />
Pau<br />
eine
47<br />
se mit Schulfreundinnen während der Abiturprüfungen,<br />
Partie Skat, links ich<br />
auf den Schößen meiner Schwestern Renate und Dörte<br />
mit Schwestertochter Sonja in England<br />
auf der Dokumenta in Kassel, überschwänglich begrüßt von<br />
Marianne Pitzen, Direktorin des Frauenmuseums Bonn
48<br />
Maria Friederike Kirsten-Haas<br />
verheiratet geschieden Dr. Ing. W. Haas,<br />
geboren 1935 in Berlin-Dahlem,<br />
Selbstportrait mit 70 Jahren.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 28.02.2007]
49
50<br />
A
nni<br />
Das virtuelle Interview zum<br />
Thema: „Virtuelles Matriarchat“<br />
– mit Dipl. Sozialpädagogin<br />
Frau Maria Friederike<br />
Kirsten-Haas (81) und<br />
ihrer virtuellen Tochter und<br />
Matriarche Anni (42)<br />
Eigentlich sollte man erst dann Guru oder Priester<br />
werden, wenn man/frau Selbstverwirklichung erlangt<br />
hat, also fest in der Transzendenz verankert<br />
ist, wodurch man ohne äußere Führung auskommt.<br />
Eine Matriarche, die den <strong>Clan</strong> führt, muss also<br />
selbstverwirklicht sein. Falls das nicht der Fall ist,<br />
lässt sich eine virtuelle Matriarche etablieren, die<br />
dann „imaginär selbstverwirklicht“ ist. Unser <strong>Buch</strong><br />
„<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>“ ist ein Prozess, ein innerer Weg. Indem<br />
wir an ihm arbeiten, arbeitet das <strong>Buch</strong> an uns,<br />
oder die unsichtbare Welt hinter dem <strong>Buch</strong>, unsere<br />
Ahninnen, arbeiten mit uns. Das folgende imaginäre<br />
Interview gibt einen Einblick in diese virtuelle matriarchale<br />
Welt.<br />
Virtuelle Matriarche Anni: Liebe Maria Friederike,<br />
ich bin ja als deine virtuelle Tochter intuitiv eng<br />
mit dir verbunden, weil ich unsichtbar bereits<br />
lange in einer spirituellen Dimension existiert<br />
habe. Viele Frauen wissen, dass die feminine<br />
Intelligenz des Universums jetzt das Patriarchat<br />
durch matriarchale Elemente überwinden, erneuern<br />
oder zumindest ergänzen möchte. Dazu<br />
kann vielleicht auch eine solche Arrangierung,<br />
wie wir sie mit mir hier und heute haben, hilfreich<br />
sein. Mein älterer Bruder Martin ist bei unserem<br />
Interview jetzt auch mit dabei und schreibt meine<br />
Fragen auf, und auch deine Antworten, liebe<br />
Mutter Maria-Friederike, weil ich als Puppe ja<br />
(noch) nicht wirklich reden kann. Das Interview<br />
beginnt jetzt, und meine erste Frage ist folgende:<br />
VMA: Liebe Mutter, mit 48 hast du ein Studium an<br />
der Fachhochschule für Sozialpädagogik in Köln<br />
begonnen und emanzipatorische und feministisch-theologische<br />
Denkansätze kennengelernt.<br />
Sieben Jahre später ist deine Ehe, die sehr patriarchalisch<br />
war, geschieden worden. Wie war das<br />
für dich damals?<br />
Maria Friederike: Ja, das war erst mal ziemlich<br />
schwierig für mich, denn ich war all die 25 Jahre<br />
lang eine treue Ehefrau, „Nur-Hausfrau“ und<br />
Mutter gewesen und hatte das damalige sehr<br />
patriarchalische Denken internalisiert. Aber die<br />
Umstände zwangen mich, neue Wege zu gehen.<br />
An der Fachhochschule für Sozialpädagogik in<br />
Köln lernte ich in den Seminaren zu Psychologie<br />
und Soziologie die Professorinnen Dr.innen Brigitte<br />
Dorst und Maria Mies kennen und erfuhr<br />
erstmalig etwas über alte matriarchale Kulturen.<br />
VMA: Und wie bist du dann dazu gekommen, dich<br />
auch mit den Frauen deiner eigenen Familie intensiver<br />
zu befassen?<br />
MF: Die mir sehr freundlich gesinnte Frau Prof.in<br />
Dorst zeigte mir zuerst das Frauenmuseum Bonn<br />
und einige Jahre später dort, nach einem Vortrag<br />
von Claudia Werlhoff, unterhielt ich mich mit der<br />
Leiterin des Museums, Marianne Pitzen. Sie ermutigte<br />
mich, die weibliche Genealogie meiner<br />
Familie weiter zu erforschen und künstlerisch<br />
zu gestalten. Ich hatte auch mein Hobby Malerei<br />
nach abgeschlossenem Studium intensiv weiter<br />
mit Akademien vertieft. Außerdem hatte mein<br />
Sohn Martin damals über die Mormonenkirche<br />
viel mit Ahnenforschung zu tun gehabt und er<br />
half mir dabei, das Heft „Herstory – eine weibliche<br />
Genealogie“ als Ergänzung zu meinen Ölgemälde-Portraits<br />
unserer Ahnfrauen zusammenzustellen,<br />
als Beitrag dort zur Ausstellung „100<br />
Jahre Frauenwahlrecht“ im Jahr 2007.
52<br />
VMA: Wie hat sich dein Interesse dann von feministischer<br />
Kunst und Theologie auf die Matriarchatsforschung<br />
verlagert?<br />
MF: Ich wusste lange nichts von heute noch existierenden<br />
Matriarchaten. Aus meinem Studium<br />
waren mir nur dunkel die alten matriarchalen<br />
Kulturen, beispielsweise auf Malta, auf dem Gebiet<br />
der Türkei usw. in Erinnerung. Als ich dann<br />
vor wenigen Jahren einmal im Frauenmuseum<br />
Wiesbaden eine Ausstellung ansah, sprachen<br />
mich überraschenderweise Uschi Madeisky und<br />
Hemma Ecker amüsiert auf meine Schuhe an,<br />
weil sie „zufällig“ in den Frauenfarben Weiß, Rot,<br />
Schwarz waren. Ich wurde gleich spontan zu dem<br />
Treffen des MatriaVal Vereins eingeladen, wo ich<br />
auch Christa Mulack persönlich kennenlernte,<br />
die ich wegen meines Interesses an der feministischen<br />
Theologie sehr schätze. Damit begann<br />
meine Liebe zur Matriarchatsforschung!<br />
VMA: Mein Bruder, dein (realer) Sohn Martin, hat<br />
ja bei der Entwicklung des sogenannten „Virtuellen<br />
Matriarchats“ eine bedeutende Rolle gespielt.<br />
Wie würdest du dieses Konzept beurteilen?<br />
MF: Na ja, eher etwas kritisch: Er hat herausgefunden,<br />
dass im Gegensatz zum Patriarchat<br />
nicht der älteste Sohn sondern vielmehr die<br />
jüngste Tochter die Leitung der gesamten Familie<br />
übernimmt. In einem Matri-<strong>Clan</strong> wird diese jüngste<br />
Tochter dann die sogenannte Matriarche, und<br />
weil ich zufällig die jüngste Tochter meiner Mutter<br />
bin, kam er auf den originellen Gedanken,<br />
dass wiederum meine Tochter den virtuellen<br />
Matri-<strong>Clan</strong> seiner Großmutter führen sollte. Wir<br />
haben dann genealogisch geforscht und aufgeschrieben,<br />
wer alles zum <strong>Clan</strong> dazugehört. Die<br />
Ehemänner natürlich nicht, denn sie gehören ja<br />
zu dem Matri-<strong>Clan</strong> ihrer Mutter. Leider habe ich<br />
aber nur ihn als Kind. Er ist aber schon ein guter<br />
(Mutter-)Sohn, das muss ich doch immerhin sagen.<br />
Aber diese etwas ungewöhnliche Idee von<br />
ihm, dass ich dich, liebe Anni, eine Puppe, als<br />
„virtuelle Tochter“ und als real ansehen solle,<br />
hat mir erst mal einen Knoten in‘s Gehirn gemacht.<br />
Allerdings kann ich mich daran erinnern,<br />
dass ich als Kind immer mit einer imaginären<br />
Freundin namens Anni sprach, die alles sehr gut<br />
konnte und mir ein Vorbild war. Vermutlich kam<br />
er deshalb auf diese Idee. Jetzt muss ich halt irgendwie<br />
damit klarkommen, hier in meiner Wohnung<br />
ein virtuelles <strong>Clan</strong>-Haus und einen virtuel-
53<br />
len Familien-<strong>Clan</strong> zu haben ... Genauer gesagt,<br />
damit es in allen drei Generation eine weibliche<br />
und eine männliche Person gibt, haben wir vier<br />
virtuelle Familienmitglieder. Alles schön symmetrisch<br />
und „virtuell“.<br />
VMA: Wie kam mein Bruder denn auf den komischen<br />
Gedanken, mich als reale „Person“ zu installieren,<br />
obwohl doch jeder sehen kann, dass<br />
ich nur eine hübsche Puppe bin?<br />
MF: Ja wirklich, das ist eine gute Frage! Ich denke,<br />
das kam durch seine langjährige Beschäftigung<br />
mit der indischen Spiritualität. Dort gibt es ja bekanntlich<br />
diese sogenannten „transzendentalen<br />
Bildgestalten“. Wir würden vielleicht Götzen oder<br />
Götterbilder sagen, die von den Priestern wie reale<br />
Personen behandelt werden. Sie werden regelmäßig<br />
gewaschen, angekleidet, gefüttert und<br />
mit Räucherwerk sehr sorgsam und rituell in den<br />
Tempeln verehrt. Vermutlich hat er auch gehört,<br />
dass diese „Gottheiten“ manchmal den Priestern<br />
im Traum erscheinen oder tatsächlich Speisen<br />
oder Milch „zu sich nehmen“. Das konnte man<br />
sogar mal im Fernsehen mitansehen, im September<br />
1995, als plötzlich an einem bestimmten<br />
Tag die Götterfiguren von Millionen von Hindus<br />
Milch tranken.<br />
VMA: Und wie kommst du jetzt inzwischen mit mir<br />
klar, als „Virtueller Tochter u. Matriarche“?<br />
MF: Das geht eigentlich immer besser. Manchmal,<br />
wenn ich keine Lösung für ein bestimmtes<br />
Problem sehe, das mit dem Matri-<strong>Clan</strong> zu tun hat,<br />
frage ich dich einfach im Geist und dann kommt<br />
mir spontan eine zündende Idee. Es ist wirklich<br />
erstaunlich! Es scheint irgendwie doch zu funktionieren.<br />
Komisch, aber auch oft hilfreich!<br />
VMA: Ja, dann bedanken wir uns auch bei meinem<br />
lieben Bruder Martin für das Mitschreiben<br />
unseres (virtuellen) Interviews und überlassen<br />
es der gütigen Vorsehung, wie es mit unserem<br />
Virtuellen-Matri-<strong>Clan</strong> weitergehen wird. Hoffen<br />
wir das Beste, liebe Leserin, lieber Leser.<br />
MF: Ja, es war ein interessantes Gespräch, dir<br />
auch vielen Dank, liebe Anni, für die wirklich guten<br />
Fragen.
54<br />
Generation lila (S. 92)<br />
1989 Maria (S. 96)<br />
Generation blau (S. 86)<br />
**** virtuelle Anni (S. 50)<br />
1935 Maria F. (S. 42)<br />
Generation grün (S. 76)<br />
Generation gelb (S. 70)<br />
1901 Gerdha (S. 34)<br />
877 Hildegard (S. 28)<br />
1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />
1847 väterliche Helena (S. 64)<br />
1832 väterliche Ida (S. 60)<br />
1822 Maria L. (S. 20)<br />
1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />
Matrilinealität bedeutet,<br />
dass die mütterlicherseits miteinander verwandten<br />
Frauen im Fokus stehen; die Mütter der Ehemänner<br />
gehören deshalb nicht zu unserem <strong>Clara</strong><br />
<strong>Clan</strong>. Sie gehören ursprünglich dem <strong>Clan</strong> ihrer<br />
Mütter an. Mit der Heirat wechseln sie in den<br />
<strong>Clan</strong> ihrer Ehefrau über und wohnen auch dort.<br />
Die Frauen der folgenden Portraits bilden also<br />
sogenannte Parallelclans zu unserem <strong>Clara</strong><br />
<strong>Clan</strong>, weil sie die Mütter einiger Ehemänner sind.<br />
-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />
-1400 DINA und LEA (S. 16)
55<br />
II<br />
Die Gemälde<br />
A<br />
B Parallelclans – Einzelportraits 054<br />
C
56<br />
Johanna Dorothea Nehrich<br />
verheiratete Fritsch,<br />
geboren 1795 in Freiburg/Schlesien,<br />
gestorben 1867 in Dieban,<br />
meine Ururgroßmutter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
57
58<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
1847<br />
1832<br />
1795<br />
Johanna Dorothea, ihr Rufname ist Dorothea, das<br />
heißt: Geschenk Gottes. Sie ist die Tochter aus einem<br />
Posamentiergeschäft in Freiburg in Schlesien.<br />
Das Geschäft besteht noch 1940 als Familienbetrieb.<br />
Posamente werden zur Verzierung von Textilien<br />
mit Borten, Fransen, Litzen, Schnüre, Tressen benutzt;<br />
„Passer“, abgeleitet von französisch „passer<br />
= Fäden durchziehen“, da stoßen wir auf den matriarchalen<br />
Gedanken des Webens und Spinnens. Bis<br />
zu ihrer Heirat arbeitet Dorothea aktiv im elterlichen<br />
Geschäft mit: Es gehören handwerkliches Geschick<br />
und Kunstsinn zur Herstellung dieser schönen Borten.<br />
Sie ist ein religiöser Mensch. So heiratet sie mit<br />
24 Jahren den jungen Pfarramtskandidaten Wilhelm<br />
Traugott Fritsch. Das junge Paar siedelt nach Dieban,<br />
einem kleinen Landstädtchen in Schlesien, über. Dort<br />
nimmt Wilhelm Traugott die Pfarrstelle an und Johanna<br />
Dorothea wird Pfarrfrau. Mit 36 Jahren gebiert<br />
Dorothea ihre einzige Tochter Ida. Dorothea nimmt<br />
