Von Auschwitz nach Plön
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<strong>Von</strong> <strong>Auschwitz</strong> <strong>nach</strong> <strong>Plön</strong> –<br />
Für 350 ungarische Jüdinnen endete<br />
die nationalsozialistische Verschleppung<br />
am 4. Mai 1945 in <strong>Plön</strong><br />
<strong>Von</strong> Karsten Dölger<br />
Am 8. Mai 1945 erreichte die 6. Guard Armoured Brigade unter Brigadier<br />
W. D. C. Greenacre die Kreisstadt <strong>Plön</strong>. Die britische Einheit<br />
kam mit dem Auftrag, <strong>nach</strong> der bedingungslosen Kapitulation die<br />
Verwaltung des Kreises zu übernehmen. Im Kriegstagebuch sind im<br />
Eintrag zum 9. Mai die dringendsten Probleme, die beim Eintreffen<br />
ausgemacht wurden, notiert worden. Zunächst mussten Unterkünfte<br />
für die Brigade und <strong>nach</strong>rückende Einheiten beschlagnahmt werden.<br />
Weil entgegen ursprünglich anders lautender Pläne auch das<br />
Hauptquartier des 8. Corps im <strong>Plön</strong>er Schloss eingerichtet werden<br />
sollte, entstand zusätzlicher Raumbedarf. Bereits am Tag zuvor hatte<br />
Greenacre festgehalten, die Bevölkerung im Kreis sei durch die Ankunft<br />
von Flüchtlingen aus Mecklenburg und Ostpreußen um 300%<br />
angestiegen. Um die eintreffenden 1.500 Offiziere und Mannschaften<br />
unterzubringen, müsse man Häuser und Lager der Zivilbevölkerung,<br />
der Flüchtlinge und von Resten der deutschen Wehrmacht freimachen<br />
und diese in „die letzte verfügbare Ecke quetschen“. Schließlich<br />
erwähnt Brigadier Greenacre ein offenbar besonders drängendes<br />
Problem: 350 ungarische Frauen, die von den Briten befreit worden<br />
waren und auf „ihrem Treck <strong>nach</strong> Westen unter entsetzlichen<br />
Bedingungen hätten leben müssen und nun halb verhungert“ seien,<br />
müssten untergebracht und versorgt werden. 1<br />
Mindestens 109 dieser im Mai 1945 in <strong>Plön</strong> befreiten Jüdinnen sind<br />
allein oder in Gruppen zwischen Juli und September 1945 in Budapest<br />
beim Landesdeportiertenkomitee für die Deportiertenfürsorge<br />
(DEGOB) zu ihrer Verfolgung und Verschleppung befragt worden<br />
und haben in 18 Einzel- und Gruppenberichten Zeugnis abgelegt. 2<br />
Die Protokolle dieser Befragungen, die meist den Stempel „The Jewish<br />
Agency for Palestine“ tragen, sind von der Gedenkstätte Yad<br />
Vashem in Jerusalem in deren Digital Archives ins Netz gestellt worden.<br />
Die z. T. recht knapp gehaltenen Angaben zu Herkunft, Verhaftung,<br />
Ghettoaufenthalt, Verschleppung <strong>nach</strong> <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau<br />
und später weiter in das Außenlager des KZ Neuengamme in Lübberstedt-Bilohe<br />
bei Bremen und schließlich die »Evakuierung«, die<br />
in <strong>Plön</strong> endete, bilden die Grundlage für diesen Aufsatz. Trotz der<br />
1
Zahl der Gesprächsprotokolle und deren relativer zeitlicher Nähe<br />
zu den Ereignissen wird es nicht möglich sein, den Ablauf der Ereignisse<br />
und die Vorgänge in wünschenswerter Exaktheit zu rekonstruieren,<br />
zu ungenau und auch widersprüchlich sind die Angaben<br />
in den Protokollen. Vielleicht kommt aber gerade den zuweilen verschwommen<br />
wirkenden Angaben ein ganz eigener Quellenwert zu:<br />
war doch die Behandlung der Frauen zwischen März 1944 und Mai<br />
1945 bei äußerster körperlicher Ausbeutung auf zeitliche und räumliche<br />
Desorientierung hin angelegt. Am Kern der dargestellten Ereigniskette<br />
hingegen besteht auch Dank der gründlichen Recherche<br />
und Dokumentation durch die Mitglieder des Arbeitskreises „Muna<br />
Lübberstedt“ kein Zweifel. In der Lufthauptmunitionsanstalt (Muna)<br />
Lübberstedt waren die Frauen als Zwangsarbeiterinnen in der Rüstungsproduktion<br />
eingesetzt. 3 Ergänzt werden können die Aussagen<br />
der Protokolle aus dem Sommer 1945 durch Vernehmungsmitschriften<br />
eines Vorermittlungsverfahrens wegen einiger Tötungsdelikte im<br />
KZ-Nebenlager Lübberstedt-Bilohe. Zwischen 1967 und 1974 wurden<br />
ehemalige Häftlinge, die in den USA und in Israel ausfindig<br />
gemacht werden konnten, zu ihrer Verschleppung und besonders<br />
den Vorfällen in Lübberstedt befragt. 4 Mit einigen Aktenfunden im<br />
<strong>Plön</strong>er Stadtarchiv können speziell die Ereignisse im Mai 1945 in<br />
<strong>Plön</strong> präzisiert werden.<br />
2<br />
Abb. 1: Stationen der nationalsozialistischen Verschleppung<br />
der ungarischen Jüdinnen
Verhaftungen in der Karpatenukraine<br />
Am 26. Juli 1945 fand sich Gizella Ickovic mit ihren drei Töchtern<br />
Malvin, Edit und Friederika beim Landesdeportiertenkomitee für die<br />
Deportiertenfürsorge (DEGOB) in Budapest ein, um ihre Angaben<br />
bei der Protokollantin Lilly Blau zu machen. 5 Ihre hebräischen Vornamen<br />
Malvina, Sheindy und Frimet gaben die Mädchen bei dem<br />
Gespräch nicht an. 6 Die Familie<br />
stammte aus einem kleinen Flecken<br />
von 10.000 Einwohnern,<br />
der auf Ungarisch Técsö heißt.<br />
Gut 20% der Einwohner waren<br />
Juden, deren Muttersprache<br />
meist Jiddisch war. 7 Der Ort liegt<br />
in der Karpatenukraine, die vor<br />
dem Ersten Weltkrieg als Komitat<br />
Máramaros zum ungarischen Teil<br />
der habsburgischen Doppelmonarchie<br />
gehörte und <strong>nach</strong> deren<br />
Auflösung <strong>nach</strong> dem Ersten Weltkrieg<br />
im Vertrag von Trianon der<br />
Tschechoslowakei zugesprochen<br />
wurde. Bereits im März 1939 profitierte<br />
Ungarn von Hitlers „Zerschlagung<br />
der Resttschechei“ und<br />
annektierte das Gebiet. Zum Zeitpunkt<br />
der Verhaftung gehörte die<br />
Region also zu Ungarn. Heute ist<br />
die Region als „Oblast Transkarpatien“<br />
Teil der Ukraine und Técsö<br />
heißt auf Ukrainisch Tjatschiw.<br />
Bemerkenswert erscheint, dass<br />
von den 109 interviewten der in<br />
<strong>Plön</strong> gestrandeten Frauen 96 aus<br />
der Karpatenukraine stammten,<br />
davon wiederum besonders viele<br />
aus Técsö. So ist es wenig erstaunlich,<br />
dass sich ihr Schicksal<br />
in vielen Aspekten ähnelt. Die Eltern<br />
Abraham und Gizella Ickovic<br />
betrieben in Técsö in der Mehali<br />
Gabor Straße eine kleine Textilfabrik<br />
mit 18 Angestellten. „Pansky<br />
Abb. 2: Die Familie Ickovic um<br />
1930: v. l. n. r. Ludvic, Abraham,<br />
Gizella, Frimet, Sheindy und<br />
Malvina Ickovic. Mit Ausnahme<br />
des zum Arbeitsdienst eingezogenen<br />
Ludvic wurden alle Familiemitglieder<br />
im Mai 1944 <strong>nach</strong><br />
<strong>Auschwitz</strong>-Birkenau deportiert.<br />
Die vier Frauen wurden in <strong>Plön</strong><br />
von den Briten befreit, Abraham<br />
Ickovic wurde <strong>nach</strong> der Räumung<br />
des Konzentrationslagers<br />
auf einem Todesmarsch erschossen.<br />
(Quelle: United States Holocaust<br />
Memorial Museum in Washington<br />
D. C., courtesy of Leo &<br />
Edith Cove)<br />
3
a Damsky Krejci“ lautete der Firmenname auf Slowakisch (=Herren<br />
und Damen-Konfektion). Die Töchter Malvin und Edit waren dort<br />
beschäftigt, vielleicht auch einige andere der Gruppe, denn viele<br />
waren Näherinnen oder Schneiderinnen. Ehrenamtlich bekleidete<br />
Abraham Ickovic das Amt des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde<br />
in Técsö. Zur Familie gehörte auch der Sohn und Bruder Ludvic.<br />
Abb. 3: Geschäftsinhaber Abraham Ickovic (im Eingang links) 1929<br />
zusammen mit Familienmitgliedern und Angestellten vor der Damen-<br />
und Herren Schneiderei (Pansky a Damsky Krejci) in Técsö/<br />
Tacovo/Tjatschiw in der Karpatenukraine. In der ersten Reihe v. l. n.<br />
r. Malvina Ickovic, Azik Miller, Katz, Jiddel Jakubovics, Shia Motyovics,<br />
Mendel Regenstreif, Hersh Davidovics, Shonyi Miller und Sheindy<br />
Ickovics. (Quelle: United States Holocaust Memorial Museum in<br />
Washington D. C., courtesy of Leo & Edith Cove)<br />
Am 16. April 1944 wurde in Técsö ein Ghetto eingerichtet, indem einige<br />
Straßenzüge abgeriegelt wurden. 8 Die Einrichtung von Ghettos<br />
in der Karpatenukraine und anderen Teilen Ungarns stand in direktem<br />
Zusammenhang mit dem deutschen Einmarsch <strong>nach</strong> Ungarn im<br />
März 1944. Der von der nationalsozialistischen deutschen Regierung<br />
abhängige Ministerpräsident Kallay (März 1942 bis März 1944) hatte<br />
bis dahin dem deutschen Drängen auf Deportation der Juden<br />
widerstanden. Die Weigerung, in der „Judenfrage“ zu kooperieren,<br />
wurde in Berlin als Zeichen für eine Annäherung Ungarns an die<br />
4
Alliierten und folglich als Signal zum Eingreifen gewertet. Für die<br />
750.000 bis dahin relativ unbehelligt in Ungarn lebenden Juden war<br />
das eine Katastrophe, denn unmittelbar vor dem deutschen Eingreifen<br />
in Ungarn war im KZ Mauthausen unter der Leitung von Adolf<br />
Eichmann ein Sondereinsatzkommando aus erfahrenen Deportationsspezialisten<br />
gebildet worden. Innerhalb kürzester Zeit wurde<br />
die Deportations- und Mordmaschinerie in Gang gesetzt: Zunächst<br />
wurde die Verdrängung aus dem Wirtschaftsleben eingeleitet, die<br />
Kennzeichnungspflicht folgte am 7. April, dann folgten die Einrichtung<br />
von Ghettos und die Verhaftung und Deportation der jüdischen<br />
Bevölkerung dorthin. Die Verfolgungen begannen in der erst kürzlich<br />
an Ungarn angegliederten Karpatenukraine. Mit dieser Strategie<br />
sollten die Juden „Altungarns“ in dem Glauben gelassen werden, die<br />
alteingesessenen Juden Ungarns hätten nichts zu befürchten. 9<br />
In größeren Ortschaften wie in Técsö bildeten abgeriegelte Straßenzüge<br />
die Ghettos. Häufig nutzte die Gendarmerie aber auch das<br />
Gelände von Ziegeleien. Auch die jüdische Bevölkerung kleinerer<br />
Ortschaften wurde in diese Ghettos gebracht. 10 Eine Leidensgenossin<br />
der Frauen der Familie Ickovic auf dem Weg <strong>nach</strong> <strong>Plön</strong>, Eszter<br />
Rosenfeld, gab zu Protokoll, sie stamme aus Bedöháza (ukr. Bedevlya),<br />
einer kleinen Gemeinde in den Karpaten und sei dort am 23.<br />
Dezember 1922 geboren worden. Später bezeichnete sie immer Técsö<br />
als ihre Heimatstadt. 11 Insgesamt hätten in Bedöhaza etwa fünfzig<br />
jüdische Familien gelebt. Es seien zumeist arme Leute gewesen, „die<br />
sich schlecht und recht von ihrer Hände Arbeit ernährten“, sie selbst<br />
sei Näherin von Beruf. Sie fährt dann fort: „Einen Tag <strong>nach</strong> Ostern,<br />
am 16. April 1944, wurden mit den übrigen Juden aus Bedöháza<br />
auch ich und meine Familie, die aus den Eltern und zwei Schwestern<br />
bestand, <strong>nach</strong> dem Getto von Técsö gebracht. Dort wurde von<br />
den ungarischen Gendarmen und den Grenzjägern ein sehr strenges<br />
Regiment geführt, das vor allem im Ausgehverbot zum Ausdruck<br />
kam.“ 12<br />
Auch die Schwestern Ickovic und ihre Mutter berichten vom brutalen<br />
Vorgehen der ungarischen Gendarmen. Der Familienvater Abraham<br />
sei nur deswegen geschlagen worden, weil er versäumt habe<br />
