Die Neue Hochschule Heft 1/2019
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Universal Design for Learning - Ziele und Erfahrungen
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18 Fachaufsätze<br />
Lichtenberg als Hochschuldidaktiker –<br />
Inspirationen aus dem 18. Jahrhundert<br />
Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) wurde vor allem als Physiker<br />
und Aphorist bekannt. Viel weniger gewürdigt ist seine Rolle als innovativer<br />
Hochschuldidaktiker und Mode-2-Forscher. | Von Prof. Dr. Christiane <strong>Die</strong>nel und<br />
Prof. Dr. Sven Sohr<br />
Foto: privat<br />
Prof. Dr. Christiane <strong>Die</strong>nel<br />
Nexus Institut für Kooperationsmanagement<br />
und interdisziplinäre Forschung<br />
christiane.dienel@nexusinstitut.de<br />
Foto: privat<br />
Prof. Dr. Sven Sohr<br />
Deutsche <strong>Hochschule</strong> für Gesundheit<br />
und Sport<br />
sven.sohr@dhgs-hochschule.de<br />
In diesem Beitrag wird an einen außergewöhnlichen<br />
Wissenschaftler erinnert,<br />
der vor drei Jahrhunderten wirkte: Georg<br />
Christoph Lichtenberg. Zu seiner Zeit galt<br />
er als ein großer Naturwissenschaftler und<br />
wird auch heute vor allem als bedeutsamer<br />
Experimental-Physiker wahrgenommen.<br />
Nach Auffassung der Autoren kann<br />
er für die Lehr- und Lernkultur an <strong>Hochschule</strong>n<br />
für angewandte Wissenschaften<br />
Inspirationen liefern.<br />
Bildungsbiografie<br />
Lichtenberg wird am 1. Juli 1742 in Ober-<br />
Ramstadt am Odenwald geboren. Er ist<br />
das 17. und letzte Kind einer Pfarrersfamilie.<br />
Durch eine Rachitis kommt es bei<br />
ihm zu einer seitlichen Verbiegung der<br />
Brustwirbelsäule und dadurch zu einem<br />
Buckel mit Kleinwuchs von 146 Zentimetern<br />
und wiederkehrenden Atembeschwerden<br />
– physische Beeinträchtigungen,<br />
die ihn zeit seines Lebens begleiten.<br />
<strong>Die</strong> Familie zieht nach Darmstadt um,<br />
wo der Vater zum Stadtprediger berufen<br />
wird, später dann zum Superintendenten<br />
der Obergrafschaft. Er gilt als ein weltoffener<br />
Geistlicher, der in seinen Predigten z.<br />
B. auch über astronomische Entdeckungen<br />
spricht und seine Söhne selbst unterrichtet.<br />
Der Vater stirbt, als Lichtenberg<br />
neun Jahre alt ist.<br />
Lichtenberg zeigt früh seine Begabung<br />
und kann mit sechs Jahren das Vaterunser<br />
rückwärts aufsagen. Mit zehn Jahren<br />
kommt Lichtenberg auf das Darmstädter<br />
Pädagogium und gewinnt dort durch<br />
Fleiß und Kreativität mehrere Preise. Im<br />
Jahr 1761 erreicht er einen der besten<br />
Schulabschlüsse seines Jahrgangs und darf<br />
bei der Entlassungsfeier die Schlussansprache<br />
halten – Thema: „Vom wahren Werte<br />
der Wissenschaften und der Dichtkunst“.<br />
Ein Studium erscheint finanziell<br />
zunächst unmöglich, aber Lichtenberg<br />
erhält schließlich ein Stipendium und<br />
immatrikuliert sich an der 1737 eingeweihten<br />
Universität in Göttingen, um<br />
Mathematik, Physik, Astronomie und<br />
Naturgeschichte zu studieren. Darüber<br />
hinaus besucht er auch Vorlesungen in<br />
den Fächern Philosophie und Theologie.<br />
Lichtenberg genießt das Studentenleben,<br />
schließt neue Freundschaften und<br />
lernt Englisch. Zur Finanzierung gibt er<br />
auch Nachhilfe und sammelt so didaktische<br />
Erfahrungen. Einen ersten Ruf als<br />
Professor der Mathematik an die Universität<br />
Gießen nimmt er nicht an, sondern<br />
arbeitet als öffentlicher Lehrer der englischen<br />
Sprache in Gießen bzw. als Tutor<br />
für englische Studenten. Auch später im<br />
Leben wird er immer wieder englische<br />
Privatschüler annehmen.<br />
Schon während des Studiums beginnt<br />
Lichtenberg seine Aufzeichnungen im<br />
ersten „Sudelbuch A“ (zehn weitere<br />
folgen bis zu seinem Tode), an dem er<br />
sieben Jahre lang schreibt. In seinen<br />
Kladden hält er ausgewählte Beobachtungen<br />
und Gedanken fest. Sie beinhalten<br />
auch Ideen und Anregungen für<br />
Schriften und Skizzen für nie geschriebene<br />
Romane. 1770 wird Lichtenberg<br />
zum Professor für Philosophie in Göttingen<br />
berufen und kann zum ersten Mal<br />
nach England reisen, um dort für drei<br />
englische Zöglinge als Tutor zu arbeiten.<br />
Dort empfängt ihn der englische<br />
König Georg III. auf einer Sternwarte; im<br />
Auftrag des Königs wird er noch mehrere<br />
01 | <strong>2019</strong> DNH