Anteil am Briefwechsel ihres Mannes mit anderen<br />
Geistlichen und Gelehrten. Noch später besitzen meine<br />
Eltern einen Brief von Ernst Moritz Arndt, der ein<br />
Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung<br />
war. In ihrer Lebenszeit der Romantik und des Biedermeier<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
wirken die Klassiker Goethe und Schiller, ebenso die<br />
Herausgeber von Volksliedern und Volksmärchen,<br />
die Gebrüder Grimm. Besonders die Volksmärchen<br />
deuten auf matriarchale Spuren hin. Meine Ururgroßmutter<br />
Johanna Dorothea erwirbt sich große Kenntnisse<br />
in der häuslichen Gesundheitspflege. Denn zu<br />
ihr als gebildeter Pfarrfrau kommen vor allem Frauen,<br />
die aus der reich ausgestatteten Hausapotheke<br />
gute Heilmittel erhalten. Linden- und Holunderblüten<br />
bei Erkältung, Pfefferminztee bei Koliken und Übelkeiten,<br />
die sie selbst gesammelt hat. Vor allem hat<br />
sie, als evangelische Pfarrfrau, die die Heilsbotschaft<br />
des Evangeliums von Jesus Christus bezeugt, auch<br />
immer ein gütiges, frommes und hilfreiches Wort für<br />
die Rat- und Trostsuchenden.<br />
Johanna Dorothea Nehrich<br />
väterlicherseits meine Urur
großmutter<br />
59<br />
aus Renates Ahnenbuch unserer Familie
60<br />
Ida Fritsch<br />
verheiratete Warmuth,<br />
geboren 1832 in Dieban/Schlesien,<br />
gestorben 1918 in Jauer/Schlesien,<br />
meine Urgroßmutter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
61
62<br />
Meine Urgroßmutter Ida ist eine Pastorentochter. Ihr<br />
Vater schreibt freudig über ihre Geburt (s. Seite 59):<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
1847<br />
1832<br />
1795<br />
Die heute vormittags 3/4 auf zwölf Uhr erfolgte<br />
glückliche Entbindung meiner guten Frau von<br />
einem gesunden Mädchen beehre ich mich ergebendst<br />
anzuzeigen. Dieban am 6. Mai 1832.<br />
W. T. Fritsch<br />
Pastor.<br />
Der Vater unterrichtet seine Tochter selbst; dadurch<br />
lernt sie auch Latein und Naturwissenschaften, was damals<br />
für Mädchen nicht üblich ist. Ihre Mutter bringt ihr<br />
Hauswirtschaft und Handarbeit bei. Später heiratet Ida<br />
meinen Urgroßvater, den Rechnungsrat Heinrich Warmuth,<br />
einen Witwer mit zwei kleinen Kindern. Sie leben<br />
in Glatz an der Neiße, ältester geschichtlich bezeugter<br />
Ort Schlesiens, einer schönen alten Festungsstadt.<br />
Und sie wird diesen und ihrem eigenen Sohn Fritz eine<br />
besonders gute aber sehr strenge Mutter. Sie ist eine<br />
neue Matriarchin: Mit unendlicher Liebe hängt sie an<br />
ihren Kindern und Enkelkindern. Sie schreibt viel ihre<br />
Gedanken auf und erzieht sie im christlichen Glauben.<br />
Ida ist das Vorbild einer guten Hausfrau und Mutter. Sie<br />
wird „Großel Rath“ genannt und meine Mutter verlebt<br />
in ihrer Kindheit jede Woche einen Tag bei ihr; sie bekommt<br />
dann stets ihre Lieblingsspeisen gekocht. Später<br />
noch hat meine Mutter ihr Kochbuch gern benutzt.<br />
Umgeben von ihren Kindern und Enkelkindern stirbt sie<br />
im hohen Alter von 86 Jahren in Jauer, wo ihr Sohn Fritz<br />
mit seiner Familie damals lebt.<br />
Sieh! Keinen Tropfen Wasser schlürft das Huhn,<br />
Ohn‘ einen Blick zum Himmel aufzuthun,<br />
Und ohne zuvor anbetend sich zum Staube<br />
geneigt zu haben, pickt kein Korn die Taube.<br />
Was sie bewusstlos tun, tu‘ Du es bewußt,<br />
Daß Du vor ihnen Dich nicht schämen mußt.<br />
– Friedrich Rückert<br />
Dieses deutsche Gedicht schreibt Ida auf ein<br />
Blättchen, das Renate später ins Ahnenbuch<br />
eingeklebt hat.<br />
In Ida haben sich in moderner Weise<br />
matriarchale Grundgedanken verwirklicht:<br />
Als religiöse Frau ist sie Ratgeberin<br />
und Vorbild für ihre Familie und eine<br />
liebevolle Mutter für ihre Kinder und<br />
Kindeskinder.<br />
väterlicherseits meine Urgroß
63<br />
mutter<br />
Idas Ehemann Heinrich Warmuth<br />
Ida mit <strong>Clara</strong>, unserer Urmatriarche<br />
Zeichnung von Ida: Kirche und Pfarrhaus von Dieban
64<br />
Helena Pinn<br />
verheiratete Kirsten,<br />
geboren 1847 in Schüller/Eifel,<br />
gestorben 1904 in Schüller/Eifel,<br />
meine Großmutter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Köln 2006/2007]
65
Helena Pinn<br />
66<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
Helena Pinn, meine Großmutter aus der Eifel, ist leicht an<br />
ihrer schwarzen Tracht mit Kopftuch auf meinem Portrait<br />
von ihr zu erkennen. Sie ist eine Bauersfrau und stammt<br />
von einem Erbhofbauernhof. Ihre Voreltern sind einst aus<br />
Frankreich eingewandert und hießen Pin. Der Bauernhof,<br />
wo sie geboren wurde, heißt Thomessen, nach ihrem Vater<br />
Thomas. Er liegt in Schüller in der Südeifel oder Vulkaneifel<br />
und ist noch heute von unseren Nachkommen bewohnt.<br />
Nach ihrer Heirat mit meinem Großvater Jakob Kirsten, der<br />
aus dem Nachbardörfchen Schönfeld stammt, erbaut sie<br />
von ihrem ererbten Geld- und Landbesitz ein verhältnismäßig<br />
großes Haus und errichtet dort ein Gemischtwarengeschäft,<br />
das erste im Ort. Es wird später Edeka und bis in die<br />
achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts ist es in unserem<br />
Familienbesitz. Früh verliert sie ihren Mann und steht<br />
als Witwe mit drei kleinen Söhnen, Geschäft und Landwirtschaft<br />
allein. Aber ihr Bruder, aus Geschwistertreue, hilft<br />
ihr. Mit Erlaubnis des Papstes tritt er, zu diesem Zweck, aus<br />
einem Kloster, in das er eingetreten war, wieder aus. Dieser<br />
Bruder Johann führt die Landwirtschaft und sie, seine<br />
Schwester, Familie und Geschäft. Alle drei Söhne lässt sie<br />
etwas werden. Sie ist eine sehr kluge, liebe und tüchtige<br />
Frau. Mein Vater schreibt über sie in seinem Lebensbuch:<br />
utter<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
1847<br />
1832<br />
1795<br />
„Meine Mutter ließ uns eine milde, durch ihr gutes Beispiel<br />
eindrucksvolle Erziehung zuteil werden.“<br />
Mein Vater ist ihr jüngster Sohn. Kurz nach Ende des Krieges schreibt Helenas Schwiegertochter<br />
Gerdha, meine Mutter, im Haus- und Familienbuch über Helenas Sohn Peter, meinen Vater:<br />
„Ende 1945 ist Vater, mein guter Mann, von einer Eskorte abgeholt worden, und wir haben nichts<br />
mehr von ihm gehört. Leise Hoffnung, ihn wiederzusehen, ist uns geblieben.<br />
[...]<br />
Vaters Stellung als Amtsgerichtsrat in Berlin und Dr. jur. war ein verantwortungsvoller Posten. Unendlich<br />
viel Menschen hat er uneigennützig Rat erteilt, nie Dank verlangt oder erwartet. Er hatte die<br />
Gabe, eine neue Materie schnell zu erfassen und sie dann gründlich zu erlernen. Das genügte ihm<br />
aber dann, er liebte keine großen Aktenberge und war nicht für tiefgründiges Schürfen, dazu war er<br />
viel zu sehr mit der Umwelt beschäftigt und fand den Alltag so interessant.<br />
Schon zeitig erkannte er, dass Hitler und sein Aufstieg, das ganze tausendjährige Reich, ein Bluff<br />
war und machte keinen Hehl aus diesem Wissen. Seine Familie, sein Haus und Garten, beschäftigte<br />
ihn so stark, die Schularbeiten der Kinder, seine Bücher und Liebhabereien waren ihm aber viel<br />
wichtiger als jede Beschäftigung mit Politik. –“<br />
-20<br />
-1400
67<br />
links unten das von<br />
ihr gebaute Haus<br />
mit ihrem Gemischtwarengeschäft<br />
Helenas Söhne Johannes, Nikolaus<br />
und Peter mit Schwiegertochter Agnes<br />
väterlicherseits meine Großm<br />
Helenas Spruchbuch,<br />
geschrieben mit 10 Jahren
68<br />
Generation lila (S. 92)<br />
1989 Maria (S. 96)<br />
Generation blau (S. 86)<br />
**** virtuelle Anni (S. 50)<br />
1935 Maria F. (S. 42)<br />
Generation grün (S. 76)<br />
Generation gelb (S. 70)<br />
1901 Gerdha (S. 34)<br />
877 Hildegard (S. 28)<br />
1853 <strong>Clara</strong> (S. 24)<br />
1847 väterliche Helena (S. 64)<br />
1832 väterliche Ida (S. 60)<br />
1822 Maria L. (S. 20)<br />
1795 väterliche Johanna (S. 56)<br />
-20 LoaN-pac. (S. 18)<br />
-1400 DINA und LEA (S. 16)
69<br />
II<br />
Die Gemälde<br />
A<br />
B<br />
C <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong> – Gruppenbilder 068
Meine Mutter Gerdha und ihre Schwestern<br />
Ilse-Senta Warmuth<br />
verheiratete Hirsch,<br />
geboren 1916 in Jauer/Schlesien,<br />
gestorben 1952 in Eisleben;<br />
und Ursula Warmuth<br />
verheiratete Kauffmann,<br />
geboren 1903 in Breslau/Schlesien,<br />
gestoreben 1997 in Wiesbaden;<br />
im Hintergrund Breslau und Gottesmutter Maria.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden Okt. 2015]
71
72<br />
1989<br />
****<br />
Rheinüberquerung! In der Mitte Tante Ursel und ich, links ihre Freundin<br />
Frau Marcinsky mit Töchterchen.<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Ursula Warmuth<br />
Ursula Kauffmanns älterer Sohn Hans-Jürgen ließ<br />
mich wissen:<br />
Meine Mutter wurde am 5. Oktober 1903 in<br />
Breslau geboren. Als Schlesierin war sie sehr gefühlsstark.<br />
Sie war eine sehr agile Frau, die hohe<br />
Ansprüche an sich selbst stellte. Da war beispielsweise<br />
ihr Ehrgeiz, im Sport richtig gut zu sein. Sie<br />
legte alle Sportabzeichenprüfungen ab, bis sie das<br />
„Goldene“ erhielt, auf das sie auch im hohen Alter<br />
noch wirklich stolz war.<br />
Dazu war sie sehr belesen. Diese Lesefreude<br />
war natürlich auch ein wichtiges Band zwischen<br />
meinen Eltern, und ihr Bücherschatz ist uns als<br />
Reichtum zum Glück noch erhalten. Über Alles<br />
liebte sie „ihren“ Goethe. Während der Kriegs- und<br />
Notzeiten hat sie viel Kraft und Trost in seinen Werken<br />
finden können.<br />
Liebevoll und auch zum Teil humorvoll hat sie<br />
1977 für meinen Vater zu seinem 75. Geburtstag<br />
einen Rückblick auf ihr Leben in Reimen zusammengestellt.<br />
Hier ein Auszug:<br />
meine Mutterschwester
73<br />
an der Ostsee: Tante Ursel mit ihren drei Nichten<br />
Renate, Dörte und mir, Maria, auf ihrem Arm<br />
mit ihrem Hund Percy<br />
1903<br />
In Breslau kam ich auf die Welt<br />
und weiß es nur vom Hörensagen<br />
Man dachte, dass mir‘s nicht gefällt:<br />
Kein Schreien, nur ganz leises Klagen.<br />
Geburtstag von Gerda zur Weihnachtszeit,<br />
da war für die Taufe alles bereit:<br />
„Ursula Erna Hildegard“!<br />
Das fand man damals sehr apart. [...]<br />
Unsere Mutter war die Seele vom Haus,<br />
und ging sie mit Vater am Abend aus,<br />
dann rauschten die Röcke aus Seide und Taft –<br />
das war für uns Kinder ganz märchenhaft!<br />
Sie neigte zu uns den schönen Kopf –<br />
zur Krone geflochten den dunklen Zopf<br />
und gab einen Kuss zur guten Nacht,<br />
dann wurde im Bett noch geschwatzt und gelacht.<br />
Sie sang und malte und spielte Klavier,<br />
liebte Hunde und Vögel und andres Getier,<br />
und sammelte schöne alte Sachen,<br />
die uns noch heute Freude machen.<br />
Wir haben auch sehr am Vater gehangen.<br />
Die Politik hat ihn später ganz eingefangen:<br />
Berlin und Reichstag und die Partei …<br />
Am Sonntag gab es dann Jubelgeschrei!<br />
Er brachte uns schöne Bücher zum Lesen,<br />
und ist meist heiter, humorvoll gewesen.<br />
1914<br />
Ein Jahr darauf brach der Weltkrieg aus.<br />
Die Mutter hatte in unserem Haus<br />
eine große Nähstube eingerichtet.<br />
Da lag der Flanell hoch aufgeschichtet<br />
blau-weiß gestreift für Soldaten im Bett,<br />
denn jeder Gasthof war Lazarett.<br />
Doch Puppenkleider ergaben die Reste.<br />
Das war für uns Kinder das Allerbeste!<br />
1916 – Ilse Senta<br />
Am fünfundzwanzigsten Januar<br />
der Klapperstorch war wieder da:<br />
Er brachte ein kleines Schwesterlein –<br />
„Dreimädelhaus“ soll es nun sein.<br />
Trotz Krieg und Hunger und bitterer Zeit<br />
war es die große Seligkeit,<br />
in die Wiege hinein zu schauen!<br />
Wir waren schon groß und genossen Vertrauen.<br />
Mit grauen Augen und blondem Haar:<br />
unser Baby war einfach wunderbar!