zu melden, wie viele Personen in ihrem Haus lebten. 13 Eine Gruppe<br />
von zehn Frauen aus dem kleinen Ort Visk (ukr. Vyshkovo) im Tal<br />
der Theiß berichtet, das Ghetto in Técsö sei für die etwa 6000 Juden<br />
viel zu klein gewesen. Da man gegenüber der Gendarmeriestation<br />
untergebracht worden sei, habe man die schweren Misshandlungen<br />
durch die 40 ungarischen Gendarmen mitansehen können. Mit Gewalt<br />
hätten die Gendarmen versucht, die Juden zur Preisgabe von<br />
5
Verstecken von Wertsachen zu bewegen. Besonders erschreckend<br />
sei gewesen, dass alles ganz offen, ohne jeden Versuch der Verheimlichung<br />
geschehen sei. 14<br />
Deportation <strong>nach</strong> <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau<br />
Die Deportationen aus den Ghettos der Karpatenukraine begannen<br />
am 27./28. April 1944 mit zwei Sonderzügen mit je 4.000 jüdischen<br />
Männern und Frauen. Vorgesehen war, täglich vier Transporte mit<br />
zusammen 12.000 Juden in das Vernichtungslager <strong>nach</strong> <strong>Auschwitz</strong>-<br />
Birkenau zu schicken. 15 Bereits am 2. Juni waren die Deportationen<br />
aus den Zonen I (Karpatenukraine) und II (Transsilvanien) mit<br />
zusammen 289.357 Deportierten vollständig vollzogen. Die ganze<br />
Aktion der Verschleppung ungarischer Juden fand mit einer Großaktion<br />
in Budapest am 9. Juli 1944 ihren Abschluss. 16<br />
Die Juden aus den umliegenden Dörfern wurden am 22. Mai 1944<br />
von Técsö <strong>nach</strong> <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau deportiert, die Técsöer Juden<br />
folgten am 26. Mai. 17 Bereits der Weg vom Ghetto zum Bahnhof war<br />
von gewalttätigen Übergriffen des Wachpersonals begleitet. Piroska<br />
Fuchs berichtet außerdem, sie seien ständig zur Eile angetrieben<br />
worden. Sie fügt hinzu: „Die Ungarn hatten es anscheinend sehr<br />
eilig, die Juden aus ihrem Lande zu entfernen. Auch von Seiten der<br />
Zivilbevölkerung erfuhren wir nicht nur keine aktive Hilfe, sondern<br />
man konnte nur Schadenfreude sehen.“ 18 Die Fahrt in den mit 60<br />
bis 70 Personen völlig überbelegten Viehwaggons dauerte meist drei<br />
bis vier Tage. 19 Als Eszter Rosenfeld mit ihrer Familie Ende Mai in<br />
<strong>Auschwitz</strong>-Birkenau anlangte, fand die „Selektion“ bereits innerhalb<br />
des Lagergeländes statt. Erst am 9. Mai 1944 hatte der Lagerleiter<br />
Rudolf Höß die Verlegung der Rampe in den Lagerkomplex von<br />
<strong>Auschwitz</strong>-Birkenau hinein abschließen können. Angesichts der großen<br />
Zahl zu erwartender Juden aus Ungarn sollte der Ablauf der<br />
Entscheidung, ob die ankommenden Häftlinge zur Zwangsarbeit<br />
oder zur Ermordung in den Gaskammern ausgewählt wurden, beschleunigt<br />
werden. 20<br />
Hintergrund für diese „Selektionen“ war, dass in der letzten Kriegsphase<br />
neben die rasseideologisch begründete industrielle Massentötung<br />
in den Gaskammern eine umfassende Einbeziehung der KZ-<br />
Häftlinge in die deutsche Rüstungsproduktion getreten war. In den<br />
„Selektionen“ auf der Rampe von <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau wurden von<br />
den SS-Ärzten diejenigen ausgewählt, die für die unter dem Druck<br />
eines erheblichen Arbeitskräftemangels stehende Rüstungsindustrie<br />
zur Verfügung gestellt werden sollten, die anderen kamen sofort in<br />
die Gaskammern. 21 In allen Protokollen der in <strong>Plön</strong> befreiten unga-<br />
6
Abb 4: Jüdische Frauen aus der Karpartenukraine in <strong>Auschwitz</strong>-<br />
Birkenau. Im Mai 1944 waren sie für Zwangsarbeit ausgewählt<br />
worden und warteten auf die Verlegung in einen anderen Lagerabschnitt.<br />
Auf dem Bild hat Leo Cove (= Ludvic Ickovic) ganz links am<br />
Bildrand seine Schwester Frimet (Fritzi) Ickovic identifiziert. Fritzi<br />
Ickovic wurde am 4. Mai 1945 in <strong>Plön</strong> von den Briten befreit. Das<br />
Bild stammt aus dem „<strong>Auschwitz</strong>-Album“. Auf insgesamt 193 Photographien<br />
dokumentierte SS-Hauptscharführer Bernhardt Walter,<br />
Leiter des Erkennungsdienstes in <strong>Auschwitz</strong>, im Mai 1944 Ankunft,<br />
„Selektion“ zur Zwangsarbeit und Weiterleitung von Juden aus der<br />
Karpartenukraine. (Quelle: United States Holocaust Memorial Museum<br />
in Washington D. C., courtesy of Yad Vashem, Jerusalem)<br />
rischen Jüdinnen wird die extrem belastende und traumatisierende<br />
Situation auf der Rampe deutlich. Eszter Rosenfeld berichtet von der<br />
Trennung der drei Schwestern von den Eltern, von denen seither jede<br />
Spur fehle. 22 Auch die Familie Ickovic wurde getrennt. Vater Abraham<br />
überlebte <strong>Auschwitz</strong>, wurde aber auf einem der Evakuierungsmärsche<br />
erschossen. Die Mutter Gizella, damals 46 Jahre alt, hatte sich an<br />
der Rampe zunächst zu den Alten gestellt, ein SS-Aufseher schickte<br />
sie wieder zu ihren Töchtern – und rettete ihr damit vermutlich das<br />
Leben. Bei späteren „Selektionen“ stellten sich die Schwestern und<br />
ihre Mutter nie zusammen in die Reihe, da sie bemerkt hatten, dass<br />
Verwandte bewusst getrennt worden seien, um das Leid zu erhöhen.<br />
Die Strategie war erfolgreich, die vier erreichten gemeinsam <strong>Plön</strong>. 23<br />
7
Auch die Feldmans kamen im Familienverband <strong>nach</strong> <strong>Auschwitz</strong>.<br />
Sie stammten aus Kisvárda. 1930 waren etwa 25 Prozent der knapp<br />
15.000 Einwohner der Stadt Juden. 24 Anders als Técsö/Tjatschiw<br />
war Kisvárda <strong>nach</strong> dem Ersten Weltkrieg bei Ungarn verblieben<br />
und liegt heute direkt an der Ostgrenze des Landes. Piroska Feldman<br />
war 42 Jahre alt, verwitwet und lebte mit ihren vier Kindern<br />
Erzmébet, Klára, Sándor und Katálin in der Petöfi Straße 3. Auch<br />
diese Mädchen arbeiteten als Näherinnen. Im Haushalt lebten noch<br />
zwei weitere Personen, die 71jährige Schwiegermutter Regina Feldman,<br />
geborene Fleischer, und deren 68jährige Schwester Szeréna<br />
Fleischer. 25 Hier war am 8. April 1944 damit begonnen worden,<br />
ein Ghetto einzurichten. Da die Petöfi Straße zum abgesperrten<br />
Ghettobezirk gehörte, musste die Familie nicht umziehen. Durch<br />
den Zuzug aus anderen Straßenzügen und umliegenden Ortschaften<br />
mussten sich die Feldmans auf einen Bruchteil der Wohnfläche<br />
beschränken, mehrere Familien lebten nun in einem Raum.<br />
Auch hier wurden die Juden von der ungarischen Gendarmerie<br />
misshandelt und ausgeraubt. Am 29. und 31. Mai 1944 wurden sie<br />
in zwei Transporten von jeweils 3.500 Personen <strong>nach</strong> <strong>Auschwitz</strong><br />
deportiert. 26 Dem Zentralverzeichnis der Opfer der Shoa in der<br />
Gedenkstelle Yad Vashem ist zu entnehmen, dass Sándor Feldman,<br />
Regina Feldman und Szeréna Fleischer aus Kisvárda in <strong>Auschwitz</strong><br />
ermordet worden sind. 27<br />
Was in <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau geschah, wussten die Frauen bestenfalls<br />
in Ansätzen. Eine von ihnen berichtet, ihnen sei bei der Ankunft<br />
erzählt worden, „daß man die mageren Mädchen deshalb<br />
wegführe, um sie besser zu nähren. Seinerzeit glaubten wir es<br />
auch, da wir damals von Gas und Krematorien noch nichts wussten.“<br />
28 Eine andere gab zu Protokoll, sie habe bei der Ankunft<br />
Flammen aus einem Schornstein schlagen sehen. Das Phänomen<br />
sei ihr durch polnische Häftlinge erklärt worden. „Die erklärten<br />
uns die Flammen und die ganze Tragödie <strong>Auschwitz</strong>´.“ 29 Fast alle<br />
gaben an, in Block C [gemeint ist Block B II c, d. Vf.] untergebracht<br />
worden zu sein. In drangvoller Enge, mit 14, 16 oder gar 20 habe<br />
man sich eine Pritsche geteilt, ohne ausreichende Kleidung hätten<br />
sie gefroren, es habe durch das Dach der Baracke herein geregnet<br />
und die Nahrung sei schlecht und vollkommen ungenügend gewesen.<br />
Demütigend sei das Scheren der Haare und die Ausgabe<br />
von Kleidung in bewusst falsch gewählten Größen gewesen. Als<br />
besonders quälend werden die ständigen, über viele Stunden sich<br />
hinziehenden Zählappelle geschildert. Nachts um 3 Uhr habe man<br />
sie dazu aus den Baracken geholt. Half man einem ohnmächtigen<br />
8
Abb 5: Das Innere einer Museums-Baracke in <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau<br />
2010 (Quelle: Foto des Verfassers)<br />
Abb 6: Viehwaggon an der Rampe innerhalb des Lagers <strong>Auschwitz</strong>-<br />
Birkenau 2010 (Quelle: Foto des Verfassers)<br />
9
Häftling, gab es brutale Schläge. Man habe zwar Ziegel schleppen<br />
müssen, aber bei dieser Beschäftigung habe es sich um Schikane,<br />
nicht um notwendige Arbeit gehandelt. 30<br />
Im August 1944 häuften sich die Transportselektionen. Entsprechend<br />
der maximalen Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge<br />
wurden solche ausgewählt, die geeignet erschienen, in der Rüstungsproduktion<br />
im Reich eingesetzt zu werden. Die Frauen scheinen<br />
die kleine Überlebenschance, die diese „Selektion“ bedeuten<br />
konnte, erkannt zu haben. Piroska und Sidonia Fuchs gaben <strong>nach</strong><br />
der Befreiung an: „Wir stellten uns freiwillig zu dem Transport,<br />
weil wir schon in so schlechtem Zustand waren, dass wir es dort<br />
nicht mehr lange ausgehalten hätten.“ 31 Andererseits bestand aber<br />
die Gefahr, als Familienverband weiter auseinander gerissen zu<br />
werden. Sowohl den weiblichen Mitgliedern der Familie Feldman<br />
als auch denen der Familie Ickovic gelang es, mit der oben<br />
beschriebenen Strategie, sich getrennt voneinander aufzustellen,<br />
geschlossen dem Arbeitstransport der 500 ungarischen Jüdinnen<br />
zugewiesen zu werden. Eszter Rosenfeld gelang es nicht. Sie gab<br />
im Juli 1945 in Budapest zu Protokoll: „Es dauerte drei Monate, bis<br />
ich in einen Arbeitstransport eingereiht wurde, leider aber nur ich<br />
allein, denn meine Schwestern musste ich in <strong>Auschwitz</strong> zurücklassen.<br />
<strong>Von</strong> der einen weiss ich bloß, dass sie zur Arbeit in der Küche<br />
eingeteilt wurde; diese Schwester soll am Leben sein und sich irgendwo<br />
in Deutschland befinden. Ebenso soll es meinem Bruder,<br />
der, als wir <strong>nach</strong> <strong>Auschwitz</strong> deportiert wurden, zum militärischen<br />
Arbeitsdienst eingerückt war, gelungen sein, am Leben zu bleiben,<br />
und sogar <strong>nach</strong> Hause zurückzukehren. <strong>Von</strong> der anderen Schwester<br />
habe ich nichts gehört, weiss also nicht, ob sie überhaupt am<br />
Leben ist.“ 32 Die ausgewählten Frauen kamen zur Desinfektion ins<br />
Bad, wurden mit besserer Kleidung versorgt und dem Lager D [=B<br />
II d, Vf.] zugewiesen. Als dann aber offenbar keine Transportkapazitäten<br />
zur Verfügung standen, mussten sie die Kleidung wieder<br />
abgeben. Stundenlang hätten sie nackt in den Baracken gewartet.<br />
Ob die Angst, nun ins Gas geführt zu werden, dem <strong>nach</strong> drei<br />
Monaten geschärften Bewusstsein über die Vorgänge im Vernichtungslager<br />
<strong>Auschwitz</strong>-Birkenau oder einer konkreten Information<br />
entsprang, kann nicht mehr geklärt werden. Einen Tag später wurden<br />
die Frauen erneut zur Desinfektion geführt, Kleidung wurde<br />
wieder ausgegeben, und sie konnten <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau hinter<br />
sich lassen. 33<br />
10
Zwangsarbeit in der Lufthauptmunitionsanstalt (Muna) Lübberstedt-Bilohe<br />
Nach drei oder vier Tagen erreichte der Transport die zwischen<br />
Bremen und Bremerhaven gelegene Muna Lübberstedt. Dabei handelte<br />
es sich um einen staatlichen Rüstungsbetrieb mit der Aufgabe,<br />
die Luftwaffe mit Kampfmitteln und Munition auszurüsten.<br />
Die Produktion bestand darin, Schlachtfliegerbomben, Marine-<br />
Flak-Sprenggranaten, Seeminen und Patronen mit Sprengstoff zu<br />
befüllen. Außerdem hatte die Muna eine Depotfunktion. 34 Bis zu<br />
1.600 Arbeitskräfte waren hier beschäftigt. 35 Mit dem Reichsarbeitsdienst,<br />
Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen<br />
weist die Arbeitskräfterekrutierung typische Charakteristika der<br />
Vorkriegs- und Kriegszeit auf. Mit dem Eintreffen der 500 ungarischen<br />
Jüdinnen aus <strong>Auschwitz</strong> sollte die Produktion mit äußerster<br />
Anstrengung aufrechterhalten werden. Mit dem gleichen Transport<br />
wurde auch ein Arbeitskommando <strong>nach</strong> Salzwedel geschickt. 36 Ein<br />
weiteres Beispiel ist das KZ Wandsbek in Hamburg mit Häftlingen<br />
aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Organisiert<br />
wurden diese Kommandos als Nebenlager des KZ Neuengamme. 37<br />
Untergebracht wurden die Frauen in Bilohe in einem 1941 errichteten<br />
Barackenlager, in dem vorher Zwangsarbeiterinnen aus der<br />
Ukraine – „Ostarbeiterinnen“ – gelebt hatten. Das ganze Lager war<br />
von einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben, ein Extrabereich<br />
war für die SS-Aufseher abgeteilt. 38 An der Spitze stand der Lagerkommandant,<br />
vier bis sechs Aufseherinnen waren für die innere<br />
Ordnung zuständig, männliche Wachmannschaften für die äußere<br />
Bewachung. 39<br />
Der Verlegung in das KZ-Nebenlager Lübberstedt-Bilohe haben die<br />
meisten Frauen als Verbesserung ihrer Lage empfunden – eine Verbesserung<br />
im Vergleich zu fürchterlichsten Zuständen im Ungarnlager<br />
von <strong>Auschwitz</strong>-Birkenau. Jede hatte in Bilohe eine Pritsche<br />
mit Strohsack und Decken, einen Teller und einen Löffel für sich<br />
allein. 40 Sogar eine Heizung habe es gegeben. 41 Die Bemerkung, die<br />
Samstag<strong>nach</strong>mittage seien arbeitsfrei gewesen, mag sogar als Hinweis<br />
auf eine teilweise Ermöglichung der Einhaltung der Sabbatruhe<br />
gelten. 42 Die Nahrung scheint zunächst noch als ganz akzeptabel<br />
empfunden worden zu sein, wurde dann immer schlechter, bis<br />
viele aufgrund der mangelhaften Ernährung völlig erschöpft waren<br />
und einige Hungerödeme entwickelten. 43 Die Arbeit war sehr hart.<br />
Zunächst wurde in zwölfstündigen Schichten rund um die Uhr Munition<br />
hergestellt. Bomben, Granaten und Minen wurden befüllt.<br />
Der dabei verwendete Phosphor führte zu Rotfärbung der Haare,<br />
11
Übelkeit und Schädigung der Atemwege. Husten und langwierige<br />
Lungenleiden waren die Folge. Als besonders kräftezehrend wurde<br />
der Transport der befüllten Munition in Lagerungsbunker beschrieben.<br />
Das Anheben der schweren Bomben ging über die Kräfte der<br />
Frauen. Zwanzig der ausgezehrten Häftlinge mussten die beladenen<br />
Loren dann zu den Bunkern ziehen. Als die Produktion in der<br />
Fabrik aus Materialmangel nicht planmäßig weiter betrieben werden<br />
konnte, wurden die Arbeitskommandos in den Wintermonaten<br />
1944/1945 oft zum Bau an Eisenbahntrassen, zur Errichtung von<br />
Bunkern und zu Waldarbeiten abkommandiert. 44<br />
Uneinheitlich erscheinen die Aussagen zur Gewaltanwendung<br />
durch das SS-Wachpersonal. Während die vier Frauen der Familie<br />
Ickovic angaben, nie geschlagen worden zu sein, berichten andere<br />
Häftlinge von schweren Misshandlungen. Wurde beispielsweise<br />
Kontakt zu anderen Zwangsarbeitern aufgenommen, gab es dafür<br />
25 Schläge. 45 Als bei Babczu Pinasovic bei einer Durchsuchung eine<br />
Kartoffel und ein Stück Brot, die sie sich aufgehoben hatte, gefunden<br />
wurden, wurde sie beim Morgenappell zusammengeschlagen,<br />
und als dann während der folgenden Nachtschicht entdeckt wurde,<br />
dass sie sich auf einem Wagen ausruhte, wurde sie bewusstlos geschlagen.<br />
Sie vermied es, die Krankenstation aufzusuchen, um weiteren<br />
Schlägen zu entgehen. Einige Tage später starb sie. Eszter Rosenfeld<br />
hat den Tod ihrer Bett<strong>nach</strong>barin Sari Katz hautnah miterlebt.<br />
Wegen zunehmender Schwäche und ihrer Misshandlungen war Sari<br />
Katz am 4. April 1945 nicht zum Morgenappell erschienen. Nicht<br />
zu klären ist, ob darauf der Lagerführer oder eine Aufseherin sie in<br />
ihrem Bett erschlagen hat. Eszter Rosenfeld berichtete später, als sie<br />
von der Arbeit zurückgekommen seien, „lag das Mädchen schon im<br />
Waschraum. Ich habe einer Barackenältesten, die an diesem Tag<br />
nicht zur Arbeit gegangen war, geholfen, das Mädchen zu waschen.<br />
Da wir kein Totenkleid für sie hatten, haben wir von oben und unten<br />
je einen Kartoffelsack über sie gezogen. Nach meiner Erinnerung<br />
war sie von Schlägen ganz blau am Kopf. Sie wurde dann auf<br />
einen Lastwagen geladen und zum Friedhof gebracht.“ Drei weitere<br />
Strebefälle unter den ungarischen KZ-Häftlingen sind belegt. Eine<br />
Unterscheidung zwischen natürlichen und gewaltsamen Todesfällen<br />
scheint wenig aussagekräftig, da auch die vordergründig natürlichen<br />
Todesursachen, wie Lungenentzündung oder Blutvergiftung,<br />
auf die menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsverhältnisse im<br />
KZ-Außenlager Lübberstedt zurückzuführen sind. 46<br />
12
»Evakuierung« <strong>nach</strong> Norden<br />
Mit dem Begriff »Evakuierung« wird die Räumung eines Gebietes<br />
bezeichnet, z. B. wenn Katastrophen wie Überschwemmungen oder<br />
Bombardierungen drohen. Als »Evakuierung« wurde von den Nationalsozialisten<br />
auch die Räumung der vielen nationalistischen Konzentrationslager<br />
kurz vor Kriegsende bezeichnet. Nicht der Schutz<br />
der Menschen vor einer Katastrophe war hier der Ursprung der Initiative<br />
zur Räumung, sondern der Versuch, tausendfach Verbrechen<br />
zu vertuschen, was mit dem Begriff verschleiert werden sollte.<br />
Nachdem am 23. Juli 1944 das Vernichtungslager Majdanek von der<br />
Roten Armee befreit worden war, wurden im August 1944 westliche<br />
Journalisten zur Besichtigung der Gaskammern eingeladen und<br />
konnten der Weltöffentlichkeit ein Bild von den Verbrechen in dem<br />
Lager vermitteln. Heinrich Himmler hatte angesichts des drohenden<br />
militärischen Zusammenbruchs eine generelle Räumung der Konzentrationslager<br />
bei Annäherung feindlicher Verbände angeordnet.<br />
Lediglich marschunfähige Häftlinge blieben zurück. Mitte März 1945<br />
wurde dieser Vorgang unterbrochen. Himmler schien den Plan verfolgt<br />
zu haben, die Häftlinge als eine Art „Pfand“ im Zusammenhang<br />
mit Separatverhandlungen mit den Westalliierten zu benutzen. Als<br />
sich das Vorhaben als illusionär erwies, befahl er, alle Lager vollständig<br />
zu räumen. <strong>Von</strong> der Forschung wird heute angenommen,<br />
dass die Nachkriegsaussage des Hamburger SS-Gruppenführers und<br />
Generalleutnants der Waffen-SS Graf Bassewitz-Behr, der sich auf<br />
einen Befehl Himmlers berief, in dem es hieß, kein Häftling dürfe<br />
in die Hand des Feindes fallen, die allgemeine Befehlslage wiedergibt.<br />
47<br />
Das KZ Neuengamme mit seinen kurz vor Kriegsende noch 60 Nebenlagern,<br />
zu denen auch Lübberstedt-Bilohe gehörte, war aufgrund<br />
seiner Lage einer der letzten Komplexe, die von der SS geräumt wurden.<br />
Die Häftlinge wurden ab Mitte April 1945 48 in Güterwaggons<br />
und Lastwagen verladen oder auf tagelange Fußmärsche geschickt.<br />
Nahezu ohne Nahrungsmittel und in sehr schlechter körperlicher<br />
Verfassung standen viele die Märsche nicht durch, verhungerten,<br />
verdursteten oder wurden, wenn sie nicht folgen konnten, von den<br />
begleitenden Wachmannschaften erschossen und am Wegesrand<br />
liegen gelassen. Wegen der außerordentlich hohen Zahl von Todesopfern<br />
werden diese »Evakuierungen« auch als „Todesmärsche“<br />
bezeichnet. Weil die Westalliierten in Richtung Elbe und die Rote Armee<br />
<strong>nach</strong> Westen vorankamen, waren das westliche Mecklenburg,<br />
das Gebiet um die Lübecker Bucht und das südliche Holstein zum<br />
Zielgebiet mehrerer Todesmärsche geworden. 49 Als die kampflose<br />
13
Übergabe Hamburgs bevorstand, wollten auch hier die Verantwortlichen<br />
vermeiden, dass ausgemergelte KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter<br />
den Briten in die Hände fielen. So wurden über 9.000 Häftlinge<br />
mit dem Zug <strong>nach</strong> Lübeck transportiert und von dort in die Laderäume<br />
der Schiffe „Athen“, „Thielbeck“ und „Cap Arcona“ geschafft. In<br />
den völlig überbelegten Schiffen herrschten fürchterliche Zustände.<br />
Am Nachmittag des 3. Mai 1945 wurden die Schiffe von britischen<br />
Kampfflugzeugen bombardiert. Das Inferno überlebten nur wenige.<br />
Sigrun Jochims-Bozic formuliert zusammenfassend: „Doch britische<br />
Streitkräfte vollendeten unwissentlich das, was die SS den Insassen<br />
der schwimmenden Gefängnisse zugedacht hatte.“ 50<br />
In Lübberstedt-Bilohe war der Befehl, das Lager in Richtung auf das<br />
Stammlager Neuengamme zu räumen, am 18. April eingegangen.<br />
Es ist davon auszugehen, dass das Ziel des Transportes wie für die<br />
Häftlinge aus den anderen Lagern die Schiffe in der Lübecker Bucht<br />
war. Schon Tage vorher waren 60 oder 70 kranke Häftlinge in das<br />
KZ Bergen-Belsen verlegt worden. Die Angaben, die im Juli 1945 in<br />
Budapest zu den Überlebenden dieses Transports zu Protokoll gegeben<br />
wurden, schwanken zwischen zehn und 25. 51 Die Aussagen, die<br />
die ungarischen Jüdinnen in Budapest zur folgenden Irrfahrt machten,<br />
sind nicht sehr präzise gehalten. Eine Gruppe 52 von sieben Frauen<br />
kann den 18. April als den Tag des Aufbruchs nennen, in einem<br />
anderen Protokoll wird der 19. April als Abfahrtsdatum genannt. 53<br />
Die Fahrtdauer wird meist mit zwei Wochen angegeben. In einem<br />
Waggon gab es eine Abteilung für die begleitenden SS-Angehörigen,<br />
den Lagerführer und die Aufseherinnen. 54 50 bis 60 Häftlinge wurden<br />
in einem Waggon zusammengepfercht. In fast allen Berichten wird<br />
die völlig unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln beklagt,<br />
gerade 100 Gramm Brot und 20 Gramm Margarine pro Person und<br />