74<br />
74<br />
1989<br />
(ich)<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Im Lebensbuch für ihre Tochter Ilse-Senta schreibt<br />
Hildegard in den 1910er und 1920er Jahren:<br />
Es war am 25. Januar 1916 mittags gegen drei Uhr,<br />
da wurde uns unsere kleine Ilse-Senta geschenkt.<br />
Der Vater draußen in Polen, tobte doch der furchtbare<br />
Weltkrieg und brachte Leid und Trennung in jede<br />
Familie. Da konnte nur die Mutter umso wärmer ihr<br />
kleines Kriegsmädel ans Herz drücken.<br />
Freilich die Freude der Schwestern war unbeschreiblich.<br />
Die Älteste [Gerdha] 14 Jahre alt, lag gerade<br />
krank zu Bett, da ist sie vor Freude beinahe gesund<br />
geworden, als das Kleinchen ihr plötzlich quiekend<br />
den Antrittsbesuch machte. Ursel, 12-jährig, war<br />
nach der Schule bald zu Großel Warmuth [Ida] essen<br />
gegangen. Dort erreichte sie die frohe Botschaft, da<br />
gab’s kein Halten mehr und schon nach wenigen<br />
Minuten schloss auch sie das kleine Schwesterchen<br />
in die Arme.<br />
Kleinchen wog bei der Geburt 2.950 gr., hatte graue<br />
Augen, einen dunklen Schopf und ein rundliches,<br />
zierliches Körperchen. Mutter nährt sie selbst und<br />
freut sich über das gelehrige Töchterchen, das bald<br />
erfasst hat, wie es zu seiner Nahrung kommt, aber<br />
so energisch dabei verfährt, dass schmerzhafte<br />
Wochen folgten. Frau L., die tüchtige Pflegerin, bringt<br />
aber alles wieder ins rechte Gleis. Vater ist natürlich<br />
entzückt von seinem Mädel und ersinnt ihr den<br />
klangvollen Namen Ilse-Senta.<br />
Das erste Lächeln stellt sich im zweiten Monat ein.<br />
Ilse ist ein braves Kind, sie schreit nicht mehr als<br />
nötig und wir haben von Anfang an ruhige Nächte.<br />
lse-Senta Warmuth<br />
Schon nach acht Tagen macht sie nachts eine<br />
Pause von zehn Uhr bis früh um sechs.<br />
Am 9. April ist die [evangelische] Taufe durch<br />
Herrn Superintendant Maurer. Im Empfangszimmer<br />
ist der Altar hergerichtet, das uralte, aus<br />
getriebenem Silber bestehende Taufbecken steht<br />
bereit und die Paten und Gäste haben sich eingefunden<br />
...<br />
Mit 28 Wochen hat I. den ersten Zahn, in der<br />
einunddreißigsten den zweiten und in der dreiunddreißig<br />
winkt sie eifrig mit den Händchen.<br />
Nun ist die Maus ein Jahr alt und läuft kurze Tage<br />
darauf völlig selbständig herum. Am Weihnachtsfest<br />
war es allerliebst, ihr zuzusehen. Seelig [sic!]<br />
trippelt sie an meiner Hand ins Weihnachtszimmer<br />
hinein, das rechte Händchen verlangend und nach<br />
dem strahlenden Baum ausgestreckt, vor sich hin<br />
singend in höchsten Tönen. Diesen drolligen Ton<br />
behält sie auch bei, als sie unterm Baum stehend,<br />
nun ihren Gabentisch erst sah. Da wurde dann<br />
geräumt und gespielt und manchmal dazwischen<br />
etwas „Süßes“ geknabbert. Das kleine Persönchen<br />
bleibt die Hauptperson des Tages und unser aller<br />
Freude.<br />
Ilse-Senta ist drei Jahre alt:<br />
Bubis [Wolfgang, Mutter Hildegards zu diesem<br />
Zeitpunkt bereits früh verstorbenes Kind] Geburtstag!<br />
Mit dem Kranz will ich zu meines Jungen Grab<br />
und sage: „Ilse, Bübchen hat heut Geburtstag, jetzt<br />
geh ich zu ihm“, da fängt sie an zu weinen, „Müt-<br />
meine Mutterschwester
7575<br />
die drei Schwestern Ursula (li.), Ilse-Senta<br />
als Baby und Gerdha (re.)<br />
terchen, ich hab dich so lieb, bist du denn gestorben?<br />
Du sollst doch nicht zum Brüderle gehen“, weil Ilse<br />
gehört hat, dass Bubi nun im Himmel ist, da fürchtet<br />
sie, auch mich zu verlieren. Die Freude als ich wiederkomme!<br />
Ilse sieht einmal, wie Ursel sich umzieht, beobachtet<br />
sie sehr genau. Das Resultat dieser Beobachtung<br />
macht sich in dem wenig dezenten Ausdruck Luft:<br />
„Nein Ursel, hast du aber komische Euter!“ Als ich<br />
einmal vom Weihnachtsfest erzähle, hört Ilse mit<br />
glänzenden Augen zu. Am meisten beschäftigt sie der<br />
Christbaum, den das Christkindchen allen artigen Kindern<br />
anzündet, das veranlasst sie schließlich zu der<br />
drolligen Frage, ob denn Christkindchen denn dazu<br />
auch immer genug Streichhölzer in der Tasche hat. [...]<br />
Tischgebet und Abendgebet werden regelmäßig verrichtet.<br />
Abends im Bettchen brüllt Ilse fürchterlich, als<br />
ich schon herausgegangen bin. Noch immer lutscht<br />
das Kind besonders beim Einschlafen. Um es ihr<br />
abzugewöhnen, bekommt sie Handschuhe angezogen.<br />
Ich muss sie ihr überziehen, als ich komme. „Ich hab<br />
doch immer zum lieben Gott gebetet, er möchte mir<br />
den Lutschhandschuh anziehen und er hat es doch<br />
nicht getan.“<br />
Weihnachten wieder ein Freudenfest. Am Geburtstag<br />
werden mit Not und Mühe paar Kinderchen aufgetrieben<br />
und Ostern geht’s zur Schule. Leider nur wenige<br />
Wochen. Ille werden im Frühjahr die Mandeln herausgenommen<br />
wegen des furchtbar quälenden Schnupfens,<br />
der sie nachts so stark röcheln lässt, dass er sie<br />
und uns um den Schlaf bringt. Onkel Nolte macht mit<br />
Narkose die kleine Operation, wodurch er für lange Zeit<br />
die Achtung bei Ille verliert. Ein Husten stellt sich bald<br />
darauf ein und zwingt mich, das Kind aus der Schule<br />
zunehmen.<br />
April geht’s wieder in die Schule als schwache Schülerin.<br />
Im Mai feiert Ilse Großels siebzigsten Geburtstag in<br />
Hirschdorf mit und verbringt die Pfingstferien mit Gisela<br />
[Cousine] dort. Sie hängt an Großel [Großmutter <strong>Clara</strong>]<br />
und fühlt sich stets sehr wohl bei ihr. Die großen Ferien<br />
sollen mit Gisela zusammen an der See verbracht werden.<br />
Ille legt sich aber am ersten Ferientage mit Masern<br />
um, die sie zum zweiten Male und sehr schwer (zwei Tage<br />
einundvierzig Grad) durchmacht. Nachdem sie aufgestanden,<br />
zwei Wochen mit Großel in Warmbrunn, dann<br />
endlich darf sie nach Karlshagen und fühlt sich wider<br />
unter den vielen Kindern dort sehr behaglich erholt, wenn<br />
auch der einfachen Ernährung halber mager, kehrt sie<br />
zurück und besucht nach drei Wochen Versäumnis die<br />
Schule. Kommt jetzt flott vorwärts und wird eine ganz<br />
tüchtige Schülerin.<br />
Die Lebhaftigkeit bleibt sich immer gleich. Als sie einmal<br />
gefrozzelt wird, drückt sie ihre Empörung Gerdha und mir<br />
gegenüber folgendermaßen aus: „Jetzt möchte ich aber<br />
am liebsten ‚Ihr Lu’ zu euch sagen. Ihr liebes Puppenbaby<br />
hat sich beim Fall den Kopf zerschlagen. Untröstlich jammert<br />
Ilse, dass sie doch gerade dieses Püppchen ihren<br />
Kindern zum Spielen geben wollte. Erster Aufsatz: Was<br />
ich von Dr. Martin Luther weiß. Martin Luther war schon<br />
von Kindheit auf ein sehr frommer Mann. Er verbesserte<br />
die Kirche, als er größer wurde, übersetzte er die Bibel.<br />
Jetzt hängt er in unserer Klasse.
76<br />
Renate Kirsten<br />
verheiratete Desens,<br />
geboren 1926 in Berlin-Charlottenburg,<br />
gestorben 2009 in Stratford-wwwon-Avon/England,<br />
meine Schwester;<br />
ich, Maria;<br />
Dorothee Kirsten<br />
verheiratete Heller,<br />
geboren 1928 in Berlin-Charlottenburg,<br />
gestorben 1974 in Wiesbaden,<br />
meine Schwester;<br />
Ilse-Sentas Tochter Christina Hirsch<br />
verheiratete Wolf,<br />
geboren 1944 in Eisleben,<br />
meine Mutterschwestertochter (Cousine);<br />
jeweils von links nach rechts; im Hintergrund mein<br />
Elternhaus, ‚Drei-Mädelhaus‘ in Berlin-Zehlendorf/<br />
Kleinmachnow mit sieben Zimmern, für jedes Mädel<br />
eines.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden Dez. 2015]
77
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Gerdha schreibt im „Lebensbuch von Gerdha für Renate“ über ihre Tochter; insgesamt von den<br />
1920ern bis in die 1970er Jahre:<br />
29. November 1931.<br />
Wieder brennt die erste Kerze am Adventslichterkranz,<br />
den die lieben Eifler Verwandten<br />
mit so viel Liebe geflochten haben, und trotz<br />
der schweren Zeiten wird uns weihnachtlich<br />
zumute. Wirtschaftliche Not hat das ganze<br />
Deutsche Volk ergriffen und politische Ruhelosigkeit<br />
lässt uns bange Zeit ahnen. Wer aber<br />
lacht sorglos in‘s Leben, wer singt und springt<br />
den ganzen Tag? Unsere beiden Mädel sind‘s!<br />
Renate im von Muttel gehäkelten Kleid steht<br />
rang und schlank vor mir, sieht mich mit ihren<br />
großen Augen an und sagt: „Muttel schreibst<br />
du mein Lebensbuch?“ Ja, ein solches <strong>Buch</strong><br />
soll es werden, hoffentlich eines, dass auch<br />
weiterhin von Freude und Glück berichtet. [...]<br />
Inzwischen hat Pitter, der gute Papi, nun meist<br />
Vatelchen genannt, eifrig gesucht, um den Kindern<br />
als Ersatz für den Sachsenpark ein freies<br />
Spielgebiet zu schaffen. Im April gelingt die<br />
Sache, der alte Obstgarten eines Majors, nur<br />
10 Minuten vom Haus entfernt, wird gepachtet.<br />
Im Wasser panschend, im Grase umhertollend,<br />
jubelnd und kreischend, meistens im Badeanzug<br />
sieht man unsere Kinder sich vergnügen.<br />
Sie helfen eifrig beim Graben und Pflanzen. [...]<br />
In diesem Winter schenkte uns Gott noch<br />
ein süßes Schwesterchen. Marialein wurde<br />
nicht nur freudig in der Klinik von den Großen<br />
begrüßt, sondern sie bildet einen dauernden<br />
Quell des Glückes für uns Alle. Renate darf sie<br />
ab und zu zum Sachsenpark fahren, dann wandern<br />
die geliebten Bücher mit.<br />
Renate Kirsten<br />
78<br />
Klein Renate hat am 20 April 1926 nachts um 2 Uhr 10 das<br />
Licht der Welt erblickt und wird auf die Namen Renate Hildegard<br />
Helene standesamtlich gemeldet. Die beiden Großmütter<br />
werden durch die beiden anderen Namen geehrt. [...]<br />
Im Cäcilienhaus Berlin [Charlottenburg], einer schön gestalteten<br />
Klinik, verbringen Mutter und Kind die zwölf ersten<br />
Tage nach der Geburt. Beide fühlen sich sehr behaglich. [...]<br />
Die Urgroßmutter (Urgroßl) [<strong>Clara</strong> von Heigl] empfängt ihr<br />
erstes Urenkelchen mit großer Freude und legt voll stolzer<br />
Würde Renate daheim in ihr Bettchen, das neben Mutters<br />
Bett steht. [...] Ein feierlicher Tag ist der 13. Mai, Christi<br />
Himmelfahrt und Urgroßls Geburtstag, ist dazu ausgewählt,<br />
Renates Tauftag in der Herz-Jesu-Kirche in Berlin Charlottenburg<br />
zu sein.<br />
9. Jan. 1930.<br />
Neben mir steht ein kleiner Nackedei<br />
mit zerzausten Löckchen<br />
und roten Bäckchen und ruft<br />
energisch: „Mutti ich will angezieht<br />
werden!“ Das Wörtchen „Bitte“<br />
geht recht ungern über die Lippen<br />
Klein-Renates, doch ist sie ein zärtliches<br />
Kind, das mit Liebe geleitet<br />
werden muss. Nur in Mutters Bett<br />
kann Renatchen einschlafen. [...]<br />
Jedem der es hören will, verkündet<br />
Renatchen in den ersten Septemberwochen<br />
[des Jahres 1928] „Ich<br />
habe eine ‚Wester‘ bekommen,<br />
die ist vom Himmel gefallen und<br />
hat einen Teddybär mitgebracht.“<br />
[Dorothee <strong>Clara</strong> Agnes] [...]<br />
Auch nach Potsdam fahren wir im<br />
Herbst. Wehmütig steht Renate<br />
in Omas Zimmer: „Wo ist Oma in<br />
ihrem Weißbettchen?“ [Hildegard,<br />
Gerdhas Mutter war im Jahr nach<br />
Dorles Geburt in Potsdam gestorben.]<br />
Das Kind hat nicht vergessen.<br />
Über ihrem Bettchen hängt ja<br />
auch Großmutters Bild, einer ihrer<br />
letzten Wünsche. Jeden Abend<br />
betet sie um ihren Schutz.<br />
15. Januar 1938.<br />
Renate ist groß und erwachsen, sie muss schon mal die Kleine<br />
[ich, Schwester Maria] übernehmen, heißt es jetzt öfter. [...]<br />
Im Februar 1937 beginnen wir in<br />
Zehlendorf-Machnow unser Heim,<br />
das langersehnte Eigenhaus zu<br />
bauen. Der Grundriss ist lange<br />
begutachtet, der große Garten wartet<br />
auf Bestellung und eines Tages<br />
steht wirklich die Außenmauer. Begeistert<br />
springen die Kinder über<br />
riesen Ziegelhaufen, schaukeln auf<br />
herumliegenden Balken herum.<br />
[...] Die Hausgenossin Tante Ille<br />
[Ilse-Senta, Schwester der Mutter]<br />
wird geliebt und als Beraterin<br />
geschätzt. Weihnachten verläuft<br />
mit Musik und kleiner Aufführung<br />
besonders nett. [...]<br />
Aber zurück zum<br />
meine Schwester
79<br />
Frühling 1939 [Berlin Kleinmachnow]. Mit Betrüben stellten Papi und Mama im<br />
Garten fest, dass es kein Obst gegen würde, da selbst der Mai noch manchmal<br />
vier Grad Kälte brachte. [...]<br />
Aber bald beginnen die Mienen sorgenvoll zu werden, denn Kriegswolken ballen<br />
sich am politischen Himmel. Wir müssen unsere Fenster mühsam verdunkeln,<br />
denn man spricht von Fliegerangriffsgefahr. [...] So manches Mal hat Renate<br />
inzwischen im Keller geschlafen, dem Donnern der Flack [„Flieger Abwehr<br />
Kanone“] zugehört, auch mal das Krachen der Bomben vernommen, aber im<br />
übrigen meist im Keller die Sache ziemlich verschlafen. Die „Engländer“ sind<br />
gerade im vorigen Jahr recht oft in Berlin erschienen; dann sagten die Kinder<br />
fast etwas wohlgelaunt: „Morgen gibt‘s paar Stunden später Schule!“ [...]<br />
Renate hat<br />
schon seit Jahren in der Schule keinen Religionsunterricht<br />
mehr. Sie geht nachmittags zum Unterricht beim<br />
Pfarrer, und wir hoffen, dass unsere Kinder trotz aller<br />
Religionsfeindlichkeit sich ihren Glauben erhalten und<br />
sich nicht von der Schönheit desselben abbringen<br />
lassen. [...] Im schönen Elternhaus zusammen mit den<br />
kleineren Schwestern verlebt Renatchen eine frohe<br />
Jugend. Sie versteht es sehr, mit Minzchen zu spielen,<br />
die so gern von ihr vorgelesen bekommt, und Dörtel<br />
kann stundenlang sich mit ihr unterhalten und folgt<br />
stets ihren guten Ratschlägen. Wenn nun der Krieg<br />
bald beendet wird, dann dürfen wir in Allem dankbar<br />
auf glückliche Jahre zurücksehen. Renate aber möge<br />
weiter froh und allzeit guter Dinge bleiben wie bisher,<br />
und uns durch ihre Gesundheit und Frische erfreuen.<br />
Später:<br />
Stratford/Avon 18. Juli 1971<br />
England.<br />
Renate hat noch viel erlebt, seit<br />
ich dieses <strong>Buch</strong> abschloss. Sie<br />
hat ein gutes Abitur bestanden<br />
und nach vielen Bombenangriffen<br />
im kaputten Haus die Aufräumungs-<br />
und Erneuerungsbauten<br />
mitgemacht. [...] Sie machte<br />
als Studentenumschülerin ihre<br />
Schneidergesellenprüfung. Im<br />
Laufe der Jahre ist ihr diese<br />
Handfertigkeit zum großen Segen<br />
geworden. [...]<br />
Renate heißt<br />
nun schon lange Mrs. Desens und seit dreizehn<br />
Jahren bewohnen sie und mein Schwiegersohn Ernst<br />
Desens mit ihren drei Kindern das schöne Haus in 78,<br />
Oakleyroad. [...]<br />
Stratford bietet Renatel in Sportmöglichkeit im Club<br />
der Kirche und im großen Freundeskreis die Möglichkeit,<br />
sich im neuen Vaterland sehr wohl und geborgen<br />
zu fühlen. Ich, die nun 70 werdende Granny, fühle<br />
mich Jahr für Jahr glücklich und zufrieden im Haus<br />
meiner Lieben. Die Flüge nach Deutschland sind der<br />
Weg, meinen drei lieben Töchtern und allen sieben<br />
Enkeln eine gute Großmama, die sie richtig um sich<br />
haben, zu sein. Stratford, die Shakespeare-Stadt, gibt<br />
neben der Hausarbeit meiner lieben Tochter Renate<br />
Gelegenheit, sich fortzubilden und ihre vielen Pflichten<br />
als Hausfrau, Gattin und Mutter sind von Gottesfurcht<br />
geleitet.<br />
Und in ihrem eigenen Tagebuch schreibt die zwölfjährige Renate, Ende der 1930er Jahre:
80<br />
1989<br />
mit Tochter Sonja und Ehemann Ernst<br />
****<br />
1935<br />
Renate und ich<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Renate Kirsten Mein Tagebuch I 1938/39.<br />
Mutti kam auf den Gedanken, die Marienfigur vom Boden zu holen [ein Kommuniongeschenk des Patenonkels<br />
Nikolaus aus der Eifel]. Ich werde von jetzt ab meine Morgen- und Abendandachten vor ihr verrichten.<br />
Montag, 12. Sept.<br />
Es wurde mal wieder tüchtig im Garten gearbeitet. Mein Beet gedeiht ja auch pfundig. Die Tagetes, Zinnien,<br />
Löwenmaul gedeihen prächtig. Ich habe aber auch Nützliches drauf: Wie grüne Bohnen, sehr vollhängende Tomatenstauden,<br />
Endivien, Mangold und Salat. Minzchens kleines Beet ist neben meinem. Es wird von ihr streng<br />
bewacht, und nur sie selber darf drauftreten.<br />
Freitag [16. Sept.].<br />
Ich muss noch bemerken, dass ich den allerbesten Hausaufsatz „Wasser um Berlin” geschrieben habe. Mutti<br />
hat ein bisschen geholfen und ich habe als einzige eine 1 geschrieben.<br />
Freitag, 4. Nov.<br />
Heute las uns Mutti aus dem Tagebuch unserer Ururgroßmutter Maria Schmidt vor [dieses Tagebuch von<br />
Urmas Mutter ist nicht mehr vorhanden]. Es ist fein geschrieben und alle Achtung, die hat „Haltung” gehabt,<br />
obwohl sie ja evangelisch war. Haltung ist viel mehr als etwas Äußerliches. Haltung nennt man die Art und<br />
Weise, wie einer sein ganzes Leben „hält”!<br />
Donnerstag, 10. Nov.<br />
[...] Danach wurde mit Mutti 66 [Kartenspiel] gespielt, und ich hab‘ man gerade um einen Punkt gewonnen,<br />
und dann ging’s wie immer dreiviertel neun ins Bett.<br />
Sonnabend, 12. Nov.<br />
Nach meinen üblichen Arbeiten Straße und Treppe fegen, zeigte mir Vati, wie man Obstbäume genau an den<br />
Augen beschneidet. [...]