Tag habe es gegeben. 55 Viele hatten den Eindruck, kreuz und quer<br />
durch Norddeutschland zu fahren, selten sind die Angaben so genau<br />
wie bei Eszter Rosenfeld. Dabei kann es sich aber auch um eine<br />
<strong>nach</strong>trägliche Rekonstruktion der Ereignisse handeln. Sie berichtete,<br />
es habe Widerstand gegen die Abfahrt aus Bilohe gegeben, da die<br />
Frauen von den kurz vor Bremen stehenden Alliierten wussten. Sie<br />
seien mit der Aussicht beschwichtigt worden, über die Grenze <strong>nach</strong><br />
Dänemark zu kommen. Bis <strong>nach</strong> Hamburg habe es dann acht bis<br />
zehn Tage gedauert. Dort habe man sie nicht in die Stadt gelassen.<br />
Zwei Tage hätten sie warten müssen, dann seien sie <strong>nach</strong> Lübeck<br />
weitergeleitet worden, wo sie wiederum zwei Tage hätten warten<br />
müssen, weil die Engländer kurz davor gewesen seien, die Stadt<br />
einzunehmen. Eszter Rosenfeld berichtet auch von etwa zehn bis<br />
14
zwölf mit Munition beladenen Waggons, die an den Transport angehängt<br />
worden seien. 56 Vermutlich war den Frauen also sehr bewusst,<br />
dass ihre Existenz für die Deutschen angesichts des bevorstehenden<br />
Zusammenbruchs zu einer schwerwiegenden Bedrohung geworden<br />
war, sie sich also in akuter Lebensgefahr befanden. Die Aussicht,<br />
auf die Schiffe um die „Cap Arcona“ zu kommen, muss wie eine<br />
letzte Hoffnung gewirkt haben. Am 26. April hatte die Beladung der<br />
Häftlingsschiffe begonnen. Am 2. Mai weigerten sich die Kapitäne<br />
der Schiffe gegen alle Widerstände der SS immer weiter eintreffende<br />
Häftlingskolonnen an Bord zu nehmen. 57 Entweder am Abend des<br />
1. Mai oder am Morgen des 2. Mai scheint also die Entscheidung,<br />
den Transport an Lübeck vorbei weiter <strong>nach</strong> Norden zu schicken,<br />
gefallen zu sein. Als das bei den Ungarinnen bekannt wurde, scheint<br />
es Tränen gegeben zu haben. So jedenfalls ist es im Protokoll des<br />
Gruppeninterviews der 66 Frauen vermerkt. 58 Die Frauen der Familie<br />
Ickovic berichten in der Rückschau, man habe sie mit einem<br />
Schiff versenken wollen, aber als sie ankamen, sei das Schiff schon<br />
abgegangen, was ihnen das Leben gerettet habe. 59<br />
Für die Frauen schien sich mit der Weiterfahrt eine letzte Hoffnung<br />
aufzulösen und die Befreiung erneut in weite Ferne zu rücken. Am<br />
2. Mai setzte sich der Zug Richtung Kiel in Bewegung. Kurz vor<br />
Eutin, bei Bockholt, kam es zu einem ersten Angriff durch britische<br />
Tiefflieger. Wohl auch Dank der Verteidigung durch Wachmannschaften<br />
ging der Angriff glimpflich ohne Verletzte ab. Als sich der<br />
Zug wieder in Bewegung setzte, gab es nur wenige hundert Meter<br />
entfernt einen erneuten Angriff. Diesmal gab es ein Blutbad. 60 In den<br />
Budapester Protokollen der Frauen wird von brennenden Waggons<br />
und Wachmannschaften, die auf flüchtende Häftlinge das Feuer eröffneten,<br />
berichtet. Die Angaben der Frauen zu Todesopfern und<br />
Verletzten schwanken stark. Die Ickovic-Frauen gaben an, es seien<br />
sechzig Tote gewesen, Eszter Rosenfeld spricht von achtzig Toten<br />
und zwanzig Schwerverletzten. 61 38 Frauen wurden an Ort und Stelle,<br />
„bei der ehemaligen Blockstelle 1 der Bahnstrecke Eutin-Neustadt,<br />
Hainholz“, in einem Massengrab bestattet. Anfang November 1960<br />
sind diese Frauen in ein Gemeinschaftsgrab auf dem jüdischen<br />
Friedhof in Lübeck-Moisling umgebettet worden. 62<br />
Wilhelm Lange hat im Rahmen seiner Dokumentation der Cap Arcona-Katastrophe<br />
herausgefunden, dass der brennende, total zerschossene<br />
Waggon abgekoppelt worden war. Erst in den frühen<br />
Morgenstunden hätten örtliche Stellen den Waggon und die „etwa<br />
40, zumeist schwerverwundete[n], abgemagerte[n] ungarische[n]<br />
und baltische[n] Jüdinnen in Häftlingskluft auf der taunassen Wie-<br />
15
se“ entdeckt. Sanitätspersonal eines Eutiner Lazaretts habe schließlich<br />
Hilfe geleistet. 63 Barbara Hillmann, Volrad Kluge und Erdwig<br />
Kramer von der Arbeitsgemeinschaft Muna Lübberstedt haben 1993<br />
einen der damaligen Sanitätssoldaten des Eutiner Lazaretts ausfindig<br />
gemacht. Karl-Heinz Albrecht aus Neustadt berichtete ihnen: „Während<br />
der Fahrer des Sanitätsfahrzeuges jeweils zwei Frauen <strong>nach</strong><br />
Eutin transportierte, blieb ich bei den anderen und erfuhr von einer<br />
deutschsprechenden Ungarin, daß sie in einer unterirdischen Fabrik<br />
bei Bremen gearbeitet hätten. Sie waren z. T. sehr schwer verwundet<br />
und sehr verängstigt. Als sie uns zwei Uniformierte kommen sahen,<br />
glaubten sie den `Gnadenschuß` zu bekommen. Sie heulten und<br />
jaulten jämmerlich, und es dauerte lange, bis ich sie mit den Worten<br />
wie z. B. `Krieg zu Ende, alles wird gut` und ´Hospital` - ´Doktor´ einigermaßen<br />
beruhigen konnte [ … ] Ich war damals 21 Jahre alt und<br />
vergesse dieses Erlebnis nie“ 64 Die Unterlagen des Lazaretts belegen,<br />
dass 18 Verletzte am Vormittag des 3. Mai in das Eutiner Lazarett eingeliefert<br />
wurden. Fünf der Verletzten erlagen in den folgenden Tagen<br />
ihren schweren Bombensplitterverletzungen: Elli Gardos, Margot<br />
Fried, Rebekka Gerpel, Clara Fried und Emöne Daskel wurden<br />
auf dem kleinen Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinde Eutin<br />
auf einer Anhöhe am Kleinen Eutiner See unweit des ehemaligen<br />
Kreiskrankenhauses bestattet. 65<br />
Nachdem ein Waggon abgekoppelt und weitere Verwundete mit<br />
einfachsten Mitteln versorgt worden waren, scheint sich der Zug mit<br />
Abb. 7: Gelände des alten Güterbahnhofs in <strong>Plön</strong> 1988. Hier erreichten<br />
die Frauen <strong>Plön</strong> und zogen sich dann <strong>nach</strong> links über die Lütjenburger<br />
Straße in den Wald östlich des Parnaß zurück. (Quelle:<br />
Foto des Verfassers)<br />
16
den angehängten Munitionswaggons noch während der Nacht wieder<br />
in Bewegung gesetzt zu haben. 66 Wohl im Schritttempo durchquerte<br />
er Eutin und Malente und erreichte im Laufe des Vormittags<br />
Timmdorf. Unklar muss angesichts des Chaos dieser Tage bleiben,<br />
wie der schwerbeschädigte Zug in der Nacht wieder fahrbereit gemacht<br />
werden konnte, und wie der bei dem zweiten Luftangriff vor<br />
Eutin ebenfalls ums Leben gekommene Lokführer ersetzt wurde. 67<br />
Hinter Timmdorf kam es zum dritten Angriff britischer Tiefflieger.<br />
16 Frauen sind dabei ums Leben gekommen, darunter auch Piroska<br />
Feldman und ihre drei Töchter. 68 Die Überlebenden haben wiederum<br />
die Waggons verlassen, um am Boden Deckung zu suchen.<br />
Vielleicht ermuntert durch Kontakte mit der lokalen Bevölkerung 69<br />
haben die Frauen sich anschließend geweigert, den Zug erneut zu<br />
besteigen. Einhellig wird in den Protokollen davon berichtet, dass<br />
man <strong>Plön</strong> zu Fuß erreicht habe. Dabei kam es erneut zu Tieffliegerangriffen.<br />
70 Über dreihundert hungrige, zerlumpte, ausgemergelte<br />
und von den Tieffliegerangriffen der vergangenen Stunden schwer<br />
traumatisierte jüdische Ungarinnen schleppten sich in Häftlingskleidung<br />
entlang des Bahngleises <strong>nach</strong> <strong>Plön</strong>, immer noch unter Bewachung<br />
des Lagerführers, der SS-Aufseherinnen und der Wachleute<br />
der Wehrmacht.<br />
Als sie <strong>Plön</strong> erreichten, seien sie wegen eines erneuten Luftalarms –<br />
so die 66 Frauen im Gruppenprotokoll Nr. 2118 – auf einen Hügel in<br />
einem Wald geführt worden. <strong>Plön</strong> hat an diesem Tag die schwersten<br />
Angriffe des ganzen Krieges erlebt. Morgens um 7.30 Uhr haben<br />
britische Tiefflieger Militärkolonnen, die in der Langen Straße und<br />
in der Lübecker Straße hielten, mit Bomben und Bordwaffen angegriffen.<br />
71 Die Ortsbeschreibung legt nahe, dass die Frauen am alten<br />
Güterbahnhof angekommen und dann über die Lütjenburger Straße<br />
in den Wald östlich des Parnaß geführt worden sind. So beschreibt<br />
es auch der damalige kommissarische Landrat Alfons Galette in seinen<br />
Erinnerungen an das Kriegsende. 72 Wohl noch am Abend des<br />
gleichen Tages (3. 5.) spitzte sich die Lage für die Frauen erneut<br />
zu. Eszter Rosenfeld berichtet: „Als aber <strong>nach</strong> einigen Stunden die<br />
bei dem Bombenangriff unversehrt gebliebenen Eisenbahnwaggons<br />
<strong>nach</strong>kamen, befahlen uns die SS-Aufseherinnen – sicherlich im Einvernehmen<br />
mit dem SS-Lagerführer – zur Station zurückzukehren<br />
und dort den Zug zu besteigen. Die Begleitmannschaft der Munitionswaggons,<br />
die aus Wehrmachtsangehörigen bestand, war mit uns<br />
<strong>nach</strong> <strong>Plön</strong> mitgekommen und hatte sich gegen uns sehr anständig<br />
benommen. Diese Wehrmachtleute rieten uns entschieden davon ab,<br />
dem Befehl Folge zu leisten, und meinten, jetzt wäre die beste Gele-<br />
17
genheit zur Flucht. Einige von uns befolgten diesen Rat und flüchteten,<br />
die übrigen aber ließen sich zur Station zurückführen, wo man<br />
sie zwingen wollte, den Zug zu besteigen. Inzwischen aber hatten die<br />
Wehrmachtleute in Erfahrung gebracht, dass der Zug unterminiert<br />
war und in die Luft gesprengt werden sollte, damit die Munition<br />
nicht den Engländern in die Hände falle. Die Wehrmachtleute teilten<br />
uns ihre Wahrnehmungen mit und legten uns neuerdings in der<br />
<strong>nach</strong>drücklichsten Weise nahe, den Zug nicht zu besteigen. Unser<br />
Widerstand wurde daraufhin noch entschiedener: wir erklärten den<br />
SS-Aufseherinnen, dass wir unter keinen Umständen wieder in die<br />
Waggons gehen. Die Aufseherinnen verständigten von unserer Weigerung<br />
die SS-Leute, die uns durch Schläge umzustimmen versuchten,<br />
ein anderes Machtmittel stand ihnen nicht mehr zur Verfügung,<br />
da sie die Waffen vorsichtigerweise bereits fortgeworfen hatten.“ 73<br />
Die Sorge der Frauen, in <strong>Plön</strong> mit dem ganzen Zug in die Luft gesprengt<br />
zu werden, um die Verbrechen an ihnen zu vertuschen und<br />
gleichzeitig die Munition nicht den Alliierten in die Hände fallen zu<br />
lassen, war also zu diesem Zeitpunkt keineswegs ausgeräumt und<br />
hatte einen durchaus realen Hintergrund. Je näher das Kriegsende<br />
schien, desto drängender wurde diese Frage. Es scheint aber seitens<br />
der SS noch eine andere Überlegung gegeben zu haben. In drei<br />
Protokollen taucht an dieser Stelle erneut das „Dänemark-Motiv“<br />
auf. Der Lagerführer habe die Frauen mit der Aussicht <strong>nach</strong> Dänemark<br />
zu fahren und sie dort dem Roten Kreuz zu übergeben, dazu<br />
bringen wollen, wieder in den Zug einzusteigen. Die Frauen haben<br />
das für ein Täuschungsmanöver gehalten und wollten keinesfalls<br />
darauf eingehen. 74<br />
Allerdings hatte es in den voraufgegangenen Tagen bereits zwei<br />
große Häftlingstransporte auf dieser Strecke in Richtung Dänemark<br />