81<br />
mit Sohn Richard auf dem Arm in England<br />
Sonnabend, 26. Nov.<br />
Morgen war ja erster Advent, und so musste man schon an den Kranz denken. Nachmittags machte sich die ganze<br />
Familie Kirsten zur Gärtnerei auf, um Tannengrün zu holen. Mir waren die Dinger zu teuer und ich holte mir für meinen<br />
kleinen Adventskranz aus dem Wald Kiefernzweige. So banden wir beim Singen von Weihnachtsliedern sogenannte<br />
Kränze. Sie wurden beide auch sehr schön, doch sahen wir weniger gut aus.<br />
Sonntag, 4. Dez.<br />
[...] Ab und zu veranstalten wir abends auch eine Weihnachtsliedersingstunde. Vati und Dorle spielen Blockflöte und ich<br />
begleite auf der Geige. Die übrigen sind Singstimmen. Es ist immer so weihnachtlich.<br />
Renate hat mit 12 Jahren ein Ahnenbuch unserer Familie „Meine Ahnen“ geschrieben. Es dient noch heute als<br />
zentrale Grundlage unserer genealogischen Arbeit.<br />
Sonnabend, 11. 3.<br />
Heute konnte ich mal wieder an meinem Ahnenbuche machen. Mama hilft mir manchmal beim Rausschreiben der Daten<br />
aus den für mich schlecht leserlichen Urkunden. Auch klebe ich von den meisten meiner Ahnen Fotobilder ein. Die<br />
hat wirklich nicht jeder. Der Einband aus Pergamentpapier, wobei mir Vati feste geholfen hat, ist sehr fein geworden.<br />
Sonntag, 12. 3.<br />
Ich möchte gerne von allen Geburtsorten meiner Vorfahren eine Ansicht haben u. einkleben. Nun habe ich an die betreffenden<br />
Bürgermeister recht höflich darum geschrieben. Hoffentlich habe ich Erfolg. [...]<br />
Donnerstag, 23. III.<br />
Schnee, Hurra!! Schnell die Schier vom Boden u. los.
8282<br />
mit Schwester Renate<br />
(li) und deren Tochter<br />
Sonia<br />
1989<br />
wir Schwestern, ich links<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Auszug aus dem „Lebensbuch von Gerda über<br />
Dorothee“; es sind die 1930er Jahre:<br />
„Sei dir selber treu,<br />
und darauf folgt,<br />
so wie die Nacht dem Tage,<br />
du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.“<br />
- Shakespeare<br />
Die kleine Dorothee wurde am 31. August des<br />
Jahres 1928 geboren. Gerade 14 Tage vor ihrem<br />
ersten Schritt ins Dasein waren wir aus der etwas<br />
düsteren Wohnung in der Berliner Straße in den<br />
luftigen sonnigen Neubau gezogen; Licht und<br />
Luft unseren Kindern zum fröhlichen Gedeihen zu<br />
verschaffen, war der Hauptbeweggrund für den<br />
Wohnungswechsel. Das Korbwägelchen wartete<br />
frischbezogen im Kinderzimmer auf den Einzug<br />
des kleinen Erdenbürgers. Großmama <strong>Clara</strong> von<br />
Heigel kaufte sogleich feine blanke Töpfchen und<br />
kochte mit Sorgfalt die gern verzehrten Fläschchen.<br />
[...] Am 13. Januar 1929 wird aus dem<br />
hartnäckigen kleinen Heiden ein braves Christenkind.<br />
Die Feier findet in der Heilig-Geist-Kirche<br />
am Reichskanzlerplatz statt und verläuft schlicht<br />
und friedlich. Dorothea, Agnes, <strong>Clara</strong> Kirsten wird<br />
sie getauft. [...] Die Taufkerze brennt an Dörtes<br />
Bettchen und ein Rosenkränzel schmückt den<br />
Wagen. [...] Am Beginn des April kaufen wir einen<br />
Kinderwagen und Dorothee beginnt, sich in der<br />
Westendallee und im Sachsenpark umzusehen. Sie<br />
wird liebevoll vom Schwesterchen Renate betreut,<br />
die ihr oft recht wenig praktische Dinge in den<br />
Kinderwagen wirft. [...] Heute ist sie 2,5 Jahre und<br />
spricht richtige deutliche kleine Sätze. „Um Gottes<br />
Dorothee Kirsten<br />
Willen, das ist doch mein Essen!“, jammert sie, als<br />
ich einen Löffel koste. „Pfui Teufel ist da“, bewundert<br />
sie einen Fleck. [...]<br />
27. November 1931.<br />
Wenn ich die vorangegangen Zeilen lese, so fasst<br />
mich eine leise Wehmut, wenn ich bedenke, wie<br />
viele niedliche Stadien ihrer Entwicklung schon<br />
seit dem ersten Augenaufschlag unserer Jüngsten<br />
hinter ihr und uns liegen! Aber dankbar kann<br />
ich eintragen, sie ist weiterhin kerngesund und<br />
guter Dinge. Aus den ersten Worten sind lange<br />
ausführliche Sätze geworden. Ist sie irgendwie<br />
gekränkt, so wird nicht geweint, auch nicht geplärrt<br />
oder gestampft. Nein, mit feuerrotem Kopf wird<br />
geschimpft: „Ich komme nicht mehr zu Dich, ich<br />
gehe ganz daweg, Du hast keinen Opa aber ich,<br />
du kommst in die Höhle=Hölle, ich haude Dich<br />
ganz doll...“ Solche und ähnliche Trompetentöne<br />
durchziehen dann längere Zeit die Wohnung. [...]<br />
Gesundheitlich macht sie keinerlei Schwierigkeit,<br />
sie isst mit regem Appetit jede Speise, im Gegensatz<br />
zu Renate liebt sie Fleisch und Süßigkeiten,<br />
Mehlspeisen und fette Kost, während ihr Obst nicht<br />
so sehr behagt. [...] Die Krippe in der Kirche wird<br />
ihr gezeigt. „Nee, das ist doch kein Ochse an der<br />
Krippe, das ist doch Hänsels Kuh!“ Ein anderer<br />
kleiner Witz wird belacht. Renate fragt mich, ob Renate<br />
Dorothea Kirchennamen sind. Auch Dörte will<br />
dazu was sagen. „Ist Pimps (Kosenamen des Vetter<br />
Jürgen Kaufmann) auch ein Kirchenname?“ [...] Sie<br />
erfreut sich also im Ganzen allseitiger Beliebtheit<br />
und einer guten Gesundheit. Sie ist und bleibt aber<br />
unser süßer kleiner Liebling. Sehr gut verträgt sie<br />
sich mit Tante Ilse-Senta.<br />
meine Schwester
83<br />
mit Töchterchen Irene und mir<br />
24. Januar 1936.<br />
Drei Jahre hat das <strong>Buch</strong> im Schub geschlummert<br />
und fast will mich das Gedächtnis im Bezug auf<br />
diese lange Zeit verlassen. Dörte ist inzwischen<br />
ein Schulmädchen geworden. Sie hat sich nach<br />
anfänglichen Schwierigkeiten gut eingerichtet.<br />
Das Rechnen fällt ihr leicht, auch Anschauung und<br />
Religion machen ihr Freude. Nur die von der Lehrerin<br />
etwas früh begonnenen Diktate machen ihr<br />
größere Schwierigkeiten. Sie ist in der katholischen<br />
Volksschule eingeschult worden und besucht mit<br />
Jungens gemeinsam die Klasse. [...] Unsere Zweite<br />
ist weiter recht amüsant und leistet sich noch<br />
manchen kleinen Scherz, sie ist breit und untersetzt,<br />
hat dunkle Härchen, die wir regelmäßig zum<br />
Bubenkopf verschneiden lassen. Sie ist manchmal<br />
etwas zum Weinen geneigt. Zankt auch ab und zu<br />
mit Renate, aber im Großen und Ganzen erzieht<br />
sie sich sehr leicht. Zeitweise mussten wir sie sehr<br />
zum Essen anhalten, den Fleischgenuss haben<br />
die Kinder fast aufgegeben. Sie isst am liebsten<br />
Milchreis mit Zimt und Schneemilchsuppe, die sie<br />
sich oft bestellt. [...] Seit Jahr und Tag halte ich<br />
die Kinder zum Helfen an. Daher ist das kleine<br />
elektrische Bügeleisen sowie der Puppenkochherd<br />
ein angebrachtes Geschenk. Ganze Stöße<br />
Taschentücher und so weiter werden von Dorle<br />
geplättet. Hänschen [Kinderfreund] bedauert stets,<br />
kein Mädchen zu sein, denn die selbstgekochten<br />
Sachen schmecken gar zu gut, sie decken ihren<br />
Kindertisch und verzehren mit Wonne merkwürdige<br />
Speisefolgen. Das Puppenbaby hat nicht nur<br />
einen sehr hübschen Wagen, auch die Wäscheausstattung<br />
ist reichhaltig und von Mutter solide aus<br />
Leinen genäht. Sie besucht im Gemeindehaus der<br />
Kirche nun Montag eine Spielstunde zusammen<br />
mit Ursel [Kinderfreundin] und hat am Nikolastag<br />
als Engelchen verkleidet ihr Gedicht gesagt. Auch<br />
unter dem Weihnachtsbaum steht ein verschämt<br />
lächelndes Dörtchen und sagt ohne Stocken sein<br />
Gedicht. [...]<br />
9. März 1938.<br />
Dörtchen ist heut früh mit fliegenden Hängezöpfchen<br />
zum Auto gerannt, das sie getreulich jeden<br />
Morgen zur Schule bringt. „Schreib mein <strong>Buch</strong>“,<br />
hat sie gerufen und Mutter wills nun schnell<br />
besorgen. Dorle hat viel erlebt im letzten Jahr. Das<br />
Schwesterchen Minz ist gewachsen und rennt getreulich<br />
hinter ihr her, stets bereit, Dorles Puppen<br />
an ihr Herz zu drücken. Puppenmütterchen sieht<br />
das aber nicht allzu gern, denn Rösi, Lieselotte<br />
und Gerda sind gepflegte und gehegte Damen, die<br />
beste Behandlung gewöhnt sind. Sie werden jeden<br />
Abend zu Bett gebracht, besuchen die unterste<br />
Klasse der gut geleiteten Puppenschule. Lehrerin<br />
Dörte hat viele Bücher verfasst, alle selbstgeschrieben,<br />
und ein gründliches Lernen wird in der<br />
Schule geübt. Na, Dorle ist mit der Schule jeder Art<br />
vertraut. Vor einem Jahr besuchte sie die berühmte<br />
Waldschule an der Heerstraße. Dort lernte sie bei<br />
Spiel und reichster Abwechslung, sich im Gemeinschaftsleben<br />
mit andern Kindern tummelnd, ein<br />
frohes Treiben kennen. Sie pflegte ihr eigenes<br />
Gärtchen, sie machte niedlichste Bastelarbeiten<br />
und fand in Frau Praller eine herzliche fröhliche<br />
Lehrerin.
84<br />
1989<br />
links mit Tante Gerdha und mir<br />
****<br />
mit mir 2015<br />
1935<br />
Ich habe Christina gebeten, mir von ihr zu schreiben:<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Christina Hirsch<br />
meine Mutterschwestertochter
8585<br />
Meine Kinderzeit war sehr schön, trotz der vielen Beschwerden der Nachkriegszeit. So wuchs ich bei meiner<br />
geliebten Mutter und meinen guten Großeltern auf.<br />
Mein Vater, Dr. phil. Martin Hirsch hat mich nie gesehen, da er genau an meinem Geburtstag im Kriege<br />
bei Sarajewo gefallen ist.<br />
Meine Mutter musste dann als Röntgenassistentin im Krankenhaus Eisleben arbeiten und ich war bei<br />
den Großeltern.<br />
Ich war erst acht Jahre alt, als meine geliebte Mutter starb. So war ich alleine, und froh, bei den Großeltern<br />
zu sein.<br />
Oft sehe ich mir heute noch die Fotos aus meiner Kinderzeit an, denn meine Mutter war eine hervorragende<br />
Fotografin. Ich erinnere mich nur daran, dass sie mit mir oft fröhlich war, mir viele Märchen vorgelesen<br />
hat und viel gelacht hat. Wir hatten damals in Eisleben einen großen Freundeskreis und meine Mutter<br />
wurde dort gut aufgenommen und geliebt wegen ihrer so freundlichen Art.<br />
Das Talent des Schreibens und Malens habe ich geerbt und besuchte als Schülerin einen Malkurs bei<br />
einem Eislebener Heimatmaler.<br />
Ich liebe die Natur und habe mich in einer Apotheke viel mit Kräutern und deren Heilwirkung beschäftigt.<br />
45 Jahre lang war ich mit einem wunderbaren Mann verheiratet, der mich leider, vor Jahren, nach einer<br />
heimtückischen Krankheit verlassen hat.<br />
Liebe Maria, ich hoffe, Dir nun geholfen zu haben und wünsche Dir und Martin ein schönes Weihnachtsfest,<br />
deine Kusine Christina.