gegeben. Am 25. April hatte sich ein Zug mit 50 Güterwaggons mit<br />
Häftlingen aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in Bewegung<br />
gesetzt. Jeder Waggon war mit 80 Personen belegt. Nach<br />
vier Tagen war er mit defekter Lok kurz vor Lübeck entdeckt worden<br />
und konnte von hier am 29. April die Fahrt <strong>nach</strong> Norden fortsetzen.<br />
3.989 Frauen konnten durch diesen Transport gerettet werden. Vermutlich<br />
hat auch ein zweiter großer Transport, der am 2. Mai Dänemark<br />
erreichte, den Weg über Lübeck und <strong>Plön</strong> genommen. Der<br />
Verbindungsoffizier der Gestapo bei der Überführung von Häftlingen<br />
über das KZ Neuengamme in der Rettungsaktion der »Weißen<br />
Busse«, SS-Obersturmbannführer Franz Göring, hatte in Hamburg<br />
und Umgebung einen Transport von etwa 2.000 Frauen (960 Jüdinnen,<br />
790 Polinnen und 250 Französinnen) aus Nebenlagern von<br />
18
Neuengamme zusammengestellt und <strong>nach</strong> Norden geführt. 75 Diese<br />
Aktivitäten der SS standen im Zusammenhang mit Bemühungen des<br />
Reichsführers SS Heinrich Himmler durch die Freigabe zunächst vor<br />
allem skandinavischer Häftlinge an Hitler vorbei, Verhandlungen<br />
für eine Teilkapitulation mit den westlichen Alliierten zu erreichen.<br />
Die spezielle Kennzeichnung der Busse mit weißer Farbe und dem<br />
Emblem des Roten Kreuzes hatten zu der Bezeichnung „Aktion der<br />
Weißen Busse“ geführt. Vereinbart worden war die Aktion zwischen<br />
dem Vize-Präsidenten des schwedischen Roten Kreuzes Graf Folke<br />
Bernadotte und dem Reichsführer SS Heinrich Himmler.<br />
Der Historiker Stephan Linck hat in seiner Arbeit über die Deutsche<br />
Polizei zwischen 1933 und 1949 auf Himmlers besondere<br />
Lage während der letzten Kriegstage hingewiesen. 76 Am 30. April<br />
war es in Lübeck zu einem Treffen zwischen Großadmiral Dönitz<br />
und Himmler gekommen. Dönitz hatte aus Berlin erfahren, dass<br />
Hitler am Tag zuvor mit einem Tobsuchtsanfall reagiert hatte, als<br />
er über Himmlers Verhandlungen informiert worden war. Er hatte<br />
Himmler daraufhin in seinem politischen Testament aus der NSDAP<br />
ausgeschlossen und ihn aller Ämter enthoben. Die Mittel, „stahlhart<br />
und blitzschnell“ zu reagieren, wie Hitler gefordert hatte, hatte<br />
Dönitz nicht, denn Himmler war immer noch von bewaffneten<br />
SS-Offizieren umgeben. Zurückgekehrt in sein Hauptquartier <strong>nach</strong><br />
<strong>Plön</strong>, erfuhr Dönitz abends vom Tod Hitlers und seiner Einsetzung<br />
als Nachfolger. Daraufhin bat nun Dönitz Himmler zu einem Besuch<br />
<strong>nach</strong> <strong>Plön</strong>. Noch in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai<br />
traf Himmler in <strong>Plön</strong> ein und wurde von Dönitz über die neueste<br />
Entwicklung in Kenntnis gesetzt. Sein Angebot, als „zweiter Mann“<br />
der neuen Regierung zur Verfügung zu stehen, zeigt, dass Himmler<br />
<strong>nach</strong> wie vor Ambitionen hatte, in der Nachkriegsordnung eine<br />
wichtige Position einzunehmen. So hielt er sich bis zum Abend des<br />
2. Mai in <strong>Plön</strong> auf und wich dann im Gefolge der Dönitz-Regierung<br />
vor den vorrückenden alliierten Truppen <strong>nach</strong> Flensburg aus. Erst<br />
am 6. Mai teilte Dönitz ihm mit, dass er nicht damit rechnen könne,<br />
Berücksichtigung in der neuen Regierung zu finden. 77 Damit wird<br />
das Motiv erkennbar, warum – wie sein Biograph Peter Longerich<br />
formuliert – „die Gefangenen [ … ] aus seiner Sicht noch immer<br />
menschliches Kapital [waren], das er bis zum Schluss für Verhandlungen<br />
zu nutzen gedachte – daher seine Entschlossenheit, sie in die<br />
letzten Rückzugsräume mitzunehmen.“ 78<br />
Motiv und die räumliche Nähe Heinrich Himmlers legen nahe, dass<br />
das „Dänemark-Motiv“ einen realen Hintergrund hatte und erklären<br />
auch die Vehemenz, mit der das SS-Personal versuchte, die Frauen<br />
19
in den Güterzug zurück zu zwängen. Der Lagerführer wird als die<br />
treibende Kraft beschrieben. Mit Schlägen mit dem Gewehrkolben<br />
und Überredungsversuchen gelang es ihm, wenigstens einige Häftlinge<br />
zum Einsteigen zu bewegen. Die anderen ließen sich trotz<br />
fortgesetzter Schläge nicht zwingen. Durch die Kontaktaufnahme<br />
zu bereits befreiten russischen Kriegsgefangenen 79 wurde den Frauen<br />
klar, dass das Kriegsende unmittelbar bevorstehen musste. Die<br />
Auseinandersetzung scheint sich über Stunden hingezogen zu haben,<br />
in einem Bericht ist davon die Rede, dass der Lagerführer<br />
<strong>nach</strong> einigen Stunden einen erneuten Anlauf nahm, die Fahrt fortzusetzen.<br />
Erkennbar wird auch, dass es innerhalb der SS massive<br />
Konflikte gab, wie fortzufahren sei. So wird in mehreren Berichten<br />
ein SS-Arzt erwähnt, der für die Frauen Partei ergriffen habe. 80 Nicht<br />
sicher zu klären ist, was dann geschah. Eszter Rosenfeld gab zu<br />
Protokoll, dass zunächst nur eine Vorhut der Briten in die Stadt<br />
gekommen sei. Als diese Fahrzeuge <strong>Plön</strong> verlassen hätten, hätte die<br />
SS erneut Mut gefasst und einen erneuten Anlauf unternommen, die<br />
KZ-Häftlinge in die Waggons zu zwingen. 81 Andere Frauen berichteten,<br />
die SS sei bereits in der Nacht zum oder am Morgen des 4.<br />
Mai 1945 verschwunden. 82 Die Angaben zu der britischen Vorhut,<br />
die am 4. Mai in <strong>Plön</strong> eintraf, werden von anderen Quellen bestätigt.<br />
So gibt Ulrich March an, am 4. Mai <strong>nach</strong>mittags sei ein erster<br />
Abb. 8: Im Vordergrund der Schöhsee, am Ufer die Bahngleise, dahinter<br />
die Lütjenburger Straße und schließlich der Wald östlich des<br />
Parnaß. (Postkarte im Archiv des Verfassers)<br />
20
itischer Panzerspähwagen in <strong>Plön</strong> eingetroffen, und der Offizier<br />
Lieutenant Nash habe mit Fregattenkapitän Hans Pauckstadt über<br />
die Übergabe der Stadt verhandelt. 83<br />
Die Tage zwischen dem 4. und dem 8. Mai schildern die Frauen<br />
als eine letzte Steigerung ihrer Leiden. Nach drei Tagen Tieffliegerbeschuss,<br />
der mindestens 59 von ihnen das Leben gekostet und<br />
mindestens 18 schwer verwundet zurückgelassen hatte, und einer<br />
zermürbenden Auseinandersetzung mit den SS-Aufsehern um eine<br />
Fortsetzung der Todesfahrt hatten sich die Überlebenden in den<br />
Wald am Parnaß zurückgezogen, um dort Schutz vor weiteren Angriffen<br />
zu finden. Zerlumpt, mit völlig unzureichender Häftlingskleidung<br />
und ohne Nahrungsmittel verbrachten sie bei heftigem<br />
Regen die erste Nacht. 84 Eszter Rosenfeld gab zu Protokoll: „Da<br />
wir durch Erfahrungen gewitzigt waren, trauten wir den Dingen<br />
nicht recht und zogen uns in einen Wald zurück, wo wir uns einige<br />
Tage verbargen. Als wir es vor Hunger nicht mehr aushalten<br />
konnten, wagten wir uns in die umliegenden Dörfer hervor, wo wir<br />
um Lebensmittel bettelten, wobei wir nicht verrieten, wer wir waren,<br />
sondern angaben, dass wir Flüchtlinge aus Ungarn seien, die sich<br />
vor dem Feind geflüchtet hätten.“ Auch in dem Protokoll der großen<br />
Interviewgruppe wird erwähnt, dass die Frauen um Nahrungsmittel<br />
gebettelt hätten und die Bevölkerung sich „anständig betragen“<br />
habe. 85 Die Schwestern Piroska und Sidonia Fuchs – auch sie aus<br />
dem kleinen Karpatenstädtchen Técsö – fügten ihrem Bericht hinzu,<br />
zwar unter großen Entbehrungen gelitten zu haben, dass sie<br />
in diesen Tagen aber mit dem Gefühl, es für ihre Freiheit zu tun,<br />
gehungert hätten. 86<br />
Käthe Waag hat in <strong>Plön</strong> Erinnerungen an das Kriegsende gesammelt.<br />
Auch wenn Quellenangaben und genaue zeitliche Zuordnung<br />
fehlen, spiegeln die Eindrücke doch die Berührungspunkte der ungarischen<br />
Jüdinnen mit der <strong>Plön</strong>er Bevölkerung. 87 Die Frauen seien<br />
bettelnd in der Rautenbergstraße, dem Appelwarder und auch<br />
in Wittmoldt angetroffen worden. Auffällig seien ihre SA-Hemden<br />
gewesen. Käthe Waag erklärt, die Frauen seien aus Beständen aus<br />
einer Kleidersammlung im Schlossgebiet versorgt worden und darunter<br />
seien eben auch SA-Hemden gewesen. Auf Kosten der Stadtverwaltung<br />
seien auch Frauen bei einer Schneidermeisterin in der<br />
Johannisstraße eingekleidet worden. 14 Tage vor Pfingsten sei eine<br />
Gruppe der Frauen mit besonders guter Kleidung versehen worden,<br />
denn sie sollte einer Kommission vorgestellt werden. Am Strandweg<br />
in Bahnhofsnähe seien auch Frauen dabei beobachtet worden, wie<br />
sie Wäsche im See wuschen und anschließend über Sträucher ge-<br />
21
Abb 9: Skizze von der Lage der<br />
Kriegsgräber auf dem Friedhof in<br />
<strong>Plön</strong> an der Eutiner Straße, etwa<br />
1950. (Quelle: Stadtarchiv <strong>Plön</strong><br />
Nr. 3734 (I))<br />
22<br />
hängt trocknen ließen. Kranke jüdische Frauen seien in der Johanniter<br />
Heilstätte gesund gepflegt worden und eine der deutschen<br />
Pflegekräfte habe berichtet, dass eine der Jüdinnen immer wieder<br />
das Gespräch mit ihr gesucht habe, um über ihr Schicksal sprechen<br />
zu können.<br />
Trotz Tausender Soldaten und Flüchtlinge, die sich durch die kleine<br />
holsteinische Stadt bewegten, müssen die etwa 350 Frauen bereits<br />
in den Tagen, in denen sie sich im Wald am Parnaß aufhielten,<br />
soviel Aufmerksamkeit erregt haben, dass ihre Anwesenheit auch<br />
dem Landrat Galette nicht entgehen konnte. Es ist schwer zu entscheiden,<br />
in welchem Maße vierzig Jahre später berichtete Details<br />
auch entlastenden Charakter haben sollten, die von Galette erinnerte<br />
Begegnung zwischen ihm und den ungarischen Jüdinnen als solche<br />
ist sicher nicht anzuzweifeln. Erstaunlich ist zunächst, dass der<br />
Landrat einen der letzten Apriltage als Zeitpunkt angibt und auch<br />
die Zahl der Frauen – wie auch Käthe Waag – mit 50 bis 60 deutlich<br />
unterschätzt. Als Motiv, Kontakt aufzunehmen, nennt Galette:<br />
„Da sie ohne Lebensmittel, Mäntel oder Decken umherirrten und<br />
sich selbst zu versorgen begannen,<br />
versuchte ich, ihre deutsch<br />
sprechende Anführerin zu bewegen,<br />
in eine leere Schönjahnsche<br />
Scheune zu ziehen und sich dort<br />
verpflegen und versorgen zu lassen.“<br />
Das nahende Kriegsende<br />
und der direkt bevorstehende<br />
Kontakt zu den Briten ließen<br />
dieses Vorhaben dringend geboten<br />
erscheinen. Aber auch<br />
die offenbar ablehnende Haltung<br />
der ehemaligen Häftlinge<br />
und ihr Wunsch, auch angesichts<br />
ihrer prekären Lage, auf<br />
das Eintreffen der Briten warten<br />
zu wollen, ist <strong>nach</strong>vollziehbar,<br />
denn der Landrat musste von Ihnen<br />
als Exponent des NS-Staates<br />
wahrgenommen werden. In den<br />
Berichten der Frauen hat diese<br />
Begegnung keinerlei Niederschlag<br />
gefunden. 88
Abb 10: Detailvergrößerung der Lageskizze der Kriegsgräber auf<br />
dem <strong>Plön</strong>er Friedhof an der Eutiner Straße. Nr. 1 = Grabstätte der 16<br />