86<br />
Renates Tochter Katharina Desens<br />
verheiratete O.,<br />
geboren 1960 in Stratford-on-Avon/England,<br />
lebt in Arabien;<br />
Dorothees Tochter Carlotta Heller<br />
verheiratete K.,<br />
geboren 1959 in Wiesbaden,<br />
lebt in Südafrika;<br />
Christinas Tochter Sylke Wolf<br />
verheiratete F.,<br />
geboren 1964 in Eisleben,<br />
lebt in Deutschland;<br />
meine Mutterschwesterenkeltöchter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden Febr. 2016]
87
88<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Aus dem Lebensbuch von Dorothee über ihre<br />
Zwillinge Carlo und Carlotta; die 1960er Jahre:<br />
Am 17. August 1959 wurden unsere Zwillinge Carlo<br />
und Carlotta geboren. [...]<br />
Es war ein ganz besonders heißer Sommer, in dem<br />
unsere Kinder geboren wurden. Dazu kam unser<br />
großer Schmerz über die schwere Erkrankung<br />
unserer kleinen Tochter Irene, die es nicht mehr<br />
bei Gesundheit erleben durfte, gleich ein Brüderchen<br />
und ein Schwesterchen zu bekommen, so<br />
wie sie es sich gewünscht hatte, lange bevor wir<br />
es wussten, dass wir Zwillinge bekommen sollten.<br />
[...] Die beiden Kinder waren so gesund und kräftig<br />
zur Welt gekommen, sodass sie wie die andern<br />
Einzelkinder behandelt werden konnten. [...] Am<br />
20. September wurden die beiden Kinder in der<br />
St. Elisabethkirche, uns gegenüber, getauft. [...]<br />
Der Taufsonntag war noch ein besonders warmer<br />
Spätsommertag, außer den Taufpaten und dem<br />
Großvater war noch meine Schwester Maria, seit<br />
Anfang August Frau Haas, mit ihrem Mann da. Es<br />
war ein schöner Tag. [...] Im Oktober verbrachte<br />
Fred 10 Tage auf der Messe in Köln, während der<br />
Tage war meine Mutter bei uns, und erfreute sich<br />
an den 2 Kindern. Trotz ihres schweren Hüftgelenkbruchs<br />
und der damit verbundenen Behinderung<br />
beim Gehen half sie tüchtig mit, die Kleinen zu<br />
besorgen. Für mich ist jede Hilfe willkommen, denn<br />
die ersten Wochen war jede Nacht unterbrochen,<br />
auch das Stillen hat mich viel Zeit gekostet, aber es<br />
war ein Opfer, was ich gerne länger gebracht hätte.<br />
[...] Ende Oktober reiste die gute Omi mit dem Flugzeug<br />
nach England zu meiner Schwester Renate u.<br />
ihrer Familie. [...] Ich fütter die Kinder im Bettchen,<br />
weil ich es dann leichter habe, auf dem Schoß<br />
drehen sie den Kopf hin u. her und der Brei läuft<br />
daneben runter. Es ist natürlich ein ausgefüllter<br />
Tag mit 2 Säuglingen. Aber durch die komfortable<br />
Carlotta Heller<br />
Wohnung und meine Waschmaschine kann ich alles sehr gewissenhaft<br />
machen. Die Kinder liegen vormittags viele Stunden<br />
beim geöffneten Fenster und haben beide frische rote Backen.<br />
[...] Carlotta ist dagegen wieder ein kleiner unruhiger Geist, der<br />
schon tüchtig auf dem Wickeltisch turnt. Sie sind auch äußerlich<br />
so verschieden, wie ganz gewöhnliche Geschwister. Carlotta ist der<br />
kleinen Irene so ähnlich, während Carlo mit grau blauen Augen u.<br />
blonden Haaren ein neuer Typ ist. [...]<br />
4. April [1960]<br />
Heute ist wieder ein kleines Ereignis in unserer Kinderstube<br />
gewesen. Carlotta steht am Kindergitter und strahlt mich an<br />
vor lauter Vergnügen. Ganz plötzlich ist unser kleines Mädchen<br />
flügge geworden. Bis vor einer Woche lagen beide immer noch<br />
friedlich im Kinderwagen nebeneinander, nun geht es plötzlich<br />
nicht mehr. Sie ärgern sich gegenseitig und lehnen sich so weit<br />
heraus, dass es gefährlich wurde. Nun habe ich schnellstens<br />
Schultergurte gekauft und nun wechseln sich unsre Kinder<br />
ab, einer auf dem Balkon, einer im Bett. Und natürlich ist der<br />
Sportaufsatz für den Kinderwagen bestellt, und dann werden<br />
unsere Kleinen im Sportwagen spazieren gefahren. Carlotta<br />
sitzt nun auch alleine, aber noch nicht lange. Carlo braucht noch<br />
eine Stütze im Rücken. Er ist in den ersten Wochen nur friedlich<br />
gewesen, während Carlotta jetzt gerne ihr Stimmchen ertönen<br />
lässt, sie hat auch Hunger u. fühlt sich nicht wohl in nassen<br />
Windeln, während Carlo so gut ausgefüttert ist, dass er immer<br />
erst als zweiter an die Reihe kommt. Er betrachtet sich die Welt<br />
mit Vorliebe auf dem Bauch. Er richtet sich so weit auf, dass er<br />
an die Stäbe greifen kann, aber noch nicht auf die Knie. Carlotta<br />
fing schon vor Wochen an, auf dem Bauch zu rutschen, nun<br />
geht sie auch in die Knie und krabbelt langsam vorwärts. Es ist<br />
alles so wie bei unserm Irenchen, genauso ein kleiner lebhafter<br />
Spatz wächst uns da wieder heran. Wir sind so glücklich mit<br />
den 2 Kleinen, obwohl unser Leben nach wie vor überschattet<br />
ist durch den Leidensweg unsrer Irene. ... Beide haben schon<br />
eine kleine Frisur, Carlotta hat schon ein paar Löckchen auf<br />
dem Kopf. Jeder findet sie besonders süß, ihr Kopf ist nicht so<br />
groß u. dadurch wirkt sie proportionierter. [...] Carlotta sitzt oft<br />
still und spielt mit Irenchens Püppchen. [...] Es lässt sich nicht<br />
meine Mutterschwesterenkeltochter
89<br />
Sommer ‘17 in Wiesbaden<br />
in Worten sagen, wie glücklich ich mit den beiden Kindern bin.<br />
Jeder kleine Fortschritt erfreut mich, und wenn ich auch nicht<br />
so viel Zeit habe, um sie viel zu tragen oder zu verwöhnen, so<br />
gebe ich ihnen doch so viel Liebe, wie ich nur kann. [...] Die Omi,<br />
die jetzt in England bei meiner Schwester lebt und auch bleiben<br />
wird, kam gerade zum 1. Geburtstag zu Besuch und freute sich<br />
an den Kleinen. Heute haben wir den 18. November und nun will<br />
ich doch wieder über unsre beiden Kinder berichten. Sie laufen<br />
schon sehr sicher auch draußen, meist muss eins im Wagen<br />
sitzen, das andere nebenher laufen. Im Park gehen wir dann die<br />
Enten und den kleinen Wasserfall ansehen und freuen uns über<br />
jedes Hündchen, was uns begegnet. Carlotta ist so possierlich<br />
in ihren Bewegungen, hüpft im Wagen wenn sie etwas freut. [...]<br />
Sie sind sich stets einig im Spiel, Carlotta ist nachgiebiger und<br />
so gibt es wenig Gezänk. Carlotta klettert auf jeden Stuhl, kaum<br />
bin ich aufgestanden, sitzt oder steht sie drauf. In der Kirche<br />
stehen beide mit Vorliebe auf den Stühlen. Natürlich muss man<br />
noch aufpassen, dass sie nicht fallen, aber Carlotta klettert sehr<br />
geschickt wieder runter. [...]<br />
5. Mai [1961]<br />
Heute ist ein besonderer Tag. In Rüsselsheim ist heute ein<br />
kleiner Junge [mein, Marias, Sohn Martin!] zur Welt gekommen,<br />
also der erste Vetter neben den beiden Cousinen in England. Wie<br />
freue ich mich, für meine liebe Schwester Maria u. ihren Mann.<br />
[...]<br />
24.I.1962<br />
Bereits ½ 7 h kann ich die Kinderzimmertür schließen; denn<br />
Carlo schläft seit einiger Zeit nicht mehr nach dem Mittagessen,<br />
und so ist er sehr müde. Carlottchen ist dagegen unser Schlafkind.<br />
Bereits morgens schläft sie, wenn sie niemand stört bis 8<br />
h, Carlo kommt schon vor 7 h zu mir ins Bett und begleitet mich<br />
ins Badezimmer. Auch mittags ging Carlottchen bisher sehr<br />
gerne ins Bett, nun sieht sie allerdings, dass Carlo aufbleibt, und<br />
da erhebt sie auch schon Protest, aber ihre Müdigkeit siegt. Das<br />
Schlafen tut dem Kind aber so gut, sie ist viel munterer geworden<br />
und hat auch den schrecklichen Eigensinn ziemlich überwunden.<br />
Sie ist meist tonangebend im Spiel,<br />
Carlo ihr treuer Nachahmer. Auch im Park läuft sie<br />
vorne weg am liebsten durch die Büsche und er<br />
hinterher. „Straße Mutti Hand geben“ verkündet sie<br />
laut und befolgt es dann auch. Oft müssen wir stehen<br />
bleiben „Stein Schuh“ verkündet sie unerbittlich, setzt<br />
sich an den Wegrand und ich muss den Schuh öffnen.<br />
Es stimmt aber auch in den allermeisten Fällen. Wie<br />
merkwürdig, dass Carlo nie einen Stein im Schuh hat!<br />
Im Sprechen ist sie immer dem Bruder etwas voraus,<br />
ich glaube, er lernt von ihr. Sie sagt z. B. seit 2 Tagen<br />
„Carlo“, heute sagte er es auch. Auch kleine Reime,<br />
und Zeilen aus dem Struwwelpeter fangen sie an zu<br />
erzählen. Den Struwwelpeter lieben sie leider sehr, sie<br />
sitzen gerne abends noch im Bett und schauen Bilder<br />
an. Carlo klettert allerdings zu gerne noch umher, sie<br />
schreit dann sehr energisch „Carlo gehste Bett“, wie<br />
sie es von mir gehört hat. [...] Zum 60. Geburtstag<br />
meiner Mutter fuhr ich für 5 Tage nach England. [...]<br />
Die Kinder waren bei der Werkmeisterfrau, die sie<br />
beköstigt hat, und unsere treue Erna hat die Kinder<br />
morgens u. abends besorgt. Sie haben mich überhaupt<br />
nicht vermisst, wenn sie nach mir fragten „Mutti<br />
Frisör“. Carlo war aber sehr glücklich, als ich wieder<br />
kam. Er rief voller Freude bestimmt 10 x „Mutti wieder<br />
da“ u. umarmte mich voller Glück. Carlottchen hat<br />
Muttis Rückkehr gar nicht beachtet. Für mich war es<br />
mal sehr erholsam und die Freude in England groß.<br />
Inzwischen ist nun am 19. Januar [1963] ein Junge<br />
namens Richard Ernst geboren [Schwester Renates<br />
Sohn]. – Nach meiner Rückkehr waren die Kinder<br />
ganz aus dem Häuschen. Es wurde in den Betten<br />
getobt, dauernd hauten sie aufeinander ein, dass es<br />
für mich eine schwere Zeit war. Wie weit das damit zusammenhängt,<br />
weiß ich nicht, seit ein paar Tagen sind<br />
sie beide sehr lieb untereinander und spielen auch<br />
zusammen. Jeder weiß genau was ihm gehört, wie<br />
Puppenwagen u. Eisenbahn. Bilderbücher u. Bauklötze<br />
sind allerdings Gemeingut.
90<br />
Renate (oben re.) bei ihrer Tochter<br />
zu Besuch in Bahrain in Arabien<br />
1989<br />
Hochzeit mit Omran (li.) in England<br />
Wiesbaden 2017<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Ihr geliebte Granny, Großmutter Gerdha, brachte Kathy Deutschsprechen bei. Kathy ist<br />
in England geboren und aufgewachsen und ist eine Engländerin, die dort in die Mittelschule<br />
geht und sehr hübsch in der Schuluniform aussieht. Granny lebt in Stratfordon-Avon<br />
bei ihren Eltern. Sie verabredet sich oft mit ihrer Enkelin nach der Schule im<br />
„Goldenen Ei“ zu einem kleinen Imbiss. Auch vermittelt sie für das Kind Reitstunden.<br />
Kathy wird eine sehr gute Reiterin, die sogar an den typischen englischen Fuchsjagden<br />
teilnehmen darf. Im Garten ihres Elternhauses hat Kathy einen Stall für ihr Kaninchen<br />
Miranda. Und später schafft sie sich eine kleine Dackelhündin Abba an, benannt<br />
nach der bekannten Musikgruppe. Mit ihrer Mutter Renate verlebt sie die Ferien oft<br />
in Deutschland, wo wir drei Schwestern mit unseren Kindern in einem Ferienhaus von<br />
unserer Tante Dorothee eine fröhliche Zeit an der Mosel verbringen. Dabei lerne ich<br />
Kathy Dorothee als ein ruhiges, sehr liebes Kind kennen. Unsere gute Beziehung ist<br />
nie verloren gegangen, auch nachdem Kathy jetzt schon seit vielen Jahren mit ihrem<br />
Mann Abdullah Omran und ihrer Tochter Hana in Bahrain am persischen Golf in Arabien<br />
lebt. Sie ist dort als Engländerin Erzieherin für arabische Kinder. Das macht ihr<br />
Freude.<br />
Katharina Desens<br />
Im Lebensbuch für Renate schreibt meine Mutter<br />
Gerdha über Kathy:<br />
„Katharine ist mein geliebtes Enkelkind, liebstes<br />
Enkelchen, weil sie auch Katharina, wie ich heißt. Ich<br />
war bei der Taufe in der Kirche, Church of England,<br />
inzwischen abgerissen, zugegen.“<br />
meine Mutterschwesterenkeltöchter
Sylke Wolf<br />
91<br />
Tini und ihr Mann Hans<br />
meine Mutter Gerdha mit Schwesterenkeltochter Sylke<br />
Christina schreibt mir über ihre Tochter Sylke:<br />
20 Jahre war ich alt, als unsere Sylke im April 1964 in<br />
Eisleben geboren wurde.<br />
Mein Mann Hans absolvierte gerade ein Praktikum für<br />
sein Ingenieurstudium in Bitterfeld und ich war alleine<br />
mit meiner süßen kleinen Tochter.<br />
Sie kam genau am errechneten Termin zur Welt und<br />
die Geburt dauerte über zwanzig Stunden. Doch als der<br />
erste Schrei ertönte, war ich überglücklich und die Mühen<br />
der letzten Stunden waren vergessen.<br />
Ein wohlig, warmes Gefühl durchströmte mich, als sie<br />
mir auf die Brust gelegt wurde. Nun war ich Mama! Am<br />
nächsten Tag reiste der glückliche Papa an und sah<br />
sein Töchterchen zum ersten Mal.<br />
Sylke war intelligent, lebensfroh und wuchs unkompliziert<br />
auf – zur großen Freude von uns Eltern – und ist<br />
heute eine anerkannte Lehrerin, die glücklich mit ihren<br />
Schülern den Unterricht in den Fächern Biologie und<br />
Chemie gestaltet.
92<br />
Sylkes Tochter Maria F.<br />
verheiratetete H.,<br />
geboren 1989 in Mitteldeutschland,<br />
meine Mutterschwesterurenkeltochter, die Matriarche;<br />
Sylkes Tochter Lisa F.<br />
verheiratete S.,<br />
geboren 1986 in Mitteldeutschland,<br />
meine Mutterschwesterurenkeltochter;<br />
Carlottas Tochter Silja K.<br />
geboren 1994 in Südafrika,<br />
meine Schwesterenkeltochter;<br />
Kathys Tochter Hana O.<br />
geboren 1996 in Arabien,<br />
meine Schwesterenkeltochter.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden 2016]
93
94<br />
2000<br />
die Zwillinge Silja und Marko 2010<br />
1989<br />
Abschlussfeier ‘16<br />
Afrikaansuniversität<br />
die Zwillinge<br />
Carlo und Carlotta<br />
Silja und Marko<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Carlotta schreibt mir heute in einer E-Mail über<br />
ihre Tochter Silja:<br />
Silja wurde am 15.März an einem schönen Herbsttag<br />
im Jahre 1994 in Kapstadt, Rep. Südafrika,<br />
ganz genau dreißig Sekunden vor ihrem Zwillingsbruder<br />
Marko von mir geboren.Genau sechs Wochen<br />
später findet die erste demokratische Wahl in<br />
Südafrika statt und Silja konnte sich wohl politisch<br />
kein ereignisreicheres Jahr als Geburtsjahr hier im<br />
Land ausgewählt haben.<br />
In unserem neuerbauten Haus in Kleinmond<br />
bei Kapstadt verbringt Silja ganz gemütlich und<br />
zufrieden ihre Babyjahre. Ihr erstes Lebensjahr verschläft<br />
Silja fast die ganze Zeit, und sie überrascht<br />
uns dann, als sie mit elf Monaten ihre ersten<br />
Schrittchen macht. Die drei großen Geschwister<br />
helfen sehr viel mit Fläschchengeben, Wickeln<br />
und Baden und wir alle haben sehr viel Freude an<br />
unseren neuen Familienmitgliedern. Die Babyzeit<br />
geht sehr schnell herum und Silja und Marko entwickeln<br />
sich zu zwei sehr lebendigen und bewegungsfreudigen<br />
Kleinkindern und eine sehr erfreuliche,<br />
aber auch überaus anstrengende Kleinkinderzeit<br />
steht Mama bevor. Mit drei Jahren beginnt Silja<br />
zusammen mit Marko mit Schwimmunterricht und<br />
Mama fährt zwei mal in der Woche in das eine<br />
Stunde entfernt gelegene Hallenbad nach Strand.<br />
Dort lernen unsere Zwei sich durch Paddeln auf<br />
dem Rücken zu drehen und somit sich über Wasser<br />
zu halten. Silja überwindet sehr schnell ihre Furcht<br />
und springt ganz waghalsig vom Beckenrand ins<br />
Wasser.<br />
Da zu Hause nur Deutsch gesprochen wird, ist das<br />
Afrikaans von Silja recht holperig, aber trotzdem<br />
genießt Silja die Kindergartenaktivitäten und sie<br />
Silja K.<br />
schließt mit anderen Kindern schnell Freundschaft. Rasch<br />
lernt Silja fließend Afrikaans zu sprechen und von ihren<br />
großen Geschwistern erfährt Silja die Existenz der englischen<br />
Sprache, ihrer zukünftigen Schul- und Berufssprache.<br />
Im Januar 2001 wird Silja mit knapp sieben Jahren in die<br />
Grundschule eingeschult. Um die Selbständigkeit unserer Zwillinge<br />
zu fördern, werden unsere Beiden gleich von Anfang an<br />
in verschiedenen Klassen unterrichtet. In der zehnten Klasse<br />
entschließt sich Silja durch Fächerwahl ihr Abitur im Mathematischen<br />
Zweig zu machen. Weiterhin nimmt sie privaten<br />
Kunstunterricht, sie ist eine leidenschaftliche Hockeyspielerin<br />
und eine begabte Reiterin und schwimmt weite Strecken im<br />
Breede River.<br />
Im Jahre 2011 empfängt Silja Deutschunterricht. Aussprache<br />
und Wortschatz sind kein Problem, nur für das Abitur muss Silja<br />
noch auf die Schnelle die deutsche Grammatik erlernen. Silja<br />
wird im Jahre 2011 in der deutschen Kirche in Stellenbosch<br />
zusammen mit ihrem Bruder und drei anderen deutschen<br />
Kindern bei Pastorin Christiane Simon konfirmiert.<br />
Im März 2012 besteht Silja kurz nach ihrem 18. Geburtstag<br />
nach 16 Fahrstunden ihren Führerschein. Silja nimmt wenig<br />
später an der berühmten Fahrradtour Cape Argus teil und erledigt<br />
die 112 Kilometer in knapp sieben Stunden.<br />
Das Abiturjahr vergeht wie im Fluge. Das Abschlussball und<br />
Dinner gehören zu den großen Höhepunkten des Jahres und<br />
sie schließt ihr Abitur mit insgesamt fünf Auszeichnungen ab,<br />
und wird somit Sechstbeste von der ganzen Overbergregion.<br />
Im Februar 2013 beginnt Silja an der Afrikaansuniversität in<br />
Stellenbosch ihr Studium als Wirtschaftsprüferin und bekommt<br />
im Jahre 2016 ihren ersten Abschluss als Chartered<br />
Accountant (Wirtschaftsprüferin). Die Abschlusszeremonie an<br />
der Universität Stellenbosch mit Nationalhymne und 38°C im<br />
Schatten ist sehr langwierig, aber auch sehr ergreifend. Wir<br />
wünschen unserer Tochter Silja alles Gute für ihre Zukunft.<br />
meine Schwesterenkeltöchter
Hana O.<br />
95<br />
mit Großmutter Renate<br />
Ich selbst, Maria, lernte Hana, die Enkeltochter meiner<br />
Schwester Renate d. h. meine Großnichte, als kleines<br />
Mädchen in England kennen. Sie war dort oft mit ihrer<br />
Mutter zu Besuch. Hana war ein reizendes, sehr lebhaftes<br />
kleines Mädchen, zur großen Freude ihrer Großeltern.<br />
In ihrer Heimat in Bahrain, lernte Hannah dann Reiten<br />
und Ballett. Ihre Mutter erzählte mir, wie tierlieb sie<br />
ist, und dass sie Blumen sehr liebt. Fernostreisen mit<br />
ihrer Mutter Kathy nach Singapur und China bringen ihr<br />
Freude, und in England besuchen sie gerne ihren Onkel<br />
Richard, den Bruder ihrer Mutter.<br />
Jetzt studiert Hannah Englische Literatur und liest<br />
W. Shakespeare. Ihre deutschstämmige Mutter Kathy<br />
(Katherine Dorothy Desens) und ihr arabischer Vater Abdullah<br />
Omran hatten sich in der weltberühmten Shakespearestadt<br />
Stratford-on-Avon kennengelernt, wo Kathy<br />
geboren wurde und aufwuchs (meine Schwester war nach<br />
dem Kriege als „Aupairgirl“ nach England gegangen).<br />
Mit Kathy und Hannah halten wir über Facebook engen<br />
Kontakt, trotz der Entfernung! Das ist charaktieristisch<br />
für das Virtuelle Matriarchat.<br />
Per Mail schreibt mir die in England zweisprachig aufgewachsene<br />
Kathy O. in deutscher Sprache über ihre Tochter<br />
Hana:<br />
Unsere Tochter Hana (oder „Hannah“, sie mag<br />
jetzt ihren Namen selbst buchstabieren) kam am<br />
5.6.1996 in Bahrain (in Arabien, im Persischen<br />
Golf), genau einen Monat vor meinem Geburtstag<br />
in die Welt. Wir waren absolut begeistert, ein<br />
kleines Mädchen und eine Schwester für Anwar<br />
zu haben. Sie war ein pflegeleichtes Baby, das viel<br />
schlafen konnte.<br />
Hannah‘s Charakter entwickelte sich bald. Sie war sehr<br />
aktiv während des Tages und machte ihre ersten Schritte<br />
nach 9 Monaten. Hannah gefiel der Schnuller, und<br />
sie war nie lange ohne ihn, und unterhielt uns mit den<br />
lustigen Geräuschen, die sie machte, während er noch<br />
in ihrem Mund war. Hannah wurde definitiv der Anführer<br />
zwischen sich und ihrem Bruder. Hannahs Lieblingsspielzeug<br />
war ein rosa Dinosaurier namens Barney.<br />
Wir reisten nach England, als Hannah etwas über ein<br />
Jahr alt war, und unser kleines Mädchen war glücklich,<br />
auf dem Boden des Flugzeugs auf einer Decke unter<br />
unseren Sitzen mit ihrem rosa Schnuller im Mund zu<br />
schlafen.<br />
An ihrem ersten Tag im Kindergarten bestand sie darauf<br />
ihre roten Gummistiefel zu tragen, die im heißen Klima<br />
von Bahrain fehl am Platz erschienen. Ich möchte sagen,<br />
dass unsere Tochter später dazu überredet wurde<br />
Sportschuhe zu tragen.<br />
Hannah entwickelte eine Liebe zu Tieren. Wir hatten<br />
immer Haustiere: Ein Kaninchen, eine ganze Weile lang<br />
Vögel; aber dann öffnete sie immer wieder die Käfige<br />
und ließ sie frei, dann konnte sie nicht verstehen, warum<br />
wir sie nicht wieder einfangen konnten.<br />
Hannah war immer sehr aktiv, sie lernte schon sehr früh<br />
schwimmen. Sie war eine begeisterte Reiterin und nahm<br />
sogar an Wettkämpfen teil. Hannah nahm auch für einige<br />
Zeit Ballettunterricht, fand die Disziplin aber zu sehr<br />
wie in der Schule.<br />
Unsere Tochter hat immer noch ihre fröhliche Persönlichkeit<br />
bewahrt, jetzt mit 22 Jahren bringt sie uns oft<br />
mit ihrem Sinn für Humor zum Lachen, und sie mag es,<br />
auf arabische Weise zu singen und zu tanzen.
96<br />
Sylkes Tochter Maria F.<br />
verheiratete H.,<br />
geboren 1989 in Mitteldeutschland,<br />
meine Mutterschwestergroßenkeltochter;<br />
die heutige Matriarche.<br />
[Öl auf Leinwand, 60×50 cm, Wiesbaden 2015]
97
98<br />
1989<br />
****<br />
1935<br />
1901<br />
877<br />
1853<br />
1822<br />
-20<br />
-1400<br />
Die Matriarche.<br />
aria F.<br />
meine Mutterschwestergroßenkeltochter
99
100
101<br />
III<br />
Anschließende Worte<br />
Das Virtuelle Matriarchat (Sohn Martin) 102<br />
Nachwort und Ausblick 106<br />
An die Leserin und den Leser 110
as Virtuelle Matriarchat – Theorie & Praxis<br />
Liebe Leserin, lieber Leser, vielleicht hast du dich schon intensiv mit diesem<br />
<strong>Buch</strong> befasst, vielleicht ist dieses Kapitel auch das Erste für dich,<br />
aber in in jedem Fall wirst du die Frage stellen, wieso wir diesen Untertitel<br />
für das <strong>Buch</strong> mit den Portraits der Ahnfrauen unserer Familie gewählt<br />
haben und was sich genau dahinter verbirgt.<br />
Ja, es ist richtig, matriarchale Gesellschaften sind hunderte oder sogar<br />
tausende von Jahren alt, sie sind älter als das Patriarchat, auch wenn<br />
sie nicht so im Bewusstsein der modernen Industriegesellschaft präsent<br />
sind. Zum Beispiel die Khasi in Indien, die Mosuo in China und die Minangkabau<br />
in Indonesien sind große und selbstbewusste Ethnien, die in einer<br />
patriarchalen Umgebung überlebt haben und uns inspirieren können.<br />
Aber es stimmt schon, wenn das Patriarchat verantwortlich und spirituell<br />
gelebt wird, ist es prinzipiell auch funktionsfähig, doch leider gibt es<br />
viel zu wenige Männer, die dieser Verantwortung tatsächlich gerecht werden<br />
können – und auch Frauen haben heutzutage Schwierigkeiten, die<br />
traditionellen patriarchalen Rollen für Frauen zu akzeptieren. Vor diesem<br />
Hintergrund erschien es mir geboten, ein alternatives gesellschaftliches<br />
Familienmodell zu entwickeln, welches zugleich patriarchale (also bei<br />
uns traditionelle) Elemente wie die monogame Ehe enthält, aber auch<br />
matriarchale Elemente wie die Matrifokalität und Matrilokalität.<br />
Was bedeutet nun der Begriff „virtuell“ in diesem Zusammenhang?<br />
1. Im VM wird viel mit modernen (virtuellen) Kommunikationsmitteln gearbeitet. Ohne sie ist es auch<br />
kaum möglich, Menschen miteinander zu verbinden, speziell, wenn sie (zunächst) nicht beieinander<br />
leben.<br />
2. Der Virtuelle Matri-<strong>Clan</strong> (VMC) ist ja erst mal keine gewachsene Struktur, er besteht zunächst nur virtuell,<br />
in der Vorstellung derer, die die matrilineare Genealogie verfolgen und die jüngste Tochter der<br />
jüngsten Tochter ... der <strong>Clan</strong>-Urmutter als „Matriarche“ identifizieren.<br />
3. Wenn es nicht möglich ist, gleich einen realen Matri-<strong>Clan</strong> aufzubauen, kann es hilfreich sein, zunächst<br />
sogenannte „virtuelle“ Familienmitglieder in Form von Puppen zu etablieren (s. Anni, S. 50 ff.). Wir<br />
haben damit gute Erfahrungen gemacht, weil meine Mutter zwar die jüngste Tochter ist, sie aber keine<br />
eigene Tochter hat, die unsere Matriarche sein könnte, und sie selbst ist schon zu alt für diese Rolle,<br />
denn es ist aus verschiedenen Gründen besser, wenn die Matriarche jung ist.<br />
4. Schließlich hat das Wort „virtuell“ die lateinische Wurzel „vir“, was „männlich“ bedeutet. In unserem<br />
virtuellen Matriarchat spielen die Männer überhaupt keine untergeordnete Rolle! Obwohl die Frauen<br />
im Zentrum (Fokus) sind und die Matriarche den VMC in konsensueller (es wird eine Lösung gefunden,<br />
die alle befriedigt) Weise leitet, sehe ich auch:
103<br />
Vier typisch „männliche“ Aspekte im VM<br />
a) Eine gute Ehe wird angestrebt, so wie es von Jesus Christus gewünscht wurde, als er in Palästina lehrte.<br />
Das heißt, der Mann liebt seine Frau, er ist ihr treu, und die Frau ehrt ihren Ehemann.<br />
b) Die Männer eines MCs arbeiten zusammen und beschützen wie ein „äußerer Ring“ den weiblichen<br />
„Kern“. Sie können beispielsweise miteinander ein gemeinsames Geschäft führen oder sich etwa<br />
beim Hausbau unterstützen.<br />
c) Die Männer praktizieren, wenn sie das wollen, eine „echte patriarchale“ Spiritualität mit Jesus Christus<br />
und/oder Shri Krishna als Vorbild im Sinne eines „dienenden Priestertums“, wo der Einfluss nur<br />
vermittels Liebe, Langmut und Überzeugung geltend gemacht wird, nicht etwa gewaltsam oder durch<br />
laute Worte.<br />
d) Die Männer leben im VM aus Überzeugung, weil es die bessere Ordnung ist, und weil sie ihren Frauen<br />
den Raum geben wollen, den sie verdienen – ohne ihre eigene Selbständigkeit aufgeben zu müssen.<br />
Sie sind friedlich und sanftmütig, aber auch stark und klar, wenn es erforderlich ist.<br />
Was folgt daraus für das gemeinschaftliche Leben?<br />
Die mütterlicherseits verwandten Frauen helfen sich bei der Erziehung der Kinder gegenseitig. Negative<br />
Effekte der Kleinfamilie werden vermieden, weil Kontrolle da ist. Es gibt keinen Missbrauch oder Ausbeutung.<br />
Die Männer teilen sich auch ihre Aufgaben und stabilisieren sich gegenseitig, aufwachsende Jungen<br />
haben mehrere Vorbilder und können den eigenen Mutter-<strong>Clan</strong> verlassen, wenn sie eine geeignete Frau<br />
– die möglichst auch in matriachalen Strukturen organisiert lebt – gefunden haben. Männer und Frauen<br />
können sich bei schwierigen Themen zuerst separat miteinander als Gruppe beraten, um danach im Plenum<br />
eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Männliche und weibliche Sichtweisen ergänzen sich dabei.<br />
Das VM hat eine spirituelle Grundlage. Die Lady of all Nations (LoaN-pac. = Maria als Miterlöserin,<br />
auf dem Pazifik stehend, s. S. 18 f.) ist im VM zwar klar die geistliche Führung. Aber auch „patriarchale“<br />
spirituelle Elemente spielen eine Rolle, da ja auch die Männer ein integraler Bestandteil des VMs sind.<br />
Warum ist die Spiritualität im VM überhaupt so wichtig?<br />
Weil erfahrungsgemäß eine spirituelle Praxis gemeinschaftsbildend ist! Speziell wenn die östliche (Yin)<br />
und westliche (Yang) Spiritualität kombiniert werden, entsteht eine starke seelisch verbindende Energie,<br />
die es der virtuellen Matriarche erlaubt, den <strong>Clan</strong> um sich zu sammeln und ihn auch zusammenzuhalten.<br />
Das Gebet zur Frau aller Völker kann dazu hilfreich sein (s. S. 18).<br />
Yin und Yang sind bekanntlich im traditionellen Taoismus (Laotse) die beiden sich gegenseitig komplementär<br />
ergänzenden allgegenwärtigen Grundprinzipien, die in der Welt wirken. Yin ist weich, dunkel,<br />
rund und intuitiv, Yang hart, hell, linear und intellektuell. Natürlich ist das nur das theoretische Extrem,<br />
die Realität ist eine Kombination aus beidem, wie es die andersfarbigen Kerne im Yin-Yang-Symbol Taijitu<br />
bereits andeuten.<br />
Auf die Spiritualität unserer Welt angewandt, kann man mit der bekannten Autorin Shakti Gawain „Leben<br />
im Licht“, der östlichen Spiritualität mehr einen Yin- und der westlichen mehr einen Yang-Charakter<br />
zuordnen. Indien und Amerika sind für mich die Exponenten in dieser Sichtweise. Wenn beide zum TAO<br />
kombiniert werden, entsteht eine globale und ganzheitliche Spiritualität mit der „LoaN-pac.“ als Mittlerin<br />
zwischen beiden Extremen, die jeweils in Christus und Krishna personifiziert werden können. Diese<br />
beiden spirituellen Personen stellen, bildlich gesprochen, zwei Leuchttürme dar, die dem „matriarchalen<br />
Schiff“ auf dem Weg durch das „dunkle Meer der patriarchalen Welt“ ein Licht sein können. Das in<br />
Amerika niedergeschriebene „<strong>Buch</strong> Mormon“ und die in Indien gesprochene „Bhagavad-Gita“ sind zwei<br />
weltweit bekannte Heilige Schriften, die wie Fackeln in den Leuchttürmen hell erstrahlen.<br />
ohn Martin
104<br />
<strong>Buch</strong> Mormon, 1. Ne. 22; 24-25:<br />
Und die Zeit kommt schnell, da die Rechtschaffenen heraufgeführt<br />
werden müssen wie Kälber aus dem Stall, und der Heilige Israels<br />
[Jesus] muss regieren mit Herrschaft und Kraft und großer Herrlichkeit.<br />
Und er sammelt seine Kinder von den vier Enden der Erde;<br />
und er zählt seine Schafe, und sie kennen ihn; und es wird eine<br />
Herde sein und ein Hirte; und er wird seine Schafe weiden, und in<br />
ihm werden sie Weidegrund finden.<br />
Bhagavadgita, Kapitel 10, Verse 17-20:<br />
Arjuna: Sag mir, wie ich erfasse Dich,<br />
wenn sich mein Geist in Dich versenkt,<br />
in welcher Offenbarungsform<br />
erscheinst Du dem, der an Dich denkt?<br />
Erkläre Deine Wundermacht,<br />
die Göttliche, und habe Dank,<br />
denn nimmer trinke ich mich satt<br />
an Deiner Worte Göttertrank.<br />
Krishna: Wohlan, es sei! Ich künde dir<br />
die Fülle der Erhabenheit,<br />
doch wähl‘ Ich nur das Höchste aus:<br />
Kein End‘ ist meiner Herrlichkeit.<br />
Ich wohne, Ringellockiger,<br />
als Seele allen Wesen ein,<br />
ihr Ziel bin Ich, und ihr Beginn<br />
und ihre Mitte, Ich allein.<br />
Ich bin der festen Gewissheit, dass mit der LoaN-pac. (der Miterlöserin Maria) als Kapitänin<br />
auf diesem „Schiff“ das VM sicher den Hafen des Friedens und Glücks erreichen wird. Die<br />
lebende Matriarche hält das Steuer der Liebe und alle arbeiten gemeinsam an den Tauen<br />
und Segeln, der Wind ist auch günstig und so sind alle ausgelastet und zufrieden!<br />
[Am Rande sei erwähnt, dass dabei für mich ein gutes Zeichen ist, dass auf unserem Weg<br />
zu diesem <strong>Buch</strong> viele (Zahlen-) Synchronizitäten eingetreten sind: Zum Beispiel ist der virtuelle<br />
Stamm „Dina“ der dreizehnte Stamm in Israel, dem Bundesvolk Jesu Christi. Am 13.<br />
Mai zeigte sich die Gottesmutter den drei Seherkindern in Fatima zum ersten Mal – und<br />
unsere <strong>Clan</strong>-Urmutter <strong>Clara</strong> (s. S. 24 f.) hat auch am 13. Mai ihren Geburtstag. So wird die<br />
Dreizehn unsere Glückszahl, deren Quersumme vier ist, die „Frauenzahl“!]<br />
Möge uns also das VM helfen, eine Alternative zum meist zerstörerisch wirkenden Patriarchat<br />
aufzuzeigen. Und dir, liebe Leserin, lieber Leser, wünschen wir viel Erfolg beim Aufbau<br />
deines eigenen VMs - und vielleicht können wir ja eines Tages alle VMs miteinaner vernetzen<br />
und uns dadurch ergänzen ...<br />
Das wäre doch großartig – oder?