Jüdinnen, die am 3. Mai 1945 durch Tieffliegerbeschuss bei Timmdorf<br />
ums Leben kamen; Nr. 6 = Grabstätte der vier Jüdinnen, die am<br />
27./28. April 1945 ums Leben kamen. In der Nähe von Nr. 11 müsste<br />
sich das Einzelgrab der am 1. Juli 1945 verstorbenen Ilonka Pfeffer<br />
befunden haben. (Quelle: Stadtarchiv <strong>Plön</strong>, Nr. 3734 (I))<br />
Das Begräbnis der 16 bei dem Tieffliegerbeschuss des Zuges am 3.<br />
Mai bei Timmdorf ums Leben gekommenen ungarischen Jüdinnen<br />
scheint noch am gleichen Tag auf dem <strong>Plön</strong>er Friedhof an der Eutiner<br />
Straße vollzogen worden zu sein. 89 Aus einem Hilferuf Pastor Böttgers<br />
an die Stadtverwaltung vom 10. Mai 1945 werden die schwierigen<br />
Umstände von Bestattungen in diesen Tagen ersichtlich. Die<br />
durch die Tieffliegerangriffe der letzten Kriegstage stark gestiegene<br />
Zahl an Bestattungen hatte zu einem Engpass bei der Herstellung<br />
von Särgen geführt. Nach einer Direktive des Gouverneurs [Morgans,<br />
d. Vf.] bleibe man nun aber bei der Bestattung in behelfsmäßig<br />
hergestellten Holzsärgen. Überdies müsse die Stadt dringend ein<br />
Beerdigungskommando einschließlich eines Tischlers zur Verfügung<br />
stellen, sonst seien die anstehenden Bestattungen und Umbettungen<br />
von gefallenen Soldaten auf den Kadettenfriedhof nicht zu bewältigen.<br />
90 Die 16 Frauen wurden in einem Massengrab im Grabfeld „J<br />
23
VII 35“ an der äußersten nördlichen Friedhofsgrenze beigesetzt. Unter<br />
„J VII 22“ ist ein weiteres Massengrab mit vier dort beigesetzten<br />
Frauen verzeichnet. Namentlich zuzuordnen sind Kalinka Bitter und<br />
Maria Warlicz, die Namen der beiden anderen sind unbekannt. 91<br />
16 ungarische Jüdinnen, die am 3. Mai 1945 bei einem Tieffliegerangriff<br />
zwischen Timmdorf und <strong>Plön</strong> ums Leben kamen<br />
und auf dem <strong>Plön</strong>er Friedhof an der Eutiner Straße beigesetzt<br />
wurden. Anfang der sechziger Jahre wurden sie auf die zentrale<br />
Kriegsgräberstätte in Schleswig-Karberg umgebettet. 94<br />
Das siebzehnte Opfer, Ilonka Pfeffer, verstarb am 1. Juli 1945<br />
und wurde nicht umgebettet.<br />
24<br />
Nachname Vorname Geburtstag/-ort Sterbetag<br />
Unbekannt 3. Mai 1945<br />
Unbekannt 3. Mai 1945<br />
Blau Ilonar 23. Februar 1925 in Egeres 3. Mai 1945<br />
Blonder Luci 22. Februar 1925 in Czizer 3. Mai 1945<br />
David<br />
Aronka<br />
4. Oktober 1922<br />
in Klausenburg<br />
3. Mai 1945<br />
Feintuch Piri 26. November 1912 in Técsö 3. Mai 1945<br />
Feldman Erzmébet 5. Mai 1925 in Kisvárda 3. Mai 1945<br />
Feldman Katálin 15. Mai 1929 in Kisvárda 3. Mai 1945<br />
Feldman Klára 17. Juli 1926 in Kisvárda 3. Mai 1945<br />
Feldman<br />
Piroska<br />
1. Januar 1902<br />
in Measuladen [?]<br />
3. Mai 1945<br />
Fellner Eva 14. Mai 1927 in Budapest 3. Mai 1945<br />
Fixler<br />
Cili<br />
12. Oktober 1926<br />
in Maydanka<br />
3. Mai 1945<br />
Gandos Paula 27. Juni 1896 in Eger 3. Mai 1945<br />
Katz Martha 25. Januar 1925 in Nirmada 3. Mai 1945<br />
Lazar<br />
Ilonka<br />
10. September 1915 Großwardein<br />
3. Mai 1945<br />
Pfeffer Ilonka 12. November 1920 in [?] 1. Juli 1945<br />
Schwartz<br />
Ibolia<br />
2. Februar 1921<br />
in Klausenburg<br />
3. Mai 1945
Auch sie sind im Verzeichnis der Grabstätten von Angehörigen der<br />
Vereinten Nationen auf dem <strong>Plön</strong>er Friedhof als „jüdisch“ bezeichnet.<br />
92 Als Sterbedaten der „wahrscheinlich“ aus Ungarn stammenden<br />
Frauen werden der 27. und 28. April 1945 infolge „Tieffliegerangriff“<br />
angegeben. 93 Möglich erscheint ein Zusammenhang mit einem am<br />
30. April 1945 vom Ost-Holsteinischen Tageblatt gemeldeten Tieffliegerangriff<br />
zwischen Eutin und <strong>Plön</strong> auf eine „unter dem Schutz<br />
der Genfer Konvention“ fahrende „Rot-Kreuz-Kolonne“. Fünf der mit<br />
dem Schwedenkreuz und dem Roten Kreuz gekennzeichneten Fahrzeuge<br />
seien schwer getroffen worden, eines „ging in Flammen auf“.<br />
Weiter heißt es: „<strong>Von</strong> den Insassen, die sich vorwiegend aus Holländern,<br />
Belgiern, Luxemburgern und Polen zusammensetzten, sind 18<br />
Personen tödlich getroffen, während zahlreiche weitere schwer verwundet<br />
wurden.“ Allem Anschein <strong>nach</strong> handelte es sich bei diesem<br />
Transport ebenfalls um eine Rettungsaktion der „Weißen Busse“ des<br />
schwedischen Roten Kreuzes.<br />
Nach der Befreiung<br />
„Die Engländer befreiten uns, und wir konnten beginnen, wieder<br />
als Menschen zu leben.“ 95 So beschrieb Hajnal Kaufmann, wie sie<br />
das Ende der nationalsozialistischen Verfolgung erlebte. Rückblickend<br />
haben die ungarischen Jüdinnen meist den ersten Kontakt mit<br />
britischen Militäreinheiten am 4. Mai 1945 als den Zeitpunkt ihrer<br />
Befreiung angesehen. 96 Eine Verbesserung ihrer Lage trat aber erst<br />
mit dem Eintreffen der 6. Guards Armoured Brigade unter Brigadier<br />
Greenacre am 8. Mai ein. 97<br />
Zur Unterbringung in <strong>Plön</strong> gibt es unterschiedliche Aussagen: Man<br />
sei in einer Schule, in einigen Baracken, in einer Villa und einem<br />
Internat untergebracht worden. 98 <strong>Von</strong> <strong>Plön</strong>er Zeitzeugen werden<br />
diese Angaben mindestens teilweise bestätigt. So berichtet Käthe<br />
Waag von einer Baracke am Steinberg, in der die Jüdinnen untergebracht<br />
worden seien. Frauen von NSDAP-Parteigenossen seien zu<br />
Reinigungsarbeiten dorthin abkommandiert worden. In der Schilderung<br />
der gleichzeitig in der Maisonne sitzenden Jüdinnen klingt Empörung<br />
gegenüber der als Demütigung empfundenen Maßnahme<br />
durch. Der Beginn schmerzhafter Verarbeitungsvorgänge wird hier<br />
erkennbar. 99 Auch Hans Pauckstadt erwähnt in seiner kleinen Schrift<br />
über das Steinbergschlösschen eine Baracke gegenüber dem Seehof.<br />
Sie sei zeitweise von „weiblichen jüdischen KZ-Häftlingen“ bewohnt<br />
worden. 100 Eine weitere Zeitzeugin bestätigt die Angaben zu der Baracke<br />
am Steinbergwald und fügt hinzu, auch im Haus Rautenbergstraße<br />
40 seien Jüdinnen untergebracht worden. In dieser Aussage<br />
25
wird der schlechte Gesundheitszustand der Frauen erwähnt. Sie seien<br />
„in erbärmlichem Zustand“ gewesen. 101 Eine Ergänzung findet<br />
diese Angabe in einer Notiz des Landratsamtes vom 24. Mai 1945, in<br />
der erwähnt wird, dass sich noch 24 Ungarinnen im Krankenhaus<br />
in <strong>Plön</strong> befänden. 102 Ilonka Pfeffer ist dort am 1. Juli im Alter von<br />
24 Jahren verstorben und in einem Einzelgrab auf dem Friedhof an<br />
der Eutiner Straße beigesetzt worden. 103 Vielleicht gehört in diesen<br />
Zusammenhang auch die Bemerkung Eszter Rosenfelds, die Frauen<br />
hätten von den Engländern zunächst nur kleine Lebensmittelpakte<br />
bekommen, sodass sie sich nicht hätten satt essen können. Die Formulierung<br />
im Protokoll der 66er Gruppe, „in der ersten Zeit konnten<br />
wir nicht essen“, lässt die Deutung zu, dass die Briten aufgrund des<br />
schlechten Ernährungszustandes der Frauen bewusst eine reduzierte<br />
Diätkost ausgegeben haben. 104<br />
Abb. 11: Lageskizze (1950) der Baracke am Steinbergweg (rot markiert),<br />
die zwischen dem 8. und 17. Mai 1945 einer Gruppe der ungarischen<br />
Jüdinnen als Unterkunft diente. (Quelle: Stadtarchiv <strong>Plön</strong>,<br />
Nr. 3736)<br />
26
Am 15. Mai 1945 informierte Militärgouverneur Major Morgans den<br />
<strong>Plön</strong>er Bürgermeister, „daß die 320 ungarischen Jüdinnen 105 am<br />
Donnerstag, dem 17. Mai d. Jrs., um 11 Uhr vormittags in ihrem Lager<br />
(Steinberg) zum Abtransport bereitzuhalten sind. Jeder darf mitnehmen,<br />
was er in der Hand oder sonst wie tragen kann. (Sollten sich<br />
keine 3 Ungarinnen freiwillig als Kellnerinnen in der Offiziersmesse<br />
zur Verfügung stellen, so sind alle Ungarinnen abzutransportieren,<br />
andernfalls bleiben diese 3 zurück). Sie wollen bitte dafür sorgen, daß<br />
der Lagerführerin vorstehende Nachricht schnellsten zugestellt wird.<br />
Es ist diesen Damen zu eröffnen, daß sie von der englischen Besatzungsbehörde<br />
mit Lastwagen zu einem Sammellager in Haffkrug gebracht<br />
werden. Wo sie untergebracht und verpflegt werden. Weitere<br />
Dispositionen werden <strong>nach</strong> Vernehmung in Haffkrug getroffen.“ 106<br />
Mit der Befreiung waren die Frauen zu „Displaced Persons“ geworden.<br />
So bezeichneten die Westalliierten alle befreiten Zwangsarbeiterinnen,<br />
Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, die nun versorgt und deren<br />
Rückführung in ihre Heimatgebiete eingeleitet werden musste. Angesichts<br />
des chaotischen Zustandes der Infrastruktur und der völlig unklaren<br />
Verhältnisse in den Gebieten, die einst die Heimatgebiete der<br />
„DPs“ waren, konnte die Rückführung nicht sofort umgesetzt werden.<br />
Deshalb wurden Sammelzentren, „Assembly Centres“, eingerichtet.<br />
<strong>Von</strong> hier aus sollte dann die Rückführung organisiert werden.<br />
Am 13. Mai hatten die Briten für die Ortschaften Haffkrug und Sierksdorf<br />
an der Lübecker Bucht den Befehl erlassen, die Häuser bis zum<br />
folgenden Tag zu räumen und für die Einrichtung eines Assembly<br />
Centres vorzubereiten. Die Häuser waren möbliert zu übergeben und<br />
die Grundstücke durften von den Eigentümern nicht mehr betreten<br />
werden. Fischer, Bauern, ein Bäcker, ein Kaufmann und Angestellte<br />
von Bahn und Post konnten bleiben, um die Versorgung der DPs<br />
sicher zu stellen. Am 14. Mai trafen die ersten DPs ein. Am 16. Mai<br />
abends wurde in Sierksdorf der Ortsteil Rögen geräumt, um hier, wie<br />
es hieß, 600 ungarische Jüdinnen unterzubringen. 107 In dieses Auffanglager<br />
wurden DPs verschiedener Nationalität aufgenommen, den<br />
Deutschen, die Einblick hatten, blieben die jüdischen Mädchen und<br />
Frauen aus Ungarn besonders in Erinnerung, da einige noch ihre<br />
Häftlingskleider trugen, als sie in Sierksdorf ankamen. 108<br />
Die Wochen in Haffkrug haben die befreiten Frauen wie einen Urlaub<br />
empfunden. Sie seien an die Küste <strong>nach</strong> Haffkrug gekommen, wo sie<br />
sich in guter Luft und bei guter Kost erholt hätten. Allerdings wurde<br />
ihnen auf dem Weg dorthin noch einmal bewusst, wie knapp sie mit<br />
dem Leben davon gekommen waren, denn die Trümmer der Cap<br />
Arcona und der anderen Häftlingsschiffe in der Lübecker Bucht seien<br />
27
gut sichtbar gewesen und wegen der immer noch im Wasser schwimmenden<br />
Leichen sei das Baden in Haffkrug nicht möglich gewesen. 109<br />
Gleichzeitig waren die meisten ohne Nachricht von Familienmitgliedern<br />
und Freunden und deshalb in großer Sorge. Ende Juni/Anfang<br />
Juli kamen die Frauen mit einem tschechischen Transport zuerst mit<br />
dem Lkw, dann per Bahn über Prag und Bratislava <strong>nach</strong> Budapest.<br />
Je weiter sich die Frauen nun der Karpatenukraine näherten, desto<br />