v<br />
105
achwort und Ausblick<br />
Was wissen wir über die Situation europäischer Frauen? Viel wurde von der neuen Frauenbewegung<br />
zur Erlangung gleicher Rechte von Frauen und Männern erreicht.<br />
Wir sehen aber auch heute noch die Benachteiligung von Frauen in verschiedenen<br />
gesellschaftlichen Bereichen.<br />
In den Tagebüchern lese ich von den Gedanken meiner Mütter und Vormütter. Ich beginne<br />
mit meiner Ururgoßmutter Maria Luise, geboren 1822, die ein ausgezeichnet gutes<br />
Verhältnis zu ihrer Tochter <strong>Clara</strong> hatte, diese wieder zu ihrer Tochter Hilde, weiter in tätiger<br />
Liebe zur Tochter Gerda und diese zu ihren Töchtern Renate, Dorothee und mir selbst. Da<br />
werden aber auch manche Konflikte offengelegt, die in der Öffentlichkeit von damals nicht<br />
geklärt wurden.<br />
Doch das „Private ist politisch“, habe ich gelernt, und so frage ich:<br />
Was wollten die Mütter uns sagen?<br />
An einigen Beispielen möchte ich das vorstellen. So beschreibt meine<br />
Großmutter Hilde, dass sie traurig darüber ist, dass ihr in der Politik erfolgreicher<br />
Ehemann sie mit der Erziehung der drei Töchter alleine lässt, weil<br />
er viel auf Reisen ist. Aber sie geht den Weg nach vorn. Sie reist ihm, wenn<br />
er von Tagungen im Reichstag kommt, entgegen, um die Ergebnisse zu<br />
erfahren. Auch sie ist politisch engagiert, kann dieses jedoch nicht selbst<br />
ausüben. Ein weiteres Beispiel: Die Bildung der Mädchen in der Höheren<br />
Töchterschule war auf die sogenannten Schönen Künste und etwas Hauswirtschaft<br />
beschränkt. Deshalb sorgt Hilde dafür, dass ihre Töchter einen<br />
Beruf erlernen.<br />
Oder noch weiter zurück: Meine Urgroßmutter <strong>Clara</strong> heiratet als Witwe<br />
ein zweites Mal. Mutig, weil unüblich.<br />
Meine Ururgoßmutter Maria-Luise kann ich eine „Matriarche“ im weiteren<br />
Sinne nennen, denn sie führt selbständig ein großes Haus, erzieht vier<br />
Kinder und verköstigt die armen umherziehenden Handwerksgesellen,<br />
ähnlich wie es der Reformer Adolph Kolping später tat.<br />
Hier zeigt sich: Wenn Frauen und Männer gleichberechtigt an derselben<br />
Sache arbeiten, kann es Veränderungen zum Guten geben. Das<br />
gute Verhältnis zwischen den Müttern und den Töchtern bringt Früchte.<br />
Die Fertigkeiten, die religiöse Einstellung, die Liebe zu ihren Kindern, das<br />
Streben nach Bildung, das gute Einvernehmen zu ihren Ehemännern und<br />
mütterlichen Verwandten führt dazu, dass auch die Nachgeborenen diese<br />
Einstellung übernehmen und an ihre Kinder weitergeben.<br />
Durch die Erforschung der Genealogie<br />
meiner Familie bin ich<br />
aber auch auf Konflikte innerhalb<br />
der Frauenlinie gestoßen. Die Mutter-Tochter-Beziehung<br />
muss zuerst<br />
gesunden, damit die Heilige Geistin,<br />
die „Heilige Ruach“ kommen<br />
kann. So lernen die Mütter und<br />
Töchter, die in der ehemaligen<br />
DDR mit der dortigen „Scheinemanzipation“<br />
aufgewachsen sind,<br />
erst spät das ganzheitliche emanzipatorische<br />
Konzept von Frauen<br />
kennen, die sich völlig aus alten,<br />
unterdrückerischen Strukturen<br />
befreien. Das ist zumindest meine<br />
persönliche Erfahrung. Ich habe<br />
zwei totalitäre Systeme erleben<br />
müssen, erst den Nationalsozialismus<br />
und dann den real existierenden<br />
Sozialismus/Kommunismus.<br />
Im freien Westen konnte<br />
sich der Feminismus anders<br />
entwickeln. Aber die Genealogie<br />
nach der mütterlichen Herkunft,<br />
und gelebte Spiritualität, so stelle<br />
ich es mir vor, bringen Licht auch<br />
in unsere modernen Lebensbedingungen<br />
und wirken mit der Zeit.
107<br />
Wie bin ich selbst zur Matriarchatsforschung gekommen?<br />
Meine Herkunft aus bildungsbürgerlicher Familie in Schlesien und mit bäuerlichen Wurzeln<br />
in der Eifel brachte mich auf diesen Weg. In Berlin unter der Herrschaft des Nationalsozialismus<br />
geboren, im Sozialismus der DDR erwachsen geworden, Übersiedlung und<br />
frühe Heirat in Westdeutschland, wurde ich Mutter, lange Hausfrau ohne Beruf trotz Abitur<br />
und stand eines Tages am Nullpunkt, als meine Ehe sich nicht fortsetzen ließ. Ich studierte<br />
nun Sozialpädagogik, las viel, fand Freundinnen in den Mitstudentinnen und den<br />
Professorinnen Maria Mies, Brigitte Dorst und Mechthild Höflich, mit denen ich über meine<br />
Erfahrungen reden konnte. Nach dem Studium bin ich noch viele Jahre in der Erwachsenenbildung<br />
berufstätig gewesen.<br />
Ich begeistere mich nun für die Kunst, Kultur und Forschung des Frauenmuseums<br />
Bonn mit ihrer Direktorin Frau Marianne Pitzen, besuche während und nach meiner Berufstätigkeit<br />
die Malakademie in Köln und gestalte Portraits von den Frauen meiner Familie<br />
und anderen bedeutenden Frauen und darf dort auch meine Gemälde ausstellen.<br />
Mein Leben geht nun in die Richtung einer Vision.<br />
Ich möchte Frauen stärken, gemeinsam zu handeln, um zerstörerische patriarschalische<br />
Strukturen zu überwinden. Dazu muss das Geschichtsbewusstsein von Frauen gestärkt<br />
werden. Ich finde Anregungen im „Haus der Frauengeschichte“ in Bonn bei Professorin<br />
Annette Kuhn. Es geht um die Veränderung der Einstellungen, es geht um die Zukunftsperspektive!<br />
Praktisch bedeutet das für uns im <strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>: Kommunikation. Wir bauen eine rege<br />
E-Mail-Korrespondenz zu den Töchtern meiner Schwestern Renate und Dorothee auf, die<br />
weit entfernt mit ihren Familien leben: Kathy in Arabien und Carlotta in Südafrika. Sie besuchen<br />
uns sogar hier in Wiesbaden. Virtuell bedeutet für uns auch, dass deren Töchter<br />
Hana und Silja nun über Facebook miteinander bekannt und befreundet sind. Mein Sohn<br />
Martin reist zu meinem Schwestersohn Richard in England und trifft sich mit ihm am Grab<br />
von Gerdha, ihrer gemeinsamen Großmutter, in Stratford-on-Avon. Das sind nur kleine Beispiele<br />
für das ‚erfräuliche‘ Ergebnis unserer matrilinearen Familienforschung. Es möge<br />
viele Frauen dazu inspirieren, Fragen zu stellen und nach den Müttern und Vormüttern zu<br />
forschen.<br />
Hier verwirklichen sich matriarchale Ansätze konkret.<br />
Die Vision eines Zukunftsmodells ist: Mütter und Töchter leben, Spiritualität ausübend, in<br />
Liebe sich unterstützend, nahe beieinander. Die Gottesmutter Maria als Frau aller Völker<br />
(Lady of all Nations) wirkt einigend, segnend und beschützend. Kinder, Alte, Behinderte<br />
gehören in den <strong>Clan</strong> und werden in ihren unterschiedlichen Anlagen respektiert. Die<br />
<strong>Clan</strong>-Mitglieder helfen sich bei ihren vielfältigen Aufgaben und lösen Probleme gemeinsam.<br />
Wenn die Frauen verheiratet sind, leben ihre Ehemänner bei ihnen und sie arbeiten<br />
zusammen, um den „weiblichen Kern“ zu unterstützen und zu schützen. Die <strong>Clan</strong>-Matriarche,<br />
das heißt übersetzt: „die Frau, die vorangeht“, koordiniert ohne zu herrschen als<br />
jüngste Tochter (der jüngsten Tochter ... der Ahnfrau), diesen inzwischen real gewordenen<br />
„Virtuellen Matri-<strong>Clan</strong>“. Bei regelmäßigen Zusammenkünften wird im Konsens entschieden.<br />
Es gibt keine Erbstreitigkeiten, denn das Land und der Wirtschaftsbereich bleiben in<br />
der Hand der Frauen.<br />
Maria Friederike
109<br />
Um dieses visionäre Konzept zu verwirklichen,<br />
ist zuerst notwendig, die weibliche Genealogie zu<br />
erforschen, um die eigene Herkunft zu kennen<br />
und die weiblichen Personen zu identifizieren, die<br />
zum <strong>Clan</strong> gehören. Dann entsteht die „Ordnung<br />
der Mutter“. Falls keine eigene Tochter geboren<br />
ist, gibt es die Möglichkeit, eine virtuelle Tochter<br />
und/oder Enkeltochter in Form von Puppen zu<br />
haben. Das kann eine große Inspiration sein und<br />
hilft, das virtuelle Matriarchat bereits im Hier und<br />
Jetzt virtuell aufzubauen, bis lebende Personen<br />
hinzukommen. Das tägliche Gebet zur Frau aller<br />
Völker (Lady of all Nations s. S. 18) und/oder<br />
ggf. ein anderes Gebet geben uns dazu die Kraft.
iebe Leserin, lieber Leser,<br />
In Fortsetzung der guten Tradition, das Virtuelle Matriarchat (VM) in einer<br />
konsensuellen (einvernehmlichen) Weise zu gestalten, also nicht<br />
autoritativ hierarchisch sondern dialogisch, soll auch hier der Versuch<br />
gemacht werden, den Leser und die Leserin in die Entwicklung des VM<br />
miteinzubeziehen.<br />
Die Matriarche ist keine Herrscherin sondern die Koordinatorin. Sie<br />
sorgt dafür, dass alle zu Wort kommen und eine gemeinsame Entscheidung<br />
gefällt werden kann, nachdem die Wahrheit aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln betrachtet wurde.<br />
Die Herausgeberin des <strong>Buch</strong>es „<strong>Clara</strong> <strong>Clan</strong>“, meine Mutter Maria<br />
Friederike, hatte zwei Anliegen: Erstens sollten die Vormütter sichtbar<br />
gemacht werden (Bilder) und zu Wort kommen (Tagebücher). Zweitens<br />
sollte der Versuch unternommen werden, eine alternative matriarchale<br />
Familienstruktur gesellschaftlich einzuführen: Auf der weiblichen Genealogie<br />
aufbauend eine Mutter-<strong>Clan</strong>-Struktur in einem patriarchalen<br />
Kontext beispielhaft verwirklichen.
111<br />
... jetzt bist Du gefragt – Du darfst hier Deine Meinung kundtun:<br />
Ja, ich bin dafür, dass Frauen mehr zu Wort kommen und<br />
finde Matri-Ahnenforschung wichtig.<br />
( ) stimmt<br />
( ) stimmt nicht<br />
( ) weißnich<br />
Ich habe schon herauszufinden versucht, was meine Großmutter<br />
und meine Tanten mütterlicherseits positiv auszeichnete<br />
und was sie davon an uns Mutterclan-Angehörige weitergegeben<br />
haben.<br />
( ) ja<br />
( ) nein<br />
( ) weißnich<br />
Wenn ich noch keinen Mutterlinien-Stammbaum habe, will<br />
ich das jetzt mal versuchen, um auch die potentiellen Matriarchen<br />
jedes einzelnen Zweiges und des ganzen Baumes<br />
herauszufinden.<br />
( ) ja<br />
( ) nein<br />
( ) weißnich<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
wenn Du alle Fragen mit „stimmt“ beantwortet<br />
hast, darfst Du weiterlesen, ansonsten bitte hier<br />
zu lesen aufhören und dieses <strong>Buch</strong> nochmal von<br />
vorn beginnen ... Sorry :-(.<br />
------------------------------------------------------------------------------------------ :-) ---------------------------------------------------------------------------------------------<br />
Super, Du hast die Anforderungen erfüllt und bist geeignet, einen eigenen Virtuellen-Mutter-<strong>Clan</strong> aus der Taufe zu<br />
heben und die Segnungen des VM zu genießen.<br />
Also geh‘ an die Arbeit und wenn Du alle Namen (bei lebenden Personen mit Adresse) zusammengetragen<br />
hast, finde heraus, wer Deine lebende Matriarche ist (wenn sie noch nicht geschlechtsreif ist, ist ihre Mutter die<br />
amtierende Matriarche).<br />
Diese Person ist nun für Dich verantwortlich, Du kannst sie um Rat fragen und versuchen, ihr dabei zu helfen,<br />
den VMC zusammenzubringen, die Kinder gemeinsam zu erziehen, die Mütter zu unterstützen und spirituell und<br />
nachhaltig weiter Fortschritte zu machen, um Glück und Freude zu bewahren. Idealerweise sollte die Matriarche<br />
etwas eigenen Grund und Boden haben, damit dort das Mutterhaus entstehen und sich der <strong>Clan</strong> in der Nähe ansiedeln<br />
kann. Die männlichen Mitglieder des Mutter-<strong>Clan</strong>s sollten eine gute Frau finden und in der Nähe der Matriarche<br />
des <strong>Clan</strong>s ihrer Frau wohnen und mit den anderen Ehemännern gemeinsam den <strong>Clan</strong> finanziell unterhalten.<br />
Wenn Du Dich an die Arbeit gemacht hast, freuen wir uns, Dich mal persönlich kennenzulernen!
112
113<br />
IV<br />
Anhang<br />
Matriarchal Chess (Sohn Martin) 114<br />
Die historischen CC-Quellen 116<br />
Literaturliste 118<br />
Originalahnenbuch v. Renate 120
atriarchal Chess<br />
We have heard that by force alone no real victory can<br />
be achieved. Only by insight and love some lasting changes<br />
are possible. The She-Holy-Spirit (Ruach) is the<br />
only real transforming agent in our view.<br />
On the other hand most of us fight against our lower<br />
nature, whereas some of us are in a state of constant<br />
union with the Divine.<br />
When that transcendental state is achieved, the<br />
initial struggle for existence is transformed into a dance.<br />
This is the goal of this MC. We might have to fight<br />
against our bad habits in the beginning, but later on<br />
we will dance happily with our Brothers and Sisters ...
115<br />
by Son Martin<br />
This special game is sort of an adapted Chess<br />
with some new rules matching the matriarchal<br />
thinking:<br />
The ideal setting for MC would be four persons<br />
i.e. two pairs or at least three players (white<br />
having two persons). Surely you can sense the<br />
difference (black represents the patriarchal system,<br />
white stands for the Matriarchal Order).<br />
The two leading pieces (white M and black P) on<br />
both sides have two lives.<br />
The white King is not in the game in the beginning,<br />
because the white Queen is the „Matriarch“.<br />
She is „transformed“ into the King piece,<br />
(then called Lady-King (L)), when she should be<br />
taken the first time.<br />
Her (matriarchal) husband is represented by a<br />
characteristic extra piece (in the photo a snail<br />
on a mill-piece). But that piece may differ according<br />
to the phantasy of the players. The reason<br />
for this extra piece is the special quality of matriarchal<br />
men: they are strong but nonviolent. They<br />
are also (authentic) priests by their nature. Consequently<br />
that piece is called the „Priest“ and<br />
has a small „p“ letter as symbol (in contrast to<br />
the black King on his horse with capital P as his<br />
symbol). He (p) moves one field in each direction<br />
like a King piece but can neither strike nor<br />
being taken himself.<br />
His own party may walk over him as if he would<br />
be invisible, but for the opposing party (Black)<br />
he is blocking the path like a regular piece. Thus<br />
„p“ somehow acts like a shield for his Matri-<strong>Clan</strong><br />
members (White).<br />
As the black King is the Patriarch (P) he is sitting<br />
on an extra (flat) piece, which resembles a Horse:<br />
he can therefore move either like a Knight<br />
(N) or like a Pawn. (See also the example game<br />
at our website).<br />
If P is taken (for the first time), he loses the Millpiece<br />
he is sitting on and henceforth becomes<br />
simply a King (K). Neighboring to P sit the two<br />
Knights (N) and at his Queen‘s side are the two<br />
Bishops (B). Similarly on the white side, M is<br />
with the Bishops and p with the Knights. The Patriarch<br />
P will also become K if he moves other<br />
than Pawn or Knight, e.g. backwards one field<br />
(like only K could do).<br />
As they have two lives, both M and P may enter<br />
a single threat, if they choose to do so, or stay<br />
threatened. But if a second threat is given, it is<br />
like check and has to be answered.<br />
Both the black or the white party may open the<br />
game. If black (patriarchal system) has the lot, a<br />
zero-move is initially done with black only.<br />
Neither M nor P may enter in each others check,<br />
as they both have two lives. When one party has<br />
no pieces left (p does not count) M or P transform<br />
automatically into L or K.<br />
Terminology and abbreviations are as follows:<br />
M Matriarch (L Ladyking)<br />
P Patrirarch (K King)<br />
R Rock<br />
B Bishop<br />
N Knight<br />
Checkmate<br />
draw (Remis)<br />
pinned (gefesselt)<br />
capture (schlagen)<br />
piece<br />
move<br />
ranks (1-8)<br />
files (abc).<br />
Castling is not part of MC.<br />
When a pawn is promoted (reaching rank 8 or<br />
1), only those pieces can be used which already<br />
have been taken by the opposing party.<br />
May Matriarchy win – but it‘s fun in any case :-).
ie historischen CC-Quellen
117<br />
Autor/in Tage-/Lebensbuch Zeitraum Besonderheiten<br />
Hildegard Friedenthal,<br />
geb. Warmuth<br />
LB von Hildegard für Tochter Gerdha<br />
1901 – Lyceum<br />
(Mittelschule)<br />
- in Sütterlin<br />
- mit Fotografien<br />
Hildegard LB von Hildegard für Ilse-Senta 1916 – 1923 - in Sütterlin<br />
- mit Fotografien<br />
Hildegard TB von Hildegard 1918 – 1923 - in Sütterlin<br />
Gerdha Katharina<br />
Margarete Kirsten,<br />
geb. Warmuth<br />
a) Peter Kirsten,<br />
Ehemann Gerdhas<br />
b) Dorothee Agnes <strong>Clara</strong><br />
Heller, geb. Kirsten<br />
für Gerdha<br />
c) Gerdha<br />
a) Gerdha<br />
b) Renate Hildegard<br />
Helene Desens, geb.<br />
Kirsten<br />
Gerdha<br />
Renate<br />
<strong>Buch</strong> zur Hochzeit von Gerdha<br />
(vorgefertigt auszufüllendes <strong>Buch</strong>,<br />
bestehend aus Originaldokumenten)<br />
Haus- und Familienbuch von Peter<br />
und Gerdha Kirsten – 3 Teile:<br />
a) Autobiografie Peter Kirsten<br />
(rückblickend)<br />
b) TB von Gerdha, nachdem PK am<br />
26.12.45 v. Russen verschleppt,<br />
diktiert an ihre Tochter Dorothee<br />
(da G. krank u. erschöpft ist)<br />
c) die letzten beiden Einträge von<br />
Gerdha selbst<br />
2 Teile:<br />
a) LB von Gerdha für Renate<br />
b) TB von Renate im Ostseeurlaub<br />
LB von Gerdha über ihre Tochter<br />
Maria Friederike<br />
TB von Renate<br />
‚Herausgeberin’ Renate „Meine Ahnen“ –<br />
Dorothee Agnes <strong>Clara</strong><br />
Heller, geb. Kirsten<br />
(betitelt: „Mein Tagebuch I, 1938/39<br />
vom 31.8.38 bis 23.3.39“)<br />
Ahnenbuch, zusammengestellt von<br />
Renate nach Interviews m. ihren<br />
Eltern Gerdha u. Peter<br />
LB von Dorothee für Carlo und<br />
Carlotta<br />
1925<br />
(zur Hochzeit)<br />
a) 1940<br />
b) 1947<br />
c) 1947, 1950<br />
- mit Fotografien<br />
- mit Originaldokumenten<br />
- Hochzeitsspeisefolge<br />
- Telegramme zur Hochzeit<br />
- Geburtsurkunden<br />
1928 – 1942 - Fotografien<br />
1935 – 1956 - Fotografien<br />
- zwei alte Zeitungen aus<br />
G.s Hauswirtschaftskursus<br />
- Dokumente<br />
1938 – 1939 - in Sütterlin<br />
zusammengestellt<br />
ca. 1940<br />
- zwei Zeitungsbilder;<br />
keine Fotografien<br />
1959 – 1963 - Fotografien<br />
- einige Dokumente<br />
Dorothee TB von Dorothee über Israelreise 1967 - sehr viele Postkarten,<br />
Maria Friederike<br />
Kirsten-Haas,<br />
geb. Kirsten<br />
TB von Maria<br />
(betitelt: „Mein Leben mit Werner<br />
und unserem Sohn Martin“)<br />
1988 – 2002<br />
Magazinausschnitte u. Ä.
iteraturliste
119<br />
Bhagavadgita, Ausgabe Reclams Universal-Bibliothek (Nr. 7874), Stuttgart 2008<br />
Die Bibel mit Bildern von Marc Chagall, Weltbild Verlag GmbH, München, 1990<br />
Die grosse Bibel der Moderne. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Verl. Kath. Bibelwerk, Stuttgart 1999<br />
<strong>Buch</strong> Mormon. Ein weiterer Zeuge für Jesus Christus, Ausgabe der Kirche Jesus Christi der Heiligen der Letzten Tage,<br />
Frankfurt am Main 2003<br />
edition frauen museum wiesbaden, Von Erdgöttinnen und Kornmüttern. Aus dem Reich der Fülle, Wiesbaden 1998<br />
Frauenmuseum Bonn, Mit Macht zur Wahl. 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa. Katalog zur Wanderausstellung<br />
(Band 1, Geschichtlicher Teil), Bonn 2007 (?)<br />
frauen museum wiesbaden und Katholische Erwachsenenbildung – Bildungswerke Wiesbaden und Rheingau, Göttinnenfiguren<br />
und Marienbilder. Sag an, wer ist doch diese ... Katalog zur Ausstellung, Eigenverlag 2008<br />
Christine Friebe-Baron, Ferne Schwestern, ihr seid mir nah. Begegnungen mit Frauen aus biblischer Zeit, Stuttgart<br />
1988<br />
Heide Göttner-Abendroth, Die Göttin und ihr Heros, München 1980<br />
Heide Göttner-Abendroth (Hg.in), Gesellschaft in Balance. Dokumentation des 1. Weltkongresses für<br />
Matriarchatsforschung 2003 in Luxemburg, Winzer 2006<br />
Elizabeth G. Davis, Am Anfang war die Frau. Die neue Zivilisationsgeschichte aus weiblicher Sicht, München 1977<br />
Catharina J. M. Halkes, Gott hat nicht nur starke Söhne. Grundzüge einer feministischen Theologie, Mohn 1987<br />
Carter Heyward, Und sie rührte sein Kleid an, Stuttgart 1986<br />
Ursa Krattiger, Die perlmutterne Mönchin. Reise in eine weibliche Spiritualität, Zürich 1983<br />
Marie-Luise Kreiss und Marianne Pitzen, EVO – Frauen in den Weltreligionen. Katalogbuch zur gleichnamigen<br />
Ausstellung im Frauenmuseum Bonn 11.08. – 10.11.2013, Marianne Pitzen, Bonn 2013<br />
Ingeborg Kruse, Unter dem Schleier – ein Lachen. Neue Frauengeschichten aus dem Alten Testament, Zürich<br />
1986<br />
Pnina Navé Levinson, Was wurde aus Saras Töchtern? Frauen im Judentum, Gütersloh 1989<br />
Uschi Madeisky (Hg.in), Die Ordnung der Mutter – Wege aus dem Patriarchat. Dokumentation des Internationalen<br />
MutterGipfels 2008, Rüsselsheim 2010<br />
Maria Mies und Vandana Shiva, Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie, Zürich 1995<br />
Maria Mies, Patriarchat & Kapital (Neuauflage), München 2015<br />
Christa Mulack, Die Weiblichkeit Gottes. Matriarchale Voraussetzungen des Gottesbildes, Stuttgart 1983<br />
Christa Mulack, Maria. Die geheime Göttin des Christentums, Zürich 1985<br />
Christa Mulack, Jesus – der Gesalbte der Frauen. Weiblichkeit als Grundlage christlicher Ethik, Stuttgart 1987<br />
Christa Mulack, Im Anfang war die Weisheit. Feministische Kritik des männlichen Gottesbildes, Stuttgart 1988<br />
Luise F. Pusch (Hg.in), Feminismus. Inspektion der Herrenkultur. Ein Handbuch, Frankfurt am Main 1983<br />
Ingrid Riedel, Die weise Frau in uralt-neuen Erfahrungen, Olten 1989<br />
Jos Rosenthal, Die Jüngerinnen. Frauen im Neuen Testament, Kevelaer 2004<br />
Christine Schaumberger und Monika Maaßen (Hg.innen), Handbuch Feministische Theologie, Münster 1986<br />
P. Paul-Maria Sigl, Die Frau aller Völker. Miterlöserin. Mittlerin. Fürsprecherin, Amsterdam/Rom 1998<br />
Jutta Ströter-Bender, Heilige. Begleiter in göttliche Welten, Stuttgart 1990<br />
Maxie Wander, Guten Morgen, du Schöne. Frauen in der DDR, Darmstadt/Neuwied 1978<br />
Gerda Weiler, Ich verwerfe im Lande die Kriege. Das verborgene Matriarchat im Alten Testament, München 1984
120
121
Die Kiesel auf dem Grund sieht man nur im claren Wasser ...<br />
Unsere erste „virtuelle Matriarche“ heißt <strong>Clara</strong>. Sie wurde 1853 in<br />
Breslau/Schlesien geboren und verstarb 1938 in Bad Warmbrunn/<br />
Schlesien. Nach ihr haben wir unseren virtuellen Mutter-<strong>Clan</strong> benannt.<br />
Die Malerin Maria Kirsten-Haas erforscht seit Jahren<br />
die weibliche Linie ihrer Familie. Sie schaut<br />
auf Tagebücher, Lebensbücher, Dokumente und<br />
alte Fotografien.<br />
Mit Öl auf Leinwand portraitierte sie von 2006<br />
bis 2016 ihre Vorfahrinnen, von der ersten virtuellen<br />
Matriarche <strong>Clara</strong> bis hin zur Heutigen, die<br />
– wie sie selbst – wieder Maria heißt und 2018<br />
eine junge Frau und Mutter ist.<br />
Entlang der Gemälde, begleitet von originalen<br />
Tagebuchausschnitten dieser Mütter und Töchter,<br />
spannt sich ein matrilinearer Faden über Länder<br />
und Generationen hinweg ... und ein weiblicher<br />
Stammbaum wird sichtbar.<br />
CLARA CLAN –<br />
ist ein virtuelles Konstrukt. Dieser Mutter-<strong>Clan</strong><br />
existiert bis jetzt nur in der Phantasie. Doch die<br />
Malerin und ihr Sohn denken, dass es längst an<br />
der Zeit ist für mehr mütterzentrierte Forschung<br />
und Lebensformen.<br />
Warum sollten wir uns nicht einmal wieder auf die größte Kraft besinnen,<br />
die es in der Welt gibt? Die Mutter.<br />
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