größer wurde ihre Sorge um die Familie und desto häufiger scheinen<br />
schlechte Nachrichten eingetroffen zu sein. Regina Herskovits Protokoll<br />
schließt mit den Worten: „Wir waren zehn, jetzt sind wir fünf<br />
in der Familie, meine Schwester liegt noch krank, mit ihr will ich zusammen<br />
über die Zukunft entscheiden.“ Ihre Freundin Edit Czin fügt<br />
hinzu: „Wir waren sieben, jetzt bin ich allein.“ 110<br />
Abb. 12: Der verlassene Friedhof der jüdischen Gemeinde von Tecsö/<br />
Tacovo/Tjatschiw in der heutigen Ukraine. (Quelle: galiciantraces.<br />
com/tiachiv)<br />
Die Familie Feldman aus Kisvárda ist durch die nationalsozialistische<br />
Verfolgung ausgelöscht worden, der Sohn, die Schwiegermutter und<br />
deren Schwester starben in <strong>Auschwitz</strong>, Mutter und drei Töchter zwischen<br />
Timmdorf und <strong>Plön</strong>. Der Ehemann und Vater der Familie Ickovic<br />
starb auf einem Todesmarsch <strong>nach</strong> der Räumung des KZs <strong>Auschwitz</strong>,<br />
die Ehefrau und die vier Kinder überlebten. 1948 ist Gizella<br />
Ickovic mit ihren drei Töchtern und ihrem Sohn Ludvic in die USA<br />
ausgewandert. 111 Sie starb 1993. Eszter Rosenfelds Eltern und eine<br />
Schwester wurden in <strong>Auschwitz</strong> ermordet wie auch die Ehefrau und<br />
die drei Kinder ihres Bruders Mordechai Rosenfeld. Ihr Bruder konnte<br />
28
sich ebenso wie ihre zweite Schwester Sara retten. Beide wanderten<br />
in die USA aus. Eszter Rosenfeld selbst hielt sich <strong>nach</strong> ihrer Rückkehr<br />
aus Ungarn <strong>nach</strong> Westdeutschland im DP-Lager Gabersee/Wasserburg<br />
am Inn auf. Dort heiratete sie Mendel Senderovits, den sie bereits vor<br />
dem Krieg in der Karpatenukraine kennengelernt hatte. Ihre Tochter<br />
Frida, die am 11. Oktober 1946 geboren wurde, war eines der ersten<br />
jüdischen Kinder <strong>nach</strong> dem Holocaust. Die Familie wanderte 1951 mit<br />
zwei kleinen Töchtern ebenfalls in die USA aus. Dort verstarb Eszter<br />
Senderovits 2006. 112 In Tjatschiw (ung. Técsö), das <strong>nach</strong> dem Krieg<br />
zur Sowjetunion gehörte, wurde das jüdische Gemeindeleben zwar<br />
wieder aufgenommen, die Gemeinde war aber so sehr geschrumpft,<br />
dass Feiertage im nahen Chust (ung. Huszt) begangen wurden. 113<br />
Die Gräber der sechzehn Frauen auf dem <strong>Plön</strong>er Friedhof an der<br />
Eutiner Straße erhielten den Status von „Grabstätten von Angehörigen<br />
der Vereinten Nationen“. Ihre Pflege stand unter der Aufsicht<br />
der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung. So fand am 12. September<br />
1949 eine Begehung unter Mitwirkung des Regierungsrates<br />
Alfons Galette seitens der Landesregierung statt. Er forderte für das<br />
Massengrab der ungarischen Jüdinnen die Errichtung eines Grabzeichens.<br />
114 Anfang der sechziger Jahre wurden insgesamt 20 Jüdinnen<br />
vom Friedhof an der Eutiner Straße auf die zentrale Kriegsgräberstätte<br />
Schleswig-Karberg umgebettet. 115 Übersehen wurde, dass noch ein<br />
weiteres Einzelgrab, das der Ilonka Pfeffer, bestand. Es war offenbar<br />
in Vergessenheit geraten.<br />
Abb. 13: Gräberreihe von 20 ursprünglich in <strong>Plön</strong> bestatteten Jüdinnen,<br />
die in den frühen sechziger Jahren auf die Kriegsgräberstätte<br />
Schleswig-Karberg umgebettet wurden. (Quelle: Foto des Verfassers)<br />
29
Anmerkungen:<br />
1<br />
War Diary, 9. Mai 1945, 6. Guards Armoured Brigade, The National Archives Kew/<br />
London, War Office (WO) 171/4321.<br />
2<br />
Einige der Interviews wurden mit mehreren Personen gleichzeitig durchgeführt,<br />
in einem Fall sogar mit 66 Frauen.<br />
3<br />
Barbara Hillmann: Volrad Kluge u. Erdwig Kramer: Lw. 2/XI – Muna Lübberstedt.<br />
Zwangsarbeit für den Krieg. Bremen 1996.<br />
4<br />
Bundesarchiv-Ludwigsburg, B 162/15448.<br />
5<br />
Yad Vashem (Jerusalem), Digital Archives, (YVDA) subcection O 15 E, Nr. 1634.<br />
6<br />
Alle Angaben zur Familie stammen aus der Bildunterschrift des Familienfotos, das<br />
im United States Holocaust Memorial Museum (Washington) unter der Nummer<br />
15856 aufbewahrt wird; abgerufen am 9. Juli 2017. Vgl. auch Eidesstattliche Versicherung<br />
Gizella Ickovic, 1. Mai 1958, Dokument 21076 im 2. <strong>Auschwitz</strong>prozess,<br />
Archiv Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main.<br />
7<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1801. Vgl. auch den Artikel zu Técsö in: Randolph<br />
L. Braham (Hg.): The Geographical Encyclopedia of the Holocaust in Hungary.<br />
Evanston 2013, Vol. I, S. 625–627.<br />
8<br />
Ebenda, S. 626.<br />
9<br />
Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Bd. 2. Frankfurt am Main,<br />
1990, S. 859–897.<br />
10<br />
Ebenda, S. 898 f.<br />
11<br />
Das bestätigte auch ihr Sohn Martin Senderovits in einer Nachricht vom 17. August<br />
2017.<br />
12<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2832. In Brahams Encyclopedia of the Holocaust<br />
in Hungary wird in dem Artikel zu Bedöháza für 1941 die Zahl von 541 Juden<br />
genannt. Die Juden hätten zur jüdischen Gemeinde in Técsö gehört. Vgl. Braham:<br />
Encyclopedia, a, a, O., Vol I, S. 558 f.<br />
13<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1634.<br />
14<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1809. Die Juden von Visk wurden am 19. u. 20.<br />
April 1944 <strong>nach</strong> Técsö transportiert. Vgl. Braham: Encyclopedia, a. a. O., Vol. I, S.<br />
634.<br />
15<br />
Hilberg, a. a. O., S. 901.<br />
16<br />
Ebenda, S. 915.<br />
17<br />
Braham: Encyclopedia, a. a. O., Vol. I, S. 626.<br />
18<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2144.<br />
19<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nrn 682, 1236, 1801, 1827, 2118, 2932.<br />
20<br />
Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager <strong>Auschwitz</strong>-<br />
Birkenau 1939–1945. Reinbek bei Hamburg 1989, S. 769.<br />
21<br />
Stefan Romey: Ein KZ in Wandsbek. Zwangsarbeit im Hamburger Drägerwerk.<br />
Hamburg 2016, S. 17–21.<br />
22<br />
YVDA, subsection O 15 E. Nr. 2832.<br />
23<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1634.<br />
24<br />
Braham: Encyclopedia, a. a. O., Vol II, S. 874.<br />
25<br />
List of Jews from Kisvárda prepared prior to their deportation to the ghetto<br />
(04/44), Yad Vashem, record group 041 File No 954, p. 20.<br />
26<br />
Memorial Book of the Jews of Kisvárda and its Vicinity, (Kisvárda, Hungary),<br />
Translation of Kisvárda es Kornyeke Zsidosaga Emlekkonyv, hrsg. v. Rabbi Dr.<br />
Karoly Jolesz, Efrajim Agmon u. a., Tel Aviv, 1980. (http://www.jewishgen.org/yizkor/kisvarda/kis001.html#chap13,<br />
abgerufen am 15. Juli 2017). Vgl. auch Braham:<br />
Encyclopedia, a. a. O., Voll. II, S. 874–877.<br />
27<br />
The Central Database of Shoah Victims´ Names, Yad Vashem. The World Holocaust<br />
Remembrance Center, (https://yvng.yadvashem.org/), abgerufen am 15. Juli<br />
2017.<br />
28<br />
Piroska Lancz, YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1827.<br />
29<br />
Piroska u. Sidonia Fuchs, YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2144.<br />
30
30<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 682, 1236, 1287, 1574, 1801, 1809, 2118, 2144, 2882,<br />
2932.<br />
31<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2144.<br />
32<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2832.<br />
33<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1287 u. 1634.<br />
34<br />
Hillman/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 12 u. 31–33.<br />
35<br />
Ebenda, S. 26.<br />
36<br />
Geschildert wird der Vorgang von neun Häftlingen in: YVDA, subsection O 15 E,<br />
Nr. 1809.<br />
37<br />
Stefan Romey: KZ Wandsbek, a. a. O.<br />
38<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 109.<br />
39<br />
Ebenda, S. 111–116.<br />
40<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1362 u. 1634.<br />
41<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1236.<br />
42<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2118.<br />
43<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1287 u. 2832.<br />
44<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1236, 1342, 1574, 1801, 2118, 2144 u. 2832.<br />
45<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2832.<br />
46<br />
Die Hintergründe der Todesfälle sind weitergehend erläutert in: Hillmann/Kluge/<br />
Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 122–124. Eszter Rosenfelds (verheiratete<br />
Senderovits) Aussage ist zitiert <strong>nach</strong> ihrer Vernehmung von 1969 im Rahmen<br />
einer Vorermittlung zu Tötungsdelikten in der Muna Lübberstedt, Bundesarchiv-<br />
Ludwigsburg, B 162/15448.<br />
47<br />
Stefan Romey: Ein KZ in Wandsbek, a. a. O., S. 173 sowie Sigrun Jochims-Bozic:<br />
„Lübeck ist nur eine kurze Station auf dem jüdischen Wanderweg“. Jüdisches<br />
Leben in Schleswig-Holstein 1945–1950. Berlin 2004, S. 52.<br />
48<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 128–130.<br />
49<br />
Beschrieben sind diese Todesmärsche z. B. bei Uwe Fentsahm: Der „Evakuierungsmarsch“<br />
von Hamburg-Fuhlsbüttel <strong>nach</strong> Kiel-Hassee (12.–15. April 1945).<br />
In: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 44/2004, S.<br />
66–105; Gerhard Hoch: <strong>Von</strong> <strong>Auschwitz</strong> <strong>nach</strong> Holstein. Der Leidensweg der 1200<br />
jüdischen Häftlinge von Fürstengrube. Hamburg 1990 oder Wilhelm Lange: Cap<br />
Arcona. Das tragische Ende der KZ-Häftlings-Flotte am 3. Mai 1945. Eutin 1988.<br />
50<br />
Sigrun Jochims-Bozic: Lübeck a. a. O., S.53.<br />
51<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 128 sowie YVDA, subsection<br />
O 15 E, Nrn 1574 u. 2118. Bestätigt wird die Zahl von 60 <strong>nach</strong> Bergen-Belsen<br />
Deportierten von der an dem Transport beteiligten Tova-Kornelia Hochmann in<br />
ihrer Aussage vom 24. Oktober 1972, BA-LB B 162/15448.<br />
52<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1342.<br />
53<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 3275.<br />
54<br />
Hillmann/Kluge/ Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 131.<br />
55<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1236.<br />
56<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2832.<br />
57<br />
Wilhelm Lange: Cap Arcona, a. a. O., S. 70–77.<br />
58<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2118.<br />
59<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1634.<br />
60<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 132.<br />
61<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nrn 1634 u. 2832.<br />
62<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 133 u. 138.<br />
63<br />
Wilhelm Lange: Cap Arcona, a. a. O., S. 50.<br />
64<br />
Karl-Heinz Albrecht, Neustadt, Brief vom 18. November 1993, zitiert <strong>nach</strong> Hillmann/Kluge/Kramer:<br />
Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 133.<br />
65<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 135–137; vgl auch Renate<br />
Gebhardt: „Nur fünf Gräber“. In: Blätter für Heimatkunde. Beilage des Ostholsteinischen<br />
Anzeigers. Nr. 2/Januar 1984, S. 7 f.; Egon Jacob: Der jüdische Friedhof in<br />
31
Eutin. In: Jb. f. Heimatkunde Eutin, 1989, S. 21–23.<br />
66<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 132 f.<br />
67<br />
Ebenda, S. 134.<br />
68<br />
Zusammenstellung der <strong>Plön</strong>er Stadtverwaltung vom 26. November 1945: Gräber<br />
der durch Feindeinwirkung gefallenen Zivilpersonen auf dem Friedhof in <strong>Plön</strong><br />
– aufgestellt <strong>nach</strong> den Angaben der Kirchengemeinde <strong>Plön</strong> und des Friedhofverwalters<br />
Rathje, Stadtarchiv <strong>Plön</strong>, Nr. 3733.<br />
69<br />
Hillmann/Kluge/Kramer: Muna Lübberstedt, a. a. O., S. 134 f.<br />
70<br />
Vernehmung Barbara Lorbeer, Netanya (Israel), 19. Sept. 1972, BA-LB B<br />
162/15448.<br />
71<br />
Peter Wippich: Neubeginn 1945. In: 1000 Jahre <strong>Plön</strong> – 750 Jahre Lübisches Stadtrecht.<br />
<strong>Plön</strong> 1986, S. 211–228, hier S. 213. Wippich korrigiert hier das von Julius<br />
Ploog 1985 mit dem 4. Mai angegebene Datum des Angriffs. Vgl. Julius Ploog: Wie<br />
ich als Feuerwehrmann das Kriegsende in <strong>Plön</strong> erlebte. In: Jahrbuch für Heimatkunde<br />
im Kreis <strong>Plön</strong>, 15. Jg./1985, S. 69–72.<br />
72<br />
Alfons Galette: Erinnerungen an die letzten zwei Kriegsjahre im Kreise <strong>Plön</strong>. In:<br />
Jahrbuch für Heimatkunde im Kreis <strong>Plön</strong>, 15. Jg./1985, S. 33–49, hier S. 47.<br />
73<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2832.<br />
74<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nrn 1342, 1937, 2932.<br />
75<br />
Sune Persson: Rettung im letzten Augenblick. Folke Bernadotte und die Befreiung<br />
Tausender KZ-Häftlinge durch die Aktion »weiße Busse«. Berlin 2011, S. 312 f. u.<br />
316.<br />
76<br />
Stephan Linck: Der Ordnung verpflichtet: Deutsche Polizei 1933–1949. Der Fall<br />
Flensburg. Paderborn u. a. 2000.<br />
77<br />
Ebenda, S. 150–156; sowie Peter Longerich: Heinrich Himmler. München 2008,<br />
S. 750–755; vgl. auch Alfred Heggen: Ribbentrop in <strong>Plön</strong> am 1. Mai 1945 – Drei<br />
rätselhafte Funksprüche und ein Versuch der Einordnung. In: Jahrbuch für Heimatkunde<br />
im Kreis <strong>Plön</strong>, 35. Jg./2005, S. 170–175.<br />
78<br />
Peter Longerich: Himmler, a. a. O., S. 752.<br />
79<br />
YVDA, subsection O 15 R, Nr. 1287. Nach der Erfassung der Kriegsgefangenenund<br />
Zwangsarbeiterlager in Schleswig-Holstein gab es in <strong>Plön</strong> ein „Kommando<br />
Eisenbahngelände mit 160 sowjetischen und italienischen Arbeitern. Vgl. Rolf<br />
Schwarz: Die Lager: Suche und Ergebnis. In: Gerhard Hoch/Rolf Schwarz: Verschleppt<br />
zur Sklavenarbeit. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Schleswig-<br />
Holstein. Alveslohe und Nützen 1985, S. 149–190, hier S. 181; Ulrich March erwähnt<br />
russische Kriegsgefangene, die in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai aus dem<br />
„Lager am Bahnhof“ ausgebrochen seien. Vgl. Ulrich March: Kriegsende 1945 in<br />
<strong>Plön</strong>. In: Die Lade. Monatsbeilage des Ost-Holsteinischen Tageblattes, Nr. 4/April<br />
1965, wiederveröffentlicht in: 1000 Jahre <strong>Plön</strong> – 750 Jahre Lübisches Stadtrecht,<br />
<strong>Plön</strong> 1986, S. 206–210.<br />
80<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 792 u. 1236. Fast gleichzeitig mit dem Zug der<br />
ungarischen Jüdinnen wurde auf der Provinzialstraße bei Oberkleveez ein Kranken-<br />
und Verwundetentransport, der auf dem Weg von Eutin <strong>nach</strong> Heide war,<br />
angegriffen. Ein Kraftwagen brannte aus, es gab Verwundete und mehrere Tote.<br />
Die Gefallenen wurden auf den städt. Friedhof <strong>nach</strong> <strong>Plön</strong> gebracht. Der Krankentransport<br />
wurde von einem Stabs- oder Oberstabsarzt angeführt. Schreiben der<br />
Gemeindeverwaltung Bösdorf, 14. Juli 1949, Stadtarchiv <strong>Plön</strong>, Nr. 3734 (II).<br />
81<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2832.<br />
82<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1287.<br />
83<br />
Ulrich March: Kriegsende 1945 in <strong>Plön</strong>, a. a. O. Vgl. auch Renate Dopheide: Kiel,<br />
Mai 1945. Kiel 22007, S. 49–52; vgl. auch Hans Pauckstadt: Die Ereignisse in <strong>Plön</strong><br />
unmittelbar vor und während der Kapitulation. Unveröffent. Manuskript, Sept.<br />
1945, zitiert <strong>nach</strong>: Hans Stark: Marineunteroffizierschule <strong>Plön</strong>/Holstein. <strong>Plön</strong> 1974,<br />
S. 91.<br />
84<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1287.<br />
32
85<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2118 u. 2832.<br />
86<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2144.<br />
87<br />
Käthe Waag: <strong>Plön</strong> Februar bis Mai 1945. <strong>Plön</strong> 1985.<br />
88<br />
Alfons Galette: Erinnerungen an die letzten zwei Kriegsjahre im Kreise <strong>Plön</strong>. In:<br />
Jahrbuch für Heimatkunde im Kreis <strong>Plön</strong>, 15. Jg./1985, S. 33–49, hier S. 47.<br />
89<br />
Grabstätten von Angehörigen der Vereinten Nationen, Schreiben des Kirchenvorstandes<br />
der Kirchengemeinde <strong>Plön</strong> an die Stadtverwaltung <strong>Plön</strong>, 13. Februar 1948,<br />
Stadtarchiv <strong>Plön</strong>, Nr. 3733.<br />
90<br />
Beerdigungen auf unserem Friedhof, Pastor Böttger an die Stadtverwaltung <strong>Plön</strong>,<br />
10. Mai 1945, StA <strong>Plön</strong>, Nr. 3508.<br />
91<br />
Lageplan der Kriegsgräber auf dem Friedhof der Kirchengemeinde <strong>Plön</strong>, undatiert<br />
[frühe 50ger Jahre] StA <strong>Plön</strong>, Nr. 3734 (I).<br />
92<br />
Grabstätten von Angehörigen der Vereinten Nationen, Kirchenvorstand der ev.<br />
Luth. Kirchengemeinde <strong>Plön</strong>, 13. Feb. 1948, StA <strong>Plön</strong>, Nr. 3733.<br />
93<br />
Gräberliste <strong>nach</strong> dem Kriegsgräbergesetz von 1952, Friedhof der ev. Luth. Kirchengemeinde<br />
<strong>Plön</strong>, 16. Dez. 1953, StA <strong>Plön</strong> Nr. 3734 (I). So auch das Grabregister<br />
der Kirchengemeinde <strong>Plön</strong>, Archiv der KG <strong>Plön</strong>, Nr. 107.<br />
94<br />
Zusammengestellt <strong>nach</strong>: Gräberliste <strong>nach</strong> dem Kriegsgräbergesetz von 1952,<br />
Friedhof der ev. Luth. Kirchengemeinde <strong>Plön</strong>, 16. Dez. 1953, StA <strong>Plön</strong> Nr. 3734<br />
(I). Durch Recherche wurde versucht, die z. T. offensichtlich falsche Schreibweise<br />
anzupassen, was allerdings nicht immer gelang. Weder im Stadtarchiv <strong>Plön</strong>, im<br />
Landesarchiv in Schleswig noch im Schl.-Holst. Innenministerium konnten Hinweise<br />
auf die Umbettung festgestellt werden. Der entscheidende Hinweis fand<br />
sich bei: Rüdiger Kahrs: Die Evakuierung des KZ-Außenlagers Lübberstedt bei<br />
Bremen <strong>nach</strong> Ostholstein 1945. Eine Ereignisskizze. In: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen<br />
Zeitgeschichte, 36/Okt. 1999, S. 93–96.<br />
95<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1937.<br />
96<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1287.<br />
97<br />
War Diary, 9. Mai 1945, 6. Guards Armoured Brigade, The National Archives Kew/<br />
London, War Office 171/4321.<br />
98<br />
YVDA, subsection Nr. O 15 E, Nrn 1287, 1342, 2118.<br />
99<br />
Käthe Waag: <strong>Plön</strong> Februar bis Mai 1945. <strong>Plön</strong> 1985. (ohne Seitenzählung)<br />
100<br />
Hans Pauckstadt: Das Steinbergschlösschen. <strong>Plön</strong> 1975, S. 2. – Die Schrift liegt unveröffentlicht<br />
im StA <strong>Plön</strong> vor. Für den Hinweis auf diese Schrift danke ich Herrn<br />
Böhrens vom Stadtarchiv <strong>Plön</strong>. Vgl. auch Peter Wippich: Neubeginn, a. a. O., S.<br />
218 f.<br />
101<br />
Gespräch mit Frau Staack, <strong>Plön</strong>, Hipperstraße 6, geführt von Susanne Martens im<br />
Rahmen einer Projektwoche des Internatsgymnasiums Schloß <strong>Plön</strong> am 26. Juni<br />
1993.<br />
102<br />
Landrat des Kreises <strong>Plön</strong> an den Bürgermeister der Stadt <strong>Plön</strong>, 24. Mai 1945, StA<br />
<strong>Plön</strong>, Nr. 1553. Im Kriegstagebuch des 520. Military Government Detachment<br />
findet sich zum 3. Juni 1945 der Eintrag: „Evacuation of hospital from <strong>Plön</strong> to<br />
Preetz.“ The National Archives, WO 171/8006. In Preetz hat es offenbar keine<br />
weiteren Todesfälle gegeben, die sich der Gruppe der ungarischen Jüdinnen zuordnen<br />
lassen; vgl. Peter Pauselius: Dokumentation über die Kriegsgefangenen,<br />
Fremd- und Ostarbeiter in Preetz 1939–1946. Großbarkau 1996.<br />
103<br />
Kirchenarchiv der Kirchengemeinde <strong>Plön</strong>, Nr. 107 (Grabregister 1911–1962), S.<br />
26. Dieser Sterbefall findet in keinem der späteren Kriegsgräberverzeichnisse Berücksichtigung.<br />
Es ist davon auszugehen, dass es später auch keine Umbettung<br />
gegeben hat. Dieses Grab (J VIII 14) hätte also auch nicht aufgehoben werden<br />
dürfen.<br />
104<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 2832 u. 2118.<br />
105<br />
Fügt man zu dieser Zahl die 24 noch im Krankenhaus befindlichen Frauen hinzu,<br />
ergibt sich annähernd die oben angeführte Zahl von 350 Jüdinnen.<br />
106<br />
Schreiben des Mil. Gov. an den Bürgermeister in <strong>Plön</strong>, 15. Mai 1945, Landesarchiv<br />
33
Schleswig-Holstein, Abt. 320 (<strong>Plön</strong>), Nr. 1318.<br />
107<br />
Hermann Schulze-Koops: Zeitzeugen berichten: 1945–1947 Haffkrugs und Sierksdorfs<br />
schwerste Jahre. Timmendorfer Strand 51992, S. 14–17.<br />
108<br />
Ebenda, S. 23.<br />
109<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1342 u. 2118.<br />
110<br />
YVDA, subsection O 15 E, Nr. 1236.<br />
111<br />
Eidesstattliche Versicherung Gizella Ickovic, 1. Mai 1958, Dokument 21076 im 2.<br />
<strong>Auschwitz</strong>prozess, Archiv Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main.<br />
112<br />
Mitteilung von Martin Senderovits vom 12. Juli und 17. August 2017.<br />
113<br />
Braham: Encyclopedia, a. a. O., Vol I, S. 626.<br />
114<br />
Aktennotiz vom 16. September 1949, StA <strong>Plön</strong>, Nr. 3733 (Kriegsgräber).<br />
115<br />
Rüdiger Kahrs: Die Evakuierung des KZ-Außenlagers Lübberstedt bei Bremen<br />
<strong>nach</strong> Ostholstein 1945. Eine Ereignisskizze. In: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen<br />
Zeitgeschichte 36/Okt. 1999, S. 93–96.<br />
Der Versuch, zu den Betreibern der Internetseite „galiciantraces.com/tiachiv“ Kontakt<br />
aufzunehmen, ist misslungen. Der Verfasser ist bereit, im Rahmen üblicher Vergütung<br />
die Wiedergabe der Abbildung zu honorieren.<br />
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